Die Internationalisierung der Bayerischen Motoren Werke AG: Vom reinen Exportgeschäft zur Gründung eigener Tochtergesellschaften im Ausland 1945–1981 [Dispersed color pages] 9783110501292, 9783110500134

After 1945, BMW began its steady rise to become a global corporation. Based on source materials and her personal experti

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German Pages 803 [804] Year 2017

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Inhalt
Vorwort
1. Einleitung
1.1. Themenhinführung und Fragestellung
1.2. Theoretischer Rahmen: Die Internationalisierung eines Unternehmens
1.2.1. Definitorische Abgrenzung der Begrifflichkeiten
1.2.2. Theoretische Grundlagen
1.3. Analytischer Rahmen: Methodische Grundlage und Aufbau der Untersuchung
1.4. Quellenlage
1.5. Forschungsstand und Literatur
2. Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1945–1960)
2.1. Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
2.1.1. Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg: BMW während der Besatzungszeit (1945–1948)
2.2. Personalpolitik
2.2.1. Die BMW-Geschäftsleitung nach 1945: Kontinuität statt Bruch
2.2.2. Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung
2.3. BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg
2.3.1. Die Motorradmodellpolitik nach dem Neubeginn im Überblick
2.3.2. Der Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung der BMW AG
2.4. Modell- und Preispolitik
2.4.1. Das Automobilmodellprogramm
2.4.1.1. Der Wiedereinstieg in das Automobilgeschäft mit den Großen Wagen
2.4.1.2. Der Einstieg in das Kleinstwagengeschäft: Die BMW Isetta
2.4.1.3. Das Kleinwagensegment: Der BMW 600 als Überbrückungsprodukt
2.4.1.4. Der Kleinwagen BMW 700 als multinationales Projekt
2.4.1.5. Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung
2.5. Vertriebspolitik
2.5.1. Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur
2.5.2. Der Aufbau der Händlerorganisation im In- und Ausland
2.5.2.1. Ausgangssituation nach dem Zweiten Weltkrieg
2.5.2.2. Bemühungen im Inland
2.5.2.3. Bemühungen im Ausland
2.5.3. Die Wiederbelebung des Exportgeschäftes
2.5.3.1. Montage als Vertriebsstrategie zur Marktpenetration: Die Vergabe von CKD-/SKD-Lizenzen
2.5.3.2. Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports
2.6. Kommunikationspolitik
2.6.1. Der Auftritt der Marke BMW weltweit
2.6.2. Internationale Werbung (Markt- und Produktkommunikation)
2.7. Zwischenfazit
3. Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1961–1970)
3.1. Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
3.2. Personalpolitik
3.2.1. Die BMW-Geschäftsleitung in den 1960er Jahren
3.2.2. Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung
3.2.2.1. Gastarbeiter und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der BMW AG
3.3. Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung
3.4. Modell- und Preispolitik
3.4.1. Das Automobilmodellprogramm
3.4.1.1. Einfluss der Marktforschung auf die Fahrzeugentwicklung
3.4.1.2. Preispolitik
3.4.1.3. Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung
3.5. Vertriebspolitik
3.5.1. Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur
3.5.2. Der Ausbau des Vertriebsnetzwerks
3.5.2.1. Das Delegiertensystem zur Erschließung neuer Märkte
3.5.2.2. Der Ausbau der Montage als Mittel zur Marktpenetration
3.5.2.3. Die ersten Minderheitsbeteiligungen im Ausland
3.5.3. Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports
3.6. Kommunikationspolitik
3.6.1. Der Auftritt der Marke BMW weltweit
3.6.2. Internationale Werbung (Markt- und Produktkommunikation)
3.7. Zwischenfazit
4. Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1971–1981)
4.1. Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
4.2. Personalpolitik
4.2.1. Die BMW-Geschäftsleitung in den 1970er Jahren
4.2.2. Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung
4.3. Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung
4.4. Modell- und Preispolitik
4.4.1. Das Automobilmodellprogramm
4.4.1.1. Marktspezifische Modellmodifikationen als wichtiges Instrument
4.4.1.2. Preispolitik
4.4.1.3. Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung
4.5. Vertriebspolitik
4.5.1. Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur
4.5.2. Der Ausbau des Vertriebsnetzwerks
4.5.2.1. Der Ausbau der Montage als Mittel zur Marktpenetration
4.5.2.2. Der Strategiewechsel: Vertriebsgesellschaften statt Importeure
4.5.2.3. Wachsende Komplexität: Die Gründung von Holding- und Finanzierungsgesellschaften
4.5.3. Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports
4.6. Kommunikationspolitik
4.6.1. Der Auftritt der Marke BMW weltweit
4.6.2. Internationale Werbung (Markt- und Produktkommunikation)
4.7. Zwischenfazit
5. BMW in Südafrika: Vom Markteinstieg zur Etablierung der eigenen Tochtergesellschaft BMW (South Africa) (Pty) Ltd
5.1. Einleitung
5.1.1. Die Haltung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Südafrika
5.2. Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika
5.3. Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd
5.4. Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft und ihr weiterer Ausbau (1972–1981)
5.4.1. Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und die allgemeine Geschäftsentwicklung
5.4.2. Personalpolitik
5.4.3. Modell- und Preispolitik
5.4.4. Produktion
5.4.5. Vertrieb
5.4.6. Kommunikationspolitik
5.5. Zwischenfazit
6. Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG (1945–1981)
7. Anhang
7.1. Abkürzungsverzeichnis
7.2. Verzeichnis der Abbildungen
7.3. Verzeichnis der Tabellen
7.4. Quellen- und Literaturverzeichnis
7.4.1. Archivalien des BMW Group Archivs (BMW)
7.4.2. Archivalien des Archivs für Christlich-Soziale Politik (ACSP)
7.4.3. Interviews
7.4.4. Periodische Publikationen
7.4.5. Quelleneditionen
7.4.6. Literatur
7.4.7. Internetquellen
7.5. Sachregister
7.6. Personenregister
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Die Internationalisierung der Bayerischen Motoren Werke AG: Vom reinen Exportgeschäft zur Gründung eigener Tochtergesellschaften im Ausland 1945–1981 [Dispersed color pages]
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Annika Biss Die Internationalisierung der Bayerischen Motoren Werke AG

Perspektiven Schriftenreihe des BMW Group Archivs

Band 6

Annika Biss

Die Internationalisierung der Bayerischen Motoren Werke AG Vom reinen Exportgeschäft zur Gründung eigener Tochtergesellschaften im Ausland 1945–1981

ISBN 978-3-11-050013-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-050129-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049799-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A Cip catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen ­Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagbild: BMW AG Konzernarchiv Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung

1

1.1.  Themenhinführung und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2.  Theoretischer Rahmen: Die Internationalisierung eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2.1.  Definitorische Abgrenzung der Begrifflichkeiten . . . . . 8 1.2.2.  Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3.  Analytischer Rahmen: Methodische Grundlage und Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.4. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.5.  Forschungsstand und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1945–1960) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen . . . . . . 51 2.1.1.  Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg: BMW während der ­Besatzungszeit (1945–1948) . . . . . . . . . . . . 70 2.2.  Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.2.1.  Die BMW-Geschäftsleitung nach 1945: Kontinuität statt Bruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.2.2.  Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . 85 2.3.1.  Die Motorradmodellpolitik nach dem Neubeginn im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.3.2.  Der Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung der BMW AG . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.4.  Modell- und Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.4.1.  Das Automobilmodellprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2.4.1.1.  Der Wiedereinstieg in das Automobilgeschäft mit den Großen Wagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2.4.1.2.  Der Einstieg in das Kleinstwagengeschäft: Die BMW Isetta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.4.1.3.  Das Kleinwagensegment: Der BMW 600 als Überbrückungsprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.4.1.4.  Der Kleinwagen BMW 700 als multinationales Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

VI

Inhalt

2.4.1.5.  Kurze Bewertung des automobilen Modell programms und sein Beitrag zur Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2.5. Vertriebspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2.5.1.  Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur . . 156 2.5.2.  Der Aufbau der Händlerorganisation im In- und Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2.5.2.1.  Ausgangssituation nach dem Zweiten Weltkrieg 164 2.5.2.2.  Bemühungen im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2.5.2.3.  Bemühungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2.5.3.  Die Wiederbelebung des Exportgeschäftes . . . . . . . . . . . 181 2.5.3.1.  Montage als Vertriebsstrategie zur Marktpene tration: Die Vergabe von CKD-/SKD-Lizenzen 187 2.5.3.2.  Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports . . . . . . . . . . . . . 196 2.6. Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2.6.1.  Der Auftritt der Marke BMW weltweit . . . . . . . . . . . . . 214 2.6.2.  Internationale Werbung (Markt- und Produkt kommunikation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2.7. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1961–1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen . . . . . . 231 3.2. Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3.2.1.  Die BMW-Geschäftsleitung in den 1960er Jahren . . . . . 251 3.2.2.  Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3.2.2.1.  Gastarbeiter und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der BMW AG . . . . . . . . . 264 3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3.4.  Modell- und Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3.4.1.  Das Automobilmodellprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3.4.1.1.  Einfluss der Marktforschung auf die Fahrzeugentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3.4.1.2. Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3.4.1.3.  Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 3.5. Vertriebspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3.5.1.  Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur . . 309

Inhalt

VII

3.5.2.  Der Ausbau des Vertriebsnetzwerks . . . . . . . . . . . . . . . . 315 3.5.2.1.  Das Delegiertensystem zur Erschließung neuer Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3.5.2.2.  Der Ausbau der Montage als Mittel zur Marktpenetration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3.5.2.3.  Die ersten Minderheitsbeteiligungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 3.5.3.  Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 3.6. Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3.6.1.  Der Auftritt der Marke BMW weltweit . . . . . . . . . . . . . 359 3.6.2.  Internationale Werbung (Markt- und Produkt kommunikation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 3.7.  Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 4. Phase III: Die Institutionalisierung der interna­tionalen Ausrichtung der BMW AG (1971–1981) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen . . . . . . 397 4.2. Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 4.2.1.  Die BMW-Geschäftsleitung in den 1970er Jahren . . . . . 416 4.2.2.  Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 4.4.  Modell- und Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 4.4.1.  Das Automobilmodellprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 4.4.1.1.  Marktspezifische Modellmodifikationen als wichtiges Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 4.4.1.2. Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 4.4.1.3.  Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 4.5. Vertriebspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 4.5.1.  Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur . . 481 4.5.2.  Der Ausbau des Vertriebsnetzwerks . . . . . . . . . . . . . . . . 498 4.5.2.1.  Der Ausbau der Montage als Mittel zur Marktpenetration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 4.5.2.2.  Der Strategiewechsel: Vertriebsgesellschaften statt Importeure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 4.5.2.3.  Wachsende Komplexität: Die Gründung von Holding- und Finanzierungsgesellschaften . . . . 530 4.5.3.  Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535

VIII

Inhalt

4.6. Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 4.6.1.  Der Auftritt der Marke BMW weltweit . . . . . . . . . . . . . 550 4.6.2.  Internationale Werbung (Markt- und Produkt kommunikation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 4.7. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 5. BMW in Südafrika: Vom Markteinstieg zur Etablierung der eigenen Tochtergesellschaft BMW (South Africa) (Pty) Ltd. . . . . . . 575 5.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 5.1.1.  Die Haltung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Südafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika . . . . 591 5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. . . . . . . . . . 610 5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochter gesellschaft und ihr weiterer Ausbau (1972–1981) . . . . . . . . . . . 620 5.4.1.  Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und die allgemeine Geschäftsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 5.4.2. Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 5.4.3.  Modell- und Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 5.4.4. Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 5.4.5. Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708 5.4.6. Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 5.5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 6. Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG (1945–1981) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 7. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 7.1. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 7.2.  Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 7.3.  Verzeichnis der Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764 7.4.  Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 768 7.4.1.  Archivalien des BMW Group Archivs (BMW) . . . . . . . 768 7.4.2.  Archivalien des Archivs für Christlich-Soziale Politik (ACSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 7.4.3. Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770 7.4.4.  Periodische Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770 7.4.5. Quelleneditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770 7.4.6. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770 7.4.7. Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 7.5. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788 7.6. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die ich 2015 an der Philipps-Universität Marburg eingereicht und 2016 verteidigt habe. Zu Beginn der Promotion war nicht abzusehen, welchen Verlauf diese Reise nehmen und welche Dimensionen sie erreichen würde. In den vergangenen sechs Jahren eignete ich mir nicht nur umfangreiches fachliches Wissen an, sondern machte auf vielen weiteren Ebenen wertvolle Erfahrungen. So ein Promotionsprojekt, zumal begleitend zu Beruf und Familie, ist gewiss nicht ohne eine Wegbegleitung zu bewerkstelligen, die Etappenziele ebenso feiert wie auch hilft, schwierige Abschnitte zu bewältigen. Demgemäß gilt mein Dank vielen Menschen, die mich in dieser Zeit begleitet, ermutigt, unterstützt und nicht zuletzt Verständnis gezeigt ­haben, dass Zeit zur Geselligkeit ein knappes Gut war. Hier einige wenige hervorzuheben und zu versuchen, meiner Dankbarkeit angemessen Gestalt zu verleihen, ist schwierig, soll aber dennoch gewagt werden. Der Bezeichnung „Doktorvater“ alle Ehre gemacht hat Prof. Christian Kleinschmidt, der diese Dissertation in seiner menschlichen, fachlich-wissenschaftlich versierten Art bestmöglich begleitet hat und nie Zweifel an ihrem erfolgreichen Abschluss aufkommen ließ. Einen besseren akademischen Mentor hätte ich mir nicht wünschen können. Dank gilt auch Prof. Eckart Conze, der als Zweitgutachter wertvolle Vorschläge zur inhaltlichen Über­ arbeitung machte sowie Prof. Lothar Burchardt, der noch während meines Magisterstudiums wichtiger Ansprechpartner und eine große Inspiration war. Für die inhaltliche als auch kollegiale Unterstützung danke ich vor allem Fred Jakobs, Dr. Florian Triebel und Manfred Grunert, die diese Doktor­ arbeit mit ihrem umfangreichen Wissen um die Historie der BMW AG fachlich lektoriert haben und somit als geschätzte Diskussionspartner wichtige Ergänzungen lieferten. Der stete Austausch mit ihnen hat wesentlich zur Aufwertung der Analyse beigetragen. Weiterer unendlicher Dank gilt meinem Vater, und nochmals Fred Jakobs, die beide diese Arbeit von Anfang bis Ende Korrektur gelesen und in ihrer Verlässlichkeit ein Exempel statuiert ­haben. Auch bedanke ich mich bei dem gesamten Team einschließlich des ehemaligen Leiters des BMW Group Archivs Johann Raiger für die hervorragende Zusammenarbeit über viele Jahre sowie bei Tobias Flümann vom Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung für die Unterstützung bei meinen dortigen Recherchen. Meinen Interview- und Gesprächspartnern – dem langjährigen BMW-Vorstandsvorsitzenden Dr. Eberhard von Kuenheim, den BMW-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Elizabeth Baloyi, Lochner Dicker, Seth Phalatse und Peter Tomba in Südafrika sowie Mary Chan in Singapur – ist es zu verdanken, dass den schriftlichen Quellen eine zusätzliche narrative Dimension verliehen wurde, die die Arbeit bereichert hat. DOI 10.1515/9783110501292-202

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Vorwort

Neben der fachlichen Begleitung sind die emotionalen Wegbereiter ebenso wichtig und unerlässlich: Mein Freundeskreis hat in dieser Zeit gezeigt, wie außergewöhnlich er ist. Auch meiner Familie, die den größten Anteil hatte und sich Jahr für Jahr in einer unermesslichen Geduld übte, möchte ich von Herzen danken. Ohne euren Zuspruch, euer Verständnis und euren ausnahmslosen Rückhalt wäre der Abschluss dieser Dissertation nicht möglich gewesen. Insbesondere meinen Eltern und meinem Partner Mathis Lex ist es zu verdanken, dass diese Reise erfolgreich verlief. All den hier genannten, aber auch den namentlich nicht erwähnten Personen, die mich in den vergangenen Jahren vorbehaltlos unterstützen, bin ich in tiefer Dankbarkeit verbunden.

1. Einleitung 1.1.  Themenhinführung und Fragestellung In den vergangenen Jahren war in dem Bereich der Unternehmensgeschichte eine stärker werdende Strömung zu beobachten, die sich der Frage zuwandte, wie einzelne Unternehmen auf die sich immer rascher wandelnden Gegebenheiten, im Rahmen einer sich internationalisierenden Umwelt, reagierten, die diese qua eines dialektischen Verhältnisses zugleich reproduzierten.1 Mit einigen Ausnahmen handelte es sich bei einem Großteil dieser Untersuchungen um Einzelfallstudien oder aber um komparatistische Analysen, die sich in einem überschaubaren Rahmen bewegten, sich also auf einen Teilaspekt der Internationalisierungsgeschichte anhand eines exemplarischen Marktes, einer Periode und/oder eines bestimmten theoretischen Erklärungsansatzes – wie etwa anhand der Quantifizierung ausländischer Direktinvestitionen – konzentrierten.2 Wenige Autoren hingegen haben bislang die Internationalisierung eines Unternehmens oder eines Industriezweiges in ihrer Gesamtheit untersucht.3 Diese Tatsache ist mit Sicherheit auch dem breiten Analysespektrum geschuldet, den die Internationalisierung einem Wissenschaftler4 bietet und ihn vor die Entscheidung stellt, welche Einschränkung er in Kauf zu nehmen gewillt ist: Die Untersuchung des Gesamtphänomens unter der Prämisse anzulegen, nicht nennenswert in die Tiefe gehen zu können und somit vermehrt auf der analytischen Metaebene zu arbeiten oder eine Eingrenzung 1 Die Annahme eines dialektischen Verhältnisses zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt ist der Theorie des Sozialkonstruktivismus von Berger/Luckmann entlehnt, vgl. Berger, Peter / Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, 20. Auflage, Frankfurt/M. 2004. 2 Vgl. exemplarisch Borsdorf, Götz: Die Internationalisierung deutscher Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1973, Aachen 2007; Kleedehn, Patrick: Die Rückkehr auf den Weltmarkt. Die Internationalisierung der Bayer AG Leverkusen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Jahre 1961, Stuttgart 2007; Kreutzer, Ulrich: Von den Anfängen zum Milliardengeschäft. Die Unternehmensentwicklung von ­Siemens in den USA zwischen 1845 und 2001, Stuttgart 2013; Nieke, Claudia: Volkswagen am Kap. Internationalisierung und Netzwerk in Südafrika 1950 bis 1966, Historische Notate. Schriftenreihe der Historischen Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft, Bd. 4, Wolfsburg 2010; Wellhöner, Volker: „Wirtschaftswunder“ – Weltmarkt – westdeutscher Fordismus. Der Fall Volkswagen, Münster 1996. 3  Als herausstechende Beispiele einer breiter angelegten Untersuchung sind hier die zwei Arbeiten von Engel und Grunow-Osswald zu nennen, vgl. Engel, Alexander: Farben der Globalisierung. Die Entstehung moderner Märkte für Farbstoffe 1500– 1900, Frankfurt/M. 2009; Grunow-Osswald, Elfriede: Die Internationalisierung eines Konzerns. Daimler-Benz 1890–1997, Wissenschaftliche Schriftenreihe des Daimler­ Chrysler Konzernarchivs, Bd. 10, Vaihingen/Enz 2006. 4 Die vorliegende Arbeit verwendet eine geschlechtsneutrale Sprache, differenziert also nicht zwischen der weiblichen und männlichen Form.

DOI 10.1515/9783110501292-001

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1. Einleitung

des Spektrums vorzunehmen, infolgedessen weite Teile des Untersuchungsgegenstands vernachlässigt werden, jedoch ein hoher Detaillierungsgrad erreicht wird. Diese Ambivalenz ist nicht nur im Feld der Unternehmensgeschichte anzutreffen, sondern steht üblicherweise am Anfang eines jeden Forschungsvorhabens. Diese Entscheidung musste somit auch in der vorliegenden Studie gefällt werden. Im Folgenden soll erläutert werden, welcher Weg gewählt wurde und welcher Schwerpunkt der Arbeit zugrunde liegt. Die Automobilindustrie bietet ein vielversprechendes Untersuchungsfeld, die Internationalisierungsprozesse innerhalb eines Unternehmens sowie einer Branche zu analysieren; zeigt dieser Industriezweig doch deutlich, mit welchen Aufgaben und Anforderungen die Akteure bei Internationalisierungsverläufen konfrontiert werden.5 Die deutsche6 Personenwagenindustrie nach 1945 war im europäischen Vergleich durch eine hohe Anzahl von Anbietern geprägt. So gab es, wenn die kleineren PKW-Produzenten und Fabrikanten von Kleinstfahrzeugen unberücksichtigt bleiben, in den 1950er Jahren in Deutschland neun PKW-Hersteller – die Volkswagen GmbH, Auto Union GmbH, Adam Opel AG, Ford-Werke AG, Borgward GmbH, Daimler-Benz AG, BMW AG, Hans Glas GmbH und die Porsche KG –, während es in Italien lediglich drei waren sowie in Großbritannien und Frankreich jeweils fünf.7 Dies änderte sich jedoch in Deutschland mit steigendem Wettbewerbsdruck binnen weniger Jahre:8 Im Zuge der wachsenden Exportorientierung der deutschen Wirtschaft, des strukturellen Wandels der Automobilindustrie vom Verkäufer- zum Käufermarkt und der mit diesen beiden Punkten einhergehenden steigenden Bedeutung der ausländischen Märkte konnten einige deutsche Automobilhersteller, wie Borgward und Glas, diesem Druck nicht 5  Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die PKW-Industrie und lässt somit die Nutzfahrzeugindustrie außer Betracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten diese beide Teilindustrien verschiedenen Logiken und sich unterschiedlich ausdifferenzierenden Technologien. Nur einige wenige Anbieter wie Daimler-Benz führten beide Sparten parallel, viele mussten jedoch einen Zweig im Verlauf der 1950er und 1960er Jahre aufgeben oder verschwanden ganz aus dem Markt. Da die BMW AG ab 1948 bzw. 1952 primär ein PKW- und Motorradhersteller war, erfahren Nutzfahrzeuge in dieser Arbeit keine weitergehende Beleuchtung. 6  Bei der Verwendung des Terminus Deutschland ist nach 1949 die Bundesrepublik Deutschland gemeint. Insofern Ostdeutschland bzw. die Deutsche Demokratische Republik gemeint ist, wird dies semantisch durch die Verwendung dieser Begriffe deutlich kenntlich gemacht. 7 Vgl. Jürgensen, Harald / Berg, Hartmut: Konzentration und Wettbewerb im Gemeinsamen Markt. Das Beispiel der Automobilindustrie, Göttingen 1968, S. 134f. Die Autoren bieten eine sehr interessante Momentaufnahme des europäischen Wettbewerbs der Automobilindustrie der 1950er und 1960er Jahre und zeigen auf, wie sich der Konkurrenzdruck in den 1960er Jahren allmählich verstärkte. 8  In den restlichen europäischen Ländern stieg zwar ebenso der Wettbewerbsdruck, allerdings war er dort aufgrund der kleineren einheimischen Herstelleranzahl zunächst geringer und nahm erst mit der Intensivierung des Imports ausländischer Fabrikate signifikant zu.

1.1.  Themenhinführung und Fragestellung

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standhalten.9 Denn Vertrieb, Lizenzvergaben oder gar eine eigene Produk­ tion im Ausland auf-, auszubauen und zu koordinieren, stellt ein Unternehmen vor große organisatorische sowie finanzielle Herausforderungen. Durch die strukturellen Veränderungen des deutschen Automobilmarktes der 1950er und 1960er Jahre hatte sich die Zahl der PKW-Hersteller von ehemals neun reduziert, was auf den Aufkauf der Auto Union GmbH und der Hans Glas GmbH sowie der Insolvenz von Borgward zurückzuführen war. Die vorliegende Untersuchung fokussiert die Geschäftsentwicklung der BMW AG und ihrer Töchter im Kontext ihrer Internationalisierung seit der Nachkriegszeit. Das Ende des Zweiten Weltkrieges markierte eine existentielle Zäsur für die deutsche Industrie, die zugleich ihren internationalen Tätigkeiten und Direktinvestitionen im Ausland vorerst ein Ende setzte. Die vorhergehenden Phasen der BMW AG vor 1945 werden im Rahmen dieser Arbeit nicht näher beleuchtet. Das Auslandsengagement der Vorkriegszeit wird dennoch dort berücksichtigt, wo es – etwa durch ein in dieser Zeit geformtes Image, bestehende Vorkriegskontakte zu Importeuren oder erlerntes Wissen – Auswirkungen auf die Entwicklungen des internationalen Handels nach dem Zweiten Weltkrieg hatte. Die Konzentration auf den Zeitraum nach 1945 hat vor allem folgende Gründe: Zum einen war die BMW GmbH bzw. AG, auch wenn sie seit 1923 Motorräder und seit 1928 Automobile herstellte, in dieser Zeit allem voran ein Flugmotorenhersteller und somit während der beiden Weltkriege ein Rüstungsunternehmen. Dem Flugmotorenhandel, vor dem Hintergrund eines Rüstungsunternehmens mit primär staatlicher Interaktion, liegen allerdings andere Analyseparameter zugrunde als dem Endkundengeschäft im Bereich der Automobil- und Motorradindustrie, selbst wenn dieses über Direkt- und Großhändler abgewickelt wird. Zwar spielten mit der Entstehung und dem Ausbau des zivilen Flugverkehrs allmählich weitere Handelspartner, wie Flugzeughersteller und Luftfahrtgesellschaften, eine Rolle, jedoch unterlagen, wie Pierer und Lorenzen zeigen, die Handlungsspielräume der BMW-Geschäftsleitung einer Dynamik, die sich aufgrund staatlicher Interaktion und Intervention in Wellen zwischen Einengung und Ausdehnung bewegten.10 Die Phasen vor 1945 unterscheiden sich

9  Am Beispiel des PKW-Herstellers Glas arbeitet Günther diese Entwicklung sehr anschaulich auf, vgl. Günther, Rolf: Markteintritt und Wettbewerbsverhalten in der Automobilindustrie. Das Beispiel der Glas GmbH, Frankfurt/M. 1984. Für die gesamte bundesdeutsche Automobilwirtschaft, vgl. Borgward, Peter: Der Wettbewerb auf dem westdeutschen Automobilmarkt seit 1948. Verhaltensweisen der Anbieter und Nachfrager auf den westdeutschen Märkten für fabrikneue Personen- und Kombinationskraftwagen, Kiel 1967. Beckmann zeigt in seiner Arbeit sehr anschaulich den Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt auf, vgl. Beckmann, Nils: Käfer, Goggos, Heckflossen. Eine retrospektive Studie über die westdeutschen Automobilmärkte in den Jahren der beginnenden Massenmotorisierung, Stuttgart 2006. 10  Vgl. Pierer, Christian: Die Bayerischen Motoren Werke bis 1933. Eine Unternehmensgründung in Krieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise, München 2011; Loren-

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1. Einleitung

vor allem darin, dass neben der Mitbestimmung durch Regierungsstellen das primäre Geschäftsfeld der BMW AG vorrangig auf dem Gebiet des Geschäftskundensegments, das heute auch als Business-to-Business (B2B) bezeichnet wird, lag. Die Untersuchungsparameter dieses Feldes grenzen sich jedoch von dem für die vorliegende Arbeit gewählten Analyseraster deutlich ab, welches auf einer Erweiterung des klassischen Marketing-Mix von ­McCarthy basiert, das in Kapitel 1.3 genauer vorgestellt wird und mit dessen Hilfe die Internationalisierung des Unternehmens im weiteren Verlauf untersucht wird. Ein weiterer Grund für die Fokussierung des Zeitraums 1945 bis 1981 liegt darin begründet, dass sich der Verkauf von zivilen BMW-Produkten ins Ausland bis zum Wiedereinstieg in den Zweirad- und PKW-Markt 1948 bzw. 1952 lediglich in geringen Ausfuhrmargen bewegte und somit nur eine untergeordnete Rolle spielte. Auch Direktinvestitionen im Ausland tätigte BMW vor 1959 nicht. Im Zuge der nationalsozialistischen Expansion des Dritten Reichs wurden lediglich einige Frontreparaturstätten betrieben, die als solche eine andere Rolle einnahmen. Hinsichtlich seiner internationalen Aktivitäten unterschied sich das Münchner Unternehmen maßgeblich von anderen Herstellern, wie etwa der Daimler-Benz AG, die bereits 1902 erste Direktinvestitionen im Ausland tätigte, um der dort zunehmenden Nachfrage zu begegnen.11 Die Auseinandersetzung mit der BMW-Unternehmensgeschichte vor 1945 stellt dennoch aufgrund diverser Promotionsprojekte, die die Historie des Unternehmens unter dem Gesichtspunkt verschiedener Fragestellungen aufgearbeitet haben, kein Desiderat dar. Die Erkenntnisse aus diesen Arbeiten finden in der vorliegenden Analyse Niederschlag, insofern sie Einfluss auf die internationalen Aktivitäten im Untersuchungszeitraum 1945 bis 1981 nahmen.12 Eine weitere Eingrenzung des Untersuchungsfeldes wird vorgenommen, indem im Anschluss an die Nachkriegszeit vorrangig die Rolle des Automobilgeschäfts für die Internationalisierung der BMW AG in den Fokus genommen wird. Während das Zweirad mit dem blau-weißen Logo bis Mitte der 1950er Jahre noch eine wichtige Säule des Geschäftsfeldes war und das in der Vorkriegszeit geprägte Image der Marke BMW weiterhin auch im Ausland vertrat, nahm ab Mitte des Jahrzehnts die Bedeutung des Motorrads immer weiter ab. Diese Entwicklung stand in direktem Zusammenhang mit dem allgemeinen Wandel der Kraftfahrzeugmärkte in Deutschland und ­Europa – vom Zweirad hin zur überdachten Mobilität – und ließ sich quantitativ sowie qualitativ auf Unternehmens- und Marktebene nachvollziehen zen, Till: BMW als Flugmotorenhersteller 1926–1940. Staatliche Lenkungsmaßnahmen und unternehmerische Handlungsspielräume, München 2008. 11  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 92. 12  Vgl. Pierer, Die Bayerischen Motoren Werke bis 1933; Lorenzen, BMW als Flugmotorenhersteller 1926–1940; Werner, Constanze: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW, München 2006.

1.1.  Themenhinführung und Fragestellung

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(vgl. Kapitel 2.1).13 Diesem Wandel der Mobilität wird auch in der vorliegenden Arbeit Rechnung getragen, indem die Rolle des Motorrads für die Internationalisierung des Münchner Unternehmens in jeder Internationalisierungsphase untersucht wird, der Schwerpunkt der Arbeit jedoch – analog zu dem der BMW-Geschäftstätigkeit – auf dem PKW-Segment liegt. Durch dieses Vorgehen lassen sich überdies Unterschiede in dem Internationalisierungsverlauf beider Geschäftsfelder ermitteln. Um das wie oben beschriebene Untersuchungsgebiet für die Analyse handhabbar zu machen, wurde der klassische Marketing-Mix von McCarthy zu einem methodischen Rahmen operationalisiert. Durch dieses, um zwei weitere Kategorien erweiterte, recht weitgefasste Verständnis von Marketing, das in Abschnitt 1.3 näher vorgestellt wird, war es möglich, weite Teile des Unternehmens in die Studie mit einzubeziehen, diese gegen anliegende Gebiete abzugrenzen und die Internationalisierung in jeder Phase, anhand der hierdurch definierten Bereiche, strukturiert zu untersuchen. Dieses methodische Vorgehen steigerte die Vergleichbarkeit als auch die analytische Konsistenz der einzelnen Internationalisierungsphasen erheblich.14 Selbstverständlich verbleiben nach Abschluss der Untersuchung im Hinblick auf die BMW AG noch wichtige und interessante Desiderate innerhalb der Unternehmensforschung, allerdings konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit das Untersuchungsgebiet, unter Berücksichtigung der verwendeten, in diesem Kapitel noch vorzustellenden methodischen und theoretischen Grundlagen, nicht beliebig ausgeweitet werden, ohne den Kern der Arbeit selbst aufzuweichen, beliebig diffundieren zu lassen und letztlich keinem der Themen gerecht zu werden. Ein solch unzulänglicher Versuch, möglichst viele Aspekte konzeptionell zu integrieren, fiele umso schwerer ins Gewicht, als insbesondere Themen, geprägt von gesellschaftlicher Verantwortung und Reichweite – wie etwa die Auseinandersetzung mit dem südafrikanischen Apartheidregime und die Rolle der deutschen Industrie –, eine gewissenhafte Vertiefung, mittels eines auf dieses Untersuchungsgebiet speziell abgestimmten Forschungsdesigns, verlangen. Bei der hier vorliegenden Studie waren folgende Leitfragen maßgeblich für die Analyse: 1. Welche Prozesse durchlief das Unternehmen bei der internationalen Ausrichtung seiner Geschäftstätigkeit? Lag diesen Prozessen eine Strategie zugrunde oder handelte es sich vielmehr um ein Trial-and-Error-Vorgehen? Welche Rolle nahmen externe und interne Faktoren hierbei ein? Handelte es 13  Eine ausgesprochen aufschlussreiche Abhandlung über den Wandel der Mobilitätsmärkte findet sich bei Beckmann, vgl. Beckmann, Käfer, Goggos, Heckflossen, S. 223– 298. 14  Bei der Entscheidung für ein Analyse-Framework werden stets auch Felder unberücksichtigt oder ungenügend erforscht bleiben. Diese Facetten bieten sich umso mehr nachfolgenden Forschungsarbeiten als Desiderat an und können durch ein anderes methodisches oder theoretisches Konzept erschlossen werden.

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1. Einleitung

sich um eine lineare Entwicklung oder war sie von evolutionären Sprüngen, gar von rückwärtsgerichteten Tendenzen geprägt? Lassen sich bei genauerer Betrachtung unterschiedliche Phasen der Internationalisierung kennzeichnen? 2. Welche organisatorischen Auswirkungen hatte die Internationalisierung auf die einzelnen Bereiche des Unternehmens? Bedurfte es mit zunehmender Internationalisierung einer gesonderten Abstimmung zwischen den einzelnen Ressorts? Wie steuerte BMW die Koordination der ausländischen Partner einschließlich der konzerneigenen Tochtergesellschaften? Gab es Rückkoppelungseffekte aus den Dependancen, die die Zentrale beeinflussten oder handelte es sich um ein primär top-down gerichtetes, zentralistisches Organisationsmodell? Inwiefern spielten Transaktionskosten und ihre Reduzierung eine Rolle bzw. lassen sich typische Facetten des Prinzipal-AgentenProblems kenntlich machen und wie versuchte die Geschäftsleitung, diesen Informations- und Machtasymmetrien entgegenzuwirken? 3. Wie wurde die Marketing- und Kommunikationspolitik des Unternehmens durch die Erschließung neuer Märkte und die Verlagerung auf das Auslandsgeschäft beeinflusst. Wurde diese im Stammhaus formuliert oder den einzelnen Agenten im Ausland Handlungsspielräume gewährt, um Marktspezifika besser adressieren zu können? 4. Welchen Einfluss hatte das Personal auf die Internationalisierung und vice versa; bildete sich mit der Internationalisierung der Geschäftstätigkeiten ebenso eine internationale Expertise der Mitarbeiter, die beispielsweise durch Fremdsprachenkenntnisse zum Ausdruck kam? Wie wurde die Belegschaft der ausländischen BMW-Tochtergesellschaften mit dem Image der Marke und des Unternehmens sowie mit Aspekten der Unternehmenskultur vertraut gemacht und kam es hier zu Inkonsistenzen in den Märkten? Diese Leitfragen spielten eine maßgebliche Rolle für die Untersuchung der Internationalisierung der BMW AG. Bevor die sich hieraus ableitenden einzelnen Ergebnisse vorgestellt werden, sollen in den sich anschließenden Abschnitten die theoretischen und methodischen Grundlagen vorgestellt werden, die der Analyse zugrunde lagen.

1.2.  Theoretischer Rahmen: Die Internationalisierung eines Unternehmens Begrifflichkeiten wie Internationalisierung, Globalisierung und – auf Akteursebene übertragen – Multinationals sowie Global Player gehören mittlerweile wie selbstverständlich zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch.15 Man kann förmlich zusehen und spüren, wie die Welt scheinbar zusammenrückt und Konzerne weltweit nicht nur mit Dependancen vertreten sind, sondern

15 

Zur näheren definitorischen Bestimmung dieser Termini siehe Kapitel 1.2.1.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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sich fernerhin mit anderen politischen und ökonomischen Akteuren vernetzen. Die Automobilindustrie verdeutlicht diese Zusammenhänge in besonderem Maße, handelt es sich doch um einen hoch komplexen, interdependenten Industriezweig, dem seit der Nachkriegszeit eine immense Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und ihr Wachstum zukommt.16 Diese Vernetzung und Interdependenzen sowie der Internationalisierungsgrad einzelner Unternehmen bestehen jedoch nicht sui generis, sondern sind im Laufe der Jahrzehnte historisch gewachsen.17 Organisationen – damit auch Unternehmen – stehen im Zeichen ihrer eigenen Geschichte, denn sie haben sich aus dieser heraus entwickelt. Dieses Phänomen kann adäquat mit dem Begriff der Pfadabhängigkeit erfasst werden. Hierbei handelt es sich nicht um einen a priori determinierten Vorgang; vielmehr postuliert die Theorie der Pfadabhängigkeit, dass Organisationen aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang heraus erklärt werden müssen, da nichts losgelöst von der eigenen Historie besteht. Dieser Prozess ist keineswegs nur einseitig ausgerichtet und somit auch unter bestimmten Umständen umkehrbar bzw. durch Rückschläge gekennzeichnet, wie etwa die Auswirkungen der beiden Weltkriege empirisch belegt haben.18 16  Hier

sollte nicht nur von einer Schlüsselfunktion für die deutsche, sondern für die internationale Wirtschaft gesprochen werden. Tilly definiert den Begriff „Automobilindustrie“ in Anlehnung an den VDA als „die Produktion von PKW, Nutzfahrzeugen, Anhängern und Containern sowie die Zulieferindustrie“, vgl. Tilly, Stephanie: „Die guten Zeiten sind … vorbei.“ Zum Verhältnis von Automobilindustrie, Politik und Automobilverband in den 1970er Jahren, in: Reitmayer, Morten / Rosenberger, Ruth (Hg.), Unternehmen am Ende des „goldenen Zeitalters“. Die 1970er Jahre in unternehmens- und wirtschaftshistorischer Perspektive, Essen 2008, S. 209–232, hier S. 209. Für eine überblicksartige Einordnung der deutschen Automobilindustrie in den ökonomischen Gesamtzusammenhang Deutschlands sowie ihrer Weltmarktverflechtung in der Nachkriegszeit, vgl. Tilly, Stephanie / Triebel, Florian (Hg.): Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013; Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 366–378. 17 Ein wichtiger Indikator für den Grad der Internationalisierung sind im Ausland getätigte Direktinvestitionen. Borsdorf widmet sich diesen Auslandsdirektinvestitionen eingehend und rekonstruiert durch sie anhand von Fallbeispielen die Internationalisierung von Unternehmen im Nachkriegsdeutschland, vgl. Borsdorf, Internationalisierung deutscher Unternehmen. Ebenfalls sehr lesenswert ist der Aufsatz von Schröter, vgl. Schröter, Harm: Außenwirtschaft im Boom. Direktinvestitionen bundesdeutscher Unternehmen im Ausland 1950–1975, in: Kaelble, Hartmut (Hg.), Der Boom 1948–1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa, Opladen 1992, S. 82–106. 18 Für weiterführende Aspekte über die Theorie der Pfadabhängigkeit im Kontext von Wirtschaftswachstum und dem Wandel von Institutionen, vgl. North, Douglass: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992, Teil II, S. 87–124. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept, vgl. Beyer, Jürgen (2005): Pfadabhängigkeit ist nicht gleich Pfadabhängigkeit! Wider den impliziten Konservatismus eines gängigen Konzepts, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Nr. 1, S. 5–21.

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1. Einleitung

Die Internationalisierung von Unternehmen erregt natürlich nicht nur I­nteresse in der Geschichtswissenschaft, sondern war vor allem zunächst ­Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Studien. In diesen ökonomischen Betrachtungen wird oftmals versucht, die Prozesshaftigkeit von Internationalisierung und ihre Phasen nachzuvollziehen, um nicht nur die Phänomene wachsender transnationaler Vernetzung zu erklären, sondern überdies, im Sinne einer Optimierung des Unternehmenserfolges, Aussagen ableiten zu können, die in den Kanon zukünftiger Managemententscheidungen einfließen sollten.19 Ist von Internationalisierungs- sowie Globalisierungsprozessen in Bezug auf Wirtschaftsunternehmen die Rede, muss leider konstatiert werden, dass die zentralen Termini Internationalisierung, Globalisierung, Global Player, multinationale sowie transnationale Unternehmen usf. oftmals definitorisch unscharf und inflationär verwendet werden; sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch als auch in der Fachliteratur. Daher soll an dieser Stelle zunächst eine definitorische Bestimmung der Begriffe geleistet werden, um Ungenauigkeiten und Zirkelschlüsse von vornherein zu vermeiden. Vor allem eine präzise Trennung von Begrifflichkeiten wie Internationalisierung und Globalisierung ist im Kontext der vorliegenden Arbeit essentiell, ist die Internationalisierung doch schließlich das Kernphänomen, das es zu analysieren gilt. In einem ersten Schritt sollen diese beiden „Meta-Begriffe“ kurz eruiert werden, wobei der Fokus auf ihrer wirtschaftlichen Dimension mitsamt den definitorischen Implikationen für Unternehmen liegt. In einem nachfolgenden Schritt sollen dann konkrete Arbeitsdefinitionen diskutiert werden; was also im Rahmen der vorliegenden Studie fortan unter internationalen, multinationalen, transnationalen und globalen Unternehmen zu verstehen ist. 1.2.1.  Definitorische Abgrenzung der Begrifflichkeiten Bei einer näheren Betrachtung des Diskussionsverlaufs der vergangenen zwei Jahrzehnte scheint es fast, als sei der Ausdruck Internationalisierung mit der Zeit – vor allem im öffentlichen Diskurs – zunehmend aus der Mode gekommen bzw. durch einen neuen Begriff verdrängt worden: Globalisierung. Die sogenannte Globalisierungsdebatte20 gewann im Zuge der 1990er Jahre deut19 Vgl. exemplarisch Glaum, Martin  / Hommel, Ulrich / Thomaschewski, Dieter (Hg.): Internationalisierung und Unternehmenserfolg. Wettbewerb, organisatorischer Wandel und Corporate Governance, Stuttgart 2007; Schmid, Stefan: Strategien der Internationalisierung. Fallstudien und Fallbeispiele, München 2006; Swoboda, Bernhard: Dynamische Prozesse der Internationalisierung. Managementtheoretische und empirische Perspektiven des unternehmerischen Wandels, Wiesbaden 2002. 20 Für ein interessantes Zwischenfazit zur Globalisierungsdebatte mit kulturellem Fokus, vgl. Kleiner, Marcus / Strasser, Hermann (Hg.): Globalisierungswelten. Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt, Köln 2003. Eine lesenswerte Einführung in die Globalgeschichte bieten Conrad et al., vgl. Conrad, Sebastian / Eckert, Andreas /

1.2.  Theoretischer Rahmen

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lich an Intensität, trug jedoch nicht immer zur Schärfung der eigentlichen Diskussion bei.21 So wäre es etwa falsch, Globalisierung als bloßes Synonym für Internationalisierung aufzufassen, verbirgt sich hinter Globalisierung schließlich ein weiter greifendes Konzept.22 Der britische Soziologe Giddens drückte diese mangelnde Präzision wie folgt pointiert aus: “There are few terms that we use so frequently but which are in fact as poorly conceptualized as globalization. The word seems to have appeared everywhere from nowhere.”23

Die Erweiterung des Sprachrepertoires um Globalisierung deutet darauf hin, dass mit dem bisherigen Begriffskanon die weltweiten Entwicklungen nicht mehr adäquat zu fassen waren. Was genau aber macht den Unterschied zwischen Globalisierung und Internationalisierung aus?24 Der Begriff Internationalisierung wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich weit gefasst. Hierbei kann sie sowohl einen Prozess als auch einen Zustand beschreiben: „Der Prozess der Internationalisierung bezeichnet die zunehmende Integration von Unternehmungen in ausländische Märkte, während mit Internationalisierung als Zustandsbeschreibung die Verteilung der Wertschöpfungsaktivitäten von Unternehmungen über verschiedene Länder zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeint ist.“25

Internationalisierung als Untersuchungsphänomen umfasst aus konzeptioneller Sicht ein Unternehmen als Ganzes, was umso mehr zutrifft, je höher der Grad der Internationalisierung ist.26 Vereinfacht ausgedrückt, beginnt die Internationalisierung eines Unternehmens bereits mit Ländergrenzen überFreitag, Ulrike (Hg.): Globalgeschichte. Theorien, Themen, Ansätze, Frankfurt/M. u. a. 2007. 21  So reden Osterhammel/Petersson davon, dass „[b]ereits […] Pfadfinderschrifttum erforderlich [ist], um Schneisen durch das semantische Dickicht zu schlagen“, vgl. Osterhammel, Jürgen / Petersson, Niels: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, 2. Auflage, München 2004, S. 7. 22  Scholte widmet dergleichen definitorischen Sackgassen in seinem Werk ein ganzes Kapitel. Hier zeigt er anschaulich auf, dass Definitionen von Globalisierung häufig redundant angelegt sind, die uns damit dem eigentlichen Erkenntnisinteresse nicht näherbringen, vgl. Scholte, Jan Aart: Globalization. A Critical Introduction, 2. Auflage, New York 2005, Kapitel 1, S. 54–84. 23 Giddens, Anthony: Essential Matter. Globalization Excerpts from a Keynote ­Address at the UNRISD Conference on Globalization and Citizenship, 1 December 1996, URL: http://www.unrisd.org/unrisd/website/newsview.nsf/%28httpNews%29/ 3F2A5BF8EF7300D480256B750053C7EC?OpenDocument, (Stand: 19. 12. 2015). 24 In diesem Exkurs soll das Hauptaugenmerk auf einer dem Forschungsinteresse ­zugewandten definitorischen Bestimmung liegen, also der Akzent auf die wirtschaftshistorische Komponente gesetzt werden, da an dieser Stelle nicht auf sämtliche Dimen­sionen von Globalisierung und Internationalisierung wie beispielsweise Politik, Sprache, Kultur usf. eingegangen werden kann. 25 Glaum, Martin: Internationalisierung und Unternehmenserfolg: Theoretische Grundlagen und empirische Befunde, in: Glaum, Martin / Hommel, Ulrich / Thomaschewski, Dieter (Hg.), Internationalisierung und Unternehmenserfolg, Stuttgart 2007, S. 7–30, hier S. 7. 26  Vgl. Perlitz, Manfred: Internationales Management, Stuttgart 1993, S. 7.

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1. Einleitung

schreitenden Aktivitäten. Dies können beispielsweise Import-/Exportbeziehungen sein; da jedoch der Import/Export als alleiniger Parameter keinen dezidierten Indikator für ein internationales Unternehmen darstellt, sollten weitere Faktoren mit einbezogen werden, um den Grad der Internationalisierung festzustellen. Hierzu zählt beispielhaft die Lizenzvergabe, aber auch weitergehende Maßnahmen wie Direktinvestitionen im Ausland. Unter Direkt­investitionen sind – ganz basal – Aktivitäten monetärer Art außerhalb des Heimatlandes zur Sicherung von Auslandsmärkten zu verstehen.27 Schröter schärft diese Definition weiter, indem er unter Direktinvestitionen diejenigen Auslandsinvestitionen fasst, „bei denen der Investor nicht nur eine finanzielle Beteiligung hält, sondern gleichzeitig Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen nimmt.“28 Ihre Ausprägungen können jedoch höchst unterschiedlich sein: Zu Ihnen zählen ebenso Mehrheitsbeteiligungen an ­Importeuren, einfache Montagewerke im Sinne einer CKD-Fertigung (Completely Knocked Down), wie aber auch die Gründung von ausländischen Entwicklungsstandorten, Vertriebsgesellschaften oder die Übernahme ganzer Firmen im Ausland.29 Mit einem solchen finanziellen Engagement im Ausland sind natürlich stets Risiken verbunden, die im Vorfeld abzuwägen sind. Über die vergangenen Jahrzehnte lässt sich mittels Direktinvestitionen ein Wandel von wirtschaftlicher Internationalisierung nachzeichnen: Während in der Vergangenheit vorrangig der grenzüberschreitende Handel mit Gütern, wozu auch Dienstleistungen zählen können,30 sowie Direktinvestitionen zur Produktion von Gütern im Ausland dominierten (Montagewerke, eigene Produktionsstandorte, Joint Ventures etc.), macht heute der Handel mit Eigentums­rechten an Unternehmen den überwiegenden Anteil am Direkt­ investitionsvolumen aus, wofür exemplarisch die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone angeführt werden kann. In den 1990er Jahren bestand bereits der größte Teil ausländischer Direktinvestitionen aus der Übernahme von Firmen im Empfängerland. Wenn man überdies berücksichtigt, dass sich Unternehmen zunehmend über internationale Kapitalmärkte finanzieren, wird deutlich, wie Komplexität und Interdependenz unternehmerischer Internationalisierung stetig zunehmen.31

27 Vgl. Löser, Bernd: Internationalisierung mittelständischer Produktionsunternehmen durch strategische Netzwerke, Aachen 2000, S. 24. 28  Schröter, Außenwirtschaft im Boom, S. 82, Fußnote 1. 29  Bei der Nennung dieser Beispiele handelt es sich nicht um eine abschließende, sondern um eine exemplarische Aufzählung. 30  Eine Untersuchung sollte nicht bei der Produktion von Gütern Halt machen, sondern ebenfalls Dienstleistungen als mögliches Sujet einschließen, um auch dem tertiären Sektor gerecht zu werden. Nur wenige Abhandlungen haben diesem Aspekt bislang ausreichend Beachtung geschenkt. 31  Vgl. Hassel, Anke / Höpner, Martin et al. (2000): Zwei Dimensionen der Internationalisierung. Eine empirische Analyse deutscher Großunternehmen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 52, Nr. 3, S. 500–519, hier S. 501.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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Einige Autoren stellen den Internationalisierungsprozess als idealtypisches, evolutionäres Modell dar. Eine bedeutende Rolle kommt hier dem vielzitierten Ansatz von Johanson/Vahlne zu, an dessen Anfang der Export und an dessen Ende die Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland stehen.32 Auf den ersten Blick besticht diese Darstellung durch ihre Simplizität, doch gerade hier liegt auch die Krux: Gerade weil derartige Modelle Komplexität stark reduzieren, verzerren sie oftmals die Realität, denn viele wichtige Facetten werden ausgeblendet und evolutionäre Stringenz suggeriert. So konzentriert sich das Uppsala-Modell von Johanson/Vahlne auf die Variablen Produktion und Vertrieb, lassen dabei allerdings weitere wichtige Aspekte unberücksichtigt, wie etwa den Personalbereich oder die Kommunikation. Bislang ebenso ungenügend betrachtet wurde die internationale Ausrichtung des Einkaufswesens, denn wie international ist ein Betrieb, der unter­schiedliche Komponenten aus verschiedenen Ländern bezieht und sich somit ein internationales Netzwerk an Lieferanten aufbaut?33 Ein Punkt, der bislang in Internationalisierungsmodellen oftmals unberücksichtigt bleibt und nur von wenigen Autoren operationalisiert wurde. Das integrative Konzept der internationalen Unternehmung von Kutschker, das die im Ausland erbrachte Wertschöpfung – Vertrieb, Logistik, Produktion, Forschung und Entwicklung und Materialbeschaffung – untersucht, ist ein solches Beispiel. Ferner berücksichtigt er die geographisch-kulturelle Distanz sowie die Abstimmungsprozesse zwischen Stammhaus und Tochtergesellschaften, die er als Grad der Integration innerhalb des Unternehmens misst.34 Dahingegen werden in evolutionären Stufenmodellen kulturelle Indikatoren, wie die Auslandserfahrung des Top-Managements oder die regionale Streuung von Auslandsaktivitäten, die eine hohe Interkulturalität der Unternehmenspolitik fordern, überwiegend nicht integriert.35 Dabei ist Internationalisierung ein mehrdimensionales Phänomen, das als solches analysiert werden muss.36 Hier hat, vor dem Hintergrund des Helsinki-Modells, welches die Gedanken aus Uppsala fortgeführt hat, das Konzept der lateralen Rigidität fruchtbare Impulse geliefert, auf die in Kapitel 1.2.2 eingegangen wird.

32  Vgl. Johanson, Jan / Vahlne, Jan-Erik (1977): The Internationalization Process of the Firm – A Model of Knowledge Development and Increasing Foreign Market Commitments, in: Journal of International Business Studies, Vol. 8, No. 1, pp. 23–32. 33  Zurzeit arbeitet Tilly an einer dezidierten Analyse der deutschen Zulieferindustrie, vgl. Tilly, Stephanie: „Stumme Diener“ der Automobilindustrie? Die Automobil-­ Zulieferindustrie 1945–1979 [Arbeitstitel], URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/ automobilprojekt/teilstud3.html, (Stand 19. 12. 2015). 34  Vgl. Kutschker, Michael / Schmid, Stefan: Internationales Management, 7. Auflage, München 2011, S. 327–339. 35  Zur Bedeutung und Messbarkeit der Streuung von Auslandsaktivitäten, vgl. Sullivan, Daniel (1994): Measuring the Degree of Internationalization of a Firm, in: Journal of International Business Studies, Vol. 25, No. 2, pp. 325–342, hier p. 332. 36  Vgl. Hassel/Höpner, Zwei Dimensionen, S. 503.

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1. Einleitung

Was aber unterscheidet Globalisierung nun von Internationalisierung? Eingangs wurde hervorgehoben, dass sie eben nicht Synonyme sind. Vielmehr handelt es sich um einen Begriff von größerer Reichweite als Internationalisierung, denn Globalisierung ist als ein alle gesellschaftliche Teilbereiche – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Literatur usw. – erfassender, gesamtgesellschaftlicher Querschnittprozess zu verstehen.37 Damit kommt Globalisierung eine Bedeutung als „Sammelbegriff für konkret beschreibbare Strukturen und Interaktionen planetarischer Reichweite zu.“38 „Immer wieder bestätigt sich auch der triviale Kern, der sich im Inneren des Begriffs verbirgt: Die Welt wird zusehends ‚kleiner‘, und Entferntes wird immer stärker mit­ einander verknüpft. Zugleich wird sie ‚größer‘, weil wir noch niemals weitere Horizonte überschauen konnten.“39

Dieses Zitat verdeutlicht, dass Globalisierung einen Makroprozess darstellt und simultan in mehrere Richtungen wirken kann.40 Sie ist für jeden Bürger erfahrbar, wenn auch die einzelnen Kontinente unterschiedlich stark an ihr partizipieren.41 Um Globalisierung für die vorliegende Untersuchung handhabbar zu machen, soll sich auch hier, wie bereits angekündigt, auf eines der oben genannten gesellschaftlichen Partialsysteme konzentriert werden: der Wirtschaft. Bei einer solchen Eingrenzung muss allerdings in Erinnerung bleiben, dass auch dieses Teilsystem stets durchdrungen ist von Einflüssen anderer Teilsysteme, da diese in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen: Wirtschaft ist zweifelsohne mit Politik verbunden – beispielsweise via Local-Content-Bestimmungen – sowie mit den kulturellen Gegebenheiten des jeweiligen Landes, die sich ebenfalls in den Geschäftspraktiken niederschlagen. Eine globale Wirtschaft zeichnet sich durch einen hohen Interdependenzzusammenhang aus, der sich nicht länger nur an Ländergrenzen ausrichtet. Ein Unternehmen produziert weltweit, trägt also einerseits zur Verbreitung eines von der Heimatkultur geprägten Produktes bei, wird jedoch andererseits, wenn es auf anspruchsvollen Auslandsmärkten bestehen will, auf die 37 

Vgl. Fäßler, Peter: Globalisierung. Ein historisches Kompendium, Köln 2007, S. 30. Osterhammel/Petersson, Geschichte der Globalisierung, S. 112. 39  Ebd., S. 8. 40  Robertson geht detailliert auf die Globalisierungserscheinungen Homogenisierung sowie Heterogenisierung ein. Mit seinem Werk hat er eine wichtige theoretische Grundlage für die Sozial-, aber auch Geisteswissenschaften geliefert, vgl. Robertson, Roland: Globalization. Social Theory and Global Culture, London u. a. 1992. 41 Ohmae prägte den Begriff der Triade: Im Globalisierungszusammenhang beschreibt dieser, wie die Kontinente unterschiedlich stark in die wirtschaftlichen Prozesse eingebunden sind, wobei sich der Hauptkern der Aktivitäten und Partizipation auf Nordamerika, Europa und Asien, dort vorrangig Japan, konzentriert, die somit eine Triade bilden, vgl. Ohmae, Kenichi: Triad power. The coming shape of global competition, New York 1985. Da sich jedoch mit der zunehmenden Globalisierung auch die regionalen Strukturen wandeln, verfügt dieses Modell nach Auffassung der Autorin heute nur noch über eine eingeschränkte Aussagekraft. 38 

1.2.  Theoretischer Rahmen

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jeweiligen Wünsche eingehen und nimmt somit landesspezifische Modifikationen für einen speziellen Markt vor; dies kann ebenso auf tarifäre sowie nicht-tarifäre Handelshemmnisse zurückgehen.42 Dieses Beispiel zeigt, dass Globalisierung simultan zu einer Homogenisierung als auch Heterogenisierung führen kann, es also, entgegen der aus den 1980er Jahren stammenden Befürchtung, nicht zu einer einheitlichen, alles verdrängenden Weltkultur kommt.43 Überdies sind auch Hybridisierungstendenzen zu beobachten, womit eine Vermischung fremder Kulturelemente mit bereits vorhandenen zu neuen Formen gemeint ist.44 Mit Blick auf die Akteursebene sollen nun Arbeitsdefinitionen für die unter­schiedlichen Unternehmenstypen in Bezug auf ihren Internationalisierungsgrad formuliert werden. In der Literatur herrscht auch heute noch Uneinigkeit, was unter den einzelnen Begrifflichkeiten zu verstehen ist. Diese Kontroverse besteht seit einigen Jahrzehnten, denn Robinson stellte bereits Mitte der 1960er Jahre fest: “The literature of international business management is becoming confounded with a multiplicity of terms. One reads of the multinational corporation, the transnational enterprise, the international business and the supranational firm – to mention a few. […] And we are urged to consider each favorably as reflecting some general policy truth.”45

Manche Autoren erklären ihre Definition zur universellen Wahrheit, andere suchen die definitorische Konfusion zu umgehen, indem sie einige der Formulierungen schlichtweg zu Synonymen erklären.46 An dieser Stelle soll ver42 Dieses

Phänomen der Anpassung globaler Prozesse an regionale Gegebenheiten wird in der Soziologie auch als Glokalisierung bezeichnet, vgl. Robertson, Roland: Glokalisierung – Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit, in: Beck, Ulrich (Hg.), Perspektiven der Weltgesellschaft Frankfurt/M. 1998, S. 192–220. Für mehr Details bezogen auf die Automobilindustrie, vgl. Spatz, Julius / Nunnenkamp, Peter: Globalisierung der Automobilindustrie. Wettbewerbsdruck, Arbeitsmarkteffekte und Anpassungsreaktionen, Berlin u. a. 2002. Eine rein betriebswirtschaftliche Auseinandersetzung mit Fokus auf die Daimler-Benz AG bietet Kuhn, vgl. Kuhn, Joachim (1998): Der Global Player-Ansatz im Automobilbau, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 68, Nr. 9, S. 937–957. 43  Vgl. Fäßler, Globalisierung, S. 19f. 44 Vgl. Osterhammel/Petersson, Geschichte der Globalisierung, S.  12. Rehbein/ Schwengel bieten fernerhin einen lesenswerten Überblick zu Globalisierungstheorien und stellen hierbei auch verschiedene Hybridisierungsthesen einander gegenüber, vgl. Rehbein, Boike / Schwengel, Hermann: Theorien der Globalisierung, Konstanz 2008, S. 113–118. 45  Robinson, Richard (1964): Joint ventures or transnational business?, in: Industrial Management Review, Vol. 16, No. 1, pp. 59–66, hier p. 59. 46 So blendet beispielsweise Fäßler eine Unterscheidung zwischen multinationalen und transnationalen Unternehmen bewusst aus, indem er sie als Synonyme gebraucht; auch jongliert er recht sorglos mit den Begriffen Global Player und Multinationals, ohne hier weiter zu differenzieren, vgl. Fäßler, Globalisierung, Kapitel X, S. 190–203. Andere Autoren wiederum setzen transnationale und globale Unternehmen einander gleich.

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1. Einleitung

sucht werden, die verschiedenen Unternehmenstypen definitorisch zu schärfen und voneinander abzugrenzen. Im deutschen Sprachraum dominieren die Unternehmenstypologien international, multinational sowie global. In der englischsprachigen Literatur findet überdies häufig das Konzept der transnationalen Unternehmung Anwendung.47 Auch hierzulande wird dieser Unternehmenstyp immer beständiger diskutiert. Doch was unterscheidet die einzelnen Unternehmensformen voneinander? Vielversprechend erscheint hier als erster Schritt Meiers Herangehensweise, der das internationale Unternehmen als Oberbegriff ansieht, dem alle weiteren Unternehmensformen zugeordnet werden können, die in mehr als einem Land oder auf einem Markt tätig sind.48 Multinationale und transnationale Unternehmen verhalten sich nach diesem Verständnis gegenüber internationalen Organisationen als Steigerungsform: Sie verfügen über ein internationales System an Direktinvesti­ tionen und vertreiben ihre Produkte auf verschiedenen Auslandsmärkten.49 Gemäß einigen Definitionen, unter anderem nach Dunning, gilt eine Organisation bereits als multinational, wenn sie mindestens eine Beteiligung im Ausland hält.50 Die beiden bestimmenden Dimensionen zur theoretischen Differenzierung zwischen den vorgenannten internationalisierten Unternehmenstypen sind oftmals die geographisch-kulturelle Reichweite der Aktivitäten im Ausland einerseits sowie die Organisationsform der Unternehmen andererseits, wobei der Fokus auf der Interaktion zwischen der Konzernzentrale und ihren Beteiligungen, also auf ihrem Vernetzungsgrad untereinander sowie ihren Handlungsspielräumen liegt.51 Während sich eine Organisation in der Dimension der Reichweite zwischen Internationalisierung und Globalisierung bewegt, verortet sie sich in der zweiten Dimension hinsichtlich ihres Zentralisierungs- und Vernetzungsgrades. Dieser Ansatz, die Unternehmenstypen nach ihrer Organisationsform zu klassifizieren, ist dem viel zitierten Kon47 

Vgl. Andres, Susanne: Internationale Unternehmenskommunikation im Globalisierungsprozess. Eine Studie zum Einfluss der Globalisierung auf die 250 größten in Deutschland ansässigen Unternehmen, Wiesbaden 2004, S. 84f. 48  Vgl. Meier, Andreas: Das Konzept der transnationalen Organisation. Kritische Reflexion eines prominenten Konzeptes für die Führung international tätiger Unternehmen, Herrsching 1997, S. 7–14. 49 Schierenbeck bindet in seiner Definition von multinationalen Unternehmen nur Produktionsstätten ein, vgl. Schierenbeck, Henner: Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 16. Auflage, München 2003, S. 43. In der hier vorliegenden Arbeit werden allerdings auch darüber hinausgehende Direktinvestitionen im Ausland berücksichtigt, wie etwa der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung. 50  Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 245. 51  Diese Facette berücksichtigt auch Kutschker als „Integration“ in seinem Modell, bildet die Internationalisierung jedoch insgesamt in drei Dimensionen ab und erhält so sein dreidimensionales Internationalisierungsgebirge, vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 327–339. Bei der Differenzierung zwischen den vier Unter­nehmenstypen spielen jedoch nicht alle drei Dimensionen in dieser Form eine Rolle, da die meisten Autoren die Dimension der Wertschöpfung außer Acht lassen.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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zept von Bartlett/Ghoshal entlehnt, das auf empirischen Untersuchungen ­basiert und sich der Netzwerktheorie und der Theorie des Organisationalen Lernens bedient.52 Es handelt sich um eine beeindruckende Typisierung, die hier kurz vorgestellt und im Anschluss bewertet werden soll. Bei der Typologienbildung von Bartlett/Ghoshal bewegen sich die Autoren jedoch primär in der organisatorischen Dimension und differenzieren hier nach struktureller Konfiguration, administrativen Verfahren und der hinter den Handlungsspielräumen stehenden Management-Mentalität; die geographisch-kulturelle Reichweite der Aktivitäten spielt keine Rolle. Multinationale Unternehmen definieren sie als stark dezentralisierte Föderationen, in denen die Auslands­ standorte große Eigenständigkeit genießen und vorrangig über informelle Beziehungen und eine einfache Finanzkontrolle mit der Zentrale verbunden sind. Empirisch sehen sie dieses Modell bei der frühen Expansion vieler europäischer Familienunternehmen bestätigt, in denen die Prozesse vermehrt auf persönlichen Beziehungen basierten, denn auf formalen Strukturen. ­Dieser Organisationstyp gewährt den Auslandsniederlassungen einen hohen Grad an Selbstständigkeit, durch welchen sie lokale Spezifika erkennen und Marktchancen nutzen können. Das internationale Unternehmen, das in diesem Konzept nicht als Klammer fungiert, sondern als eigenständiger Organisationstypus, weist demgegenüber eine starke Ausrichtung zur Muttergesellschaft auf, die für die Koordination und Kontrolle der Aktivitäten im Ausland vorrangig Verantwortung zeichnet. Das Management betrachtet die Standorte im Ausland als Anhängsel der Zentrale, die das Wissen ins Ausland transferiert. Es handelt sich also primär um eine einseitig ausgerichtete Wissensvermittlung ohne Rückkoppelungseffekte. Die Kernkompetenzen sind zentralisiert, weitere Ressourcen und Zuständigkeiten hingegen dezentralisiert, die durch den Stammsitz kontrolliert und gesteuert werden, weshalb es sich um eine koordinierte Föderation handelt. Lokale Marktkenntnisse spielen bei diesem Typus eine untergeordnete Rolle. Den höchsten Zentralisierungsgrad aller Typen weist allerdings das globale Unternehmen auf, da in diesem alle Entscheidungen, Werte und Ressourcen im Hauptquartier ver­ ortet sind, welches die ausländischen Filialen streng kontrolliert und sie vornehmlich als Kanäle zur Belieferung eines einheitlichen Weltmarktes sieht, in denen Marktspezifika ebenfalls keine Rolle spielen. In diesem Organisationsmodell sehen Bartlett/Ghoshal eine der frühesten Internationalisierungsformen widergespiegelt, die sowohl von Henry Ford und John Rockefeller angewandt wurde als auch von den japanischen Konzernen in den 1970er und frühen 1980er Jahren. Das Stammhaus bildet hier den zentralen Dreh- und Angelpunkt, Wissen wird einzig dort erworben und gesichert. Während sich 52 Vgl.

Bartlett, Christopher / Ghoshal, Sumantra: Internationale Unternehmens­ führung. Innovation, globale Effizienz, differenziertes Marketing, Frankfurt/M. 1990. Für weiterführende Informationen zum Lernen von Organisationen, vgl. North, Institutionen, S. 87–97.

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die drei vorgenannten Organisationsformen laut den Autoren empirisch häufig beobachten lassen, stellt das transnationale Unternehmen die jüngste und komplexeste aller Formen dar, die erlaubt, global effizient zu arbeiten und dabei zugleich ein differenziertes Marketing zu praktizieren, wobei das Wissen weltweit gesammelt und transferiert wird. Die Organisation ist hierbei weit gestreut und doch interdependent, es herrscht also ein hoher Vernetzungsgrad zwischen sämtlichen Akteuren, zwischen denen ein intensiver Austausch stattfindet. Das Hauptquartier befindet sich auf einer organisatorischen Ebene mit seinen Agenten, die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung steht im Vordergrund.53 Das Konzept von Bartlett/Ghoshal ist verdienterweise viel zitiert worden, bietet jedoch auch Anlass zur Kritik.54 Zum einen konzentrieren sich die Autoren auf die organisatorische Ebene und blenden somit weitere wichtige Einflussgrößen aus. Fernerhin thematisieren sie nicht näher Informationsund Machtasymmetrien, die einer dezentralen, interdependenten Struktur vermehrt auftreten können. Sie behandeln die vier Typen als exklusive Kategorien, die dem intuitiven Verständnis von internationalen Organisationen widerspricht; ein Unternehmen wird beispielsweise als multinational eingestuft, ohne zugleich international sein zu können. Des Weiteren berücksichtigen sie zwar den Einfluss lokaler Spezifika und die organisationale Einbindung dieser durch ein differenziertes Marketing, sehen dies jedoch nur bei multi- und transnationalen Firmen gegeben, wodurch Globalisierung erneut beschränkt wird auf ihre homogenisierende Wirkung. In diesem Verständnis ist eine globale Organisation, im Alltag auch Global Player genannt, nicht in der Lage, auf lokale Gegebenheiten im Sinne der Glokalisierung einzugehen, da dies ausschließlich durch die beiden vorgenannten Typen möglich ist. Bisher ist in der Literatur das globale Unternehmen oftmals definiert worden als eine Organisation, die ein und dasselbe Endprodukt auf dem gesamten Globus mit einem einheitlichen Marketing vertreibt, das keine Rücksicht auf die Besonderheiten der lokalen Märkte nimmt. Globale Unternehmen verfolgen demnach eine global ausgerichtete Strategie, die sie einem jeden Markt wie eine Einheitskappe überstülpen, so die Theorie. An dieser Stelle wird jedoch deutlich, dass Globalisierung hier von den Autoren auf lediglich eine ihrer Erscheinungen reduziert wird: Homogenisierung. Folglich wurden auch globale Unternehmen häufig als rein homogenisierende Akteure interpretiert. Damit werden weitere gleichrangige Globalisierungserscheinungen – namentlich Heterogenisierung, Hybridisierung oder auch Glokalisierung – gänzlich außer Acht gelassen. Man tappt hier erneut in die Falle der 1980er Jahre, in denen sich auf die Homogenisierungstendenzen begrenzt und vor einer Vereinheitlichung im Sinne einer Weltkultur gewarnt wurde. Globale 53 

Vgl. ebd., S. 73–125. fasst die Perzeption des Konzeptes übersichtlich zusammen, vgl. Andres: Unternehmenskommunikation, S. 92f. 54  Andres

1.2.  Theoretischer Rahmen

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Unternehmen wären demnach selbst eine Homogenisierungserscheinung von Globalisierung, nicht mehr und nicht weniger.55 Es ist bereits von den in dieser Arbeit besonders beachteten Dimensionen gesprochen worden, die zur Einordung von internationalisierten Unternehmen dienen: die geographisch-kulturelle Reichweite der Auslandsaktivitäten sowie die Organisationsstruktur eines Unternehmens und seiner Beteiligungen. Anstatt für diese Arbeit auf die exklusiven Kategorien von Bartlett/ Ghoshal zurückzugreifen, soll im weiteren Verlauf der Untersuchung vom Zentralisierungsgrad gesprochen werden und dieser vor dem Hintergrund der Prinzipal-Agenten-Theorie, die in Abschnitt 1.2.2 erläutert wird, analysiert werden. Nach Meinung der Autorin sind somit dezentral organisierte globale Unternehmen konzeptionell möglich. Anstelle einer Neudefinierung bekannter Typologien wird also von einer zentralen oder dezentralen Ausrichtung der Organisation gesprochen, die Kutschker in seinem Modell als Integration fasst. Als global tätig gilt eine Organisation erst dann, wenn sie tatsächlich in allen Teilen des Globus aktiv ist. Ihre Auslandswertschöpfung, die Kutschker als dritte Dimension einführt, variiert dabei je nach Wertschöpfungsaktivitäten in den verschiedenen Märkten. Ein Unternehmen gilt ihm zufolge als umso internationaler, je höher und je variantenreicher die im Ausland erbrachte Wertschöpfung ist.56 Wenn in dem weiteren Verlauf der Arbeit von internationalen, globalen, multinationalen oder transnationalen Unternehmen gesprochen wird, sind hiermit also nicht die Typologien von Bartlett/Ghoshal gemeint, insofern nicht ausdrücklich darauf verwiesen wird. Auch die im sich anschließenden Abschnitt 1.2.2 angeführten Studien verwenden diese Termini losgelöst von Bartlett/Ghoshal. Als kleinster gemeinsamer Nenner kann gelten, dass multi- und transnationale Unternehmen Direktinvestitionen im Ausland halten und hierauf ihre Organisationen ausrichten. Um den Grad der Internationalisierung eines Unternehmens festzustellen, existieren einige Indikatoren, von denen hier resümierend einige exemplarisch angeführt werden sollen:57 Auf quantitativer Ebene sind etwa der Anteil des Exports am Gesamtumsatz, die Höhe der Auslandsdirektinvestition sowie die Anzahl von Tochtergesellschaften und Mitarbeitern im Ausland zu nennen.58 Auf qualitativer Ebene spielen etwa die Qualifikation von Mitar55 Für weiterführende Informationen zu den unterschiedlichen Globalisierungserscheinungen, vgl. Robertson, Glokalisierung, S. 192–220; Rehbein/Schwengel, Theorien der Globalisierung, S. 113–118. 56  Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 329f. 57 Da es in der vorliegenden Arbeit nicht Ziel ist, den Internationalisierungsgrad quantitativ in Form eines statistischen Verfahrens zu messen, wird an dieser Stelle keine in Zahlen abbildbare Grenze zwischen den einzelnen Internationalisierungsgraden gezogen. Durch den qualitativen Ansatz werden jedoch ebenfalls klare, aussagekräftige Ergebnisse erwartet. 58  Vgl. Glaum, Internationalisierung und Unternehmenserfolg, S. 8.

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beitern hinsichtlich einer internationalen Geschäftstätigkeit, die internationale Ausrichtung der Unternehmenspolitik sowie der Organisationsstruktur und auch die bereits erwähnte internationale sowie interkulturelle Expertise des Managements eine wichtige Rolle.59 Mehrsprachige Werkszeitungen ­sowie international ausgerichtete Seminare wie Sprachkurse, interkulturelle Managementmethoden o.ä. sind ebenfalls auf qualitativer Ebene Indikatoren für den Grad der Internationalisierung.60 Dieser kann, gemäß der Dimension der Reichweite, parallel mit der Anzahl der verschiedenen Länder zunehmen, mit denen Handelsbeziehungen bestehen. Dahinter verbirgt sich die Idee der „psychic distance between the home and the import/host countries“,61 die auf Johansson, Vahlne und Wiedersheim-Paul zurückgeht und von mehreren Autoren weiterentwickelt wurde. Demnach ist ein deutsches Unternehmen, das in einem asiatischen Markt Geschäftsaktivitäten durchführt, als internationaler zu werten, als wenn es diese Beziehungen mit einem europäischen Nachbarland unterhielte.62 Auch innerhalb eines Kontinents, in diesem Falle Asien, ließe sich eine weitere Schärfung vornehmen, da laut Kutschker beispielsweise Thailand eine größere kulturelle Distanz gegenüber Deutschland aufweist als Japan.63 Die bisherigen theoretischen Explikationen zur definitorischen Annäherung an das Untersuchungssujet haben erkennen lassen, dass das theoretische Repertoire der Neuen Institutionenökonomik vielversprechende Möglichkeiten bietet, Internationalisierungsprozesse von Unternehmen zu analysieren. Auf dieses Angebot soll sich im weiteren Verlauf gestützt werden und im sich anschließenden Abschnitt 1.2.2 kurz vorgestellt werden. Diese Ausführungen werden ergänzt um die Elemente einiger Internationalisierungstheorien, die besonders fruchtbar für den theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit erscheinen. 1.2.2.  Theoretische Grundlagen Die Neue Institutionenökonomie (NIÖ) mag bei dem einen oder anderen Rezipienten ein Stirnrunzeln hervorrufen, da sie selbst mittlerweile auf eine mehrere Jahrzehnte alte Tradition zurückblickt und somit mitunter bereits als antiquiert bewertet werden könnte. Sicherlich hat es in der jüngeren Wissenschaftsgeschichte modernere Ansätze gegeben, die sich oftmals wiederum

59  Vgl. Dülfer, Eberhard: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, München 1999, S. 6f. 60  Die in den 1960er Jahren von Daimler-Benz erstmals publizierte Zeitung „Mercedes in aller Welt“, deren Artikel simultan in Deutsch, Englisch sowie Französisch verfasst waren, ist hier ein anschauliches Beispiel. 61  Johanson/Vahlne, Internationalization Process, S. 24. 62  Vgl. Sullivan, Measuring the Degree of Internationalization, S. 332, 338. 63  Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 328.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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– und sei es nur teilweise – auf die NIÖ stützen. 64 Im Rahmen dieser Arbeit bewährten sich allerdings die Theorien der NIÖ und einige ihrer Weiterentwicklungen als besonders hilfreich, die Prozesse der Internationalisierung zu analysieren und das Geschehene zu erklären. Insbesondere der auf Coase zurückgehende und durch Williamson fortgeführte Transaktionskostenansatz, die von Buckley und Casson geprägte Theorie der Internalisierung sowie das Prinzipal-Agenten-Theorem, das sich ebenso auf Ross’ Präzisierungen stützt, boten eine Erklärungskraft der analysierten Internationalisierungsprozesse, wie es viele neuere Ansätze, wie etwa die Eklektische Theorie von Dunning, nicht vermochten, worauf im weiteren Verlauf noch kurz eingegangen werden soll. Zunächst werden die wichtigsten Ansätze der NIÖ an dieser Stelle skizziert.65 Im Fokus der NIÖ stehen Organisationen und der ökomische Austausch zwischen ihnen, ausgehend von der originären von Coase verfolgten Frage, warum Institutionen und Märkte überhaupt existieren. Mit seinem Konzept der Transaktionskosten des Marktes zeigt er auf, weshalb es für Unternehmen in der Regel günstiger ist, kostspielige Marktmechanismen, wie Informationsbeschaffung, Verhandlungen sowie Abwicklung und Überwachung von Geschäften, in einer eigenen Organisationsstruktur zu bündeln, da diese intern kostengünstiger abgewickelt werden können. Hiermit erklärt er überzeugend die Existenz von Unternehmen per se.66 Ein weiterer wichtiger Eckpfeiler der NIÖ sind die sogenannten Verfügungsrechte (Property Rights), die North, ausgehend von Coase, in seiner Theorie der Verfügungsrechte weiter spezifiziert. Den Aufwand für die Strukturierung dieser Rechte (Definition, Sicherung, Nutzung und auch Übertragung) definiert North als Transaktionskosten,67 was das enge Ineinandergreifen beider Theorien innerhalb der NIÖ verdeutlicht. Hierbei ist eine ihrer zentralen Annahmen – dass 64  Nicht

zu Unrecht sprechen Hesse/Lauschke/Kleinschmidt von einem „Siegeszug der Neuen Institutionenökonomie in der (internationalen) Unternehmensgeschichte“, der allerdings hierbei leider zumeist die kulturalistischen Aspekte außer Acht gelassen hat, vgl. Hesse, Jan-Otmar / Kleinschmidt, Christian / Lauschke, Karl: Einleitung. Herausforderungen und Perspektiven in der Unternehmensgeschichte, in: Dies. (Hg.), Kulturalismus, Neue Institutionenökonomik oder Theorienvielfalt. Eine Zwischen­ bilanz der Unternehmensgeschichte, Essen 2002, S. 9–15, hier S. 12. 65 Vgl. Ebers, Mark  / Gotsch, Wilfried: Institutionenökonomische Theorien der ­Organisation, in: Kieser, Alfred (Hg.), Organisationstheorien, 2. Auflage, Stuttgart 1995, S. 185–235. 66  Vgl. Coase, Ronald (1937): The Nature of the Firm, in: Economica (New Series), Vol. 4, No. 16, pp. 386–405; Berghoff, Hartmut (2004): Wozu Unternehmensgeschichte? Erkenntnisinteressen, Forschungsansätze und Perspektiven des Faches, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 49, Nr. 2, S. 131–148, hier S. 141. 67 Vgl. Berghoff, Hartmut (1999): Transaktionskosten. Generalschlüssel zum Verständnis langfristiger Unternehmensentwicklung? Zum Verhältnis von Neuer Institutionenökonomie und moderner Unternehmensgeschichte, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook, Jg. 40, Nr. 2, S. 159–176, hier S. 159; North, Institutionen, Teil I, S. 3–84.

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das Handeln individueller Akteure dem Prinzip der Nutzenmaximierung folgt – so grundlegend, dass sie hier nicht näher detailliert werden soll.68 Als dritte Säule der NIÖ gilt die Prinzipal-Agenten-Theorie, auch als Agenturtheorie bekannt, die sich mit den Problemen und den sich hieraus ableitenden Kosten auseinandersetzt, die durch eingeschränkte Rationalität („bounded rationality“) und opportunistisches Verhalten der Akteure sowie Informa­ tionsasymmetrien zwischen dem Auftraggeber (Prinzipal) und dem Vertragspartner (Agent) entstehen.69 Das Prinzpal–Agenten-Problem kann sich in vielerlei unterschiedlichen Beziehungen widerspiegeln, beispielsweise zwischen Kunde und Lieferant, Eigentümer und Management, Aufsichtsrat und Vorstand oder zwischen Hersteller und Importeur, aber auch Konzernzentrale und Tochtergesellschaft.70 Die beiden letzteren Beispiele verdeutlichen die Erklärungskraft der Prinzipal-Agenten-Theorie insbesondere für die Analyse der Internationalisierungsgeschichte von Unternehmen. Das opportunistische Verhalten der Agenten kann zu Informations- und Machtasymmetrien zu Ungunsten des Prinzipals führen. Die sich hieraus ableitenden Transaktionskosten, bestehend aus Informations-, Kommunikations-, Leitungs-, Überwachungs- und Durchsetzungskosten, bieten einen Anreiz für Firmen, diese Kosten zu minimieren durch die Internalisierung von zuvor ausgelagerten Marktmechanismen.71 Dies kann beispielsweise geschehen durch die Gründung von Vertriebsgesellschaften, die an die Stelle des Importeurs treten. Hier ist zu ­erwarten ist, dass sich eine firmeneigene Tochtergesellschaft weniger opportunistisch verhält gegenüber dem Prinzipal als ein externer Agent.72 Den ­organisatorischen Strukturen, den Kontrollmechanismen, dem Transfer von Wissen und von Unternehmens­ werten kommt dabei eine wichtige Rolle zu, die bereits in Abschnitt 1.2.1 erwähnt wurden. Opportunistisches Verhalten verursacht neue Kosten und Handlungsbedarf, diesen Asymmetrien entgegenzuwirken, um die Machtver68 Vgl.

Ebers/Gotsch, Institutionenökonomische Theorien, S. 186f.; North, Institu­ tionen, S. 13–31. 69  Vgl. Williamson, Oliver: Markets and hierarchies. Analysis and antitrust implications. A study in the economics of internal organization, New York 1975. Die Problematik der Prinzipal-Agenten-Beziehung ist bereits 1932 von Berle und Means in der US-amerikanischen Wissenschaft thematisiert worden, vgl. Berle, Adold / Means, Gardiner: The Modern Corporation and Private Property, New York 1932. 70 Vgl. Picot, Arnold / Reichwald, Ralf / Wigand, Ralf: Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation und Management, 4. Auflage, Wiesbaden 2001, S. 56. Für weiterführende Informationen zur Agenturtheorie, vgl. Ebers/Gotsch, Institutionenökonomische Theorien, Kapitel 7.3, S. 195–208. 71  Vgl. Berghoff, Transaktionskosten, S. 163. 72 In einigen neueren Untersuchungen der Unternehmensgeschichte erklärten auch andere Autoren mithilfe der Agenturtheorie die Internalisierungs- und Internationalisierungsstrategien von Firmen. Das jüngste Beispiel stellt Kreutzers Analyse des USEngagements der Siemens AG dar, vgl. Kreutzer, Unternehmensentwicklung von Siemens in den USA, S. 39–48.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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hältnisse wiederherzustellen.73 Damit ein Unter­nehmen effizient wirtschaftet, müssen gemäß dem auf Coase74 zurückgehenden Transaktionskostenansatz die sich aus der Nivellierung der Macht­asymmetrien ergebenden Vorteile und Kostenersparnisse höher sein, als die hierfür notwendigen Aufwendungen aus Organisations-, Transaktions- und Informationskosten.75 Bereits 1976 untersuchten Buckley/Casson auf dieser Grundlage die Internalisierungsvorteile für Unternehmen und hierauf später folgend auch die Markteintrittsstrategien multinationaler Firmen.76 Ihr Ansatz wurde im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt und von anderen Autoren operationalisiert sowie empirisch untersucht.77 Dies soll als nur ein Beispiel dienen, wie der „Werkzeugkasten“ der NIÖ zwar auf den ersten Blick, aufgrund der weit zurückreichenden Wurzeln, antiquiert scheinen mag, er jedoch beständig im Zuge der vergangenen Jahrzehnte empirisch bestätigt und durch zahlreiche Wissenschaftler weiterentwickelt wurde. Die Erklärungskraft der NIÖ wurde hierdurch nicht nur weiter expliziert, sondern beständig bestätigt. Neben der NIÖ gibt es auch weitere Theoriezweige, die sich zum Teil aus ihr ableiten. Ein Beispiel ist die auch jüngst noch viel zitierte Eklektische Theorie von Dunning, die ihrerseits unter anderem auf der Theorie der Internalisierung fußt.78 Im Zuge der hier vorliegenden Analyse stieß dieser Ansatz aus Sicht der Autorin allerdings an seine Grenzen und bot keine zusätzliche Erklärungskraft, obgleich der theoretische Rahmen der vorliegenden Arbeit ebenfalls eklektischer Natur ist. Die von Dunning definierten Eigen73 

Für ein konkretes Fallbeispiel, vgl. Carlos, Ann / Nicholas, Stephen (1990): Agency Problems in Early Chartered Companies. The Case of the Hudson’s Bay Company, in: The Journal of Economic History, Vol. 50, No. 4, pp. 853–875. 74  Coase zählt zu den Klassikern der Institutionenökonomie, der mit seinem Ansatz bereits in den 1930ern die Annahmen der Klassischen Theorie kritisierte, indem er der Frage nachging, weshalb der Markt überhaupt Akteure wie Unternehmen hervorbringt. Transaktionskosten sind elementarer Bestandteil seiner Theorie, vgl. Coase, The Nature of the Firm. Williamson entwickelte diesen Ansatz weiter, vgl. Williamson, Markets and hierarchies. 75  Casson erweitert den Transaktionskostenansatz, indem er Informationskosten als wichtigen Teil dieser Kosten definiert, ihn hervorhebt und somit in den Mittelpunkt seines Erklärungsansatzes stellt, vgl. Casson, Mark (1996): The Comparative Organisation of Large and Small Firms. An Information Cost Approach, in: Small Business Economics, Vol. 8, No. 5, Special Issue on the Tinbergen Institute’s Third Global Conference on Small Business Economics: Economic Performance, pp. 329–345. 76 Vgl. Buckley, Peter / Casson, Mark: The Future of the Multinational Enterprise, London 1976; Buckley, Peter / Casson, Mark (1998): Analyzing Foreign Market ­Entry Strategies. Extending the Internationalization Approach, in: Journal of Inter­ national Business Studies, Vol. 29, No. 3, pp. 539–561. 77  Vgl. Buckley, Peter / Casson, Mark (2009): The Internalisation Theory of the Multinational Enterprise: A Review of the Progress of a Research Agenda after 30 Years, in: Journal of International Business Studies, Vol. 40, No. 9, pp. 1563–1580. 78  Vgl. Dunning, John (1980): Toward an Eclectic Theory of International Production. Some Empirical Tests, in: Journal of International Business Studies, Vol. 11, No. 1, pp. 9–31.

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1. Einleitung

tums-, Standort- und Internalisierungsvorteile beziehen zwar neue Aspekte im Hinblick auf Standort und Wettbewerb ein, weisen jedoch zugleich erhebliche Redundanzen und somit eine mangelnde Trennschärfe zwischen ­ihren Faktoren auf, die bereits in den 1990er Jahren von Autoren wie Itaki kritisiert wurden.79 Darüber hinaus nimmt Dunning die Bereitschaft zur ­Tätigung von Direktinvestitionen im Ausland als im Unternehmen gegeben an und erklärt somit nicht die hierzu führenden Motivationen und Ent­ scheidungsprozesse,80 die im Rahmen dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielen. Bereits Aharoni hatte durch seinen behavioristischen Ansatz in den 1960er Jahren gezeigt, dass diese Entscheidungsprozesse auf mehreren Faktoren fußen und meist von einer oder mehreren Führungskräften protegiert werden, wobei sie nicht immer auf rationale Begründungen zurückzuführen sind, so wie es auch die NIÖ durch die Annahme der „bounded rationality“ im Rahmen ihrer Agenturtheorie formuliert hat.81 Als wichtige Initialkräfte für Direktinvestitionen im Ausland nennt Aharoni vier Faktoren: a) Von außen an das Unternehmen herangetragene Vorschläge, b) Befürchtungen, den Markt zu verlieren, c) Mitläufer-Effekte, d) starke/zunehmende Konkurrenz von ausländischen Firmen auf dem Inlandsmarkt des Unternehmens.82 Alle vier Faktoren lassen sich in der Internationalisierungsgeschichte der BMW AG wiederfinden, wobei die entscheidungsbefugten Akteure des Manage­ments nicht immer rein rationalen, nachvollziehbaren Beweggründen folgten, wie in dem empirischen Teil der Arbeit zu zeigen ist. Weitere Erklärungskraft im Hinblick auf die Durchführung von Auslandsdirektinvestitionen und dem Entscheidungsprozess, der hierzu führt, bietet die Berücksichtigung von Handelshemmnissen. Diese können die Einfuhr in ein Land so behindern oder unrentabel werden lassen, dass nur durch eine direkte Investition – beispielsweise in Form eines Joint-Ventures oder einer eigenen Produktionsstätte – das Engagement in einem Markt gehalten und lukrativ gestaltet werden kann; zahlreiche Beispiele finden sich sowohl in der aktuellen Wirtschaftspolitik weltweit wie auch in ihrer Geschichte.83 Die 79  Vgl.

Itaki, Masahiko (1991): A Critical Assessment of the Eclectic Theory of the Multinational Enterprise, in: Journal of International Business Studies, Vol. 22, No. 3, pp. 445–460. 80  Vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 131. 81  Vgl. ebd., S. 130f. Im Allgemeinen werden Ansätze der verhaltensorientierten Theorie zugeordnet, die die Aufnahme von grenzüberschreitenden Aktivitäten auf Entscheidungen einzelner Personen zurückführen, vgl. Dülfer, Internationales Management, S. 87. 82  Vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 115f.; Für weiterführende Informationen zu Aharonis behavioristischer Theorie vgl. Aharoni, Yair: The Foreign Direct Investment Process, Boston 1966. 83  Derartige Handelsschranken zielen in der Automobilindustrie oft darauf ab, entweder den heimischen Markt gegen den ausländischen Wettbewerb zu schützen oder,

1.2.  Theoretischer Rahmen

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NIÖ berücksichtigt diese Einflussgrößen ebenfalls und bezeichnet sie als Institutionen, worunter Systeme aus informellen und formalen Normen oder Regeln zu verstehen sind. Gängige Internationalisierungstheorien differenzieren hierbei zwischen tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen, wobei zu tarifären Schranken vor allem Instrumentarien der Wirtschaftsund Außenpolitik zählen, die direkten Einfluss auf den Import sowie Export haben; allen voran sind hierunter Zölle zu fassen, aber auch Exportsubven­ tionen oder staatlich festgesetzte Mindestpreise für Waren auf dem entsprechenden Heimatmarkt. Schwerer zu konturieren sind hingegen die nicht-­ tarifären Handelsbarrieren: “These so-called non-tariff barriers […] take the form of a highly complex matrix of governmental and quasi-governmental policies and practices which appear to distort significantly the volume, direction and product-composition of international trade […]”.84

Während tarifäre Schranken einfacher zu greifen und somit politisch direkter zu adressieren sind, wie die Verhandlungen zum GATT zeigten, im Speziellen die Kennedy-Zollsenkungsrunde sowie die Gründung der EWG,85 ist nichttarifären Handelshemmnissen schwerer entgegenzuwirken. Unter diese sind unter anderem Local-Content-Bestimmungen, Regularien aus den Bereichen der Umwelt-, Sicherheit- und Lebensmittelgesetzgebung oder auch sogenannte freiwillige Exportbeschränkungen zu verstehen, wie etwa die erste Zusicherung von Japan gegenüber den USA im Jahre 1981, die PKW-Einfuhren zu begrenzen.86 Tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse geben für Geschäftsleitungen oftmals den Ausschlag, im Ausland Direktinvestitionen zu tätigen.87 Auf den Einfluss von tarifären und nicht-tarifären Handelsbarrieren wird ausführlich in der vorliegenden Arbeit eingegangen, da sie zu den wichtigsten Erklärungsmechanismen von Direktinvestitionen im Ausland gehören und die Handelsströme maßgeblich beeinflussen.88 je nach Schutzmechanismen, den Aufbau einer heimischen Produktion mit entsprechender Produktionstiefe, also einer Wertschöpfung im eigenen Land, sicherzustellen; klassischerweise sind hierunter Local-Content-Programme zu fassen. 84  Walter, Ingo / Chung, Jae (1972): The Pattern of Non-Tariff Obstacles to International Market Access, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 108, S. 122–136, hier S. 122. 85 Vgl. Neebe, Reinhard: Weichenstellung für die Globalisierung. Deutsche Weltmarktpolitik, Europa und Amerika in der Ära Ludwig Erhard, Köln 2004, Kapitel XIII.4, S. 479–493. 86  Vgl. Krugmann, Paul / Obstfeld, Maurice: Internationale Wirtschaft. Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 8. Auflage, München 2009, S. 270. Für eine zeitgenössische Diskussion und chronologische Aufarbeitung der Geschehnisse, vgl. Pearson, Charles / Takacs, Wendy (1981): Should the U.S. Restrict Auto Imports?, in: Challenge, Vol. 24, No. 2, pp. 45–52. 87  Vgl. Beyer, Jürgen (2001): „One best way“ oder Varietät? Strategien und Organi­ sationsstrukturen von Großunternehmen im Prozess der Internationalisierung, in: ­Soziale Welt, Jg. 52, Nr. 1, S. 7–28, hier S. 9. 88 Welch/Luostarinen kritisieren, dass die bisherige Internationalisierungsforschung sich oftmals zu sehr auf die nach außen gerichteten Prozesse eines Unternehmens

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1. Einleitung

Eine unmittelbare Investition im Ausland ist zugleich oftmals eine Unternehmensentscheidung für oder gegen alternative Standorte. Ansätze aus dem Bereich der Standorttheorien haben dies berücksichtigt und fokussieren noch weitere Einflussgrößen, wie marktbezogene Variablen (Marktgröße und -wachstumstendenzen, Lohn- und Fertigungskosten etc.) sowie die natür­ lichen Gegebenheiten (Umwelteinflüsse, kulturelle Wertvorstellungen, politische Risiken, klimatische und topographische Voraussetzungen usf.).89 Die Standortfrage gewinnt umso mehr an Bedeutung für ein Unternehmen, je stärker die einzelnen Prozessschritte seiner Wertschöpfungskette als autonome Organisationseinheiten auftreten und durch Informations- sowie Kommunikationstechniken koordiniert werden.90 Können also ökonomische Vorteile aus einer Standortverlagerung erlangt werden, folgt der organisatorischen auch die räumliche Dezentralisierung im Sinne einer Standortgründung außerhalb des Stammsitzes.91 Die Unternehmensorganisation kann während dieser Internationalisierung dezentral oder zentral gesteuert sein. Elemente von Standortansätzen werden bei der empirischen Untersuchung der BMW AG ebenfalls berücksichtigt, gleichwohl sie bei der Analyse eine vergleichsweise untergeordnete Rolle einnehmen. Es wird aber der Frage nachgegangen, wo und aus welchen Gründen sich das Unternehmen inter­ nationalisierte.92 In dem Untersuchungszeitraum bis 1981 verfügte BMW lediglich über ein firmeneigenes Montagewerk außerhalb von Deutschland und dies in Südafrika; alle weiteren CKD-Standorte wurden von externen Firmen unterhalten. Das Münchner Unternehmen internationalisierte bis in die frühen 1980er Jahre vor allem den Vertrieb über die Gründung eigener Vertriebstöchter. Die Internationalisierung des unternehmenseigenen Produktionsnetzwerks setzte hingegen erst ab Mitte der 1990er Jahre ein. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass eine Analyse des Vertriebsbereichs genügen würde, um die Internationalisierung der BMW AG hinreichend abbilden zu können, denn die zunehmende Ausdehnung und Internalisierung konzentrierten, während die von außen – beispielsweise durch die Politik oder Netzwerke – an die Firma herangetragenen Faktoren, sogenannte „inward aspects“, und die Interaktion zwischen diesen beiden Wirkrichtungen bis Anfang der 1990er Jahre zu wenig Beachtung erhalten haben, vgl. Welch, Lawrence / Luostarinen, Reijo (1993): Inward-Outward Connections in Internationalization, in: Journal of International Marketing, Vol. 1, No. 1, pp. 44–56. 89  Vgl. Dülfer, Internationales Management, Kapitel 6, S. 234–368. Für eine Einführung in die klassische Standorttheorie und einen historischen Überblick vgl. Stolper, Wolfgang (1956): Standorttheorie und Theorie des internationalen Handels, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft / Journal of Institutional and Theoretical Economics, Bd. 112, Nr. 2, S. 193–217. 90  Manche Autoren wenden die Standorttheorie auch außerhalb von Direktinvestitionen an, also etwa bei der Frage, wohin exportiert oder wo Franchise-Systeme errichtet werden sollen, vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 442. 91  Vgl. Picot/Reichwald/Wigand: Die grenzenlose Unternehmung, S. 9f. 92  Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 442–447.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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des Vertriebsnetzwerks hatte Rückwirkungen auf die Muttergesellschaft und setzte die Internationalisierung weiterer Organisationseinheiten des Unternehmens voraus bzw. hatte diese zur Folge. Diese Wechselwirkungen be­ schreibt Aharoni wie folgt: “A firm operating globally must manage the flow of people, information, services, and money across national borders. It must nurture and cultivate distinct competence that will allow it to offer better or more efficient services than the domestic firm, as well as the executive reward system and the systems of coordination and control that will nurture its strategy.”93

Aus diesem Grund bietet das in Abschnitt 1.2.1 bereits angesprochene ­Uppsala-Modell nur eine begrenzte Aussagekraft, da es sich mit den Entwicklungsschritten Export, Lizenzvergabe, Joint-Venture, firmeneigene Vertriebsund dann Fertigungsstandorte vor allem auf den Vertriebs- und Produktionsbereich konzentriert und andere Bereiche außer Acht lässt. Des Weiteren unterstellt das Modell inkrementelle Schritte und somit eine gewisse Kontinuität in der Entwicklung, obwohl Internationalisierungsprozesse nicht selten von evolutionären Sprüngen oder Rückschritten begleitet werden, die die skandinavische Schule in Gänze ausblendet. Wertvoll hingegen ist ihre Einbeziehung des Marktwissens und des organisationalen Lernens, gleichwohl auch hier inkrementelle Lernschritte vorausgesetzt werden, die nach Aussage der Autoren in der Regel evolutionär und nicht revolutionär verlaufen.94 Ein weiteres Modell aus Helsinki erweitert die zwei Dimensionen des UppsalaModells um vier weitere Faktoren: „sales objects, firm characteristics, decisionmaker characteristics and firm competencies, including market knowledge“,95 womit die Perspektive aus Helsinki deutlich erweitert ist. In der finnischen Schule spielt überdies das Prinzip der lateralen Rigidität eine wichtige Rolle, das besagt, dass Unternehmen ihre internationalen Aktivitäten vom Heimatmarkt ausgehend beginnen und zunächst diejenigen Märkte wählen, die physisch, politisch, ökonomisch und kulturell ähnlich sind bzw. ihrem Markt nahestehen.96 In diesem Ansatz zeigt sich also deutlich die 93  Aharoni,

Yair (1996): The Organization of Global Service MNEs, in: International Studies of Management & Organization, Vol. 26, No. 2, Global Strategic Alliances among Service Organizations, pp. 6–23, hier p. 20. 94  Vgl. Johanson/Vahlne, Internationalization Process; Björkmann, Ingmar / Eklund, Michael (1996): The Sequence of Operational Modes Used by Finnish Investors in Germany, in: Journal of International Marketing, Vol. 4, No. 1, pp. 33–55. 95  Vissak, Tiia / Zhang, Xiaotian: Becoming a true Born Global without any experiential Market Knowledge. Three Chinese Cases, in: Marinov, Marin / Marinova, Svetla (Hg.), Internationalization of Emerging Economies and Firms, Basingstoke 2012, S. 141–168, hier S. 144f. 96  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 19, 21f.; Kutschker/ Schmid, Internationales Management, S. 472, 1118f. Vgl. weiterführend Luostarinen, Reiji: Internationalization of the Firm. An Empirical Study of the Internationalization of Firms with Small and Open Domestic Markets, with Special Emphasis on Lateral Rigidity as a Behavioral Characteristic in Strategic Decision-Making, Helsinki 1979.

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1. Einleitung

­ imension der geographisch-kulturellen Reichweite, die bereits häufiger anD gesprochen wurde. In der finnischen Schule ist fernerhin das Konzept des organisationalen Lernens zentral, das auch bei der hier vorliegenden Studie berücksichtigt wurde. Die laterale Rigidität ist umso höher, je skeptischer ein Unternehmen unbekannten Aktivitäten und nicht vertrauten Maßnahmen gegenübersteht. Das Prinzip des organisationalen Lernens, als Basis des im Unternehmen bestehenden Wissens, ist also eng mit dieser der HelsinkiSchule verbunden.97 Organisationales Lernen ist für ein Unternehmen die Grundvoraussetzung zur Bewältigung der Veränderungsprozesse, da hierdurch tradierte Strukturen aufgebrochen und an die sich wandelnden Anforderungen angepasst werden können. Durch den Transfer von Wissen innerhalb einer Organisation können wiederum neue Herausforderungen gelöst werden. Die Internationalisierung einer Firma konfrontiert das Management, die Mitarbeiter und das organisationale System als Ganzes mit Veränderungen und Anforderungen. Hierbei gibt es einen engen Zusammenhang zwischen individuellem und organisationalem Lernen, denn eine Organisation handelt und lernt durch ihre Mitglieder. Erfolgreich kann dieser Lernprozess jedoch nur sein, wenn das Unternehmen den Raum für diesen Prozess bietet, ihn regis­triert und ihn, unabhängig vom individuellen Mitarbeiter, in seine Wissensbasis aufnimmt. Dies geschieht durch Kommunikation, Transparenz und Integration des Gelernten in den kollektiven Aushandlungsprozess, die somit in das gesamte System einfließen.98 Eine Analyse der Organisationsstrukturen legt diese Wechselwirkungen offen und vermag zu zeigen, wie sich ein Unternehmen im Zuge seiner Internationalisierung an die veränderten Prozesse anpasst. Die Erschließung neuer Märkte und der Wandel der Organisation zu einem international oder global agierenden Konzern kann nur erfolgreich sein, wenn es an den Herausforderungen als System mitsamt dem inhärent akkumulierten Wissen mit wächst. Diese sich anpassende Wissensbasis muss sich in der Organisation manifestieren, beispielsweise in Form von institutionalisierter Kommunikation, Transparenz, Strategien, (Führungs-)Leitbilder oder in der Unternehmenskultur als Ganzes.99 Durch eine Analyse der Organisation werden im empirischen Teil dieser Arbeit die Wechselwirkungen 97 Vgl.

Simon, Markus: Der Internationalisierungsprozess von Unternehmen. Ressourcenorientierter Theorierahmen als Alternative zu bestehenden Ansätzen, Wies­ baden 2007, S. 78; Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 472. 98  Vgl. Picot/Reichwald/Wigand: Die grenzenlose Unternehmung, S. 502–504. 99  Ebd., S. 502–504, 517. Die sogenannte Lernkurven-Theorie des internationalen Handels setzt darüber hinaus auch eine Lernfähigkeit von Märkten voraus und basiert auf der These, dass die Technologie, insbesondere die Prozesstechnologie, eines Landes durch die dort kumulierte Produktionsmenge bestimmt wird und somit ein Land mit dem größten kumulierten Produktionsvolumen durch Lerneffekte die niedrigsten Kosten erlangt. In diesem Sinne werden Lerneffekte als Rationalisierungspotentiale interpretiert, vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 89–94.

1.2.  Theoretischer Rahmen

27

der Internationalisierung der BMW AG und ihre systemische Manifestierung in jeder Internationalisierungsphase behandelt und diskutiert. Durch die Einbeziehung des Konzepts des organisationalen Lernens wird ein kursorischer Einblick in die Unternehmenskultur von BMW gegeben. Insbesondere die jüngeren Entwicklungen der NIÖ haben sich um eine vermehrt kulturalistische Ausrichtung bemüht. So kann ein Unternehmen durchaus als „Mikrogesellschaft“ mit eigener Kultur – Unternehmenskultur – verstanden werden. Diese rückte in den vergangenen Jahren immer weiter in den Fokus und ist mittlerweile als wichtige, auf den wirtschaftlichen Erfolg einflussnehmende Größe anerkannt.100 Ebenfalls erfreulich ist die Tatsache, dass einige Autoren den Sozialkonstruktivismus, den Berger/Luckmann bereits in den 1960er Jahren in den USA publik machten, für die Unter­nehmensgeschichte entdeckt haben, indem sie das Unternehmen als sinnstiftende Subsinnwelt deuten. Unternehmen sind in diesem Sinne im Laufe der Zeit gewachsen und stehen in einem dialektischen Verhältnis mit ihrer Außenwelt. Interessant erscheinen in diesem Kontext also Beiträge, wie Berghoff sie geleistet hat: Unternehmensgeschichte als Gesellschaftsgeschichte und somit auch als Kulturgeschichte zu begreifen.101 Da die Unternehmenskommunikation als eines der 4 Ps des klassischen Marketing-Mix, der in Abschnitt 1.3 genauer vorgestellt wird, eine wichtige Rolle spielt, soll auch diesem Element an dieser Stelle eine theoretische Grundlage gegeben werden. Unternehmenskommunikation soll zunächst sehr basal verstanden werden als die „Gesamtheit sämtlicher Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen eines Unternehmens, die eingesetzt werden, um das Unternehmen und seine Leistungen den relevanten Zielgruppen der Kommunikation darzustellen.“102

Dieses Konzept der „integrierten Unternehmenskommunikation“, das von mehreren Wissenschaftlern bereits fruchtbar aufgegriffen wurde – etwa von Wischermann und Nieberding –, lässt sich im Wesentlichen auf vier Ebenen differenzieren, die auch in dieser Arbeit einen groben Orientierungsrahmen im Hinblick auf die Kommunikationspolitik der BMW AG geben sollen: Marktkommunikation, Öffentlichkeitskommunikation, Mitarbeiterkommu100  Vgl. Casson, Mark / Godley, Andrew: Cultural factors in economic growth, Berlin u. a. 2000. 101 Vgl. Berghoff, Hartmut: Zwischen Kleinstadt und Weltmarkt. Hohner und die Harmonika 1857–1961. Unternehmensgeschichte als Gesellschaftsgeschichte, 2. Auf­ lage, Paderborn / München u. a. 2006. Auch Hesse/Kleinschmidt/Lauschke halten in ihrem Sammelband ein Plädoyer für eine vermehrt kulturalistisch ausgerichtete Unternehmens­geschichte, vgl. Hesse, Jan-Otmar / Kleinschmidt, Christian / Lauschke, Karl (Hg.): Kulturalismus, Neue Institutionenökonomik oder Theorienvielfalt. Eine Zwischenbilanz der Unternehmensgeschichte, Essen 2002. 102 Bruhn, Manfred: Integrierte Unternehmenskommunikation. Ansatzpunkte für eine strategische und operative Umsetzung integrierter Kommunikationsarbeit, Stuttgart 1992, S. 8.

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1. Einleitung

nikation (interne Kommunikation) und Produktkommunikation.103 Wichtigstes Mittel der Marktkommunikation, die die Darstellung der unternehmerischen Produkte gegenüber den Kunden zum Kern hat, ist demgemäß das Medium der Werbung. Aufgrund ihrer Nähe zueinander und des gesetzten Fokus dieser Arbeit sollen hier die Ebenen der Markt- und Produktkommunikation zusammengefasst werden. In diesem Sinne wird das Werben für Unternehmensprodukte um die etwaige Dimension der eigenständigen Markenbiographie ergänzt, die vorliegen kann, aber nicht muss. Von der Marktund Produktkommunikation abzugrenzen ist die Öffentlichkeitskommunikation, die gezielt die Imagepflege und damit einhergehend den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel zur Darstellung des Unternehmens nach außen, also in der Öffentlichkeit, umfasst. Hierunter können sowohl defensive Konfliktvermeidungsstrategien zählen als auch offensiv ausgelegte PR-Kampagnen. Als weitere Ebene der Kommunikationspolitik von Unternehmen ist die interne Kommunikation gegenüber den eigenen Mitarbeitern anzuführen, die unter anderem als Bindeglied zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft einerseits, im internationalen Kontext auch zwischen Muttergesellschaft und Auslandsdependancen andererseits, gefasst werden kann. Wichtige Instrumente der internen Kommunikation sind Werkszeitungen, Ehrungen, Regelungen usf. Auf dieser Ebene kommt der sogenannte „symbolische Interaktionismus“104 besonders stark zum Tragen, der über Symbole, Gebräuche, einen unternehmensspezifischen Wortschatz usf. identitätsstiftend wirkt. Dies verweist auf einen weiteren Grundzug von Kommunikation im Allgemeinen, die in einem dialektischen Verhältnis zur Unternehmenskultur steht: „Kommunikation ist ein Medium und damit Träger der Unternehmenskultur; als ­solche beeinflusst sie diese auch. Doch umgekehrt ist die Kommunikation als ein Teil der Kultur geprägt. Der Einsatz von gezielten Kommunikationsmaßnahmen findet daher seine Grenzen in den kulturellen Rahmenbedingungen eines Unternehmens.“105

Kommunikation und Kultur eines Unternehmens sind also untrennbar miteinander verbunden. Wie in Abschnitt 1.2.2 bereits expliziert wurde, muss im 103  Vgl. Wischermann, Clemes: Unternehmenskultur, Unternehmenskommunikation, Unternehmensidentität, in: Wischermann, Clemens (Hg.), Unternehmenskommunikation deutscher Mittel- und Großunternehmen, Theorie und Praxis in historischer Perspektive, Münster 2003, S. 21–40, hier S. 35–37. 104  Der symbolische Interaktionismus geht auf George H. Mead zurück, der soziale Wirklichkeit und Normen als aus menschlicher Interaktion und Interpretation hervorgegangen deutet. Kommunikation findet über Symbole statt, der Sinn von Handlungen und Kommunikation wird vom Menschen als soziales Wesen mit Hilfe dieser Symbole interpretiert und entschlüsselt, vgl. weiterführend Mead, George: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus, Frankfurt/M. 1968. 105 Stücker, Britta: Symbole und Unternehmenskommunikation, in: Wischermann, Clemens (Hg.), Unternehmenskommunikation deutscher Mittel- und Großunternehmen, Theorie und Praxis in historischer Perspektive, Münster 2003, S. 93–103, hier S. 93.

1.2.  Theoretischer Rahmen

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Rahmen dieser Arbeit auf eine Analyse der Unternehmenskultur als solche verzichtet werden. Aufgrund ihres dialektischen Verhältnisses zur Unternehmenskommunikation wird sie jedoch als Teilaspekt thematisiert und kann somit den Ausgangspunkt für eine eingehendere Untersuchung der Unternehmenskultur der BMW AG bieten, die noch ein Desiderat in der Unternehmenshistorie darstellt. Diese kulturelle Dimension wurde in den Beiträgen der jüngeren unternehmensgeschichtlichen Forschung wiederholt thematisiert. In diesem Zusammenhang hat vor allem Berghoff auf die Rolle von Vertrauen verwiesen, das die Basis für Kooperationen und Regelhaftigkeit bildet und somit eine „ökonomische Schlüsselvariable“ darstellt. Die Bildung von Vertrauen könne nicht primär Aufgabe staatlicher Institutionen sein, auch Unternehmen müssten „vertrauensschaffende Mechanismen“ bilden.106 Kommunikation und ihre zugrundeliegenden Prozesse sind hier von entscheidender Bedeutung, da sie die Interaktion zwischen den unterschiedlichen Akteuren – Unternehmen, Mitarbeitern, Öffentlichkeit – erst ermöglicht. Mutz definiert die Internationalisierung eines Unternehmens demgemäß aus einer stark kommunikationsbezogenen Perspektive und versteht Internationalisierung „als wachsende Integration ausländischer Märkte in diese Kommunikationsstrukturen“. Des Weiteren klassifiziert er Aktivitäten aus dem Bereich Marketing als mitentscheidend und referiert auf Kaas,107 der unternehmerisches Handeln als „Bewältigung von Informations- und Un­ sicherheitsproblemen im Markt“ definiert.108 Im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit ist es leider nicht möglich, weitere kulturalistische Ansätze, über die oben genannten Theorien hinaus, mit einzubeziehen. Mit Hilfe des theoretischen und analytischen Konzeptes sollen dennoch kulturelle Aspekte berücksichtigt werden. So wird auch der Frage nachgegangen, wie die in der Zentrale bestehenden Werte an die Tochtergesellschaften weitergegeben werden. Eine wissenschaftlich dezidierte Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur der BMW AG wird aber auch nach Abschluss dieser Studie ein Desiderat darstellen. In diesem Kapitel wurde die theoretische Grundlage vorgestellt, mit der die Internationalisierung von BMW untersucht werden soll. In dem sich anschließenden Ab106  Berghoff,

Hartmut: Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariable. Zur Theorie des Vertrauens und der Geschichte seiner privatwirtschaftlichen Produktion, in: Ellerbrock, Karl-Peter / Wischermann, Clemens (Hg.), Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics, Dortmund 2004, S. 58–71, hier S. 6. 107  Mutz, Mathias (2006): «Ein unendlich weites Gebiet für die Ausdehnung unseres Geschäfts». Marketingstrategien des Siemens-Konzerns auf dem chinesischen Markt (1904 bis 1937), in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte / Journal of Business History, Jg. 51, Nr. 1, S. 93–115, hier S. 95. 108  Kaas hat diese Definition als Titel seines Aufsatzes veröffentlicht, um ihre Wichtig­ keit weiter zu unterstreichen, vgl. Kaas, Klaus Peter (1990): Marketing als Bewältigung von Informations- und Unsicherheitsproblemen im Markt, in: Die Betriebswirtschaft, Jg. 50, Nr. 4, S. 539–548, hier S. 539.

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1. Einleitung

schnitt 1.3 wird der analytische Rahmen skizziert, der zur weiteren Schärfung des Untersuchungsgebietes dient.

1.3.  Analytischer Rahmen: Methodische Grundlage und Aufbau der Untersuchung Bei der hier vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine theorieorientierte empirische Untersuchung der BMW AG, die als Fallbeispiel der deutschen Automobilbranche dient. Die theoretischen Grundlagen sowie die Gründe, die zu einer Analyse der Internationalisierungsgeschichte des Münchner Herstellers nach 1945 führten, wurden bereits in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt. Die empirische Auseinandersetzung erfolgte vorrangig durch die Auswertung archivalischer Quellen, die ausführlich in Kapitel 1.4 vorgestellt werden. Das schriftliche Material bildete das Fundament der suchung, während den wenigen Experteninterviews, die mit ehe­ Unter­ maligen und bisweilen noch aktiven BMW-Mitarbeitern geführt wurden, nur sehr vereinzelt Hinweise entlehnt wurden, die entsprechend in den Fußnoten gekennzeichnet sind. Es handelt sich also in der vorliegenden Arbeit nicht um eine Fallstudie, die mit Hilfe der „Oral-History“-Methode erschlossen wurde; vielmehr erhielten die Gespräche eine ergänzende, bisweilen korrektive Funktion.109 Die Ergebnisse im Kontext des Fallbeispiels BMW werden nicht nur in ihren theoretischen sowie allgemeinen wirtschafts- und sozialhistorischen Zusammenhang gesetzt, sondern ebenfalls punktuell mit anderen Anbietern der deutschen Automobilindustrie verglichen, wobei vorwiegend auf die Daimler-Benz AG als Premiumhersteller referiert wird. Hierbei wird deutlich, dass sich die BMW AG später internationalisierte und sich ein unterschiedlicher Verlauf ihrer Automobil- und Zweiradsparte im Ausfuhrgeschäft ergab. In der Themeneinführung (vgl. Kapitel 1.1) ist bereits darauf hingewiesen worden, dass jede Studie einer wohlüberlegten Eingrenzung des zu analysierenden Themenspektrums bedarf. Insbesondere bei einem so breit aufgestellten und vielfältigen Sujet wie der Internationalisierung – definiert sowohl als Zustandsbeschreibung als auch als Prozess – erleichtert eine klare Abgrenzung des Untersuchungsfeldes die Analyse erheblich. Mit der hier vorgenommenen Eingrenzung durch die Operationalisierung des klassischen Marketing-Mix, der bereits 1960 in den USA, dem „Mutterland“ des Marketings, vorgestellt wurde, präsentierte sich ein klar konturiertes Untersuchungsgebiet. Zugleich ermöglichte dieses Vorgehen eine Betrachtung des Zusammen109  Diesen Hinweis zu den Interviews verdanke ich Kleinschmidt, vgl. Kleinschmidt, Christian: Der produktive Blick. Wahrnehmung amerikanischer und japanischer Management- und Produktionsmethoden durch deutsche Unternehmer 1950–1985, Berlin 2002, S. 28f.

1.3.  Analytischer Rahmen

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spiels der einzelnen Elemente des Marketing-Mix, die somit eine Bewertung der von Unternehmensseite angewandten Marketinginstrumente zuließ.110 „Der Marketingmix eines Unternehmens ist der kombinierte und koordinierte Einsatz der Marketinginstrumente mit dem Ziel, durch eine harmonische Abstimmung der Instrumenteausprägungen die Unternehmens- und Marketingziele möglichst effizient zu erreichen.“111

Der klassische Marketing-Mix von McCarthy geht von vier interdependenten Basisbereichen eines Unternehmens aus,112 die er als „4 Ps“ bezeichnet: Product, Price, Place, Promotion bzw. ins Deutsche übertragen die Produkt-, Preis-, Vertriebs-/Service- und Kommunikationspolitik einer Firma.113 Je besser die vier Elemente aufeinander abgestimmt und im Einklang miteinander sind, kann von einem erfolgreichen Marketing gesprochen werden: „So verstanden entwickelt sich Marketing von der reinen Technik des ­Vermarktens zu einer übergreifenden Denk- und Handelsweise eines Unternehmens.“114 110 An

dieser Stelle kann leider keine ausführliche Einleitung in die Marketinggeschichte gegeben werden. Für einen Überblick zum Thema Marketing und seiner ­Geschichte aus wirtschafts- und unternehmenshistorischer Perspektive vgl. Berghoff, Hartmut (Hg.): Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt/M. 2007; Kleinschmidt, Christian / Triebel, Florian (Hg.): Marketing. Historische Aspekte der Wettbewerbs- und Absatzpolitik, Essen 2004. Zur Theoriegeschichte des Marketings, vgl. Tadajewski, Mark / Jones, Brian (Hg): History of Marketing Thought, Bd. 1–3, Los Angeles 2008. 111  Bruhn, Manfred: Unternehmens- und Marketingkommunikation: Handbuch für ein integriertes Kommunikationsmanagement, 3. Auflage, 2014 München, S. 45. 112 Das Konzept des Marketing-Mix geht ursprünglich auf Neil Bordon aus dem ­Jahre 1953 zurück, vgl. Borden, Neil (1964): The Concept of the Marketing Mix, in: Journal of Advertising Research, Vol. 4, No. 2, pp. 2–7. McCarthy war es jedoch, der das Konzept pointiert formte, wodurch es zum populären und dominierenden Design wurde, vgl. van Waterschoot, Walter / van den Bulte, Christophe (1992): The 4P Classi­fication of the Marketing Mix Revisited, in: Journal of Marketing, Vol. 56, No. 4, pp. 83–93, hier p. 84f. Van Waterschoot und van den Bulte bieten überdies eine kritische Auseinandersetzung, was das Konzept aus wissenschaftlicher Sicht bis in die 1990er Jahre zu leisten vermochte. 113 McCarthy, E. Jerome: Basic Marketing. A Managerial Approach, 5.  Auflage, Homewood 1975, S. 74–80. Das Marketing wurde keineswegs erst mit der Formulierung des Marketing-Mix in den 1960er Jahren „erfunden“, denn entsprechende Marketingmethoden bestanden in den Unternehmen bereits vorher, wurden jedoch nicht als solche benannt, wie Berghoff richtig konstatiert, vgl. Berghoff, Hartmut: Marketing im 20. Jahrhundert. Absatzinstrument – Managementphilosophie – universelle Sozialtechnik, in: Ders. (Hg.), Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozial­technik, Frankfurt/M. 2007, S. 11–58, hier S. 19. Berghoff verweist auf die Studie von Rossfeld, der nachweist, dass in der Nahrungsmittel- und Konsumgüterindustrie bereits um 1900 eine durchdachte und komplexe Marketingorientierung existierte, vgl. Rossfeld, Roman: Schweizer Schokolade. Industrielle Produktion und kulturelle Konstruktion eines nationalen Symbols 1860–1920, Baden 2007. 114 Triebel, Florian (2010): Vom ‚Marketingloch‘ zur Wiederentdeckung der sport­ lichen Mittelklasse – vom Produktionsregime zur Marketingorientierung bei BMW, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook, Jg. 51, Nr. 1, S. 37–63, hier S. 37f.

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1. Einleitung

Seit den 1960er Jahren hatte eine wahrhaftige „Marketingrevolution“ in Deutschland stattgefunden, die auch von den Protagonisten der Wirtschaft im Management als solche wahrgenommen wurde.115 Dieser Wandel ist auch in der Geschäftsleitung der BMW AG zu beobachten, wie in Kapitel 3 nachzulesen ist. Der Marketing-Mix spannt in der vorliegenden Arbeit den analytischen Rahmen, in welchem die Internationalisierung des Münchner Unternehmens untersucht wird. Hierbei handelt es sich um keine in Gänze neue Konzeptionalisierung, die Struktur der 4 Ps als Analyse-Framework zu nutzen; auch bei anderen neueren Ansätzen findet sich diese Viergliedrigkeit wieder. Auf diese Weise hat sich der klassische Marketing-Mix zugleich als konstruktive Strukturierungsmaßnahme verdient gemacht.116 Das Konzept der 4 Ps ist in den vergangenen Jahrzehnten von verschiedenen Autoren um weitere „P-Faktoren“ ergänzt worden, wie etwa Publics, Performance, Politics, Probability, Planning, Processes usf.117 Im Zuge der Untersuchung der Internationalisierung der BMW AG, ausgehend von dem klassischen 4P-Konzept, zeigte sich, dass der Analyserahmen in dieser Studie ebenfalls erweitert werden sollte, um die sich vollziehenden Prozesse und Entwicklungen besser nachzeichnen zu können. Auf diese Weise wurden dem Analyserahmen noch die Bereiche Personal und Produktion hinzugefügt. Dieser angepasste methodische Framework spiegelt sich in der g­ esamten Arbeit wider und strukturiert ihre Gliederung: Jede Internationalisierungsphase und somit jedes der empirischen Kapitel wird anhand der 4+2 Ps analysiert und somit aufgezeigt, wie sich die Internationalisierung in jedem einzelnen Unternehmensbereich vollzog. Hierbei führt das Element Personal als einleitende Funktion in jedes Kapitel über eine Internationalisierungsphase ein. In diesem Abschnitt wird nicht nur das leitende Management vorgestellt und untersucht, sondern auch die allgemeine BMW-Personalstruktur auf internationale Qualifikationen geprüft, insofern dies auf der Grundlage der Quellen möglich war. Es wird also auch untersucht, inwiefern sich die zunehmende internationale Ausrichtung auf das Personalressort und die sich 115 

Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 221f. van Waterschoot/van den Bulte, The 4P Classification, S. 85; Bruhn, Unternehmens- und Marketingkommunikation, S. 42f. Für einige Beispiele, vgl. Reidenbach, R. Eric / Terence Oliva (1981): General Living Systems Theory and Marketing. A Framework for Analysis, in: Journal of Marketing, Vol. 45, No. 4, pp. 30–37; Schrotthofer, Roland: Das Product Placement der Automobilindustrie im Hinblick auf die Imageübertragung zwischen Auto und Star anhand von ausgewählten Beispielen, Magisterarbeit, Wien 2011. Auch Triebel hat die Marketinggeschichte der BMW AG während der 1950er Jahre mit Hilfe der 4 Ps in einem Aufsatz untersucht, vgl. Triebel, Marketingloch, S. 37f. Triebel verdanke ich die Anregung, den Analyserahmen der vorliegenden Studie auf den 4 Ps des klassischen Marketing-Mix aufzubauen, wofür ich meinen Dank aussprechen möchte. 117  Vgl. Harvey, Michael / Lusch, Robert / Cavarkapa, Branko (1996): A Marketing Mix for the 21st Century, in: Journal of Marketing Theory and Practice, Vol. 4, No. 4, pp. 1–15, hier p. 1; Triebel, Marketingloch, S. 38, Fußnote 4. 116  Vgl.

1.3.  Analytischer Rahmen

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hieraus ableitenden Anforderungen auf die Mitarbeiter auswirkte. Mit der Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland wird überdies der Frage nach Rekrutierungsmaßnahmen sowohl in der Zentrale als auch auf dem jeweiligen ausländischen Markt nachgegangen. Im Abschnitt Product wird analysiert, welche produktspezifischen Maßnahmen ergriffen wurden, um weitere Märkte zu erschließen. Wurden modellspezifische Modifikationen vorgenommen und welchen Einfluss hatten hierbei nicht-tarifäre Handelshemmnisse aus der Gesetzgebung, vor allem im Hinblick auf Besteuerung, Umwelt und Sicherheit? Lagen der Produktentwicklung marktspezifische Kenntnisse vor und inwiefern wurde auf die mitunter von Markt zu Markt divergierenden Anforderungen eingegangen? Zudem wird aufgezeigt, welche Bedeutung ein Produkt für die Internationalisierung haben konnte bzw. welchen Einfluss sie auf die Entwicklung nahm. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Faktoren Product und Price, da die Preisgestaltung immer auch Einfluss nimmt auf die Positionierung eines Produktes. Aus diesem Grunde wurde das Element Price in den Produkt-Abschnitt konzeptionell integriert und nicht als eigenständiges Kapitel eingeführt. Dort wird also auch der Frage nachgegangen, wie die Geschäftsleitung die Preisgestaltung für das Auslandsgeschäft vornahm und wie die Produkte im Ausland positioniert wurden. Des Weiteren wird eruiert, inwieweit finanzielle Maßnahmen zur Absatzförderung ergriffen wurden, wie etwa Preisnachlässe oder – zu einem späteren Zeitpunkt – die Einführung von Leasingprogrammen. Der Vertrieb (Place) ist der Bereich, der am unmittelbarsten von der Internationalisierung eines Unternehmens betroffen ist. Welche Maßnahmen ergreift ein Unternehmen, um neue Märkte zu erschließen und welche Faktoren spielen bei ihrer Auswahl eine maßgebliche Rolle? Welchen Einfluss haben diese neuen Anforderungen auf die Vertriebsstruktur und organisationale Entwicklung des Unternehmens, insbesondere des Vertriebsressorts? In Anlehnung an die finnische Schule soll ferner geprüft werden, ob sich tatsächlich eine inkrementelle Entwicklung vollzogen hat, sich also wirklich ein evolutionärer Prozess der Vertriebswege von Importeuren hin zu einer firmeneigenen Verkaufsorganisation im Ausland nachvollziehen lässt. Wie verlief die ­Akquise neuer Händler und Importeure und welche Probleme traten dabei auf? Wie koordinierte die Zentrale die Verkaufstätigkeiten und wie beeinflusste die zunehmende Internationalisierung den Zentralisierungsgrad der Organisation? In diesem Punkt wird eine hohe Erklärungskraft von der Prinzipal-AgentenTheorie und Internalisierungs- sowie Transaktionskostentheorie erwartet. Ebenfalls untersucht wird das regionale Muster der Auslandsaktivitäten und somit die Schwerpunkte des Verkaufs im Untersuchungszeitraum. Da BMW, mit Ausnahme des südafrikanischen CKD-Werkes,118 bis 1981 über keinen 118  CKD steht für „Completely Knocked Down“ und bezeichnet Teilesätze, die zerlegt exportiert und am Zielort in einem Montagewerk zu einem Fahrzeug zusammen-

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1. Einleitung

Produktionsstandort im Ausland verfügte, wird der Bereich Production in das Vertriebskapitel der drei Internationalisierungsphasen integriert, da die Montage bzw. Vergabe von Lizenzen als Maßnahme im Rahmen einer Vertriebsstrategie zur Marktpenetration begriffen wird. Ebenfalls besprochen wird hier die Rückwirkung der internationalen Ausrichtung auf die Unternehmensorganisation und den innerdeutschen Produktionsverbund; soweit die Quellen hierzu Aufschluss geben, wird auch die Logistik des Versands und des Transports der Montageteile ins Ausland betrachtet. Einzig unter dem Fallbeispiel Südafrika (vgl. Kapitel 5) wird die Produktion als eigenständiger Abschnitt aufgeführt und expliziert. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei die Probleme, mit denen das Hautquartier und das Management vor Ort konfrontiert wurden, um die Fertigung, über Landesgrenzen hinweg, zu koordinieren und die Qualität im Werk Rosslyn dem deutschen Produk­ tionsstandard anzupassen. Als abschließender Bereich wird die Kommunikationspolitik (Promotion) einer jeden Internationalisierungsphase beleuchtet, die ein wichtiger Teil des Marketing-Mix ist. Mutz’ angeführte kommunikationsbezogene Definition von Internationalisierung findet hierbei besondere Berücksichtigung, also die zunehmende Integration ausländischer Märkte in die Kommunikationsstrukturen der BMW AG.119 Besonderes Augenmerk wird im Bereich Promotion des Weiteren auf den Auftritt der Marke BMW weltweit gelegt; wie sich dieser im Laufe der Zeit wandelte, welche Maßnahmen hierzu ergriffen und wie sie koordiniert wurden. Als anschauliches Beispiel wird die Internationalisierung der Werbung als Markt- und Produktkommunikation analysiert und vorgestellt. Jede der drei Internationalisierungsphasen schließt mit einem Zwischenfazit, in welchem die Analyseergebnisse nochmals kurz resümiert und in ihren theoretischen Kontext gesetzt werden (vgl. Kapitel 1.2). Eine abschließende Schlussbetrachtung erfolgt in Kapitel 6.

1.4. Quellenlage Für die vorliegende Untersuchung, in deren Fokus das Fallbeispiel BMW steht, konnte dank der Bestände des BMW Group Archivs auf eine ausgesprochen breite Quellenlage zugegriffen werden. Darunter befand sich eine Vielzahl veröffentlichter Dokumente, wie etwa Geschäftsberichte, Pressemitteilungen, Werkszeitungen, Werbemotive usf., aber auch unveröffentlichter gebaut werden. Das Werk in Rosslyn wurde erst 1996 von einem CKD-Werk zu einem vollwertigen BMW-Werk und somit als eigenständiger Produktionsstandort in den Werksverbund integriert, vgl. BMW Geschäftsbericht 1996, 1997, in: BMW UU 260/10. 119  Vgl. Mutz, Marketingstrategien, S. 95.

1.4. Quellenlage

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Akten. Wichtige Quellen bildeten hierbei vor allem die Protokolle des Vorstands und des Aufsichtsrats, die mit der Ausnahme einiger Jahre nahezu lückenlos für den Zeitraum ab Ende der 1950er bis Anfang der 1980er Jahre vorlagen. Dies ermöglichte eine dezidierte Auseinandersetzung mit den wichtigsten Entscheidungsgremien und einen Blick auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Ferner lagen unterschiedliche Konvolute der Geschäftsführung – vornehmlich des Verkaufs – vor, in denen Notizen, Briefwechsel und Anweisungen enthalten waren. Mit dem zunehmenden Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit, der sich Anfang der 1970er Jahre mit der Institutionalisierung einer neu geschaffenen „Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations“ manifestierte,120 mehrten sich ebenfalls ­entsprechende Strategiepapiere dieser neuen Abteilung, die intern den Führungskräften und involvierten Abteilungen vorgelegt wurden, um eine einheitliche Kommunikation zu formen. Darüber hinaus stützt sich die Untersuchung allerdings nicht nur auf Quellen der oberen Führungs- und Kon­ trollgremien, sondern ebenso auf Dokumente aus den ihnen unterstellen Organisationseinheiten. Diese waren zum einen für die Implementierung der Vorstandsbeschlüsse zuständig, spielten aber auch, im Rahmen einer wechselseitigen Beziehung, Anregungen sowie Berichterstattungen aus den einzelnen Ressorts an die Geschäftsleitung zurück und waren somit wichtiger Teil des organisationalen Lernens. Bei diesen Quellen handelte es sich vor allem um Dokumente aus den Bereichen Vertrieb und Kommunikation. Sie enthielten unternehmensinterne Schriftwechsel, Reise- und Länderberichte inklu­ sive Besuchsberichten bei Händlern und Importeuren, Importeursverträge, den schriftlichen Austausch mit eben diesen und zum späteren Zeitpunkt auch mit den ausländischen Tochtergesellschaften. Ergänzt wurden diese umfassenden Bestände, die einen wichtigen Einblick in die operationalen Themen gaben, um weitere Unterlagen wie die Marktforschungsberichte der seit 1957 bestehenden Marktforschungsabteilung. Auch die Überlieferungen aus den juristischen Abteilungen ermöglichten Rückschlüsse zu relevanten Rechtsthemen wie Patentrechtsverletzungen oder Vertragsverletzungen und -aufhebungen. Darüber hinaus wurden ebenfalls interne Kommunikationsmedien wie die BMW-Mitarbeiterzeitung mit einbezogen, in denen eine zunehmende Berichterstattung über internationale Themen in den 1970er Jahren beobachtet werden konnte. Ferner wurden ebenfalls Pressestimmen der jeweiligen Zeit hinzugezogen, die Aufschluss über die Entwicklungen der Automobilindustrie innerhalb des Untersuchungszeitraums im Allgemeinen und der Internationalisierung der deutschen Hersteller sowie des deutschen Marktes im Besonderen boten. Die Qualität der erwähnten Quellen ist unterschiedlich zu bewerten. Einzelne Länderberichte etwa bestachen durch einen hohen Detaillierungsgrad 120  Pressemitteilung „Christoph Schmitt bei BMW“ vom 05. 10. 1972, in: BMW UP 200/10.

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1. Einleitung

und vermittelten hierdurch ein Gefühl für die Problematiken kultureller oder operationaler Natur, die beim Markteintritt in einem bis dato fremden Land auftreten konnten. Im Gegensatz hierzu bestanden diverse Lücken und ­Inkonsistenzen innerhalb des Quellenmaterials in Bezug auf Angaben zu Produktion, Verkauf und Export, die über die veröffentlichten Zahlen in den jährlich von der BMW AG vorgelegten Geschäftsberichten hinausgingen. Dieses Problem besteht vor allem für die Zahlenbasis der 1950er Jahre, in denen es zu widersprüchlichen Angaben zum Export kam, was unter anderem auf eine unterschiedliche Handhabe und Aufzeichnung der Montageeinheiten zurückzuführen war. Auf diese Schwierigkeiten wird entsprechend in den Fußnoten hingewiesen. Ferner musste auch in den Folgejahrzehnten stets sorgsam zwischen Ausfuhr- und Zulassungsangaben unterschieden werden, wobei diese Differenzierung leider nicht immer den Unterlagen zu entnehmen war. Das Zahlenmaterial wurde des Weiteren ergänzt durch die Publikationen des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA). 121 Ungenügend und lückenhaft dokumentiert waren ebenso Zahlen über die im Ausland bzw. bei Tochtergesellschaften beschäftigten Mitarbeiter, den erwirtschafteten Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz des Konzerns, die Höhe der Auslandsinvestitionen, den Anteil des Auslandseinkaufsvolumens oder Angaben zu dem ausländischen Lieferantennetzwerk. Auch im Hinblick auf die Finanzstruktur der Anteilseigner konnten über weite Phasen des Beobachtungszeitraums nur stichpunktartige Aussagen getroffen werden, wie etwa über die Notierungen der BMW AG an ausländischen Börsen oder den Aktienanteil ausländischer Aktionäre.122 Das Zahlenmaterial war hier so disparat und unvollständig, dass eine quantitative Auswertung über den gesamten Untersuchungszeitraum leider nicht möglich war. Dieses Defizit konnte jedoch durch die qualitative Stärke und Reliabilität der Quellen ausgeglichen werden, was zu einer stärker qualitativ ausgerichteten Analyse der Interna­ tionalisierungsgeschichte der BMW AG führte. Zur Untersuchung des BMW-Engagements in Südafrika, die in Kapitel 5 zu finden ist, wurde mit zwei unterschiedlichen Quellenbeständen gearbeitet: Neben den Vorstandsprotokollen, die einen guten Einblick in diejenigen Problemlagen vermittelten, die an die Muttergesellschaft in München kommuniziert wurden, lagen im BMW Group Archiv noch weitere Unterlagen vor, die sich mit dem Geschäft in Südafrika befassten. Diese beinhalteten insbesondere in der frühen Phase Reise- und Besuchsberichte zu bzw. bei dem 121  Hier sind vor allem die beiden jährlich erscheinenden Publikationen „Tatsachen und Zahlen“ sowie die Jahresberichte zu nennen. 122  Dies wird von der Autorin bedauert, da diese Angaben eine noch stärker quantitativ orientierte Auswertung der Internationalisierung der BMW AG ermöglicht hätten. Aufgrund der fehlenden Quellen mussten hier allerdings Abstriche gemacht werden. Die Vorzüge einer solchen Auswertung hat Grunow-Osswald in ihrer Analyse der Internationalisierung der Daimler-Benz AG aufgezeigt, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz.

1.4. Quellenlage

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Importeur bzw. dem Montage- und Verkaufsbetrieb. Mit der Übernahme des südafrikanischen Handelspartners Anfang der 1970er Jahre adressierten die Quellen eine Vielzahl an Problemen, denen sich die BMW AG mit der Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft gegenübersah; Dokumente lagen hier vor allem aus den Bereichen Verkauf, Produktion, Logistik und Kommunikation vor. Ab 1978 kam der im vorhergehenden Jahr von der Europäischen Kommission verabschiedete Verhaltenskodex europäischer Firmen mit Direktinvestitionen in Südafrika in den Unterlagen zum Tragen und somit auch fragmentarisch die zeitgenössische Diskussion im Kontext des Apartheidregimes.123 Die Unterlagen des BMW Group Archivs spiegelten vor allem die Perspektive der Zentrale wider und ließen somit einige Fragen offen, wie die Situation vor Ort wahrgenommen und Probleme konkret behoben wurden. Diesen Leerstellen entgegenzutreten, war Ziel einer Recherche vor Ort in der BMW-Tochtergesellschaft BMW (South Africa) (Pty) Ltd.124 (BMW SA) in Midrand (Administration) bzw. Rosslyn (Werk), die im Mai/Juni 2012 durch­geführt wurde. Dort konnten weitere Dokumente in den lokalen, organisatorisch diffundierten Beständen durchgesehen werden, worunter die Protokolle des Board of Directors und kursorisch ebenfalls des Board of Management zählten, die wertvolle Quellen darstellten, da sie bislang den umfassendsten Einblick in die Geschehnisse auf Seiten der Tochtergesellschaft gaben. Einige Aufzeichnungen reichten bis zu den Vorgängergesellschaften der BMW SA bzw. des Importeurs zurück.125 Dies bot die Chance, einen bis dato noch nicht vorliegenden Überblick über die Historie der BMW SA zu liefern, indem die Quellen der Zentrale mit denen der Tochtergesellschaften zusammengeführt und um einige Zeitzeugengespräche von langjährigen, heute noch aktiven BMW-Mitarbeitern in Südafrika ergänzt wurden. Ziel dieser Arbeit konnte es allerdings leider nicht sein, das Apartheidregime ganzheitlich an einem Fallbeispiel aufzuarbeiten, da ihr Fokus auf anderen Schwerpunkten ruhte, auf die wiederum die theoretischen Grundlagen abgestimmt waren.126 Was die vorliegende Arbeit im Kontext des südafrikani123  Vgl.

hierzu exemplarisch Wild, Dieter (1978): „Gott hat uns dieses Land gezeigt“, in: Der SPIEGEL, Jg. 32, Nr. 33 vom 14. 08. 1978, S. 92–95. Des Weiteren wird der Verhaltenskodex detailliert in Kapitel 5 besprochen. 124  Fortan als BMW SA abgekürzt. 125  Namentlich Praetor Assemblers (Pty) Ltd., Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd., Willys Afrika (Pty) Ltd. und Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd. 126 Die Aufarbeitung des Apartheidregimes mit all seinen repressiven Handlungen und seine Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Akteure und deren Reaktionen, hierunter auch die in Südafrika tätigen europäischen Firmen, anhand eines Fallbeispiels eines deutschen Unternehmens, stellt bis heute ein Desiderat dar. Dies dürfte unter anderem dem Umstand geschuldet sein, dass die Quellen ab Mitte der 1980er sowie der 1990er Jahre noch immer Sperrfristenregelungen unterliegen. Bei allen Möglichkeiten, die die analysierten Quellen boten, musste zugleich eine Einschränkung vorgenommen werden. Die zu untersuchenden Themen, Problemlagen und Tragödien im Kontext des Apartheidregimes sind so umfassend, dass es mit den in dieser Arbeit und

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1. Einleitung

schen Apartheidregimes leisten kann, ist eine Analyse des Umgangs mit den sich hieraus ableitenden Herausforderungen und Anforderungen innerhalb des Untersuchungszeitraums, die an die BMW AG gestellt wurden und welche im Rahmen des 4+2P-Konzepts sowie auf der zur Verfügung stehenden Quellenbasis untersucht werden konnten. Weiterhin nahmen die Aspekte im Kontext der Apartheid auf die Untersuchung Einfluss, indem aufgezeigt wurde, welche Rückwirkungen die Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Tochter auf die einzelnen Unternehmensbereiche in der Zentrale hatten. Die Makroebene der Politik und das Zusammenwirken zwischen dem Fallbeispiel BMW und einzelnen politischen Interessenvertretern, hier vor allem Franz Josef Strauß, wurde in die Untersuchung über die Quellenbestände des Archivs für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung mit eingebunden. Dort erhielt die Autorin unter anderem Einblicke in die Nachlässe von Franz Josef Strauß und weiteren CSU-Mitgliedern. Überdies wurde die bundesdeutsche Südafrikapolitik in Auszügen auch mit Hilfe der im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebenen Quellenedition zu den Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD) eruiert.

1.5.  Forschungsstand und Literatur In den vergangen Jahren hat das Interesse an der Internationalisierung von Unternehmen deutlich zugenommen. Aus der Vielzahl der inzwischen publizierten einschlägigen Studien wird in der Folge lediglich auf die wichtigsten und für die vorliegende Analyse relevanten Arbeiten kursorisch eingegangen. Hierbei liegt eingangs der Fokus auf den Untersuchungen aus dem Bereich der Automobilindustrie. Darauffolgend wird das Diskussionsfeld erweitert um Arbeiten aus anderen Branchen, die sich vornehmlich in der unternehmenshistorischen Disziplin verorten. Die sich intensivierende Auseinandersetzung mit Internationalisierungsphänomenen auf Mikroebene, anhand von in diesem Kapitel aufgeführten theoretischen Grundlagen nicht adäquat zu analysieren war. Ferner sollte für eine solche Untersuchung die Quellenbasis möglichst um BMW-unabhängige Quellen erweitert werden, um den Blick auf das Gesamtbild, einschließlich einer differenzierten Außenwahrnehmung, richten zu können. Als Zeitzeugen hätten in diesem Zusammenhang nicht nur noch heute bei BMW tätige Mit­ arbeiter interviewt werden müssen, sondern eine größere Auswahl an Stimmen – im Sinne einer qualitativen Repräsentativität – mit möglichst heterogenem Hintergrund befragt werden müssen. Darüber hinaus unterliegen, wie oben erwähnt, zahlreiche Quellen noch Sperrfristen, die wertvolle Einblicke in die Reaktionen und den Umgang mit dem Apartheidregime auf der Mikroebene eines Unternehmens bzw. auf der Makroebene durch Interaktion mit der Politik geben dürften. Diese Thematik in den Umfang der vorliegenden Studie zusätzlich zu integrieren, wäre aus den oben aufgeführten Gründen weder dem Schwerpunkt der Internationalisierung zuträglich gewesen noch der Aufarbeitung der Apartheid gerecht geworden.

1.5.  Forschungsstand und Literatur

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Unternehmen oder ganzen Wirtschafts- bzw. Industriezweigen, spiegelt sich fernerhin in diversen Tagungen der letzten Jahre wider, in denen Internationalisierung und ihre Ausprägungen thematisiert wurden.127 Einige Autoren haben sich bereits dezidiert mit der Internationalisierung von Akteuren der Automobilindustrie anhand von Fallbeispielen auseinandergesetzt. Grunow-Osswald etwa untersucht anhand einer breiten Quellenbasis die Daimler-Benz AG im Zeitraum von 1890 bis 1997 unter dem Gesichtspunkt ihrer internationalen Ausrichtung und damit ein Unternehmen, das bereits vor dem ersten Weltkrieg umfangreiche Auslandsdirektinvestitionen getätigt hatte.128 In ihrer Untersuchung berücksichtigt sie sowohl die Automobil- als auch die Nutzfahrzeugsparte. Die Internationalisierung der Daimler-Benz AG vollzog sich im Vergleich zur BMW AG zwar ungleich früher, dennoch bietet die Arbeit von Grunow-Osswald eine wichtige Vergleichsmöglichkeit zu einem Akteur aus dem sogenannten automobilen Premiumsegment, um Parallelen und Unterschiede zwischen beiden Firmen zu ermitteln. Interessant ist hier auch die Frage, inwieweit die frühen Erfahrungen auf dem internationalen Parkett, für die weitere Entwicklung hin zu einem globalen Konzern, jeweils genutzt wurden.129 Zwei weitere Firmen der Automobilbranche nimmt Landenberger mit ­Jaguar und Porsche in den Blick und wählt hierbei einen komparatistischen Ansatz, der länderübergreifend angelegt ist. Marken- und Produktkommu­ nikation bilden den Schwerpunkt ihrer Analyse, anhand derer sie die Inter­ nationalisierungsprozesse zwischen 1950 und 2006 nachzuzeichnen sucht.130 In ihrer Untersuchung arbeitet sie die Bedeutung von Emotionalisierung heraus, die sich innerhalb des Marketings vollzogen und wesentlich zur ­ Überwindung der Krise in den 1970er Jahren beigetragen hat. Obwohl laut ­Landenberger die Internationalisierung Konsumunterschiede reduziert hat, bleiben nationalisierende Tendenzen als Gegengewicht zur Internationalisie127  Hier sollen nur einige Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum gegeben werden, siehe hierzu 5. Sitzung des Arbeitskreises Marketinggeschichte der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e. V. (GUG) „Internationale Marketingstrategien nach 1945“ am 25. 02. 2011 in Leverkusen; 35. Wissenschaftliches Symposium der GUG „Internationalisierung und Management nach 1945“ vom 11.–12. 10. 2012 in Berlin; 12. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte der GUG „Die ­Internationalisierung von Finanzdienstleistungen“ am 26. 09. 2014 in Frankfurt am Main; 8. Sitzung des Arbeitskreises Marketinggeschichte der GUG „Ethnic Marketing und Interkulturelles Marketing in historischer Perspektive“ am 24. 10. 2014 in Winnenden. 128  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 19. 129  Der Frage nach Kontinuitäten und Brüchen in der Geschichte der Bayer AG geht Kleedehn bis ins Jahr 1961 nach, der somit ein Unternehmen untersucht, das vor dem Zweiten Weltkrieg, wie die Daimler-Benz AG, über ein hohes Direktinvestitionsvolumen im Ausland verfügte, vgl. Kleedehn, Internationalisierung der Bayer AG Leverkusen. 130  Vgl. Landenberger, Sonia: Die Internationalisierung der Marken- und Produktkommunikation am Beispiel der Marken Jaguar und Porsche, Dissertation, Stuttgart 2008.

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1. Einleitung

rung weiterhin bestehen.131 Ferner unterstreicht die Autorin, dass es sich bei den beiden Luxusmarken Porsche und Jaguar um Sonderfälle in der Automobilindustrie während des untersuchten Zeitraums handelte.132 In seiner ebenfalls komparatistisch angelegten Dissertation untersucht Borsdorf die Internationalisierung deutscher Unternehmen anhand mehrerer Firmen aus verschiedenen Branchen. Hierbei berücksichtig er die Automobilindustrie (Daimler-Benz AG, Volkswagen AG, BMW AG), die Chemie­ industrie (Henkel-Gruppe) sowie den Maschinen- und Anlagenbau (Demag AG) im Zeitraum von 1950 bis 1973. Vor allem Direktinvestitionen dienen ihm dabei als Indikator zur Feststellung des Internationalisierungsgrades;133 andere Parameter hingegen werden kaum oder gar nicht mit einbezogen, womit seine Arbeit viele Aspekte ausblendet. Dennoch bietet Borsdorf einen interessanten Überblick, auch wenn dieser aufgrund der Anzahl der untersuchten Unternehmen sowie einiger unzugänglicher Quellen (v. a. DaimlerBenz) zu Lasten einer tiefer reichenden Betrachtung geht.134 Eine weitere Studie zur Automobilindustrie legt Wellhöner anhand des Fallbeispiels Volkswagen für den Zeitraum der 1950er bis in die frühen 1960er Jahre hinein vor. Auf Grundlage einer breiten Quellenbasis zeigt er, wie das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg in die internationalen Märkte vordrang und die sich hieraus ableitenden Herausforderungen organisatorisch bewältigte. Besonders anschaulich stellt er hierbei das VW-Engagement in den USA und in Brasilien vor und zeigt auf, wie sich ein Unternehmen mit einer „Ein-Produkt-Strategie“ erfolgreich international durchsetzen kann.135 Als Volumenhersteller bietet Volkwagen zwar nur eine begrenzte Vergleichsmöglichkeit zu der BMW AG, denn Faktoren wie Skaleneffekte haben hier ein ganz anderes Ausmaß, dennoch bietet auch diese Arbeit interessante Referenzpunkte, vor allem im Hinblick auf das regionale 131 Dass Globalisierung nicht auf ihre Homogenisierungserscheinungen reduziert werden darf, ist ausführlich in der vorliegenden Studie in Abschnitt 1.2.1 thematisiert worden. 132 Vgl. Tagungsbericht des Arbeitskreises Marketinggeschichte und Medienunternehmen der GUG e. V. „Medien als Marken“, 26. 02. 2010, Stuttgart, in: H-Soz-uKult, 26.  03.  2010, URL: (Stand: 20. 12. 2015) 133  Es existieren mehrere Studien, die die internationalen Aktivitäten eines Unternehmens, einer Branche oder eines ganzen Landes anhand von ausländischen Direktinvestitionen untersucht haben, vgl. exemplarisch Schröter, Außenwirtschaft im Boom; Becker, Susann: „Multinationalität hat viele Gesichter“. Formen internationaler Geschäftstätigkeit der Vielle Montagne und der Metallgesellschaft vor 1914, Stuttgart 2002; Hagen, Antje: Deutsche Direktinvestitionen in Großbritannien, 1871–1918, Stuttgart 1997; Schaefer, Karl Christian: Deutsche Portfolioinvestitionen im Ausland 1870–1914. Banken, Kapitalmärkte und Wertpapierhandel im Zeitalter des Imperialismus, Münsteraner Beiträge zur Cliometrie und quantitativen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, Münster 1995. 134  Vgl. Borsdorf, Internationalisierung deutscher Unternehmen. 135  Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen.

1.5.  Forschungsstand und Literatur

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Muster des Exports. Auch Nieke fokussiert in ihrer Dissertation VW, konzentriert sich hier allerdings lediglich auf einen Markt. Mit Hilfe einer Synthese aus der NIÖ und der Netzwerktheorie untersucht sie die Entwicklung des VW-Engagements in Südafrika. Neben der regionalen Einschränkung des Untersuchungsspektrums nimmt sie fernerhin eine zeitliche Eingrenzung zwischen 1950 und 1966 vor. Durch diesen zeitlich wie auch lokal stark eingegrenzten Fokus hat ihre Arbeit leider nur eine Aussagekraft von geringer Reichweite für die Internationalisierung des Wolfsburger Herstellers. Aspekte im Kontext des südafrikanischen Apartheidregimes fließen punktuell mit ein, sind jedoch nicht expliziter Gegenstand der Untersuchung.136 Eine vornehmlich am allgemein interessierten Leser orientierte Historie von VW, unter besonderer Berücksichtigung der Internationalisierung, bietet überdies eine von Lupa erstellte Unternehmenschronik.137 Wie Nieke analysiert auch Duncan den südafrikanischen Markt in seiner Untersuchung über die Direktinvestitionen in der Automobilindustrie, beschränkt sich jedoch nicht nur auf einen Hersteller. Für den Zeitraum zwischen 1924 und 1992 zeichnet er anschaulich die Entwicklungen der Investitionspolitik ausländischer Produzenten in Südafrika nach. Dies schließt den umfassenden Rückzug des Kapitals aus dem südafrikanischen Markt ein und bietet hierdurch einen Überblick zu den tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen sowie politischen Rahmenbedingungen, die die Entscheidungen der Akteure maßgeblich beeinflussten.138 Eine vermehrt zeitgenössische Betrachtung vor einem primär soziologischen Hintergrund bietet Ludger Pries in seinen Aufsätzen zur Internationalisierung deutscher PKW-Hersteller, hierunter vor allem über DaimlerChrysler, Volkswagen und BMW. Dabei konzentriert er sich vornehmlich auf Globa­ lisierungserscheinungen und konstatiert einen Globalisierungsschub bei den drei Herstellern in den 1990er Jahren. Zum Teil weitet er seine Analyse auf die sich hieraus ergebenden „Sogeffekte“ für die Zulieferindustrie aus.139 136  Vgl. 137  Vgl.

Nieke, Volkswagen am Kap. Lupa, Markus: Volkswagen Chronik. Der Weg zum Global Player, Historische Notate. Schriftenreihe der Historischen Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft, Bd. 7, Wolfsburg 2008. 138 Vgl. Duncan, David (1992): Foreign and local investment in the South African Motor Industry 1924–1992, in: The South African Journal of Economic History, Vol. 7, No. 2, pp. 53–81. 139  Vgl. Pries, Ludger (2006): Cost Competition or Innovation Competition? Lessons from the Case of the BMW Plant Location Leipzig, Germany, in: Transfer (Brussels), Vol. 12, No. 1, pp. 11–30; Ders. / Schweer, Oliver (2004): The Product Development Process as a Measuring Tool for Company Internationalization? – The Case Studies of DaimlerChrysler and Volkswagen, in: International Journal of Automotive Technology and Management, Vol. 4, No. 1, pp. 1–21; Ders.: Volkswagen in the 1990s. Accelerating from a Multinational to a Transnational Automobile Company, in: Freyssenet, Michel / Shimizu, Koichi / Volpato, Giuseppe (Hg.), Globalization or Regionalization of the European Car Industry?, Basingstoke / New York 2003, S. 51–72; Ders.: Transnationale Konzerne zwischen globaler Strategie und lokaler Einbettung. Das

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1. Einleitung

Der Fokus von Raders Studie geht über die Aktivitäten rein deutscher PKW-Hersteller im Ausland hinaus. Er beschäftigt sich mit dem Eintritt von Firmen in den US-Automobilmarkt und vergleicht die verschiedenen Strategien der japanischen und deutschen Produzenten zwischen 1965 bis 1976. Auch er untersucht das Zusammenspiel der einzelnen Elemente des Marketing-Mix und geht dabei den Leitfragen nach, inwiefern sich die Strategien der japanischen und deutschen Unternehmen einerseits sowie der Volumenhersteller und den exklusiveren Häusern andererseits unterschieden.140 Da Raders Studie 1980 publiziert wurde, bleiben hierdurch zahlreiche Facetten der nachfolgenden Jahrzehnte unberücksichtigt, wie etwa die freiwillige Selbstbeschränkung der japanischen Automobilhersteller bei ihren PKW-Exporten in die USA. Für seinen Beobachtungszeitraum bietet Rader allerdings interessante Erkenntnisse, die er mittels quantitativer Untersuchungen ab­ sichert.141 Einen weiteren Beitrag zum Thema „Internationalisierung der Auto­mobilindustrie“ leisten ferner die Autoren Freyssenet/Shimizu/Volpato, die als Herausgeber eines Sammelbandes der Frage nachgehen, ob es sich bei den beobachtbaren Entwicklungen in der Wirtschaft um eine Globalisierung oder vielmehr eine Regionalisierung der Automobilindustrie handelt. Hierbei unterstreichen sie die Vielfältigkeit von Internationalisierung und ihren Erscheinungen sowie der sich aus ihr ableitenden Strategien der einzelnen Automobilfirmen, die sie zu drei modelhaften Vorgehensweisen aggregieren.142 Eine vermehrt wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtete Betrachtung des Globalisierungsphänomens in der Automobilindustrie bieten überdies Spatz/Nunnenkamp, die vor allem auf ökonomische Faktoren, Produktionsund Investitionsnetzwerke sowie auf Anpassungsreaktionen der AutomobilBeispiel der großen deutschen Pkw-Hersteller, in: Mückenberger, Ulrich / Menzl, Marcus (Hg.), Der Global Player und das Territorium, Opladen 2002, S. 99–113; Ders. (2000): Globalisierung und Wandel internationaler Unternehmen. Konzeptionelle Überlegungen am Beispiel der deutschen Automobilkonzerne, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologien, Jg. 52, Nr. 4, S. 670–695; Ders.: Auf dem Weg zu Global Operierenden Konzernen? BMW, Daimler-Benz und Volkswagen – Die Drei Großen der deutschen Automobilindustrie, München / Mering 1999; Ders. (1999): Restrukturierung und Globalisierung der deutschen Automobilhersteller – Sogeffekte für die Zulieferer, in: Industrielle Beziehungen, Jg. 6, Nr. 2, S. 125–150. 140  Vgl. Rader, James: Penetrating the U.S. Auto Market. German and Japanese strategies 1965–1976, Michigan 1980. 141  Unter anderem stellt Rader fest, dass sich die Japaner im hochvolumigen Segment mit einer Niedrigpreisstrategie erfolgreich etablierten, während sich die deutschen Produzenten, mit Ausnahme von Volkswagen, als exklusive Anbieter mit einer Hochpreisstrategie positionierten. Das Wolfsburger Unternehmen bildete mit seiner EinProdukt-Politik den Gegenpol zu den japanischen Produzenten, die, mit Ausnahme von Honda, das größte Produktportfolio anboten. Innerhalb der deutschen Hersteller verfügten Porsche, Audi gemeinsam mit Mercedes über das größte Modellspektrum, BMW hingegen konzentrierte sich in den USA bis 1976 auf die Nische für sportliche Limousinen („more highly powered, sportier sedans“), vgl. ebd., S. 142. 142 Vgl. Freyssenet, Michel / Shimizu Koichi / Volpato, Guiseppe (Hg.): Globalization or Regionalization of the European Car Industry?, Basingstoke u. a. 2003.

1.5.  Forschungsstand und Literatur

43

produzenten eingehen und diese anschaulich darstellen.143 Eine weitere, mittlerweile fast als Klassiker zu wertende Publikation soll hier noch anhand des Werks von Womack/Jones/Roos angeführt werden, die im Jahre 1990 als Resonanz auf eine Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) veröffentlicht wurde, die die Zukunft des Automobils und seiner Fertigungsmethoden untersuchte, wobei zunächst die US-amerikanische und japanische Automobilindustrie besondere Beachtung erfuhren.144 Das Autorentrio erstellt in ihrem Werk eine Entstehungsgeschichte der sogenannten „Lean Production“, der schlanken Produktion, dem in Japan vorherrschenden Produktionsregime. Die Autoren fokussieren die Entwicklung der weltweiten Fertigung unter dem hohen globalen Wettbewerbsdruck und eruieren die Chancen einer international ausgerichteten, schlanken Produktion für verschiedene Regionen, vornehmlich Nordamerika, Japan, Europa und einige Entwicklungsländer wie Mexiko. Den Wandel von der Massenproduktion hin zur schlanken Produktion bezeichnen die Autoren als „zweite Revolution in der Autoindustrie“.145 Auch wenn es sich in der hier vorliegenden Arbeit nicht um ein komparatistisches Forschungsdesign handelt, werden die Internationalisierungsprozesse anderer Automobilhersteller anhand der oben aufgeführten Studien punktuell in die Analyse für einen Vergleich mit der BMW AG mit einbe­ zogen, um die Ergebnisse in einen allgemeineren Branchenkontext zu setzen. Hierbei liegt das Augenmerk vor allem auf den deutschen Mitbewerbern, insbesondere auf der Daimler-Benz AG. Das Feld der Unternehmensgeschichte bietet darüber hinaus noch weitere lesenswerte Beiträge, die sich mit Internationalisierungsprozessen beschäftigen und damit interessante Anreize für diese Arbeit liefern können, wobei sich auf die Akteure der deutschen Wirtschaft konzentriert wird. Exemplarisch sollen hier nur einige genannt werden, es handelt sich also keinesfalls um eine abschließende Aufführung, sondern um das Hervorheben derjenigen Studien, die für diese Untersuchung von besonderer Relevanz sind: Kleinschmidt nimmt sich in seiner Arbeit zunächst der These der Amerikanisierung der deutschen Industriekultur an,146 um sich dann dem Einfluss japani-

143 

Vgl. Spatz/Nunnenkamp, Globalisierung der Automobilindustrie. der MIT-Studie waren auch die Autoren Womack/Jones/Roos beteiligt, vgl. Altshuler, Alan / Anderson, Martin / Jones, Daniel / Roos, Daniel / Womack, James: The Future of the Automobile. The Report of MIT’s International Automobile Program, Cambridge 1984. 145  Vgl. Womack, James et al.: Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology, 6. Auflage, Frankfurt/M. 1992. 146 Mit der Amerikanisierung deutscher Unternehmen setzt sich auch Hilger dezidiert auseinander, vgl. Hilger, Susanne: „Amerikanisierung“ deutscher Unternehmen. Wettbewerbsstrategien und Unternehmenspolitik bei Henkel, Siemens und DaimlerBenz (1945–1975), Wiesbaden 2004. 144  An

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1. Einleitung

scher Praktiken zuzuwenden. Auf Grundlage einer breiten Quellenbasis sowie von Zeitzeugengesprächen untersucht er für den Zeitraum 1950 bis 1980, wie deutsche Unternehmer nicht nur amerikanische, sondern auch japanische Managements- und Produktionsmethoden wahrnahmen und adaptierten. Mit seiner Arbeit zeichnet er einen Wandel im unternehmerischen Denken in Deutschland nach, der branchenübergreifende Rückschlüsse zulässt, gleichwohl nicht alle Unternehmen und Branchen gleichermaßen betroffen waren. Während das US-Management nach dem Zweiten Weltkrieg für das unternehmerische Handeln in Deutschland bis in die 1970er Jahre hinein als Leitbild fungierte, orientierte es sich seit Beginn der 1980er Jahre stärker an ­Japan. In seiner Analyse schließt Kleinschmidt die von anderen Autoren oftmals übersehenen kulturellen Faktoren nicht nur ein, sondern macht sie zu einem zentralen Thema. Überdies bietet er einen interessanten Einblick in die Marketinggeschichte und ihre Perzeption innerhalb der Wirtschaft.147 Wie sich die zunehmende internationale Ausrichtung der Unternehmen auf eine Managementbiographie auswirkte, zeigen Ahrens und Bähr in ihrer biographischen Arbeit über Jürgen Ponto, in der seine Tätigkeit als Vorstandssprecher der Dresdner Bank zwischen 1969 und 1977 im Zentrum steht. ­Dieser bemühte sich zu dieser Zeit um den Aufbau einer professionellen Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit und um den Ausbau des Auslandsgeschäftes durch die Gründung von Niederlassungen in ausgewählten Finanzmärkten, die international von Bedeutung waren. Die Autoren zeigen den Einfluss der steigenden Internationalisierung auf Pontos Arbeit auf und bezeichnen ihn und weitere hochrangige Manager als erste „Managergeneration des Jet-Zeitalters“.148 Einen allgemeinen Überblick in die Internationalisierung des Bankwesens seit den 1950er Jahren bietet Ahrens überdies durch einen mit Wixforth herausgegebenen Sammelband, in welchem vorrangig deutsche – sowohl aus der BRD als auch DDR –, österreichische und französische Kreditinstitute bzw. das europäische Bankwesen beleuchtet werden.149 Einen lesenswerten Ausschnitt der Internationalisierungsgeschichte der Siemens AG bietet Kreutzer anhand seiner Analyse ihres Engagements in den USA.150 Hierbei wird die regionale Einschränkung durch die zeitliche Aus147 

Vgl. Kleinschmidt, Der produktive Blick. Ralf / Bähr Johannes: Jürgen Ponto. Bankier und Bürger, München 2013, S. 103. 149  Vgl. Ahrens, Ralf / Wixforth, Harald (Hg.): Strukturwandel und Internationalisierung im Bankwesen seit den 1950er Jahren, Stuttgart 2010. 150 Der Handel mit sowie die Geschäftstätigkeiten in den USA ist wiederkehrend Forschungsgegenstand unternehmenshistorischer Arbeiten. Hilger bietet in ihrem Aufsatz eine gute Einführung zu den Internationalisierungsstrategien einiger deutscher Unternehmen am Beispiel des USA-Geschäfts, vgl. Hilger, Susanne: „Der Zwang zur Größe“ – Internationalisierungsstrategien deutscher Unternehmen nach 1945 am Beispiel des USA-Geschäfts, in: Schneider, Jürgen (Hg.), Natürliche und politische Grenzen als soziale und wirtschaftliche Herausforderung, Stuttgart 2003, S. 215–238. 148  Ahrens,

1.5.  Forschungsstand und Literatur

45

dehnung des Untersuchungszeitraums kompensiert, der von 1845 bis 2001 reicht und somit die gesamte Unternehmensgeschichte des Konzerns mit Blickpunkt auf den US-Markt umfasst. Kreutzer arbeitet in seiner Dissertation detailliert die Abstimmungsschwierigkeiten und Informationsasymmetrien durch divergierende Interessen der Akteure, namentlich von Prinzipal (Muttergesellschaft) und Agenten (ausländische Dependancen), heraus. Bei der theoretischen Kontextualisierung der empirischen Ergebnisse stützt er sich vor allem auf die Agenturtheorie im Rahmen der NIÖ,151 die auch für die vorliegende Arbeit einen wichtigen Beitrag leistet (vgl. Kapitel 1.2.2). Interessante Einblicke in die Internationalisierung deutscher Unternehmen außerhalb der Automobilindustrie geben ferner die Publikationen von Mutz, Borscheid und Engel. Mutz zeigt auf sehr anschauliche Weise die Entwicklung der Marketingstrategien des Konzerns Siemens in China zwischen 1904 und 1937, der bereits frühzeitig auf dem asiatischen Kontinent vertreten war.152 Noch früher – bereits im 19. Jahrhundert – lassen sich Internationalisierungsprozesse binnen eines wichtigen Zweigs des Dienstleistungssektors kenntlich machen: in der Versicherungswirtschaft. In dieser kam es ­Borscheid zufolge zu einer zunehmenden Homogenisierung, die letztlich zu einer Standardisierung der Versicherungsindustrie führte.153 Der Blick auf diese Branche wurde jüngst um eine Untersuchung der Rückversicherungswirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erweitert. Auch hier finden internationale Versicherungsbeziehungen vor dem Hintergrund der Unternehmensgeschichte des Rückversicherers Swiss Re Beachtung.154 Um eine umfassende Analyse einer gesamten Industrie, über mehrere Jahrhunderte hinweg, handelt es sich bei dem Werk von Engel über die Entstehung globaler Märkte für Farbstoffe zwischen 1500 und 1900. Im Vordergrund stehen hierbei Produktion, Vermarktung und der Konsum dieser Güter, wobei auch die Wissensvermittlung im Rahmen unterschiedlicher Innovationsparadigmen berücksichtigt wird. Engel zeigt anschaulich auf, wie es zunehmend zu einer globalen Verflechtung der Märkte kam.155 Auch wenn diese Untersuchung durch Struktur und Weitblick besticht, sind aufgrund des Zeitraums sowie der Andersartigkeit des Industriezweiges Rückschlüsse auf die Internationalisierung der BMW AG zwischen 1945 und 1981 nur begrenzt möglich. Über Südafrikas Apartheidpolitik und die internationalen Reaktionen hierauf sind ebenfalls lesenswerte Studien erschienen. Im Kontext dieser Arbeit soll sich primär konzentriert werden auf diejenigen Untersuchungen, die im 151 

Vgl. Kreutzer, Unternehmensentwicklung von Siemens in den USA, S. 39–48. Vgl. Mutz, Marketingstrategien. 153  Vgl. Borscheid, Peter (2006): Systemwettbewerb, Institutionenexport und Homogenisierung. Der Internationalisierungsprozess der Versicherungswirtschaft im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 51, Nr. 1, S. 26–53. 154 Vgl. Borscheid, Peter / Gugerli, David / Straumann, Tobias: Swiss Re und die Welt der Risikomärkte. Eine Geschichte, München 2014. 155  Vgl. Engel, Farben der Globalisierung. 152 

46

1. Einleitung

Speziellen die Einflussnahme auf die Ökonomie im Allgemeinen sowie der wirtschaftlichen Akteure adressieren. Hierbei stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach der Verantwortung, die die internationale Staatengemeinschaft mitsamt ihren Unternehmen trug, die über Dependancen in Südafrika wirtschaftlich aktiv waren. Mit den zunehmend zur Einsicht freistehenden Quellen der 1980er Jahre, in denen sich maßgebliche Umbrüche insbesondere im Zusammenhang internationaler Sanktionen und Boykottmaßnahmen vollzogen, werden in den kommenden Jahren sicherlich neue wichtige Erkenntnisse zutage gefördert werden. Hierbei gilt es, insbesondere die Aktivitäten der ausländischen Konzerne und ihr Engagement für oder gegen die südafrikanische Apartheidpolitik näher zu beleuchten. Der internationalen Automobilindustrie kommt hier eine zentrale Rolle zu, aber auch die Elektro-, Maschinenbau- sowie Chemieindustrie oder das Bankenwesen insbesondere westdeutscher Investoren nahmen maßgeblichen Einfluss auf die südafrikanische Ökonomie.156 Siegfried hat jüngst einen exzellenten Überblick über die neuere Literatur zu Südafrikas Apartheidpolitik als globalen Konflikt zusammengestellt, der sich ideal als Einführung zur Literaturstudie anbietet.157 Die von Dubow verfasste Abhandlung über die Apartheid (1948–1994) beleuchtet sowohl soziale, wirtschaftliche, politische als auch kulturelle Aspekte. Hierdurch trägt er zu einer ideengeschichtlichen Aufarbeitung des Apart­ heid­regimes bei und zeichnet somit den Aufstieg, Höhepunkt, aber auch den Verfall des rassistischen Systems nach.158 In Ergänzung wird durch die Studie von Marx eine kompakte Gesamtdarstellung der südafrikanischen ­ ­Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts geboten, die auch die Apartheid detailliert adressiert. Die internationale Resonanz der südafrikanischen Politik findet hier leider kaum Niederschlag, da Marx dem weltweit zunehmenden Druck gegenüber Südafrika in den 1980er Jahren nur eine untergeordnete Rolle beimisst, weshalb sein Werk zwingend im Kontext anderer Studien gelesen werden muss. Hierfür beleuchtet er jedoch ökonomische Aspekte, wie den Verfall des Goldpreises, sehr genau.159 Eine Geschichte der deutschen Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) im Rahmen weiterer internationaler Strömungen bieten Bacia/Leidig. Durch diese Analyse werden auch verschiedene Kampagnen und Boykottaufrufe des AAB und somit als Seitenblick auch die Haltung der Bundesrepublik thematisiert.160 Diese fokussiert Wenzel explizit 156  Vgl. Cron, Jan: Deutsche Unternehmen im Entwicklungsprozeß Südafrikas, Wiesbaden 1997, S. 149. 157  Vgl. Siegfried, Detlef: Internationale Reaktionen auf Südafrikas Apartheid. Neuere Literatur zu einem globalen Konflikt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: H-Soz-Kult, 11. 02. 2016, URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/ 201602-001. 158  Vgl. Dubow, Saul: Apartheid 1948–1994, Oxford 2014. 159  Vgl. Marx, Christoph: Südafrika. Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 2012. 160  Vgl. Bacia, Jürgen / Leidig, Dorothée: „Kauft keine Früchte aus Südafrika!“. Geschichte der Anti-Apartheid-Bewegung, Frankfurt/M. 2008.

1.5.  Forschungsstand und Literatur

47

in seiner Betrachtung und geht auf die Südafrika-Politik der christlich-liberalen Regierungskoalition zwischen 1982 und 1992 detailliert ein. Hierbei integriert er ebenfalls einen Abriss der politischen Positionierung der Bundes­ republik gegenüber Südafrika seit der Nachkriegszeit und untersucht gezielt ihre Handlungsspielräume sowie die Nutzung eben dieser durch die Bundesregierung.161 Die vorangegangene Phase zwischen 1968 und 1972 untersucht Rode ausführlich und widmet sich ebenso der Tradition der deutsch-südafrikanischen Beziehungen. In seine Analyse bezieht er nicht nur die westdeutsche Regierung mit ein, sondern ebenso verschiedene Gruppen, die auf die politische Interaktion einwirkten, wie beispielsweise die Medien, kirchliche Organisationen oder Solidaritätskomitees.162 Einen wirtschaftlichen Schwerpunkt weist hingegen Kreutzfelds Untersuchung auf, der nach den Aktivitäten deutscher Investoren und dem Schutz ihrer Direktinvestitionen in Süd­ afrika fragt. Allerdings werden die historischen Hintergründe und Implika­ tionen der Apartheid nur oberflächlich und hierdurch mitunter etwas naiv diskutiert.163 Leider vermögen auch die beiden bereits vorgestellten Studien von Grunow-Osswald und Nieke lediglich sehr begrenzt Aufschlüsse über das Engagement der deutschen Automobilindustrie in Südafrika unter Berücksichtigung der vom Staat betriebenen Apartheidpolitik sowie der Rolle der Unternehmen zu geben. Grunow-Osswald beschränkt sich hierbei auf die Auflistung der Geschäftsaktivitäten von Daimler-Benz in Südafrika, ohne dass die dort vorherrschende Apartheid überhaupt namentlich Erwähnung findet. Nieke reißt hingegen diese Thematik für Volkswagen an, ihre Analyse verharrt jedoch ebenfalls überwiegend an der Oberfläche. Bislang haben sich einzig Heidel und jüngst Andresen ausführlicher mit diesen Implikationen anhand der Fallbeispiele Daimler-Benz und VW gewidmet.164 Andresen stellt hierbei die Frage nach einer moralischen Ökonomie der bundesdeutschen Automobilindustrie, also folgerichtig auch nach einer moralischen Verpflichtung der Unternehmen.165 Wertvolle Einblicke in die Direktinvestitionen der ausländischen Automobilindustrie im Allgemeinen vermag auch 161  Vgl.

Wenzel, Claudius: Südafrika-Politik der Bundesrepublik Deutschland 1982– 1992. Politik gegen Apartheid? Wiesbaden 1994. 162  Vgl. Rode, Reinhard: Die Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1968– 1972, München 1975. 163  Vgl. Kreutzfeld, Jörn: Investitionsschutz für einen deutschen Investor in der Republik Südafrika. Insbesondere das bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika, Hamburg 2000. 164  Vgl. Heidel, Klaus: Die Geschäfte von Daimler-Benz im Land der Apartheid, in: Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts (Hg.), Das DaimlerBenz Buch. Ein Rüstungskonzern im „Tausendjährigen Reich“, Nördlingen 1987, S. 708–748. 165  Vgl. Andresen, Knud (2016): Moralische Ökonomie. Bundesdeutsche Automobilunternehmen und Apartheid, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, Jg. 13, Nr. 2, URL: http://www.zeithistorischeforschungen.de/2-2016/id=5354.

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1. Einleitung

die bereits vorgestellte Studie von Duncan zu liefern, die jedoch die südafrikanische Apartheid nur am Rande thematisiert. An dieser Stelle sollen abschließend noch in aller Kürze die Arbeiten angeführt werden, die die BMW-Unternehmensgeschichte in den Blickpunkt rücken. Das sich primär an den allgemein interessierten Leser wendende Werk von Grunert/Triebel bietet eine umfassende Übersicht zur Geschichte der BMW AG und reicht von ihrer Gründung bis in das Jahr 2006.166 Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Geschichte des Münchner Unternehmens in den vergangenen Jahren, vor allem im Rahmen verschiedener Dissertationsprojekte, aufgearbeitet worden: Pierer nimmt sich in seiner Arbeit der Frühgeschichte des Münchner Konzerns an, indem er sich vor allem BMW als Flugmotorenhersteller sowie der Diversifikation des Produktspektrums in den 1920er Jahren widmet.167 Lorenzen beleuchtet das Unternehmen zu Zeiten der (späten) Weimarer Republik und bindet darüber hinaus die Entwicklungen während des Nationalsozialismus mit ein. In seiner Arbeit richtet er den Blick speziell auf die Interaktion zwischen Staat und Unternehmen im Zeitraum von 1926 bis 1940. Hier geht er vor allem der Frage nach, in welchen Unternehmensbereichen eine besonders starke Verschränkung zwischen BMW und dem Staat bestand und in welchen wiederum unternehmerische Handlungsspielräume existierten. Dabei zeigt er auf, dass die BMW AG und die staatlichen Instanzen der Luftrüstung zeitweise eng miteinander ver­ woben waren.168 Mit einer gewissen zeitlichen Überschneidung, jedoch mit unterschiedlichem Fokus, schließt sich hieran die Arbeit Werners an, die die Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW thematisiert und somit einen Beitrag zur Aufarbeitung dieses, bis dahin weitestgehend im Dunkeln liegenden Abschnitts leistet. Untersucht wird hier die Zusammenarbeit zwischen dem nationalsozialistischen Staat und der BMW-Führung auf Kosten tausender Zwangs- und Fremdarbeiter. Werners Untersuchung endet mit einem kurz gehaltenen Ausblick auf die Nachkriegsjahre bis in die 1950er Jahre hinein.169 Die umfangreichste Auseinandersetzung mit der BMW-Historie der Nachkriegszeit bietet bislang Seidl, der eine profunde Arbeit über den Gang des Unternehmens in den Jahren 1945 bis 1969 verfasst hat. Im Fokus seiner Untersuchung steht ebenfalls die Beziehung zwischen BMW und dem bayerischen Staat. Besonderes Augenmerk liegt auf der Konzernkrise 1959, die das Unternehmen beinahe die Eigenständigkeit gekostet hat, ihre Bewältigung sowie die sich aus ihr ableitenden Konsequenzen.170 Steiner hat im 166 Obgleich dieses Werk nicht wissenschaftlicher Natur ist, vermag es einen aufschlussreichen, ersten Überblick zu geben, vgl. Grunert, Manfred / Triebel, Florian: Das Unternehmen BMW seit 1916, München 2006. 167  Vgl. Pierer, Die Bayerischen Motoren Werke bis 1933. 168  Vgl. Lorenzen, BMW als Flugmotorenhersteller 1926–1940. 169  Vgl. Werner, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit. 170  Vgl. Seidl, Jürgen: Die Bayerischen Motorenwerke (BMW) 1945–1969. Staatlicher Rahmen und unternehmerisches Handeln, München 2002.

1.5.  Forschungsstand und Literatur

49

Rahmen eines von BMW initiierten unveröffentlichten Projektes, das 2006 abgeschlossen wurde, damit begonnen, die Geschichte der BMW-Vertriebsgesellschaften kursorisch zu dokumentieren. Da zahlreiche Quellen zu ­diesem Zeitpunkt noch Sperrfristen unterlagen, stützt er sich bei seiner Aufarbeitung vor allem auf veröffentlichte Dokumente.171 Mitte der 1980er Jahre entstand des Weiteren eine Diplomarbeit, in der sich Bischoff mit der ­Internationalisierung der BMW AG während der 1970er Jahre bis 1985 auseinandersetzt und diese auf der Grundlage von Gesprächen mit BMW-Mit­ arbeitern nachzuvollziehen sucht. Hierbei stehen vornehmlich betriebs­ wirtschaftliche und organisatorische Aspekte im Vordergrund.172 Triebel hat darüber hinaus in mehreren Veröffentlichungen Teilaspekte der Geschichte des Münchner Unternehmens untersucht. Im Zentrum seiner Aufmerksamkeit steht hierbei vornehmlich das Marketing der 1950er Jahre, das er mit Hilfe der 4 Ps des Marketing-Mix in einem Aufsatz analysiert hat, der somit als Inspiration für das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit diente (vgl. Kapitel 1.3). Ferner beschäftigt er sich mit der Unternehmenspolitik zu Zeiten der Rezession der deutschen Wirtschaft 1966/67 und die Auswirkungen dieser auf die BMW AG.173

171 Vgl.

Steiner, Kilian: Dokumentation der BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, 1967–2005, unveröffentlichtes Dokument der BMW AG, München 2006. 172  Vgl. Bischoff, Wolfgang: Die Internationalisierung der BMW AG in den 70er Jahren, Diplomarbeit, München 1985. 173  Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 37f.; Ders.: Marktforschung bei BMW 1957–1961, in: Berghoff, Hartmut (Hg.), Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozial­technik, Frankfurt/M. 2007, S. 67–83; Ders.: Die Bayerischen Motoren Werke während der Rezession 1966/67 und der Ölkrise 1973/74, in: Tilly, Stephanie / Ders. (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013, S. 111–153.

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1945–1960) 2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Die wirtschaftspolitischen Intentionen und Direktiven der Besatzungsmächte während der Nachkriegszeit haben die deutsche Wirtschaft und ihre Unternehmen maßgeblich beeinflusst. Die Auswirkungen der alliierten Politik und die weitere Entwicklung Deutschlands nach der Kapitulation sind hinlänglich durch die unterschiedlichen geschichtswissenschaftlichen Disziplinen untersucht worden.1 Auch auf Mikroebene existieren dezidierte Analysen der alliierten Besatzungspolitik und ihre Einflussnahme auf einzelne Wirtschaftsunternehmen.2 In diesem Zusammenhang ist ebenso die BMW AG untersucht und der Frage nachgegangen worden, inwiefern sich die Verfügungen der Besatzungsmächte auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkte. Insbesondere Seidl hat hier im Kontext seines Dissertationsprojektes eine fundierte Studie geliefert, wie sich das unternehmerische Handeln innerhalb des staatlichen Rahmens vollzog und hiervon beeinflusst wurde; zunächst unter den Alliierten sowie im Anschluss innerhalb des wirtschaftspolitischen Geflechtes der noch jungen Bundesrepublik bis in das Jahr 1969.3 Wagner hat ebenfalls die Entwicklung der BMW AG unter der Beschlagnah1 Vgl. exemplarisch Abelshauser, Werner (1981): Wiederaufbau vor dem MarshallPlan. Westeuropas Wachstumschancen und die Wirtschaftsordnungspolitik in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 29, Nr. 4, S. 545–578; Benz, Wolfgang (Hg.): Deutschland unter alliierter Besatzung 1945– 1949/55. Ein Handbuch, Berlin 1999; Schneider, Ullrich: Nach dem Sieg. Besatzungspolitik und Militärregierung 1945, in: Foschepoth, Josef / Steininger, Rolf (Hg.), Britische Deutschland- und Besatzungspolitik 1945 bis 1949, Paderborn 1985, S. 47–64; Scharf, Claus / Schröder, Hans-Jürgen: Die Deutschlandpolitik Großbritanniens und die britische Zone 1945–1949, Wiesbaden 1979; Gimbel, John: Amerikanische Be­ satzungspolitik in Deutschland 1945–1949, Frankfurt/M. 1971; Lehmann, Axel: Der Marshall-Plan und das neue Deutschland. Die Folgen amerikanischer Besatzungs­ politik in den Westzonen, Münster u. a. 2000; Lattard, Alain (1991): Zielkonflikte französischer Besatzungspolitik in Deutschland. Der Streit Laffon-Koenig 1945–1947, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 39, Nr. 1, S. 1–35. 2  Hier exemplarisch einige Studien, vgl. Ahrens, Ralf: Die Dresdner Bank 1945–1957. Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes, München 2007; Lupa, Markus: Spurwechsel auf britischen Befehl. Der Wandel des Volkswagenwerks zum Marktunternehmen 1945–1949, Historische Notate. Schriftenreihe der Historischen Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft, Bd. 15, Wolfsburg 2010; Kleedehn, Internationalisierung der Bayer AG Leverkusen; Hilger, Susanne (2001): Zwischen Demontage und Wiederaufbau. Unternehmen und alliierte Besatzungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Firma Henkel, Düsseldorf, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte / Journal of Business History, Jg. 46, Nr. 2, S. 198– 220; Hilger, Amerikanisierung. 3  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969.

DOI 10.1515/9783110501292-002

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

mung der einzelnen Besatzungsmächte quellenfundiert analysiert und hierbei den Verlauf der Geschehnisse in den BMW-Werken in der amerikanischen (Werk München und Werk Allach), der britischen (Werk Spandau) und der sowjetischen Besatzungszone (Werk Eisenach und Werk Dürrerhof) nachgezeichnet.4 Die Geschichte der BMW AG unter der Ägide der Alliierten kann demnach als weitestgehend aufgearbeitet betrachtet werden. Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit nicht tiefer auf die unmittelbare Nachkriegszeit und die Interaktion zwischen den Besatzungsmächten und dem BMW-Direktorium eingegangen werden, insofern diese keinen unmittelbaren Einfluss auf die spätere Internationalisierung des Unternehmens oder die interkulturelle Versiertheit des Führungspersonals nahmen. In Abschnitt 2.1.1 werden in diesem Sinne die wesentlichen, für die Internationalisierung des Unternehmens relevanten Entwicklungslinien der Besatzungszeit kontextualisiert. Einleitend werden in diesem Kapitel zunächst die Ereignisse auf der Makro­ ebene durch eine kurze Skizzierung der institutionellen und wirtschafts­ politischen Rahmenbedingungen vorgestellt, denen sich das besetzte Deutsch­ land und später die junge Bundesrepublik mit ihren Unternehmen gegenübersahen. An dieser Stelle werden also die Voraussetzungen für die Rückkehr Deutschlands auf die internationale Bühne bis 1960 kurz beleuchtet und im Anschluss die Entwicklungen der deutschen Automobilwirtschaft vor dem Hintergrund der internationalen Veränderungen nachgezeichnet. Die amerikanische Besatzungspolitik zeichnete sich anfangs durch eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Deutschland aus und sah zunächst einen äußerst restriktiven Umgang vor. Dies kam exemplarisch durch das Fraternisierungsverbot, den – nicht realisierten – Morgenthau-Plan oder auch die Direktive JCS 1067 zum Ausdruck, die im Mai 1945 das Leitbild der US-Besatzungspolitik formte.5 Bereits frühzeitig realisierte die US-Militärregierung jedoch, dass diese ursprünglichen Handlungsmaximen in praxi zu rigide waren, als dass sie eine erfolgversprechende Perspektive hätten bieten können. Mit den wachsenden Spannungen zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion einerseits und durch die Erkenntnis andererseits, dass sich ein geschwächtes Deutschland sowohl aus wirtschaftlicher sowie aus politischer Sicht langfristig als nachteilig erweisen würde, wandte man sich sukzessive von der originären restriktiven Konzeption für die Besatzungspolitik 4 Vgl. Wagner, Mirja: Die BMW-Werke 1945 bis 1949 unter den drei Besatzungsmächten USA, UdSSR und Großbritannien, Magisterarbeit, München 2005. 5  Der stellvertretende US-Militärgouverneur Clay kritisierte bereits früh die Richtlinie JCS 1067 als zu rigide und forderte schon im Mai 1945 ihre Ablösung durch eine realitätsnähere Direktive, die positive Anreize in der US-Deutschlandpolitik zulassen sollte, vgl. Abelshauser, Werner (1979): Probleme des Wiederaufbaus der westdeutschen Wirtschaft 1945–1953, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, Vol. 5, Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945–1953, S. 208–253, hier S. 212f. Clay soll die Direktive JCS 1067 als „von ökonomischen Idioten erarbeitet“ kritisiert haben, vgl. Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik, S. 16.

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

53

ab. So leiteten in der Nachkriegszeit allen voran die Amerikaner Schritte ein, Deutschland im Sinne eines starken Europas zu einer kontrollierten Selbstständigkeit zurückzuführen.6 Im Jahre 1947 wurde in der britisch-amerikanischen Bizone für die Regelung der Ausfuhr die Joint Export Import Agency (JEIA) gegründet, im französischen Gebiet das Office du Commerce Extérieur (OFICOMEX), die allerdings aufgrund der gesetzlichen Restriktionen vergleichsweise zahnlos blieben, da sie sich primär an den Zielen der Besatzungsmächte orientierten und daher zunächst nur reparationsähnliche Ausfuhren deutscher Rohstoffe vorsahen.7 Die alliierte JEIA übernahm 1949 überdies die amerikanische Embargopolitik, womit de facto westdeutsche Exporte nach Osteuropa den gleichen Beschränkungen wie in den USA unterlagen.8 Eine wichtige Zäsur innerhalb der Bemühungen zur Wiedererstarkung Deutschlands war das von den USA ausgearbeitete und ab 1947 einsetzende European Recovery Program (ERP), auch Marshall-Plan genannt. Obgleich die ökonomische Schlüsselrolle dieses Programms in der wissenschaftlichen Literatur vielfach diskutiert und relativiert worden ist, dürfen die maßgebliche psychologische Wirkung sowie das politische Signal des Programms nicht unterbewertet werden.9 Tatsächlich erhielt jedoch Westdeutschland gemeinsam mit Schweden zwischen 1948 und 1952 pro Einwohner gerechnet den geringsten Anteil aus dem ERP, Frankreich und Großbritannien dagegen ca. 45 Prozent der Mittel.10 Neben dem Marshall-Plan legte die Umsetzung der deutschen Währungs- und der mit ihr zusammenhängenden Wirtschaftsreform 1948 ebenfalls einen essentiellen Grundstein für die ökonomische Wiedererstarkung Deutschlands.11 Die im Kontext des ERP ins Leben gerufene Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), die mit der Organisation der Marshall-Plan-Hilfen betraut war und aus der 1960 die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) hervorging,12 sorgte überdies für einen Abbau quantitati6  Der Gedanke eines starken Europas wurde auch von den britischen Alliierten aufgegriffen. Churchill hatte in einer Rede in Zürich vom 19. September 1946 in einem Appell gefordert, eine Art „Vereinigte Staaten von Europa“ zu schaffen. Hierbei blieb er allerdings eine Erklärung schuldig, wie ein solches Europa aussehen und geschaffen werde könnte und auch, welche Rolle Großbritannien hier einnehmen würde, vgl. Loth, Wilfried: Der Weg nach Europa. Geschichte der europäischen Integration, 1939–1957, Göttingen 1990, S. 44. 7  Vgl. Delhaes-Guenther von, Linda: Erfolgsfaktoren des westdeutschen Exports in den 1950ern und 1960er Jahren, Dortmund 2003, S. 39. 8 Vgl. Hardach, Gerd: Die Rückkehr zum Weltmarkt 1948–1958, in: Schildt, Axel / Sywottek, Arnold (Hg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1998, S. 80–104, hier S. 89. 9  Vgl. Abelshauser, Wiederaufbau vor dem Marshall-Plan, S. 547f. 10  Vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 40. 11  Vgl. Prollius, Michael von: Deutsche Wirtschaftsgeschichte nach 1945, Göttingen 2006, S. 63–73. 12  Vgl. Kunkel, Sönke (2012): Zwischen Globalisierung, internationalen Organisationen und „global governance“. Eine kurze Geschichte des Nord-Süd-Konflikts in den

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

ver Importhemmnisse in Europa und bildete somit eine wichtige Triebkraft zur Liberalisierung des Außenhandels nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren wurde das Fundament für das Zusammenwachsen der Weltwirtschaft gelegt, was durch die Gründung zahlreicher wichtiger internationaler Organisationen grenzüberschreitenden Handelns nicht nur zum Ausdruck kam, sondern durch sie verstärkt wurde. Das Jahr 1948 gilt als Zäsur des Wiederanlaufens des deutschen Außenhandels.13 Das im November 1949 geschlossene Petersberger Abkommen ermöglichte überdies der Bundesrepublik die Wiederaufnahme von Konsular- und Handelsbeziehungen mit anderen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg.14 Des Weiteren hatten 45 Staaten bereits im Juli 1944 ein multilaterales Vertragswerk unterzeichnet und ratifiziert, das die Grundlage für das Institutionensystem von Bretton Woods bildete. Dieses schuf feste Wechselkurse und konvertierbare Währungen, eine Goldeinlösepflicht für die Leitwährung und sollte ­somit zu einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht sowie zu e­ iner interna­ tionalen Handelsausweitung bei entsprechenden Liquiditäten führen. Bei ­diesem Währungsabkommen handelte es sich um den „ersten Vertrag zwischen Nationalstaaten über ein regelgebundenes, institutionell abgesichertes Währungssystem“.15 Zum Bretton-Woods-Institutionengeflecht zählten der Internationale Währungsfond (IWF), der im Dezember 1945 für einen möglichst ungestörten und effizienten Währungsverkehr durch die Konvertibilität der einzelnen Währungen bei festem Wechselkurs gegründet wurde,16 und die Weltbank, die den Wiederaufbau Europas unterstütze sowie Kredite an Entwicklungsländer vergeben sollte. Dritte Säule des Bretton-Woods-Systems bildete das Zollabkommen GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), das die Schaffung eines weltweiten Freihandelsraums zum Ziel hatte, indem es Handelszölle sowie Ex- und Importhemmnisse abbauen sollte.17 Diese Wirkung wurde in Europa weiterhin ergänzt durch die Einführung der Europäischen Zahlungsunion (EZU) im Jahre 1950, die zu einer Multilateralisierung 1960er und 1970er Jahren, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 60, Nr. 4, S. 555– 577, hier S. 556, Fußnote 6. 13  Zu benennen sind hier unter anderem die Währungsreform, das sich im Folgejahr anschließende Inkrafttreten des deutschen Grundgesetzes und die damit einhergehenden positiven institutionellen Auswirkungen, vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgs­ faktoren, S. 21. 14  Vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 80. 15  Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 39. 16  Hierfür wurde der US-Dollar als Leitwährung an einen festen Goldgegenwert sowie alle anderen Währungen in einer festen Relation zur Leitwährung gekoppelt. Der IWF war für diese Prozesse verantwortlich und musste Wechselkursschwankungen über 1,0 Prozent gesondert genehmigen, vgl. Fäßler, Peter: Globalisierung. Ein historisches Kompendium, Köln 2007, S. 147. 17 Vgl. Fäßler, Globalisierung, S. 145–148. Im Zuge des GATT gelang es den Mitgliedsstaaten, die durchschnittlichen Zölle auf Industriegüter von 40,0 (1950) auf 4,0 Prozent (1990) zu senken.

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

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des Exports führte und somit einen großen Schritt in Richtung fortschreitender Liberalisierung darstellte.18 Die EZU, deren Präsident der BMW-Aufsichtsratsvorsitzende Mangoldt war,19 löste das bestehende Netzwerk aus bilateralen Zahlungsabkommen ab, das sich seit 1945 zwischen den westeuropäischen Staaten gebildet hatte.20 Von hoher Wichtigkeit war des Weiteren die Montanunion, auch bekannt als Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die im April 1951 gegründet wurde. Sie schuf für ihre sechs Mitgliedsstaaten – Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Italien, Frankreich – für den Handel mit Kohle und Stahl binnenmarktähnliche Verhältnisse und barg somit ein hohes europäisches Integrationspotential, auch für Deutschland innerhalb Europas. Gosewinkel bezeichnet die Montanunion demgemäß als „das Urmodell einer supranationalen Konstruktion der europäischen Gemeinschaft“,21 die somit wichtiger Wegbereiter für die späteren Römischen Verträge und somit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war. Die USA hatten während der Nachkriegszeit immer wieder die westeuropäischen Staaten ermuntert, sich wirtschaftlich enger zusammenzuschließen und unterstützten daher diese integrativen Bemühungen.22 Exogene Faktoren, wie der Korea-Krieg (1950–1953), sorgten für eine verstärkte Nachfrage von deutschen Waren bzw. Rohstoffen im Ausland und gaben der deutschen Wirtschaft einen signifikanten Konjunkturimpuls.23 Nach dem an­ fänglichen Boom setzte ab Herbst 1950 jedoch eine Krise ein, durch die „die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft und ihre außenwirtschaftliche Komponente, das Prinzip des Handels­liberalismus, in Frage gestellt schienen“.24 Auf die Automobilindustrie hatte der Korea-Boom allerdings durchaus auch negative Auswirkungen: Im Volkswagenwerk kam es beispielsweise ab März 18  Vgl.

Tilly, Richard (2006): Gab es und gibt es ein „deutsches Modell“ der Wirtschaftsentwicklung?, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, Vol. 22, Wege der Gesellschaftsgeschichte, S. 219–237, hier S. 230f. 19  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 52. 20  Bestehende Einschränkungen im Zahlungsverkehr wurden durch ein multilaterales Verrechnungssystem ersetzt und die bilateralen Handelsbilanzen zu einer Gesamtbilanz errechnet, wodurch die EZU mitunter Mitgliedstaaten bei der Überwindung von Zahlungskrisen helfen konnte, vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 43. 21  Gosewinkel, Dieter (2008): Zwischen Diktatur und Demokratie. Wirtschaftliches Planungsdenken in Deutschland und Frankreich. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Mitte der 1970er Jahre, in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 34., Nr. 3, S. 327–359, hier S. 328. Bereits im November 1949 war die BRD dem Ruhrstatut beigetreten, das später in der Montanunion aufgegangen war, vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 80. 22  Vgl. Berghahn, Volker: Industriegesellschaft und Kulturtransfer. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010, S. 213. 23  Vgl. Hentschel, Volker (1989): Die Europäische Zahlungsunion und die deutschen Devisenkrisen 1950/51, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 37, Nr. 4, S. 715–758, hier S. 715. Die Auswirkungen des Korea-Krieges auf die deutsche Wirtschaft sind allerdings keineswegs unumstritten. Für eine kritische Perzeption, vgl. Termin, Peter (1995): The „Koreaboom“ in West Germany. Fact or Fiction?, in: The Economic History Review, New Series, Vol. 48, No. 4, pp. 737–753; Neebe, Weichenstellung, S. 133–170. 24  Neebe, Weichenstellung, S. 133.

56

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

1951 zu einem Engpass an Autoblechen, der für einige Tage die PKW-Fertigung zunächst in Gänze stilllegte und bis März 1952 aufgrund des Materialmangels eine verkürzte Arbeitszeit hervorrief.25 Letztlich erwiesen sich jedoch der Korea-Krieg und die aus ihm resultierende deutsche Zahlungsbilanzkrise (1950/51) als bestandene Bewährungsprobe nicht nur der EZU und OEEC, sondern auch der noch jungen Bundesrepublik.26 Wenn von den institutionellen Rahmenbedingungen und der wirtschaftlichen Integration in Westeuropa gesprochen wird, muss die Sprache selbstverständlich auf die Gründung der beiden europäischen Institutionen EWG und die European Free Trade Association (EFTA) kommen. Auf diese wird im späteren Verlauf des Kapitels auch im Kontext der Automobilindustrie näher eingegangen (vgl. Abbildung 4 und Abbildung 5). Bei der Konturierung der außenpolitischen und wirtschaftlichen Geschehnisse der 1950er Jahre darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Bundesrepublik insbesondere auf dem Sektor der Außenwirtschaft am längsten ihre Souveränität vorenthalten blieb, denn ihre volle zoll- und handelspolitische Eigenständigkeit gewann sie erst mit ihrem Beitritt zum GATT im Oktober 1951 zurück.27 Fernerhin unterstand die Kontrolle des Wechselkurses noch bis 1952 der Alliierten Hohen Kommission, und die Regelung des internationalen Kapitalverkehrs unterlag sogar bis 1953 der Aufsicht der ­ ­Alliierten.28 Durch das Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 wurden die Vor- und Nachkriegsschulden Deutschlands vertraglich geregelt.29 Darüber hinaus war die deutsche Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg von weiteren Beschränkungen betroffen, die das Handeln zahlreicher Unternehmen deutlich tangierte, wie etwa der vollständige Verlust deutscher Patente und Warenzeichen, der mit dem Londoner Abkommen vom 27. Juli 1946 einhergegangen war, das den Schutz aller ehemaligen deutschen Patente offiziell aufhob und sämtlichen interessierten Unterzeichnerstaaten unentgeltlich und ohne Einschränkung zugänglich machte. Erst im Frühjahr 1953 erklärten die USA das „Programm der Enteignung des deutschen Vermögens und der deutschen Urheberrechte“ in den USA für beendet, allerdings dauer25 

Vgl. Lupa, Volkswagen Chronik, S. 38. Vgl. Neebe, Weichenstellung, S. 168. 27 Die deutsche Regierung hatte die Einfuhrzölle auf ausländische Agrarprodukte kontinuierlich gesenkt, um im Gegenzug niedrigere Zölle auf deutsche Industriegüter im Ausland zu erreichen. Dies brachte der deutschen Regierung im Inland die ausgeprägte Skepsis von deutschen Vertretern der Agrarwirtschaft ein, vgl. Jerchow, Friedrich (1979): Außenhandel im Widerstreit: Die Bundesrepublik auf dem Weg in das GATT 1949–1951, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, Jg. 5, Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945–1953, S. 254–289, hier S. 258. 28  Vgl. Ambrosius, Gerold (1984): Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, Jg. 10, Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, S. 271–294, hier S. 279. 29  Vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 80. 26 

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

57

te es noch bis zur Unterzeichnung des „Patent Interchange Agreements“ 1956 zwischen den USA und der Bundesrepublik, bis der Lizenzverkehr, auch mit sensiblem technischen Wissen, auf eine rechtliche Basis gestellt wurde.30 Auch BMW hatte in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren mit zahlreichen Marken- und Patentrechtsverletzungen sowie Warenzeichenangelegenheiten zu kämpfen, deren Abwicklung in den Zuständigkeitsbereich der Verkaufsabteilungen fiel.31 Bekanntester Fall einer solchen Markenrechtsverletzung war hier der Rechtsstreit um das BMW-Logo zwischen der BMW AG und der Awtowelo AG, später als Eisenacher Motoren Werke (EMW) bekannt, die im beschlagnahmten, ehemals zu BMW gehörenden Werk Eisenach Motorräder und Automobile nach original BMW-Baumustern fertigte und anfangs das blau-weiße BMW-Logo verwendete, das sie später in das rot-weiße EMW-Markenzeichen abänderte.32 Das unternehmerische Handeln bundesdeutscher Firmen wurde weiterhin eingeschränkt durch das Verbot deutscher Direktinvestitionen im Ausland, das offiziell erst durch das Außenwirtschaftsgesetz im Jahre 1961 aufgehoben wurde, jedoch durch die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen bereits vorher ausgehöhlt wurde, wie die Investitionstätigkeiten deutscher Firmen im Ausland bestätigten. Derartige Exzeptionen waren allerdings erst durch den „Runderlaß Außenwirtschaft“ vom 1. Februar 1952 in Ausnahmefällen möglich, wenn „sich die Anlage und Unterhaltung von Vermögenswerten in Unternehmen im Ausland alsbald und nachhaltig devisenbringend oder devisensparend auswirkt[e]“.33 Die Vergabe dieser Ausnahmen sowie die Auslegung und Abwicklung der Außenwirtschaftsverwaltung oblag seit November 1949 wieder bundesdeutschen Stellen,34 die natürlich kein Interesse an einer Einschränkung der deutschen Außenwirtschaft hatte. Schröter zeigt in seiner Untersuchung anschaulich auf, dass solche Ausnahmeregelungen gemäß Gesetzgebung vor allem Direktinvestitionen vertriebsorganisatorischer Art betrafen, da Fertigungen im Ausland eher devisenmindernd zu Buche schlugen. De facto begannen dennoch große Unternehmen wie beispielsweise Hoechst bereits 1952, den Grundstein für eine Produktion im Ausland zu legen.35 30  Neebe, Reinhard (1989): Technologietransfer und Außenhandel in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Jg. 76, Nr. 1, S. 49–75, hier S. 50. 31  Exemplarisch vgl. Patentprozess zwischen der BMW AG und P. Erhardt und Korrespondenz mit Patentanwalt Dr. Bernharth, 1951–1953, in: BMW UA 102/1. 32  Vgl. Berichte über national und international eingetragene Warenzeichen der BMW AG, 1952–1955, in: BMW UA 1262/1. 33  Schröter, Außenwirtschaft im Boom, S. 88f. 34  Dies ging auf die Direktive AGSEC (49) 160 vom 12. November 1949 zurück, vgl. Neebe, Weichenstellung, S. 89. 35  Vgl. Schröter, Außenwirtschaft im Boom, S. 88f. Ebenfalls interessante Erkenntnisse bietet Borsdorf in seiner Untersuchung der Internationalisierung ausgewählter Unternehmen und Branchen anhand ihrer Direktinvestitionen im Ausland, vgl. Borsdorf, Internationalisierung deutscher Unternehmen.

58

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Diese Praxis weist darauf hin, dass die gesetzliche Beschränkung von Direkt­ investitionen durch den genannten Runderlaß Außenwirtschaft in den 1950er Jahren durch zahlreiche Ausnahmegenehmigungen keine unüberbrückbare Hürde darstellte. Dies wird durch die monetären Auslandsaktivitäten belegt, die in Tabelle 1 aufgeführt sind. Diese zeigen zugleich, dass das Außenwirtschaftsgesetz von 1961, das eine Aufhebung der vorherigen Beschränkungen von grenzüberschreitenden Direktinvestitionen bewirkte, dennoch einen signifikant positiven Einfluss auf die Auslandsinvestitionen deutscher Konzerne nahm: Zwischen 1960 und 1962 nahmen diese um knapp 1,8 Mrd. DM zu. Bestand in Mio. DM 1952–1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962

421,1 831,0 1 349,2 1 858,6 2 422,2 3 161,8 3 842,5 4 955,7

Zunahme gegenüber Vorjahr in v.H. in Mio. DM k. A. 97,4 62,4 37,8 30,3 30,5 21,5 29,0

k. A. 409,9 518,2 509,4 563,6 739,6 680,7 1 113,2

Tabelle 1: Entwicklung bundesdeutscher Direktinvestitionen im Ausland, 1952–1962.36

Der größte Teil deutscher Direktinvestitionen floss nach Westeuropa sowie nach Amerika, vor allem in die USA und Kanada, aber auch nach Brasilien, Argentinien und Mexiko.37 Haupthindernis stellten hier nicht die erforderlichen Ausnahmeregelungen deutscher Verwaltungsstellen dar, sondern landesspezifische Einfuhrbeschränkungen und Local-Content-Programme, die – je nach Größe und Finanzkraft des Unternehmens – den Handel mit ganzen Ländergruppen versperren oder zumindest signifikant einschränken konnten.38 Während etwa VW frühzeitig begann, den Handel in Brasilien 36  Die Werte von 1952 bis 1955 wurden kumuliert. Die Zahlen schließen ab 1959 das Saarland sowie ab 1961 West-Berlin ein. Gegenüber den amtlichen Zahlen ist laut Schröter allerdings eine gewisse Skepsis geboten, die zurückzuführen ist auf: „1. Definitionsproblem: Für die amtliche Statistik ist letztlich die Erklärung des Investors (erwünschte Einflussnahme auf die Geschäftsführung oder nicht) entscheidend. 2. Wertveränderungen bleiben unberücksichtigt. 3. Die Tätigkeiten der Holdings fallen aus dem Erfassungsbereich heraus, ebenso die Kreditaufnahme im Ausland zwecks Direktinvestitionen. 4. Warenzeichen, Patente etc. wurden nicht erfasst.“, vgl. Schröter, Außenwirtschaft im Boom, S. 90, Tabelle 2 und S. 91, Fußnote 34; Kleedehn, Internationalisierung der Bayer AG Leverkusen, S. 170f., Tabelle 9. 37  Vgl. Neebe, Weichenstellung, S. 230, Tabelle 6 und 7; Schröter, Außenwirtschaft im Boom, S. 98, 99, Tabelle 7. 38  Brasilien beispielsweise entwickelte sich für den deutschen Export zu einem wichtigen Markt. Durch das deutsch-brasilianische Abkommen von 1956 über das deutsche Altvermögen kam es in den Folgejahren zu einem wahren Investitionsschub deutscher Unternehmen in Brasilien, vgl. Kleedehn, Internationalisierung der Bayer

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

59

aufzubauen und ab 1953 sogar erste Pläne für eine dortige Fertigung erstellte, die erst 1957 bzw. 1959 in die Tat umgesetzt wurden, blieben die meisten ­lateinamerikanischen Märkte für BMW im Untersuchungszeitraum hingegen verschlossen (vgl. Kapitel 2.3.2).39 Dem Export kam für die Bundesrepublik bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine elementare Bedeutung zu und spielte auch bei dem Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft eine wichtige Rolle, nachdem zunächst nach Kriegsende sämtliche Auslandsdirektinvestitionen verloren waren. Eine ­Studie der OEEC zufolge lagen die durchschnittlichen Wachstumsraten der deutschen Industriegüterexporte zwischen 1950 und 1958 jährlich bei 19,7 Prozent und somit doppelt bzw. dreimal so hoch wie die Steigerungsraten der Industrieproduktion und des Bruttosozialproduktes. Auch im Vergleich mit den europäischen Nachbarländern waren die deutschen Exportwerte außerordentlich: Die Wachstumsraten des deutschen Ausfuhrgeschäftes überstiegen die Werte Italiens und auch der traditionell exportstarken Niederlande um etwa das Doppelte. Die Werte der Bundesrepublik übertrafen die Frankreichs sogar um das Fünffache und die Großbritanniens um das Zehnfache. Demgemäß wuchs die deutsche Quote am Weltexport binnen zehn Jahren von 1,3 (1948) auf 9,25 Prozent (1958) an und erreichte 1968 bereits einen Wert von 19,8 Prozent.40 Bei dem Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und ihrer Wiedereingliederung in den Welthandel kam der Automobilindustrie eine Schlüsselrolle zu. Nicht nur erreichte sie, gemessen an den Produktionszahlen, rasch ihr Vorkriegsniveau – bereits 1950 wurden in den drei Westzonen mehr Fahrzeuge gefertigt als 1938 im gesamten Reichsgebiet, was insbesondere auf das hohe Fertigungsvolumen der Volkswagen-Werke in der britischen Zone zurückzuführen war – auch für den Außenhandel lieferte sie wichtige Impulse.41 Das bundesdeutsche Fertigungsvolumen von Kraftfahrzeugen verzeichnete ein stetiges Wachstum und so nahm Deutschland hinsichtlich der PKWJahresproduktion bereits 1956 weltweit den zweiten Platz hinter den USA als Automobilnation ein. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der globalen PKW-Produktion in den 1950er Jahren und bildet die Volumina der wichtigsten Länder ab. AG Leverkusen, S. 170. Hiervon konnte jedoch die BMW AG nicht profitieren und in Brasilien auch aufgrund der starken, bereits etablierten Konkurrenz der Automobilindustrie keinen Fuß während der 1950er Jahre und auch der folgenden Jahrzehnte fassen, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Deutscher PKW-Export nach Fabrikaten und Abnehmerländern (inkl. Teilesätze), 1970–1976, in: BMW UA 2041/1. 39  1959 wurde in São Paolo ein VW-eigenes Werk eröffnet, allerdings produzierte die Volkswagen do Brasil schon seit 1957 Fahrzeuge in kleinen Stückzahlen vor Ort, vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 259–261. 40  Vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 17. 41  Vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 106f.

60

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung 2.000.000 1.600.000

10.000.000

1.400.000

8.000.000

1.200.000 1.000.000

6.000.000

800.000

4.000.000

600.000 400.000

USA und Welt

12.000.000

PKW-Produktion

1.800.000

2.000.000

200.000

0 0 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 BRD Italien Kanada Welt

Großbritannien Schweden Japan

Frankreich DDR USA

Abbildung 1: PKW-Produktion verschiedener Nationen inkl. Kombinationskraft­wagen, 1950–1960.42

Durch diese Darstellung wird zugleich die enge Korrelation zwischen der internationalen und der PKW-Fertigung der USA als führende Automobilnation deutlich. Jede Entwicklung des US-Marktes schlug sich aufgrund ­ihrer hohen Quantitäten unmittelbar auf die gesamte Weltproduktion nieder, wie der vergleichsweise synchrone Verlauf der beiden Graphen auf der Sekundärachse zeigt. Überdies verdeutlicht die Abbildung, dass sich der ­ deutsche und die nordamerikanischen Automobilmärkte während des ­Betrachtungszeitraums in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befanden, denn die Massenmotorisierung hatte, wie hinlänglich bekannt, in den USA weitaus früher eingesetzt. Dies lässt sich auch anhand des Kraftwagenbestandes verdeutlichen: 1951 war bereits jeder vierte US-Bürger im Besitz eines Kraftwagens, im deutschen Bundesgebiet kamen hingegen 78 Einwohner auf ein Auto, in Großbritannien (inkl. Nordirland) 21, in Frankreich 26, in Italien 129 und in Japan sogar 1 791. Die USA, Kanada, Australien und ­ ­Neuseeland waren Anfang der 1950er Jahre die Nationen mit den höchsten Motorisierungsraten.43 Hierdurch unterlag der Verkauf von Automobilen in 42  Die

Werte für die weltweite sowie die US-Produktion sind auf der Sekundärachse und gestrichelt dargestellt. Eigene Berechnungen, vgl. Verband der Automobilindustrie e. V. (Hg.): Tatsachen und Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft 1951, 16. Folge, Frankfurt/M. 1952, S. 189; Ders. (Hg.): TuZ 1954/55, S. 241; Ders. (Hg.): TuZ 1956/57, S. 239; Ders. (Hg.): TuZ 1958/59, S. 267; Ders. (Hg.): TuZ 1959/60, S. 283; Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 292. 43  Vgl. ders. (Hg.): TuZ 1951, S. 195.

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

61

diesen Märkten mitunter aber auch einer höheren Volatilität: In den USA hatte die hohe Automobilisierung zur Folge, dass der Absatz vor allem über Ersatz- und Zweitwagenkäufe gesteigert werden musste, was dort in den 1950er Jahren zu höheren Schwankungen führte, die durch Abbildung 1 bestätigt werden. In den USA reagierten die Kunden sensibler auf konjunkturelle Signale, da eine Ersatz- oder Zweitbeschaffung bei Bedarf eher herausgezögert werden konnte als ein Erstkauf.44 Abbildung 1 spiegelt die enormen Produktionssteigerungen der deutschen Kraftfahrzeugindustrie während der 1950er Jahre wider, in denen sich die Produktion von PKW inkl. Kombinationsfahrzeugen binnen nur eines Jahrzehntes verachtfachte. Während die meisten Automobilnationen bisweilen eklatante Einbußen hinnehmen mussten, verzeichnete die Bundesrepublik gemeinsam mit Japan konstante Steigerungsraten. Auch Frankreich und Großbritannien konnten in dieser Dekade große Zuwächse erzielen, obwohl die britische Fahrzeugindustrie 1956 signifikante Einbußen von 21,2 Prozent verzeichnen musste.45 Abbildung 1 verdeutlicht ferner, dass sich Japan erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu einem ernst zu nehmenden Akteur der Automobilindustrie entwickelte und sich 1960, mit einer Verdoppelung der Produktionszahlen im Vergleich zum Vorjahr (1960: 165 094 Einheiten), andeutete, dass hier eine starke Konkurrenz heranwuchs. Eine Gegenüberstellung der Außenhandelsorientierung der größten Automobilnationen der 1950er Jahre liefert weitere interessante Erkenntnisse, die anhand ihrer Exportzahlen in Abbildung 2 nachvollzogen werden können. Die Daten belegen den rasanten Aufstieg der deutschen Automobilindustrie in dieser Phase, insbesondere ab 1953, in der jährliche Steigerungsraten von bis zu 72 Prozent erreicht wurden. Auch im Vergleich mit den anderen produktionsstarken Automobilnationen wies die Bundesrepublik einen deutlich höheren Exportanteil auf und überholte im Hinblick auf das Ausfuhrgeschäft nach und nach die anderen Herstellerländer: Frankreich im Jahr 1952, die vermehrt binnenmarktorientierten USA 1954 sowie Großbritannien 1956.46 44 Vgl. Köhler, Ingo (2010): „Small Car Blues“. Die Produktpolitik US-amerikanischer und deutscher Automobilhersteller unter dem Einfluss umweltpolitischer Vorgaben, 1960–1980, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook, Jg. 51, Nr. 1, S. 107–135, hier S. 108. 45  Der Niedergang der ehemals starken britischen Automobilindustrie ist von mehreren Autoren analysiert worden und auf eine Verquickung verschiedener Faktoren zurückgeführt worden, vgl. Clausager, Anders: The Rivals. A Comparison of the British and German Motor Industries 1945–1960, in: Tilly, Stephanie / Triebel, Florian (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013, S. 205–230; Church, Roy: The Rise and Decline of the British Motor Industry, Cambridge 1995; Foreman-Peck, James: The British Motor Industry, Manchester 1995; Dunnett, Peter: The Decline of the British Motor Industry, London 1980. 46  Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1959/60, S. 27. Der Kraftwagen-Export Japans war auch 1959 mit 4 878 Einheiten noch verschwindend gering, vgl. Ders. (Hg.): TuZ 1959/60, S. 309.

62

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

900.000 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 1950

1951

1952

USA Frankreich Kanada

1953

1954

1955

BRD Italien Japan

1956

1957

1958

1959

1960

Großbritannien Schweden

Abbildung 2: Export von PKW inkl. Kombinationskraftwagen verschiedener Länder, 1950–1960.47

Die Graphen verdeutlichen, dass die Bundesrepublik und insbesondere ihre Automobilindustrie seit der Nachkriegszeit ausgesprochen exportorientiert war, was nicht nur auf die allmähliche Sättigung des Heimatmarktes zurückzuführen, sondern ebenfalls dem hohen Konkurrenzdruck geschuldet war, der auf dem deutschen Markt bestand. Parallel mit dem zunehmenden deutschen Export wuchs auch die Kraftwagendichte in der Bundesrepublik und so kamen 1960 nur noch 15 Einwohner auf ein Fahrzeug.48 Andere Nationen, wie etwa die USA oder Japan, wiesen hingegen im Automobilsektor weitaus länger eine ausgeprägte Binnenmarktorientierung auf; die USA trotz der hohen PKW-Dichte, Japan wegen seiner geringen Motorisierung. Die japanischen Hersteller schöpften also zunächst ihre Absatzpotentiale auf ­ dem Heimatmarkt ab. Ähnlich war dies auch zu Beginn der 1950er Jahre in Deutschland der Fall, wobei hier der Export zunächst zusätzlich durch die 47 Eigene Berechnungen aus: VDA (Hg.): TuZ 1950, S. 186–195; Ders. (Hg.): TuZ 1951, S. 8, 189, 196–206; Ders. (Hg.): TuZ 1952, S 224–239; Ders. (Hg.): TuZ 1954, S. 243, 247; Ders. (Hg.): TuZ 1954/55, S. 9, 246–260; Ders. (Hg.): TuZ 1956/57, S. 29, 245–262; Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 293. In den frühen Jahren dieser Dekade ist eine leichte Inkonsistenz in den Zahlenangeben des VDA für die einzelnen Länder festzustellen, da Fahrgestelle im Export entweder inkludiert oder separat ausgewiesen sind. Da die Fahrgestelle jedoch nur in kleineren Kontingenten, die sich im unteren vierstelligen Bereich bewegten, ausgeliefert wurden, fallen diese inkonsistenten Angaben innerhalb des Datenmaterials in dieser Abbildung kaum ins Gewicht. 48  Die Werte für die Bundesrepublik Deutschland umfassen hier das Saarland, jedoch nicht West-Berlin, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1960/61, S. 330.

63

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen 100% 90% 80% 70%

31,5

33,5

32,3

36,9 43,9

60% 50%

45,2

45,4

48,3

48,2

50,4

40% 30% 20% 10% 0%

68,5

66,5

67,7

63,1

56,1

44,8

44,6

51,7

51,8

49,6

1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

Export

Inland

Abbildung 3: Exportanteil der jährlichen Produktion von Kraftwagen im Bundes­ gebiet, 1950–1959.49

bereits geschilderten Auflagen der Alliierten behindert worden war. Im Unter­schied wandelte die deutsche Automobilindustrie ihre Strategie in den Jahren 1953 und forcierte zunehmend das Ausfuhrgeschäft, ohne dabei den Binnenmarkt aus dem Blick zu lassen. Während sich der Bestand an Kraftwagen im Bundesgebiet im Laufe der 1950er Jahre verachtfachte von 0,52 Mio. (1950) auf 4,1 Mio. (1960) und somit den Bestand an Krafträdern zum Ende des Jahrzehnts um etwa das Dreifache übertraf,50 wuchs auch der Exportanteil der im Bundesgebiet produzierten Fahrzeuge kontinuierlich, ausgehend von 33,5 Prozent im Jahre 1950, und bewegte sich seit 1957 stetig nahe der Marke von 50 Prozent.51 Die genauen Zahlen sind der Abbildung 3 zu entnehmen, die die Entwicklung des Exportanteils der deutschen Automobilindustrie zwischen 1950 und 1959 aufzeigt. 1959 überstieg erstmals die Ausfuhr mit 50,4 Prozent den Inlandsabsatz knapp bzw. kann aufgrund des minimalen Zahlenunterschieds hier nahezu von einer Pattsituation gesprochen werden. Die Balken unterstreichen den raschen Anstieg der deutschen Kraftwagenausfuhr und den Aufstieg Deutsch­lands zu einer exportstarken Automobilnation. Hieran hatte der VW 49 

Vgl. Ders. (Hg.): TuZ 1959/60, S. 13. Südbeck, Thomas: Motorisierung, Verkehrsentwicklung und Verkehrspolitik in Westdeutschland in den 50er Jahren, in: Schildt, Axel / Sywottek, Arnold (Hg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1998, S. 170–187, hier S. 171. 51  Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1959/60, S. 13; Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 13. 50  Vgl.

64

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Käfer, zu diesem Zeitpunkt das einzige Produkt des Wolfsburger Unternehmens, einen maßgeblichen Anteil, machte dieser im Laufe der 1950er Jahre doch etwa die Hälfte der bundesdeutschen Gesamtausfuhr aus. Ein Blick auf die Akteursebene der Wirtschaft bestätigt die Exportorientierung der deutschen Automobilindustrie und auch die tragende Rolle, die Volkswagen hierbei trotz der Ein-Produkt-Strategie spielte. Hierauf wird zum Abschluss dieses Abschnitts noch einmal im Kontext von Abbildung 6 eingegangen. Eingangs wurden die allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen vorgestellt und der maßgebliche Einfluss von institutionellen Bestimmungen hervorgehoben. An dieser Stelle soll der Zusammenhang der beiden europäischen Wirtschaftsräume EWG und EFTA auf die deutsche Automobilindustrie aufgezeigt werden. Eingangs muss unterstrichen werden, dass die Auswirkungen beider Institutionen deutlich erst seit den 1960er Jahren zutage traten. Die 1957 durch die Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten gegründete EWG hatte den Abbau von Handelsbeschränkungen bei Waren und Dienstleistungen und die Mobilität von Arbeit und Kapital einerseits sowie andererseits die Errichtung eines gemeinsamen Marktes (zunächst) für Landwirtschaftsgüter, die Etablierung eines gemeinsamen Außenzolls sowie die zumindest teilweise Harmonisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik zum Hauptziel.52 Die Gründung der EFTA 1960, eine Art kleineuropäische Zollunion, der Großbritannien, Norwegen, Dänemark, Portugal, Schweden, die Schweiz und Österreich angehörten, führte institutionell zunächst zu einer Teilung Westeuropas in zwei Handelsblöcke.53 Die Bewertungen dieser Gründungen fallen hierbei jedoch unterschiedlich aus: Manchen Autoren zufolge führte diese Dualität zu einer erheblichen künstlichen Umlenkung von Handelsströmungen in Europa. ­ Diese Bewertung lässt jedoch die handelsschaffende Wirkung beider Institutionen außer Acht, da laut Balassa zumindest für Westdeutschland die stimulierenden Effekte innerhalb der EWG die handelsumlenkenden der EFTA überwogen.54 Zunächst erschien jedoch die vermeintliche handelspolitische 52 

Vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 43. Die genauen Entwicklungen im Spannungsfeld der EWG und EFTA dieser Zeit hat Steininger nachgezeichnet, vgl. Steininger, Rolf (1993): 1961: „Europe at Sixes and Sevens“. Die EFTA und Großbritanniens Entscheidung für die EWG, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 80, Nr. 1, S. 4–29. 54  Vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 42–44; Balassa, Bela (1967): Trade Creation and Trade Diversion in the European Common Market, in: The Economic Journal, Vol. 77, No. 305, pp. 1–21, hier pp. 15–17. Darüber hinaus existierten durchaus Bemühungen seitens der Wortführer der Freihandelszone, die Zollsenkungen der EWG und EFTA zu koordinieren, so dass in beiden Wirtschaftsräumen die Zölle gleichzeitig reduziert werden sollten, um eine Spaltung Westeuropas in zwei Handelsblöcke zu vermeiden. Diese Bemühungen scheiterten jedoch und so kam es zur Gründung der EFTA ohne eine Koordination mit der EWG, vgl. Küsters, Hans Jürgen (1984): Zollunion oder Freihandelszone? Zur Kontroverse über die Handelspolitik Westeuropas in den fünfziger Jahren, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, 53 

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

65

1960 1959 1958 1957 1956 1955 1954 1953 1952 1951 1950 -

50.000

100.000

150.000 EFTA

200.000

250.000

300.000

350.000

EWG

Abbildung 4: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neu­ produktion der Bundesrepublik Deutschland in die EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1950–1960.55

Spaltung Westeuropas für die deutsche Automobilindustrie wenig verheißungsvoll, waren es doch insbesondere die Mitgliedstaaten der EFTA, in denen die deutschen PKW-Hersteller traditionell hohe Absatzquoten erzielten. Abbildung 4 zeigt, wie sich der Export deutscher Kraftfahrzeuge in die Länder, die später zu den beiden Wirtschaftszonen zusammengefasst wurden, während der 1950er Jahre entwickelte und dass ab 1957 die Ausfuhren in die späteren EFTA-Länder doppelt so hoch waren wie in die EWG. Sie verdeutlicht aber auch, dass die Gründung der EWG positive Effekte hatte und sich die Entstehung der EFTA im ersten Jahr nicht nachteilig auswirkte. Im Gegenteil konnte ein nachhaltiger Anstieg des deutschen PKW-Exports zwischen 1959 und 1960 in beiden Wirtschaftsräumen beobachtet werden. Während die Absatzquoten in die späteren EWG- und EFTA-Staaten 1950 in etwa ausgeglichen waren, verzeichnete der Export ab 1953 in die EFTA-Länder bzw. vor ihrem Zusammenschluss deutlich stärkere Zuwachsraten gegenüber dem Rest Europas. Mit dem Abschluss der Römischen ­Verträge 1957 konnte die deutsche Industrie zwar auf eine Steigerung des EWG-Binnenhandels hoffen, trotz des anfänglichen Fokus auf landwirtschaftliche Güter, zugleich erschien aber die Entwicklung des Exports in die für die deutsche Automobilindustrie so wichtigen EFTA-Staaten ungewiss. Jg. 10, Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, S. 295–308, hier S. 306f. 55  Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1956/57, S. 84; Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 108.

66

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

90.000 80.000 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 1950

1951

1952

1953

Frankreich Niederlande Norwegen Schweiz

1954

1955

1956

Italien Luxemburg Schweden Österreich

1957

1958

1959

1960

Belgien GB Dänemark Portugal

Abbildung 5: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neu­ produktion der Bundesrepublik Deutschland in die einzelnen Länder der EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1950–1960.56

Die Unter­nehmen befürchteten dort nennenswerte Einbußen, so auch die BMW AG (vgl. Kapitel 2.5). Darüber hinaus musste eine Begünstigung des Kraftfahrzeughandels innerhalb der EWG parallel eine Begünstigung der Automobilnationen Frankreich und Italien nach sich ziehen, deren einheimische Unternehmen in Konkurrenz zu den deutschen Herstellern standen. Abbildung 2 hatte in diesem Zusammenhang gezeigt, dass die Exportorientierung der französischen und italienischen PKW-Hersteller gegen Ende der 1950er Jahre deutlich zugenommen hatte.57 Die Graphen der Abbildung 5 zeigen die Entwicklung der Ausfuhr deutscher Kraftwagen innerhalb Europas, die nach den einzelnen Ländern der beiden Wirtschaftsräume EWG (gestrichelte Linien) und EFTA (durchgehende Linien) untergliedert sind. Weltweit waren die USA der wichtigste Markt für die westdeutsche Automobilindustrie. Diese Darstellung unterstreicht die Wichtigkeit vor allem der EFTA-Staaten für die deutschen PKW-Hersteller. Insbesondere Schweden blieb bis Mitte der 1960er Jahre das bedeutsamste Abnehmerland deutscher Kraftfahrzeugexporte und wies ­ 56 

Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1956/57, S. 84; Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 108. Zusammenhang zwischen diesem Exportanstieg und der Gründung der EWG kann vermutet werden, müsste allerdings durch Daten belegt werden, die nähere Auskunft über die Zielmärkte der Ausfuhren geben. Diese Quellen liegen leider nicht vor und stehen des Weiteren nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. 57  Ein

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

67

i­nnerhalb von Europa bis in die 1960er Jahre den höchsten Motorisierungsgrad auf (1953: 18 Einwohner, 1964: 4,9 Einwohner auf ein Kraftfahrzeug). Dieser stieg stetig an und erreichte in den 1960er Jahren in etwa die Werte von Australien und Neuseeland, die nach den USA und Kanada die weltweit höchsten Kraftwagendichten aufwiesen.58 Die Automobilisierung Schwedens hatte nach dem Ersten Weltkrieg eingesetzt und erlangte bereits in der ­Zwischenkriegszeit ein annäherndes Niveau des Motorisierungsgrades von Frankreich und Großbritannien; nach dem Zweiten Weltkrieg übertraf die schwedische Kraftfahrzeugdichte diese sogar. Schon Ende der 1930er Jahre galt das skandinavische Land daher, trotz seiner verhältnismäßig geringen Einwohnerzahl, als ein vielversprechender Kraftfahrzeugmarkt für die ausländische und damit auch für die deutsche Industrie. Schweden zählte zu den Ländern mit den niedrigsten Treibstoffpreisen der Welt und wies ferner ­geringe Transportkosten, eine vergleichsweise niedrige Besteuerung sowie ­einen geringen Zollsatz auf, was die Automobilisierung weiter begünstigte.59 Hiervon profitierten vor allem amerikanische und deutsche, aber auch einheimische Hersteller. Schweden war somit bis Mitte der 1960er Jahre für die deutsche Automobilindustrie gemeinsam mit den USA der weltweit wichtigste Markt. Des Weiteren verdeutlicht Abbildung 5, dass es, mit Ausnahme der späteren EWG-Mitgliedstaaten Belgien und den Niederlanden, denen als Montagestandort und Transitpunkt für den weiteren Export von Kraftfahrzeugen in alle Welt ein hoher Stellenwert zukam, vor allem spätere EFTA-Länder waren – Schweiz, Österreich, Dänemark –, in denen deutsche Automobilprodukte traditionell hohe Absatzquoten verzeichneten. Deutschland hatte also mit der Gründung zweier konkurrierender Wirtschaftszonen zu befürchten, dass die Ausfuhr in die wichtigen EFTA-Länder behindert werden würde und der antizipierte Anstieg des EWG-Binnenhandels diesen Rückgang nicht in derselben Geschwindigkeit ausgleichen würde können. Als Hauptkonkurrent auf den verschiedenen Auslandsmärkten sahen ­deutsche Exporteure der Fahrzeug- und Textilindustrie bereits in den frühen 1950er Jahren einer IFO-Erhebung von 1952 zufolge Großbritannien, sogar noch vor den USA. Japanische Produzenten hingegen spielten in den frühen 1950er Jahren noch keine nennenswerte Rolle auf dem Weltmarkt,60 wie das geringe Ausfuhrvolumen Japans in Abbildung 2 bestätigte. Die Auswirkungen beider Institutionen auf den Export der deutschen Automobilindustrie wurden jedoch erst im Laufe der 1960er Jahren zunehmend spürbar und werden daher in Kapitel 3.1 näher diskutiert. Die Be­einflussung der PKW-Sparte der BMW AG durch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen während 58 

Vgl. Ders. (Hg.): TuZ 1954/55, S. 270; Ders. (Hg.): TuZ 1963/64, S. 350. Schmarsoch, Hubert (1938): Der schwedische Kraftfahrzeugmarkt unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Absatzmöglichkeiten, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 48, S. 177–206, hier S. 177f., 187, 198, Tabelle 10. 60  Vgl. Neebe, Weichenstellung, S. 231. 59  Vgl.

68

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung 500.000

Exportierte PKW-Einheien

450.000

50

400.000 350.000

40

300.000 250.000

30

200.000

20

150.000 100.000

10

50.000 -

Exportanteil der PKWInlandsproduktion (in%)

60

0 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 Daimler-Benz BMW Exportquote VW

VW Exportquote DB Exportquote BMW

Abbildung 6: PKW-Export in Stückzahlen und prozentualer Exportanteil an der PKW-Inlandsproduktion von Daimler-Benz, Volkswagen und BMW, 1950–1960.61

der ersten Internationalisierungsphase wird hingegen detailliert in Abschnitt 2.5 besprochen. Abbildung 6 zeigt die PKW-Exportquote der deutschen Hersteller DaimlerBenz, VW und BMW. Die Darstellung basiert auf den Zahlen der PKWInlands­produktion des Wolfsburger Unternehmens, das in den 1950er Jahren bereits Werke in Brasilien, Südafrika und Australien unterhielt.62 BMW und Daimler-Benz verfügten in dieser Phase noch über keine unternehmenseigenen Fertigungsstandorte im Ausland.63 Auf den ersten Blick wird durch die Abbildung ersichtlich, wie gering die Ausfuhr von Kraftwagen der BMW AG während der ersten Internationalisierungsphase war. Ihr überschaubares Produktionsvolumen erklärt ferner die hohe Volatilität der BMW-Exportquote, die in dieser Phase zwischen 20 und 42 Prozent schwankte. Trotz der Fokussierung auf die Inlandsfertigung verdeutlicht das Schaubild die starke Dominanz von Volkswagen als Volumenhersteller gegenüber 61  Vgl.

Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 217, 260; Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 181. Eigene Berechnungen, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1; MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1; Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1. 62  Vgl. Lupa, Volkswagen Chronik, S. 33. 63  Auch Daimler-Benz hatte sämtliche Auslandsdirektinvestitionen im Zuge der Kapitulation nach dem Zweiten Weltkrieg verloren, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 193f., 283, Tabelle D.19.

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

69

den einheimischen Mitbewerbern. Obgleich demgemäß die exportierten Kraftfahrzeuge der Daimler-Benz AG in absoluten Zahlen weit hinter den VW-Stückzahlen zurückblieben, war der Stuttgarter Exportanteil an der Produktion in etwa vergleichbar mit dem der Wolfsburger Werke und überstieg 1958 erstmals die Marke von 50 Prozent; bei VW übertraf bereits 1955 der Anteil der exportierten Kraftwagen den Binnenabsatz. VW und weit dahinter Daimler-Benz waren somit innerhalb der Branche führend im Ausfuhrgeschäft.64 Volkswagen hatte nach dem Zweiten Weltkrieg gegenüber seinen Mitbewerbern einen Vorsprung, da das Werk, das zunächst unter der Ägide der britischen Besatzungsmacht geführt wurde, der Demontage entgangen war und bereits im Dezember 1945 die zivile Produktion des Käfers wiederaufnehmen konnte.65 Im Oktober 1949 wurde das Wolfsburger Werk von den Briten in die Treuhänderschaft der Bundesregierung übergeben und laut Lupa konnte VW im weiteren Verlauf als öffentliches Unternehmen auf ein größeres Entgegenkommen der deutschen Regierung hoffen. Die Bundes­ regierung ihrerseits war bemüht, für die deutsche Industrie durch den Abschluss von Handelsverträgen Exportmöglichkeiten zu eröffnen.66 Abbildung 6 unterstreicht überdies nicht nur die Binnenmarktorientierung der BMW AG im automobilen Sektor, sondern auch die späte Rückkehr auf den deutschen sowie auf die internationalen Märkte. Ihre Produktionszahlen blieben in den 1950er Jahren weit hinter den Werten anderer deutscher Kraftwagenproduzenten wie Daimler-Benz, VW, aber auch Opel und Ford zurück; sowohl im Hinblick auf die absoluten als auch relativen Zahlen. Erst 1988 erreichte das Münchner Unternehmen mit weltweit 484 121 gefertigten Automobilen den ungefähren Wert der VW-Inlandsproduktion von 1960 (489 272 Einheiten).67 Hierbei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei VW um einen Volumenhersteller handelte, dessen Produktion bis Anfang der 1960er Jahre mit dem VW-Käfer auf einer Ein-Produkt-Strategie fußte.68 In diesem Sinne bietet ein Vergleich mit der Daimler-Benz AG als Premiumhersteller bzw. Produzent von Fahrzeugen der Oberklasse eine 64 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 210. Tolliday, Steven (1995): Enterprise and State in the West German Wirtschaftswunder. Volkswagen and the Automobile Industry, 1939–1962, in: The Business History Review, Vol. 69, No. 3, pp. 273–350; Lupa, Spurwechsel auf britischen Befehl, S. 11–33; Lupa, Volkswagen Chronik, S. 14–17. 66  Vgl. Lupa, Volkswagen Chronik, S. 17, 32. 67  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das Geschäftsjahr 1988, 1989, in: BMW UU 240/10. 1988 wurden im südafrikanischen CKD-Werk Rosslyn 1 656 PKW montiert, für die zuvor in den deutschen BMW-Werken die Teilesätze produziert worden waren, vgl. eigene Berechnungen beruhend auf Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 68 Der VW-Lieferwagen Typ II war mit der Käfer-Konstruktion verwandt, daher kann im eigentlichen Sinne erst mit der Entwicklung des VW 1500 mit einer allmählichen Differenzierung des VW-Produktangebotes gesprochen werden, vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 128f. 65  Vgl.

70

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

bessere Vergleichsmöglichkeit zu BMW, denn auch das Stuttgarter Unternehmen erreichte erst 1981 mit 440 778 PKW-Einheiten seiner weltweiten Produktion den ungefähren Wert der VW-Inlandsfertigung von 1960.69 Im weiteren Verlauf der Untersuchung sollen derartige Gegenüberstellungen punktuell angeführt werden, um die Entwicklung der BMW AG besser in ihren branchenhistorischen Kontext einordnen zu können. Das vergleichsweise geringe Produktionsvolumen ist auch verantwortlich für die hohen Schwankungen der BMW-Exportquote in den 1950er Jahren, die in Abbildung 6 klar zu erkennen sind. Hier kamen die Fertigung des Kleinstfahrzeugs Isetta sowie die Vergabe von Montagelizenzen ins Ausland ab 1957 deutlich zum Tragen. Auf diese Aspekte wird im Rahmen der Modell- und Vertriebspolitik noch detailliert eingegangen (vgl. Kapitel 2.3 und 2.5). Das regionale Muster des Ausfuhrgeschäfts der drei in Abbildung 6 dargestellten Hersteller wiesen in Europa eine gewisse Parallelität auf, da für alle drei Unternehmen hier die Länder Schweden, Belgien und die Schweiz in dieser Dekade von hoher Wichtigkeit waren. Im Unterschied zu BMW gewannen jedoch die Überseemärkte für VW und Daimler-Benz weitaus früher an Bedeutung und so gingen 1956 bei Daimler-Benz bereits 9,2 Prozent des Exports in die USA, bei VW waren es sogar 24,3 Prozent. Neben den USA war ebenfalls Lateinamerika – vor allem Argentinien, Brasilien und für VW überdies Chile und Peru – wichtiges Absatzgebiet für VW und DaimlerBenz.70 Die Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten der BMW AG und die genauen Hintergründe des späten Produktionsbeginns von BMW-Kraftwagen werden im weiteren Verlauf der Arbeit noch detailliert erläutert. Nachdem in diesem Kapitel die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen des besetzten Deutschlands in der Nachkriegszeit sowie nach Rückgewinn der Souveränität ab 1949, also während der 1950er Jahre, skizziert worden sind, soll in den sich nun anschließenden Abschnitten die Unternehmensentwicklung der BMW AG skizziert und innerhalb des methodischen Analyserahmens (vgl. Kapitel 1.3) ihre Rückkehr auf den deutschen Markt sowie auf die Auslandsmärkte während der ersten Internationalisierungsphase (1948–1960) untersucht und vorgestellt werden; für eine bessere Verständlichkeit wird eingangs eine kurze Skizzierung des unternehmerischen Neubeginns nach dem Zweiten Weltkrieg vorangestellt. 2.1.1.  Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg: BMW während der ­Besatzungszeit (1945–1948) Einleitend soll kurz auf das Investitionsvolumen, das in den ersten Jahren nach Kriegsende getätigt wurde, sowie auf seine Struktur eingegangen werden, um die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges für das Münchner Un69  70 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 317, Tabelle E.8. Vgl. ebd., S. 217; Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 182.

71

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

ternehmen besser greifen zu können. Die Angaben über die kriegsbedingten Zerstörungen der BMW AG und die Zahlen unabhängiger Schätzungen differierten erheblich. Während das Unternehmen selbst die Destruktion des Stammwerkes durch Kriegseinwirkungen auf 40 Prozent der Gesamtanlagen bezifferte,71 lag der reale Wert bei circa 18 Prozent der Gesamtfläche. Im Werk Allach lag die Zerstörung aufgrund der geschützten Lage sogar bei ­lediglich 1,5 Prozent.72 Weitaus schwerer ins Gewicht fielen die sich in der Nachkriegszeit anschließenden Reparationszahlungen sowie die Demontage sämtlicher Maschinen und technischer Einrichtungen im Werk Milberts­ hofen, München, inklusive Teilen der Büroausstattung.73 In Allach hingegen wurden einzig die Maschinen demontiert, die man nicht für die Etablierung und den Betrieb des sogenannten „Karlsfeld Ordnance Depot“ (KOD) benötigte, das für die US-Army betrieben wurde. Auf diese Einrichtung wird im weiteren Verlauf noch näher eingegangen. Es waren also primär Demontagen und weitere Reparationsleistungen dafür verantwortlich, dass in den Folgejahren hohe Investitionen zur Wiederinstandsetzung des Stammwerkes in München und somit für die Wiederaufnahme der zivilen Produktion erforderlich waren. Ein Großteil dieses Kapitalbedarfes betraf hierbei als Konsequenz vor allem Maschinen sowie maschinelle Anlagen und erst in zweiter Linie den Bau und die Instandsetzung von Werksgebäuden. Tabelle 2 gibt Auskunft über die genauen Investitionsaufwendungen der BMW AG seit der Währungsreform im Juni 1948 bis einschließlich 1954. Die beiden sich von den restlichen Investitionen für Maschinen und maschinelle Einrichtungen abhebenden Umfänge der Jahre 1948/49 und 1952 sind mit der Wiederaufnahme der Motorrad- und Automobilfertigung zu begründen, auf die im späteren Verlauf der Arbeit noch detailliert eingegangen wird.

Gebäude Maschinen und maschinelle Einrichtungen Betriebs- und Geschäftsausstattung Gesamt

1948/49

1950

1951

1952

1953

1954 Gesamt

2 329 8 294

332 2 974

4 309 5 994

3 263 10 318

780 5 401

2 056 7 814

13 069 40 795

832

241

215

291

506

711

2 796

11 455

3 547

10 518

13 872

6 687

10 581

56 660

Tabelle 2: Investitionen der BMW AG seit der Währungsreform 1948 (Angaben in 1 000 DM), 1948–1954.74

71  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, 26. 04. 1952, in: BMW UU 29/10. 72  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 14. 73  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, 26. 04. 1952, in: BMW UU 29/10. 74 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 39. Geschäftsjahr 1954, 1955, in BMW UU 33/10.

72

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Der Wiedereinstieg des Mobilitätsunternehmens BMW nach dem Zweiten Weltkrieg in den Motorrad- und vor allem in den PKW-Markt gestaltete sich äußerst schwierig. Als Flugmotorenhersteller war die BMW AG bis 1945 zu einem der größten und wichtigsten Rüstungsbetriebe des Dritten Reiches herangewachsen. Qua der durch das NS-Regime forcierten Konzentration auf die Kriegswirtschaft hatte BMW die Produktion ziviler Fahrzeuge zunächst stark eingeschränkt und letztlich während des Krieges vollkommen eingestellt.75 Die Automobilfertigung war bereits im April 1941 beendet und die Motorradproduktion 1942 in das Werk Eisenach verlegt worden, wo bis ­Anfang 1944 das Wehrmachtsmotorrad R 75 gebaut wurde, um im Werk München die Fertigung von Flugmotoren ausweiten zu können. Die Beschlagnahme des Werks in Eisenach sowie des ihm anhängigen Schattenwerks Dürrerhof durch die sowjetische Besatzungsmacht führte nach Kriegsende zu deren Verlust. Im September 1946 wurde das Werk Eisenach in die Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) Awtovelo eingegliedert.76 Damit galt die gesamte zivile Produktion einschließlich der Konstruktionspläne, die sich zu jenem Zeitpunkt im Werk Eisenach befanden, als verloren. Im Gegensatz zu anderen deutschen Unternehmen, wie Daimler-Benz, Bosch oder Siemens, verfügte BMW vor 1945 über keine Direktinvestitionen bzw. Standorte im Ausland, sieht man von den sogenannten Frontreparaturwerkstätten und Verlagerungsbetrieben in den durch die Wehrmacht besetzten Gebieten, die während des Zweiten Weltkrieges hinzugekommen waren, ab. Während also andere Unternehmen ihre gesamten Auslandsinvestitionen verloren hatten, büßte BMW zwar keine Standorte im Ausland ein, jedoch mit dem Verlust des Eisenacher Werks die Voraussetzungen einer zivilen Produktion im Inland. Die Fertigungsanlagen in München unterlagen der Befehlsbefugnis der amerikanischen Alliierten, die ihre Politik auf der Grundlage der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens sowie der Direktive JCS 1067 ausrichtete.77 Im Zusammenspiel mit den Kriegsschäden, den sich anschließenden Demontagen und Reparationszahlungen, dem Verlust wichtiger Werke in ­Eisenach, Dürrerhof und Basdorf/Zühlsdorf sowie der aufgrund alliierter Auflagen ausfallenden Flugmotorenherstellung, die während des National­

75 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 14. Vgl. Standortprofil BMW AG Zweigniederlassung Eisenach, in: BMW UG 15/1. 77 Obgleich das Potsdamer Abkommen im Zusammenspiel mit der Direktive JCS 1067 die Grundlage für die US-Besatzungspolitik bildete, wurden bald auch innerhalb der US-Militärregierung kritische Stimmen laut, die beanstandeten, dass diese Papiere für eine umfassende und weitsichtige Besatzungspolitik, insbesondere auch in wirtschaftlicher Hinsicht, nicht ausreichten, vgl. Brief von General Lucius Clay, stellvertretender Militärgouverneur der US-amerikanischen Besatzungszone, an General Oliver Echols, Director Civil Affairs Division, War Department, vom 19. 07. 1946, in: Smith, Jean E. (Hg.), The Papers of General Lucius D. Clay, Bloomington 1974, S. 237. 76 

2.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

73

sozialismus das zentrale Standbein gewesen war, sah sich die BMW AG dem wirtschaftlichen Aus gegenüber.78 Um das Überleben des Unternehmens zu gewährleisten, setzte die Geschäftsleitung im Juni 1945 – unter vorläufiger und eingeschränkter Erlaubnis der US-Kräfte – ein Notproduktionsprogramm auf, das unter anderem aus Baubeschlägen, Kochtöpfen, Landwirtschaftsgeräten und auch der Ersatzteilfertigung für BMW-Kraftwagen bestand. Die Fertigung von Kraft­ rädern und -wagen blieb weiterhin untersagt. Ferner wurde das Werk Allach unter Zustimmung des US-Militärs als Reparaturwerkstätte für die US-­Army etabliert und in das sogenannte „Karlsfeld Ordnance Depot“ (KOD), später KOMD, umgewandelt.79 Auch bei Daimler-Benz ließen die Alliierten in der Nachkriegszeit umfassende Fahrzeugreparaturen durchführen. Im Gegensatz zu BMW lief die zivile Produktion bei dem Stuttgarter Mitbewerber jedoch wesentlich früher an, denn die US-Militärregierung genehmigte ab Dezember 1945 die Fertigung eines Lieferwagens sowie ab Frühjahr 1946 auch eines PKW. Im Werk Gaggenau, das in französischem Gebiet lag, lief der 4,5t-LKW sogar bereits im Sommer 1945 vom Band.80 BMW hingegen hatte die Grundlage seiner zivilen Produktion durch die Beschlagnahme der Anlagen in Eisenach verloren, so dass eine Wiederaufnahme der Automobil- und Motorradfertigung in den durch die westlichen Alliierten verantworteten Werken nicht unmittelbar erfolgen konnte. So diente also das beschlagnahmte BMW-Werk in Allach, das als Reparaturwerkstätte durch die US-Militärs genutzt wurde, dem Unternehmen fortan als wichtige Kapitalquelle für den anvisierten Wiederaufbau der zivilen Produktion. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nahm das Werk Allach bzw. das KOMD eine wichtige Stellung ein, da es zu einem der wichtigsten Arbeitgeber der Nachkriegszeit in Bayern wurde. Der Abzug der US-Army aus Allach und damit die endgültige Übernahme des Werks durch die BMW AG erfolgten erst Ende Juni 1955.81 Somit ging erst zehn Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges für BMW die Ära der Einflussnahme sowie der Einschränkungen durch die US-Verfügungsgewalt über das Unternehmenseigentum zu Ende und es konnte eine neue Phase der eigenständigen Geschäftsübernahme eingeleitet werden.82 Im Kontext des KOMD muss die Frage gestellt werden, ob die Zusammenarbeit zwischen BMW und der US-Army bzw. der US-Militärregierung Einfluss auf die später erfolgende Internationalisierung des bayerischen Unter­nehmens genommen hat. Die Quellenlage gibt leider nur wenige Auskünfte zu kulturellen Aspekten dieser Kooperation bzw. Auftragsarbeit. 78  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 14; Lorenzen, BMW als Flugmotorenhersteller 1926–1940, S. 156, Grafik 6. 79  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 20–23. Später wurde das KOD in „Karlsfeld Ordnance and Maintainance Depot“ (KOMD) umbenannt. 80  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 179f. 81  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 41. 82  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 47–49.

74

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Eine von Seidl durchgeführte Auswertung der Dokumente zeigt allerdings, dass es zwischen der BMW AG und der US-Army zu diversen Spannungen kam, die vor allem aus der Frage der Vergütung gegenüber BMW resultierten. Diese Konflikte erreichten bisweilen auch die hohen Instanzen: über den Land Commissioner of Bavaria Frantz Loriaux, dem Bayerischen Wirtschaftsminister Hanns Seidel bis hin zum US-Army Europe Headquarter sowie der deutschen Bundesregierung. In den im Zuge der Auseinandersetzung geführten Gesprächen hatte die BMW-Geschäftsführung, wie etwa Hanns Grewenig bei den Verhandlungen im US-Hauptquartier in Heidelberg,83 zumindest in der Theorie Fingerspitzengefühl sowie ein gewisses interkulturelles Verständnis beweisen müssen, um ihrer Position und ihren Zielen Nachdruck zu verleihen. Dieser kulturelle Blickwinkel ist anhand der Quellen leider nicht zu rekonstruieren. Die Tatsache jedoch, dass BMW im Juni 1953 nach langwierigen Verhandlungen mit den obengenannten Stellen, trotz der letztlich zugestandenen US-Zahlungen von 10,6 Mio. DM, noch immer offene Ansprüche in Höhe von rund 25,6 Mio. DM verzeichnete, die nicht beglichen wurden,84 lässt Rückschlüsse auf eine relativ schwache Verhandlungsposition der BMW-Geschäftsleitung zu. Diese Erkenntnis ist aufgrund der Stellung des Unternehmens als ehemaliger deutscher Rüstungsbetrieb per se wenig überraschend, weist jedoch zugleich auch auf ein nur begrenztes interkulturelles Geschick der BMW-Verhandlungsführer in der Nachkriegszeit hin. Dieses kam ebenso durch ihre nur geringe Versiertheit in der englischen Sprache in den 1950er Jahren zum Ausdruck. Direktor Grewenig etwa, BMW-Vorstand für den Kaufmännischen Bereich, der insbesondere in den ersten Jahren auch für den Auslandsverkauf und die Erschließung neuer Exportgebiete zuständig war, verfasste selbst keine Dokumente in englischer Sprache und lies auch die gesamte eingehende Korrespondenz ins Deutsche übersetzen.85

2.2. Personalpolitik 2.2.1.  Die BMW-Geschäftsleitung nach 1945: Kontinuität statt Bruch Die personelle Entwicklung des Unternehmens folgte in der Nachkriegszeit im Hinblick auf ihre Geschäftsleitung einer gewissen Kontinuität. Heinrich Krafft von Dellmensingen war bereits seit 1938 als kaufmännischer Volontär 83  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 34–40. Seidl zeigt sehr detailliert auf, wie die Konfliktlinien zwischen beiden Seiten verliefen, welche Übereinkunft letztlich getroffen wurde und inwieweit sich diese auf den weiteren Geschäftsverlauf der BMW AG auswirkte. 84  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 40. 85  Vgl. Korrespondenz mit dem Ausland vom 1. 1. 1950 bis 31. 12. 1954, in: BMW UA 132/1.

2.2. Personalpolitik

75

bei BMW angestellt und stand während des Krieges dem Zentralsekretariat sowie der Rechtsabteilung vor. Somit hatte er als Direktor die Verantwortung für alle Rechtsfragen im Konzern inne.86 Er zählte zu der „technokratischen Elite“ Deutschlands, die „unbeirrt von gesellschaftlichen und ideologischen Rahmenbedingungen“ ihren Aufgabenbereich funktionsfähig hielten und hierdurch „mittelbar zur verbrecherischen Politik der Nationalsozialisten“ beitrug,87 gleichwohl sich Krafft von Dellmensingen selbst von der Ideologie der Nationalsozialisten verbal zu distanzieren suchte. Nach dem Krieg wurde er erneut zur Führungskraft berufen und übernahm in der provisorisch installierten Werksleitung den Bereich der Verwaltung,88 womit er anfangs vor allem für die Abwicklung der von den Alliierten als Reparationszahlungen eingeforderten Demontagen verantwortlich war. Während Krafft von Dellmensingen für die innere Verwaltung und betriebswirtschaftliche Fragen zuständig war, wurde der ehemalige Werksleiter Kurt Donath, der seit 1942 bis Kriegsende Leiter der Flugmotorenfertigung im Werk München-Milbertshofen gewesen war, ebenso als Führungskraft bei der BMW AG wiedereingesetzt und zeichnete fortan Verantwortung für den technischen Wiederaufbau der Werke in München, Allach und Berlin-Spandau.89 Vor allem auf Donaths Bemühungen ging der Wiedereinstieg in die zivile Produktion über den Umweg der Notproduktion zurück. Neben ihm und Krafft von Dellmensingen zählte noch ein weiteres Mitglied zum BMWFührungskreis: Hanns Grewenig blickte bereits auf dezidierte Erfahrung in der Automobilbranche zurück, als er im August 1948 als Ingenieur mit ausgeprägtem Vertriebshintergrund und Führungserfahrungen in den BMWVorstand für den Kaufmännischen Bereich berufen wurde. Seine rudimentären Englischkenntnisse verwundern umso mehr, da er zuvor unter anderem in den deutschen Dependancen von General Motors, der Ford-Motor-Company sowie bei Opel als Betriebsdirektor und später im Vorstand tätig gewesen war.90 Die Trias der Geschäftsleitung Krafft von Dellmensingen, Donath und Grewenig prägte maßgeblich den Wiederaufbau der BMW AG in der Nachkriegszeit. 86  Darüber

hinaus war er während der Kriegsjahre vor allem für die Dezentralisierung bzw. Verlagerung von Produktionsflächen in weniger „luftgefährdete“ Gebiete verantwortlich. Diese territoriale Reorganisation der Produktion war zu Kriegszeiten wich­ tiger Teil der Unternehmensstrategie, vgl. Triebel, Florian (2005): Heinrich Krafft von Dellmensingen, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 3, Nr. 1, S. 24–27, hier S. 25. 87  Ebd., S. 24. 88  Berufen wurde Krafft von Dellmensingen von dem durch die Headquarters Military Government Munich Property Control Section im Oktober 1945 bis Februar 1946 eingesetzten Generaltreuhänder Prof. Dr. Karl Hencky, der zuvor Werksdirektor der IG Farben gewesen war, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 18. 89 Vgl. Grunert, Manfred (2004): Kurt Donath. Manager des Wiederbeginns bei BMW, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 2, Nr. 2, S. 24–27, hier S. 25. 90  Vgl. Grunert, Manfred (2004): Hanns Grewenig – der Kaufmann, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 2, Nr. 3, S. 28–33.

76

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Weiteren nachhaltigen Einfluss nahm Dr. Hans Karl von Mangoldt-Reiboldt, der vom 4. März 1946 bis zum 8. November 1949 das Amt des Generaltreuhänders der BMW AG innehatte.91 In dieser Funktion vertrat er, bis zur Aufhebung der Vermögenskotrolle und der Wiedererlangung der unternehmerischen Selbstständigkeit der BMW AG im Jahre 1949, die Belange des Münchner Unternehmens nach außen, wobei er ebenfalls die Kontakte zu den staatlichen sowie alliierten Stellen verantwortete.92 Nach Rückgewinnung der Eigenständigkeit wurde er zum Aufsichtsratsvorsitzenden der BMW AG berufen. Mangoldt selbst füllte neben seiner Tätigkeiten für BMW diverse andere angesehene Ämter internationaler Reichweite aus. So war er nicht nur deutsches Mitglied in der alliierten Delegation für die Bizone bei der Organisation für Europäische und Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) in Paris (1948–1949) und im Anschluss hieran Leiter ihrer deutschen Vertretung (1949 bis April 1951), sondern auch Mitglied der Direktion der Europäischen Zahlungsunion (EZU) sowie ab 1952 ihr Präsident (1950–1958) und darüber hinaus stellvertretender deutscher Gouverneur bei dem internationalen Währungsfond in Washington (1952 bis 1962), um nur einige seiner Engagements aufzuführen.93 Mangoldt war somit ein Mann internationalen Formats und hierdurch zugleich wichtige Verbindung für BMW nach außen.94 Seine zahlreichen Verpflichtungen führten allerdings im September 1958 dazu, dass Mangoldt seinen Vorsitz des Aufsichtsrats der BMW AG niederlegte, da er diese zeitintensive und verantwortungsvolle Aufgabe – nach eigener Aussage – nicht länger parallel zu seinen weiteren Verpflichtungen ausüben konnte.95 Mangoldt war jedoch in den 1950er Jahren in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender einflussnehmender und wichtiger Akteur, der durch seinen internationalen Hintergrund das grenzüberschreitende Engagement der BMW AG förderte.96

91  Vgl.

Lebenslauf von Dr. jur. Hans Karl von Mangoldt-Reiboldt, Generaltreuhänder der BMW AG 1946–1949 und Aufsichtsratsvorsitzender 1947–1959, in: BMW UN 294/1. 92  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 52. 93  Vgl. Lebenslauf von Dr. jur. Hans Karl von Mangoldt-Reiboldt, Generaltreuhänder der BMW AG 1946–1949 und Aufsichtsratsvorsitzender 1947–1959, in: BMW UN 294/1. 94  Die supranationale Tragweite von Mangoldts Tätigkeiten spiegelte sich ebenfalls in der internationalen Forschung wider, die sich seiner zwar nicht als Protagonisten annimmt, in der er jedoch als relevanter Akteur Erwähnung findet, vgl. Carli, Guido (1988): The Return to Convertibility of the European Currencies, in: Giornale degli Economisti e Annali di Economia, Nuova Serie, Vol. 47, No. 11/12, pp. 525–536. Da­ rüber hinaus bezog Mangoldt auch selbst in Reden und Aufsätzen zu internationalen Themen Stellung, vgl. Mangoldt, Hans (1957): De l’Union européenne de Paiements a la convertibilité monétaire, in: Revue économique, Vol. 8, No. 1, S. 75–90. 95  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 05. 02. 1959, in: BMW UA 104/2. 96 Vgl. Aufsichtsratsprotokolle 1953–1959, in: BMW UA 142/2, BMW UA 155/2, BMW UA 105/2, BMW UA 424/2.

2.2. Personalpolitik

77

Mangoldt war nicht das einzige Mitglied des BMW-Führungsumfeldes mit internationalem Hintergrund. Fritz Fiedler war bereits 1932 von Horch als Wagenchefkonstrukteur zu BMW gekommen, wo er unter anderem die Fahrzeugtypen BMW 326, 328 sowie das Sportcoupé BMW 327 mit entwickelte. 1940 wurde ihm die Leitung der gesamten Kraftwagenentwicklung in München übertragen und von 1941 bis 1945 war er stellvertretender Vorstand der Fahrzeugentwicklung. Mit Kriegsende schied er bei der BMW AG aus und wechselte nach Großbritannien zu AFN Ltd. (Frazer Nash) und Bristol, wo er bis 1947 als leitender Konstrukteur tätig war. Während dieser Zeit hielt er seine Verbindung nach München aufrecht, ab 1946 war er als externer Berater indirekt für BMW tätig. Ende 1949 ging er nach Deutschland zurück, wo er zunächst zu Opel wechselte und Anfang 1951 als Leiter der gesamten Fahrzeugentwicklung letztlich zu BMW zurückkehrte, wo er diesen Bereich fortan im Vorstand betreute.97 Fiedler unterhielt nicht nur gute Kontakte zur britischen Automobilindustrie, sondern darüber hinaus auch zu Firmen der italienischen Automobilbranche, die ihm bereits bei seiner früheren Arbeit als leitender Konstrukteur zugutegekommen waren.98 Das italienische Design übte in den 1950er Jahren einen wichtigen Einfluss auf BMW-Automobile aus, wie in Kapitel 2.3 erläutert wird. Im Entwicklungsbereich gab es fernerhin eine weitere Personalie, die in Richtung Kontinuität wirkte: Alfred Böning, der als Sohn deutscher Eltern in Italien geboren wurde und mit zehn Jahren zurück nach Deutschland kehrte, war seit 1931 als Konstrukteur für Motorräder bei der BMW AG tätig. Ab 1943 verantwortete er die Fertigung der Flugmotorensparte und wurde,99 vermutlich auch aufgrund seiner Funktion im Betrieb, im August 1945 auf Anweisung der US-Militärregierung zunächst entlassen. Diese Entscheidung wurde jedoch einen Monat später offiziell zurückgenommen und so wurde er rückwirkend zum 23. Mai 1945 zum Leiter des Konstruktionsbüros ernannt,100 wo er im Laufe der kommenden Jahre maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Wagen und Motorräder der Marke BMW nahm. Böning setzte sich frühzeitig für die Wiederaufnahme der Produktion und die baldmögliche Rückkehr auf die internationalen Märkte ein.101 Der BMW-Vorstand, der 1949 mit dem Rückgewinn der unternehmerischen Eigenständigkeit an Gewicht gewann, wurde im Zuge der folgenden Jahre um weitere Ressorts erweitert. Zum Oktober 1954 wurde Dr. Hans Seyfried für den Bereich Finanzen als Vorstand eingesetzt. Ebenso neu for97  Vgl.

Lebenslauf von Fritz Fiedler, ab 1951 erneut verantwortlich für die Fahrzeugentwicklung im BMW-Vorstand, in: BMW UN 219/1. 98 Vgl. Nyncke, Hagen (2003): Produkte der Aerodynamik-Forschung. Die BMW 328 Rennlimousine, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 1, Nr. 3, S. 28–31, hier S. 30. 99  Vgl. Lebenslauf von Alfred Böning, in: BMW UN 182/1. 100  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 55, Fußnote 106. 101  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 70.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

mierte sich mit dem weiteren Ausbau der Fertigung das Produktionsressort, das ab Januar 1955 von Willy Black verantwortet wurde. Bis zum Jahre 1956 setzte sich demnach der BMW-Vorstand aus sechs Mitgliedern zusammen.102 Erst im November 1956 und damit sehr spät wurde ein eigenständiges Vorstandsressort für alle Belange des Vertriebs/Verkaufs inklusive Einkauf gebildet, das durch Ernst Hof besetzt wurde. Bis dahin war Grewenig für alle Fragen des Vertriebs sowie des Ein- und Verkaufs im Rahmen seines kaufmännischen Aufgabengebietes zuständig gewesen. Mit steigenden Stück­ zahlen und einer schwachen Vertriebsorganisation im In- und Ausland war jedoch deutlich geworden, dass der Vertrieb nunmehr höherer Aufmerksamkeit und Priorisierung bedurfte. Grewenig machte im Juni 1957 unter den Vorzeichen der sich immer klarer andeutenden Unternehmenskrise Platz für eine neue Weichenstellung. Zuvor war bereits im März 1957 der ihm unterstehende Kaufmännische Bereich dem Ressort Verkauf und Einkauf unter Hof zugeordnet worden.103 Das Unternehmen hatte seit Beginn der 1950er Jahre keinen Gewinn erwirtschaftet, sondern Schulden angesammelt und sah sich ab 1956 einem negativen Cashflow von über 13 Mio. DM gegenüber (vgl. Tabelle 25). Die missliche Lage war vor allem auf Fehlentscheidungen der Geschäftsleitung zurückzuführen, die eine Marketingpolitik zu verantworten hatten, in der die 4 Ps – Product, Price, Place, Promotion – nicht aufeinander abgestimmt waren. Diese Entwicklung der 1950er Jahre wird in den nachfolgenden Abschnitten detailliert untersucht. Die Sanierungsbemühungen des Unternehmens wurden weiterhin unterstrichen durch die Berufung von Dr. Heinrich Richter-Brohm zum Vor­ sitzenden des Vorstands. Richter-Brohm, der unter anderem in Lausanne ­Politik und Jura studiert hatte, hatte sich bereits einen Namen als „Sanierer“ gemacht, da er seit 1952 vorwiegend sanierungsbedürftige Unternehmen überprüft und unterstützt hatte.104 Als Spezialist in diesem Bereich wurde er zum 1. März 1957 vom Aufsichtsrat, hier vor allem im Interesse des Anteilseigners Deutsche Bank, zum ersten Vorstandsvorsitzenden der BMW AG nach 1945 berufen.105 Richter-Brohm erkannte bei Amtsantritt, dass die 102 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 39. Geschäftsjahr 1954, 1955, in: BMW UU 33/10. 103  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 509f. 104  Im Mai 2011 hatte die Süddeutschen Zeitung überdies online erstmals die Rechercheergebnisse des Historikers Wigbert Benz publiziert, der zutage brachte, dass Richter-Brohm im Jahre 1933 bei der Gestapo tätig gewesen war und dort bei der Beschlagnahmung und Enteignung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung mitgewirkt hatte. Noch 1933 soll er allerdings aus der NSDAP ausgetreten sein. Dokumentiert ist, dass er im Juni 1934 Justitiar der Mannesmann AG wurde und 1939 als Manager zu der Mannesmann gehörenden Prager Eisen-Industriegesellschaft nach Prag ging, vgl. Benz, Wigbert (2011): Der BMW-Chef, der bei der Gestapo war, in: Süddeutsche Zeitung Online vom 17. 05. 2011, URL: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/automobilhersteller-der-bmw-chef-der-bei-der-gestapo-war-1.1098402 (Stand: 20. 12. 2015). 105  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 507 und 511.

2.2. Personalpolitik

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bisherige Zusammenfassung von Einkauf und Vertrieb/Verkauf in einem Ressort nicht mehr als eine unglückliche Zwischenlösung darstellen konnte.106 Bereits im Mai 1957 wurde im Vorstand auf seine Bestrebungen hin eine Trennung beider Bereiche in zwei eigenständige Ressorts beschlossen.107 Während Hof weiterhin dem Verkauf/Vertrieb vorstand, wurde der Einkauf mit Wirkung zum 1. Mai 1958 dem Finanzbereich zugeordnet.108 Für diesen zeichnete seit Februar 1958 Ernst Kämpfer Verantwortung, der den bis dato glücklosen Seyfried abgelöst hatte. Kämpfer machte sich binnen kurzer Zeit verdient und trug wesentlich zur Sanierung des Unternehmens bei.109 1960 übernahm er des Weiteren, nach dem Ausscheiden Krafft von Dellmensingens, zum August das Ressort Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen und leitete damit gleich mehrere Schlüsselbereiche.110 Auch Richter-Brohm schied Ende Februar 1960 aus dem Unternehmen aus, nachdem im Dezember 1959 auf der legendären Hauptversammlung der Verkauf von BMW an Daimler-Benz gescheitert war, für den er gemeinsam mit der Deutschen Bank eingetreten war.111 Nach seinem Rücktritt machte sich Kämpfer Hoffnungen auf den Vorstandsvorsitz, die sich jedoch nicht erfüllen sollten. Die wiederkehrenden Reorganisationen nach 1955 und bisweilen unglückliche Zusammenfassung unterschiedlicher Bereiche in große Ressorts können als Ausdruck der tiefgreifenden Schwierigkeiten gewertet werden, in denen sich das Unternehmen seit Mitte der 1950er Jahre befand. Die Defizite und Dysfunktion der innerbetrieblichen Organisation sorgten in vielerlei Hinsicht zu Verzögerungen und Ineffizienzen, die dem Konzern den weiteren Wiederaufbau nicht nur erschwerte, sondern im Zusammenspiel mit weiteren externen Faktoren, wie dem strukturellen Wandel der Mobilitätsmärkte und dem verhältnismäßig späten Produktionsbeginn von BMW-Fahrzeugen, zu der bislang schwersten Krise der Unternehmensgeschichte führte. Lange Zeit wurde bei der BMW AG dem Bereich Vertrieb zu wenig Beachtung geschenkt, war man doch zunächst vor allem mit der Entwicklung eines vermeintlich konkurrenzfähigen Produktes sowie der Schaffung der notwendigen Produktionsvoraussetzungen beschäftigt. Die geringe internationale Ausrichtung des Unternehmens zeigte sich ebenso auf der obersten Führungsebene. Abgesehen von Fiedler und Grewenig, die über internationale 106 Vgl.

Protokoll Nr. 3/57 der Vorstandssitzung vom 27. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. 107  Vgl. Protokoll Nr. 6/57 der Vorstandssitzung vom 09. 05. 1957, in: ebd. 108 Vgl. Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 109  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 511. 110  Vgl. Lebenslauf von Ernst Kämpfer, in: BMW UN 276/1. 111  Für Details über die bis heute schwerste Unternehmenskrise der BMW AG und die Hauptversammlung aus dem Dezember 1959, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 185–255.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Kontakte verfügten und bei internationalen Mitbewerben der Automobilbranche tätig gewesen waren – Fiedler im Ausland sowie Grewenig bei deutschen Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen – verfügte keines der weiteren Vorstandsmitglieder über eine nennenswerte internationale Kompetenz. Wie bereits aufgezeigt wurde, ging aber selbst das interkulturelle Know-how Grewenigs nicht wesentlich über einige grenzüberschreitende Kontakte hinaus. 2.2.2.  Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung Die mangelnde internationale Ausrichtung, einschließlich der nur gering ausgeprägten Sprachfertigkeiten und interkulturellen Erfahrungen auf Führungsebene, setzte sich ebenso in der Personalstruktur des Unternehmens nach unten fort. Die sprachlichen Fertigkeiten des Personals spielen bei der Sondierung von Märkten außerhalb der eigenen Landesgrenzen eine wichtige Stellgröße. Bei der Installierung und Wiederaufnahme der Kontakte zu potentiellen bzw. ehemaligen Importeuren folgte BMW anfangs der deutlichen Präferenz, vornehmlich in deutscher Sprache zu korrespondieren. Dies bedeutete für die Importeure und potentiellen Partner, dass sie entweder eine hauseigene Übersetzung einsetzen mussten oder aber selbst versiert in der Muttersprache des Münchner Unternehmens sein mussten.112 Obwohl eine derartige Strategie nicht schriftlich fixiert wurde, scheint hier der Weg mit den aus interkultureller Sicht geringsten Hindernissen und sprachlichen Barrieren präferiert worden zu sein.113 Diese Haltung entspricht zugleich der in Kapitel 1.2.2 explizierten lateralen Rigidität, der Unternehmen bei ihrer 112 Ein

Beispiel ist der schwedische Importeur Söderström, der mit seiner Firma ­ örenade Bil Import AB einer der wichtigsten Partner der BMW AG im Ausland nach F dem Zweiten Weltkrieg war. Söderström verfügte über gute Kenntnisse der deutschen Sprache und baute hierdurch frühzeitig eine enge Verbindung zur BMW AG auf, vgl. Diverse Schriftwechsel, 1950–1954, in: BMW UA 71/1. Nicht selten handelte es sich bei den Vertriebspartnern im Ausland während der Nachkriegszeit und in den 1950er Jahren um emigrierte Deutsche oder Deutschsprachige, wie etwa dem südafrikanischen Motorradimporteur Club Motors (Pty) Ltd., der von einem jüdischen Dresdner gegründet wurde und bereits seit 1932 Geschäftspartner der BMW AG war, vgl. Kapitel 5. Auch mit dem ursprünglich aus Wien stammenden Maximilian Edwin Hoffman, der 1941 aus politischen Gründen in die USA auswanderte und dort ab 1947 zu einem der wichtigsten Automobilimporteure europäischer Fabrikate wurde, korrespondierten die Münchner Abteilungen vornehmlich in Deutsch, vgl. Lebenslauf von Maximilian Edwin Hoffman, in: BMW UN 496/1. 113  Unter Umständen legten hier die Verantwortlichen bei BMW die Annahme zugrunde, dass Vertreter des deutschsprachigen Raumes die eigene Marke am besten repräsentieren konnten. Diese Ansicht ließe hingegen außer Acht, dass zur Etablierung einer Marke oder auch eines Produktes in einem fremden Markt kulturspezifische Kenntnisse von großer Relevanz sind, die wiederum für eine Kooperation mit einem Vertreter des jeweiligen Kulturkreises gesprochen hätten. Diese Überlegungen wurden vor allem in den 1970er Jahren aufgegriffen und flossen in das Konzept der Gründung weltweiter BMW-Vertriebsgesellschaften mit ein, vgl. Kapitel 4.

2.2. Personalpolitik

81

i­nternationalen Ausrichtung unterliegen. Allgemein kann bei den Geschäfts­ tätigkeiten des Unternehmens im Ausland und den ersten internationalen Tuchfühlungen in den 1950er Jahren allerdings weniger von einer Strategie, denn als von ad hoc getroffenen Einzelentscheidungen gesprochen werden, in der situativ auf die zumeist von außen herangetragenen Kooperationsanfragen reagiert wurde. Die Tatsache, dass BMW bei dem Wiederaufbau der Verkaufsorganisa­ tion im Ausland in den ersten Jahren primär auf diejenigen Partner zurückgriff, mit denen eine Zusammenarbeit möglichst ohne größere sprachliche Barrieren realisiert werden konnte, kann auch auf die vergleichsweise kleine Unternehmensgröße und die nur begrenzten Erfahrungen im internationalen Geschäft mit Motorrädern und Automobilen zurückgeführt werden. BMW verfügte in den 1950er Jahren nur über wenige Mitarbeiter, die den inter­ kulturellen Anforderungen eines weltweit ausgerichteten Unternehmens ­gewachsen waren, wobei Sprachkenntnisse nur eine Dimension bildeten. Tabelle 3 zeigt die quantitative Entwicklung des Personalstands der BMW AG zwischen 1950 und 1960. 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 Mitarbeiter

8 000 9 500 9 550 9 201 8 009 6 907 5 757 6 244 6 538 5 953 6 960

Tabelle 3: Mitarbeiterzahlen der BMW AG zum Jahresende, 1950–1960.114

Der signifikante Rückgang der Beschäftigtenzahl in den Jahren 1955/56 ist auf die Einstellung des Betriebes des KOMD im Werk Allach zurückzuführen, in welchem 1954 noch rund 3 000 bis 4 000 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen waren. Die Auflösung des für die US-Army tätigen Werkstattbetriebs trat im Juni 1955 in Kraft.115 Hiermit erlangte BMW zwar die Verfügungsgewalt über das Werk zurück, doch zugleich versiegte mit dem Rückzug der Amerikaner aus Allach eine wichtige Einnahmequelle und zwang die Geschäftsführung, baldmöglichst ein neues Konzept für das Werk Allach vorzulegen, das jedoch nur mittels einer Kooperation realisierbar war. Die Fertigung von Automobilen der Marke BMW lag Mitte der 1950er Jahre mit 3 471 (1954) und 4 567 (1955) Einheiten weit hinter den Erwartungen zurück. Gemeinsam mit der Motorradfertigung, in der sich durch den strukturellen Wandel des Zweiradmarktes in Deutschland und Europa ein Rückgang in den Produktionszahlen bei BMW abzeichnete (1954: 29 500; 1955: 23 531 114 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 582–584. Aufgabe des KOMD durch die US-Militärregierung brachte nicht nur die BMW-Geschäftsleitung in Handlungszwang, sondern auch die bayerische Regierung, die sich ebenso in der Verantwortung gegenüber den dort Beschäftigten sah, denen im Sommer 1955 die Arbeitslosigkeit drohte. Seidl schildert detailliert die Implikationen und genauen Abläufe der Geschäftsaufgabe des KOMD sowie die weitere Nutzung des Werks in Allach durch die BMW AG in Kooperation mit weiteren Partnern, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 40–49. 115 Die

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Einheiten), war selbst die Produktionskapazität des Stammwerks in München-Milbertshofen nicht in Gänze ausgelastet. Die Fertigung dieser beiden Sparten auf das Werk Allach auszudehnen, stellte demnach keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung dar. Während das Unternehmen im Zweiten Weltkrieg als Rüstungsbetrieb stark ausgebaut worden und die Beschäftigtenzahl deutlich angewachsen war (1944: 56 213 Mitarbeiter), verfügte es in den 1950er Jahren nur über eine geringe Größe. Seine Belegschaft war 1955 im Vergleich zu 1944 auf ein Zehntel geschrumpft;116 auch Produktionsvolumen und Umsatz spiegelten dies wider (vgl. Tabelle 25). Diese Zahlen verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen BMW in den 1950er Jahren in die Produktion und auf die Märkte als vergleichsweise kleiner Akteur zurückkehrte. Auf der Ebene der Geschäftsleitung wurde durch die Wiedereinsetzungen von Donath, Krafft von Dellmensingen und später auch Fiedler eine gewisse Kontinuität fortgesetzt. Auch auf der Ebene des mittleren Führungsstabs suchte man, mit Mitarbeitern den Wiederaufbau voranzutreiben, die sich bereits verdient gemacht hatten. So blieb Fritz Trötsch, der bereits seit 1932 als Verkaufs- und Exportleiter bei der BMW AG beschäftigt war, nach 1945 ­Leiter des In- und Auslandverkaufs für das gesamte BMW-Fertigungsprogramm. Auch hierin manifestierte sich die unscharfe Trennung zwischen Inund Auslandsgeschäft der BMW-Organisation in der ersten Dekade nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Herbst 1954 wechselte Trötsch sein Einsatzgebiet, indem er mit Sonderaufgaben im Rahmen des kaufmännischen Bereichs unter Grewenig betraut wurde und infolgedessen die Leitung des In- und Auslandsverkaufs abgab.117 Sein bisheriger Tätigkeitsbereich wurde von Dr. Dr. Walter Krüger übernommen, womit eine Führungskraft in den Dienst der BMW AG berufen wurde, die über dezidierte internationale Erfahrungen auch im Sinne interkultureller sowie sprachlicher Kompetenzen verfügte. Krüger war von BMW bereits Anfang der 1950er Jahre beauftragt worden, als externer Agent das Exportgeschäft des Unternehmens auszuweiten bzw. ­ arcelona mit aufzubauen. Krügers Schwerpunkt, der zu diesem Zeitpunkt in B lebte, lag hierbei auf den südeuropäischen Ländern, allem voran auf Spanien und Portugal.118 Des Weiteren war er für die Überarbeitung sämtlicher Unter­lagen der BMW AG in spanischer Sprache einschließlich Prospekten, Betriebs- und Wartungsvorschriften, Ersatzteilkatalogen und Vertretungsverträgen für den gesamten spanischsprachigen Raum zuständig. In einem Schreiben gegenüber Grewenig stellte Krüger die Bedeutung eines interna­ tional einwandfreien Auftritts in den unterschiedlichen Sprachen heraus und 116  Gemessen an der Belegschaftszahl überschritt die BMW AG erst im Jahre 1988 erneut die Schwelle von 56 000 Mitarbeitern, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 587 117  Vgl. Lebenslauf von Ch. Fritz Trötsch, Leiter des In- und Auslandsverkaufs der BMW AG, in: BMW UN 194/1. 118  Vgl. Reisebericht Dr. Krügers über Portugalreise inkl. Marktanalyse, 1954; Reisebericht Dr. Krügers über Spanienreise, 1954, in: BMW UA 185/1.

2.2. Personalpolitik

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vertrat die Ansicht, dass die „Dinge für den Export unbedingt einwandfrei und hieb- und stichfest sein sollten.“119 Ein Dreivierteljahr später, zum 15. Oktober 1954, wurde Krüger nach München berufen und vom unabhängigen externen Agenten zum firmeninternen Leiter des In- und Auslandsverkaufs ernannt. In dieser Funktion verantwortete er fortan die Verkaufs- und Fabrikationsdisposition, die Händlerorganisation, die Verkaufsförderung inklusive der Werbung, das Wholesale-Geschäft, also die Betreuung von Behörden und Großabnehmern, den Kunden- und Ersatzteildienst und darüber hinaus Rennen sowie Sport- und Zuverlässigkeitsfahrten exklusive technischer Aufgaben; zunächst unter Grewenig, ab 1956 unter Hof. Dieses weite Spektrum ist Ausdruck des diffundierten Aufgabenbereichs des BMW-Verkaufsleiters, in dem nicht genügend zwischen den Geschäftsfeldern des Inund Auslands differenziert wurde. Erst im August 1956 nahm die Geschäftsleitung eine solche Trennung durch Vorstandsbeschluss mitsamt der notwendigen innerbetrieblichen Reorganisation der Verkaufsabteilungen vor, nach welcher Krüger die Verantwortung für das Inlandsgeschäft abgab und nunmehr einzig das Exportgeschäft verantwortete.120 Mitte der 1950er Jahre, etwa zeitgleich mit der Berufung Krügers zum ­Leiter des In- und Auslandsgeschäftes, zeichnete sich ferner in der Wahr­nehmung ­innerhalb der Führungsebene ein Wandel in der Einstufung sprachlicher Kompetenzen der Mitarbeiter ab, zumindest im Bereich des Auslandsgeschäftes. Im September 1955 stellte Grewenig gegenüber seinen Export­leuten fest: „Im Grundgedanken glaube ich, dass wir sprachgewandte (zum mindestn [sic!] für das von Ihnen festgelegte Gebiet) Kundendienstleute haben müssen, die jedoch intelligent genug sein müssen, um die Vorarbeiten für ihre Exportbesuche in die verschiedenen Länder vorzubereiten.“121

Dieses Zitat zeigt zugleich, dass aus Sicht der Führungsebene in den 1950er Jahren inhaltlich versiert arbeitendes Personal mit hohen Sprachkompetenzen keine Selbstverständlichkeit, sondern schwierig zu akquirieren war. Des Weiteren deutete sich durch die Aussage Grewenigs eine personelle Unterbesetzung der Exportabteilung an, die den zunehmenden Herausforderungen, auch im Sinne vermehrter Auslandsreisen, nicht gewachsen war. Um diesen stetig steigenden Anforderungen gerecht zu werden, die Exportleitung zu entlasten und eine höhere Kosteneffizienz zu erreichen, veranlasste der Vorstandsvorsitzende Dr. Richter-Brohm im September 1957, „[…] dass sämtliche leitenden Herren der Firma, die, aus welchem Grunde auch immer, Reisen in das Ausland unternehmen, angewiesen werden, grundsätzlich die in

119  Schreiben

von Dr. Krüger an Grewenig, Vorstand des Kaufmännischen Bereichs der BMW AG, vom 21. 01. 1954, in: BMW UA 132/1. 120  Lebenslauf von Dr. Dr. Walter Krüger, Leiter des In- und Auslandsverkaufs der BMW AG, in: BMW UN 786/1. 121  Aktennotiz von Grewenig an Trötsch und Dr. Krüger vom 05. 09. 1955, in: BMW UA 230/1.

84

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

den von ihnen bereisten Ländern eingesetzten Händler zu besuchen und über ihre Eindrücke einen möglichst umfassenden Bericht abzustatten.“122

Diese Anweisung macht deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine institutionalisierten effizienten Prozesse dieser Art bei BMW installiert waren. Während Daimler bereits Anfang der 1950er Jahre mit firmeninternen Werksdelegierten operierte, die die Generalvertretungen im Ausland be­ suchten, berieten und überwachten,123 hatte sich bei dem ungleich kleineren Mitbewerber in München noch kein derart professionalisiertes System ausgebildet. Vielmehr suchte die Geschäftsleitung, auch aufgrund der angespannten finanziellen Lage, den Ausbau der Vertriebsorganisation durch Improvisa­tion voranzutreiben, wie die angeführte Weisung des Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm zeigt. BMW verfügte in den 1950er Jahren noch nicht über weitergehende Direktinvestitionen im Ausland, mit der Ausnahme der BMW Canada Ltd., der ersten ausländischen Vertriebsgesellschaft, die allerdings lediglich eine kurze Episode darstellte, wie im Rahmen der Vertriebspolitik aufgezeigt wird (vgl. Kapitel 2.5). Sie wurde 1959 gegründet und bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung wieder liquidiert.124 Die Gründung der ersten BMW-Auslandsgesellschaft ausgerechnet in Kanada ist hierbei ungewöhnlich, da Unternehmen für gewöhnlich dem Prinzip der lateralen Rigidität folgen und gemäß dem Helsinki-Modell für ihre internationalen Aktivitäten zunächst diejenigen Märkte bevorzugen, die physisch, politisch, ökonomisch und kulturell dem Heimatmarkt ähnlich sind. In der Regel wählt demnach ein europäisches ­Unternehmen zunächst einen Markt in Europa für die Erweiterung seiner Auslandstätigkeiten.125 Bei der BMW Canada Ltd. handelte es sich um eine äußerst kleine Vertriebsgesellschaft, zu der kein Personal aus München entsandt wurde. Vielmehr entschied man sich bei der Wahl ihrer Leitung für ­einen seit mehreren Jahren in der US-Automobilbranche tätigen gebürtigen Deutschen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, die seinen Einsatz in der kanadischen Tochter aus arbeitsrechtlicher Sicht erheblich erleichtern sollte.126 Die Einsetzung dieses Mannes, die auf Empfehlung von Verkaufsvorstand Hof angestoßen wurde,127 bestätigt die Strategie des Unternehmens und speziell der Verkaufsabteilungen, vorzugsweise mit deutschsprachigen Partnern im Ausland zu kooperieren. Hiermit gab man der Umgehung ­potentieller sprachlicher Verständigungsprobleme den Vorzug gegenüber der höheren kulturellen Sensibilität eines Einheimischen. Das mangelnde interkulturelle 122 

Protokoll Nr. 13/57 der Vorstandssitzung vom 03. 09. 1957, in: BMW UA 107/1. Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 226. 124  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. 05. 1959, in: BMW UA 104/2; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 49. Geschäftsjahr 1964, 1965, in BMW UU 47/10. 125  Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 472, 1118f. 126  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 08. 1959, in: BMW UA 100/2. 127  Vgl. Protokoll Nr. 13/57 der Vorstandssitzung vom 08. 09. 1958, in: BMW UA 107/2. 123 

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg

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Verständnis für die Erschließung ausländischer Märkte wird in diesem Beispiel besonders deutlich, denn die BMW-Geschäftsleitung hielt die US-Expertise des neuen Geschäftsführers der BMW Canada Ltd. ohne Bedenken für eins zu eins kompatibel mit den Gegebenheiten des kanadischen Marktes. Aufgrund des geringen Auslandsengagements beschäftigte BMW in den 1950er Jahren, abgesehen von der kleinen Belegschaft in der kanadischen ­Dependance, keine Mitarbeiter außerhalb von Deutschland. Um sich neuen Absatzmärkten zu nähern, wurden stattdessen vereinzelt externe, von BMW unabhängige Agenten beauftragt, die fortan für die Betreuung definierter ­Regionen zuständig waren, wie etwa der bereits erwähnte Krüger, der im Anschluss an seine Beratertätigkeiten ab 1954 Leiter des In- und Auslandsverkaufs bei BMW wurde. Auch wenn sich demzufolge bereits in den 1950er Jahren erste Ansätze einer Markterschließung durch externe Berater abzeichnete, wurde bei BMW ein solches System aus Delegierten erst in der zweiten Phase der Internationalisierung eingesetzt und gewann somit erst im Zuge der 1960er Jahre an Professionalität, wie in Kapitel 3.5.2.1 aufgezeigt wird.

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg Seit 1923 war BMW nicht nur ein Flugmotorenproduzent, deren Produktion vor dem Hintergrund des Versailler Friedensvertrages nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland verboten war, sondern auch ein Motorradhersteller. Schnell schaffte es der Anbieter aus München, sich im oberen Preissegment hubraumstarker Zweiräder zu etablieren. Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Rennsporterfolge erlangten BMW Motorräder auch über die eigenen Landesgrenzen hinweg einen hervorragenden Ruf. Auch im Zweiradsegment wirkte der Zweite Weltkrieg als einschneidende Zäsur. Um im weiteren Verlauf der Arbeit die unterschiedliche Entwicklung der Wagen- und Motorradsparte nach 1945 aufzeigen zu können, soll vorab der Verlauf kurz erörtert werden, den das BMW-Zweiradgeschäft nahm. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Beitrag, den die Motorräder zur Internationalisierung des Unternehmens leisteten. Da es sich bei dieser Betrachtung um einen knapp gehaltenen Exkurs handelt, werden in diesen Abschnitten in allen drei Internationalisierungsphasen die vier Bereich des klassischen Marketing-Mix zusammengefasst und der Analyse des Automobilsegmentes vorangestellt. 2.3.1.  Die Motorradmodellpolitik nach dem Neubeginn im Überblick Kurz nachdem das Office of Military Government for Bavaria (OMGB) die Erlaubnis zur Notproduktion am 25. März 1946 erteilt hatte,128 gab Direktor 128 Diese

Erlaubnis beinhaltete “repairs of machines operated by municipal works, railways and private firms, in particular machines required by building contractors,

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Donath die Entwicklung eines neuen Motorrads in Auftrag, die von Böning und seinem Konstruktionsbüro übernommen wurde. War anfangs noch beabsichtig worden, ein kleines Krad mit einem 125-ccm-Zweitaktmotor zu bauen, dessen Entwicklung bis zu einem Prototyp namens R 10 reifte, wurde dieses Projekt letztlich zugunsten eines stärkeren Motorrads eingestellt.129 In einem „Bericht zur Produktionslage“ vom 21. Oktober 1946 hielt Donath fest, dass originär sogar vorgesehen war, anstatt der 250-ccm-Maschine, trotz der Produktionsbeschränkung der Alliierten vor dem Hintergrund ihrer antizipierten Aufhebung, ein noch schwereres, nämlich ein 500-ccm-Motorrad, zu entwickeln,130 um so unmittelbar nach der alliierten Freigabe dieses fertigen zu können und sich somit einen Marktvorteil gegenüber anderen deutschen Herstellern zu verschaffen. Interessanterweise wäre BMW einer Akfood-stuff- and rubber-industries and other important branches. Manufacture of automobile-spare parts and maintenance of US-Army and German vehicles. Castings of agriculture machines, household implements and parts required by the general building trade”, vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 20. 129 Mangelnde Liquidität sowie eine noch immer rudimentäre Produktionsausstattung könnten die Entscheidung der Geschäftsleitung dahingehend beeinflusst haben, nicht mehrere unterschiedliche Modelle simultan in Serie zu bringen. Des Weiteren hegte der BMW-Vorstand wahrscheinlich Zweifel, inwiefern ein leistungsschwächeres Modell wie die R 10 mit dem bisherigen Markenprofil der BMW-Vorkriegsprodukte kompatibel war. Die exakten Gründe lassen sich anhand der Quellenlage leider nicht abschließend rekonstruieren. Derlei Bedenken hinsichtlich eines Imageschadens durch ein dem Modellportfolio mitsamt seinen Markenwerten nicht kompatibles Produkt wurden erneut Mitte der 1950er Jahre gegenüber dem Prototyp eines BMW-Motorrollers angeführt, der aufgrund dieser Befürchtungen nicht in die Serienproduktion ging, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 286. Insbesondere der Vertrieb ­ arke hegte große Skepsis, dass die vorgelegten Rollerentwürfe den Ansprüchen an die M BMW gerecht wurden. Im Kontext der einbrechenden Absatzzahlen von Motorrollern im Jahre 1955 und den verhaltenen Verkaufsprognosen entschied die Geschäftsführung, das Projekt des BMW-Rollers, trotz des fertigen Prototyps, endgültig ad acta zu legen, vgl. Seidl, BMW 1945-1960, S. 68f. 1957 entschied sich der Vorstand abermals gegen die Aufnahme eines Motorrollers in das BMW-Programm, als dem Unternehmen die Übernahme der Rollerfertigung der Firma Zündapp angeboten wurde. Das Angebot wurde nach eingehender Prüfung auch mit Rücksicht auf das eigene BMWProgramm vom Vorstand abgelehnt, vgl. Protokoll Nr. 4/57 der Vorstandssitzung vom 10./15./16. 04. und 09. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. Auch einige Auslandsvertretungen, wie etwa der einflussreiche Schweizer Importeur C.A. Drenowatz, traten mit der Bitte an die BMW AG heran, einen Roller in das Programm aufzunehmen, was jedoch von der Zentrale wiederkehrend abgelehnt wurde, vgl. Schreiben von C.A. Drenowatz, BMW-Generalvertretung für die Schweiz, an die BMW AG vom 22. 03. 1954, in: BMW UA 132/1. Berichte, dass die BMW AG beabsichtigte, einen 175-ccm-Motorrolller herauszubringen, wurden bereits 1954 von der schweizerischen und italienischen Presse tradiert, da auf diesen Märkten besonderes Interesse an einem solchen BMW-Produkt bestand, vgl. Schreiben von Iso S.p.A. an die BMW AG vom 09. 12. 1954. In: BMW UA 132/1. Der BMW-Vorstand selbst hatte zuvor am 30. Oktober 1954 in seinem Bericht auf der Hauptversammlung verkündet, dass die Aufnahme einer Rollerproduktion für 1955 anvisiert war, vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 68f. 130  Vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 55f.

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg

87

tennotiz Donaths zufolge bereits im Januar 1949 in der Lage gewesen, im Rahmen des Genfer Salons eine 500-cm-Maschine vorzustellen. Um jedoch die Zusammenarbeit mit den alliierten Behörden und die laufenden Verhandlungen deutscher Vertreter mit dem Bipartite Control Office (BICO) über eine Produktionsgenehmigung schwerer Motorräder nicht negativ zu beeinflussen, sahen die Direktoren Donath und Krafft von Dellmensingen von einer voreiligen Präsentation des hubraumstarken BMW-Baumusters ab.131 Ferner war davon auszugehen, dass bei BMW zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Parallelproduktion zweier Motorradbaumuster aufgrund der er­ iquiditätsproblemen heblichen Anlaufschwierigkeiten, die unter anderem auf L und demontagegeschwächten Fertigungsanlagen fußten, möglich gewesen wäre. Verkaufsermittlungen des Münchner Hauses hatten überdies ergeben, dass bei den deutschen Behörden ein erheblicher Bedarf an 250-ccm-Motorrädern bestand. Hier rechnete die Verkaufsabteilung mit einem möglichen Absatz von bis zu 20 000 Einheiten und traf daraufhin eine Übereinkunft mit der Landesstelle, einer 250-ccm-Maschine gegenüber dem stärkeren Baumuster vorerst den Vorzug zu geben.132 Diese Entscheidung verdeutlicht die Relevanz des Behördengeschäfts für BMW, das hier Einfluss auf die Motorradmodellentwicklung nahm. Nachdem die originalen Konstruktionspläne durch die Beschlagnahme der Werke verloren gegangen waren,133 wurde zur Entwicklung der neuen 250-ccm-Maschine das in den 1930er Jahren gefertigte Einzylindermodell R 23 in seine Einzelteile zerlegt und vermessen, was die Grundlage für das neue Nachkriegsmodell legte.134 Zur Vorstellung dieses Motorrads namens R 24 mit einem Hubraum von 247 ccm wählte die BMW-Geschäftsleitung als Plattform im Frühjahr 1948 den international renommierten Genfer Salon und erzielte hiermit länderübergreifende Resonanz. Mit einem Preis von 1 750 DM positionierte sich die R 24 auf Anhieb im oberen Preissegment, was jedoch von der Klientel toleriert wurde,135 wie der Absatz von 12 020 Einheiten binnen zweier Jahre trotz eines starken deutschen Mitbewerberfeldes bewies.136 Erst in einem nächsten Schritt wurde das neue Produkt der 131  Seidl

vermutet, dass BMW mit den Arbeiten an einem 500-ccm-Motorrad nicht gegen die Auflagen der Alliierten verstieß, sondern als einzige deutsche Firma über eine behördliche Sondergenehmigung zur Entwicklung einer hubraumstärkeren Maschine verfügte, vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 60. 132  Vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 56. 133  Vgl. Aktenvermerke zu Besuchen und Besichtigungen von Angehörigen der USamerikanischen Militärverwaltung, in: BMW UA 85/1; Unterlagen über die Beschlagnahme von Werk 1/Werk 2, in: BMW UA 84/1. 134  Vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 56. 135  Vgl. Produktprofil R 24, in: BMW MD 595/1. 136  Vgl. BMW AG (Hg.): Alle Motorräder. Serienmodelle seit 1923, München 2003, S. 65. Die Serienproduktion der R 24 lief am 17. 12. 1948 im Werk Milbertshofen an. Die Maschine war also zunächst als Einzelstück einige Monate vor den notwendigen Produktionsvoraussetzungen vorgestellt worden, vgl. Bericht der Bayerischen Moto-

88

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

deutschen Öffentlichkeit auf der Exportausstellung in Hannover im Mai 1948 präsentiert.137 Die internationale Platzierung des Motorrads war in den Augen des Direktoriums auch weiterhin ein wichtiges Ziel und so stellte Trötsch, Leiter des In- und Auslandverkaufs des gesamten BMW-Produktspektrums, 1949 die R 24 persönlich in New York vor.138 Weitere Ausstellungen in Kopenhagen und London folgten in demselben Jahr, um den Namen BMW wieder weltweit nach dem Zweiten Weltkrieg zu etablieren.139 Die Geschäftsleitung fokussierte bei der Positionierung des Motorrads demnach gezielt eine breite internationale Öffentlichkeit und beabsichtigte, den Vertrieb Schritt für Schritt aufzubauen. Im weiteren Verlauf des Jahres 1949 wurde die Produktionsbeschränkung der zivilen Fahrzeugindustrie durch die Alliierten aufgehoben und somit die Fertigung von hubraumstärkeren Motorrädern ermöglicht. Hierdurch konnte BMW am 18. Oktober 1949 das neue Modell R 52/2 in München vorstellen, das auf dem Vorkriegsmodell R 51 basierte und somit erneut Vorkriegstraditionen fortsetzte,140 denn bei der Konstruktion der Motorradbaumuster folgte BMW zunächst einer Strategie des reduzierten Risikos: Anstatt von Anbeginn auf neue technische Innovationen zu setzen, knüpfte man in Gänze an die Ingenieursarbeit der Vorkriegsmodelle an. Dieses Vorgehen zeichnete nach dem Zweiten Weltkrieg das Modellprogramm vieler deutscher Zweirad- und Automobilhersteller aus, die in der Nachkriegszeit keine Neuentwicklungen vorstellten, sondern Vorkriegsmodelle produzierten.141 BMW sollte baldmöglichst erneut als Motorradhersteller auf den Märkten platziert werden und nicht gegenüber anderen Herstellern zeitlich ins Hintertreffen geraten.142 Hier zeichneten sich bereits die zu befürchtenden Auswirkungen ab, mit denen die BMW AG konfrontiert werden würde, insofern sie nicht baldmöglichst auch auf den Automobilmarkt zurückkehren würde. Dem Unternehmen mangelte es allerdings vor allem an den finanziellen Mitteln, beide Segmente parallel auf den Weg zu bringen. So entschieden Vorstand und Aufsichtsrat noch im Mai 1952, Werkzeugmaschinen, die ursprünglich für den Anlauf des Automobilbaus vorgesehen waren, für die Fertigung der seit 1950 produzierten R 25-Baureihe zu verwenden, um ihre erhöhten Ferti-

ren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, in: BMW UU 29/10. 137  Vgl. Foto „BMW Stand auf der Exportausstellung in Hannover 1948“, in: BMW UF 538/1. 138  Vgl. Foto „BMW Stand auf der Ausstellung New York 1949“, 1949, in: BMW UF 3182/1. 139 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/ 1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, in: BMW UU 29/10. 140  Vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 61. 141  Dies war auch bei Daimler-Benz der Fall, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 179f. 142  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 281f.

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg

89

gungskontingente zu erzielen.143 Diese Entscheidung unterstreicht den engen finanziellen Rahmen, in dem sich BMW bewegte. Durch die verspätete Rückkehr als Automobilhersteller sollte die BMW AG allerdings wichtige Anteile auf den Märkten verlieren, sowohl in Deutschland als auch interna­ tional, wie in Kapitel 2.5 erläutert wird. Im Motorradbereich entwickelte der Hersteller aus München sein Produktprogramm basierend auf den BMW-Vorkriegswerten weiter und ergänzte diese im Laufe der 1950er Jahre sukzessive um technische Neuerungen. Die Verkaufserfolge der Baumuster finanzierten, gemeinsam mit Krediten, den Ausbau der Fertigungskapazitäten und ermöglichten mit der Entwicklung der R 68 den Vorstoß in die Oberklasse, also in den Produktbereich der schweren Motorräder mit einem 600-ccm-Hubraum, der wiederum positive Auswirkungen auf das Image der Marke hatte. Insbesondere die ab 1952 produzierte R 68, ein ursprünglich für den US-Markt konzipiertes Sport­ modell,144 trug bald die Bezeichnung „Rolls-Royce der Motorräder“.145 Sie zeugte von einer frühen Fokussierung ausländischer Märkte, vor allem auch der USA als Volumenmarkt, im BMW-Zweiradsegment. Zu dieser Positionierung trug neben der Produktqualität auch der Preis der Maschine bei, der mit knapp 4 000 DM verhältnismäßig hoch war und hierdurch den Käuferkreis, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Automobilisierung, stark eingrenzte. Im Vergleich hierzu kostete etwa der 1955 aufgelegte Kleinstwagen BMW Isetta nur 2 580 DM (1955). 146 Auch das Nachfolge­ modell R 69 wurde in US-Ausführung nach Übersee geliefert und war eines der schnellsten Serienmotorräder ihres Preissegments der Zeit.147 Wenngleich diese beiden „High-End-Produkte“ des BMW-Motorradportfolios nur verhältnismäßig geringe Stückzahlen erreichten, war der Imagegewinn für die Marke im In- und Ausland, der durch zahlreiche sportliche Erfolge unterstrichen wurde, ein wichtiges Ergebnis für das Unternehmen. Bereits Anfang Dezember 1951 feierte die BMW AG das Produktionsjubiläum des 50 000. in München gefertigten Motorrads.148 Die Motorrad­ produktion wurde bis Ende 1956 auf insgesamt 175 665 Einheiten gesteigert, ­obwohl ab Ende 1952 parallel hierzu die Automobilfertigung im Münchner Werk anlief. Im PKW-Segment handelte es sich jedoch anfangs um verhältnismäßig geringe Stückzahlen, während sich das Hauptaugenmerk der Produktion bis Mitte der 1950er Jahre noch auf das Zweiradgeschäft richtete. Unter Berücksichtigung des sich abzeichnenden strukturellen Wandels der 143 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 07. 05. 1952, in: BMW UA 143/1. Vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 61f. 145  Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 282. 146  Ebd., S. 282. 147  Vgl. „BMW R 69 US-Ausführung mit Zubehör“, 1955, in: BMW MF 2341/2; Produktprofil R 69, in: BMW MD 606/1. 148  Vgl. Pressemitteilung „Fertigung des 50 000. BMW Motorrades“ vom 04. 12. 1951, in: BMW UP 53/10. 144 

90

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Mobilitätsmärkte in Deutschland und Europa, hin zur zunehmenden Automobilisierung, musste das Unternehmen jedoch umdenken und parallel zu dem erfolgreichen Motorradprogramm ebenfalls eine verlässliche PKW-Modellpalette auf den Weg bringen. Durch die strukturellen sowie finanziellen Probleme der BMW AG gestaltete sich jedoch diese Neujustierung, die mit der Verlagerung des primären Geschäftsfeldes einherging, äußerst schwierig, worauf in Kapitel 2.4.1 explizit eingegangen wird. Dieser Wandel hin zum Automobil zeichnete sich erst 1952 ab, so dass sich Vorstand und Aufsichtsrat im Oktober desselben Jahres dazu entschlossen, die Fertigungskapazitäten der Motorradsparte nicht weiter auszubauen und somit für die Zweiradproduktion keine weiteren großen Investitionen zu veranschlagen.149 Die BMW-Führungsgremien erkannten demnach Ende 1952, dass die Zukunft der Mobilität im Automobilbereich lag. Die erhebliche Steigerung der produzierten Motorradeinheiten bis einschließlich 1956, die Tabelle 4 zu ent­ nehmen ist, konnte demnach ohne nennenswerte zusätzliche Investitionen erreicht werden.  150  1948

1949

1950

1951

1952

1953

1954

1955

73 812 153 058 247 417 249 479 200 641 125 622

1956

125– Gesamt250 markt ccm BMW Anteil (%)

k. A.

33 535

k. A.

59 k. A.

9 400 28

12 056 16

18 501 12

22 050 9

19 300 8

25 386 13

17 535 14

11 299 k. A.

>250 Gesamtccm markt BMW Anteil (%)

k. A.

2 443

12 598

24 699

30 334

29 334

21 315

21 077

9 007

k. A. k. A.

k. A. k. A.

5 005 40

6 600 27

6 260 21

8 404 29

4 313 20

5 996 28

3 501 39

Tabelle 4: Entwicklung des deutschen Motorradmarktes und der BMW-Motorrad­sparte anhand ihrer Produktionszahlen, 1948–1956.150

Bei einer genaueren Betrachtung der Motorradproduktionszahlen, die in Tabelle 4 nach Klassen gegliedert dargestellt sind, zeigt sich, dass der deutsche Zweiradmarkt nach 1953 stark rückläufig war, mit einem besonders signifikanten Einbruch bei BMW zum Jahre 1956, während das Geschäftsjahr 1954 noch mit insgesamt 29 699 Einheiten das bislang erfolgreichste der BMW-Motorradsparte war. Fernerhin wird deutlich, dass der Münchner Hersteller durch die frühzeitig aufgenommene Entwicklungsarbeit an einer hubraumstarken Maschine, das somit zeitnah nach Aufhebung der alliierten Produktionsbeschränkung herausgebracht werden konnte, einen deutlichen Marktvorteil in dieser Klasse gegenüber anderen deutschen Herstellern besaß. In dem härter umkämpften Segment der leichten Maschinen (bis 250 ccm)

149  150 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 10. 1952, in: BMW UA 143/1. Vgl. Triebel, Marketingloch, hier S. 42, Fußnote 12.

91

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg Umsätze aufgeteilt in PKW, Motorräder und sonstige Umsätze (TDM)

300 000 PKW

Motorrad

Sonstige

250 000 200 000 150 000 100 000 50 000

1948-49 50

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

Abbildung 7: Umsatzentwicklung der BMW AG nach Produktsparten (Angaben in 1 000 DM), 1948–1960.151

war die Konkurrenz weitaus höher und somit sank dort der BMW-Anteil zwischen 1948 und 1953 von 28 auf 8 Prozent.152 Abbildung 7 zeigt die Umsatzentwicklung der BMW AG gegliedert nach Sparten und illustriert die Verschiebung des primären Geschäftsfeldes während der 1950er Jahre vom Motorrad- zum Automobilbau. Ab 1955 wurden durch den Wagenverkauf die Haupteinnahmen erwirtschaftet, was zuvor von den Krafträdern geleistet worden war. Auch wenn ihre Bedeutung ab 1955 dramatisch zurückging, hatte der Aufsichtsrat bereits 1956 in einer Sitzung protokollieren lassen, zu einem Zeitpunkt also, in dem der Strukturwandel des Motorradmarktes das Unternehmen vollumfänglich erreicht hatte, dass das Motorrad für BMW trotz des sinkenden Absatzes auch zukünftig wichtiger Bestandteil des Produktspektrums sein müsse und nicht aufgegeben werde dürfe: „Für die Zukunft ist zum Motorrad nur noch zu sagen, dass die Produktion selbst bei fortschreitendem Nachlassen des Absatzes niemals wird ganz aufgegeben werden dürfen. Der Name BMW wird entscheidend vom Motorrad mitgetragen.“153

Dieses Zitat unterstreicht den hohen Stellenwert, den Motorräder für die Marke besaßen und welchen Beitrag sie zum BMW-Image leisteten. Es zeigt, 151  Bericht

der Bayerischen Motoren-Werke über das 47. Geschäftsjahr 1962, 1963, in: BMW UU 45/10. 152  Im Jahre 1953 sah sich BMW in der Klasse von 201 bis 250 ccm insgesamt 20 Konkurrenten gegenüber, während es in dem Segment der schweren Maschinen mit über 250-ccm-Hubraum nur fünf Mitbewerber waren, vgl. Brief von Grewenig, BMWVorstand Kaufmännischer Bereich, an Trötsch, Leiter des In- und Auslandsverkaufs, vom 17. 07. 1953, in: BMW UA 71/1. 153  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 22. 06. 1956, in: BMW UA 143/1.

92

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

dass die BMW-Geschäftsleitung hier nicht gewillt war, ausschließlich nach ökonomischen Gesichtspunkten Entscheidungen über den weiteren Verlauf der Motorradsparte zu treffen. Diese Einstellung spiegelte sich erneut gegen Ende der 1960er Jahre bei BMW wider und kumulierte in dem sogenannten „Bekenntnis zum Motorrad“ der Geschäftsleitung, das kommunikativ als solches auch medienwirksam eingesetzt wurde (vgl. Kapitel 3.3). Nach dem für BMW-Motorräder absatzstärksten Jahr 1954 verdreifachte sich im darauffolgenden Jahr der Umsatz aus dem PKW-Segment, während die Anteile des Motorradumsatzes sanken. Unter der Rubrik „Sonstiges“ subsumierten sich bis einschließlich 1955 vor allem die Einnahmen aus dem Allacher KOMD (vgl. Abschnitt 2.1.1). Ab 1955 kamen die zunächst verhaltenen Umsätze aus dem Triebwerksgeschäft zum Tragen, das jedoch erst ab 1960 einen kleinen Gewinn verzeichnen konnte. Im August 1965 verkauft BMW den Anteil an der Triebwerkstochter an den Partner MAN AG und konzentriert sich fortan vollends auf das Automobil- und Motorradgeschäft.154 Abbildung 7 führt zudem deutlich vor Augen, welche Auswirkungen die späte Rückkehr der BMW AG in die Automobilfertigung auf die Umsatzentwicklung hatte und dass die Zweiradsparte bis Mitte der 1950er Jahre der Hauptumsatzträger war. Dies musste zwangsläufig, vor dem Hintergrund der sich wandelnden Kundenansprüche hin zur überdachten Mobilität, zu einer Unternehmenskrise führen, insofern das automobile Modellspektrum nicht bald an dem Wandel der Märkte partizipierte (vgl. Kapitel 2.4.1). 2.3.2.  Der Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung der BMW AG BMW-Motorräder nahmen für die Internationalisierung des Unternehmens nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle ein, die sich sowohl in den Exportzahlen widerspiegelte als auch in dem Image, das somit über die eigenen Landesgrenzen hinaus wiederbelebt und etabliert wurde. Zweiräder aus München hatten die Markenwerte vor dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit den sportlichen Erfolgen der Mittelklassewagen maßgeblich geprägt. Den an diese Charakteristika anknüpfenden BMW-Motorrädern war es zu verdanken, dass diese Tradition in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren fortgesetzt und somit das Image der Marke aufrechterhalten blieb bzw. weiter tradiert wurde. Diese Ansicht vertrat auch der bayerische Wirtschafts­ minister Seidel, der sich 1952 für die Akkreditierung der BMW AG bei den Bemühungen ihrer Geschäftsleitung um staatliche Finanzmittel einsetzte: „Bei BMW handelt es sich um den größten Industriebetrieb in München und Oberbayern. Auf Grund der Verkaufserfolge der beiden BMW-Motorradtypen darf die 154  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 60. Eine ausführliche Aufbereitung aller historischen Details über das Triebwerksgeschäft der BMW AG zwischen 1954 und 1965 bietet Seidl, vgl. Seidl, BMW 1945–1960, S. 156–184 und S. 299–308.

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg

93

Geschäftsleitung annehmen, dass der an sich noch bekanntere BMW-Wagen mit gleichem Erfolg verkauft werden kann. Dabei wird neben dem Absatz im Inland der ­Export eine besonders wichtige Rolle spielen, wie sich aus bereits durchgeführten Erhebungen ergibt. […] Die Bayerischen Motoren Werke und ihr weißblaues Firmenschild werben ganz allgemein für Bayern und seine Wirtschaft.“155

Krafträder waren bis 1955 das wichtigste Standbein von BMW, wobei das Zweiradgeschäft das knapp fünfjährige Vakuum füllte, das durch die Abwesenheit eines automobilen Produktangebotes im Portfolio entstanden war. Das BMW-Motorrad fungierte vor allem im Ausland als Wegbereiter für das spätere Wagenprogramm des Münchner Unternehmens, da es außerhalb von Deutschland noch länger dauerte, bis Wagen der Marke BMW in größeren Stückzahlen exportiert wurden. Hierbei spielte die bereits angemerkte Anknüpfung an das Vorkriegsimage eine wichtige Rolle. Darüber hinaus bestanden in einigen Ländern derart hohe institutionelle Hürden im Hinblick etwa auf die Steuerpolitik oder Einfuhrregularien, dass ein Import von Automobilen aufgrund des späten Markteintritts und der finanziell schwierigen Unternehmenslage zunächst in vielen Länder nicht möglich war. Dies war beispielsweise in Brasilien der Fall, wo die Regierung den freien Handel mit Automobilen in den 1950er Jahren stark durch ein mehrstufiges Local-Content-Programm regulierte. Ähnliche Beschränkungen galten für den Zweiradbereich hingegen nicht. BMW hatte demnach aufgrund der zu spät auf­ genommenen Automobilfertigung und der institutionellen Regulierungen gegenüber der starken Konkurrenz wie etwa Volkswagen keine Chance, in den 1950er Jahren in Brasilien mit seinem Wagenprogramm Fuß zu fassen.156 BMW-Motorräder hingegen wurden bereits seit 1949 nach Brasilien in kleinen Kontingenten durch die Importfirma Veram Motors SA exportiert, die unmittelbar nach der Wiederaufnahme der Zweiradproduktion an die Zen­ trale in München herangetreten war, um sich um die Einfuhr der BMWKrafträder zu bewerben.157 Ende der 1950er Jahre versuchte der brasilianische Importeur den Verkauf der BMW-Zweizylindermaschinen durch das Behördengeschäft weiter zu forcieren.158 Brasilien ist also ein anschauliches Beispiel, wie BMW-Motorräder eine Phase überbrücken konnten, in der BMW-Automobile in manche Länder noch nicht exportiert werden konnten,

155 Brief

des bayerischen Wirtschaftsministers Seidel an das Landtagsamt vom 07. 05. 1952, in: BMW UA 189/1. 156 Vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1. 157  Vgl. Korrespondenz zwischen Veram Motors SA und der BMW AG, 1950–1954, in: BMW UA 132/1. 158 Vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1. Der Kontrakt mit Veram Motors SA wurde allerdings im ersten Quartal 1958 aufgrund nicht zufriedenstellender Verkaufszahlen von BMW gelöst und durch die Firma Moto Guzzi ersetzt, vgl. Protokoll Nr.  5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2.

94

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

der Name BMW durch die Zweiradsparte dennoch weiter gefestigt und tradiert wurde. Die Wiederaufnahme des Ausfuhrgeschäftes durch den Export von BMWMotorrädern ermöglichte den Verantwortlichen der Verkaufsabteilungen überdies erste Erfahrungen für den Wiedereinstieg in die ausländischen Märkte. Hierbei versuchte der Vertrieb oftmals alte Kontakte der Vorkriegszeit zu ehemaligen Vertretungen wiederzubeleben, dieses Vorgehen erzielte jedoch nur in einigen wenigen Fällen Erfolg.159 In der Zwischenzeit hatten sich bereits zahlreiche ehemalige Auslandsvertretungen anderen Herstellern zugewandt und so sah sich BMW gezwungen, in den meisten Märkten in Gänze neue Verbindungen aufzubauen. Die tragende Rolle der Motorräder für die Internationalisierung der BMW AG muss jedoch auf die Nachkriegszeit bis etwa 1957 begrenzt werden, da sie dann im Hinblick auf Erlös und Stückzahlen von den BMW-Automobilen, hier vor allem zunächst den Kleinst- und Kleinwagen, abgelöst wurden. Ihren imagefördernden Charakter verloren sie allerdings auch über die 1950er Jahre hinaus nicht, zählten sie doch weltweit zu den bevorzugten und beliebtesten Produkten öffentlicher Institutionen wie etwa der Polizei. Dies war eine wichtige Facette, die sich nicht nur in den Verkaufszahlen widerspiegelte, sondern darüber hinaus auch in dem Image der Marke als verlässlicher Partner im Straßenverkehr.160 Die Wiederaufnahme des Außenhandels der BMW AG war nicht nur für die eigene Unternehmensentwicklung von großer Bedeutung, ihr kann fernerhin auch eine volkswirtschaftliche Relevanz zugeordnet werden. Durch die alliierten Auflagen und die erschwerten Voraussetzungen für die Wiedereingliederung der Bundesrepublik in den internationalen Zahlungsverkehr war der deutsche Außenhandel in der Nachkriegszeit und den frühen 1950er Jahren nachhaltig beeinträchtigt (vgl. Kapitel 1.1). Die BMW AG, die verhältnismäßig früh die Erlaubnis zur Entwicklung einer hubraumstarken Maschine über 350 ccm erhalten hatte, war somit in der Lage gewesen, unmittelbar nach der Aufhebung des alliierten Produktionsverbotes ein Motorrad der oberen Klasse auf den Markt zu bringen und sich hierdurch in diesem Segment wesentliche Marktanteile zu sichern. Doch auch in der Klasse der leichteren Motorräder erzielte BMW, insbesondere bis in die frühen 1950er Jahre hinein, eine hohe Partizipation auf den Märkten. Auch bedingt durch zahlreiche Rennerfolge hatten sich Motorräder aus München bereits in der Vor159  Die Importeure Hart, Nibbrig & Greeve in Holland, Skandinavisk Motor Co. in Dänemark, Bitem in Griechenland, A.F.N. Ltd. Falcon Works in Großbritannien, C.A. Drenowatz in der Schweiz oder auch Club Motors (Pty) Ltd. in Südafrika (vgl. Kapitel 5) sind einige Beispiele für Beziehungen zu Auslandsvertretungen, die bis in die Vorkriegszeit zurückreichten und nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt werden konnten, vgl. Korrespondenz mit diversen Importeuren, 1950–1954, in: BMW UA 71/1. 160  Vgl. Jakobs, Fred (2003): BMW Motorräder – acht Jahrzehnte im Einsatz von Behörden und Verbänden, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 1, Nr. 3, S. 32–35.

95

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg

kriegszeit international einen hervorragenden Ruf geschaffen.161 Tabelle 5 zeigt die Exportanteile der BMW AG an der Ausfuhr der deutschen Motorradindustrie bis Mitte der 1950er Jahre in den für BMW relevanten Hubraumklassen von 250 ccm und 500/600 ccm.  162  Hubraum

1950 Gesamt

1951

BMW Gesamt

1952

BMW Gesamt

1953

BMW Gesamt

1954

BMW Gesamt

1955

BMW Gesamt

BMW

250 ccm

3 800 1 650 (43%)

7 752 3 993 11 826 4 217 19 451 3 357 23 743 4 234 20 932 4 823 (52%) (36%) (17%) (18%) (23%)

500/600 ccm

1 525 1 395 (91%)

2 466 1 941 (79%)

Gesamt162

5 325 3 045 10 218 5 934 15 731 6 103 22 771 5 258 27 017 6 077 23 431 6 912 (57%) (58%) (39%) (23%) (22%) (29%)

3 905 1 886 (48%)

3 320 1 901 (57%)

3 274 1 843 (56%)

2 499

Tabelle 5: Exportanteil von BMW-Motorrädern an dem Export der deutschen Motorradindustrie in den Hubraumklassen 250 ccm und 500/600 ccm, 1950–1955.163

Diese Zahlen belegen die Dominanz des Münchner Kraftradherstellers in der Zweiradoberklasse, in der er in den ersten Jahren nicht nur auf dem Heimatmarkt, sondern auch im deutschen Export Marktführer gegenüber der heimischen Konkurrenz war. Mit dem Wandel der Verkehrsmobilität, durch den der Wunsch großer Bevölkerungsteile nach einem Automobil anstelle ­eines Kraftrads zum Ausdruck kam,164 nahm jedoch auch der Konkurrenzdruck auf den Motorradmärkten massiv zu. Bis 1957 hatten zahlreiche erfolgreiche deutsche Hersteller wie Horex, Tornax und NSU ihre Werke schließen müssen, während sich andere Fabrikanten wie Hercules, Zündapp und ­Kreidler auf die Fertigung von Kleinkrafträdern, Mofas und Mopeds spezialisierten.165 Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Exportzahlen der 161  Vgl.

Ders. (2003): Weltrekorde und Gesamtsiege. BMW und der Motorradrennsport, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 1, Nr. 1, S. 10–13. 162  An dieser Stelle soll deutlich hervorgehoben werden, dass es sich bei dieser Darstellung nicht um den Gesamtexport der deutschen Motorradindustrie handelt, sondern lediglich um die Hubraumklassen 250 ccm und 500/600 ccm, in denen BMW als Hersteller tätig war. Die Einbeziehung aller Hubraumklassen würde selbstverständlich die Anteile der BMW AG senken. 163  Vgl. Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig, Vorstand Kaufmännischer Bereich, vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1. 164  Dieser Wandel hing direkt mit dem überdurchschnittlichen Wachstum der deutschen Wirtschaft besonders in den 1950er Jahren zusammen, der auch als „Wirtschaftswunder“ bekannt wurde. Welche Auswirkungen dies auf die Motorisierung und die Mobilitätsmärkte hatte, wurde anschaulich von Beckmann untersucht, vgl. Beckmann, Käfer, Goggos, Heckflossen, S. 57–103. 165  Vgl. Bauer, Reinhold (2008): Kurzer Boom und lange Krise. Die deutsche Motorradindustrie in der Nachkriegszeit, unveröffentlichter Vortrag der Tagung „MotorradImage im Wandel der Zeit“ der BMW Group Classic vom 03./04. 04. 2008, München.

2 089 (84%)

96

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

BMW AG wider, die insbesondere in der Hubraumklasse von 250 ccm ab 1953 rückläufig waren, da die deutschen Mitbewerber ihre Ausfuhrbemühungen stark intensivierten und große Exportrabatte gewährten, um in wichtigen Märk­ten Fuß zu fassen.166 Die Insolvenzen einiger Mitbewerber und die Spezialisierung der deutschen Zweiradindustrie auf Kleinkrafträder ließ überdies die BMW-Marktanteile in der Oberklasse (>500 ccm) im Ausland überproportional ansteigen, so dass der Münchner Hersteller 1955 hier wieder einen Exportanteil an der deutschen Zweiradindustrie von 84 Prozent erreichte. In den ersten Jahren nach Wiederaufnahme der zivilen Produktion machte der Inlandsverkauf bei BMW den Hauptabsatz aus, da der Binnenmarkt in den frühen 1950er Jahren noch einen großen Bedarf an Motorrädern aufwies, der allerdings bis zur Jahrzehntmitte von einer erheblichen Nachfrage nach Automobilen abgelöst wurde. Die Fertigungskapazitäten des Münchner Werks reichten anfangs nicht aus, um die Inlandsnachfrage zu befriedigen.167 Der anfänglich höhere Anteil des Heimatmarktes resultierte also aus begrenzten Produktionskapazitäten, aber auch aus dort höheren Margen und günstigeren logistischen Voraussetzungen, da sich die Vertriebskanäle im Inund Ausland noch im Aufbau befanden, sich dieser außerhalb von Deutschland jedoch schwieriger gestaltete, worauf in Kapitel 2.5.2 im Kontext der PKW-Sparte näher eingegangen wird. Dass BMW im Zweiradbereich von Anbeginn das Exportgeschäft im Blick hatte, bestätigten die Vorstellungen der neuen Motorradprodukte auf Messen internationalen Formats, die in Abschnitt 2.3.1 thematisiert wurden. Aufgrund der günstigeren Ausgangsbedingungen auf dem Heimatmarkt, wurde dem Absatz hier zunächst den Vorzug gegeben. Dieses Verhalten entspricht ebenfalls dem mehrfach zitierten Prinzip der lateralen Rigidität von Luostarinen.168 Tabelle 6 zeigt den Anteil der für die Ausfuhr bestimmten BMW-Motorradproduktion nach Klassen. Diese Zahlen belegen den hohen Stellenwert, den der Binnenmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg für die Kraftradproduktion der BMW AG einnahm. Dass die Geschäftsleitung das Ausfuhrgeschäft dennoch als wichtig einstufte, zeigten die trotz der in Deutschland günstigeren Voraussetzungen exportierten Stückzahlen von 3 045 Motorrädern (1950). Dies gründete sich darauf, dass sich allmählich die Verkaufsorganisation für Zweiräder im Ausland verbesserte. Ab Mitte der 1950er Jahre kam hierzu die Einsicht des BMW-Vorstands, dass die Auslandsmärkte nicht vernachlässigt werden durften. Zum anderen zeichnete sich in der deutschen Motorradindustrie spätestens gegen Mitte des Jahrzehnts der mehrfach angeführte Strukturwandel der Verkehrsmobilität ab, der in den Augen des BMW-Direktoriums nicht nur 166 

Vgl. „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig, Vorstand Kaufmännischer Bereich, vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1. 167 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/ 1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, 26. 04. 1952, in: BMW UU 29/10. 168  Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 1118f.

97

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg Hubraum

1949

1950

Ge- Exsamt port 250 ccm

9 400

500/600 ccm



Gesamt

9 400

Gesamt

Export

1951 Gesamt

Export

1952 Gesamt

Export

1953 Gesamt

Export

1954 Gesamt

Export

1955 Gesamt

Export

587 12 056 1 650 18 501 3 993 22 050 4 217 19 300 3 357 25 386 4 234 17 535 4 823 (6%) (14%) (22%) (19%) (17%) (17%) (28%) –

5 005 1 395 (28%)

6 600 1 941 (29%)

6 260 1 886 (30%)

8 404 1 901 (23%)

4 313 1 843 (43%)

5 996 2 089 (35%)

587 17 061 3 045 25 101 5 934 28 310 6 103 27 704 5 258 29 699 6 077 23 531 6 912 (6%) (18%) (24%) (22%) (19%) (20%) (29%)

Tabelle 6: Exportanteil von BMW-Motorrädern an der gesamten Motorradproduktion der BMW AG, 1949–1955.169

die Förderung des Automobilbereiches unumgänglich machte, sondern auch eine breitere Fächerung auf verschiedene Absatzregionen forderte. Die Bedeutung des Exports für die BMW AG wurde in diesem Sinne von ­ ­Grewenig, Vorstand des Kaufmännischen Bereichs, hervorgehoben: „Auch ohne Rücksichtnahme auf die nationalen Interessen des Exportes der Bundesrepublik Deutschland besteht sicherlich Übereinstimmung, dass auch für BMW der Export eine zwingende Notwendigkeit darstellt. Wir sind ein Erwerbsunternehmen, dass nur aus den Verkaufserlösen leben kann.“170

Eine stärkere Priorisierung des Motorradexports, vor allem in der oberen Hubraumklasse, lässt sich ab 1954 attestieren. Bei einer 1955 aufgrund der wachsenden Bedeutung der Automobilsparte durch den BMW-Vorstand veranlassten Drosselung der Motorradproduktion um rund 20 Prozent wurde die Ausfuhr dennoch weiter gesteigert. In welche Absatzregionen aber exportierte die BMW AG ihre Motorräder? Nach Angaben des BMW-Geschäftsberichtes zählten Ende 1950 insgesamt 31 Länder zum Exportgebiet von Zweirädern des Münchner Unternehmens.171 Bis 1952 und somit in einer vergleichsweise kurzen Zeit konnte der Verkauf auf 67 Staaten ausgeweitet werden, wobei die Schweiz, die Niederlande, die Türkei, Italien, Finnland 169  Berechnungen

aus verschiedenen Tabellen, vgl. Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1; Triebel, Marketingloch, S. 42, Fußnote 12. 170  Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1. 171 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/ 1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, 26. 04. 1952, in: BMW UU 29/10. Interessanterweise weichen hier die offiziellen Angaben der Geschäftsberichte der Jahre 1950 und 1951 von den Ziffern ab, die die BMW AG in einem Brief an die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses des Bayerischen Landtages im August 1951 angaben. In diesem wurde für 1950 ein Export von BMW-Motorrädern in 72 Länder angeführt, der nicht mit den anderen Angaben übereinstimmte. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Schönung der Zahlen handelte, um die volkswirtschaftliche Position der BMW AG zu stärken und den Wünschen des Unternehmens gegenüber dem ­Bayerischen Staat größeren Nachdruck zu verleihen. Für die vermeintlich geschönten Angaben, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 78.

98

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

und Schweden die Hauptabnehmer von BMW-Motorrädern waren.172 Ähnlich der Automobilsparte sowie im deutschen Mitbewerberfeld der Motorradindustrie konzentrierte sich der Verkauf zunächst auf die in Nachbarschaft liegenden Länder. Abbildung 8, in welcher der Export von BMW-­ Motorrädern nach Verkaufsregionen von 1949 bis 1955 dargestellt ist, macht deutlich, dass die europäischen Märkte in diesem Zeitraum das Hauptabsatzgebiet für BMW-Zweiräder waren. „Solange BMW nur Motorräder gebaut hat [bis 1952, Anm. d. Verfasserin], beschränkte sich unsere Exportabteilung nur auf den Besuch und das Studium der europäischen Importeure der westlichen Welt. […] Alle Verkäufe wurden bis heute mit sehr kleinen Ausnahmen nur als Barverkäufe oder mittels Gestellung eines unwiderruflichen Akkreditivs getätigt, wodurch keine Verluste in der Vergangenheit eingetreten sind. Wir haben dadurch vielleicht weniger verkauft, jedoch war die Sicherheit des Geldeinganges ausschlaggebend, umso mehr, als bis Mitte 1955 der Inlandsabsatz alle Bestände aufgenommen hat. Ich glaube jedoch nicht, dass wir diese Politik in Zukunft voll aufrechterhalten können.“173

Dieses Zitat von Grewenig verdeutlicht, in welch überschaubaren Rahmen sich das Exportgeschäft in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bewegte. Der Schwerpunk der Verkaufspolitik lag im Motorradsegment anfangs auf Europa, die anderen Regionen wurden erst allmählich erschlossen. Darüber hinaus achtete man auf eine Minimierung des finanziellen Risikos durch Bargeschäfte und unwiderrufliche Akkreditiv, die der monetär angespannten Lage des Unternehmens geschuldet und zugleich charakteristisch für eine Geschäftsführung der „alten Schule“ war. Wichtigstes Land innerhalb des Europageschäftes der 1950er Jahre war die Schweiz, einschließlich Liechtenstein, in der die Importfirma C.A. Drenowatz bereits seit den 1920er Jahren die BMW-Vertretung für Wagen und Motor­ räder unterhielt, zu der eine äußerst enge Verbindung bestand.174 Zwischen 1950 und 1955 wurden jährlich durchschnittlich circa 2 000 bis 3 000 BMWMotorräder in die Schweiz exportiert, was sie für die Kraftradsparte des ­Unternehmens zum wichtigsten Absatzmarkt der 1950er Jahre machte.175 Hierdurch nahm Drenowatz eine Sonderstellung gegenüber der Münchner Zentrale ein und war ein wichtiger Partner des Unternehmens. Sein Einfluss wurde unter anderem darin deutlich, dass die BMW-Geschäftsleitung seinem ­ odell in einer weiteDrängen nachgab, neben der „Hausfarbe“ Schwarz ein M

172 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 37. Geschäftsjahr 1952, 1953, in: BMW UU 31/10. 173  Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1. 174  Vgl. Korrespondenz zwischen C.A. Drenowatz und der BMW AG, 1950–1954, in: BMW UA 132/1. 175  Vgl. Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1.

99

2.3.  BMW Motorrad nach dem Zweiten Weltkrieg

100%

90% 80% 70%

Ozeanien

60%

Asien

50%

Afrika

40%

Lateinamerika Nordamerika

30%

Europa

20% 10% 0% 1949

1950

1951

1952

1953

1954

1955

Abbildung 8: Export von BMW-Motorrädern nach Verkaufsregionen, 1949–1955.176

ren exklusiven Lackierung zu produzieren.177 München folgte dem Wunsch und lieferte Anfang der 1960er Jahre eine limitierte Auflage von hellblauen Motorrädern in die Schweiz.178 Weitere wichtige europäische Märkte für BMW-Krafträder waren während der ersten Phase der Interna­tionalisierung neben der Schweiz, die Niederlande, Schweden, Frankreich, Italien, Österreich und Dänemark.179 Während sich die Motorradausfuhr zu Beginn nahezu ausschließlich auf Europa konzentrierte (1949: 90 Prozent),180 gewannen bis Mitte der 1950er Jahre weitere, entferntere Absatzregionen – sowohl aus geographischer als auch kultureller Perspektive – wie Asien stark an Bedeutung.181 Diese Ver­ 176 

Vgl. ebd. Die Angaben enthalten keine Auslandsverkäufe „Inland gegen Devisen“. zum Jahre 1969 blieb Schwarz die „Hausfarbe“ von BMW-Motorrädern. Einzig das Modell R 69 S (1960–1969) wurde auch in weißer Lackierung geliefert, vgl. Prospekt „BMW Motorräder“, 05. 1968, in: BMW MK 335/10; BMW AG, Alle ­Motorräder, S. 23; Biss, Annika: BMW Motorrad. Image im Wandel der Zeit, Magister­ arbeit, Konstanz 2008, S. 122. 178 Vgl. Aktennotiz „Vertreterbesuch / Winter-Vorratsaufträge“ von Trötsch (KS) vom 04. 12. 1956, in: BMW UA 230/1. 179  Vgl. Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1. 180  Bei dieser Interpretation darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei dem Export im Jahre 1949 um insgesamt sehr geringe Stückzahlen von nur 587 Einheiten handelte. 181  Der Grad der Internationalisierung nimmt parallel mit der Anzahl der verschiedenen Länder zu, mit denen Handelsbeziehungen bestehen. In Anlehnung an Sullivans “psychic dispersion of the international operations of a firm“ ist ein deutsches Unternehmen, das in einem asiatischen Markt Handel betreibt, internationaler, als wenn es 177  Bis

100

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

lagerung ging zulasten des Europageschäftes, wo ein Rückgang des Exportanteils von 90 Prozent (1949) auf 56 Prozent (1955) zu verzeichnen war, während die Ausfuhr in die asiatischen Märkte von 3 Prozent (1949) auf 25 Prozent (1955) stieg. Bedeutende Handelsbeziehungen bestanden dort mit Indonesien, Indochina182 und Japan. Der sprunghafte Anstieg des Absatzes 1955 in Asien um 19 Prozent war auf eine einmalige Lieferung von 1 476 Motorrädern nach Indonesien zurückzuführen, die an die dortigen Behörden als Dienstfahrzeuge ausgeliefert wurden.183 In dem darauffolgenden Jahr sank somit der Anteil des Exportes nach Asien wieder, obgleich im folgenden Verlauf diese Vertriebsregion einschließlich Indien auch weiterhin stetig an Bedeutung gewann. Überraschend gering waren in den 1950er Jahre hingegen die Verkaufsanteile in Nordamerika, wo die Bedeutung des Motorrads gegenüber Automobilen zwar früher rückläufig war als in Europa, jedoch noch immer einen volumenstarken attraktiven Motorradmarkt darstellte. Absolut konnten die Stückzahlen von 125 Einheiten (4 Prozent) in 1950 bis 1955 allerdings nur auf 353 Einheiten (5 Prozent) gesteigert werden. Diese verhaltene Entwicklung war auf die Schwierigkeiten bei dem Aufbau einer effizienten Vertriebsorganisation in den nordamerikanischen Staaten USA und Kanada zu erklären, denen sich BMW und die Importeure in den 1950er Jahren gegenübersahen. Aufgrund des unbefriedigenden Verkaufs wechselte der US-Importeur für BMW-Motorräder während der ersten Hälfte der Dekade in nur fünf Jahren dreimal.184 Die geographische Weite dieser Länder stellte BMW wie auch andere Hersteller vor große Herausforderungen bei ihrer verkaufstechnischen Erschließung. In einem Vergleich zeigt sich, dass DaimlerBenz dort aufgrund der lang zurückreichenden internationalen Tradition einerseits und – ebenso wie Volkswagen – aufgrund der höheren Stückzahlen weitaus schneller Fuß fassen konnte als das kleinere Münchner Unternehmen, das in den 1950er Jahren nur geringe Stückzahlen exportierte und nachdrücklich mit betriebsinternen Problemen haderte. Mit der Verlagerung des primären Geschäftsfeldes vom Zweirad- hin zum Automobilbau sowie der zunehmenden Sättigung des deutschen Motorradmarktes nahm auch die wirtschaftliche Bedeutung der Ausfuhr für die BMW AG in diesem Segment zu: 1956 stieg der Exportanteil am Gesamtmotorradumsatz bereits auf 42 Prozent an.185 Gegen Ende der Dekade wurde jedoch, diese Beziehungen mit einem europäischen Nachbarland unterhielte, vgl. Sullivan, Measuring the Degree of Internationalization, S. 332. 182  Indochina ist die veraltete Bezeichnung für die heutigen Länder Vietnam, Kam­ bodscha und Laos. 183  Vgl. Memorandum „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1. 184  Vgl. US-Importeursverträge, 1949–1954, in: BMW UA 699/1. 185 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 41. Geschäftsjahr 1956, 1957, in: BMW UU 35/10.

2.4.  Modell- und Preispolitik

101

vor dem Hintergrund der Unternehmenskrise und dem zunehmenden Finanzdruck, das Exportengagement auf Beschluss des Vorstands modifiziert: Es sollte nur noch dann exportiert werden, wenn der Inlandsmarkt nicht mehr aufnahmefähig war und nur in diejenigen Länder Erzeugnisse ausgeführt werden, in denen ein nachhaltiges Geschäft bei guten Preisen zu erwarten war. Diese Maxime gründete auf der Annahme, dass jede Verschiebung vom Inlands- zum Auslandsgeschäft aufgrund der geringeren Margen eine negative Auswirkung auf das Gesamtergebnis brachte.186 Dieser Vorstandsbeschluss war im Motorradbereich der BMW AG wie erwähnt bereits gängige Praxis und zielte somit 1957 vor allem auf die Automobilsparte. Weiterführende Erläuterungen hinsichtlich der Vertriebsstrategie für BMW-Wagen finden sich in Abschnitt 2.5.3. Im Zuge der folgenden Jahre baute die BMW AG durch die Sättigung des Inlandsmarktes den Export binnen des Motorradsegmentes stetig aus und ­erschloss überdies neue Länder in allen Absatzregionen. Bis 1960 war der Anteil der ausgeführten Krafträder auf 5.511 Einheiten angestiegen,187 was einem Exportanteil an der Gesamtproduktion von 58 Prozent entsprach.188 Somit lag im Motorradsegment Ende der ersten Internationalisierungsphase das Hauptgeschäft bereits in der Ausfuhr, womit sich bereits während der 1950er Jahren eine Verschiebung vom Heimatmarkt hin zum Export voll­ zogen hatte, der ab Jahrzehntmitte sogar den Inlandsverkauf überstieg (vgl. Tabelle 26).

2.4.  Modell- und Preispolitik Die BMW-Vorkriegsmodelle – sowohl im Automobil- als auch im Motorradsegment – waren mit einem ausgesprochen sportlichen Image verbunden, das durch zahlreiche Siege bei Rennveranstaltungen geprägt und von der Geschäftsleitung forciert worden war. Straßen- und Geländemeisterschaften waren vor allem in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg von hoher Werberelevanz und stellten eine der wichtigsten Marketingmaßnahmen ihrer Zeit dar, von der alle namhaften Hersteller Gebrauch machten. Erfolge bei international renommierten Rennen wurden gezielt als Absatzförderung genutzt, auch für das Exportgeschäft.189 In der BMW-Werbung wurden diese Siege 186 Vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1. 187 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 45. Geschäftsjahr 1960, 1961, in: BMW UU 39/10. 188 Im Jahre 1960 wurden 9 473 Motorräder produziert, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 584. 189  Die weltweite Resonanz auf diese Siege machte sich nicht nur BMW zunutze, exemplarisch vgl. Plakat zum BMW-Sieg beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia „und wieder siegt BMW“, 28. 05. 1940, in: BMW RF 63/1.

102

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

kommuniziert: Bei 95 Prozent der Motorradplakate zwischen 1923 bis 1940 handelte es sich ausschließlich um Inszenierungen von Siegen und Rekorden. Hierunter waren aufwendig gestaltete Vordrucke mit Freiflächen, in die die aktuellen werbewirksamen Ergebnisse noch am Renntag durch ein einfaches Hochdruckverfahren eingefügt werden konnten.190 BMW deklarierte hierbei die eigenen Fahrzeuge, Motorräder sowie Automobile als technisch intelligente, zuverlässige und hochwertige Produkte „für höchste Ansprüche“.191 Selbstverständlich machten sich auch andere Hersteller den Motorsport als Werbefaktor zunutze. Mercedes pflegte das Image der Marke durch die erfolgreiche Teilnahme an internationalen Rennfahrten und ging davon aus, dass dies die „psychologischen Voraussetzungen für den Absatz deutscher ­Gebrauchswagen im Ausland sehr günstig beeinflussen werde.“192 Gleiches galt für die britische Motorradindustrie, wo die Aussage „Win on Sunday, sell on Monday“ ein allgemein bekanntes Diktum darstellte.193 Der Zweite Weltkrieg, in dessen Verlauf die BMW AG letztlich die zivile Produktion zugunsten des Flugmotorenbaus in Gänze aufgegeben hatte, wirkte auf das Unternehmen einschließlich ihres Produktspektrums als einschneidende Zäsur. Verstärkt durch die Beschlagnahme der Werke, durch die ein Großteil der Konstruktionspläne verloren gegangen war,194 hatte BMW beträchtliche Probleme, ein neues Modellprogramm mit einer auf hohem ­Niveau funktionierenden Produktion auf den Weg zu bringen. Obwohl diese diffizile Ausgangslage durch die wirtschaftspolitischen Restriktionen der US-Besatzungsmacht anfangs verschärft wurde, kann den alliierten Einschränkungen nur eine Teilschuld für die Anlaufschwierigkeiten des Münchner Unternehmens zugewiesen werden, wie ein Vergleich zu Daimler-Benz und VW im Kapitel 2.1.1 gezeigt hat. Diese Annahme wird durch die von der Geschäftsleitung eingeleiteten Entscheidungen hinsichtlich des Produktprogrammes gestützt: Obgleich sich in der Geschäftsführung durch die personelle Wiedereinsetzung von Donath und Krafft von Dellmensingen eine gewisse Beständigkeit zeigte, spiegelte sich diese Kontinuität nicht in der auto190  Bei der quantitativen Auswertung der Plakate durch Jakobs handelte es sich um eine Analyse des Werbebestands, der im BMW Group Archiv vorliegt, vgl. Jakobs, Weltrekorde und Gesamtsiege, S. 11. 191  Plakat „BMW – für höchste Ansprüche“, 1935, in: BMW UF 3486/1. Dieses Statement blieb über Jahre bestehen und wurde interessanterweise erneut wortwörtlich in den 1980er Jahren in der BMW-Werbung aufgegriffen, vgl. Werbemotiv „Die neuen BMW 3er. Sie können jetzt höchste Ansprüche so individuell verwirklichen wie nie zuvor und nirgendwo sonst.“, 1985, in: BMW AF 15250/1. 192  Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 158. 193  Knittel, Stefan (2008): Die britische Motorradindustrie. Von der Weltspitze zum Untergang, ein unveröffentlichter Vortrag der Tagung „Motorrad-Image im Wandel der Zeit“ der BMW Group Classic vom 03./04. 04. 2008, München. 194  Vgl. Aktennotiz von Trötsch, Leiter des In- und Auslandverkaufs für die gesamte BMW-Fertigung, zum Investigationsbesuch einer englischen Kommission vom 18. 10. 1945, in: BMW UA 84/1.

2.4.  Modell- und Preispolitik

103

mobilen Modellpolitik der 1950er Jahre wider. Während sich BMW in der Vorkriegszeit allem voran einen Ruf als Hersteller sportlicher, eleganter ­sowie zuverlässiger Fahrzeuge der Mittelklasse (1,5- bis 2-Liter-Hubraum) ­gemacht hatte, deren Markenwerte sich somit nahtlos an das durch BMW-­ Motorräder begründete Image angeschlossen hatten,195 kam es in der Automobilsparte von BMW in den 1950er Jahren zu einem deutlichen Bruch mit dieser Tradition. Dies mag insbesondere vor dem Hintergrund verwundern, dass auch im Bereich der Fahrzeugentwicklung mit Fiedler und Böning nach dem Zweiten Weltkrieg zwei Männer in der Verantwortung waren, die in den Jahren zuvor durch ihre Konstruktionsarbeit an der Etablierung der besagten BMW-Markenwerte mitgewirkt hatten, mit denen nun im Verlauf der 1950er Jahre gebrochen wurde. Eine Analyse der Quellenlage offenbart allerdings, dass das Konstruktionsbüro unter der Leitung Bönings durchaus die Fertigung eines Mittelwagens favorisiert hatte, dies hingegen durch den Vorstand abgelehnt wurde.196 Weitere Nachteile in der Automobilsparte resultierten aus der vergleichsweise späten Rückkehr auf die Märkte. Dies war zum einen auf die alliierten Restriktionen für die zivile Fahrzeugindustrie zurückzuführen, die bis 1949 galten,197 als auch auf die bereits erläuterten erschwerten Ausgangsbedingungen des Münchner Unternehmens. Im Bereich des Motorradbaus hingegen lässt sich für die 1950er Jahre ein Bruch wie im Automobilsegment nicht konstatieren; vielmehr setzten die Konstrukteure hier an den Charakteristika der bewährten Vorkriegsmodelle an und führten die eingeschlagene Linie auch in der Nachkriegszeit konsequent fort. Insbesondere Donath war daran gelegen, an das Zweiradportfolio der Vorkriegsjahre anzuknüpfen. Die Entwicklung der Motorradmodelle wurde hierbei eingangs maßgeblich von den Beschränkungen der Besatzungsorgane beeinflusst, die zunächst nur eine Fertigung von Motorrädern bis zu einem Hubraum von 250 ccm genehmigten. Des Weiteren sah der erste Industrieplan der vier Besatzungsmächte anfangs eine Begrenzung der Produktion von Motorrädern zwischen 60 und 250 ccm auf 10 000 Einheiten in Deutschland vor.198 Auch wenn zu antizipieren war, dass das Verbot der Fertigung von hubraumstärkeren Krafträdern nicht über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben würde, war der deutschen Motorradindustrie der Zugang zu der Klasse der schweren Motorräder zunächst verwehrt, was zu Marktnachteilen gegenüber der ausländischen Konkurrenz führte.199 Erst im Jahre 1949 entfielen die durch die Alliierten festgelegten Beschränkungen für 195 

Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 38–40. Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 70. 197  Vgl. ebd., S. 61. 198  Vgl. ebd., S. 56f. 199  Einzig der Firma Horex war von den Alliierten zu diesem Zeitpunkt eine Sondergenehmigung zur Fertigung eines 350-ccm-Kraftrads erteilt worden, vgl. Knittel, ­Stefan: BMW Motorräder. 75 Jahre Tradition und Innovation, hrsg. v. der BMW AG, Stuttgart 1997, S. 73. 196 

104

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

die deutsche zivile Fahrzeugindustrie, die nun eine Fertigung von hubraumstärkeren Maschinen offiziell genehmigten.200 In den folgenden Abschnitten soll die Modell- und Preispolitik der BMW AG während der ersten Phase der Internationalisierung vorgestellt und untersucht werden. Einleitend wird hierbei die Motorradsparte berücksichtigt und ihre Bedeutung für die Internationalisierung des Unternehmens kursorisch dargestellt. Im Anschluss kommt es zu einer dezidierten Auseinandersetzung mit dem BMW-Wagenprogramm und mit dem Einfluss, den es auf die internationalen Aktivitäten nahm. Hierbei wird deutlich werden, dass die Modellpolitik im Motorrad- und Automobilbereich sehr unterschiedlich von der Geschäftsleitung gestaltet wurde und somit ihre Rolle bei der Internationalisierung auch jeweils eine andere war. 2.4.1.  Das Automobilmodellprogramm An dieser Stelle soll zunächst eine kursorische Einleitung zu der Entwicklung des automobilen BMW-Modellprogramms einschließlich der wichtigsten Entscheidungsgrundlagen in den 1950er Jahren gegeben werden. Hierbei wird den anfänglichen Schwierigkeiten beim Wiederaufbau des PKW-Bereichs bei der BMW AG besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In den sich hieran anschließenden Abschnitten werden die einzelnen Fahrzeugklassen kurz vorgestellt und ihre Bedeutung, insbesondere für die internationale Positionierung des Unternehmens, diskutiert. Dieses Vorgehen soll dem Leser die grund­ legenden Entwicklungslinien näherbringen, ohne den technischen Besonderheiten der einzelnen Modelle allzu großen Raum zu geben. Grundlegend soll hier also die Frage geklärt werden, inwiefern das PKW-Modellspektrum während der ersten Internationalisierungsphase Ausdruck einer allmählichen Fokussierung ausländischer Märkte war und inwiefern diese Produkte zu ­ ­einer internationalen Ausrichtung der BMW AG beitrugen. Hierbei wird sich zeigen, inwieweit landesspezifische Kundenwünsche oder institutionelle Rahmenbedingungen, wie etwa Local-Content-Programme, Sicherheitsbestimmungen usf., auf das Produktportfolio des Unternehmens bereits in dieser frühen Phase Einfluss nahmen. Weiterführende Details hinsichtlich des Vertriebs und der weiteren Vermarktung der Fahrzeuge sollen hingegen erst in den Kapiteln 2.5 sowie 2.6 gegeben werden. Für die 1950er Jahre erscheint es sinnvoll, die Internationalisierung auf Modellebene zu analysieren, da nur hierdurch die unterschiedlichen Strömungen der heterogenen BMW-Modellpolitik dieser Zeit, einschließlich ihrer Dialektik zu den Internationalisierungsprozessen, hinreichend herausgearbeitet werden können. Der Wiederaufbau des Wagensegmentes gestaltete sich bei der BMW AG besonders problematisch, gleichwohl entsprechende Planungen bereits früh

200 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 61.

2.4.  Modell- und Preispolitik

105

in die Wege geleitet wurden. Die Schwierigkeiten waren unter anderem auf den Umstand zurückzuführen, dass die Fahrzeugentwicklung auf den Großteil der Konstruktionspläne nicht zugreifen konnte, da dieser durch die ­Beschlagnahme der Werke verloren gegangen war. Diesem Verlust konnte zumindest teilweise durch die personelle Kontinuität innerhalb des Kons­ truktionsbüros unter Böning und später auch Fiedler kompensiert werden. Wie im weiteren Verlauf aufgezeigt wird, kam es trotz dieser beiden Personalien in den 1950er Jahren zu einem deutlichen Bruch mit den traditionellen Werten der Vorkriegswagen. Eine personelle Beständigkeit existierte hingegen im Münchner Produktionsbereich nicht, wo es durch die vormalige Konzentration der PKW-Fertigung an dem Standort Eisenach an erfahrenen Mitarbeitern aus der Wagenproduktion fehlte. Da es bis 1945 in München keine weitere Automobilfabrik gegeben hatte, bestand in der bayerischen Landeshauptstadt kein Markt für gut ausgebildete Facharbeiter im Automobilbau, durch den der Arbeitskräftemangel der BMW AG hätte ausgeglichen werden können.201 Durch die sowjetische Beschlagnahme des Eisenacher Werkes und seine Eingliederung in die SAG Awtovelo galt somit dieses Know-how für die Münchner Geschäftsleitung als verloren. Des Weiteren reichten die finanziellen Mittel des Unternehmens Ende der 1940er Jahre nicht aus, eine simultan anlaufende Serienproduktion von Motorrädern und Automobilen aufzunehmen. Man musste also andere Möglichkeiten son­ dieren und Wege wählen – und gab zunächst der Zweiradfertigung den Vorzug. Während Donath im Motorradbereich sehr daran gelegen war, mit den Nachkriegsprodukten an die traditionellen Markenwerte der Vorkriegszeit anzuschließen, dachte man für den Automobilbereich in neue Richtungen. Konstruktionsleiter Böning hatte zwar bereits Anfang 1947 die Fertigung eines Mittelwagens (Hubraum von 1 100 ccm und 45 PS bei ca. 800–900 kg) vorgeschlagen, dem Vorstand schwebte jedoch ein anderer Weg im Automobilbau vor: Aufgrund der defizitären finanziellen Ausstattung des Unternehmens sah das Direktorium zunächst nicht die Möglichkeit, mit einer Serienproduktion in den Automobilbau zurückzukehren. Vor dem Hintergrund mangelnder Finanzmittel wurde der Entschluss gefasst, zunächst große, hochpreisige Wagen in Kleinserienfertigung zu produzieren und mit den ­hieraus erwirtschafteten Gewinnen, in einem nachfolgenden Schritt, die Ausweitung der Modellpallette einschließlich einer Serienproduktion zu finanzieren.202 Anstatt der Fertigung eines Mittelwagens sollte mit dem neuen Modell der Vorstoß in die obere Automobilklasse unternommen werden, das in diesem Segment die „klassische Linie des Hauses“ fortführen sollte.203 Hiermit wagte sich BMW in eine Automobilklasse vor, in der Daimler-Benz 201 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 178. Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 43. 203  Kieselbach, Ralf: BMW 501/502. Barockengel, Stuttgart 1996, S. 18f. 202 

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

als namhafte deutsche Firma mit ihren hochwertigen Wagen etabliert war.204 1939 hatte der Münchner Hersteller zwar mit dem BMW 335 einen „großen Wagen“ 205 vorgestellt, als letztes BMW-Kraftfahrzeug vor dem Zweiten Weltkrieg, von dem allerdings nur 410 Einheiten gefertigt worden waren und der mit einem für BMW typischen Sechszylindermotor ausgestattet war.206 Das durch das BMW-Direktorium urgierte Vordringen in die Oberklasse war vor allem von betriebswirtschaftlichen und produktionstechnischen ­Prämissen geprägt, da man sich in München die Großserienfertigung eines mittleren oder kleineren Modells wegen der hohen Investitionssummen, die dafür notwendig gewesen wären, nicht zutraute. Der geplante Manufakturbetrieb der Oberklasse erschien hingegen als Einstieg realisierbar und daher als gangbare Lösung. Mitte 1950 genehmigte der Aufsichtsrat eine durch den Vorstand vorgelegte Planung zum Aufbau der PKW-Fertigung, der in drei Stufen vollzogen werden sollte. Für 1951 waren demgemäß Investitionen in Höhe von 21 Mio. DM veranschlagt, während die zweite Baustufe 13 Mio. DM (1952) und die sich 1953 anschließenden Maßnahmen mit weiteren 21 Mio. DM realisiert werden sollten.207 Diese Kalkulation setzte voraus, dass binnen kürzester Zeit ein erheblicher Anstieg der Produktion in der Größenordnung von circa 2 500 Einheiten in 1952, über 6 600 Wagen 1953 bis letztlich hin zu 24 000 Einheiten im Jahr 1955 realisiert werden konnte.208 Der Ausbau der Fertigungskapazitäten sollte sich dabei durch einen parallelen Anstieg der Verkaufszahlen selbst finanzieren. Vergleicht man allerdings die oben genannten geplanten Kennzahlen aus dem Jahr 1950 mit den in Tabelle 7 angeführten realen Produktionszahlen, tritt die große Kluft zwischen Kalkulation und Realität – vor allem bis einschließlich 1954 – deutlich zutage. 204  In der Vorkriegszeit hatte sich die Verbindung zwischen Daimler-Benz und BMW vornehmlich durch eine friedliche Koexistenz ausgezeichnet, in welcher sich beide Hersteller mit dem jeweiligen Modellportfolio in „ihrem“ Bereich des Produktsegmentes bewegten. Dieses friedfertig anmutende Nebeneinander, das sich von 1932 bis 1934 sogar in dem Abschluss eines Freundschaftsvertrages beider Unternehmen manifestierte, wurde deutlich beeinflusst von der in beiden Aufsichtsräten vertretenden Deutschen Bank, vgl. Feldmann, Gerald (1999): Die Deutsche Bank und die Automobilindustrie, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte / Journal of Business History, Jg. 44, Nr. 1, S. 3–14. 205  Prospekt „BMW 321, 326, 327, 327/28, 335, 328; Programm; BMW 2 und 3,5 Ltr. Sechszylinder“, 03. 1939, in: BMW AK 193/10. 206  Vgl. BMW AG (Hg.): Alle Automobile, Serienmodelle seit 1928, München 2005, S. 109. 207 In einem Brief an die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses des Bayerischen Landtages vom 30. 08. 1951, in welchem die BMW AG um staatliche Kredite bat, bezifferte das Direktorium hingegen die notwendige Summe zum Aufbau der Auto­ mobilproduktion auf rd. 33,2 Mio. DM und gab somit eine signifikant niedrigere Schätzung des Investitionsvolumens an, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 79. 208  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 71.

107

2.4.  Modell- und Preispolitik

BMW-Wagen

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

1960

49

1 645

3 471 17 478 35 418 40 371 51 081 36 609 53 888

Tabelle 7: PKW-Produktionszahlen der BMW AG seit Wiederaufbau der Automobilfertigung, 1952–1960.209

Der Rückstand gegenüber der ursprünglichen Planung war auf das Zusammenwirken einiger wesentlicher Tatsachen zurückzuführen. Der bereits erwähnte Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften in der wiederaufgenommenen Automobilproduktion führte zu Schwächen in der Fertigungsqualität, die wiederum durch notwendige Nacharbeiten zu Verzögerungen im Herstellungsprozess führten. Diese Unterbrechungen wurden noch verstärkt durch die anhaltenden Bau- und Aufräumarbeiten zur Wiederinstandsetzung zahlreicher Werksgebäude auf dem BMW-Gelände.210 Im Zusammenspiel mit einer anfangs priorisierten Motorradfertigung führte dies in den frühen 1950er Jahren dazu, dass der originär geplante Ausstoß an PKW-Einheiten bei weitem nicht erreicht werden konnte. Da hierdurch ebenso die Absatzziele nicht erfüllt wurden und die kalkulierten Erlöse nicht in den Ausbau der Fertigungskapazität zurückflossen, befand sich die BMW-Automobilsparte in den 1950er Jahren in einer Art Teufelskreis, durch den sich das Unter­nehmen immer tiefer in eine monetäre Schieflage dirigierte. Die großen BMW-Wagen erwirtschafteten nicht die erhofften Margen und wiesen er­ hebliche Qualitätsmängel auf, worauf in den folgenden Abschnitten näher eingegangen wird (vgl. Kapitel 2.4.1.1). Der oben beschriebene Teufelskreis der 1950er Jahre verstärkte sich weiterhin durch die von den BMW-Führungsgremien getroffene Auswahl der Modelle, die auf der Grundlage bisweilen vollkommen unrealistischer Schätzungen des Vertriebs mit zu hoch angesetzten Stückzahlen in die Vorkalkulation gingen und somit die Produktion von falschen Werten ausging, was ­zusätzlich hohe Kosten verursachte. Dies betraf nicht nur die sogenannten ­Barockengel (BMW 501 und BMW 502), mit denen BMW 1952 bzw. 1954 auf den Automobilmarkt zurückkehrte, sondern auch die nachfolgenden großen Wagen, um die das PKW-Programm ab 1956 erweitert wurde: Das Coupé BMW 503 und der Sportwagen BMW 507 konnten die hochgesteckten Erwartungen der Geschäftsleitung und des Vertriebs nicht erfüllen und ließen die Fertigungskosten durch teure, zeitaufwendige Handarbeit weiter in die Höhe steigen. Mit dem Einbrechen des Motorradmarktes und den hiermit freiwerdenden Produktionskapazitäten wurde gegen Mitte der 1950er Jahre deutlich, dass das automobile BMW-Spektrum dringend durch möglichst gewinnbringende neue Modelle der mittleren und unteren Fahrzeugklasse ergänzt werden musste; nicht nur, um die Finanzlage des Unter209  210 

Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 178.

108

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

nehmens zu bessern, sondern auch, um die durch den strukturellen Einbruch des Zweiradgeschäfts in der Motorradfertigung freigewordenen Facharbeiter weiterhin beschäftigen und für das Unternehmen sichern zu können.211 Da für eine hauseigene Fahrzeugentwicklung eines Modells der unteren Fahrzeugklasse weder die Zeit noch das Budget ausreichten, musste BMW möglichst schnell handeln und über den Umweg einer Lizenznahme an ein derartiges Produkt gelangen.212 Nach nur kurzen Verhandlungen erwarb BMW 1954 eine Lizenz der italienischen Firma ISO zur Fertigung des Motocoupés Isetta,213 das als Weiterentwicklung namens BMW Isetta ab 1955 das Programm des Münchner Herstellers um ein Produkt des Kabinenrollersegmentes ergänzte, das in den 1950er Jahren als Brücke zwischen Zweirad und PKW – sozusagen als Übergangsklasse – fungierte. Hiermit konnte die BMW AG ihr Modellspektrum kurzfristig entscheidend nach unten erweitern und damit ein Angebot im stark wachsenden Kleinwagensegment vorweisen, gleichwohl das Unternehmen bis dato über keine Erfahrungen und somit auch keinerlei Traditionswerte in diesem Produktbereich verfügte. Dieser Schritt schien allerdings gerechtfertigt: Die BMW Isetta ließ die Produk­ tionszahlen bereits im ersten Jahr um rund 500 Prozent steigen (1955) und führte hierdurch zu einer stark verbesserten Auslastung des Münchner Werkes und Sicherung der Arbeitskräfte. Sie belebte darüber hinaus das Exportgeschäft entscheidend und spielte somit eine wichtige Rolle bei der Interna­ tionalisierung des Unternehmens, die sowohl in Kapitel 2.4.1.2 als auch in Kapitel 2.5 analysiert werden soll. Dennoch konnte sie, auch in den Augen des Vorstands, nicht mehr sein als eine zeitlich begrenzte „Übergangslösung zum 4-rädrigen, vollwertigen Kleinfahrzeug“.214 Während die BMW-Großwagen ab 1955, gemessen an ihren Stückzahlen, sukzessive an Bedeutung einbüßten, nahm die Relevanz der BMW Isetta ­weiter zu. Durch eine sich an ihr anlehnende konstruktive Weiterentwicklung 211 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 178. Automobil ist ein technisch hochkomplexes Produkt, das an sich nicht kurzfristig wandelbar ist. Die Entwicklung eines komplett neuen Fahrzeugs nimmt in der Regel circa vier bis fünf Jahre in Anspruch, wobei hohe Aufwendungen für neue Motoren sowie das Design anfallen. Weiterhin sind neue Baumuster stets mit zusätzlichen Investitionen für die Produktionsaufnahme bzw. die Einrichtung der entsprechenden Serienfertigung inklusive Werkzeugen verbunden, wobei sichergestellt werden muss, dass durch eine ausreichende Produktionsmenge die Kosten gedeckt werden können. Im Kleinwagensegment müssen die gefertigten Stückzahlen ausnehmend groß sein, da hier die Gewinnmargen besonders klein sind. Die Entwicklung eines neuen Produktes stellt somit auch immer ein finanzielles Risiko für das Unternehmen dar, das durch den bisweilen spekulativen Charakter der Bewertung künftiger Marktentwicklungen, wie es in den 1950er Jahren für BMW ausgesprochen der Fall war, noch verstärkt wurde, vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 132f. 213 Vgl. Korrespondenz zwischen der BMW AG und der italienischen Firma ISO, 1954, in: BMW UA 132/1. 214 Produktions- und Finanzprogramm vom Juni 1958, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 06. 1958, in: BMW UA 104/2. 212  Das

2.4.  Modell- und Preispolitik

109

zu einem viersitzigen Kleinwagen wurde das BMW-Produktportfolio 1957 um den BMW 600 ergänzt. Dieser muss jedoch als Überbrückung gewertet werden, die dazu beitragen sollte, über geringe Kosten in der Entwicklung und Produktion die aus der Großwagenproduktion resultierenden Verluste auszugeichen.215 Durch diesen Vorstoß in eine weitere Hubraumklasse hoffte BMW, noch stärker an der kollektiven Automobilisierung auch in den unteren Fahrzeugklassen partizipieren und somit dem missglückten Start der BMW-Großwagen entgegenwirken zu können. Insbesondere die Modelle des Kleinst- und Kleinwagensegments BMW Isetta und BMW 600 waren trotz ihrer durchaus akzeptablen Absatzzahlen, die dennoch deutlich hinter den originären Planungen zurückblieben,216 Ausdruck der enormen Anlaufschwierigkeiten, denen sich die PKW-Sparte des Münchner Herstellers in den 1950er Jahren gegenübersah. Die BMW Isetta und der BMW 600 gingen nicht aus einer langfristigen Planung auf Grundlage einer nachhaltigen Modellstrategie hervor, sondern fanden vielmehr durch kurzfristige, aus der Not heraus getroffene Entscheidungen ihren Platz im PKW-Programm der BMW AG. Von einer fundierten Modellstrategie, die auf verlässlichen Kalkulationen des Vertriebs oder gar Marktforschungsergebnissen fußte, konnte bis Ende der 1950er Jahre nicht die Rede sein. Als Ausgangsbasis für die Verkaufsplanungen dienten bis 1957 überwiegend unverlässliche Marktbeobachtungen, wie etwa die amethodischen und stark subjektiv geprägtem Verkaufsprognosen einzelner Mitarbeitern, unverbindliche Befragungen von BMW-Händlern oder die Konsultation anderer etablierter BMW-Partner – vor allem Importeure im Ausland –, die in stark schwankenden Kalkulationen mündeten und eine verlässliche, gewinnbringende Produktionsplanung nahezu unmöglich machten.217 Die gegen Ende der 1950er Jahre einsetzende Absatzkrise der BMW Isetta und des BMW 600 verschärften die Lage des Unternehmens weiterhin und konnte nicht wie geplant durch Synergieeffekte in der Herstellung, die aus der Überschneidung der Teile beider Baumuster resultierten, nivelliert werden.218 Die kurze Produktionszeit des BMW 600 (1957–1959) ist nachdrückliches Indiz für den mangelnden Modellerfolg.219 215 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 335. Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 153. 217  Diese unzulängliche Verkaufsplanung führte immer wieder zu Spannungen innerhalb des BMW-Führungskreises; allen voran der Vorstandsvorsitzende RichterBrohm, der als Sanierer zu BMW gekommen war, rügte mehrfach und mit Nachdruck insbesondere den Verkaufsleiter Hof und setzte sich maßgeblich für die Etablierung einer Abteilung ein, die ab 1957 primär die Erstellung von Marktanalysen und -beobachtungen verantwortete, vgl. Protokolle des Vorstands des Jahres 1957, in: BMW UA 107/1. Weiterführende Details zur Einführung der Marktforschung bei BMW finden sich in den nachfolgenden Kapiteln. Triebel beschäftigt sich ferner eingehend in einem Aufsatz mit der Einrichtung der Marktforschungsabteilung bei der BMW AG, vgl. Triebel, Marktforschung bei BMW 1957–1961, S. 71–81. 218  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 151. 219  Vgl. BMW AG, Alle Automobile, S. 110. 216 

110

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Noch immer fehlte Ende der 1950er Jahre im Münchner Automobilproduktportfolio ein Modell der Mittelklasse, das an die Tradition der BMWVorkriegswagen aus dem mittleren Marktsegment hätte anschließen können. Diese Leerstelle sollte letztlich erst in den 1960er Jahren mit der sogenannten „Neuen Klasse“ behoben werden. In der Zwischenzeit jedoch arbeitete die BMW-Entwicklung, auch auf Geheiß des Vorstands, mit hoher Priorisierung an einem sogenannten „Mittelwagen“,220 der diese Lücke ab Sommer 1959 schließen sollte. Parallel liefen Entwicklungsarbeiten an einem Nachfolger des BMW 600, aus denen der BMW 700 hervorging, dem mit seinen hohen Verkaufszahlen eine elementare Rolle auch im Kontext der finanziellen Unternehmenssanierung zukam. Dieser verortete sich im oberen Kleinwagensegment.221 Mit diversen Sporterfolgen vermochte der BMW 700 an die sportive Tradition der Marke BMW anzuknüpfen und leitete in diesem Sinne eine allmähliche Rückbesinnung auf die traditionellen Markenwerte in der PKW-Sparte ein.222 Der sportliche Kleinwagen avancierte im Kontext der finanziellen Konsolidierung zum Hoffnungsträger des Unternehmens.223 Mit insgesamt 188 121 abgesetzten Einheiten zwischen 1959 und 1965 konnte er den in ihn gesetzten Erwartungen entsprechen und wurde bis 1965 das bis dahin verkaufsstärkste BMW-Produkt.224 Bei genauer Betrachtung des Modellprogramms der BMW AG wird also deutlich, dass sich während der 1950er Jahre nicht nur eine vor allem dem strukturellen Wandel der Mobilitätsmärkte geschuldete Verschiebung des primären Geschäftsfeldes vom Motorrad- hin zum Automobilbau vollzog, sondern auch innerhalb der Automobilsparte eine durch Produktionsvolumina quantifizierbare Verlagerung hin zu einem Geschäft mit Kleinst- und Kleinfahrzeugen auszumachen war. In Abbildung 9 ist diese Verschiebung des automobilen Schwerpunktes bei BMW von den großen Wagen hin zum Kleinst- (Motocoupé) und Kleinwagensegment dargestellt. Auf der Primärachse sind die Produktionszahlen abgebildet, auf der Sekundärachse der Umsatz. Hierbei zeigt sich, dass sich mit der Aufnahme der Kleinst- und Kleinwagenfertigung Produktion und Umsatz vervielfachten. Im ersten Produktionsjahr der Isetta (1955) stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 47 Prozent. Eine ähnlich starke Zunahme um 31 Prozent im Jahre 1958 suggeriert 220 

Protokoll Nr. 5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2. Baumuster BMW 700 verfügte über die Karosserievarianten Limousine, Cabriolet und Coupé. Aufgrund seines großen Erfolgs wurde der BMW 700 nach einer Modellüberarbeitung auch als BMW LS bzw. BMW LS Coupé bis 1965 angeboten, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 335. 222  Vgl. Plakat „BMW 700 – Sieger in Monza und Hockenheim“, 04. 1960, in: BMW RF 3004/1; Plakat „BMW 700 – Deutscher Bergmeister 1960“, 1960, in: BMW RF 3018/1; Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 388f. 223  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 153–156. 224  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 221  Das

111

2.4.  Modell- und Preispolitik

55.000

250

50.000 200

40.000 35.000

150

30.000 25.000

100

20.000 15.000

Umsatz in Mio. DM

PKW-Einheiten

45.000

50

10.000 5.000

0

1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 Große Wagen

Kleinstwagen

Kleinwagen

Umsatz

Abbildung 9: Umsatzentwicklung und PKW-Produktionszahlen der BMW AG gegliedert nach Fahrzeugklassen, 1952–1960.225

ein falsches Bild und muss durch die Zahlen des Jahres 1959 relativiert werden, in welchem der Umsatz um 13 Prozent zurückging: Grund hierfür ­waren die signifikant unter den Kalkulationen liegenden Verkaufszahlen von 1958, die in diesem Jahr für einen erheblichen Überschuss in der Produktion gesorgt hatten. Dies führte zu hohen Lagerbeständen insbesondere bei den Händlern, die noch im Folgejahr abgetragen werden mussten und somit 1959 eine verringerte Abnahme gegenüber dem Werk nach sich zogen. Die hohen Bestände der Isetta sowie des BMW 600 waren zum Teil auf die für den Export eingeplanten Kontingente zurückzuführen, die zwar durch Festaufträge belegt waren, jedoch durch finanzielle Probleme des für die Länder des Common Wealth zuständigen Importeurs Isetta of Great Britain, Ltd. nicht ausgeliefert werden konnten.226 Doch auch in den anderen Produktgruppen bestanden hohe Lagerbestände, die bis in das Jahr 1959 hinein abgebaut ­werden mussten. Die Tatsache, dass 1958 in allen PKW-Produktgruppen nahezu ein Viertel der Jahresproduktion unverkauft blieb, wirkte sich demnach äußerst nachteilig auf die Ergebnisse von 1959 aus, die auch durch den ­erfolgreichen Markteinstieg des BMW 700 keine nennenswerte Korrektur 225 Vgl.

Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; Geschäftsberichte der BMW AG, 1952–1960. 226  Vgl. Protokolle des Vorstands des Jahres 1957, in: BMW UA 107/1; Protokolle des Vorstands des Jahres 1958, in: BMW UA 107/2. Für weiterführende Details vgl. Kapitel 2.5.3.

112

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

e­rfuhren. Tabelle 8 listet die hohen Lagerbestände im Werk und bei den Händlern auf. Motorräder Jahresproduktion Lagerbestand Werk Lagerbestand Händler Gesamtlagerbestand Anteil an der Jahresproduktion (in %)

Große Wagen

Isetta

BMW 600

7 156 522 964 1 486

1 871 170 240 410

21 198 2 310 3 251 5 561

27 187 4 457 2 688 7 145

20,76

21,92

26,24

26,27

Tabelle 8: Fertigwarenlagerbestände in Stück von BMW im Geschäftsjahr, 1958.227

Die Geschäftsleitung suchte die im Lager stehenden Fahrzeuge mit Sonderrabattaktionen, wie etwa der sogenannten Winterverkaufshilfe von 1958, aufzulösen und sah in Rücksprache mit der Händlerschaft zunächst von ­pauschalen Preissenkungen ab.228 Diese Zahlen verdeutlichen überdies die ­außerordentlichen Belastungen, die auch die Händler durch die hohen Lagerbestände und die damit einhergehenden Kosten zu tragen hatten.229 Diese nachteilige Entwicklung, die die Händler in vollem Umfang traf, konterkarierte ebenso die Bemühungen der Verkaufsabteilungen, qualitativ hochwertige zusätzliche Vertretungen für die BMW-Händlerorganisation zu gewinnen, um diese weiter auszubauen und ihr qualitatives Niveau anzuheben; eine elementare Zielsetzung der Unternehmensleitung in den 1950er Jahren, auf die in Abschnitt 2.5.2 näher eingegangen wird. Um den Überschuss der Produktion nicht weiter zu erhöhen, beschloss der Vorstand nach langem Abwägen, die Belegschaft zwischen 29. Dezember 1958 und 5. März 1959 in Kurzarbeit zu beschäftigen und hoffte, hierdurch Entlassungen langfristig aus dem Weg gehen zu können;230 bereits Ende 1958 war absehbar, dass das Personal im Folgejahr in vollem Umfang für den Anlauf des neuen Baumusters BMW 700 dringend benötigt wurde. Diese Entwicklung – speziell der Jahre 1958/59 –, die in der bis dato schwersten Krise des Unternehmens 1959 mündete, zeigte dem Direktorium den dringenden Handlungsbedarf auf; auch hinsichtlich der automobilen BMW-Modellpolitik. Es wurde deutlich, dass ohne eine Korrektur des bisherigen PKW-Programms eine Verbesserung der Geschäftslage nicht durch­ 227 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 153, Tabelle 32. Protokoll Nr. 3/59 der Vorstandssitzung vom 17./18. 02. 1959, in: BMW UA 107/3. 229 Hierzu zählten anfallende Wartungsarbeiten, die je nach Lagerhaltung entsprechend hoch ausfallen konnten, vgl. Protokoll Nr. 3/59 der Vorstandssitzung vom 17./18. 02. 1959, in: BMW UA 107/3. 230  Für Lohnempfänger sollte eine wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden gelten, für Gehaltsempfänger entsprechend den gesetzlichen Vorgaben eine wöchentliche Arbeitszeit von 32 Stunden, vgl. Protokoll Nr.  22/58 der Vorstandssitzung vom 26. 11. 1958, in: BMW UA 107/2. 228  Vgl.

113

2.4.  Modell- und Preispolitik

zuführen war. Hieraus leiteten sich die großen Hoffnungen gegenüber dem BMW 700 ab, der Ende der 1950er Jahre zum Rettungsanker wurde und im PKW-Segment Zeit für eine neue Produktentwicklung gewährte, die möglichst schnell in den 1960er Jahren auf den Markt gebracht werden sollte. Die Nachfrage nach dem neuen sportiven BMW 700, der im Juni als Coupé der Fachpresse und im September 1959 als Limousine auf der IAA vorgestellt wurde, war auf Anhieb so hoch, dass die Kunden Lieferfristen von einigen Monaten in Kauf nahmen.231 Der durch das neue Modell erwirtschaftete Umsatz schlug sich jedoch erst ab 1960 in den Bilanzen der BMW AG nieder. Tabelle 9 zeichnet die Umsatzentwicklung und den Anteil der einzelnen Produktgruppen in den Jahren 1958 bis 1960 nach und unterstreicht die hohe Bedeutung des BMW 700 für die finanzielle Konsolidierung des Unternehmens, der 1960 bereits 58 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftete. 1960 verzeichnete der Münchner Hersteller keinen Verlust mehr, es dauerte allerdings noch weitere Jahre, bis 1963 erstmals wieder ein positiver Jahresüberschuss erzielt wurde (vgl. Tabelle 25). 1958 TDM BMW Isetta BMW 600 BMW 700 Große Wagen Motorräder Sonstige Umsätze Gesamt

53 014 75 455 25 738 14 601 26 475 195 283

1959 v. H. 27 39 13 7 14 100

TDM 51 269 37 075 10 825 24 704 16 109 30 077 170 059

1960 v. H. 30 22 6 15 10 17 100

TDM 30 752 2 816 138 130 11 267 16 757 39 597 239 319

v. H. 13 1 58 5 7 16 100

Tabelle 9: Gesamtumsatz der BMW AG und prozentualer Anteil der einzelnen Produktgruppen, 1958–1960.232

Die Angaben aus der Tabelle unterstreichen, wie gering der Umsatzanteil der Großen Wagen im Vergleich zum Kleinst- und Kleinwagensegment war. Der Umsatz ist jedoch lediglich eine Facette, denn der Gewinn spiegelt den wahren Erfolg einer Produktgruppe wider. Wie in den vorangegangenen Explikationen deutlich wurde, fielen die Margen allerdings bei Kleinwagen besonders niedrig aus, weshalb sie eine höhere Stückzahl erreichen mussten. Motorräder trugen Ende der ersten Internationalisierungsphase immerhin zwischen sieben und zehn Prozent zu dem Gesamtumsatz bei. Dieses Kapitel bot eine kursorische Darstellung der Modellpolitik der 1950er Jahre und hat dargelegt, dass die Entwicklungen des P ­ roduktportfolios 231 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 335. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 43. Geschäftsjahr 1958, 1959, in: BMW UU 37/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 44. Geschäftsjahr 1959, 1960, in: BMW UU 38/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 45. Geschäftsjahr 1960, 1961, in: BMW UU 39/10. 232 Vgl.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

in dieser Phase primär auf betriebswirtschaftlichen und produktionstechnischen Erwägungen fußten und somit stark von der finanziellen Schieflage des Unternehmens geprägt waren. Aufgrund mangelhafter Marktkenntnisse, einer bis 1957 fehlenden Marktforschungsabteilung sowie einer ungenügenden unternehmensinternen Abstimmung kam es zu gravierenden Fehlkalkulationen von Produktions- und Absatzmengen, die die missliche Lage der BMW AG noch weiter verstärkten. Es zeigte sich, dass einige Modelle in Gänze am Markt vorbei entwickelt worden waren.233 In Abschnitt 2.4.1.5 soll eine abschließende Bewertung des automobilen Modellprogramms gegeben werden. In den sich nun anschließenden Unterkapiteln soll in Kürze auf die einzelnen Fahrzeugmodelle unter besonderer Berücksichtigung ihrer internationalen Bedeutung eingegangen werden. 2.4.1.1.  Der Wiedereinstieg in das Automobilgeschäft mit den Großen Wagen Als Große Wagen des BMW-Automobilprogramms der 1950er Jahre werden die beiden Modelle BMW 501 und BMW 502 gefasst. Ab 1956 wurde dieses Produktspektrum um den sportiven BMW 503 sowie den an die US-amerikanische Designlinie angelehnten Sportwagen BMW 507 ergänzt.234 In den vorangegangen Explikationen ist bereits mehrfach auf die Schwierigkeiten hingewiesen worden, denen sich die BMW AG bei dem Wiederaufbau der Fahrzeugproduktion gegenübersah. Im Mai 1948 erteilte der Aufsichtsrat die Konstruktionsgenehmigung für einen Wagen, der ab August unter der Bezeichnung BMW 501 lief. Ein entsprechender Vorstandsauftrag zur Entwicklung einer Karosserie erfolgte im November 1948. Neben diesem BMW-eigenen Entwurf gab Grewenig einen weiteren Prototyp bei dem italienischen Designer Pininfarina in Auftrag.235 Die Konsultation italienischer Stilisten war in der Automobilindustrie keineswegs ungewöhnlich, und entsprach dem zeitgenössischen Handeln bzw. Geschmack. Auch in den folgenden Jahren kam es immer wieder zu intensiven Kontakten zwischen BMW und Farina.236 Die BMW-Geschäftsführung war darüber hinaus seit Ende der 1950er Jahre bemüht, weitere geeignete italienische Stilisten für die Karosseriegestaltung als Partner zu gewinnen.237 Auch wenn es bei der Entwicklung der Großen Wagen letztlich nicht zu 233 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 13. 04. 1959, in: BMW UA 100/2. Ausnahme des BMW 507 wurden den Großen Wagen weitere Modellausführungen an die Seite gestellt, so war beispielsweise der BMW 503 als Coupé sowie als Cabriolet erhältlich, vgl. BMW AG, Alle Automobile, S. 26f. Auf weitere technische Charakteristika soll in dieser Arbeit nicht eingegangen werden, insofern diese für das Forschungsinteresse – die Internationalisierung der BMW AG – nicht von Relevanz sind. 235  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 71. 236 Vgl. Protokoll Nr. 8/58 der Vorstandssitzung vom 16. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 237  Vgl. Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: ebd. 234  Mit

2.4.  Modell- und Preispolitik

115

e­ iner Zusammenarbeit zwischen BMW und einem italienischen Haus kam – im Vorstand war man der Ansicht, dass der hauseigene Entwurf eher dem klassischen Stil der Marke entsprach – sollten zu einem späteren Zeitpunkt weitere italienische Designer die BMW-Linie maßgeblich beeinflussen. Hierzu zählten allen voran Giovanni Michelotti und Giuseppe Bertone, die über lange Zeit das Design der Automobile aus München mitprägten.238 Bertone galt in den 1950er Jahren als einer der weltweit führenden Designer und Konstrukteure und war unter anderem für die Konstruktion der LamborghiniModelle verantwortlich,239 während Michelotti maßgeblichen Einfluss auf einige Ferrari-Wagen ausübte.240 Auf die Kooperation zwischen der BMW AG und Michelotti und die Zusammenhänge ihres Zustandekommens wird erneut in Abschnitt 2.4.1.4 eingegangen. An dieser Stelle soll lediglich auf die Ende der 1950er Jahre intensivierten Bemühungen seitens der BMW AG verwiesen werden, das Design der eigenen Marke durch die Zusammenarbeit mit renommierten italienischen Designern moderner zu gestalten und ihm einen Hauch internationalen Glanz zu verleihen. In diesem Kontext zeigt sich, dass das Unternehmen zu einem solchen Schritt zu Beginn der 1950er Jahre noch nicht bereit gewesen war, da sich der hauseigene Entwurf durchsetzte. Erst zum Ende der Dekade wurde das Bestreben deutlich verstärkt, italienische Designer als Partner zu gewinnen. Dieser Wandel zeigt eine Initialisierung internationaler Kooperationen nach dem Zweiten Weltkrieg bei BMW, der sich auch im Bereich der Entwicklung niederschlug.241 BMW war in den Bemühungen, italienische Stilisten zu engagieren, keineswegs ein Sonderfall, denn hierbei handelte es sich um eine gängige Praxis, in der sich der zeitgenössische Geschmack des automobilen Designs widerspiegelte.242 Die Optik der sogenannten Barockengel – der Kosename ist durchaus als Anspielung auf Schwerfälligkeit und Design des Fahrzeugs zu interpretieren – entsprach nur dem Geschmack eines eingeschränkten Kundenkreises im Inund Ausland. Symptomatisch hierfür steht die Berichterstattung von Trötsch, dem damaligen Leiter des In- und Auslandsverkaufs der BMW AG, über die Wahrnehmung in Großbritannien, wo er 1955 persönlich die neuen Baumuster auf der Londoner Automobilausstellung Earls-Court präsentierte: 238  Vgl.

Protokoll Nr. 8/58 der Vorstandssitzung vom 16. 04. 1958, in: ebd.; Werkverträge Michelotti, 1971, in: BMW UA 599/1; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 20. 11. 1962, in: BMW UA 731/2; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 17. 12. 1969, in: BMW UA 548/2. 239  Vgl. Lebenslauf von Giuseppe Bertone, in: BMW AN 196/1. 240  Vgl. Lebenslauf von Giovanni Michelotti, in: BMW AN 760/1. 241 Italienische Stilisten hatten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Einfluss auf bestimmte Designkomponenten, auch von BMW-Fahrzeugen. Auch Fiedler, seit 1932 Chefkonstrukteur für Wagen bei BMW und mitverantwortlich für die Konstruktionen BMW 326, BMW 328 und das Sportcoupé BMW 327, unterhielt gute Kontakte zu italienischen Häusern, vgl. Kapitel 2.2.1. 242  Vgl. Erlhoff, Michael / Marshall, Tim (Hg.): Wörterbuch Design. Begriffliche Perspektiven des Design, Basel 2008, S. 38–41.

116

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

„Am besten wird die Einstellung dadurch charakterisiert, dass ein ernsthafter Interessent zu seiner Frau sagt: ‚na [sic!], so hässlich ist er ja eigentlich gar nicht‘. Ich habe mich mit diesem Ehepaar nachträglich eingehend über die qualitativen Vorzüge dieses Baumusters unterhalten[,] trotzdem war es mir beim besten Willen nicht möglich, die negative Auffassung zu zerstreuen.“243

Zu dieser kritischen Perzeption – die zwar nicht von der gesamthaften, aber von Teilen der Öffentlichkeit geteilt wurde – kamen qualitative Mängel der Baumuster, die nicht mit dem hohen Qualitätsanspruch der Marke BMW einhergingen, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg geprägt worden war. Die im November 1952 beginnende Fertigung konnte nur unter großen Anlaufschwierigkeiten umgesetzt werden und den Produktionsingenieuren gelang es 1953 erst in der zweiten Jahreshälfte, diese Schwierigkeiten nachhaltig zu beheben.244 Schwachstelle des Modells war ausgerechnet das Antriebs­ aggregat, das für die meisten Schadensfälle verantwortlich war, wie eine vom Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm bei Amtsantritt in Auftrag gegebene Schadensanalyse zeigte.245 BMW hatte sich auch in diesem Punkt von der Vorkriegstradition der Vier- und vor allem Sechszylindermotoren abgekehrt und erstmals in der Geschichte ein V8-Zylinderaggregat konstruiert. Dieser Bruch sowie die qualitative Mängel des neuen Motors wogen besonders schwer für ein Unternehmen und sein Image, das in seinem Namen – Bayerische Motoren Werke – für seine Motoren wirbt bzw. sich über diese definiert.246 Der sich hieraus bei den Kunden, aber auch Händlern ergebende Vertrauenssowie Imageverlust der Marke BMW wog schwer,247 wie der Kaufmännische Leiter des BMW-Vorstands Grewenig 1955 konstatierte: „Wenn es einerseits gelingen muß, aus den vorgenannten Entwicklungs- und damit den Produktionssorgen herauszukommen, so ist es andererseits aber auch dringend erforderlich, das Vertrauen der ganz erheblichen Anzahl von BMW-Wagenbesitzern zurückzugewinnen, das durch die Fülle der technischen Beanstandungen verlorenge-

243 Bericht

von Trötsch über die Automobilausstellung Earls-Court London 19.– 29. 10. 1955, 15. 11. 1955, in: BMW UA 230/1. 244  Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 48. 245  Vgl. Grafik „Schadensübersicht der BMW-Baumuster 501, 501 A/B, 501/6, 501/8, 502 2,6 und 502 3,2“, 1957, in: BMW UF 6117/1. Bereits 1950 hatte sich abgezeichnet, dass der für den BMW 501 geplante Sechszylindermotor in seiner Leistung zu niedrig für das verhältnismäßig schwere Fahrzeug war. Trotzdem stattete man es anfangs mit diesem Sechszylinderaggregat aus und begann zugleich mit den Arbeiten an einem leistungsstärkeren V8-Motor, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 71. 246  BMW war keineswegs der einzige Hersteller, deren Modelle insbesondere in der ersten Zeit nach Serienanlauf Mängel aufwiesen. Das Modell Borgward Isabella ist ein weiteres Beispiel aus der deutschen Automobilindustrie für derlei qualitative Makel in der Anfangszeit. Grund hierfür war die außergewöhnlich kurze Entwicklungszeit des Fahrzeugs von nur zehn Monaten, vgl. Hanke, Birgid: Carl F. W. Borgward. Unternehmer und Konstrukteur, Bielefeld 2010, S. 135, 148–161. 247  Im Jahre 1955 ergab sich eine unglaubliche Ausfallquote von durchschnittlich fünf Schadensfällen pro Wagen bei einer Fahrstrecke von 20 000 km, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 100, Fußnote 305.

2.4.  Modell- und Preispolitik

117

gangen ist. Diese Reklamationen haben wir bei der Begründung für die Hemmungen des Absatzes der BMW-Preisklasse nicht angeführt, da diese die gesamte Klasse betrifft. Die Beanstandungen haben jedoch unseren Absatz in der zweiten Hälfte dieses Jahres stark gehemmt, besonders auch, weil unsere Händler mutlos geworden sind.“248

Das erste Nachkriegsautomobil hatte das entscheidende Argument für BMW sein sollen, das sowohl Händler und Kunden für BMW begeistern sollte, um die geplanten Stückzahlen einhalten und die Handelsorganisation ausbauen zu können. Stattdessen hatte der Münchner Hersteller gleich zu Beginn einen Teil des essentiell wichtigen Vertrauensvorschusses eingebüßt. Zu den schwerwiegenden qualitativen Makeln kam die auf ungenauen Kalkulationen und subjektiv geprägten Marktbeobachtungen ruhende preisliche Positionierung der Barockengel: Für das Sechszylindermodell des BMW 501 wurde für das erste Jahr ein Absatz von 1 680 Einheiten prognostiziert. Mit einem ­Listenpreis von 15 015 DM, der einen Gewinn von 103 DM pro Wagen ermöglichen sollte, positionierte BMW das Modell im oberen Bereich des Luxuswagensegments, wo bereits Daimler-Benz als sehr erfolgreicher und traditionsreicher Akteur etabliert und nach dem Zweiten Weltkrieg früher auf die Märkte zurückgekehrt war. Das Referenzmodell Mercedes 200 lag mit einem Listenpreis von 11 750 DM kostenwertmäßig nicht nur deutlich unter dem in diesem Segment neuen BMW 501, sondern überzeugte nach Rückmeldung der Händler durch herausragenden Anzug und Spitzengeschwindigkeit, worin das Münchner Nachkriegsmodel nicht überzeugen konnte, dem Mercedes 200 also unterlegen war.249 Die preisliche Fehlpositionierung des Modells sorgte im Zusammenspiel mit den gravierenden Qualitätsmängeln für stark unter den originären Absatzprognosen liegende Verkaufszahlen. Der Vorstand passte die Preise einiger Modelle zwar an die Konkurrenz an,250 doch trotz dieser Berichtigungen bemerkte Grewenig noch im März 1956 in einer Studie über das Ausfuhrgeschäft bei BMW, „dass wir im Export aller unserer Produkte preislich gegenüber den mit uns konkurrierenden deutschen und internationalen Kraftfahrzeugfabriken ungünstig liegen.“251 Die Relevanz der Barockengel für die Internationalisierung des Unternehmens muss als verschwindend gering eingestuft werden. Von Anbeginn waren sie primär für den Binnenmarkt angedacht gewesen. Der geringe Anteil 248  Memorandum

von Grewenig „Verkaufsprogramm Wagen 1955“ vom 03. 01. 1955, in: BMW UA 155/2. 249  Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 44f. 250  So urteilte Grewenig in einem Memorandum gegenüber dem BMW-Aufsichtsrat: „Um unseren Anteil am 501 Wagen zu halten, wird es uns nicht erspart bleiben, den Listpreis des 501/3 auf den Preis des D.-Benz 220, also auf DM 12 500,– zu senken.“, vgl. Memorandum von Grewenig „Verkaufsprogramm Wagen 1955“ vom 03. 01. 1955, in: BMW UA 155/2. 251 Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Ex­ porte.“ von Grewenig, BMW-Vorstand Kaufmännischer Bereich, vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1.

118

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

der Barockengel am Exportgeschäft, vor allem nach Übersee, war in den ersten Jahren durchaus intendiert, da die Geschäftsleitung befürchtete, dass insbesondere der BMW-Sechszylinder durch seine hohe Schadensfallquote und der ungünstigen Preispositionierung dem Image der Marke BMW abträglich gewesen wäre: „Wir haben deshalb den Export in die außereuropäischen Länder, soweit wir es konnten, verhindert, […] weil wir die wenigen Vorkriegshändler für Wagen und deren Kunden nicht enttäuschen durften […].“252

Dieses Zitat von Grewenig war ein Eingeständnis der prekären Lage, in der sich die Automobilsparte der BMW AG in den 1950er Jahren befand. Umso dringlicher trat die Notwendigkeit hervor, das Modellprogramm zu erweitern und möglichst bald zu den qualitativ hohen Markenwerten der Vorkriegszeit zurückzuführen. Schwierigkeiten in der Produktion mit nur geringen Stückzahlen sowie ein höchst unzureichendes Händlernetz außerhalb Deutschlands standen dem Absatz im Ausland insbesondere in den ersten Jahren der Automobilfertigung entgegen. Ebenso erschwerten diverse staatliche Hürden, wie beispielsweise eine erhöhte Zollpolitik oder Local-ContentVorschriften, in zahlreichen Ländern den automobilen Außenhandel, denen die BMW AG Anfang der 1950er Jahre institutionell und organisational noch nicht gewachsen war (vgl. Kapitel 2.5.2). Besonders in den ersten Jahren war an eine Fertigung außerhalb von Deutschland noch nicht zu denken, was in besonderem Maße auf die zu Beginn überwiegend in Handarbeit hergestellten Großen Wagen zutraf. Darüber hinaus wurde in den 1950er Jahren auch aus betriebswirtschaftlicher Erwägung der Inlands- gegenüber dem Auslandsverkauf aufgrund höherer Margen vorgezogen. Tabelle 10 zeigt in diesem Kontext die hohe Differenz zwischen Inlands- und Exportpreisen ab Werk, die auch nach der 1954/55 durchgeführten Preisanpassung fortbestand. Bei der Berechnung der Ausfuhrpreise kam ein durchschnittlicher Exportnachlass von 32 Prozent zur Anwendung. Modell BMW 501 A (6-Zyl.) BMW 501/V8 BMW 502

Inlandspreis

Exportpreis

12 500 DM 13 900 DM 16 350 DM

8 500 DM 9 450 DM 11 200 DM

Tabelle 10: Inlands- und Exportlistenpreise ab Werk der Modelle BMW 501 und BMW 502, 1954/55.253

Diese Preisaufstellung verdeutlicht den geringen Anreiz für die BMW AG in den 1950er Jahren, die Großen Wagen in das Ausfuhrgeschäft zu bringen. 252 Ebd.

253  Vgl. Aktenvermerk „Automobilplanung 1955 / Exportabwicklung“ von Trötsch, Abteilung Auslandsverkauf, an Grewenig, den kaufmännischen Vorstand, vom 28. 12. 1954, in: BMW UA 71/1.

2.4.  Modell- und Preispolitik

119

Insbesondere im Kontext der sich immer weiter anspannenden finanziellen Lage wurde somit der Export auf explizite Anweisung des Vorstands zunehmend zurückgestellt und nur noch in der Größenordnung vorgenommen, die eine „Mindestpräsenz“ der Marke BMW im Ausland gewährleistete, worauf detailliert in Kapitel 2.5.3 eingegangen wird.254 Ebenfalls negativ auf die Exportzahlen wirkte sich der Umstand aus, dass die Großen Wagen keine landesspezifischen Modifikationen erfuhren, die für ein florierendes Ausfuhrgeschäft unumgänglich gewesen wären. Insbesondere die für den Export zugeteilten Kontingente waren so gering, dass sich eine solche Modellanpassung als nicht rentabel erwies.255 Die Tatsache allerdings, dass die PKW nicht einmal als Rechtslenker umgerüstet wurden, erschwerte den Auslandsverkauf in Märkten mit Linksverkehr erheblich und führte zu dramatischen Einbußen beispielsweise in Großbritannien. Demgemäß erzürnt äußerte sich der dortige Generalimporteur Archibald Frazer Nash Ltd. (AFN Ltd.), der seit 1935 für BMW tätig war und bis 1945 mit der Zustimmung aus München BMW-Wagen unter dem Namen „Frazer Nash-BMW“ verkauft hatte:256 „Mercedes hat bestimmt den BMW-Markt in England übernommen und wir mussten mit leeren Händen zusehen[,] wie dies geschah. Der Hautgrund ist der, dass für jedes Baumuster Wagen mit Rechtssteuerung hergestellt werden und im übrigen auch bei sämtlichen anderen deutschen Wagen (tatsächlich ist BMW die einzige deutsche Herstellerfirma[,] die kein Modell mit Rechtssteuerung besitzt). Überdies hatte der ­Mercedes stets eine bessere Leistung als der BMW 501/Sechszylinder, auch damals als lediglich der 501 mit Linkssteuerung erhältlich war. Ich hätte gerne gewusst, wie viele BMW-Wagen Ihrer offenen Meinung nach zum Preis von £2000 in Deutschland ­hätten verkauft werden können, wenn die Steuerung auf der falschen Seite gewesen wäre.“257

Nicht nur war BMW verhältnismäßig spät auf die Automobilmärkte zurückgekehrt und hatte damit wertvolle Marktanteile gegenüber Mitbewerbern eingebüßt, auch die mangelnde Anpassung der Wagenmodelle sorgte dafür, dass der Bedeutungsverlust als Automobilhersteller im Ausland bis Mitte der 1950er Jahre dramatische Züge annahm und die Marke BMW nunmehr vornehmlich über die Motorräder des Unternehmens repräsentiert wurde. Durch den strukturbedingten Einbruch wichtiger Motorradmärkte trat der drin­ gende Handlungsbedarf noch deutlicher hervor. Die verschwindend g­ eringe ­Repräsentanz der Großen Wagen aus München wird ersichtlich bei e­inem 254 Vgl.

Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 255  Auf diese Tatsache wird im späteren Verlauf noch genauer eingegangen werden, vgl. Kapitel 2.4. 1.4. 256  Korrespondenz zwischen der BMW AG und AFN Ltd., 1950–1954, in: BMW UA 71/1; Angaben zu dem Vertragsschluss mit Frazer-Nash (AFN Ltd.) über die Generalvertretung von BMW in GB, in: BMW UJ 1308/1. 257  Schreiben von Aldington, AFN Ltd., an Grewenig, BMW AG, [übersetztes Typoskript, Anm. d. Verfasserin] vom 09. 12. 1955, in: BMW UA 53/1.

120 Modell

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung 1950

1951

1952

1953

1954

1955

Export Export Export Export Export Export Stück v.H. Stück v.H. Stück v.H. Stück v.H. Stück v.H. Stück v.H. Borgward – – – – 4 5% Hansa 2400 Opel 11 288 61% 13 611 62% 14 573 67% Kapitän258 Mercedes 220 – – 497 14% 1 708 17% Mercedes 300 – – – – 1 122 39% BMW – – – – 1 2% 6-Zylinder BMW – – – – – – 8-Zylinder

70 11%

16

20%

5 860 57% 29 571 68% 19 132

61%

1 179 27% 2 151 60% 368 24%

7 154 1 443 455

41% 78% 17%

342

14%





103 39%

1 512 33% 1 165 70% 452 16% 14

9%

Tabelle 11: Exportanteil des Gesamtversands ab Werk von Fahrzeugen der Oberklasse verschiedener deutscher Automobilhersteller im Vergleich, 1950–1955.259

Vergleich des Exportanteils am Gesamtversand ab Werk von Fahr­zeu­gen der Oberklasse deutscher Hersteller, der in Tabelle 11 enthalten ist.  258  259  Während BMW nur geringe Stückzahlen ins Ausland sandte und bis 1955 eine Exportquote pro Modell unter 20 Prozent aufwies,260 intensivierte Daimler-Benz die Ausfuhrbemühungen stetig. Auch die Opel AG konnte als Volumenhersteller mit einem internationalen Konzern im Rücken größere Kontingente ausführen; der Opel Kapitän wurde überwiegend für das Ausland produziert. Die vergleichsweise kleine Firma Borgward kämpfte hingegen im Automobilexport mit ähnlichen Schwierigkeiten wie die BMW AG, verfügte auch sie nach dem Zweiten Weltkrieg über keine effiziente Vertriebsstruktur im Ausland, was sich ebenso in den Ausfuhrzahlen des Hansa 2400 widerspiegelte. BMW läutete im Herbst 1955 eine neue Produktoffensive in der Fahrzeugoberklasse ein. Auf der IAA im September/Oktober wurden neben dem BMW 502 3,2 Ltr. die gänzlich neuen Modelle BMW 503, BMW 507 und der Prototyp BMW 505 präsentiert, die nur wenige Tage vor der Ausstellung fertigstellt worden waren und noch nicht über Produktionsreife verfügten. BMW machte sich hierbei den Vorteil zunutze, dass die deutschen Konkurrenzfirmen keine bemerkenswerten Neuerungen vorstellten. Bei der Luxus­ 258  Der Rückgang der Versandzahlen 1953 und der erhebliche Anstieg 1954 sind auf den Produktzyklus des Modells Opel Kapitän zurückzuführen, da 1954 das Nachfolgemodell auf den Markt kam. 259  Vgl. Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig, BMW-Vorstand Kaufmännischer Bereich, vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1. 260  Unter der Modellexportquote wird die Relation der ausgeführten Einheiten eines Modells zu seinen Produktionszahlen pro Jahr oder während der gesamten Produktionslaufzeit verstanden.

2.4.  Modell- und Preispolitik

121

limousine BMW 505 handelte es sich um einen Prototyp, der von den italienischen Designern Michelotti entworfen und in der Schweiz von der Firma Carrozzeria Ghia aufgebaut worden war.261 Mit diesem Prestigewagen hoffte die BMW-Geschäftsleitung, im Bereich der Chauffeurfahrzeuge weiter fußfassen zu können262 und versuchte, Bundeskanzler Adenauer von den Vorzügen der neuen Pullman-Limousine zu überzeugen. Dieser jedoch blieb Kunde des Mercedes 300 und so verzichtete BMW letztlich auf eine kleine Serienfertigung des BMW 505.263 Der BMW 503, als Coupé und Cabriolet, sowie der Roadster BMW 507 begeisterten hingegen die Fachpresse als auch die breite Öffentlichkeit durch ihr außergewöhnliches Design und ihre Fahrleistung, gleichwohl beide Modelle durch ihren schweren Rahmen ein nachteiliges Leistungsgewicht aufwiesen.264 Im Hinblick auf die internationale Ausrichtung des Unternehmens stellen die Entwicklungen dieser beiden Modelltypen besonders erwähnenswerte Kooperationen mit dem Ausland dar. Als Designer der beiden Karosserien hatte die BMW AG den deutsch-amerikanischen Designer Graf Albrecht Goertz verpflichtet, der seit den späten 1930er Jahren in den USA lebte und sich dort sukzessive einen Namen als Designer gemacht hatte.265 Der Kontakt zwischen BMW und Goertz ging hierbei auf den US-Importeur Max Edwin Hoffman zurück, dem Inhaber der Hoffman Motor Corp. (HMC) mit Sitz in New York, der seit 1955 für den Vertrieb von BMW ­Automobilen sowie zahlreicher anderer europäischer Hersteller in den USA verantwortlich war.266 Er leitete im Herbst 1954 zwei Entwürfe von Goertz an Grewenig weiter mit dem Hinweis: „Die beiden inliegenden Entwuerfe gefallen mir sehr gut und ich glaube sagen zu duerfen, dass dies die Art der Carosserie ist, die hier in Amerika sehr gut verkauft werden koennte.“267 Mit dieser Aussage stellte der US-Importeur gegenüber dem BMW-Vorstand in weiteren Gesprächen in Aussicht, in den ersten beiden Lieferjahren in den USA 3 500 Einheiten des BMW 507 auf der Grundlage von Goertz’ Entwurf verkaufen zu können.268 Ähnliche Versprechungen hatte Hoffman als Importeur von Daimler-Benz dem Stuttgarter Mitbewerber gemacht, indem er eine erhöhte Fertigung des Mercedes 300 SL sowie die Entwicklung des et-

261 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 100f. Pressemappe „IAA 1955 – Neuerscheinungen BMW 503, BMW 505, BMW 507“, 22. 09.–02. 10. 1955, in: BMW AP 4/10. 263  Vgl. Produktprofil BMW 505 Limousine, 1955, in: BMW AD 772/1. 264  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 101. 265  Vgl. Lebenslauf von Graf Albrecht Goertz, in: BMW AN 150/1. 266  Vgl. Korrespondenz zwischen der BMW AG und Hoffman Motor Corp., 1955, in: BMW UA 53/1. 267  Schreiben von Max E. Hoffman an die BMW AG vom 27. 10. 1954, in: BMW UA 132/1. 268  Vgl. Protokoll Nr. 4/57 der Vorstandssitzung vom 10./15./16. 04. und 09. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 262  Vgl.

122

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

was kleineren Modells 190 SL anregte, da er überzeugt war, diese Fahrzeuge mit großem Erfolg in den USA absetzen zu können. Tatsächlich realisierten sich hier seine Verheißungen und so konnte der Export von Mercedes-Fahrzeugen in die USA von 421 (1953) nach der Vorstellung der neuen Sport­ wagen in Übersee auf 2 000 (1955) und sogar 6 000 Einheiten im Jahre 1957 erhöht werden.269 Derartige Absatzzahlen in den USA konnten für BMW jedoch lange Zeit nicht realisiert werden, was die Versprechungen Hoffmans gegenüber dem Münchner Unternehmen ad absurdum führte. Zwei grundlegende, für die weitere internationale Ausrichtung der BMW AG wesentliche Feststellungen können aus der Entscheidung des BMW-Vorstands abgeleitet werden, auf Basis des Designentwurfs von Goertz die beiden neuen Prototypen aufzubauen: Zum einen erhoffte sich die Geschäftsführung, die eigene Präsenz im US-Markt mit zwei sich stark an den USamerikanischen Designgeschmack anlehnenden Fahrzeugtypen stärken zu können, um somit endlich an der Automobilisierung in Übersee zu partizipieren. Die Konjunktur des US-Automobilgeschäfts war in den 1950er Jahren zwar starken Schwankungen unterworfen, stellte jedoch einen ungemein attraktiven Markt für die heimische, aber auch internationale Industrie dar. Ende der 1950er Jahre wurde die ansässige Produktion erstmals von der Nachfrage übertroffen, was die Tür noch weiter für ausländische Anbieter öffnete und den Anteil der Importfahrzeuge in den USA von 2 Prozent (1955) auf 11 Prozent in 1959 steigen ließ.270 Zum anderen wurde durch die Entscheidung für Goertz’ Entwürfe und damit auch für Hoffmans in Aussicht gestellten Großauftrag abermals deutlich, wie sehr das Direktorium den subjektiven Meinungen einzelner Partner vertraute und ihre Produktionssowie Absatzplanung nach ihren Aussagen gestaltete, ohne sie durch fundierte Marktanalysen und Kenntnisse der Kundenwünsche zu verifizieren. In diesem speziellen Fall wurden zwei Baumuster maßgeblich nach den Anregungen des US-Importeurs HMC durch den von ihm protegierten Designer gestaltet. Es kam hier also aus optischer Sicht zu einer äußerst starken modellspezifischen Anpassung an einen Markt, in welchem man über noch ­keine nennenswerte Verkaufsanteile verfügte. In diesem Punkt schlug sich erneut mangelnde Marktkenntnis und fehlende Marktforschung der BMWVerkaufsabteilungen nieder. Die ursprüngliche, auf der Aussage von Hoffman basierende Kalkulation von 3 500 Einheiten stellte sich rasch als grob falsch heraus und wurde im Laufe der Monate durch den Verkaufsvorstand Hof auf eine Gesamtproduktion von 2 500 und im Mai 1957 auf 1 500 Stück korrigiert, wovon nur noch 650 Stück für den allgemeinen Auslandsabsatz vorgesehen waren, also nur noch eine geringe Menge in die USA ausgeführt werden sollte.271 Tatsächlich wurden von dem BMW 507 bis zum Ende seiner 269 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 221. Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 110. 271  Vgl. Protokoll Nr. 6/57 Vorstandssitzung vom 09. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 270 

123

2.4.  Modell- und Preispolitik

Produktionszeit insgesamt nur 254 Einheiten gefertigt und letzten Endes von 1956 bis 1959 lediglich 96 Einheiten des gesamten PKW-Programms der Oberklasse in die USA ausgeführt.272 Die Entwicklungsgeschichte des BMW 507 verdeutlicht einmal mehr die fatale Absatzplanung der Verkaufsabteilungen während der 1950er Jahre und zugleich den verzweifelten Versuch der Geschäftsleitung, sich aus der misslichen Finanzlage zu manövrieren. Ein Grund für die mangelnden Absatzzahlen waren die außerordentlich hohen Preise des BMW 507 und BMW 503, die durch die Fertigung der Wagen in Handarbeit bedingt waren. In Tabelle 12 sind die Listenpreise ab Werk für den Inlands- und Auslandsverkauf nach einer im Januar 1956 umgesetzten Preiserhöhung aufgeführt. Das Sportwagenmodell Mercedes 190 SL kostete im Vergleich lediglich 16 500 DM auf dem deutschen Markt. Dieser hatte mit 105 PS eine um 45 PS niedrigere Leistung als der BMW 507, war allerdings mit 10 000 DM auch wesentlich günstiger als das Münchner Modell. Für den 215 PS starken größeren Mercedes 300 SL musste der Kunde in Deutschland hingegen 29 000 DM bezahlen, der somit der preislichen Positionierung der Großen Wagen von BMW entsprach, die im Vergleich jedoch weniger Leistung aufwiesen und letztlich aufgrund einer falschen Produktund Preispolitik in diesem Segment nicht mit dem etablierten Mitbewerber aus Stuttgart konkurrieren konnten. Mit diesen beiden Modellen gelang es Daimler-Benz, sich in den USA als „sportlich elegante und luxuriöse Fahrzeuge mit Spitzentechnik“ zu etablieren.273 Ein Ziel, das BMW ebenfalls vor Augen hatte, jedoch in den 1950er Jahren leider nicht erreichen konnte. Modell BMW 502 / 2,6 Ltr. BMW 502 / 3,2 Ltr. BMW 503 BMW 507

Inlandspreis

Exportpreis

16 950 DM 18 350 DM 29 500 DM 26 500 DM

11 270 DM 12 320 DM 21 150 DM 18 650 DM

Tabelle 12: Inlands- und Exportlistenpreise ab Werk der Modelle BMW 502 2,6 Ltr., BMW 502 3,2 Ltr., BMW 503 und BMW 507, 02. 1956.274

Des Weiteren unterstreicht Tabelle 12 erneut das Gefälle zwischen In- und Auslandspreisen bei der BMW AG während der ersten Phase ihrer Interna­ tionalisierung. Dieses war verantwortlich, dass das Exportgeschäft aufgrund wesentlich geringerer Margen weniger finanzielle Anreize bot und der PKWVerkauf auf dem Binnenmarkt zunächst den Vorzug gegeben wurde. Der Vorstand folgte hier einer Faustregel, dass die Exportpreise im Durchschnitt 272 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 273  Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 221. 274  Vgl. Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

33 Prozent unter den Inlandspreisen liegen sollten.275 Wie die obige Aufstellung zeigt, wurde diese Regel je nach Baumuster nach oben oder unten korrigiert. Zugleich wird deutlich, dass die preisliche Positionierung weniger nach dem jeweiligen Markt und den auf ihm konkurrierenden Produkten vorgenommen wurde, sondern sich primär an dem Inlandspreis orientierte. Derart hohe Preise sorgten nicht nur im Inland, sondern auch im Exportgeschäft für vergleichsweise geringe, weit hinter den originären Kalkulationen liegende Absatzzahlen, trotz der fast ausnehmend positiven Perzeption der neuen Baumuster auf der IAA im Herbst 1955. Die entsprechenden Produktionszahlen sind Tabelle 13 für den Zeitraum 1952 bis 1960 zu entnehmen und zeigen, dass von der Oberklasse in diesen Jahren lediglich 19 444 Einheiten gefertigt wurden, von denen der Großteil in Deutschland verkauft wurde. BMW- Produktions- 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 Modell zeitraum 501 502 503 507 Gesamt

1952–1963 1954–1963 1956–1960 1956–1959 1952–1960

49 1 645 3 296 2 064 1 076 610 150 7 – – 167 2 484 2 527 879 1 485 1 696 – – – 3 102 111 135 50 – – – 2 13 91 98 48 49 1 645 3 463 4 553 3 718 1 691 1 868 1 801

5 645 6 – 656 19 444

Tabelle 13: PKW-Produktionszahlen von Fahrzeugen der oberen Klasse der BMW AG, 1952–1960.276

Die zurückhaltende Resonanz, auf die das BMW-Wagenprogramm vor allem durch fatale Qualitätsmängel und eine verkehrte Preispositionierung stieß, machte der BMW-Geschäftsleitung deutlich, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Nicht nur musste das Produktportfolio erweitert werden, sondern auch die Qualitätsansprüche, die traditionell fest im Marken­ image verankert waren, wieder erreicht werden. Demgemäß ließ der Aufsichtsrat im August 1957 protokollarisch festhalten: „Es ist deshalb für BMW ganz besonders entscheidend, nicht nur durch eine gefällige Form […], sondern auch insbesondere durch einwandfreie Qualität einen entsprechenden Marktanteil zu sichern. Enttäuschungen in dieser Beziehung müssen bei der Kundschaft von Anfang an vermieden werden, da sonst mit einem endgültigen Vertrauensverlust zu rechnen wäre.“277

Ebenso wurde den bis dato mitunter willkürlich anmutenden, durch die BMW-Verkaufsabteilungen durchgeführten Eruierungen der Märkte, die in verheerenden Kalkulationen gemündet und sich in zahlreichen Auseinandersetzungen im Vorstand, speziell zwischen dem Vorsitzenden Richter-Brohm 275 Vgl.

Protokoll Nr. 1/59 der Vorstandssitzung vom 21. 01. 1959, in: BMW UA 107/3. 276  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 277  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 01. 08. 1957, in: BMW UA 424/2.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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und Hof, dem Vorstand für Ein- und Verkauf, geäußert hatten,278 entschieden entgegengetreten und mit der 1957 eingerichteten Marktforschungsabteilung eine neue unternehmensinterne Institution installiert, die künftig eine realistische, wirtschaftliche Prognose über Produktion und Absatz sicherstellen sollte. Wenn hiermit auch die Unternehmenskrise, die im Dezember 1959 in der Hauptversammlung nahezu zum Verlust der unternehmerischen Selbstständigkeit der BMW AG führte, noch nicht abgewendet war, so wurde hierdurch dennoch ein Lernprozess durchschritten und betriebsinterne Strukturen korrigiert sowie etabliert, die für den späteren Erfolg des Konzerns prägend und mitverantwortlich waren.279 2.4.1.2.  Der Einstieg in das Kleinstwagengeschäft: Die BMW Isetta Bis zum Jahre 1954 musste die BMW AG auf einen holprigen Geschäftsverlauf seit der Nachkriegszeit zurückblicken: Der Aufbau der Vertriebsorganisation – insbesondere im Ausland – ging nur schleppend voran, was unter anderem auf das mangelhafte Produktportfolio zurückzuführen war. Das ab 1952 auf den Markt gebrachte Wagenprogramm konnte bei weitem nicht die Absatzziele erreichen und somit nicht die Einbußen aus den rückläufigen Motorradmärkten kompensieren. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sah der BMW-Vorstand im Herbst 1954 dringenden Handlungsbedarf, das automobile Programm nach unten hin in weitere Klassen zu erweitern und hiermit zugleich die Produktionskapazitäten rentabel auszulasten. Da eine hauseigene Entwicklung für diese Segmente bislang nicht vorgesehen war und diese zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte, begann die Geschäftsführung, sich nach möglichen Alternativen in Form von Lizenzfertigungen umzusehen, um die Zeit bis zu einer BMW-eigenen Konzeption zu überbrücken.280 Wie bereits mehrfach in dieser Arbeit betont wurde, vollzogen sich in den 1950er Jahren auf den Mobilitätsmärkten gravierende Veränderungen. Insbesondere in den frühen Jahren wurde ein neues Produktsegment geschaffen, das ehemalige Motorradkunden, die sich mit dem Wunsch nach einem komfortableren und zugleich bezahlbaren Fortbewegungsmittel von dem ­ Zweirad abwandten, ebenso in sich einte, wie neue Kunden; beispielsweise 278 Vgl.

exemplarisch die Protokolle der Vorstandssitzungen, 1957, in: BMW UA 107/1. 279  Für weiterführende Details über die Unternehmenskrise der BMW AG und die sich hieraus ableitenden Implikationen vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Kapitel 3, S. 128–255; Triebel, Florian / Grunert, Manfred (2006): Krisenerfahrung bei der BMW AG. Zur Typologie des Phänomens Unternehmenskrise, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook, Jg. 47, Nr. 2, S. 19– 30, hier S. 24–27. 280  Vgl. Aktennotiz des Vorstands an den Aufsichtsrat vom 23. 10. 1954, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 10. 1954, in: BMW UA 155/2; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 39. Geschäftsjahr 1954, 1955, in: BMW UU 33/10.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Hausfrauen, für die ein Zweitfahrzeug gekauft werden sollte.281 In den 1950er Jahren etablierte sich somit eine neue Fahrzeugenklasse: das Segment der Kleinstwagen, auch Kabinenroller genannt.282 Ihr Marktanteil (Hubraum < 500 ccm) stieg binnen weniger Jahre von 1,1 Prozent (1950) auf knapp 10,9 Prozent (1954) und weckte das Interesse zahlreicher Hersteller.283 Die Kleinstwagen waren überwiegend mit einem Einzylinder-Motor von einem Hubraum bis zu 400 ccm ausgerüstet und boten Raum für zwei bis maximal vier Personen.284 Zunächst dominierte Lloyd den Markt mit einer Zulassungsrate von über 80 Prozent, bis zu dem Einstieg weiterer Fabrikanten in dieses Segment im Jahre 1955 – hierunter auch GLAS und BMW –, wodurch sich das Mitbewerberfeld so nachhaltig diversifizierte, dass sich Lloyd als Konsequenz aus dieser Klasse zurückzog und stattdessen ein neues Modell mit größerem Hubraum herausbrachte.285 Doch wie genau kam es zu dem Markteinstieg der BMW AG in die für sie bis dato markenuntypische Klasse der Kleinstfahrzeuge? Die Münchner Zentrale unterhielt enge Kontakte zu ihrem Schweizer Generalimporteur Drenowatz in Zürich, die auf die 1920er Jahre zurückgingen (vgl. Kapitel 2.3.2). Drenowatz hatte durch seine intensive Arbeit den BMWAbsatz, insbesondere von Motorrädern, in der Schweiz nachhaltig gefördert. Er stand in enger Beziehung mit der BMW-Geschäftsleitung, vor allem mit dem Kaufmännischen Vorstand Grewenig, und wusste um die Intention in München, das Fertigungsprogramm nach unten möglichst zeitnah zu erweitern. Auf dem im März 1954 stattfindenden Genfer Automobilsalon wurde 281 BMW selbst klassifizierte die potentielle Kundschaft der BMW Isetta in der Presse­mappe zu ihrer Vorstellung im März 1955 wie folgt: „Die BMW Isetta stellt die Ideallösung des Fahrproblems für alle dar, die ein wendiges, flinkes Fahrzeug bei geringen Betriebskosten ohne Park- und Garagenschwierigkeiten benötigen. Das gilt für Lohn- und Gehaltsempfänger für den Weg zur Arbeitsstätte, für Ärzte, Vertreter, Handwerker, für den Einsatz von Reisenden großer Firmen, für selbständig Schaffende und nicht zuletzt für die Dame, wenn der Hausherr mit dem ‚großen Wagen‘ unterwegs ist.“, vgl. Pressemappe „Pressevorstellung Isetta 250 Standard.“, 05. 03. 1955, in: BMW AP 5/10. 282  Der Begriff „Motocoupé“ war indessen eine BMW-Kreation und wurde von der damaligen BMW-Werbeagentur Dorland als Marketingtrick geprägt. Hiermit versuchte man, eine eindeutige Zuordnung, inwiefern die BMW Isetta nun ein Automobil oder ein Motorrad sei, zu umgehen. Demgemäß lautete in den Rundschreiben für neue Werbemotive der Titel stets „Anzeigenmatern für Automobile, Motorräder und Motocoupés“. Die BMW Isetta wurde somit als dritter Weg der Mobilität etabliert, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 332. Diese Begrifflichkeit wurde dann durchgehend verwendet und fand sich auch in anderen Formaten, etwa in den Händlerverzeichnissen und Geschäftsberichten. 283  Vgl. Borgward, Wettbewerb, S. 46. 284 Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 50; für weiterführende Details zu Kleinst- und Kleinwagen der 1950er Jahre vgl. Mende, Hans-Ulrich von / Dietz, Matthias: Kleinwagen. Small Cars. Petite Voitures, Köln 1994. 285  Vgl. Borgward, Wettbewerb, S. 86–89.

2.4.  Modell- und Preispolitik

127

er auf ein Motocoupé der Firma Isomoto bzw. Iso Rivolta SpA (ISO)286 aufmerksam und wies den BMW-Vorstand auf dieses Fahrzeug hin. Im Auftrag von Grewenig erwarb er die ausgestellte Isetta und sandte sie zur näheren Betrachtung in die Münchner Zentrale.287 Nach einer eingehenden Analyse des Fahrzeugs bekundete die BMW AG in einem Telegramm an den Inhaber der Firma ISO, Renzo Rivolta, ihr Interesse am Erwerb einer Lizenz für die ­Isetta 200 und bat um Aufnahme von Gesprächen. Daraufhin besuchte am 8./9. Juni 1954 eine BMW-Delegation, hierunter Donath und Fiedler, die ­Firma ISO in Mailand zur Besichtigung des Werks und zur Aufnahme von ­konkreten Verhandlungen über die Isetta-Lizenz. Rivolta nannte in diesen Gesprächen eine Summe von 50 Mio. Lire für die Lizenzübernahme,288 die noch um die Forderung einer Stücklizenz von 2 Prozent des Verkaufspreises ergänzt wurde, der man unter der Bedingung stattgab, dass sie sich bei einer Stückzahl von 7 000 Einheiten auf 1,5 Prozent und bei mehr als 7 000 Einheiten auf 1,0 Prozent des Netto-Listenpreises reduzieren sollte.289 Nach informeller Rücksprache mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Mangoldt, der dem Übereinkommen formlos außerhalb einer Aufsichtsratssitzung seine Zustimmung gab, wurde der Lizenzvertrag zwischen der BMW AG und ISO mit einem Gegenwert von 400 000 DM bezahlt, was in etwa der oben genannten Forderung von 50 Mio. Lira entsprach.290 Die Generallizenz sah den Ver286 Renzo

Rivolta gründete im Jahre 1939 die Firma ISO SpA, die originär Kühlschränke herstellte. Aufgrund besserer Umsatzmöglichkeiten verlagerte Rivolta nach dem Zweiten Weltkrieg sein primäres Geschäftsfeld auf den Bau von Motorrädern und Motorrollern, der 1949 begann. Schon bald erweiterte er sein Fertigungsprogramm um das Kleinstfahrzeug Isetta, das im Oktober 1953 in Turin vorgestellt wurde. Im Januar 1954 und somit nur knapp drei Monate vor dem Genfer Autosalon, auf dem der BMW-Importeur die Isetta entdeckte, lief ihre Serienproduktion bei ISO an, vgl. Schrader, Halwart: BMW Isetta. Das Jahrhundert-Ei, Stuttgart 1995, S. 25f.; Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 103, Fußnote 326. 287  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 103. 288  Vgl. Schreiben von der BMW AG an Iso S.p.A. vom 14. 06. 1954, in: BMW UA 132/1. 289  Vgl. Aktennotiz des Vorstands an den Aufsichtsrat vom 23. 10. 1954, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 10. 1954, in: BMW UA 155/2; Schreiben „Stücklizenzabrechnung für das 4. Quartal 1956“ von der BMW AG an Rivolta, ISO S.p.A., vom 28. 01. 1957, in: BMW UA 53/1. 290  Donath und Grewenig stellten dem Aufsichtsrat das Isetta-Projekt am 30. 10. 1954 vor, also erst nach der Unterzeichnung des Lizenzvertrags. Dies widersprach den Grundsätzen der Unternehmensführung, auch als Corporate Governance zu bezeichnen, die eine vorherige Einbindung des Aufsichtsrats in solch wichtige Entscheidungen zwingend notwendig machten. Aufgrund der Dringlichkeit einer Zustimmung bzw. der Freigabe der erforderlichen Investitionen und der im Vorfeld eingeholten Zustimmung Mangoldts, pflichteten die Aufsichtsratsmitglieder dem Vorhaben ex post zu und genehmigten nachträglich die bereits gezahlte erste Rate zum Ankauf von Werkzeugen beim Lizenzgeber in Höhe von 400 000 DM, vgl. Aktennotiz des Vorstands an den Aufsichtsrat vom 23. 10. 1954, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 10. 1954, in: BMW UA 155/2.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

trieb der BMW Isetta für Gesamtdeutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland vor, während die Berechtigung für andere wichtige Länder wie Frankreich, die Benelux-Staaten, England, Spanien und sogar Brasilien bereits von anderen Lizenznehmern, wie der Firma Vélam, Paris, abgedeckt und somit zunächst für BMW nicht zugänglich war.291 Im späteren Verlauf ergaben sich hieraus einige rechtliche Unklarheiten über die exakten Abgrenzungen der einzelnen Vertriebsrechte,292 die in Kapitel 2.5.3.1 näher erläutert werden. Im weiteren Verlauf konnte die BMW-Geschäftsleitung die Isetta-Lizenzgebühr gegenüber ISO im Sommer 1957 auf einen einheitlichen Lizenzsatz von 1,0 Prozent der Herstellkosten pro Stück reduzieren, was eine Ersparnis pro Jahr von etwa 300 000 bis 350 000 DM bedeutete.293 Mit dem Vorstoß in das Kleinst- und später Kleinwagensegment eröffneten sich für die Motorenproduktion der BMW AG neue Schnittmengen. Die erste BMW Isetta wurde mit dem 250-ccm-Motorradaggregat ausgestattet, das parallel in dem Motorrad R 25/3 verbaut wurde. Im Dezember 1955 wurde der Isetta 250 Standard die etwas leistungsstärkere Isetta 300 Standard an die Seite gestellt. Nicht nur in der Fachpresse, der sie Anfang März 1955 am Tegernsee vorgestellt wurde, erntete sie überwiegend positive Stimmen, auch die Konsumenten brachten ihre Zustimmung durch eine starke Nachfrage zum Ausdruck. Diese war so hoch, dass trotz der raschen Erhöhung der Produktionskapazität von 100 auf 2 000 Stück pro Monat noch im September Wartezeiten bestanden.294 Seit dem Serienanlauf der BMW Isetta im April 1955 wurden bis Jahresende 12 911 Einheiten produziert und damit die Planungen der BMW-Verkaufsabteilungen erstmals seit der Rückkehr zum Automobilbau übertroffen.295 Diese enorme Produktionssteigerung machten Investitionen in Höhe von 15 Mio. DM erforderlich, wovon der Großteil für Maschinen und Gebäudebauten aufgewandt wurde.296 Die hohe Nachfrage war ebenso auf den vergleichsweise günstigen Einstiegspreis der BMW Isetta von 2 550 DM (1955) zurückzuführen, der damit knapp unter den ursprünglichen Berechnungen lag. In den dem Aufsichtsrat im Oktober 1954 vorgelegten Vorkalkulationen des Vorstands wurde bei ei291  Aktennotiz

des Vorstands an den Aufsichtsrat vom 23. 10. 1954, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 10. 1954, in: BMW UA 155/2; [o. V.] (2002): BMW Isetta. Das Fahrzeug des Wirtschaftswunders, in: BMW Group Mobile Tradition live, 75 Jahre BMW Automobile Special, S. 25–27, hier S. 27. 292 Vgl. Schreiben „Isetta-Export in die nicht im Vertrag enthaltenen Länder.“ der BMW AG an die ISO S.p.A. [übersetztes Typoskript, Anm. d. Verfasserin] vom 13. 10. 1955, in: BMW UA 53/1. 293 Vgl. Protokoll Nr. 11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: BMW UA 107/1. 294  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 105. 295  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 296  Für weiterführende Details über das Investitionsvolumen sowie die Finanzierungsstrategie der BMW AG vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 105f.

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2.4.  Modell- und Preispolitik

nem Verkaufspreis zwischen 2 600 DM und 2 800 DM und einer jährlichen Produktion von 12 000 Einheiten ein Gewinn von zehn Prozent des Nettoverkaufserlöses pro Fahrzeug ausgewiesen.297 Hierbei kamen die verhältnismäßig niedrigen Produktionskosten durch eine vorteilhafte Karosserieform sowie die Synergieeffekte aus dem Motorradbau zum Tragen.298 Damit war das Motocoupé um 57 Prozent günstiger als das Spitzenmodell R 68 der BMW Motorräder, was einerseits die Exklusivität der Münchner Zweiräder unterstreicht, aber auch andererseits den Charakter der Massenmotorisierung, überdachte Mobilität zu günstigen Preisen anzubieten. Die Preise der BMW Isetta, die in Tabelle 14 dargestellt sind, wurden im März 1956 nach oben korrigiert, um den Gewinn pro Fahrzeug zu steigern. Die Erhöhung schlug sich allerdings wegen einer parallelen Ausdehnung der Isetta-Ex­ portrabatte von 22,5 auf 35,0 Prozent nur auf dem deutschen Markt nieder, während die Preise im Ausland sogar sanken. Modell

1955 Inland Inlandspreis

Isetta 250 ccm Isetta 300 ccm

2 550 DM 2 690 DM

1956 Export

Rabatt (%) 22,5 22,5

Inland

Exportpreis

Inlandspreis

1 975 DM 2 085 DM

2 750 DM 2 890 DM

Export Rabatt (%) 35,0 35,0

Exportpreis 1 788 DM 1 879 DM

Tabelle 14: Inlands- und Exportlistenpreise ab Werk der BMW Isetta vor und nach Preiserhöhung, 1955–1956. 299

Die BMW Isetta wurde binnen kürzester Zeit zu einem wichtigen Leistungsträger des Unternehmens, dessen Umsatz 1956 und 1957 primär von dem Kleinstfahrzeug erwirtschaftet wurde.300 Der Umsatz ist jedoch nur eine Kenngröße, der noch keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Gewinn zulässt. Die Marge fiel bei der BMW Isetta eher gering aus, was bei Kleinstund Kleinwagen keineswegs überrascht. Der Gewinn im Ausland lag unter dem im Inland, weshalb der Vorstand im Januar 1959 eine Untersuchung der Exportpreise in Auftrag gab, um Möglichkeiten zur Erlössteigerung zu eruieren.301 Dennoch war die Isetta unverzichtbar, denn sie lastete die Produk­ tion aus und sicherte Arbeitsplätze. Ferner war sie neben den Motorrädern 297  Diese zehn Prozent wurden mit 228 DM veranschlagt, vgl. Aktennotiz des Vorstands an den Aufsichtsrat vom 23. 10. 1954, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 10. 1954, in: BMW UA 155/2. 298  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 105. 299  Vgl. Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1. 300  Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat über die Entwicklung der Geschäftslage vom 11. 02. 1958, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 11. 02. 1958, in: BMW UA 104/2. 301  Vgl. Protokoll Nr. 1/59 der Vorstandssitzung vom 21. 01. 1959, in: BMW UA 107/3.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

das einzige Produkt, das in nennenswerten Stückzahlen über die Landesgrenzen hinaus verkauft wurde. Daher wurde sie in der ersten Internationalisierungsphase zum essentiellen Standbein, auch wenn sie kaum einen Gewinn erwirtschaften konnte. Ihre Einfuhr in manche europäische Länder wurde durch die lokale Zollund Besteuerungspolitik erschwert, da sie aufgrund ihrer vier Räder als Automobil eingestuft und demgemäß besteuert wurde.302 Ab Ende 1958 lief daher die Fertigung eines speziellen dreirädrigen Isetta-Modells an, das fortan unter anderem in England, aber auch in Schweden, Holland und Österreich zum Einsatz kam.303 Im Gegensatz zu dem Luxuswagenprogramm erkannte das Unternehmen also bei der Isetta die Notwendigkeit, die Modelle marktspezifisch zu überarbeiten und bei entsprechendem Marktpotential den nichttarifären Handelshemmnissen Rechnung zu tragen. Dementsprechend früh­ zeitig wurde der Entschluss gefasst, die Isetta ebenfalls als Rechtslenker auf den Markt zu bringen, um in den Ländern mit Linksverkehr Fuß fassen zu können. Zur Erprobung hatte BMW 50 erste Vorführwagen der Isetta als Rechtslenker (RL) in Großbritannien herausgebracht, die umgehend verkauft worden waren und somit die Dringlichkeit eines Rechtslenker-Modells unterstrichen. Obgleich die Verkaufsabteilung die Hoffnung hegte, die Serienproduktion dieser RL-Modelle bereits im Frühjahr 1956 beginnen lassen zu können,304 wurde sie aus technischen Gründen zunächst auf Herbst 1956 verschoben.305 Tatsächlich liefen die ersten Modelle erst ab 1957 vom Band, wodurch zusätzliche Absatzmöglichkeiten im Jahre 1956 verschenkt wurden.306 Parallel wurden weitere Überarbeitungen an der Isetta vorgenommen – einer der Gründe, weshalb die Rechtslenkervariante nicht früher in Serie gebracht werden konnte – und so wurde bereits im November 1956 die bisherige BMW Isetta Standard durch die sogenannte BMW Isetta Export im In- und Ausland abgelöst, die sich sehr deutlich von ihrem Vorgängermodell unterschied.307 Bereits die Namensgebung „Export“ weist auf die Wahrnehmung des Ausfuhrgeschäftes als wichtiges Geschäftsfeld hin. Während das Vorgängermodell äußerlich noch weitestgehend dem italienischen Ausgangsmodell der Firma ISO entsprochen hatte, waren an der BMW Isetta Export zahlreiche Veränderungen optischer sowie technischer Natur vorgenommen worden.308 302  Vgl. Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1. 303  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; Protokoll Nr. 20/59 der Vorstandssitzung vom 15. 12. 1959, in: BMW UA 107/3. 304  Vgl. Bericht von Trötsch über die Automobilausstellung Earls-Court London 19.– 29. 10. 1955, 15. 11. 1955, in: BMW UA 230/1. 305  Vgl. Aktennotiz „Rechtssteuerung Isetta-Export“ vom 20. 03. 1956 , in: ebd. 306  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 307  Vgl. Produktprofil BMW Isetta Export, in: BMW AD 1183/1. 308  An dieser Stelle sollen nur einige der Neugestaltungen angeführt werden: Die neue Isetta wirkte optisch schlanker und gestreckter, während das deutlich verkleinerte

131

2.4.  Modell- und Preispolitik

Sie sollte neue Anreize für das im Jahre 1956 zwischenzeitlich rückläufige Isetta-­Geschäft bieten, das im Zusammenspiel mit der nachlassenden Motorradnachfrage temporär zu einer Drosselung der Produktion durch Kurzarbeit sowie einer Verminderung der Belegschaft führte.309 Der Markt erholte sich jedoch wieder und so überstieg 1956 die Isetta-Produktion diejenige des Vorjahrs mit rund 18 800 Einheiten um 146 Prozent, wovon ein Großteil auf dem Binnenmarkt abgesetzt wurde. Der positive Trend setze sich 1957 mit 21 Prozent fort, wobei diesmal der Zuwachs ausschließlich auf das Exportgeschäft zurückging, indem die Ausfuhr der Isetta mit 11 637 Einheiten auf nahezu das Vierfache gesteigert werden konnte.310 Hierfür war vor allem die Vergabe von Montagelizenzen verantwortlich, auf die detailliert in Abschnitt 2.5.3.1 eingegangen wird. In den nachfolgenden Jahren musste das Volumen der Isetta wieder zurückgefahren werden, da die Klasse der Kabinenroller und Kleinstfahrzeuge ihren Zenit überschritten hatte. Dies war auf die gestiegene Begehrlichkeit gegenüber größeren Automobilen, also Fahrzeugen aus dem Segment der Kleinwagen und Mittelklasse, zurückzuführen. Tabelle 15 zeigt den Verlauf der Produktionszahlen der BMW Isetta auf Modellebene. Isetta

1955

1956

1957

1958

1959

1960

1961

1962 Gesamt

250 11 914 16 191 12 339 10 211 10 161 6 269 5 153 250 RL – – 47 – – – – 300 997 14 309 14 786 7 790 6 234 3 237 2 728 300 RL – 425 – 2 766 250 – – 300 Dreirad – – – – 410 8 205 5 441 300 Dreirad RL – – – – – 1 600 4 000 300 USA – 1 200 8 400 3 187 – – – Gesamt 12 911 31 700 38 338 22 023 24 850 16 547 11 881

2 027 74 265 – 47 651 50 732 – 3 441 – 14 056 400 6 000 – 12 787 3 478 161 728

Tabelle 15: Produktion der BMW Isetta nach Modelltyp, 1955–1962.311

Die Angaben belegen, dass die für den Export vorgenommenen Modell­ modifikationen, wie die Rechtslenker- oder Dreiradversionen, einen signifiHeckfenster nun aus Sicherheitsglas bestand. Dem hohen Ölverbrauch entsprechend wurde die Ölwanne um 0,5 Liter auf 1,75 Liter erweitert. Der Motor wurde hingegen nicht verändert und blieb mit einer Leistung von 12 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 85 km/h mit dem Vorgängermodell identisch. Das Fahrverhalten wurde hingegen deutlich durch eine überarbeitete Federung der Vorderrad- und Hinterradaufhängung qua hydraulischer Teleskop-Stoßdämpfer verbessert. Für weitere Details vgl. Produktprofil BMW Isetta 250 Export, in: BMW AD 221/1. 309 Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 41. Geschäftsjahr 1956, 1957, in: BMW UU 35/10. Die Belegschaft wurde im Verglich zum Vorjahr um 1 150 Stellen gekürzt, was einem Sechstel der damaligen Mitarbeiterzahl entsprach. Dies war jedoch ebenfalls auf die Schließung des KOMD zurückzuführen, die sich zeitgleich vollzog, vgl. Kapitel 2.2.2, Tabelle 3. 310 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 311  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

kant positiven Einfluss auf die Produktion hatten. 1957 war das Spitzenjahr der BMW Isetta, doch auch im Juli 1958 erreichte sie in Deutschland in der ­Klasse bis 400 ccm noch einen Marktanteil von 35,5 Prozent.312 Wie sich in ­Tabelle 15 widerspiegelt, wurde das BMW-Produktportfolio im September 1958 um den BMW 600 und im Juli 1959 um den BMW 700 zulasten der BMW Isetta ergänzt. Dies unterstrich ihren Charakter als Überbrückungsprodukt, als welches sie 1954 qua Lizenzerwerb von ISO zu BMW kam. Als solches erlangte sie einen Kultstatus, lastete die Produktionskapazitäten aus und brachte dem Unternehmen die dringend benötigten Umsätze. Neben den Motorrädern war sie bis zu dem Erscheinen des BMW Kleinwagenprogramms das wichtigste bzw. einzig nennenswerte Exportprodukt des Münchner Herstellers. Bereits die Namensgebung des im November 1956 erschienenen Nachfolgemodells BMW Isetta Export brachte die an sie gestellten Erwartungen zum Ausdruck. Auch der Kaufmännische Vorstand sah das hohe Potential, das in der BMW Isetta als Exportgut steckte und zog – erstmals nach 1945 – eine grenzüberschreitende Montagefertigung eines BMW-Produktes nicht nur in Betracht, sondern sah diese Form der Markterschließung sogar als wichtige Produktions- bzw. Vertriebsstrategie für das Segment der Kleinst- und Kleinfahrzeuge an. In seinem Bericht zur Exportsituation vom März 1956 hielt Grewenig demgemäß fest: „Die hohen Investitionen auf dem Sektor Isetta und der hochlaufende tägliche Ausstoß zu Ende dieses Jahres verpflichten uns geradezu, den Export dieses Fahrzeuges entweder komplett oder aber für Montage in fremden Ländern zu betreiben [sic!].“313

Auf weitere Details hinsichtlich der CKD- und SKD-Montage der BMW AG wird dezidiert in Kapitel 2.5.3.1 eingegangen.314 Diese Form der Fertigung im Ausland kann als bewusste Vertriebsstrategie gewertet werden, da ohne diesen Schritt der Vertrieb in zahlreichen Ländern aufgrund ihrer Local-Content-Politik gar nicht oder nur höchst eingeschränkt möglich gewesen wäre. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich, dass die 300-ccm-Motorisierung auch sehr stark für den Export bestimmt war: 40 615 Einheiten, also knapp die Hälfte der insgesamt 87 416 BMW Isetta 300 Standard bzw. Export, sind dem Ausfuhrgeschäft eindeutig zuzuordnen, von denen wiederum 62 Prozent (25 361 Stück) als Teilesätze für die Montage im Ausland ausgeführt wurden.315

312 Vgl. Pressemitteilung „BMW Motorräder absolute Spitzenreiter ihrer Klasse; BMW Isetta weiterhin in Front.“ vom 30. 09. 1958, in: BMW UP 116/10. 313  Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig, vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1. 314 Eine Erläuterung zu den Begrifflichkeiten der CKD- und SKD-Montage wird ebenfalls in dem besagten Abschnitt gegeben. 315  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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Für den Export wurden zahlreiche Sondermodelle aufgebaut, was seit dem Zweiten Weltkrieg eine Neuheit in der Automobilsparte bei BMW darstellte. Hierin zeigte sich eine besonders ausgeprägte Exportausrichtung des Kleinstwagensegments. Neben der bereits erwähnten Dreiradversion der Isetta, die in einigen Ländern eine günstigere Besteuerung als Motorrad zur Folge hatte, wurde ebenfalls eine US-Version mit großen Stoßfängern, Sealed-BeamScheinwerfern, vier aufgesetzten Blinkern und Meilentacho konstruiert, die für den nordamerikanischen Markt einschließlich Kanada bestimmt war. In den Jahren 1956/57 hatte der BMW-Vorstand eine Fertigung der Isetta in Indien aufbauen wollen und in diesem Kontext 1956 eine erste Version der sogenannten „Tropen-Isetta“ angefertigt, die speziell auf die klimatischen Anforderungen tropischer Breitengrade abgestimmt war.316 Diese Tropenausführung der Isetta bot unter anderem eine bessere Belüftung des Innenraums, eine Verstärkung aller korrosionsanfälligen Bauteile sowie eine erhöhte Motorlüftung. Das Tropen-Modell sollte in asiatischen, afrikanischen sowie lateinamerikanischen Ländern, aber auch in Portugal verkauft werden. Letztlich scheiterte jedoch das Indienprojekt und so wurde diese Tropenvariante nicht produziert.317 Von ihren ersten Entwürfen leiteten sich allerdings zwei weitere Konstruktionen ab: eine Cabrio-Version sowie eine „Lasten-Isetta“, auch „BMW Isetta Pickup“ genannt.318 Diese beiden Varianten kamen tatsächlich zur Weiterentwicklung und wurden in den Jahren 1956/57 in sehr limitierter Auflage verkauft; sie müssen daher als Randmodelle abseits der Serienproduktion gewertet werden, die somit ihren Konstruktionsaufwand nicht amortisieren konnten.319 Die zahlreichen Sonderkarosserieformen der BMW Isetta spiegelten die Bemühungen des Unternehmens wider, den Wünschen verschiedener Märkte gerecht zu werden und somit an dem wachsenden Exportgeschäft zu partizipieren. Erstmals in der Geschichte der BMW AG wurden in Kooperation mit Montagepartnern im Ausland CKD- und SKD-Standorte aufgebaut. Die Rolle der BMW Isetta als ein an sich untypisches BMW-Produkt muss für die internationale Ausrichtung des Unternehmens als groß angesehen werden, wirkte sie doch für das Ausfuhrgeschäft gemeinsam mit den BMW-Motorrädern als Initialzündung für die folgenden Baureihen und die sich nach 1960 anschließende zweite Phase der Internationalisierung. Das zunächst als Überbrückungslösung eingekaufte Baumuster entwickelte sich zum Ver316 

Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. Aktennotiz „Isetta-Organisation“ von Krüger an die Vorstände Grewenig und von Krafft vom 25. 07. 1956, in: BMW UA 230/1. 318  Triebel, Florian (2007): Isettas für Indien, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 5, Nr. 1, S. 22–25, hier S. 22. 319 Von der Cabriolet-Ausführung wurden ca. 65 Stück gefertigt, die BMW Isetta Pickup wurde in noch kleinerer Stückzahl produziert, vgl. Produktprofil BMW Isetta Cabriolet, in: BMW AD 318/1; Produktprofil BMW Isetta Pickup, in: BMW AF 316/1. 317 Vgl.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

kaufs- und Exportschlager, wodurch neue Märkte und Handelspartner erschlossen und somit die internationalen Erfahrungen des Konzerns erweitert wurden. Darüber hinaus vermochte die BMW Isetta – und dieser Punkt überrascht aufgrund ihres markenuntypischen Charakters – dem Image der Marke im Hinblick auf die technische Zuverlässigkeit Auftrieb zu verleihen, da sie mit dem wenig anfälligen Motorradmotor der R 25 ausgestattet worden war. ­Zudem verschaffte sie BMW als „Knutschkugel“ ein hohes Maß an Sym­ pathie.320 Trotz ihres Kultstatus vermochte die BMW Isetta nicht darüber hinwegzutäuschen, dass dieses Produktportfolio das Überleben des Unternehmens weder lang- noch mittelfristig sichern konnte. Hierüber waren sich die Führungsgremien des Konzerns im Frühsommer 1957 einig: „Aufsichtsrat und Vorstand stimmten in der Erkenntnis überein, dass das derzeitige Programm der BMW AG unzureichend sei und die Entwicklung der Gesellschaft ohne grundlegende Neuplanung und Neuordnung zu ernster Besorgnis für die Zukunft zwinge.“321

Es bestand also auch weiterhin dringender Handlungsbedarf zur Erweiterung des automobilen Fertigungsprogramms, insbesondere in Anbetracht der finanziellen Schieflage des Unternehmens. 2.4.1.3.  Das Kleinwagensegment: Der BMW 600 als Überbrückungsprodukt Die ersten Anregungen für eine Weiterentwicklung des Baumusters Isetta zu einem viersitzigen Kleinwagen kamen in den Gesprächen des Exportleiters Krüger im Rahmen seiner Fernostreise im Frühjahr 1956 auf,322 aus denen das bereits erwähnte ambitionierte Indienprojekt hervorging, das eine Fertigung von 40 000 BMW Isettas in den ersten fünf Jahren durch die indische Firma Hindustan Vehicles Ltd. vorsah. Eigens hierfür wurde die TropenIsetta entworfen, die in Abschnitt 2.4.1.2 vorgestellt wurde. Die darauf folgende erste Tuchfühlung mit Regierungsbeamten erdete die optimistischen Marktbewertungen der BMW-Verkaufsabteilungen, da deutlich wurde, dass die raren, von der Regierung vergebenen Produktionslizenzen vor allem robusten vier- bis fünfsitzigen Kleinfahrzeugen erteilt werden sollten, über die die BMW AG noch nicht verfügte.323 Eine Weiterentwicklung der BMW Isetta zu einem solchen Produkt, das ebenfalls attraktiv für den indischen Markt war, schien also bereits im Frühjahr 1956 desiderabel. Letztlich war das Modell BMW 600 die sich aus dem Wagenportfolio ableitende logische Konsequenz, nachdem sich ein Rückgang der Isetta-Pro320 [o.  V.]

(2002): BMW Isetta. Das Fahrzeug des Wirtschaftswunders, in: BMW Group Mobile Tradition live, 75 Jahre BMW Automobile Special, S. 25–27. 321  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. 07. 1959, in: BMW UA 424/2. 322 Vgl. Bericht über die Reise von Dr. Krüger nach dem Fernen Osten 21. 02.– 26. 04. 1956 vom 30. 05. 1956, in: BMW UA 230/1. 323  Vgl. Triebel, Isettas für Indien, S. 22–24.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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duktionszahlen nach anfänglicher Euphorie abzeichnete und klar wurde, dass sie als einziges Volumenmodell des Unternehmens die Zeit bis zum Erscheinen des sich in Entwicklung befindlichen BMW 700 oder gar des anvisierten Mittelwagens nicht überbrücken würde können.324 Neben der BMW Isetta war also ebenso der BMW 600 eine Übergangslösung: „Dieser neue Fahrzeugtyp würde aber vom Vorstand im Rahmen des Gesamtprogrammes nur als eine Überbrückung bis zur Endlösung betrachtet.“325 In einer weiteren Aufsichtsratssitzung im August 1957 hieß es demgemäß: „Während die Fertigungsaufnahme des Mittelwagens die Endlösung im Programmvorschlag darstelle, sei als Übergangslösung der Bau eines Kleinwagens in Gestalt des BMW 600 eingeplant, der als eine Weiterentwicklung der Isetta zum viersitzigen leistungsstarken Gebrauchsfahrzeug für eine breite Abnehmerschicht betrachtet werden müsse.“326

Die Konstruktionsarbeiten an dem BMW 600 konnten mit geringem Aufwand an Zeit und Geld unter Verwendung vorhandener Konstruktionselemente der Isetta bewerkstelligt werden. Dies entsprach der Zielsetzung, hohe Investitionen für die Entwicklungsarbeiten an einem Kleinwagen zu vermeiden.327 Das Fahrzeug erhielt einen längeren Stahlrohrrahmen und wirkte auch aufgrund der beibehaltenen Fronttür wie eine in die Länge gezogene, um eine Seitentür ergänzte Isetta. Das Antriebsaggregat wurde abermals mit einem gedrosselten 600-ccm-Zweizylindermotor (19,5 PS) dem Motorradbau entliehen.328 Erst Mitte 1957 wurde die offizielle Typenbezeichnung BMW 600 nach einem internen Ideenwettbewerb vom Vorstand verabschiedet; zuvor war stets lediglich die Sprache von der „viersitzigen Isetta“.329 Alleine für das Jahr 1958 rechnete der Vorstand mit einem Absatz des neuen Kleinwagens im In- und Ausland von 30 400 Einheiten, der bis 1959 ein Produk­ tionsvolumen von insgesamt 54 700 Stück erreichen sollte.330 Man erhoffte sich besonders gute Absatzchancen auf dem indischen Markt,331 die sich allerdings nicht erfüllten.332 Einmal mehr kristallisierte sich heraus, dass die Vorkalkulationen der BMW-Verkaufsabteilungen an der Realität vorbeiziel324 Demgemäß

hieß es über den BMW 600 im Geschäftsbericht 1958 retrospektiv: „Der Bau dieses Kleinwagens sollte eine Übergangslösung bis zum Anlauf der vorgesehenen Programmumgestaltung darstellen. Das endgültige Programm sollte die Produktion eines 1,6-l-Mittelwagens und eines Wagens der 700-ccm-Klasse umfassen.“, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 43. Geschäftsjahr 1958, 1959, in: BMW UU 37/10. 325  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. 07. 1959, in: BMW UA 424/2. 326  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 01. 08. 1957, in: ebd. 327  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. 07. 1959, in: ebd. 328  Vgl. Produktprofil BMW 600, in: BMW AD 329/1. 329  Protokoll Nr. 9/57 der Vorstandssitzung vom 18. 06. 1957, in: BMW UA 107/1. 330  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 140, Tabelle 30. 331 Vgl. Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 332  Vgl. Triebel, Isettas für Indien, S. 25.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

ten – in diesem Fall um knapp 20 000 Einheiten, wie den tatsächlichen Zahlen aus Tabelle 16 zu entnehmen ist. Erneut hatte sich das BMW-Führungsgremium voreilig auf einen verheißungsvollen Markt konzentriert und ein Produkt auf Grundlage der dortigen Bedürfnisse entworfen, ohne profunde Marktanalysen einzubeziehen. Auch am Beispiel des BMW 600 zeigte sich, dass sich die Prozesse im Kontext der im April 1957 auf Nachdruck RichterBrohms konstituierten Marktforschungsabteilung erst noch einspielen und etablieren mussten. Die signifikant unter den Erwartungen liegenden Verkaufszahlen waren auch auf starke Konkurrenzprodukte, wie den Fiat 600 oder das Goggomobil von GLAS, zurückzuführen. Modell BMW 600 BMW 600 USA BMW 600 SKD Gesamt

1957

1958

1959

Gesamt

332 – – 332

24 520 2 667 – 27 187

5 446 1 353 495 7 294

30 296 4 020 495 34 813

Tabelle 16: Produktionszahlen des BMW 600 nach Modellvarianten, 1957–1959.333

Im Herbst 1957 wurde der BMW 600, der keine weiteren Modellvarianten bis auf die wie bei der BMW Isetta vorgenommenen US-Modifizierungen von Stoßstangenbügeln und Sealed-Beam-Scheinwerfern an die Seite gestellt bekam, auf der IAA in Frankfurt am Main vorgestellt.334 Durch Verbes­se­run­ gen an der Karosserieform, die von dem italienischen Designer Michelotti, der eigentlich an dem BMM 700 für BMW arbeitete, auf Wunsch des Vorstands vorgenommen wurden, verzögerte sich der Produktionsanlauf um ­einige Monate auf Dezember 1957.335 Der Markteinstieg des BMW 600 war mit weiteren Komplikationen verbunden, denn bei den ersten Fahrzeugauslieferungen kam es zu Reklamationen, die das Getriebe betrafen.336 Erst nach Klärung dieser Mängel – die Geschäftsleitung wollte dringend sich auf das Image negativ auswirkende Qualitätsdefizite wie bei den Barockengeln vermeiden – erteilte der Vorstand gegenüber den Händlern für Anfang Februar 1958 die Freigabe für den Verkauf.337 Weitere Probleme leiteten sich aus einer gewissen Zurückhaltung nicht nur bei den Kunden, sondern auch unter den BMW-Händlern ab, die auf die Optik des BMW 600 zurückzuführen war. Insbesondere die Karosserieform, mit ihrem Fronteinstieg und nur einer 333 

Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 42. Geschäftsjahr 1957, 1959, in: BMW UU 36/10. 335 Vgl. Protokoll Nr. 9/57 der Vorstandssitzung vom 18. 06. 1957, in: BMW UA 107/1; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 43. Geschäftsjahr 1958, 1959, in: BMW UU 37/10. 336 Vgl. Protokoll Nr. 7/58 der Vorstandssitzung vom 10. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 337  Vgl. Protokoll Nr. 2/58 der Vorstandssitzung vom 23. 01. 1958, in: ebd. 334 Vgl.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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­Seitentür, rief Skepsis und Sicherheitsbedenken hervor. Eine 1957 vor Verkaufsbeginn durchgeführte Händlerbefragung hatte eine teilweise positive, teilweise negative Bewertung des neuen Modells bescheinigt.338 Diese reservierte Haltung musste zerstreut werden, bevor das Fahrzeug in den Verkauf gehen konnte, was zusätzliche Bemühungen der Verkaufsabteilungen forderte und bereits ahnen ließ, dass mit einer reibungslosen Produkteinführung nicht zu rechnen war. Trotz der oben genannten Skepsis erfüllte der BMW 600 seine Rolle als Überbrückungslösung: Obwohl er lediglich etwa ein Fünftel der Verkaufszahlen der BMW Isetta erreichte, wurde durch ihn die Produktion weiterhin ausgelastet und die Zeit bis zur Fertigstellung des sehnlichst erwarteten Mittelwagen überbrückt. Auch im Ausland weckte das Baumuster Aufmerksamkeit und wurde vereinzelt in die Montage einiger Partner aufgenommen. Eingangs hatten mehrere Unternehmen Interesse an einer Montagelizenz bekundet, wie etwa der Isetta-Lizenzgeber ISO in Italien, die Firma Hart, Nibbrig & Greeve in Holland oder auch Romi S.A., bisheriger Lizenznehmer der ISO Isetta in Brasilien. Aufgrund hoher institutioneller Hürden stand der latein­ amerikanische Kontinent jedoch BMW-Wagen zu diesem Zeitpunkt mit Ausnahme der BMW Isetta prinzipiell nicht offen.339 Da es sich fernerhin bei dem BMW 600 um eine technische Weiterentwicklung der BMW Isetta handelte, berührte er den mit ISO geschlossenen Lizenzvertrag und warf hier einige Fragen hinsichtlich der Vertriebs- und Montagerechte der ISO und ihrer Lizenznehmer auf, die in Kapitel 2.5.3.1 behandelt werden. Die Verkaufsabteilungen in München hatten dem Entwicklungsbüro frühzeitig zu erkennen gegeben, dass eine Rechtslenkerversion des Fahrzeugs ­unbedingt von vornherein eingeplant werden müsse. Dieser Aspekt war besonders wegen der geplanten CKD-Lieferungen des BMW 600 an die Isetta of Great Britain Ltd. von großer Bedeutung.340 Man hatte also aus den vorangegangenen Erfahrungen gelernt, in denen fehlende länderspezifische ­Modifikationen zu entgangenen Marktchancen geführt hatten. Auch verfolgte man zu diesem Zeitpunkt noch das Montageprojekt in Indien, für das eine Anpassung an den Linksverkehr unumgänglich war.341 Tatsächlich wurden jedoch im gesamten Produktionszeitraum lediglich 7 042 Einheiten des BMW 600 exportiert, was einer Ausfuhrquote des Modells von nur 20 Prozent entsprach. Hauptabsatzländer in Europa waren aufgrund eines höheren erzielbaren Preises und dem hieraus resultierenden höheren Umsatzerlös Belgien (vor allem SKD-Lieferungen), Dänemark, Österreich und die Schweiz sowie 338 Vgl.

Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: BMW UA 107/1; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. 07. 1959, in: BMW UA 424/2. 339 Vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1; Protokoll Nr. 1/58 der Vorstandssitzung vom 08. 01. 1958, in: BMW UA 107/2; Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: ebd. 340  Vgl. Protokoll Nr. 1/58 der Vorstandssitzung vom 08. 01. 1958, in: ebd. 341  Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen des Jahres 1958, in: ebd.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

in Übersee Nordamerika und Argentinien.342 Nach Indien wurde letzten Endes kein einziger BMW 600 geliefert,343 eine abermalige Fehleinschätzung der Auslandsverkaufsabteilung unter der Leitung Krügers. Der geringe Erfolg des BMW 600 im Ausland lag auch an den finanziellen Schwierigkeiten einiger wichtiger Montage- und Importeurspartner, die somit nicht die von ihnen ursprünglich angegebenen Kontingente abnehmen konnten, die die Grundlage für die Vorkalkulationen bildeten. Besonders schwer wog hier etwa die monetäre Schieflage der Isetta of Great Britain Ltd., die trotz diverser Stützungsmaßnahmen durch die BMW AG die Vertretung der Isetta und des BMW 600 nicht aufrecht erhalten konnte. Hierdurch litt auch der Absatz in sämtlichen durch sie betreuten Märkte des Commonwealth wie Kanada.344 Diese Entwicklung gab Anstoß zu der Gründung der ersten Vertriebsgesellschaft im Ausland im Jahre 1959, der BMW Canada Ltd.,345 die jedoch ohne nennenswerten Erfolg blieb und bereits 1964 wieder liquidiert wurde (vgl. Kapitel 2.5).346 Die Festlegung des Listenpreises und der Exportrabattierungen des BMW 600 gestaltete sich durchaus schwierig, wie zahlreiche Diskussionen im Vorstand belegten. Ursprünglich war im Frühjahr 1957 noch mit einem Inlandslistenpreis von 3 790 DM inklusive einer Gewinnspanne von 100 DM kalkuliert worden; eine derart geringe Marge von nur 2,6 Prozent des Umsatzes pro Fahrzeug war als fahrlässig zu werten. Richter-Brohm wies den Verkaufsvorstand Hof in einer ihrer zahlreichen Konfrontationen darauf hin, dass bei dieser Kalkulation im Auslandsgeschäft ein Verlust pro Fahrzeug von 200 DM anfiele. Bei einer anvisierten Absatzquote Inland zu Ausland von 2:l ergäbe sich somit ein Saldo von etwa Null.347 Der tatsächliche Inlandspreis des BMW 600 lag eingangs bei 3 890 DM,348 musste jedoch aufgrund des stockenden Absatzes schon bald gesenkt werden. Der Exportpreis stellte die Verkaufsabteilung insbesondere im Kontext der ausgeprägten Konkurrenz in diesem Segment vor eine schwierige Ausgangssituation: Während der BMW 600 den absatzstarken Fiat 600 im Inland mit circa DM 200 342 Vgl. Protokoll Nr. 11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: BMW UA 107/1. 343 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 344 Vgl. Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 345  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. 11. 1959, in: BMW UA 291/2. 346 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 49. Geschäftsjahr 1964, 1965, in BMW UU 47/10. Erste ernst zu nehmende Erwägungen hinsichtlich einer Liquidation gehen bereits auf den Februar/März 1961 zurück und unterstreicht den geringen Erfolg dieser Vertriebsgesellschaft, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 03. 1961, in: BMW UA 731/2. 347 Vgl. Protokoll Nr. 6/57 der Vorstandssitzung vom 09. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 348  Vgl. Produktprofil BMW 600, in: BMW AD 329/1.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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preislich unterbot, lagen beide Fabrikate im Ausland auf gleicher Höhe bzw. war das BMW-Produkt teilweise sogar teurer und damit nicht wettbewerbsfähig. So ließ der Vorstand im Juli 1958 protokollieren: „Dies wirkt sich umso stärker gegen uns aus, als dem Vordereinstieg beim ausländischen Publikum noch größere Schwierigkeiten begegnet als im Inland und außerdem die Marke BMW nicht die gleiche Werbewirkung wie im Inland besitzt.“349

Diese schwierige Situation führte dazu, dass für den BMW 600 Rabattgewährungen für das Ausfuhrgeschäft nicht pauschal, sondern nur individuell in Anpassung an die jeweilige Verkaufs- und Konkurrenzlage in dem einzelnen Land vorgenommen wurde, es demgemäß zu einer marktspezifischen Exportpreislösung kam, die zwischen 2 500 und 2 700 DM und somit weit unter dem deutschen Listenpreis sowie den sonst gewährten Rabattierungen lag.350 Bei dem fallspezifischen Vorgehen pro Markt handelte es sich um ein für diese Zeitspanne ungewöhnliches Vorgehen der Preisbildung bei BMW, da die Verkaufsabteilung in den 1950er Jahren vorrangig pauschale Exportrabatte erließ. Aus der Not heraus kam es hier also erstmals zu einer Berücksichtigung der Marktspezifika. Im Laufe des Jahres 1959 musste der Inlandspreis im Rahmen eines gesonderten Verkaufshilfeprogramms, das über mehrere Monate währte, erneut herabgesetzt werden.351 Resümierend muss konstatiert werden, dass der BMW 600 nicht die erhofften Erfolge brachte. Die ­finanzielle Lage der BMW AG spitzte sich im Laufe des Jahres 1959 somit auch aufgrund ihrer Modellpolitik immer weiter zu. 2.4.1.4.  Der Kleinwagen BMW 700 als multinationales Projekt Die Anfänge des Kleinfahrzeugs gingen in das Frühjahr 1957 zurück: Auf einer Händlertagung wurde das Projekt des zukünftigen sogenannten Mittelwagens als Nachfolger der viersitzigen Isetta – also des BMW 600 – diskutiert. Etwa die Hälfte der anwesenden Händler befürwortete ein kleines Auto als unmittelbaren Nachfolger des BMW 600 zu einem günstigen Preis von circa 5 000 DM. Der andere Teil des Plenums sprach sich hingegen für das vom Vorstand bereits seit einiger Zeit anvisierte Mittelwagenprojekt eines größeren 1,5- bis 1,6-Liter-Fahrzeuges zu einem Preis zwischen 6 000 und 9 000 DM aus. Vorstandsvorsitzender Richter-Brohm hielt intern die Klärung der Frage, welches der beiden Fahrzeugprojekte zunächst weiterverfolgt werden sollte, für so gravierend, dass er diese Entscheidung nicht ohne „eine Marktforschung unter Ausschöpfung sämtlicher Informations- und Vergleichsmöglichkeiten“ treffen wollte,352 denn er war sich darüber im Klaren, 349 

Protokoll Nr. 15/58 der Vorstandssitzung vom 23. 07. 1958, in: BMW UA 107/2. Erläuterungen zur Export-Absatzplanung 1959 von der Auslandsverkaufsabteilung (KVU), Herbstreit, vom 11. 03. 1959, in: BMW UA 131/1. 351 Vgl. Protokoll Nr. 15/59 der Vorstandssitzung vom 09. 09. 1959, in: BMW UA 107/3. 352  Protokoll Nr. 1/57 der Vorstandssitzung vom 06. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. 350  Vgl.

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dass dieser neue Wagen überlebenswichtig für das Unternehmen sein würde. Also wurde die zum 1. April 1957 ins Leben gerufene BMW-interne Marktforschungsabteilung mit der Prüfung dieser Frage betraut.353 Für Mitte April terminierte man die Besprechung dieser Untersuchungen sowie die Entscheidung über die Richtung des künftigen PKW-Programms. In diesem Zusammenhang wurde bereits zwecks Karosseriegestaltung die Kontaktaufnahme zu einigen italienischen Karosseriekonstrukteuren zur Diskussion gestellt, hierunter auch der freischaffende italienische Designer Michelotti.354 Nachdem die neu installierte Marktforschungsabteilung zu verstehen gegeben ­hatte, dass eine entsprechende Untersuchung mindestens zehn ­Wochen benötigte, wurde die Entscheidung abermals vertagt, gleichwohl der Vorstand Mitte April 1957 bereits die technischen Eckdaten des späteren 1,5- bzw. 1,6-Liter-Projektes festlegte.355 Nach mehrmaligem Aufschub der Entscheidung kristallisierte sich im Laufe des Jahres 1957 immer deutlicher heraus, dass BMW nach Ansicht des Vorstands so rasch wie möglich in die Mittelklasse zurückkehren musste, um das Überleben des Unternehmens langfristig sichern zu können. Demgemäß stellte er am 3. August 1957 dem Aufsichtsrat das anvisierte Wagenprogramm vor und unterstrich den dringenden Handlungsbedarf, der aufgrund des bisherigen Fehlens eines „trag­fähigen, langfristigen Programms“ im Verlauf der vorangegangenen Jahre entstanden war.356 Richter-Brohm machte zudem deutlich, dass die Planungen, die dem Aufsichtsrat als in sich abgeschlossener Bericht vorlag, nur als Ganzes und nicht in einzelne Produktgruppen aufgespalten den notwendigen Erfolg erzielen würden. Das Kontrollgremium zeigte sich trotz einzelner Kritikpunkte – etwa hinsichtlich des erheblich zunehmenden Konkurrenzdrucks im Mittelklassesegment – überzeugt und stimmte dem vorgelegten Programm geschlossen zu.357 Ferner war deutlich geworden, dass es sich im Hinblick auf die beiden zu Anfang des Jahres auf der Händlertagung diskutierten Projekte nicht um eine „Entweder-oder-Lösung“ handeln konnte, sondern dass die Entwicklung des neuen Mittelklassewagens (1,5- bis 1,6-Liter) geraume Zeit in Anspruch neh353  Vgl. ebd. Im Zuge der folgenden Monate wurden weitere Marktuntersuchungen im Rahmen des Mittelwagenprojektes durchgeführt, die die Wettbewerbssituation genauestens beleuchteten, vgl. Protokoll Nr. 14/57 der Vorstandssitzung vom 16. und 18. 10. 1957, in: ebd. Die Ergebnisse können ebenfalls eingesehen werden, vgl. MFBericht Nr. 1/57: Der zukünftige Wettbewerb im Kleinwagensektor, 07. 1975, in: BMW UA 937/1; MF-Bericht Nr. 2/57: Bedarfsverhältnisse und Absatzaussichten für einen BMW-Wagen der Mittelklasse, 07. 1957, in: BMW UA 938/1; MF-Bericht Nr. 3/57: Bedarfsverhältnisse und Absatzaussichten für einen BMW-Wagen der Mittelklasse, 08. 1957, in: BMW UA 939/1. 354  Vgl. Protokoll Nr. 2/57 der Vorstandssitzung vom 22. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. 355  Vgl. Protokoll Nr. 4/57 der Vorstandssitzung vom 10./15./16. 04. und 09. 05. 1957, in: ebd. 356  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 01. 08. 1957, in: BMW UA 424/2 357  Vgl. ebd.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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men würde, so dass neben der BMW Isetta und dem BMW 600, der sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Erprobung befand, eine weitere Übergangslösung vonnöten sein würde, um das Mittelwagenprojekt finanzieren zu können.358 Unter diesen Voraussetzungen gab der Vorstand im September 1957 die Entwicklung eines „kleinen rassigen Sportwagen[s] mit 2 Sitzen“ in Auftrag. Dieses Projekt war ohne Beeinträchtigung „vordringlicherer Aufgaben der Entwicklung, wie besonders am Mittelwagen“, baldmöglichst in Angriff zu nehmen.359 Der Aufwand hierfür sollte sich sowohl aus monetärer als auch aus zeitlicher Perspektive in Grenzen halten und auf diese Weise ebenfalls eine möglichst zeitnahe Produkteinführung gewährleisten. Vor diesem Hintergrund erhielt der BMW 700 den in seinem Hubraum nochmals vergrößerten Basismotor des BMW 600. Die um 30 PS erweiterte Version des Aggregats sollte hierbei dem Kleinwagen zu der für BMW-Wagen ehemals typischen Sportlichkeit verhelfen.360 Fernerhin wurde das Fahrzeug auch als Viersitzer mit einem verlängerten Radstand konzipiert. Für die Karosserie­ gestaltung beauftragte man einen externen Partner, der der BMW AG über mehrere Jahrzehnte der erfolgreichen Zusammenarbeit bekannt war: Der österreichische Importeur Denzel unterhielt neben seiner Wagen- und ­ Motorrad­vertretung ebenfalls ein Entwicklungs- und Konstruktionsbüro in Wien.361 Bereits unmittelbar nach der Vorstellung des BMW 600 auf der IAA im Herbst 1957 wurden im obersten Entwicklungsgremium des Unternehmens sowie auf Vorstandsebene Überlegungen einer externen Auftragsvergabe an Denzel für das anvisierte neue Sportcoupé angeregt.362 Im Januar 1958 wurde dann offiziell der Auftrag an Denzel vergeben, der fortan mit großem Tempo an dem Kleinwagen arbeitete.363 Parallel wurde auch bei BMW an der Nachfolge des BMW 600 gearbeitet sowie weiterhin das Mittelwagenprojekt vorangetrieben, dessen Launch bereits für die zweite Jahreshälfte 1959 geplant war.364 Zeitgleich wurden entsprechende Marktbeobachtungen, speziell im Segment der Mittelklasse, kontinuierlich fortgeführt.365 Laut des im Juni 1958 vorgelegten Berichts des Vorstands zum Produktions- und Finanzprogramm des Unternehmens sahen die Vorkalkulationen zwischen 1958 und 358  So

hieß es im Geschäftsbericht des Jahres 1958: „Das endgültige Programm sollte die Produktion eines 1,6-l-Mittelwagens und eines Wagens der 700-ccm-Klasse umfassen.“, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 43. Geschäftsjahr 1958, 1959, in: BMW UU 37/10. 359  Protokoll Nr. 13/57 der Vorstandssitzung vom 03. 09. 1957, in: BMW UA 107/1. 360  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 229. 361  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Tabelle 2, S. 154. 362  Vgl. Protokoll Nr. 17/57 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1957, in: BMW UA 107/1. 363  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Tabelle 2, S. 154. 364 Vgl. Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat „Produktions- und Finanzprogramm“ vom Juni 1958, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 06. 1958, in: BMW UA 104/2. 365 Vgl. Protokoll Nr. 5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

1961 Fertigungszahlen von insgesamt 257 400 Einheiten in der Automobilsparte vor, wobei der Großteil auf das Kleinst- und Kleinwagenangebot entfielen.366 Durch die kritische Finanzlage des Unternehmens konnten die gesetzten Produktionsziele jedoch abermals nicht erreicht werden; 1959 lagen die reellen Zahlen sogar mit 24 700 Einheiten bei nur 40 Prozent des Planwerts.367 Dies lag unter anderem an dem verzögerten Serienanlauf des Mittelwagens, der späteren „Neuen Klasse“, die erst im Februar 1962 auf den Markt kam. Fernerhin verschob sich ebenso der Serienanlauf des Klein­ wagens BMW 700 nach hinten und konnte somit die rückläufigen Zahlen der BMW Isetta und des BMW 600 nicht rechtzeitig auffangen. Die hohen Verluste aus dem Automobilgeschäft hatten sich bis 1956 auf 153 Mio. DM ­aufsummiert, was knapp 40 Prozent des Gesamtumsatzes der BMW AG ­entsprach.368 Wegen der finanziellen Misere konnten die für das Mittelwagenprojekt notwendigen Investitionen zunächst nicht aufgebracht werden, was infolgedessen zu dem verspäteten Produktionsbeginn und den unter Soll liegenden Zahlen führte. Die Entwicklungsgeschichte des BMW 700 ist ein interessantes Exempel für die enge Kooperation mit einem kleinen Kreis vornehmlich europäischer BMW-Importeure, die für die 1950er bis in die 1960er Jahre typisch für die Handlungsstrukturen der BMW AG war. In den vorangegangenen Abschnitten wurde bereits der maßgebliche Einfluss der US-Vertretung HMC auf die Entstehung des Sportwagens BMW 507 skizziert sowie die enge Bindung zum schweizerischen Importeur und seine Einflussnahme, sowohl auf den Motorradbereich als auch auf die automobile Programmerweiterung durch die ISO-Lizenz für die Isetta, vorgestellt. Ein weiterer wichtiger Partner im Ausland war der in Wien ansässige BMW-Importeur Wolfgang Denzel, der bereits seit 1934 Motorräder und seit 1937 Wagen der Marke BMW nach Öster­reich einführte. Nach der Wiederaufnahme des Exportgeschäftes setzte auch Denzel seine Zusammenarbeit mit BMW fort. Ihm kam eine bedeutende Rolle während der schweren Krise der BMW AG zu, in der er sich als Fürsprecher für das Unternehmen in der Hauptversammlung im Dezember 1959 hervortat.369 Die Arbeiten an dem BMW 700 gingen indes weiter und wurden von Denzel in Zusammenarbeit mit dem von ihm beauftragten Michelotti so schnell vorangetrieben, dass bereits am 31. Juli 1958 ein entsprechender Prototyp in Starnberg präsentiert werden konnte.370 Dort fand der sogenannte 366 Vgl. Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat „Produktions- und Finanzprogramm“ vom Juni 1958, eine Anlage des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30. 06. 1958, in: BMW UA 104/2. 367  Die genauen Produktionszahlen sind Abbildung 7 in Kapitel 2.4. 1 zu entnehmen. 368  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 124. 369 Vgl. Protokoll der Hauptversammlung vom 09. 12. 1959, 09. 12. 1959, in: BMW UA 445/1. 370  Vgl. Protokoll Nr. 15/58 der Vorstandssitzung vom 23. 07. 1958, in: BMW UA 107/2.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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„Denzel-Wagen“ ungeteilten Beifall,371 nur wenige Änderungswünsche wurden geäußert und so konnte die Entwicklung des Denzel-Entwurfs unverzüglich weitergetragen werden.372 Die technische Auslegung des neuen Typs wurde Mitte Oktober 1958 endgültig festgelegt.373 Im November wurden die beiden Entwicklungsstränge, also die BMW-eigene Lösung und der DenzelWagen, in ein Projekt zusammengeführt, wobei sich fortan primär an dem Entwurf des österreichisch-italienischen Konstrukteursteams orientiert werden sollte.374 Die sich im Rahmen des neudefinierten Projekts anschließenden Entwicklungsarbeiten sollten allerdings ohne weitere Mitwirkung Denzels fortgesetzt werden, da nunmehr Michelotti direkt bei BMW unter Vertrag stand.375 Das Münchner Unternehmen hatte zwar bereits vor dem BMW 700 den italienischen Designer gelegentlich für eine potentielle Zusammen­ arbeit konsultiert, diese Anfragen basierten jedoch nicht auf einem unmittel­ baren vertraglichen Verhältnis, sondern wurden unter anderem über das Konstruktionsbüro von Denzel abgewickelt. Der österreichische Importeur, zu dem eine mehrjährige vertraute Bindung bestand, hatte den Turiner Karosseriedesigner und die BMW AG weiter zusammengeführt. Ihm kam somit eine wichtige Initiator- und Vermittlerrolle zu, die wesentlichen Einfluss auf das BMW-Design der späten 1950er und 1960er Jahre nahm. Michelotti war für die Gestaltung späterer BMW-Modelle, wie etwa der Neuen Klasse, mit verantwortlich.376 Auch an diesem Beispiel zeigte sich, wie wichtig das Netzwerk aus engen Partnerschaften zu einigen europäischen BMW-Vertretungen für die Weiterentwicklung des Münchner Unternehmens war und welchen Einfluss es auf die Initialisierung seiner Internationalisierung in den 1950er Jahren nahm. Ursprünglich war die erste Auslieferung des Baumusters an die Händler bereits für den Mai 1959 vorgesehen. Wegen der monetären Schieflage des Unternehmens musste der Produktionsanlauf auf August 1959 verschoben werden, da die Finanzierung ungeklärt war.377 Die Hoffnungen der BMW AG ruhten auf dem BMW 700, der das Unternehmen aus der Krise führen und die Zeit bis zum Mittelwagen überbrücken sollte. Wie jedoch die Produktionsaufnahme des Kleinwagens finanziert werden sollte, war 1959 Monate lang unklar. Der Aufsichtsrat hatte zwar Mitte April für den Produk­ tionsanlauf beider Modellvarianten, Coupé und Limousine, Investitionen in Höhe von 7,5 Mio. DM genehmigt und zusätzlichen 6,1 Mio. DM für den 371 

Protokoll Nr. 19/58 der Vorstandssitzung vom 27. 09. 1958, in: ebd. Vgl. ebd. 373  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 13. 04. 1959, in: BMW UA 100/2. 374  Dieses Projekt erhielt intern die Entwicklungsbezeichnung BMW 107, vgl. Protokoll Nr. 22/58 der Vorstandssitzung vom 26. 11. 1958, in: BMW UA 107/2. 375  Vgl. Protokoll Nr. 24/58 der Vorstandssitzung vom 19. 12. 1958, in: ebd; Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 154f. 376  Vgl. Lebenslauf von Giovanni Michelotti, in: BMW AN 760/1. 377  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 13. 04. 1959, in: BMW UA 100/2. 372 

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Erwerb von Sonderbetriebsmitteln zugestimmt,378 diese Bewilligung führte jedoch nicht zu der prinzipiellen Klärung der Finanzierungsfragen, weshalb das Aufsichtsgremium temporär die Annahme weiterer Bestellaufträge für den BMW 700 unterband, bis der weitere Kreditierungsverlauf geklärt sein würde.379 Bei der neuerlichen Beantragung weiterer finanzieller Mittel im Mai betonte Richter-Brohm gegenüber dem Aufsichtsrat: „Wenn man dieses Fahrzeug mit außerordentlichen Anstrengungen bis zur Produk­ tionsreife entwickelt und die Vorbereitungen für den Anlauf der Fertigung so weit­ gehend getroffen habe, müsse man sich jetzt entschließen, auch den nächsten Schritt in der Finanzierung zu tun, um damit den Start dieses zweifellos für die Zukunft von BMW entscheidenden neuen Produkts zu ermöglichen.“380

Dem Antrag auf weitere Finanzmittel wurde durch die Unterstützung der Deutschen Bank stattgegeben, jedoch machte ihr Vertreter Dr. Feith, der erstmals im Mai 1959 für das Geldinstitut an einer BMW-Aufsichtsrats­ sitzung teilnahm,381 unmissverständlich klar, dass weitere Investitionen nicht zur Verfügung stünden, wenn der Vorstand nicht binnen eines Monats, also bis Mitte Juni, zu einer Lösung aller Finanzierungsfragen kommen würde.382 Die Führungsgremien waren sich darüber hinaus im Klaren, dass sich im Jahr 1959 besonders hohe Belastungen kumulierten, da es eine Übergangsphase zwischen dem immer weniger ausreichenden alten Programm und dem Anlauf der neuen Baumuster darstellte. In dieser Phase waren zunächst hohe Verluste zu erwarten, die durch den Umsatz eingangs noch nicht abzufangen waren, sondern sich erst mit der Zeit amortisieren würden.383 Die Entwicklungskosten des BMW 700 entsprachen im Geschäftsjahr 1959 etwa den Aufwendungen des 1,6-Liter-Mittelwagenprojekts von 1958, die bei 2,83 Mio. DM gelegen hatten.384 Dank der auf der Aufsichtsratssitzung am 11. Mai 1959 letztlich getroffenen Zusagen der Deutschen Bank konnte der Vorstand einen Überbrü378 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 198. vorübergehende Bestellstopp führte in der BMW-Belegschaft zu großen Beunruhigungen. Der Aufsichtsrat sah auch aus diesem Grund dringenden Handlungsbedarf zur Klärung des weiteren finanziellen Vorgehens, da die Abwanderung bester Arbeitskräfte befürchtet wurde – in einer Zeit, in der absoluter Fachkräftemangel herrschte –, falls diese Unruhen nicht besänftigt werden konnten, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. 05. 1959, in: BMW UA 100/2. Die Mitarbeiterzahl wurde letzten Endes, nach einem kurzzeitigen Rückgang zur Jahresmitte, im Kontext der Produktionsaufnahme des BMW 700 wieder verstärkt, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 44. Geschäftsjahr 1959, 1960, in: BMW UU 38/10. 380  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. 05. 1959, in: BMW UA 100/2. 381  Vgl. Protokolle der Aufsichtsratssitzungen des Jahres 1959, in: ebd. 382  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. 05. 1959, in: ebd. Für weiterführende Details bezgl. der Finanzierungsbemühungen und -strategien der BMW AG im Krisenjahr 1959 vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 185–223. 383  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 13. 04. 1959, in: BMW UA 100/2. 384 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 43. Geschäftsjahr 1958, 1959, in: BMW UU 37/10. 379 Dieser

2.4.  Modell- und Preispolitik

145

ckungskredit in Höhe von 2,0 Mio. DM akquirieren, der für den Anlauf des BMW 700 Coupés erforderlich war. Hierdurch war es möglich, den BMW 700 Anfang Juni am Starnberger See offiziell vorzustellen.385 Repräsentanten der Fachpresse erhielten die Möglichkeit, ausführliche Probefahrten mit dem neuen Fahrzeug zu unternehmen. Diese einschließlich eines Einstiegspreises von 5 300 DM stießen auf außerordentlich positive Resonanz, die sich in den Pressestimmen widerspiegelte. Der anvisierte Fertigungsbeginn des BMW 700 Coupés verzögerte sich nochmals geringfügig, im Oktober 1959 konnten die ersten Fahrzeuge vom Band laufen. Auch die Produktion der Limousine konnte Ende des Jahres aufgenommen werden, wenn auch nur in geringen Stückzahlen.386 Mit der Produktionsaufnahme des BMW 700 ließ man parallel die Fertigung des BMW 600 auslaufen und stellte den Manufakturbetrieb der an ihren Absatzzahlen gemessenen erfolglosen Baumuster BMW 503 und BMW 507 zum Jahresende ein.387 Nach der aufsehenerregenden Hauptversammlung vom 9. Dezember 1959, in der die Selbstständigkeit des bayerischen Unternehmens durch den engagierten Einsatz vor allem der Vertreter der BMW-Händler sowie der Kleinaktionäre bewahrt wurde, ruhten die Hoffnungen auf dem BMW 700. Allerdings waren sich die Führungsgremien nicht sicher, ob der Kleinwagen das komplette Unternehmen würde tragen können. Insbesondere der Aufsichtsrat drängte im Dezember 1959 zur Aufnahme von Verhandlungen mit einer Vielzahl nationaler sowie internationaler Firmen, da man sich durch eine Kooperation mit einem etablierten Akteur der Automobilindustrie eine Rückversicherung schaffen wollte. Dies entsprach den Forderungen, die der bayerische Staat gemeinsam mit Vertretern des BMW-Aufsichtsrats, insbesondere der Deutschen Bank, dem Münchner Konzern im April 1959 auferlegt hatte, um überhaupt einer weiteren staatlichen Hilfe zuzustimmen. Eine derartige Kooperation sollte es BMW ermöglichen, sich in dem verschärfenden Wettbewerb der EWG behaupten zu können.388 Gespräche wurden infolgedessen mit Ford, Fiat, der englischen Rootes-Gruppe, American Motors, Borgward und auch erneut mit Daimler-Benz aufgenommen, die jedoch allesamt ergebnislos beendet wurden. Grund hierfür war die Bedingung des neuen BMW385  Dieser

unprätentiöse Rahmen in Feldafing, mit einer verhältnismäßig geringen internationalen Reichweite, war dem Umstand geschuldet, dass zu diesem Zeitpunkt keine Automobilmesse mit weltweitem Format stattfand und der BMW 700 so schnell wie möglich vorgestellt werden sollte. Des Weiteren war die Wahl des Starnberger Sees vermutlich ebenfalls eine Würdigung Denzels, der diese Region bereits für die Präsentation des Denzel-Prototyps gewählt hatte, auf den dieser BMW 700 zurückging. Die Limousine hingegen wurde im September 1959 auf der IAA vorgestellt und erzielte somit eine höhere internationale Resonanz, vgl. Protokoll Nr. 15/59 der Vorstandssitzung vom 09. 09. 1959, in: BMW UA 107/3. 386  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 155f. 387 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 44. Geschäftsjahr 1959, 1960, in: BMW UU 38/10. 388  Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 195f.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Großaktionärs Herbert Quandt, dass eine Zusammenarbeit nur über eine Minderheitsbeteiligung des Kooperationspartners an BMW realisiert werden sollte. Hierdurch wollte er seine unmittelbare Einflussnahme auf das Münchner Unternehmen sichern; eine Forderung, die für die angefragten Firmen jedoch nicht akzeptabel war. Einzig gegenüber Daimler-Benz wäre Quandt bereit gewesen, eine Mehrheitsbeteiligung zu akzeptieren, da ihm durch sein Aktienpaket an dem Stuttgarter Mitbewerber noch immer genügend Einfluss gesichert gewesen wäre. Daimler-Benz wiederholte jedoch nicht das im ­Dezember vorgelegte Angebot und schlug eine Kooperation mit BMW endgültig aus.389 Es wurde also klar, dass BMW aus eigener Kraft aus der finanziellen Schieflage finden musste und dass hierfür mittelfristig weitere Produkte das PKW-Programm zu ergänzen hatten, um das unternehmerische Überleben langfristig zu sichern. Wie aber ist die Bedeutung des BMW 700 für den Export und somit für die Internationalisierung der BMW AG zu bewerten? Von diesem Kleinwagen wurden während der ersten Phase der Internationalisierung, also zwischen 1959 und 1960, insgesamt 39 797 Einheiten gefertigt, hierunter waren 2 383 Montagesätze für das Ausland bestimmt.390 Durch den Export des BMW 700 konnte gemeinsam mit der BMW Isetta die Ausfuhrquote alleine zwischen 1959 und 1960 gemessen an der Gesamtproduktion von 16,6 auf 42,4 Prozent gesteigert werden (vgl. Kapitel 2.7, Tabelle 26). Die Resonanz auf den neuen Kleinwagen, der durch zahlreiche sportliche Erfolge in internationalen Wettbewerben an die sportiven Markenwerte der Vorkriegszeit anknüpfte, war also auch im Ausland äußerst positiv.391 Während der BMW 600 mit der Produktionsaufnahme des neuen Kleinfahrzeugs auslief und die Großen Wagen kontinuierlich an Bedeutung einbüßten, übernahm der BMW 700 auf Anhieb die nun führende Rolle im Export und wurde somit auch im Auslandsgeschäft umgehend zum Leistungsträger. Obwohl 1960 durch zusätzliche Lieferungen der BMW Isetta, vor allem von CKD-Teilesätzen nach England,392 die Kleinstfahrzeuge nochmals einige Monate vor dem Fertigungsstopp im Export zulegten, verlagerte sich das Hauptabsatzgeschäft 1960 eindeutig hin zu dem neuen, sportlichen Kleinwagen. Dieser bot zugleich lukrativere Umsätze, da die BMW Isetta, wie viele andere Kleinstfahr389 Vgl.

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 17. 12. 1959, in: BMW UA 291/2; Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 53. 390 Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Die weiteren Produk­ tionszahlen aus der zweiten Internationalisierungsphase finden sich in Kapitel 3.4.1. 391  Der BMW 700 feierte in den 1960er Jahren eine Reihe internationaler Rennerfolge, wobei jedoch der Schwerpunkt auf europäischen Veranstaltungen lag. Er gewann jeweils in seinem Klassement unter anderem die Deutsche Bergmeisterschaft 1960 und 1962, den Trofeo Ascari in Monza 1961, den Tourenwagen Europapokal 1963, den Gesamtsieg der Rallye Monte Carlo 1964 und noch einige weitere Rennen, vgl. Rallye Monte Carlo 1964 – Gesamtsieg, in: BMW RJ 2595/1; Triebel, Marketingloch, S. 56 392 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 45. Geschäftsjahr 1960, 1961, in: BMW UU 39/10; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

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2.4.  Modell- und Preispolitik

zeuge, nur eine kleine Gewinnmarge aufwies, die im Ausfuhrgeschäft noch geringer ausfiel.393 Tabelle 17 zeigt die Exportpreise des BMW 700 in den Modellvarianten Coupé und Limousine im Vergleich zu einigen Konkurrenzprodukten in verschiedenen europäischen Ländern. Als weitere Referenz sind ebenfalls Angaben für den US-Markt aufgeführt. Modell

Hubraum

BRD

F

A

GB

USA

BMW 700 Coupé Goggomobil 700 Coupé Dauphine Gordini

700 ccm 700 ccm 845 ccm

5 300 4 750 6 035

8 075 – 5 760

6 418 6 305 6 906

6 552 – 7 032

7 503 7 085 –

BMW 700 Limousine NSU-Fiat Jagst 700 Renault 4CV Deluxe Triumph Herald

700 ccm 700 ccm 750 ccm 950 ccm

4 760 4 660 4 385 6 590

7 437 7 480 4 270 10 089

4 793 5 492 4 793 8 368

6 032 5 562 5 139 5 821

– 6 667 5 622 7 100

Tabelle 17: Verkaufspreis-Übersicht des BMW 700 (Coupé/Limousine) und des Vergleichsklassements in Europa und Übersee (Angaben in DM), 1960. 394

Der Aufstellung ist auf den ersten Blick zu entnehmen, dass sich die Preise in den Märkten unterschieden. Die Geschäftsführung war also offensichtlich seit der Kalkulation für den BMW 600, die in Kapitel 2.4.1.3 besprochen wurde, von einer vereinheitlichenden Exportrabattierung abgerückt. Ab 1959 begann das Unternehmen demnach vermehrt, Marktspezifika wie tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse bei der Exportpreisgestaltung zu berücksichtigen, wodurch die ausgeprägten Differenzen zwischen den einzelnen Ländern erklärt werden. Der neue Kleinwagen BMW 700 evozierte eine so hohe Nachfrage, dass sich hieraus Spielräume ergaben bei der Exportpreisgestaltung. Durch die höheren Preise konnten einige Händler im Ausland während der Anlaufmonate einen Aufschlag von 200 DM pro Fahrzeug erzielen, was einen Anreiz für die Händlerschaft bot und somit den weiteren Aufbau der Handelsorganisation unterstützte. Kämpfer, zu diesem Zeitpunkt Vorstand für Finanzen und Einkauf, warnte jedoch davor, die Preise noch weiter anzuheben bzw. in Deutschland überhaupt Erhöhungen vorzunehmen, um nicht das Interesse des Kunden im Keim zu ersticken.395 Die Preisaufstellung der Tabelle 17 führt die Konkurrenzsituation vor Augen, die zwischen den Automobilherstellern auf den europäischen Märkten sowie in den USA bestand. Einige der aufgelisteten Fahrzeuge waren aufgrund ihres ­höheren Hubraums kein unmittelbares Referenzprodukt des BMW 700, sind an dieser Stelle aber dennoch aufgenommen worden, da sich hierdurch eine Tendenz abbilden lässt: Die institutionellen Hürden stellten eine der primären Hürden der Märkte – auch binnen Europas – dar, vor allem während der 393 

Vgl. Protokoll Nr. 1/59 der Vorstandssitzung vom 21. 01. 1959, in: BMW UA 107/3. Verkaufspreis-Übersicht von der Verkaufsabteilung, erstellt für Direktor von Krafft vom 15. 01. 1960, in: BMW UA 131/1. 395  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 21. 04. 1960, in: BMW UA 451/2. 394  Vgl.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

1950er Jahre. Diese wurden zwar sukzessive durch verstärkte grenzüberschreitende Kooperation auf wirtschaftlicher (EFTA) und zusätzlich politischer (EWG) Ebene zwischen den einzelnen Staatengruppen abgebaut, jedoch zog sich dieser Prozess bis in die 1970er Jahre hin. Der Beitritt weiterer Staaten zur EWG, vor allem Großbritanniens, führte zu einer Annäherung beider handelspolitischen Blöcke EWG und EFTA im Sinne eines geeinten Europas.396 Die Preistabelle bestätigt, dass die Bundesrepublik ihre Einfuhrpolitik bereits in den 1950er Jahren äußerst liberal gestaltete und dass ihre Handelspolitik im Vergleich zu anderen europäischen Ländern als sehr freizügig bezeichnet werden konnte, da die Bundesregierung ihre Politik bereits frühzeitig an dem Ziel der wirtschaftlichen Integration ausrichtete. Dies war unter anderem auf die ausgeprägte Exportorientierung der Automobilindustrie zurückzuführen, die für Deutschland eine Schlüsselindustrie war (vgl. Kapitel 1.1). Die Bundesrepublik nahm innerhalb der EWG eine Mittelposition zwischen dem Hochschutzzollland Frankreich und den Niederschutzzollländern Belgien und Holland ein; die beiden letzteren waren aufgrund ihrer Ressourcenarmut vermehrt auf Importe aus dem Ausland angewiesen.397 In Belgien kostete dadurch das BMW 700 Coupé lediglich 6 300 DM.398 Auch das französische Sondersystem von Einfuhrabgaben und Ausfuhrbeihilfen spiegelt sich in der Preistabelle wider und zeigt,399 wie ausgeprägt die Benachteiligung ausländischer Hersteller auf dem französischen PKW-Markt war. Der BMW 700 kostete dort beispielsweise 52 Prozent mehr als in der Bundesrepublik, der britische Herald von Triumph verteuerte sich sogar um 73 Prozent gegenüber seinem Heimatlistenpreis. Ähnlich hohe, die lokale Industrie schützende Zölle erhob Großbritannien, was BMW als verhältnismäßig kleinen deutschen Hersteller den Zugang zum britischen Markt de facto versperrte. Hierdurch wird zugleich die abwartende Haltung der BMW-Geschäftsleitung in den 1950er Jahren plausibilisiert, Rechtslenker­ 396  Vgl. Boldt, Hans (1995): Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur Politischen Union. Probleme der politischen Einigung Europas, in: Historische Zeitschrift. Beihefte, New Series, Vol. 21, Europa im Blick der Historiker, S. 241–265, hier S. 241. Vgl. weiterhin Küsters, Hanns Jürgen (1995): Die Europapolitik der Bundesrepublik Deutschland im Spannungsfeld von EWG- und EFTA-Gründung 1956–1958, in: Historische Zeitschrift. Beihefte, New Series, Vol. 21, Europa im Blick der Historiker, S. 203–239, hier S. 205. 397 Vgl. Ambrosius, Europäische Integration, S. 280f. Allerdings darf bei der vermeintlichen Vorreiterrolle Deutschlands hinsichtlich der Liberalisierung der Zolltarife nicht der „monetäre Protektionismus“ der deutschen Bundesregierung gegenüber der im Ausland während der 1950er Jahre immer stärker unterbewerteten DM zur Stabilisierung des Außenwertes und somit zur Begünstigung deutscher Exporte außer Acht gelassen werden, vgl. ebd., S. 284. 398  Vgl. Verkaufspreis-Übersicht von der Verkaufsabteilung, erstellt für Direktor von Krafft vom 15. 01. 1960, in: BMW UA 131/1. 399  Vgl. Küsters, Hanns Jürgen (1983): Adenauers Europapolitik in der Gründungsphase der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 31, Nr. 4, S. 646–673, hier S. 667.

2.4.  Modell- und Preispolitik

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modelle zu fertigen: Die Absatzzahlen mussten einen bestimmten Sollwert überschreiten, der von dem Importeur gegenüber der Zentrale zuzusichern war, um die Zusatzkosten einer solchen Modifikation überhaupt amortisieren zu können. Aufgrund der protektionistischen Importpolitik Großbritanniens und der assoziierten, durch das Vereinigte Königreich beeinflussten Commonwealth-Märkte war der Zutritt zu zahlreichen Ländern mit Linksverkehr demnach stark erschwert.400 In Großbritannien selbst überschritt BMW nach dem Zweiten Weltkrieg nicht vor 1981 die Marktanteilsschwelle von einem Prozentpunkt.401 Auch Frankreich und Italien galten in den 1950er Jahren in der Münchner Zentrale mit Blick auf das BMW-Wagenprogramm wegen der hohen Zölle und der starken einheimischen Konkurrenz als äußerst schwierige Märkte, in welchem kaum BMW-Fahrzeuge abgesetzt werden konnten.402 Mit der Gründung supranationaler Organisationen zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Handels erhoffte sich die BMWGeschäftsleitung eine Erleichterung des Exportgeschäfts und hoffte, dass künftig „völlige Zollfreiheit“ und „gleiche steuerliche Voraussetzungen“ durchgesetzt werden konnten.403 Parallel betrachtete sie die Gründung der EFTA – als handelspolitischen Gegenpol zur EWG – mit den für BMW so wichtigen Märkten als Mitgliedsstaaten vermehrt skeptisch.404 Aufgrund der enormen finanziellen Probleme der BMW AG, der defizitären Vertriebsstruktur im Ausland und der verhältnismäßig geringen Produk400  Das

in sich durch Protektionismus einerseits und Begünstigungen gegenüber den Mitgliedsstaaten des Commonwealth anderseits abgeschlossene ausgedehnte Geflecht außenwirtschaftlicher Beziehungen Großbritanniens war einer der vorrangigen Kritikpunkte gegenüber der britischen Außenhandelspolitik in den 1950er und 1960er Jahren. Dieser bisweilen in sich abgeschlossene „Commonwealth-Außenhandel“ machte mehr als die Hälfte des Exportgeschäftes des Vereinigten Königreichs aus und somit für Großbritannien einen Beitritt in die EWG verhältnismäßig unattraktiv, da der Güteraustausch mit dem europäischen Kontinent den britischen Unternehmern im direkten Vergleich nur geringe Vorteile bot, vgl. Küsters, Hanns Jürgen (1984): Zollunion oder Freihandelszone? Zur Kontroverse über die Handelspolitik Westeuropas in den fünfziger Jahren, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, Vol. 10, Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, S. 295–308, hier S. 302. 401  Mit 17 100 Einheiten erzielte BMW 1981, ein Jahr nach Übernahme der Vertriebs­ tätigkeit durch eine BMW-eigene Tochtergesellschaft, erstmals in Großbritannien ­einen Marktanteil von 1,1 Prozent. Zehn Jahre zuvor lag der Wert lediglich bei 0,4 Prozent (1971), vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das ­Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10. 402  Vgl. Erläuterungen zur Export-Absatzplanung 1959 von der Auslandsverkaufsabteilung (KVU), Herbstreit, vom 11. 03. 1959, in: BMW UA 131/1. 403 Redemanuskript „Erklärung des Dr. Karoli, Vorsitzender des Aufsichtsrates, in der Hauptversammlung der BMW AG“, 1963, in: BMW UA 791/1. 404  Vgl. Tätigkeitsbericht „Verkaufsentwicklung und Verkaufsorganisation bei BMW 1957–1959“ von der Verkaufsabteilung an den Aufsichtsrat und Vorstand vom Dezember 1959, in: BMW UA 131/1.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

tionszahlen lag der Fokus innerhalb des Automobilsegmentes des Unternehmens in den 1950er Jahren eindeutig noch auf dem Binnenmarkt.405 Mit dem BMW 700 bot sich jedoch in den 1960er Jahren ein attraktives Produkt für eine allmähliche Ausweitung des Engagements im Ausland.406 Hinsichtlich der Vertriebsregionen vollzog sich der Kernabsatz von BMW-Wagen und vor allem des BMW 700 überwiegend in den europäischen Ländern, das heißt in den beiden konkurrierenden Wirtschaftszonen EFTA und EWG. Das europäische Ausland hatte traditionell eine wichtige Bedeutung für BMW, wie in Kapitel 2.5 analysiert wird.407 In Übersee weckte der Kleinwagen vor allem das Interesse in Argentinien, wo er qua Lizenzvergabe vor Ort von einem argentinischen Partner montiert wurde und somit das erste BMW-Fahrzeug war, das in größeren Stückzahlen in Übersee aus Teilesätzen gefertigt wurde (vgl. Kapitel 2.5.3.1).408 Darüber hinaus erlangte der BMW 700 mit einem aufgewerteten Ausstattungspaket auch in Nordamerika hohe Aufmerksamkeit, denn hier war die US-Automobilindustrie im Bereich der Kleinfahr­ zeuge nicht mit eigenen Produkten vertreten und somit wurde diese Lücke durch ausländische Importe substituiert.409 BMW konnte jedoch dieses Marktpotential nur in sehr eingeschränktem Maß nutzen und sah sich sogar gezwungen, in Kanada die Geschäftstätigkeit der noch jungen Tochtergesellschaft BMW Canada Ltd. 1960 weiter einzuschränken.410 Die BMW AG blieb in Nordamerika unter anderem aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten und einer ineffizienten Vertriebsstruktur weit unter ihren Möglichkeiten. Innerhalb von Europa wurde der BMW 700 bis einschließlich 1960 besonders stark in Österreich, der Schweiz und Schweden nachgefragt, also den traditionell absatzstarken BMW-Märkten der EFTA. Des Weiteren konnte der Absatz 1960 in den EWG-Staaten Belgien und Italien gesteigert werden, wohin ebenfalls Verträge mit heimischen Montagepartnern vergeben wur­

405  Dies erklärt auch die untergeordnete Relevanz der EWG und EFTA in der externen Unternehmenskommunikation der BMW AG, die erst im Bericht über das Geschäftsjahr 1963 beginnt, diese beiden Wirtschaftsräume und ihre Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf zu thematisieren, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. 406  Vgl. Erklärung des BMW-Vorstands in der Hauptversammlung vom 20. 10. 1961, in: BMW UA 791/1. 407 Vgl. Aktennotiz „Export-Verkaufsreise England – Skandinavien 10. mit 30. 11.  1954“ von Trötsch, Leiter des In- und Auslandsverkaufs der BMW AG, vom 03. 12.  1954, in: BMW UA 71/1. 408  Von der BMW Isetta wurden nur geringe Stückzahlen in Uruguay montiert; die Schätzungen liegen bei circa 250 Einheiten. Vom BMW 700 hingegen wurden von dem Partner in Argentinien 6 695 CKD-Teilesätze zwischen 1960 und 1962 zusammengebaut, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1. 409  Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 110. 410 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 45. Geschäftsjahr 1960, 1961, in: BMW UU 39/10.

2.4.  Modell- und Preispolitik

151

den;411 insbesondere letzteres mag im Kontext des starken italienischen Mitbewerberfeldes im Kleinwagensegment mit Herstellern wie Fiat überraschen. Hier waren die Verkaufszahlen mit 900 Einheiten (1960) vergleichsweise ­gering, konnten mit einsetzender SKD-Montage412 des BMW 700 im Jahre 1961 jedoch auf 1 874 plus 397 komplett montierter Einheiten gesteigert werden, was einen Gesamtabsatz von 2 271 Fahrzeugen und somit eine Erhöhung des Verkaufs um das 2,5-fache bedeutete.413 Insgesamt wurden von dem BMW 700 im Jahre 1960 12 218 Stück exportiert, hiervon 2 383 als Teilesätze, womit die Modellexportquote in diesem Jahr bei 33 Prozent lag;414 ein höherer Anteil war einzig aufgrund der aus­ gereizten Produktionskapazitäten und der sich hieraus ableitenden Beschränkung des Exports nicht erzielt worden. 1960 konnte allerdings der Jahres­ umsatz von 170 Mio. DM auf 239 Mio. DM gesteigert werden, wozu der BMW 700 mit 58 Prozent einen großen Beitrag leistete. Infolgedessen berichtete der BMW-Vorstand über den Kleinwagen in der Hauptversammlung im Oktober 1961: „[…] er gab uns vor allem auch die Möglichkeit, unsere Stellung auf verschiedenen Exportmärkten, insbesondere in Europa, zu verbessern. Abgesehen von ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Umsatzhöhe trugen die gesteigerten Auslandslieferungen sehr dazu bei, unsere Kundendienstorganisation in den europäischen Nachbarländern in bemerkenswertem Umfang auszubauen, ein in zeiten [sic!] steigender Reisetätigkeit wesentliches Erfordernis für die Ausweitung des Automobilgeschäftes.“415

Die Absatzplanung des Verkaufsressorts unter Kämpfer sah für 1961 im Inlandsgeschäft 22 725 Stückzahlen des Kleinwagens vor sowie 21 000 im Auslandsgeschäft, hier teils als Kompletteinheiten, teils als Teilesätze.416 Diese Planzahlen konnten nur knapp nicht erreicht werden und lagen real bei 39 544 produzierten Einheiten, von denen 18 514 exportiert wurden, hiervon die Hälfte in Teilesätzen.417 Diese Zahlen weisen auf eine deutliche Profes­ sionalisierung der Vorkalkulationen im Verkaufsressort hin, die durch die Marktforschungsabteilung unterstützt wurde, sowie eine bessere Abstimmung mit dem Produktionsressort, was dazu führte, dass sich die ehemals 411 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 03. 1961, in: BMW UA 731/2. steht für „Semi Knocked Down“ und gibt somit Auskunft über den Zerlegungsgrad der Teilesätze. Während die Teile bei CKD-Sätzen (Completely Knowcked Down) vollständig auseinandergebaut sind, verfügen SKD-Lieferungen über einen hohen Anteil bereits fertig zusammengebauter Teile oder Baugruppen. Die erforder­ liche Fertigungstiefe ist in Werken mit SKD-Montage in der Regel geringer als an CKD-Standorten. 413  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 414  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 415 Erklärung des BMW-Vorstands in der Hauptversammlung vom 20. 10. 1961, in: BMW UA 791/1. 416  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 03. 1961, in: BMW UA 731/2. 417  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 412  SKD

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

große Kluft zwischen Planung und realen Produktions- und Verkaufszahlen allmählich schloss. Die Exportquote des Baumusters BMW 700 lag 1961 bei 47 Prozent gegenüber 33 Prozent im Vorjahr und unterstrich somit die zunehmende Bedeutung des Ausfuhrgeschäfts für BMW, das sich mittels steigender Gewinnmargen in den 1960er Jahren lukrativ zu entwickeln versprach. Die in den BMW 700 während des Jahres 1959 gesetzten Hoffnungen, die auf der Hauptversammlung vom 9. Dezember 1959 deutlich zutage traten, wurden bereits im Laufe der ersten Jahre bis inklusive 1961 vollauf erfüllt. Diese positive Leistung ermöglichte der BMW AG im Zusammenspiel mit der grundlegenden finanziellen Sanierung des Unternehmens den dringend notwendigen Neuanfang zu Beginn der 1960er Jahre.418 2.4.1.5.  Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten die BMW AG nach 1945 konfrontiert war und wie schwer es der Geschäftsleitung fiel, das Unternehmen wieder im Bereich der zivilen Mobilität auf Kurs zu bringen. Während sie frühzeitig in die Entwicklung eines hubraumstarken Motorrads investierte und somit in diesem Segment im In- als auch im Ausland wesentliche Marktanteile sichern und einen Benchmark setzen konnte, gestaltete sich der Wiedereinstieg in das PKW-Segment ungleich schwerer. Die im Vergleich zu anderen deutschen Mitbewerbern späte Rückkehr als Automobilhersteller Ende des Jahres 1952 hatte zum Verlust zahlreicher Vorkriegshändler geführt, die sich in der Zwischenzeit anderen Marken zugewandt hatten. Der mühsame Wiederaufbau des Vertriebsnetzwerks wird in dem sich anschließenden Kapitel dezidiert analysiert (vgl. Kapitel 2.5). Das automobile Modellprogramm der BMW AG hatte eingangs mit schwerwiegenden technischen Problemen zu kämpfen, die weder dem Image zuträglich waren noch die Vertriebsabteilungen in ihren Bemühungen unterstützen, neue Handelsvertretungen im In- und Ausland zu gewinnen. Ferner orientierten sich die Großen Wagen nicht an den markentypischen Charakteris­ tika des Vorkriegsproduktportfolios und konnten somit ehemalige BMWKunden nur schwer überzeugen und kaum neue Käuferkreise erschließen, die sich häufig bereits anderen, in dem Segment der Oberklasse etablierten Herstellern wie Daimler-Benz zugewandt hatten. Hier wurde eine Dynamik des Abschwungs in Bewegung gesetzt, denn ohne die erhofften Gewinne aus dem Luxuswagenverkauf konnte das PKW-Programm nicht um die Serienfertigung eines für BMW typischen Mittelklassewagens ergänzt werden. Das unausgewogene Produktportfolio generierte Jahr um Jahr Verluste und brachte die Geschäftsleitung unter deutlichen Handlungszwang, da parallel die Einkünfte aus dem Motorradgeschäft aufgrund des Strukturwandels der 418  Für weiterführende Details über die Sanierung des Unternehmens, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Kapitel 3.5, S. 223–253.

2.4.  Modell- und Preispolitik

153

Mobilitätsmärkte einbrachen und auch das KOMD seine Aktivitäten einstellte. Diese Entwicklung schaffte die Ausganslage für den Vorstoß in die für BMW untypische Klasse der Kleinst- und Kleinfahrzeuge, was jedoch von Anbeginn an primär als Übergangslösung betrachtet wurde. Der Erwerb der italienischen ISO-Lizenz für die Fertigung der Isetta war symptomatisch für die ad-hoc-Entscheidungen des Vorstands dieser Jahre. Aus der Not machte man letztlich eine Tugend und so schaffte es die BMW Isetta für kurze Zeit, zur Hauptsäule des Unternehmensumsatzes zu avancieren, insbesondere auch im Export. Die Weiterentwicklung des BMW 600 auf der Grund­ lage des Motocoupés war abermals Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit, noch immer nicht die notwendigen Finanzmittel für die Entwicklung und Serienfertigung des anvisierten und dringend notwendigen Mittelklassewagens zu verfügen. Bis Mitte der 1950er Jahre war BMW, gemessen an den Exportzahlen, nur verschwindend gering mit seinen PKW-Modellen im Ausland vertreten. Auch wenn das Direktorium noch bis Ende der Dekade im Inlandshandel aufgrund höherer Margen das profitablere Geschäftsfeld sah, war es sich darüber im Klaren, dass das Ausfuhrgeschäft nicht vernachlässigt werden durfte. Allerdings war die BMW-Geschäftsleitung durch die Komplexität der Pro­ blemlagen nicht imstande, einerseits eine effiziente Vertriebsstruktur im Inund vor allem im Ausland aufzubauen und andererseits ein ausgewogenes PKW-Modellprogramm zu entwickeln. Die maßgebliche Einflussnahme der Importeure aus den USA, der Schweiz und Österreich auf die Fahrzeugentwicklung sowie die kontinuierliche Bemühung um italienische Designer für die Karosseriegestaltung zeigten, dass man in München durchaus bemüht war, ein attraktives Angebot für den Binnenmarkt, aber auch gerade für die ausländischen Märkte wie etwa die USA aufzubauen, was insbesondere durch die Entwicklungsgeschichte des BMW 507 zutage trat. Mit den zu­ nehmenden Finanzproblemen des Konzerns wurde ab 1957, aufgrund der höheren Gewinnmargen, der Inlands- gegenüber dem Auslandsverkauf explizit priorisiert durch den neuen Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm, der als Sanierer zu BMW gekommen war. Zugleich wollte man jedoch den Anschluss zu den bereits bestehenden Auslandsvertretungen nicht verlieren und belieferte diese künftig mit kleinen Kontingenten, die allerdings nicht für ­einen offensiven, breitangelegten Außenhandel ausreichten. Ausgangspunkt der oben genannten Schwierigkeiten, die sich in einer Art Teufelskreis im Verlauf der 1950er Jahre gegenseitig potenzierten, war vor allem die mangelnde Kenntnis der Märkte, die in zahlreichen Fehleinschätzungen mündete. Modellentwicklungen wurden in Auftrag gegeben und hierdurch teure Entwicklungskosten verursacht, die letztlich nicht die erhofften Gewinne erwirtschaften konnten und überwiegend weit unter den vorgelegten Sollwerten lagen, manchmal sogar überhaupt nicht in die Produktion überführt wurden. Die Kalkulationen der Großen Wagen zielten derart fatal an den realen Absatzzahlen vorbei, dass sich das Unternehmen

154

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

nur schwer von dieser Fehlkalkulation erholte. Richter-Brohm, der als Sanierer zu BMW geholt wurde, kritisierte die ineffiziente Modellentwicklung einschließlich Verkaufs- und Produktionsplanung umgehend bei seinem Amtsantritt. Die im April 1957 von ihm eingesetzte Marktforschungsabteilung wies Ende der 1950er Jahre mit der Projektbeteiligung am Kleinwagen BMW 700 erste Erfolge auf. Zuvor hatte sich gezeigt, dass sich die neuen Prozesse, zu denen auch eine institutionalisierte Absprache zwischen Marktforschung und Entwicklungsressort zählte, erst etablieren und einspielen mussten. Die erste fundierte Marktanalyse und dezidierte Studie über den BMW-Geschäftsverlauf seit der Währungsreform, also von 1948 bis 1956, wurde inklusive einer Bilanzanalyse und einer Prognose für die weitere Zukunft im Juni 1957 vorgelegt.419 Berichterstattungen und Analysen der Marktforschungsabteilung nahmen infolgedessen stetig zu. Mit dem Kleinwagen BMW 700 und somit nicht vor Ende der 1950er Jahre wurde eine neue Richtung eingeschlagen, die durch den Führungswechsel im Vorstand 1960 bis 1962 weiteren Auftrieb erhielt. Das BMW-Modellprogramm ruhte fortan auf soliden Marktforschungsstudien, die nun periodisch durchgeführt wurden. Wichtigster Schritt war jedoch die Rückkehr in die obere Mittelklasse und damit auch zu den etablierten, für BMW charakteristischen Markenwerten. Ein solcher markentypischer Mittelwagen, wie er 1962 mit der sogenannten Neuen Klasse vorgestellt wurde, fehlte eine vollständige Dekade im Produktportfolio des Münchner Unternehmens. Ein Jahrzehnt lang war somit eine große Leerstelle zwischen den Großen Wagen und den Kleinst- und Kleinfahrzeugen zu konstatieren gewesen, auf deren Schultern nahezu das gesamte Gewicht der Verantwortung für den Unternehmensverlauf der 1950er Jahre ruhte. Während andere Mitbewerber durch eine ausgeklügelte Produktstrategie kosteneffizient produzieren konnten, wie etwa Daimler-Benz ab 1953 durch die Etablierung des Baukasten­sys­ tems,420 verfügte BMW über ein äußerst heterogenes Produktportfolio mit nur wenigen Synergieeffekten in der Produktion.421 Das unausgeglichene PKW-Modellprogramm war einer der Hauptgründe für die Verschärfung der monetären Schieflage und somit zu einem großen Teil für die sich zur Unternehmenskrise zuspitzenden Lage gegen Ende der 1950er Jahre verantwortlich. Im Hinblick auf ihre Internationalisierung war die BMW AG in den 1950er Jahren im PKW-Segment fast ausschließlich durch Kleinst- und Kleinfahrzeuge im Ausland – vor allem in Übersee – vertreten. Da diese mit Ausnahme des BMW 700 nicht an die BMW-Markenwerte der Vorkriegszeit anknüpften, stiftete dies bei bereits etablierten BMW-Vertretungen wie etwa 419  Vgl. Bericht über die BMW Aktiengesellschaft („Zukunftsprogramm“), vorgelegt von dem Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm, 06. 1957, in: BMW UA 147/1. 420  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 219. 421 Ausgenommen hiervon waren die BMW Isetta und der sich aus ihr ableitende BMW 600.

2.5. Vertriebspolitik

155

AFN Ltd. in Großbritannien Irritationen bzw. generierte ein mit dem Image der Vorkriegszeit nicht konformes Markenbild. Interessanterweise hatten allerdings die automobilen Produkte aus München der 1950er Jahre keinen langfristigen Einfluss auf das Markenimage, wie eine Mitte der 1960er Jahre durchgeführte unabhängige Untersuchung ermittelte: Diese offenbarte, dass auch über die Nachkriegszeit hinaus vor allem die Modelle der Zwischenkriegszeit und ihre sportlichen Erfolge das Bild der Marke BMW bis Mitte der 1960er Jahre prägten.422 Somit schien es, dass sich das Modellprogramm sowie die eklatanten Fehlentscheidungen der 1950er Jahre nicht in der Erinnerung der breiten Öffentlichkeit festgesetzt hatten. Dies vereinfachte BMW in den 1960er Jahren das Anknüpfen an das Markenimage der Vorkriegszeit.

2.5. Vertriebspolitik Aus den vorangegangenen Explikationen ist bereits deutlich geworden, dass die BMW AG in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren mit einer Vielzahl von komplexen Problemen konfrontiert war, die sich im Verlauf der D ­ ekade zu einem circulus vitiosus verwandelte. Ausgangspunkt hierfür war ein am Markt vorbeientwickeltes automobiles Modellprogramm, das auf r­ udimentären Marktkenntnissen und infolgedessen falschen ­Vorkalkulationen ruhte, welche von den Verkaufsabteilungen vorgelegt worden waren. Des Weiteren gestaltete sich der Wiederaufbau der Händlerorganisation im In- und Ausland ausgesprochen schleppend und mühsam, da sich eine große Zahl ehemaliger Partnerbetriebe durch die späte Rückkehr von BMW auf den PKW-Markt in der Zwischenzeit anderen Herstellern zugewandt hatte. Ferner mangelte es in der PKW-Sparte lange Zeit an einem überzeugenden Produkt, das den Händlern das Vertrauen gegeben hätte, sich der Marke BMW zuzuwenden. Es bedurfte also einer holistischen Strategie, um ein effizientes Vertriebsnetzwerk aufzubauen, die der BMW AG jedoch in den ersten Jahren fehlte. Insbesondere die erste Hälfte der 1950er Jahre stellte vielmehr eine Phase der Orientierung und des Trial-and-Error-Verfahrens dar, das sich in einem bisweilen unkoordinierten Vorgehen äußerte, das nach Struktur verlangte. In den sich anschließenden Kapiteln wird die Vertriebspolitik der ersten Internationalisierungsphase vorgestellt. Hierbei soll gefragt werden, inwiefern eine a priori festgelegte Strategie zugrunde lag oder es sich überwiegend um ein Trial-and-Error-Vorgehen handelte. Besonderes Augenmerk wird auf das Handeln der BMW AG im internationalen Kontext gelegt und beleuchtet, wie neue Märkte eruiert und im Anschluss, je nach Bewertung der Situation, erschlossen wurden. Einleitend soll knapp dargelegt werden, wie sich 422 Vgl.

Gutachten von Prof. Bernt Spiegel zur Frage der Weiterentwicklung des Typen­programms der Bayerische Motoren Werke AG vom 29. 09. 1964, in: BMW UA 1344/1.

156

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

die Vertriebspolitik auf die innerbetrieblichen Unternehmensstrukturen auswirkte. Ein organisationaler Wandel kann durch die sukzessive Etablierung der sich herausbildenden Prozesse anhand von Vorstandsprotokollen und einigen wenigen Organigrammen nachgezeichnet werden.423 2.5.1.  Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die geschäftlichen Aufgaben zunächst unter den Direktoren Donath, Krafft von Dellmensingen und Grewenig aufgeteilt, um den Unternehmensbetrieb möglichst rasch wiederaufnehmen zu können. Grewenig war seit August 1948 für den Kaufmännischen Bereich zuständig, unter dem sowohl der Ver- als auch der Einkauf subsumiert wurde und demnach die Verantwortung für den Wiederaufbau einer funktionierenden Handelsorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen in der Ressortverantwortung Grewenigs lag. Diese eingangs als Provisorium gedachte Zwischenlösung der Zusammenfassung unterschiedlicher Bereiche im Kaufmännischen Ressort überdauerte seinen provisorischen Charakter bei weitem und hatte de facto nahezu ein Jahrzehnt lang Bestand. In diesem Zeitraum bestimmte also eine, wie sich sukzessive herausstellte, vermehrt ungünstige und ineffiziente Zusammenfassung unterschiedlichster Aufgabengebiete innerhalb des Kaufmännischen Bereichs die Unternehmenspolitik und somit maßgeblich auch das Ausfuhrgeschäft. Grewenig, der über dezidierte Erfahrungen in der Automobilindustrie verfügte (vgl. Kapitel 2.2.1), war zweifelsohne nachhaltig an dem Wiederaufbau des Münchner Konzerns beteiligt. Allerdings fehlte insbesondere dem Vertrieb über mehrere Jahre die notwendige, mit den anderen Unternehmensbereichen abgestimmte Struktur, um eine profunde Verkaufsplanung erstellen oder neue Märkte gezielt untersuchen und erschließen zu können. So verwundert es nicht, dass in dieser Zeit die Mehrzahl der Kontakte zu Importeuren oder anderen Geschäftspartnern auf den persönlichen Verbindungen von Grewenig ruhten.424 Die BMW AG zeichnete sich in der ersten Phase der Internationalisierung durch eine besonders reaktive Außenhandelspolitik aus, in der vornehmlich auf 423  Im Vergleich zu anderen deutschen Automobilherstellern, wie Daimler-Benz oder Volkswagen, muss leider konstatiert werden, dass das BMW Group Archiv über nur wenige erschlossene Aufzeichnungen verfügt, die Erkenntnisse über organisationale Wandlungsprozesse liefern. Köhler hat anhand von Organigrammen deutscher PKWHersteller – aufgrund der Quellenlage exklusive BMW – ihren organisationalen Wandel anhand des Marketingmanagements untersucht und hiermit eine sehr interessante Studie der Automobilindustrie in den 1960er bis 1980er Jahren vorgelegt, vgl. Köhler, Ingo (2008): Marketingmanagement als Strukturmodell. Der organisatorische Wandel in der Automobilindustrie in den 1960er bis 80er Jahre, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 53, Nr. 2, S. 216–239. 424  So waren etwa Grewenig und seine Frau auf den 18. Geburtstag der Tochter von Rivolta eingeladen, dem Lizenzgeber der ISO-Isetta, vgl. Schreiben von Grewenig an Rivolta, 1955, in: BMW UA 53/1.

2.5. Vertriebspolitik

157

Anfragen aus dem Ausland reagiert wurde, anstatt aktiv eigene Vorstöße zur Aufnahme neuer Verbindungen zu potentiellen Importeuren oder Montagepartnern zu initiieren. Derartige Eigeninitiativen kamen zwar vereinzelt vor, blieben jedoch bis Mitte der 1950er Jahre die Ausnahme.425 Die zunächst ­untergeordnete Rolle des Exportgeschäfts kam nicht nur durch das bereits in Abschnitt 2.4.1.1 erörterte Fehlen von Rechtslenkermodellen im Segment der Großen Wagen zum Ausdruck. Bis zum Sommer 1953 verfügte die BMW AG über keine spezialisierte Fachabteilung sowie über keinen Fachmann für den Außendienst im Ausfuhrgeschäft; auch hier waren unter Trötsch In- und Auslandsverkauf in einer Abteilung zusammengefasst. Grewenig bemängelte diese personelle Fehlstelle gegenüber dem hierfür zuständigen Mitarbeiter Trötsch, ohne jedoch die Notwendigkeit für eine prinzipielle Umstrukturierung auf organisationaler Ebene zu sehen. Vielmehr strebte er an, diesen Mangel rein auf der Personalebene zu beheben: „Die Schwierigkeiten hier liegen ja nicht allein in den Währungsfragen. Diese zu erkennen und unsere Geschäfte zu placieren[,] [sic!] kann nur von einem Fachmann auf diesem Gebiet durchgeführt werden. Da wir über einen solchen Herrn nicht verfügen, haben wir entsprechende Annoncen in den Tageszeitungen aufgegeben.“426

Die Notwendigkeit eines Zeitungsinserats verdeutlicht überdies, dass sich zu diesem Zeitpunkt noch kein dezidierter Arbeitsmarkt für Fachkräfte des Exportgeschäfts herausgebildete hatte, auf den BMW Zugriff hatte. Die Stellen mussten also entweder über persönliche Netzwerke vermittelt oder aber über Annoncierungen in der Zeitung abgewickelt werden. Die BMW AG schien 1953 als vergleichsweise kleiner Hersteller noch nicht über ein ausgedehntes Netzwerk im Bereich des Exports zu verfügen, um eine solche Stelle problemlos besetzten zu können. Bis Mitte der 1950er Jahre hatten darüber hinaus steigende Produktionszahlen und eine zugleich noch immer dysfunktional arbeitende Vertriebsorganisation im In- und Ausland deutlich gemacht, dass der Vertrieb fortan höherer Aufmerksamkeit und weiterer Priorisierung bedurfte, um in diesen Punkten Abhilfe zu schaffen. Erstmals sah das Direktorium hier auch den Bedarf für eine strukturelle Veränderung der Verkaufsorganisation, indem die Bereiche Verkauf und Einkauf 1956 aus dem Kaufmännischen Bereich herausgelöst wurden. Dieser organisationale Wandel wurde vergleichsweise spät von der BMW-Geschäftsleitung eingeleitet und reichte nicht so weit, als dass eine klare Trennung zwischen Ein- und Verkauf als eigenständige Ressorts vorgenommen wurde. So blieb es bei der Zusammenfassung beider Bereiche, was letztlich charakteristisch für eine Restrukturierung war, die gewisser­ maßen auf halbem Wege stehen blieb. Zum 1. November 1956 wurde das neue 425 Vgl.

Korrespondenz zwischen Grewenig und ausländischen Geschäftspartnern, 1950–1954, in: BMW UA 71/1; Korrespondenz zwischen Grewenig und ausländischen Geschäftspartnern, 1955, in: BMW UA 53/1. 426  Aktennotiz von Grewenig an Trötsch vom 17. 07. 1953, in: BMW UA 71/1.

158

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Ressort „Einkauf und Verkauf“ eingeführt und ein neues Mitglied in den Vorstand berufen: Ernst Hof, der bereits in Abschnitt 2.2 vorgestellt wurde, hatte zuvor außerhalb der Automobilbranche als geschäftsführender Gesellschafter Erfahrungen im Export gesammelt, besaß jedoch über keinerlei Kenntnisse in dem Bereich der Automobilindustrie.427 Eine Leerstelle in seiner Vita, die im weiteren Verlauf negativ zum Tragen kam. Grewenig wurde im Juni 1957 in den Ruhestand verabschiedet und machte somit Platz für Hof und Richter-Brohm und damit für einen Neuanfang. Er hinterließ ein Führungsgremium, das über keine nennenswerten Erfahrungen in der Automobilbranche verfügte. Diese mangelnde Expertise des BMW-Gesamtvorstands wurde 1958 deutlich durch Vertreter des Bayerischen Wirtschafts­ ministeriums kritisiert und als einer der Gründe für die Zuspitzung der ­Unternehmenskrise gegen Ende der 1950er Jahre benannt.428 Zum Jahresende 1956/57 wurden also die ersten nachhaltigen Veränderungen auf organisationaler Ebene umgesetzt. Abbildung 10 zeigt das Organigramm der Verkaufsabteilungen unter Hof im Anschluss an diese Umstrukturierung, nach der dennoch einige Widersprüche bestehen blieben. So stellte die Abteilung „Versand und Disposition“ exemplarisch eine eher unglück­ liche Subsumierung von Ein- und Verkauf dar.429 Auch die Exportabteilung unter Krüger blieb eine vergleichsweise isolierte Einheit, die zunächst primär auf die Eruierung neuer Marktpotentiale beschränkt blieb, ohne hierbei jedoch in enger Rücksprache mit der neu etablierten Marktforschungsabteilung zu stehen.430 Themen rund um die CKD-/SKD-Montage wurden zu einer interdisziplinären Schnittstelle zwischen Export- und Versandabteilung, deren Abwicklung noch nicht eindeutig geklärt war. Ebenso unstrukturiert innerhalb der Unternehmensorganisation war die Händlerbetreuung inklusive der Sicherstellung eines qualitativ hohen sowie einheitlichen Servicestandards. Die Hof direkt unterstellte Abteilung für den Behördenkontakt war in den 1950er Jahren von hoher Bedeutung, die durch ihre organisatorische Einordnung zum Ausdruck kommt. Sie wickelte das sogenannte Behördengeschäft ab, das während der ersten Internationalisierungsphase einen 427  Hof

war, wie damals bei der BMW AG üblich, zunächst als stellvertretendes und ab dem 01. 03. 1957 als ordentliches Mitglied im Vorstand tätig. Vor seinem Eintritt war er unter anderem bei der Essigsäure GmbH, der Henkel & Cie. GmbH und Frankfurter Asbestwerke Paul Kind KG tätig, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 510. 428  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 185f. 429  Auf diese unbefriedigende Zuordnung des Versands zum Einkauf machte RichterBrohm bereits im Frühjahr 1957 aufmerksam, jedoch benötigte es noch einige Monate, bis sich in diesem Punkt eine Restrukturierungsmaßnahme in der Organisation niederschlug, vgl. Protokoll Nr. 3/57 der Vorstandssitzung vom 27. 03. 1957, in: BMW UA 107/1; Protokoll Nr. 6/57 der Vorstandssitzung vom 09. 05. 1957, in: ebd. 430  Exemplarisch hierfür kann die äußerst kostspielige Südamerikareise des Exportleiters Krüger angesehen werden, die willkürlich und von der Marktforschungsabteilung separiert durchgeführt wurde vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: ebd.

159

2.5. Vertriebspolitik Vorstand Verkauf Hof Marktforschung und Statistik

Behörden

Lau/Dr. Schmitt

Dr. Schneidler

Verkauf Hensel Verkauf Inland Kolk

Export Dr. Krüger

Ersatzteil-und Kundendienst Mecer

IndustrieMotoren Prestel

Versand und Disposition Altmann/Jänigen

Werbung Hoepner

Abbildung 10: Organigramm des Vorstandsbereichs Verkauf, 09. 1957.431

deutlich positiven Einfluss auf den Export nahm. Es hatte bei BMW eine lange Tradition und reichte bis in die Vorkriegszeit zurück, in der insbesondere Motorräder der Marke BMW im In- und Ausland für den öffentlichen Dienst genutzt wurden.432 Eine Tradition, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt wurde, wie die Lieferungen insbesondere der Krafträder zeigte (vgl. Abschnitt 2.3.2), und das Bild der Marke im Ausland maßgeblich positiv beeinflusste.433 Die Belange des Motorrad- und Automobilgeschäfts waren in den 1950er Jahren im Vertrieb zusammengefasst. Umso mehr verwundert der unterschiedliche Verlauf, den das Ausfuhrgeschäft in der Zweirad- und der Automobilsparte nahm. Der Ende der 1950er Jahre einsetzende organisationale Wandel wurde maßgeblich von dem seit März 1957 im Amt des Vorstandsvorsitzenden agierenden Richter-Brohm forciert, der als eine seiner ersten Amtshandlungen zum April 1957 eine Marktforschungsabteilung installierte, die direkt dem Verkaufsvorstand Hof unterstellt war und in enger Abstimmungen mit den anderen Verkaufsabteilungen agieren sollte. Ebenso hoch priorisiert wurde das Behördengeschäft, das sich insbesondere innerhalb der Motorradsparte zu einem wichtigen Standbein des Münchner Herstellers entwickelt hatte. Die Marktforschungsabteilung war die wichtigste Neuerung der ersten Um431 „Organisations-Rahmen-Plan des Vorstandsbereichs Verkauf“, 1957, in: BMW UA 131/1. 432  Vgl. Kundenliteratur „BMW Kraftrad R 12 für den Behördendienst“, 1935–1942, in: BMW MK 123/10. Dieses viersprachige Informationsblatt ist neben Deutsch ebenso in Englisch, Französisch und Spanisch verfasst. 433  Jakobs hat einen interessanten und an den allgemein interessierten Leser gerichteten Artikel über das Motorradgeschäft der BMW AG mit den Behörden verfasst, vgl. Jakobs, BMW Motorräder.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

strukturierung, hatte die bisherige desaströse Verkaufsplanung doch bislang nach Aussage Richter-Brohms, der ebenfalls Vertreter des Bayerischen Wirtschaftsministeriums zustimmten,434 zu den verheerenden Verlusten im Automobilbereich der BMW AG geführt. Mit entsprechend unmissverständlichen Worten ermahnte der Vorstandsvorsitzende im Sommer 1957, nach einer erneut unzulänglichen Verkaufsplanung, seine Kollegen, hier insbesondere Hof, zu mehr Disziplin und einer strafferen Organisation: „Herr Dr. Richter-Brohm weist mit Nachdruck auf die völlige Unmöglichkeit einer solchen schwankenden ‚Verkaufsplanung‘ hin. Es könne schlechterdings nicht akzeptiert werden, dass vom Verkauf wechselnde programmatische Erklärungen abgegeben werden. Hier zeige sich erneut, dass die Marktbeobachtungen und -erforschungen viel gründlicher und gewissenhafter durchgeführt werden müssen. Nach bestem menschlichen Vermögen unter Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Hilfsmittel für einwandfreie Markterkenntnisse zuverlässige Angaben zu machen, sei der mit wichtigste Beitrag, der von Seite des Verkaufs überhaupt geleistet werden könne. Die gesamte Planung einer Automobilfabrik fängt mit einer zuverlässigen Planung über die absetzbaren Stückzahlen an. Wenn die diesbezüglichen Angaben des Verkaufs ständig schwanken, ist es unmöglich, eine Fabrik unserer Branche zu leiten. Deshalb müssen die Ziffern zuverlässigst ermittelt und, wenn sie einmal eingeplant sind, unbedingt eingehalten werden, weil sonst auch das ganze Gebäude von Fertigung und Finanzplanung ins Wanken gerät.“435

Diese als Standpauke anmutende Erklärung, wie sie Richter-Brohm zwischen 1957 und 1959 zahlreich in den Vorstandssitzungen abhielt, veranschaulicht nicht nur die Missstimmung innerhalb des Führungsgremiums, sondern auch den schwerwiegenden Fehlstand innerhalb des Ressorts unter Hof. Hierdurch entwickelte sich eine tief sitzende Skepsis des Vorstandsvorsitzenden gegenüber dem Leiter von Verkauf und Einkauf,436 die zunehmend zu ­Reibungen führte und die Vertrauensbasis zusehends erodierte. Obwohl die Marktforschungsabteilung Hof unterstellt war, griff Richter-Brohm weitgehend in diese Kompetenz ein und so war es auch der Vorsitzende, der einen Großteil der Analysen, an Hof vorbei, direkt bei der Marktforschung in Auftrag gab und die Ergebnisse an alle Vorstandsmitglieder verteilen ließ, während Hof diese in den Sitzungen vorstellte und somit auf eine rein exekutive Funktion reduziert wurde.437 Ab Oktober 1957 führte Richter-Brohm zusätzlich vierteljährliche Treffen zwischen den Bereichen Verkauf und Entwicklung ein, um die Studienergebnisse auch für Modellpflege und ­ 434  Diese Missstände wurden in dem Gutachten gelistet als „mangelhafte Kalkulation“, „mangel­hafte Marktanalyse“ und „Mangelhafte Organisation im Inneren (Meisterwirtschaft!) und nach aussen [sic!] (kein Service, teure Reparatur- und Ersatzteilpreise) ­keine schlagkräftige Verkaufsorganisation“, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 185f. 435  Protokoll Nr. 11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: BMW UA 107/1. 436  Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen der Jahres 1957, 1957, in: ebd.; Protokolle der Vorstandssitzungen der Jahres 1958, 1958, in: BMW UA 107/2; Protokolle der Vorstandssitzungen der Jahres 1959, 1959, in: BMW UA 107/3. 437  Für weiterführende Informationen zur Etablierung der Marktforschung bei BMW, vgl. Triebel, Marktforschung bei BMW 1957–1961.

161

2.5. Vertriebspolitik Vorstandsmitglied 3G Techn. Verkaufsplanung 4G

Marktforsch./Statistik 7G Verkaufsleitung 3G

Inlandsverkauf 3G

Export 2G

Innend. Süd 4G

SKD/CKD Kanada 4G

Kundendienst-Förd. 27 G 6L

Innend. Nord 4G

Länd.-Sachbearb. 10 G

Reklamationen 13 G 3L

Aussend. Süd 7G

Schreibzimmer 3G

Ersatzteil-Verkauf 23 G 62 L

Aussend. Nord 6G

Kartei-Abt. Zahlungsverkehr 2G

Ersatzteil-Export 9G

Ind. -Mot. 3G

Sonderwagen 3G Behörden 2G

Kundend./Ersatzt. 3G

Werbung 5G

Kundend.-Werkstatt 15 G 1L G = Gehaltsempfänger

L = Lohnempfänger

Kartei-Abt. 6G NL - Berlin 1G Verk.-Förd. 1G Schreibsaal 12 G Auslief.-Lag. 8G 48 L

Abbildung 11: Organigramm des Vorstandsbereichs Verkauf, 12. 1959.438

-erweiterungsmaßnahmen nutzbar zu machen. Die schwerwiegenden Fehler der Modell­politik der 1950er Jahre durften sich nicht wiederholen und so wurden diese Abstimmungsrunden unter der Devise: „Es darf nur das ent­ wickelt werden, was sich auch gut verkaufen lässt!“ institutionalisiert.439 In den Jahren 1958/59 wurde insbesondere das Verkaufsressort personell ausgebaut und zahlreiche Mitarbeiter eingestellt. Im Zuge der Unternehmenskrise und der sich anschließenden Sanierungsmaßnahmen kam es dann erneut zu Restrukturierungsmaßnahmen in diesem Bereich. Abbildung 11 zeigt den Status quo der Verkaufsorganisation Ende 1959. Auch aus diesem 438  Organisationsplan des Verkaufsressort inklusive der Mitarbeiterzahl, 12 1959, in: BMW UA 131/1. 439  Triebel, Marktforschung bei BMW 1957–1961, S. 73.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Organisationsplan lässt sich noch immer eine unausgewogene Struktur der Verkaufsabteilungen konstatieren. Ebenso kommt der starke Fokus auf das Inlandsgeschäft zum Ausdruck, der Ende der 1950er Jahre symptomatisch für die Ausrichtung der Vertriebspolitik der BMW AG war. Die Marktforschung wurde bis Ende 1959 stark ausgebaut, während das Behördengeschäft seine Eigenständigkeit als dem Verkaufsleiter direkt unterstellte Einheit einbüßte, indem es dem Inlandsverkauf zugeordnet wurde; eine erstaunliche Subsumierung, da über die Behördenstellen ebenfalls zahlreiche Auslands­ geschäfte vollzogen wurden und somit erneut eine ungünstige Vermischung von Aspekten des In- und Auslandsverkaufs zu beobachten war. Die Exportabteilung hatte bis Dezember 1959 primär die Abwicklung der laufenden Exportgeschäfte zu verantworten, anstatt aktiv eine Verkaufsförderung im Sinne weiterer Markterschließungen voranzutreiben. Dies hing wesentlich mit der durch den Vorstand im Mai 1957 vorgenommenen Priorisierung des Inlandsgeschäftes gegenüber dem Auslandsabsatz zusammen, da die Deckungsbeiträge im Ausfuhrgeschäft bedeutend geringer waren als im Inland. Richter-Brohm ließ demgemäß am 14. Mai 1957 folgende neue Richtlinie protokollieren: „Angesichts der unbefriedigenden Erlöse im Exportgeschäft muss der Auslandsabsatz zu Gunsten vorteilhafterer Inlandsverkaufe zurücktreten. Das starke Ansteigen des unbefriedigenden Auslandsgeschäftes im Verhältnis zum Gesamtabsatz – wie dies eindringlich aus der ersten Quartalsabrechnung 1957 hervorgeht – zwingt zu einer wesentlich sorgfältigeren Verkaufsplanung, die darauf ausgerichtet sein müsse: a) mit den Auslandshändlern zu besseren Preisabsprachen zu gelangen, und zwar ­unter genauer Ermittlung der erzielbaren Preis- und Konkurrenz-Situation im ­jeweiligen Exportland […], b) nur in die preisgünstigen Länder zu liefern, c) wenn Exportgeschäfte unter der Voraussetzung von a) und b) nicht zu tragbaren Erlösen führen, auf jeden Fall dem Inlandsgeschäft den Vorzug zu geben.“440

Als Folge dieser Bestimmung sah sich Hof, der die neuen Wagenbaumuster auch über die Landesgrenzen hinweg bekanntmachen und bereits erschlossene Märkte nicht verlieren wollte, in den sich anschließenden Monaten oftmals als Bittsteller, der die Freigabe zusätzlicher Stückzahlen für den Export im Vorstand beantragen musste. Hierbei handelte es sich häufig um geringe Mengen in der Größenordnung von 50 bis 80 Fahrzeugen, über deren Berechtigung dennoch ausführlich im Vorstand diskutiert wurde.441 Dies stellte nicht nur eine wesentliche Erhöhung des Diskussionsvolumens und Arbeitspensums des Führungsgremiums dar, sondern verdeutlichte überdies die stark eingeschränkte Autorität sowie den geringen Handlungsspielraum des Vertriebsleiters, der einzig in den ihm durch den Vorstandsvorsitzenden gesteckten Grenzen agieren bzw. reagieren konnte. Auch kam hier die nachgeordnete Bedeutung des PKW-Exports in den 1950er Jahren zum Tragen. Des 440  441 

Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. Vgl. Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2.

2.5. Vertriebspolitik

163

Weiteren waren derartige Diskussionen Ausdruck des maroden Vertrauensverhältnisses zwischen Richter-Brohm und Hof, das die Entwicklung des Vertriebs – vor allem im Ausland – als Ganzes hemmte. Hinsichtlich ihrer organisationalen Strukturen wies die Verwaltung der BMW AG eine „aufgeblähte Belegschaftsstärke“ auf, ohne jedoch zugleich den notwendigen Wirkungsgrad in Service und Kundendienst zu erreichen.442 Der Bereich Ver- und Einkauf spiegelte somit Ende der ersten Internationalisierungsphase in besonderem Maße die unglückliche Unternehmensorganisation und -politik wider. Die Unzufriedenheit über Hofs Arbeit kam nicht nur in zahlreichen Konfrontationen im Rahmen der Vorstandssitzungen zum Ausdruck, sondern auch in der Übergabe aller kaufmännischen Angelegenheiten sowie Belange des Einkaufs an den neu in das Vorstandsgremium berufenen Direktor Kämpfer mit Wirkung zum 1. Mai 1958, womit die dringend notwendige Trennung von Einkauf und Verkauf vollzogen wurde.443 Hof blieb weiterhin Verkaufsleiter, geriet aber auch in dieser reduzierten Rolle zunehmend in die Kritik. Diese unbefriedigende Situation dauerte dennoch etwa zwei Jahre an und bot für einen effizienten Wiederaufbau des Vertriebsnetzwerks weder im In- noch im Ausland eine leistungsfähige Grundlage. Zum 3. Juli 1960 veranlasste der Aufsichtsrat daraufhin einen Wechsel der Funktionen zwischen Kämpfer und Hof, der fortan bis zu seiner Pensionierung zum 28. Februar 1962 ausschließlich für den Einkauf verantwortlich war, während Kämpfer durch die neu übertragenden Kompetenzen nicht nur Verkaufsleiter wurde, sondern zum „inoffiziellen Vorsitzenden“ des BMW-Vorstands avancierte; einen offiziellen Vorsitzenden gab es nach der Amtsniederlegung ­Richter-Brohms zwischen März 1960 und Februar 1962 nicht.444 Resümierend kann gesagt werden, dass sich die schwerwiegenden Probleme der BMW AG auch in ihrer Unternehmensorganisation widerspiegelten, die nicht nur Ausdruck eben dieser Schwierigkeiten war, sondern ebenso für die gravierenden Fehler mitverantwortlich gemacht werden kann, da sie nicht über den notwendigen Wirkungsgrad verfügte. Das Ausfuhrgeschäft wurde deutlich gegenüber dem Inlandshandel zurückgestellt und somit wichtige Marktchancen im Ausland verpasst. Zugleich muss festgehalten werden, dass mit der Amtsübernahme Richter-Brohms im März 1957 erste Schritte zur Besserung unternommen wurden, die sich beispielsweise in der Institutionalisierung der Marktforschungsabteilung, einer verbesserten Absatzplanung sowie einer engeren Kooperation zwischen Entwicklung und Verkauf mani442  Zu

diesem Schluss kamen ebenfalls die Vertreter des Bayerischen Wirtschaftsministeriums in ihrem Gutachten, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 185f. 443  Vgl. Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 444  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 510–513. Zum 15. 02. 1962 übernahm Kämpfer auch die Zuständigkeit für alle Belange der Allgemeinen Verwaltung. Für weiterführende Details zu den Lebensläufen von Ernst Hof, Ernst Kämpfer und Richter-Brohm, vgl. ebd., S. 510f.

164

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

festierten. Ferner wurden erste Schritte zur Trennung des Konglomerats Einund Verkauf eingeleitet, die jedoch auf halbem Wege verharrten. Bis diese Maßnahmen quantifizierbare Früchte trugen, waren Monate nötig, die allerdings der Geschäftsleitung unter Richter-Brohm nicht mehr zur Verfügung standen. Es bedurfte nach der Hauptversammlung vom 9. Dezember 1959 eines radikalen Neuanfangs, für den letztlich der Vorstandsvorsitzende im März sowie Krafft von Dellmensingen (Allgemeine Verwaltung und Rechtswesen) im August 1960 Platz machten.445 Mit der zweiten Internationalisierungsphase schlugen sich die maßgeblichen Veränderungen und eine neue Exportorientierung auch deutlich auf organisationaler Ebene des Unternehmens nieder. Diese zweite Phase trug vor allem die Handschrift von Hahnemann, der im Herbst 1961 in die BMW AG als neuer Vertriebschef eintrat (vgl. Kapitel 3.2.1). 2.5.2.  Der Aufbau der Händlerorganisation im In- und Ausland 2.5.2.1.  Ausgangssituation nach dem Zweiten Weltkrieg Der Zweite Weltkrieg war im Vertrieb wie auch in allen anderen Unternehmensbereichen eine einschneidende Zäsur. Selbst als Rüstungsunternehmen hatte die BMW AG versucht, den Kontakt zu ehemaligen Händlern aufrechtzuerhalten, jedoch brach mit der endgültigen Einstellung der zivilen Automobil- und Motorradproduktion im Jahre 1941 die Kommunikation sukzessive ab.446 Der Wiederaufbau der Händlerorganisation nach Kriegsende gestaltete sich je nach Fertigungsprodukt unterschiedlich und auch in diesem Punkt muss deutlich zwischen dem Motorrad- und Automobilsegment differenziert werden. In der Nachkriegszeit wurde die Kontaktpflege schnellstmöglich wiederaufgenommen: Noch während das Notprogramm gefertigt wurde, ließ die Geschäftsleitung 1947 – und somit vor der Vorstellung des ersten Nachkriegsmotorrads – das verbliebene Interesse an BMW-Produkten bei der ehemaligen Händlerschaft im Inland eruieren und stieß hier auf eine hohe Resonanz, erneut BMW-Motorräder zu vertreten.447 So kam es, dass im Dezember 1948 bei Auslieferungsbeginn der R 24 ein Netzwerk aus 400 Betrieben das neue BMW-Zweirad in Deutschland verkaufte. Die meisten dieser Firmen waren allerdings durch Kriegseinwirkungen schwer angeschlagen und so bedurfte es einiger Zeit und Bemühungen, den alten Standard zu erreichen.448 Die Kraft445  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 509–511. 446  Die Motorradmodelle BMW R 12 und R 75 wurden für das

Militär noch bis 1942 bzw. 1944 gebaut. Der Schwerpunkt lag allerdings eindeutig auf den Flugmotoren, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 32, 278, 424f. 447  Vgl. ebd., S. 425–427. 448  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, in: BMW UU 29/10; Vorschlag über eine Erweiterung der Verkaufsorganisation zur Sicherung des Absatzes vom 28. 12. 1951, in: BMW UA 71/1.

2.5. Vertriebspolitik

165

radhändler im Inland hatten vergleichsweise früh ein Produkt erhalten, das qualitativ hochwertig war und an die Tradition der Vorkriegsräder anschloss. Überdies hatte BMW beizeiten mit der Entwicklung einer schweren Maschine begonnen und konnte hierdurch unmittelbar nach der Produktionsfreigabe schwerer Motorräder durch die Alliierten mit der R 51/2 auf den Markt kommen. Im Motorradsegment knüpfte BMW also nicht nur an die traditionellen Markenwerte an und entsprach somit den Erwartungen der Händler und Kundschaft, sondern darüber hinaus hatte der Münchner Hersteller ein starkes Produkt entwickelt (vgl. Kapitel 2.3.1), das äußerst attraktiv auf die Händler wirkte und demgemäß den Aufbau der Händlerorganisation positiv beeinflusste. Diese Kombination bildete die optimale Ausgangsbasis für den Ausbau des Motorradgeschäfts. Außerhalb der eigenen Landesgrenzen gestaltete sich der Aufbau der Auslandsvertretungen ungleich schwieriger. BMW mochte im Vergleich zu den deutschen Mitbewerbern zwar die höheren Marktanteile haben, im Ausland jedoch hatten ausländische Konkurrenzfirmen in den ersten Nachkriegsjahren die Exportmärkte weitgehend für sich in Anspruch genommen. Um die Marktanteile in den Märkten zu erhöhen und auf die internationale Bühne zurückzukehren, nahm BMW an mehreren internationalen Automobil- und Motorradausstellungen teil, so beispielsweise in Genf im Frühjahr 1948 und im darauffolgenden Jahr in New York, Kopenhagen und London.449 Nur in Ländern, in denen bereits seit der Vorkriegszeit intensive Geschäftsverbindungen zu den Importeuren bestanden, wie etwa in Österreich oder der Schweiz, konnte BMW zügig als Marke und hochwertiger Motorrad­hersteller erneut etabliert werden. Die späte Rückkehr in die Automobilfertigung nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte sich auch auf die ehemaligen Partnerbetriebe im Vertriebsbereich nachteilig aus, stellte die zu überbrückende Abwesenheit der Marke BMW im PKW-Segment doch für viele Vertretungen eine zu lange Zeitspanne dar, die viele Händler nicht zu überbrücken vermochten, ohne sich neuen Herstellern zuzuwenden, die bereits früher auf den Markt zurückgekehrt waren. Dies galt sowohl für in- als auch für ausländische Händler sowie Marken. Durch den verzögerten Wiedereintritt in das Automobilgeschäft begann der Verkaufsbereich erst im Jahre 1951 mit dem Aufbau der BMWHändlerorganisation, wobei der Fokus zunächst auf dem Binnenmarkt lag, der hohe Absatzzahlen versprach.450 Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik 96 Händler BMW-Automobile verkauft. Knapp ein Viertel hiervon – 22 Firmen – hatten ihren Betrieb nach 1945 eingestellt oder kamen aus anderen Gründen nicht mehr als Händler für die Münchner Marke in Betracht. Ein weiteres Viertel bzw. 26 Partner hatten sich aufgrund des fehlenden Angebots an BMW-Wagen nach 1948 dem Au449 Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/ 1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, in: BMW UU 29/10. 450  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12. 12. 1953, in: BMW UA 142/2.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

tomobilangebot anderer Hersteller wie VW und Daimler-Benz zugewandt. Diese Vertretungskontrakte wurden im Laufe der 1950er Jahre sukzessive umgestellt auf das Alleinvertretungsrecht eines Herstellers gegenüber dem Händler, die somit den Parallelvertrieb von Fahrzeugen anderer Marken untersagten. Diese Entwicklung hin zur Exklusivitätsklausel zeichnete sich bereits 1950/51 ab.451 Letztlich stand bei BMW dem Ressort für Ein- und Verkauf zu Beginn des Wiederaufbaus des Vertriebsnetzwerks nur noch knapp die Hälfte aller BMW-Vorkriegshändlerbetriebe zur Verfügung.452 Im Vergleich zu der Motorradsparte stand es also um die PKW-Händlerorganisa­ tion nach dem Zweiten Weltkrieg ungleich schlechter. 2.5.2.2.  Bemühungen im Inland Ende des Jahres 1953 ließ der für den Vertrieb zuständige Direktor Grewenig eine Untersuchung über den Zustand der Verkaufsabteilung sowie der BMWHändlerorganisation ausarbeiten; also zu einem Zeitpunkt, zu welchem das BMW-Wagenprogramm aus nur einem Modell, dem BMW 501, bestand. Diese von den Instituten Vacuum und Emnid durchgeführte Analyse ging unter anderem der Frage der Kundenbindung zu den Händlern sowie der Rolle des Kundendienstes nach.453 Der Bericht über die Verkaufsabteilung und die Händlerorganisation wurde dem Aufsichtsrat im Frühjahr 1954 vorgelegt und zeichnete ein beunruhigendes Bild. Ferner trat auch in diesem Bericht deutlich die Priorisierung des Inlandsgeschäftes zutage. Zur Jahreswende 1953/54 umfasste das automobile Händlernetzwerk 82 Betriebe und hatte folglich nicht einmal den Vorkriegsstand erreicht. Grewenig argumentierte jedoch, dass dieser quantitative Rückstand durch den qualitativen Standard der neuen Händler ausgeglichen würde – eine, wie sich herausstellen sollte, zu optimistische Einschätzung. Die Verkaufsleitung suchte dem Mangel an erfahrenen Händlern bereits sehr früh mit einer Steigerung der Beratungsund Servicequalität einschließlich Kundendienstschulungen sowie der weiteren Akquise neuer Handelspartner entgegenzusteuern.454 Diese Bemühungen wurden jedoch erschwert, indem weitere Hersteller, hierunter auch VW, Lloyd und Opel, ihren Händlerkontrakten im Laufe der Zeit Exklusivitätsklauseln hinzufügten, die ihren Handelspartnern untersagte, Konkurrenzmarken ihrer Produkte zu vertreten. BMW als vergleichsweise kleiner PKWHersteller mit einem noch eingeschränkten Modellprogramm hatte hier ­oftmals das Nachsehen. Durch die zunehmende Durchsetzung der Exklu­ 451 Vgl. Zwischenbericht 1. Quartal 1951 „Wagen-Vertreterorganisation“ von Fiebach, Leiter Wagenverkauf Inland, an Trötsch, Verkaufsleiter In- und Ausland, 03. 1951, in: BMW UA 71/1. 452  Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 47; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12. 12.  1953, in: BMW UA 142/2. 453 Vgl. Fragestellung zu der Repräsentativ-Erhebung im Auftrag der „Deutsche ­Vacuum Oel AG, Hamburg“ (DVOAG) vom 03. 11. 1953, in: BMW UA 71/1. 454  Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 47

2.5. Vertriebspolitik

167

sivitätsklausel fürchtete BMW im Sommer 1955, Dutzende der neu gewonnenen Betriebe durch andere Partner ersetzen zu müssen, wovon zunächst vornehmlich die Isetta-Vertretungen betroffen waren.455 In den späteren Monaten musste sich BMW zudem von weiteren Partnern aufgrund mangelnder Vertriebsaktivität trennen.456 Diese Entwicklung zeigt, dass sich die BMW-Verkaufsorganisation in den 1950er Jahre schweren Voraussetzungen gegenübersah und sich infolgedessen der Wiederaufbau der Vertriebsorganisation schleppend voranschritt. Trotz der intensivierten Bemühungen um die Serviceleistungen der einzelnen Handelspartner bemängelte der Aufsichtsrat im Sommer 1957 erneut die Qualität des Kundendienstes, der in den vergangen Jahren durch Qualitätsmängel sowie der Schadensfallquote der Großen Wagen unter großer Belastung gestanden hatte.457 Ende 1956 hatte der Vorstand in diesem Zusammenhang eine besonders nachdrücklich Maßnahme eingeleitet, um die Händler besser zu unterstützen und einem fortschreitenden Imageverlust entgegenzuwirken: Für das bundesdeutsche Gebiet wurden drei Kundendienstgruppen, bestehend aus Angehörigen des Werks, gebildet und zu den Handelspartnern geschickt, um die aufgetretenen Mängel an Ort und Stelle zu beheben. Diese Aktion bewährte sich auch aus Sicht der Händler und gab ihnen neue Zuversicht,458 weshalb die Kundendienstgruppen in den kommenden Monaten weiter ausgebaut und um ein Bewertungssystem für die Händler im Hinblick auf ihren Service inklusive eines Kundendienstinspektors ergänzt wurden.459 Trotz all dieser Bemühungen hatte sich nicht nur die Modellpolitik maßgeblich zu ändern, sondern auch die Handelsorganisation musste entschieden verbessert werden. So ließ der Vorstand in einer Sitzung im Mai 1957 protokollieren: „Nach übereinstimmender Auffassung des Vorstands ist unsere zur Zeit bestehende Händlerorganisation nach wie vor unzureichend, sowohl was die Leistungsfähigkeit der einzelnen Händler betrifft als auch in Bezug auf ihre Zahl. Dazu kommt, wie Herr Hof berichtet, dass die meisten Händler außer unseren Fabrikaten auch noch die Fabrikate anderer Firmen führen. Umgekehrt hat zum Beispiel Fiat neuerdings seinen Händlern in Deutschland verboten, aus dem PKW Programm Wagen unter 2 Liter zu führen. Sollten sich solche ultimative[n] Forderungen anderer Firmen häufen, würden unsere Händler auf die Dauer in manchen Fällen vor eine schwierige, für uns voraussichtlich negativ ausgehende Wahl gestellt werden.“460

Dieses Zitat verdeutlicht, dass zahlreiche Hersteller Exklusivitätsklauseln in ihre Händlerkontrakte einfügten. Hierdurch ergaben sich selbstverständlich in den 1950er Jahren auf dem deutschen Markt große Bewegungen in den 455 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 13. 08. 1955, in: BMW UA 155/2. Protokoll Nr. 2/58 der Vorstandssitzung vom 23. 01. 1958, in: BMW UA 107/2. 457  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 01. 08. 1957, in: BMW UA 424/2. 458  Vgl. Protokoll Nr. 1/57 der Vorstandssitzung vom 06. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. 459  Vgl. Protokoll Nr. 13/57 der Vorstandssitzung vom 03. 09. 1957, in: ebd. 460  Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: ebd. 456  Vgl.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Verkaufsorganisationen vieler Anbieter, die die BMW AG, die ohnehin bereits ausgeprägte Schwierigkeiten bei dem Wiederaufbau ihres Verkaufsnetzwerks hatte, vor zusätzliche Herausforderungen stellten. Eine derartige Forderung nach Spezialisierung auf das BMW-Automobilprogramm konnte das Münchner Unternehmen hingegen noch nicht stellen, da es aufgrund seines begrenzten Angebotes seinen Handelspartnern noch keine ausreichenden Umsatzmöglichkeiten zu bieten hatte.461 Für eine solche Exklusivitätsforderung musste die BMW AG erst eine kritische Größe überschreiten und das Wagenprogramm attraktiver gestalten. Um dennoch den Ausbau sowie die qualitative Verbesserung der Handelsorganisation zu bewirken, setzte das Verkaufsressort 1957 verschiedene Richtlinien durch. So war beispielsweise darauf zu achten, dass die Händler ihre Reparaturwerkstätten so schnell wie möglich einrichteten und auch personell die notwendigen Vorkehrungen trafen, um den Anforderungen eines ordnungsgemäßen Karosseriereparaturdienstes gerecht zu werden. Des Weiteren sollte das System der sogenannten Stützpunkthändler weiter ausgebaut werden, um durch diese eine rasche Ersatzteilversorgung der ihnen angegliederten Unterhändler zu gewährleisten. Dieses System war umso wichtiger, als dass die aus Sicht der Geschäftsleitung dringend notwendige Vielzahl der kleinen Händler finanziell nicht in der Lage waren, ein entsprechendes Ersatzteillager zu halten.462 Diese kleinen Vertretungen wurden vor allem im Sinne einer möglichst flächendeckenden BMW-Präsenz genutzt; in den 1950er Jahren kam demnach der Quantität eine ebenso wichtige Rolle wie der Qualität der Händlerbetriebe zu. Hieraus formte sich ein Netz aus Haupt- und kleineren Unterhändlern. Um den Ausbau der Händlerorganisation entscheidend voranzubringen, eruierte die BMW-Geschäftsleitung alsbald vertriebsseitige Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Herstellern, deren Produkte in keiner Konkurrenz zu dem hauseigenen Programm standen. Im Frühjahr 1957 war RichterBrohm aus dem Kreis des Verbands der Automobilindustrie (VDA) darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Rheinstahl-Hanomag AG in Erwägung zog, mit einem anderen Unternehmen zusammenzugehen. Grewenig hatte bereits zwei Jahre zuvor Anregungen in diese Richtung unternommen und unterstütze den Vorstandsvorsitzenden nachdrücklich in seinen Überlegungen, Kooperationsgespräche mit dem Hannoverschen Konzern einzuleiten. Da beide Firmen aufgrund ihres unterschiedlichen Produktportfolios in keinem Wettbewerb zueinander standen, erschien beiden Gesprächspartnern eine entsprechende Zusammenarbeit als gewinnbringend. Richter-Brohm, der über „beste Verbindungen zur obersten Rhein-Stahl-Leitung“ verfügte,463 übernahm die Leitung der Verhandlungen, die im September 1958 zu einem 461 

Vgl. Protokoll Nr. 8/57 der Vorstandssitzung vom 28. und 31. 05. 1957, in: ebd. Vgl. ebd. 463  Protokoll Nr. 4/57 der Vorstandssitzung vom 10./15./16. 04. und 09. 05. 1957, in: ebd. 462 

2.5. Vertriebspolitik

169

positiven Abschluss kamen. Die BMW AG gründete gemeinsam mit der Rheinstahl-Hanomag AG und ihrer Tochtergesellschaft Vidal & Sohn Tempo-Werk GmbH eine Vertriebsgesellschaft. Der gemeinsamen Vertriebsleitung oblagen vor allem die Koordination und der Ausbau der Händlerorganisation.464 Mit diesem Zusammenschluss gelang dem Münchner Konzern ein entscheidender Schritt nach vorn bei seinen Bemühungen, in Deutschland eine flächendeckende und qualitativ aufgewertete Handelsstruktur voranzubringen. Fernerhin beauftragte Richter-Brohm den Verkaufsleiter Hof, im Kontext der weiterhin häufig auftretenden Klagen seitens der Kundschaft über Komplikationen bei der Durchführung von Service- und Reparaturarbeiten bei ihrem jeweiligen Händler, neben den einzelnen Händlerfirmen auch eine größere Anzahl von Vertragswerkstätten zu verpflichten. In München wurden diese Werkstattarbeiten bereits von Vertragshändlern wie der Automag GmbH & Co. KG oder auch der Schorsch Meier GmbH durch­ geführt. Diese Partner vermochten allerdings den Umfang der Auftragslage quantitativ nicht länger ohne zusätzliche Unterstützung zu bewältigen. Die Vorgehensweise der Verpflichtung zusätzlicher Vertragswerkstätten sollte von München aus auf das restliche Bundesgebiet ausgedehnt und ebenso in München weiter ausgebaut werden.465 Auch auf kommunikativer Ebene war die BMW-Geschäftsleitung bemüht, die Handelsorganisation zu einem schlagkräftigen Vertriebssystem zu formen. Um die Bindung in diesem Sinne zwischen der Zentrale und den ­Händlern zu stärken, rief das Verkaufsressort die Händlerzeitschrift „wir von BMW“ ins Leben, die ab April 1957 publiziert wurde.466 Für die Redaktion zeichnete die bereits für BMW tätige Werbeagentur Dorland Verant­ wortung,467 herausgegeben wurde sie indes von der BMW-Verkaufsabtei464  Vgl. Pressemitteilung „[Bildung einer Vertriebsgemeinschaft mit Rheinstahl Hano­ mag A.G., Hannover]“ vom 24. 09. 1958, in: BMW UP 115/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 42. Geschäftsjahr 1957, 1959, in: BMW UU 36/10. 465  Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung Nr. 11/58 vom 07./08. 05. 1958, in: BMW UA 107/2. 466  Bei dieser Zeitschrift handelte es sich um ein ausschließlich für die Händler bestimmtes Medium. Es wurden zwar seitens des Vorstands erwogen, „wir von BMW“ durch eine Beilage zu einer Belegschaftszeitung zu erweitern, da eine solche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr bei BMW existierte, jedoch wurden diese Erwägungen aufgrund erheblicher Bedenken des Verkaufs ad acta gelegt. „wir von BMW“ sollte nach Meinung des BMW-Verkaufs unbedingt ein reines Kommunikationsmedium für die Händler bleiben, um die Handelsorganisation weiter zu stärken, vgl. Protokoll Nr. 13/57 der Vorstandssitzung vom 08. 09. 1957, in: BMW UA 107/1. 467  Dorland wurde 1883 in den USA gegründet und zählt damit zu einer der ältesten noch existierenden internationalen Werbeagenturen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg expandierte Dorland nach Europa; nach dem Ersten Weltkrieg spielte das US-Büro nur noch eine untergeordnete Rolle, während die europäischen Dependancen in ­London, Paris und Berlin zunehmend an Einfluss in der Werbung gewannen. BMW war seit den 1950er Jahren ein wichtiger deutscher Kunde der Agentur, vgl. Schug, Alexander (2004): Vom Newspaper space salesman zur integrierten Kommunikationsagentur. Die 120-jährige Entwicklungsgeschichte der Werbeagentur Dorland, in:

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

lung.468 Sie enthielt ein buntes Konterfei aus Rennsportnachrichten, technischen Neuerungen von BMW-Produkten, Neuigkeiten aus den Märkten sowie die Vorstellung vorbildlicher Handelsbetriebe als Motivation für andere Händler und sollte ein Zusammengehörigkeitsgefühl – ähnlich einer „BMWFamilie“ – konstituieren.469 Diese Zeitschrift erschien lediglich in deutscher Sprache und hatte somit keine internationale Reichweite, berichtete jedoch Interessantes und auch Kurioses aus einzelnen Märkten und brachte durch diese Nachrichten gewisse internationale Aspekte nach Deutschland.470 Mit dem Ausbau der Handelsorganisation nahmen parallel auch die Anforderungen an Logistik und Ersatzteilorganisation entscheidend zu. BMW hielt hier an der Struktur der Haupt- und Unterhändler fest und ergänzte diese um einzelne Vertragswerkstätten. 1960 keimten Diskussionen auf, die Distribution im Inland im Sinne eines Großhändlersystems umzugestalten, wie es bereits beim Export praktiziert wurde. VW war zu dieser Zeit allerdings der einzige deutsche Automobilhersteller, der innerhalb des Bundes­ gebietes mit einem Engros-Handel arbeitete. Andere ausländische Firmen wie Ford und Opel hatten sich bereits vom Großhandelssystem abgewandt. Auch BMW, allen voran die Verkaufsleitung, sah in einem solchen System nicht die Möglichkeit, ein heterogenes Produktionsprogramm wie das aus München ausschließlich über Großhändler vertreiben zu lassen. Das BMWProduktportfolio aus Großen Wagen, Motocoupé, Kleinwagen und Motorrädern hatte zur Folge, dass sich auch die Vertriebsorganisation nach diesen Segmenten aufteilte und zugleich stark überschnitt, sich manche Betriebe also auf den Verkauf der BMW Isetta konzentrierten, während andere wiederum alle Produktgruppen vertraten oder zumindest einen Teil. Hierdurch entstand eine hohe Heterogenität innerhalb der Handelsstruktur. Die große Zahl an Direkthändlern bei BMW bot gegenüber dem Großhändlersystem laut eigener Aussage engeren Kontakt zum Markt und hierdurch eine bessere Marktbeobachtung sowie „einen absatzmäßig und finanziell zweckmäßigen Risikoausgleich und die Einsparung einer Handelsstufe“.471 Aus diesen Gründen entschied sich die BMW-Geschäftsleitung gegen eine Umstellung des Inlandsvertriebs auf ein Großhändlersystem. ­Zeitschrift für Unternehmensgeschichte / Journal of Business History, Jg. 49, Nr. 1, S. 5–25. 1964 wurde das Vertragsverhältnis mit Dorland von BMW gekündigt, vgl. Protokoll Nr. 22/1964 der Vorstandssitzung vom 30. 10. 1964, in: BMW UA 431/1; Biss, BMW Motorrad, S. 33, 37. 468  Vgl. Protokoll Nr. 1/57 der Vorstandssitzung vom 06. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. 469  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 431. 470  Als Gegenbeispiel kann hier die in den 1960er Jahren von Daimler-Benz erstmals publizierte Werkszeitung „Mercedes in aller Welt“ angeführt werden, deren Artikel simultan in Deutsch, Englisch und Französisch verfasst waren. Hierbei handelte es sich zwar nicht um eine Händlerzeitschrift, jedoch um ein kommunikatives Medium mit eindeutig internationalem Charakter. Für eine derart global integrative Kommunikation war jedoch das BMW-Händlernetzwerk im Ausland noch zu rudimentär ausgeprägt. 471  Schreiben von Hof an den Wirtschaftsausschuss vom 20. 06. 1960, in: BMW UA 131/1.

2.5. Vertriebspolitik

171

Der Ersatzteilhandel wurde hingegen über 16 zentrale BMW-eigene Ersatzteildepots, also ohne eigene Lagerhaltung der Händler, abgewickelt.472 Um dem Volumen an Bestellungen, der Vielzahl an Händlern und termingerechten Lieferungsaufträgen gerecht zu werden, hatte 1957 die elektronische Datenverarbeitung bei BMW Einzug gehalten: Mittels Hollerithmaschinen und Lochkarten wurden die Bestellungen der Händler elektronisch verarbeitet und automatisch Lieferscheine gedruckt, anhand derer der Versand die Sendungen zusammenstellte.473 Die stete Erweiterung des Vertriebsnetzwerks war demnach zugleich ein Motor für die Weiterentwicklung der Verwaltungsprozesse und der mit ihnen verbundenen Technologien. Doch erst mit dem Wechsel der Verkaufsleitung und der Übernahme der Leitung durch den neuen Vertriebschefs Hahnemann wurde das Distributionssystem im Inland von Grund auf reformiert (vgl. Kapitel 3.5.2).474 Zwischen 1950 und 1960 stieg die Zahl der BMW-Motorradhändler von 432 auf 714, sowie auf 810 Automobilhändler und 802 Isetta-Vertretungen, gegenüber 82 BMWWagenhändlern im Jahre 1952.475 2.5.2.3.  Bemühungen im Ausland Bei dem Aufbau der Handelsorganisation im Ausland stützte sich die BMW AG wie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg auf die Beauftragung von Generalimporteuren, die für den Aufbau sowie die Betreuung einer für BMW ­adäquaten Händler- und Kundendienstorganisation vor Ort verantwortlich waren. Hatte sich in den 1950er Jahren die Rekonstruktion der Handelsorganisation und die Akquise neuer Händler im Inland bereits mühsam und nur zögerlich vollzogen, so müssen die Voraussetzungen im Ausland als noch ungünstiger gewertet werden. Einige der Gründe wurden bereits mehrfach in den vorangegangen Kapiteln angesprochen: BMW kehrte im Vergleich zu den anderen deutschen Herstellern verspätet auf den Markt zurück und sah sich im Ausland einer etablierten, starken Konkurrenz gegenüber. Die heimische Industrie wurde überdies vielerorts durch institutionelle Regulierungen wie erhöhte Einfuhrzölle, Local-Content-Programme oder ein gesondertes Besteuerungssystem auf ausländische Fabrikate geschützt, aufgrund dessen für BMW einige Märkte zunächst verschlossen blieben, wie etwa Groß­britannien, Frankreich, Italien oder zahlreiche lateinamerikanische Staaten. Diese Regulierungen betrafen nicht nur BMW, sondern die gesamte deutsche Automobilindustrie. So spielten auch für Daimler-Benz und VW die wichtigen PKW472 

Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 11f. Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 431. 474  Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 12. 475 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/ 1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, 26. 04. 1952, in: BMW UU 29/10; BMW Motorrad-Vertretungen im deutschen Bundesgebiet – Ausgabe 1950, in: BMW UU 3095/10; Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit, 03. 1960, in: BMW UU 3109/10. 473 

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Märkte Großbritannien, Frankreich und Italien aufgrund ihrer ­institutionellen Schutzpolitik in den 1950er Jahren nur eine nachgeordnete Rolle. Dies änderte sich erst mit der weiteren Etablierung der EWG und EFTA und dem sich hieran anschließenden sukzessiven Abbau der protek­tionistischen Maßnahmen.476 Die sich nur sehr allmählich vollziehende ­de­regulierende Wirtschaftspolitik im Zuge des europäischen Integrations­prozesses, der mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge sowie den EFTA-Initiativen angestoßen wurde, begann erst in den 1960er Jahren sukzessive zu greifen. Die erste Internationalisierungsphase der BMW AG – im Wesentlichen die 1950er Jahre – war vor allem durch institutionelle Einschränkungen gekennzeichnet, die sich im Zusammenspiel mit den knappen Ressourcen des Unternehmens nachhaltig negativ auf das BMW-Auslands­geschäft auswirkten. So ließen die beiden Vorstände Grewenig und Krafft von Dellmensingen den deutschen Vize­konsul in São Paulo, der sich für den Kauf eines BMW 501 interessierte und sich nach der BMW-Vertretung sowie Betreuungssituation in Brasilien erkundigte, in einem Antwortschreiben im November 1954 wissen: „Leider stecken wir mit dem Aufbau unserer Auslandsvertretungen noch in den Kinderschuhen und es wird voraussichtlich erst im Frühjahr des nächsten Jahres möglich sein, dass wir in Südamerika entsprechende Händler mit den notwendigen ServiceMöglichkeiten einsetzen.“477

Zwei Jahre nach der Rückkehr auf den Automobilmarkt war es der BMWGeschäftsleitung noch immer nicht gelungen, ein stabiles Vertriebsnetz im Ausland aufzubauen; in Übersee noch weniger als in Europa, da diese ­Länder aufgrund ihrer lokalen und kulturellen Distanz noch größere An­ laufschwierigkeiten mit sich brachten als die benachbarten Märkte mit ihren teilweise bereits bekannten Kooperationspartnern. Andere Firmen der deutschen Automobilbranche und der mit ihr assoziierten Industrie waren indessen frühzeitig in den lateinamerikanischen Märkten präsent und konnten sich dort wichtige Marktanteile sichern, trotz einer ausgeprägten britischen sowie US-Konkurrenz.478 Der nur schleppend vorangehende Wiederaufbau des Vertriebs war unter anderem, wie mehrfach erläutert, auf die eingeschränkte Attraktivität des 476  Vgl.

Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 202f.; Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 217f. 477  Schreiben der Direktoren Grewenig und Krafft von Dellmensingen an Dr. Baumann, Vizekonsul des Generalkonsulats der BRD in São Paulo, Brasilien, vom 04. 11.  1954, in: BMW UA 132/1. 478  Bei dem ersten großen Durchbruch im Südamerikahandel der deutschen Industrie kam es zum Abschluss des sogenannten Trolleybus-Geschäftes von 1951/52. Hier belieferte ein deutsches Firmenkonsortium, bestehend aus Daimler-Benz, Henschel und MAN unter Federführung der Ferrostaal AG 800 Busse im Werte von 80 Mio. DM an die argentinische Stadt Buenos Aires, vgl. Neebe, Technologietransfer und Außenhandel, S. 58; Neebe, Reinhard: Überseemärkte und Exportstrategien in der westdeutschen Wirtschaft 1945 bis 1966. Aus den Reiseberichten von Dietrich Wilhelm von Menges, Stuttgart 1991, S. 27–30.

2.5. Vertriebspolitik

173

PKW-Modellprogramms im Ausland durch mangelnde marktspezifische Anpassungen zurückzuführen (vgl. Kapitel 2.4.1.1). Während VW bereits 1953 die Errichtung einer Produktionsstätte in Brasilien in Erwägung gezogen hatte, welche 1957 realisiert wurde und bis 1962 dem Wolfsburger Konzern dort zu einem Marktanteil von 42 Prozent verhalf,479 hatte BMW zwar frühzeitig einen Motorrad- und PKW-Importeur in São Paulo beauftragt, dieser verfügte allerdings über eine nur unzulängliche Handelsorganisation und damit über wenig Durchsetzungskraft im Verkauf und Service. Im Zusammenspiel mit den durch die Regierung festgelegten institutionellen Hürden konnte BMW in Brasilien keinen nennenswerten Absatz generieren;480 de facto bot dieser an sich attraktive Markt bis in die 1970er Jahre für Automobile aus München kein Absatzpotential.481 Auf die Verkaufsmöglichkeiten in Lateinamerika wird im späteren Verlauf unter Abschnitt 2.5.3.2 noch näher eingegangen. Das obige Vorstandszitat bringt die erheblichen Anlaufschwierigkeiten der BMW AG zum Ausdruck, eine weltweit wirksame Handelsorganisation aufzubauen. Nicht nur war es hierbei von Bedeutung, ein möglichst flächendeckendes Netzwerk aus zuverlässigen Handelsvertretungen zu bilden, sondern darüber hinaus die Ersatzteilversorgung und einen adäquaten AftersalesService sicherzustellen. Eine Bewertung der einzelnen Händlerbetriebe vor Ort durch Mitarbeiter aus der Zentrale überstieg besonders in den 1950er Jahren die Möglichkeiten des verhältnismäßig kleinen und durch finanzielle Schwierigkeiten eingeschränkten Münchner Unternehmens, das seinerseits den Fokus – unter anderem aufgrund höherer Margen sowie der regional und kulturell größeren Nähe – zunächst auf den Binnenmarkt legte, der sich in dieser Phase zwar vom Verkäufer- zum Käufermarkt wandelte,482 jedoch noch nicht gesättigt war. Ferner verfügte BMW während der ersten Internationalisierungsphase aufgrund der bis dato gering ausgeprägten Erfahrungen im Export von zivilen Produkten in größeren Kontingente nur über ein stark begrenztes Wissen im internationalen Handel. Demgemäß war in den 1950er Jahren die laterale Rigidität besonders deutlich ausgeprägt. Im Rahmen des Auslandsgeschäfts oblag indessen die Akquise, Betreuung und Kontrolle der einzelnen Händler dem Importeur vor Ort, der somit als Agent fungierte und die Interessen des Herstellers im Exportmarkt umzusetzen sowie die Qualität des Services zu gewährleisten hatte. Von der Wahl des 479 

Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 259–261. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1; Protokoll Nr. 5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2. 481 Vgl. Importeur- und Kundennummernverzeichnisse der Exportabteilung (VE), 02. 1976, in: BMW UA 1985/1. 482  Vgl. Beckmann, Käfer, Goggos, Heckflossen, 223f.; für eine zeitgenössische Analyse, die inmitten der deutschen Konjunkturkrise von 1966/67 publiziert wurde, vgl. Busch, Klaus W.: Strukturwandlungen der westdeutschen Automobilindustrie. Ein Beitrag zur Erfassung und Deutung einer industriellen Entwicklungsphase im Übergang vom produktionsorientierten zum marktorientierten Wachstum, Berlin 1966. 480 Vgl.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Importeurs hing somit wesentlich das Image der Marke im jeweiligen Land ab. Dies kam umso mehr in den 1950er Jahren zur Geltung, da die BMW AG nach dem Zweiten Weltkrieg und aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen noch über keine institutionalisierten Prozesse der Kontrolle oder auch der Abstimmung mit den einzelnen Auslandsvertretungen verfügte. Hieraus resultierte eine ausgesprochene Vormachtstellung der BMW-Importeure gegenüber der Münchner Zentrale, die bis in die frühen 1970er Jahre andauerte. Im Sinne des Prinzipal-Agenten-Theorems konnte diese starke Abhängigkeit zu Informations- und Machtasymmetrien führen, die zusätzliche Kosten ­zulasten des Prinzipals (BMW) verursachten, insbesondere auch dann, wenn dieser die Machtverhältnisse auszubalancieren suchte.483 Tatsächlich sollte es der BMW-Zentrale oftmals schwerfallen, die Handlungen der Auslandsvertretungen in die von ihr präferierten Bahnen zu lenken. Von den Verkaufsabteilungen wurde demgemäß bis in die 1970er Jahre als häufigster Grund für die Beendigung einer Geschäftsbindung mit einer Auslandsvertretung mangelnde Abstimmung bzw. Kooperation des Handelspartners oder eine zu ­geringe Händleraktivität im jeweiligen Markt genannt, die sich anhand von geringen Absatzzahlen deutlich quantifizieren ließen.484 Die Prinzipal-Agenten-Theorie vermag in Kombination mit dem Transaktionskostenansatz wichtige Erkenntnisse bei der Analyse des Zusammenspiels der BMW AG und ihren Auslandsvertretungen zu liefern. Die Informationsasymmetrien waren in den 1950er Jahren aufgrund der schwachen Handlungsposition und ausgesprochenen Abhängigkeit der Münchner Zentrale gegenüber ihren Partnern besonders stark ausgeprägt. Erst in der darauffolgenden Dekade begannen sich sukzessive Kontroll- und Abstimmungsmechanismen auszubilden, die zugleich entsprechend hohe Kosten bei nur unzulänglicher Einflussnahme verursachten, da die einzelnen Importeure noch immer über einen hohen Handlungsspielraum verfügten. Diese negativen Begleiterscheinungen wurden in den 1950er und auch 1960er Jahren durch die BMW-Geschäftsführung nur unzureichend thematisiert oder gar problematisiert. Den Verkaufsabteilungen ging es zunächst primär um die grenzüberschreitende ­Etablierung der BMW-Präsenz und die Erschließung wichtiger Märkte. Das Ausfuhrgeschäft gewann in den 1960er Jahren zunehmend an Bedeutung und so wurden die sich aus der Interaktion mit einer steigenden Zahl von Agenten entstehenden Informationsasymmetrien zugunsten höherer Exportzahlen toleriert (vgl. Kapitel 3.5). Wie aber ging das Ein- und Verkaufsressort bzw. die BMW-Geschäftsleitung bei dem Wiederaufbau der Handelsorganisation im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg explizit vor? Nach der einschneidenden Zäsur der Kriegs483  Für weiterführende Informationen zum Prinzipal-Agenten-Theorem, vgl. Ebers/ Gotsch, Institutionenökonomische Theorien, Kapitel 7.3, S. 195–208. 484 Vgl. exemplarisch Protokoll Nr. 5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2; Korrespondenz der Verkaufsabteilungen, 1966, in: BMW UA 1521/1.

2.5. Vertriebspolitik

175

jahre suchte man in einem ersten Schritt, die Vorkriegskontakte wiederzubeleben. Dies war kein ungewöhnliches Vorgehen, dem auch andere Hersteller wie Daimler-Benz folgten.485 Es gelang jedoch nur bei einigen der Vorkriegspartner, den ehemaligen Kontakt in eine Geschäftsbeziehung umzusetzen und so musste der Münchner Hersteller in der Mehrzahl der Fälle neue I­ mporteure verpflichten. Hierbei war das Vorgehen der BMW-Führung ­allerdings durch eine ausgeprägt passive Haltung gekennzeichnet, in der vor allem Interessenbekundungen potentieller ausländischer Betriebe diskutiert wurden, die zuvor an BMW herangetragen worden waren. Mit dem zunehmenden Ausbau der Auslandshandelsorganisation und der Diversifikation des BMW-Fertigungsprogramms präferierte die Geschäftsleitung zunächst, den bereits bestehenden Motorrad-Vertretungen ebenfalls das Vertriebsrecht des Wagenprogramms anzubieten. Aufgrund häufiger Absagen sah sich allerdings auch in diesem Punkt die Verkaufsabteilung gezwungen, neue Partner für die Großen Wagen und später die BMW Isetta zu akquirieren. In Ausnahmefällen kaufte sich BMW hierbei externe Unterstützung über Beraterkontrakte ein, die für die Erschließung eines Marktes oder einer ganzen Absatzregion Potentiale eruieren sollte. Derartige Verträge mit externen Experten blieben bei BMW in den 1950er Jahren die Ausnahme. Erst mit den 1960er Jahren gewannen diese Maßnahmen zur Markterschließung im Sinne eines im Ausland ansässigen Delegiertensystems zunehmend an Kontur und etablierten sich. Während der ersten Internationalisierungsphase blieb hingegen noch vieles bei der Auswahl von neuen Auslandsvertretungen dem Zufall überlassen, der vor allem auf den Vorkriegserfahrungen, auf Empfehlungen und nicht zuletzt zu einem gewissen Teil auch auf Intuition ruhte. Das zunächst willkürlich anmutende Vorgehen der 1950er Jahre war allerdings nicht ungewöhnlich, denn auch bereits etablierte Konzerne der Automobilindustrie folgten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst keiner ausgefeilten Strategie, sondern bei dem Wiederaufbau ihrer Auslandsverkaufsorganisation ebenfalls oft dem Zufall; so etwa auch in der Nachkriegszeit Daimler-Benz.486 Im Unterschied zu der BMW AG wurden bei dem Stuttgarter Mitbewerber hingegen die Vorgänge früher strukturiert und in Unternehmensprozesse überführt. Zunächst versuchte also das BMW-Direktorium Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre, die Kontakte zu Vorkriegshandelspartnern im Ausland wieder aufzunehmen.487 Dies gelang in einigen Fällen, so beispielsweise in Großbritannien mit AFN Ltd. Falcon Works (Geschäftsverbindung seit 1935), in Dänemark mit Skandinavisk Motor Co. (seit 1936), in den Niederlanden Hart Nibbrig & Greeve (seit 1935/36) oder auch in der Schweiz mit 485 Vgl.

Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S.  225–227 und S. 232–234. 486  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 207. 487 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 38. Geschäftsjahr 1953, 1954, in: BMW UU 32/10.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Drenowatz, der bereits seit 1926 BMW-Motorräder vertreten hatte.488 Insbesondere in der Eidgenossenschaft konnte hierdurch binnen kurzer Zeit ein äußerst leistungsstarkes und ebenso quantitativ ausgeprägtes Händlernetzwerk für BMW-Motorräder aufgebaut werden, das mit 209 Betrieben zu diesem Zeitpunkt (1957) innerhalb der BMW-Auslandsvertreterorganisationen seinesgleichen in Europa suchte.489 Auch im Bereich Service und Compliance zeigte sich der Schweizer Importeur bereits 1951 mustergültig und kam der neu postulierten BMW-Kundendienstrichtlinie nach, seine Handelsbetriebe inklusive aller Unterhändler vollständig in der BMW-eigenen Kundendienstschule ausbilden zu lassen. Auch dies war außerhalb von Deutschland bzw. der Schweiz einmalig und sollte später aus Kosten- sowie Logistikgründen nicht auf alle Importeure übertragen werden können.490 Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten allerdings in ihrer Gesamtheit betrachtet nur eine geringe Zahl ehemaliger Importeursverbindungen wiederbelebt werden. Um in das Exportgeschäft zurückzukehren und den Anschluss in wichtigen Märkten nicht endgültig zu verlieren, musste die Geschäftsleitung möglichst zeitnah weitere Maßnahmen einleiten; auch hierbei machte sich das fehlende Wagenprogramm besonders nachteilig bemerkbar, durch dessen Abwesenheit sich eine Vielzahl der ehemaligen Vertretungen der Konkurrenz zuwandten. Die Außenhandelspolitik der BMW AG zeichnete sich bei der Gewinnung neuer Partner im Ausland in den 1950er Jahren, insbesondere zu Beginn, durch eine vornehmlich reaktive Haltung aus: Zahlreiche ausländische Firmen traten an die Zentrale in München heran und bekundeten ihr Interesse, den Import von BMW-Wagen zu übernehmen. Diese Anfragen wurden durch Grewenig und seine leitenden Mitarbeiter der Verkaufsabteilung geprüft, wobei oftmals Erkundigungen über die jeweilige Firma bei der deutschen Botschaft oder einem bereits in diesem Markt etablierten deutschen Unternehmen, zu dem freundschaftliche Bindungen bestanden, eingeholt wurden. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden dann im Vorstand diskutiert. Auf diese Weise wurden Anfang der 1950er Jahre Verhandlungen mit diversen potentiellen Handelspartnern geführt, die allerdings in den wenigsten Fällen zu einem positiven Abschluss kamen.491 Diese passive Haltung der 488  Vgl. Aktennotiz „Hausauskünfte über nachstehende Firmen“, Trötsch, Leiter des In- uns Auslandsverkaufs, an Direktor Grewenig vom 16. 02. 1951, in: BMW UA 71/1; Korrespondenz zwischen C.A. Drenowatz und der BMW AG, 1950–1954, in: BMW UA 132/1. 489  Die zweitgrößte Organisation in Europa wies Holland mit 83 Betrieben auf. Wesentlich größer war die Handelsorganisation auch aufgrund ihrer geographischen Ausdehnung in den USA, wo BMW durch den US-Motorradpartner Butler & Smith über 286 Motorradhändler verfügte, vgl. Protokoll Nr. 13/58 der Vorstandssitzung vom 10.–12. 06. 1958, in: BMW UA 107/2. 490  Vgl. Jahresbericht 1950 der Kundendienstabteilung und Planung 1951 für Motorräder und Wagen, 1951, in: BMW UA 71/1. 491  Korrespondenz mit dem Ausland von Grewenig, 1950–1954, in: BMW UA 132/1.

2.5. Vertriebspolitik

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Geschäftsleitung im Hinblick auf die Akquise neuer Handelspartner im Ausland hatte noch bis in die späten 1950er Jahre Bestand, indem die betreffenden Anfragen von außen durch den Verkaufsleiter an den Vorstand herangetragen und von dem Führungsgremium in den einzelnen Sitzungen situativ diskutiert wurden. In der zweiten Hälfte der Dekade handelte es sich dabei, seit Fertigungsaufnahme der BMW Isetta und des aus ihr weiterentwickelten Baumusters BMW 600, vornehmlich um Interessenbekundungen zur Aufnahme einer Montagelizenz dieser Modelle für den entsprechenden Markt der anfragenden Firma.492 Wie bereits kurz eingeleitet wurde, versuchte die BMW-Geschäftsführung bei der Akquise von Importeuren für das neue PKW-Programm Anfang der 1950er Jahre oftmals in einem ersten Schritt, die bereits bestehenden BMWMotorradvertretungen im Ausland um den Wagenvertrieb zu erweitern, indem sie zunächst diese Generalimporteure kontaktierten und ihnen das Vertriebsrecht für BMW-Automobile anboten. Hierin spiegelte sich die Absicht wider, möglichst einen Importeur pro Land für das gesamte Produktprogramm zu bestimmen, da hierdurch nicht zuletzt der Verwaltungsaufwand sowie die Logistik niedrig gehalten werden sollten.493 Insbesondere in ferneren Absatzregionen fand diese Vorgehensweise mehrfach Anwendung.494 Diese Prämisse musste jedoch ebenso der wirtschaftlichen Bewertung eines jeden Betriebes standhalten, da viele der bereits beauftragten Motorradvertretungen nicht für den Import von Wagen geeignet waren, insbesondere von Luxusmodellen wie den Großen Wagen der BMW AG. Zu unterschiedlich waren oftmals die Voraussetzungen für den Import und Vertrieb von Zweirädern im Vergleich zur PKW-Sparte. Demgemäß erteilte auch nicht selten 492  Exemplarisch soll hier das starke Interesse der brasilianischen Montagefirma Romi SA an dem Nachbau des BMW 600 angeführt werden, die bereits auf Grundlage einer ISO-Lizenz die ISO-Isetta in Brasilien montierte, vgl. Protokoll Nr. 3/58 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1958, in: BMW UA 107/2. Die Anfrage der argentinischen Firma Metalmecánica mündete in einem am 12. 05. 1959 geschlossenen Lizenzvertrag über den Nachbau des Antriebsaggregats des BMW 600, der später auch auf den BMW 700 ausgeweitet werden sollte, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 03. 1960, in: BMW UA 291/2. Ein interessantes Beispiel für eine Kontaktaufnahme im europäischen Raum stellt die Anfrage der Firma Iso, der Lizenzgeberin für die ISO-Isetta, zur Montage des BMW 600 in Italien dar, die allerdings aufgrund der starken Konkurrenz durch den Fiat 600 und der ausgeprägten italienischen Schutzpolitik letztlich als nicht rentabel bewertet wurde, vgl. Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 493  Nach Aussage Grewenigs bestand eine „moralische Verpflichtung“, sich als erstes zumindest mit dem bereits bestehenden BMW-Importeur des jeweiligen Landes in Verbindung zu setzen, vgl. Schreiben von Grewenig an Dr. Fenthol, São Paulo, vom 07. 07. 1952, in: BMW UA 132/1. Weitaus schwerer als die moralische Verpflichtung wogen jedoch letztlich die wirtschaftlichen Fakten bei der Bewertung der als Handelspartner in Betracht kommenden Firmen. 494 Vgl. BMW Verzeichnis der Automobil-Händler, in: BMW UU 3105/10; BMW Motorrad- und Motocoupé Isetta-Händler, 06. 1956, in: BMW UU 3106/10.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

der Motorradgeneralimporteur dem Angebot aus München eine Absage, da dieser um die unterschiedlichen Voraussetzungen beider Segmente wusste und kein Interesse an einer Ausweitung des Geschäftsfeldes um die Wageneinfuhr und den -vertrieb hegte oder aber dem Verkauf der Großen Wagen in seiner Absatzregion wenig Erfolg einräumte. Eine ausreichende Finanzkraft und – vor allem in Märkten mit einem ausgeprägten Local-Content-Programm – gute Beziehungen zur Regierung und Wirtschaft stellten ebenfalls wichtige Kriterien bei der Akquise neuer Partner dar. Da BMW für jede Produktsparte den passenden Importeur suchte und in der Minderzahl der Fälle ein Betrieb für alle Segmente in Frage kam, formierte sich in den 1950er Jahren eine BMW-Auslandshandelsorganisation mit einem äußerst breit gefächerten, nach Fertigungsgruppen gegliederten System aus voneinander unabhängig agierenden Generalimporteuren; oftmals auch in ein und demselben Markt. In manchen Fällen war das Münchner Unternehmen in einem Land durch drei verschiedene Importeure vertreten, wie etwa in den USA, in denen bis in die 1960er Jahre hinein drei Firmen je eine Fertigungsgruppe (Motorräder, Automobile und die BMW Isetta) vertraten. Durch das heterogene Produktportfolio der BMW AG entstand also eine ebenso heterogene Vertriebsstruktur im Ausland, die einen hohen Verwaltungsaufwand nach sich zog. Wie bereits in Abschnitt 2.5.1 angemerkt wurde, mangelte es dem Verkaufsressort, speziell der Exportabteilung, in den 1950er Jahren an qualifizierten Außendienstmitarbeitern, um einerseits neue Marktmöglichkeiten im Ausland zu sondieren oder aber ausländische Handelspartner mitsamt ihrer angeschlossenen Handelsorganisation vor Ort zu überprüfen. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb der seit Herbst 1954 neu im Amt agierende Leiter des In- und Auslandsverkaufs Krüger die aufwendigen, mehrwöchigen Marktsondierungsreisen in Übersee persönlich übernahm. Zu einer solchen Reise brach er beispielsweise zum Jahresbeginn 1956 nach Fernost oder auch im Frühjahr/Sommer 1957 nach Südamerika auf.495 Durch wiederholte Verzögerungen und Verlängerungen seiner Reisen, diversen Fehleinschätzungen und nach Ansicht des Vorstands fehlenden Berichterstattungen, kam es im Laufe des Jahres 1957 zu wiederkehrenden Spannungen, die sich iterativ in Unmutsbekundungen in den Vorstandssitzungen äußerten. Nach Aussage des Vorsitzenden Richter-Brohms standen Krügers Analysen vor Ort mit den verursachten Kosten in keinem Verhältnis zu den erbrachten Ergebnissen.496 Letzten Endes mündete der Konflikt in der Auflösung des Vertragsverhältnisses im Mai 1958, nachdem Krüger frühzeitig von seiner Reise 495 Vgl.

Protokoll Nr. 5/57 der Vorstandssitzung vom 25. 04. 1957, in: BMW UA 107/1; Bericht über die Reise von Dr. Krüger nach dem Fernen Osten 21. 02.– 26. 04. 1956 vom 30. 05. 1956, in: BMW UA 230/1. 496 Vgl. Protokoll Nr.  11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: BMW UA 107/1; Protokoll Nr. 12/58 der Vorstandssitzung vom 13. 05. 1958, in: BMW UA 107/2.

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2.5. Vertriebspolitik

zurück nach München abberufen und seines Amtes enthoben wurde.497 Diese Reisen verdeutlichten par excellence das unkoordinierte und wenig strukturierte Vorgehen des Unternehmens bei der Analyse ausländischer Märkte, das nur allmählich durch die strukturierte Arbeit der Marktforschungsabteilung abgelöst wurde, welche ab etwa 1958 sukzessive das Ausland in ihre Untersuchungen mit einbezog.498 So informierten die hausinternen Marktforschungsmitteilungen seit Anfang der 1960er Jahre überblicksartig über internationale Entwicklungen innerhalb der Automobil- und Motorradindus­ trie, indem sie eine Auflistung von Kurznachrichten boten, in der auch die weltweiten Aktivitäten der Konkurrenzfirmen vorgestellt wurden.499 Tabelle 18 zeigt die Entwicklung der BMW-Auslandshandelsorganisation in den 1950er Jahren nach Absatzregionen und bestätigt, dass das Netzwerk aus Generalimporteuren stetig ausgebaut wurde. Für das Jahr 1954 liegen leider keine Angaben über die Auslandsorganisation der BMW-Zweirad­ ­ importeure vor. Für dieses Jahr wurden stattdessen die Angaben aus dem Automobilsektor herangezogen, da sie widerspiegeln, wie schwierig sich der Wiederaufbau in diesem Bereich gestaltete und dass dort zunächst der Schwerpunkt auf den europäischen Märkten lag.500 Das Münchner Motorradsegment war indessen auch nach dem Zweiten Weltkrieg international und über die Absatzregion Europas hinaus ausgerichtet. 1952 Europa Amerika Afrika Asien Ozeanien Gesamt

19 16 10 10 1 56

1954 ­(nur  Wagen) 17 3 8 3 1 32

1956

1958

1960

28 24 21 21 4 98

32 26 26 20 2 106

33 32 26 27 – 118

Tabelle 18: BMW-Generalimporteure weltweit nach Absatzregionen, 1950–1960.501 497  „Ohne

gründliche und systematische Vorbereitung einerseits und kurzfristige und genaue Berichterstattung andererseits sei der Zweck solcher ohnehin nicht billigen Auslandsreisen in Frage gestellt.“, vgl. Protokoll Nr. 10/57 der Vorstandssitzung vom 16. 07. 1957, in: BMW UA 107/1. 498  Vgl. Protokoll Nr. 11/58 der Vorstandssitzung vom 07./08. 05. 1958, in: BMW UA 107/2; MF-Bericht Nr. 9/58 „Der Stand der Motorisierung in einigen asiatischen Ländern“, 02. 1958, in: BMW UA 467/1. 499  Derartige Kurzinformationen lauteten etwa „Automobilproduktion in Ägypten“, „Bemühungen um Borgward-Exportorganisation“ oder „British Motors in Austra­ lien“, vgl. MF-Mitteilungen, 1960–1969, in: BMW UA 605/1. 500  Die Zahlen aus dem Jahr 1954 sind aus diesem Grund in der Tabelle gegraut abgebildet. 501  Vgl. BMW Automobil-Händler und Motorrad-Händler Verzeichnis im D ­ eutschen Bundesgebiet, in den Westsektoren von Berlin und im Ausland, 12. 1952, in: BMW UU 3097/10; BMW Verzeichnis der Automobil-Händler, 1954, in: BMW UU 3101/10;

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Bei dem Ausbau der Handelsorganisation im Ausland achtete die BMWVerkaufsabteilung ab Mitte der 1950er Jahre auf eine quantitative Erschließung aller Kontinente, wobei jedoch Australien eine stark untergeordnete Rolle spielte. Die Zahlen geben indessen noch keine Auskunft über die ­eigentlichen Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten, da manche Importeure eine ausgesprochen geringe Verkaufstätigkeit aufwiesen. Das regionale ­Muster des Absatzes lässt sich durch die Exportzahlen nachzeichnen und wird in Kapitel 2.5.3.2 diskutiert. Europa bildete den Nukleus des Ausfuhrgeschäftes und wies bereits frühzeitig ein ausgeprägtes Netz an Importeuren auf. Mittels einer genaueren Differenzierung nach einzelnen Fertigungsgruppen, auf dessen Darstellung an dieser Stelle aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wird, lässt sich fernerhin konstatieren, dass in Lateinamerika der BMW-Motorradimport im Vergleich zum PKW-Programm traditionell ausgesprochen gut aufgestellt war. Während also der Verkauf von BMW-Wagen dort eine untergeordnete Rolle spielte, standen die Zweiräder im Mittelpunkt der Verkaufsbemühungen auf den lateinamerikanischen Märkten. Der Isetta-Handel war vor allem in Asien und Afrika eher gering ausgeprägt, da in diesen Regionen oft weniger als die Hälfte der ­Importeure überhaupt den Vertrieb des Kleinstfahrzeuges übernahm. Die Automobil­ausfuhr nahm ab Mitte der 1950er Jahren allmählich an Fahrt auf und wurde insbesondere in den Jahren 1958 bis 1960 auf allen Kontinenten, mit Ausnahme von Ozeanien, deutlich ausgebaut. Diese Steigerung konnte vorrangig durch die zusätzliche Übernahme des Wagengeschäfts einiger bereits mit BMW über den Isetta- oder Motorradimport verbundenen Einfuhrfirmen erreicht werden.502 Der Standardimporteurvertrag sah ein für BMW vertraglich zugesichertes Alleinvertretungsrecht vor. In praxi waren jedoch während der ersten und bis in die zweite Internationalisierungsphase hinein nur die wenigsten ­Firmen exklusive BMW-Generalimporteure. Der Antrag auf Vertretung zu­sätzlicher Fabrikate musste offiziell gestellt und von der Münchner Zentrale bewilligt sowie vertraglich gegengezeichnet werden.503 Im Jahre 1958 war BMW über

BMW Verzeichnis der Automobil-Händler, in: BMW UU 3105/10; BMW Motorradund Motocoupé Isetta-Händler, 06. 1956, in: BMW UU 3106/10; BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10; Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit, 03. 1960, in: BMW UU 3109/10. 502  Dies zeigt eine Analyse der BMW-Händlerverzeichnisse aus den Jahren 1958 bis 1960, vgl. exemplarisch ebd. 503  Der österreichische Importeur Denzel beispielsweise ersuchte BMW 1960, neben dem Münchner Hersteller ebenfalls Volvo und Lancia in sein Programm mit aufnehmen zu können. Der Bitte wurde stattgegeben unter der Bedingung, „dass die Wahrung der Interessen unserer Gesellschaft keinesfalls unter der Vertretung anderer Fabrikate leiden wird.“, vgl. Schreiben der BMW AG an Wolfgang Denzel vom 09. 01. 1961, in: BMW UA 1983/1.

2.5. Vertriebspolitik

181

106 Generalvertretungen in 80 Ländern vertreten.504 Im Vergleich hierzu war der VW-Konzern mit seiner Handelsorganisation bereits in 136 Staaten prä­ sent;505 Daimler-Benz ebenfalls in 136 Ländern mit 184 Generalvertretern (1957).506 Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, dass BMW bis Ende der 1950er Jahre noch immer den Rückstand gegenüber den deutschen Mitbewerbern im Ausland nicht hatte nivellieren können. Dieser Nachholbedarf manifestierte sich nicht nur in dem Aufbau der Auslandshandelsorganisation, sondern konsequenterweise auch in den Exportzahlen (vgl. Kapitel 2.5.3). Aufgrund der finanziellen Schieflage des Unternehmens war der BMW-Vorstand im Juni 1958 noch der Ansicht, dass „eine Vergrößerung der bestehenden Exportorganisation gegenwärtig weder für uns noch für in Betracht kommende neue Händler einen Anreiz bietet.“507 In diesem Jahr waren die Absatzzahlen im Ausland entgegen der ursprünglichen Kalkulation, vor allem aufgrund eines unerwarteten Lieferausfalls in die USA, gegenüber 1957 sogar gesunken (vgl. Tabelle 19).508 Der Ausbau der Vertriebsorganisation im Ausland und die hiermit einhergehende weitere Internationalisierung der BMW AG spiegelte sich 1960 auch in dem jährlich erscheinenden Händlerverzeichnis wider, das in diesem Jahr erstmals mehrsprachig aufgelegt wurde, also neben Deutsch auch in Englisch, Französisch und Spanisch. In dem Begrüßungswort an die Kunden bemühte sich BMW ferner um ein besonders mondänes Image, indem man die weltweite Repräsentanz betonte und diese durch die neue Multilingualität zu unterstreichen suchte.509 2.5.3.  Die Wiederbelebung des Exportgeschäftes In dem vorangegangenen Kapitel ist bereits das Vorgehen beim Wiederaufbau der Auslandsvertriebsorganisation vorgestellt worden. Die Bemühungen, nach 1945 zunächst die Vorkriegskontakte zu den ehemaligen Han­ delspartnern wiederzubeleben, waren dabei nicht außergewöhnlich; auch ­Daimler-Benz hatte in einem ersten Schritt versucht, an die unterbrochenen Verbindungen im Ausland anzuknüpfen, musste letztlich jedoch – genau wie BMW – überwiegend neue Handelspartner engagieren. Weitaus früher als 504  Vgl.

BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10. 505  Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 181. 506  Für 1958 liegen leider keine Daten vor, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 227. 507 Protokoll Nr. 13/58 der Vorstandssitzung vom 10.–12. 06. 1958, in: BMW UA 107/2. 508 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 43. Geschäftsjahr 1958, 1959, in: BMW UU 37/10. 509  Vgl. Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit, 03. 1960, in: BMW UU 3109/10.

182

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

der Münchner Mitbewerber setzte der Stuttgarter Hersteller allerdings sogenannte Werksdeligierte ein, um die verschiedenen Märkte besuchen und kontrollieren zu lassen.510 Darüber hinaus gelang es ihm, mit einer intelligenten Produktstrategie ein attraktives Modellprogramm für das In- und Ausland zu konzipieren, das nicht nur den Absatz weltweit förderte, sondern parallel die Produktionskosten mittels eines durchdachten Baukastensystems reduzierte.511 Nachdem BMW Anfang der 1950er Jahre erneut ein Wagenprogramm auf die Beine gestellt hatte, musste die Geschäftsleitung aufgrund der begrenzten Mittel und Stückzahlen innerhalb des Vertriebsgebietes eine eindeutige Priorisierung vornehmen, die zugunsten des Binnenmarktes ausfiel; Vorstandsmitglied Grewenig zufolge beabsichtigte das Direktorium in den ersten Jahren (1952/53) überhaupt nicht, Automobile zu exportieren. Dies geschah aus der Annahme heraus, dass bei den geringen Anlaufstückzahlen der Großen Wagen die Einheiten bis Ende 1953 vom Binnenmarkt absorbiert werden würden. Der Export sollte höchstens im europäischen Ausland eingeleitet werden und erst für 1954 hielt Grewenig eine Ausweitung der Ausfuhr in weitere Länder außerhalb Europas für denkbar.512 Dieses Vorgehen stand somit in einem krassen Kontrast zur Vertriebsstrategie anderer deutscher Automobilunternehmen, wie etwa der Daimler-Benz AG, deren Vorstand von Anbeginn überzeugt vom Außenhandel war und ein eigenes Ressort für den Verkauf im Ausland eingerichtet hatte. Seit 1950 verfolgte man in der Stuttgarter Zentrale eine Politik, die angesichts von Lieferengpässen sogar das Inlandsgeschäft zugunsten der Exportmärkte zurückstellte. Dieser Strategie lagen die Unübersichtlichkeit der deutschen Wirtschaftssituation und die Antizipation eines möglichen Rückgangs des Inlandshandels zugrunde.513 Im Vergleich hierzu verfügte die BMW AG noch überhaupt nicht über die notwendigen Voraussetzungen, eine solche Priorisierung vorzunehmen, da es ihr Anfang der 1950er Jahre noch nicht gelungen war, eine leistungsfähige Handels- und Kundendienststruktur im Ausland aufzubauen, die zugleich die hohen Anforderungen eines hochwertigen Aftersales-Geschäftes hätten gewährleisten können. Des Weiteren fehlte es im automobilen BMW-Programm während der ersten Jahre entscheidend an marktspezifischen Modellanpassungen, wie etwa an der Entwicklung von Rechtslenkervarianten, so dass insbesondere in Märkten mit Linksverkehr die Absatzchancen von

510 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 225f. Vgl. ebd., S. 219. 512  Vgl. Schreiben von Grewenig an Dr. Fenthol, São Paulo, der sich als Generalimport für BMW-Automobile beworben hatte, vom 07. 07. 1952, in: BMW UA 132/1. 513  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 215. Den Schwerpunkt der eigenen Geschäftstätigkeiten zunächst im Ausland zu setzen, war dem Unternehmen keinesfalls fremd, sondern konnte bereits in seiner frühen Phase der 1890er Jahren beobachtet werden, vgl. ebd., S. 41–47. 511 

2.5. Vertriebspolitik

183

vornherein als gering eingestuft werden mussten (vgl. Kapitel 2.4.1.1).514 Doch auch wenn zunächst in München eine Fokussierung auf den Heimatmarkt vorgenommen wurde, verlor das Direktorium die prinzipielle Bedeutung des Exportgeschäftes nicht aus dem Blick. In diesem Sinne formulierte der verantwortliche Kaufmännische Vorstand Grewenig in seinem Bericht zur Exportlage im Frühjahr 1956: „Die Frage über die Notwendigkeit des Exportes für Deutschland und für BMW dürfte in jedem Falle bejaht werden. BMW kann sich im Export nicht ausschließen, wenn sie nicht eine Schädigung ihres internationalen und nationalen Rufes auf sich nehmen will. Der Verzicht auf Export dürfte auch entsprechende Rückwirkungen auf den Inlandsabsatz nach sich ziehen. Die These der Kostensenkung der Produktion durch die über den Inlandsabsatz hinaus zusätzlich in den Export verkauften Produkte ist so hinlänglich bewiesen, dass sie nur der Vollständigkeit halber in diesem Schreiben aufgenommen ist.“515

Diese Anerkennung der Relevanz des Exports konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass BMW, im Gegensatz zur Motorradsparte, im PKW-Segment das Ausfuhrgeschäft bereits mehrere Jahre lang vernachlässigt hatte und erst mit der Übernahme der Isetta-Lizenz ab 1955 die Chance auf einen nennenswerten Absatz im Ausland wahrnahm. Bis dahin hatten sich die deutsche wie auch ausländische Konkurrenz allerdings wichtige Marktanteile in zahlreichen Ländern gesichert, was den Wiedereinstieg der Automobile aus München erschwerte. Diese Entwicklung traf nicht nur auf das Ausland zu, sondern auch auf die Situation auf dem deutschen Markt, wo die fünf größten Hersteller – VW, Opel, Ford, Daimler-Benz und Auto Union – eine Vormachtstellung begründet hatten, die bis in die frühen 1960er Jahre andauerte, trotz eines zu dieser Zeit ausgeprägten Mitbewerberfeldes von bis zu 18 Unternehmen.516 BMW war also auch auf dem Binnenmarkt nur ein vergleichsweise kleiner Akteur, der sich seinen Platz in der automobilen „Herstellerhierarchie“ im In- und Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg erst noch bzw. wieder erarbeiten musste. Tabelle 19 schlüsselt den Automobilexport der BMW AG während der ersten Internationalisierungsphase auf und stellt diesen mit der Exportentwicklung der westdeutschen Automobilindustrie auf Grundlage ihrer Produktionszahlen gegenüber.

514  Vgl.

Schreiben von Aldington, AFN Ltd., an Grewenig, BMW AG, [übersetztes Typoskript, Anm. d. Verfasserin] vom 09. 12. 1955, in: BMW UA 53/1. Der Verzicht auf die Entwicklung von Rechtslenkermodellen in den ersten Jahren war unter anderem den hohen institutionellen Hürden dieser Märkte mit Linksverkehr geschuldet, die vor allem auf die Schutzzollpolitik der Commonwealth-Länder zurückzuführen war, vgl. Kapitel 2.4.1.4. 515  Bericht „Studium des Exportmarktes und Erhöhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 230/1. 516  Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 74f.

184

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung 1952

1953

1954

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1958

1959

1960

– 336 524 1 892 3 053 12 293 8 887 6 088 22 387 PKW-Export BMW (Stückzahl) PKW-Export­ 15,1 10,8 8,6 30,5 17,1 16,6 42,4 – 20,4 anteil BMW in % (Produktion) Export dt. Auto- 102 689 143 313 246 537 319 850 382 281 455 923 557 666 669 018 780 556 mobilindustrie (Stückzahl) Exportanteil 23,3 36,9 43,9 45,3 45,1 47,5 47,2 49,3 46,6 dt. Automobil­ industrie in % (Produktion)

Tabelle 19: Entwicklung des PKW-Exports der BMW AG und der deutschen Automobilindus­ trie gemessen an ihrer Produktion, 1952–1960.517

  517  Während BMW erst im Jahre 1953 mit der Ausfuhr von Wagenmodellen begann und trotz der klaren Fokussierung auf das Inlandsgeschäft immerhin jeden fünften Barockengel exportierte, setzte die deutsche Automobilindustrie im Jahre 1950 im Vergleich bereits knapp 70 000 Fahrzeuge im Ausland ab und vermochte ihre Exportzahlen im Zuge der 1950er Jahre kontinuierlich auszubauen, wobei sich die Exportquote, gemessen an der Gesamtproduktion, zwischen etwa 44 Prozent und 49 Prozent bewegte.518 VW hatte mit dem Käfer als Exportschlager an der deutschen Ausfuhr einen besonders großen Anteil, der 1950 bereits 42,5 Prozent ausmachte und im weiteren Verlauf zwischen 1955 und 1962 stets deutlich über dem deutschen Branchenexportdurchschnitt lag.519 Auch Daimler-Benz konnte im Gegensatz zur BMW AG frühzeitig die eigenen Exportzahlen ausbauen und wies 1955 bereits eine Exportquote von 42,0 Prozent gegenüber 19,3 Prozent in 1950 auf.520 Diese Zahlen veranschaulichen, dass die Automobilindustrie eine wichtige Säule „bundesdeutscher Weltmarktpräsenz“ war und dass ihre Unternehmen eine 517 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1; MFMitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1; Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; VDA (Hg.): TuZ 1954, S. 38; Ders. (Hg.): TuZ 1955, S. 101; Ders. (Hg.): TuZ 1957, S. 77; Ders. (Hg.): TuZ 1959, S. 96; Ders. (Hg.): TuZ 1961, S. 94f. 518  Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1954, S. 38. 519  Im Schnitt lag der VW-Anteil an der deutschen Exportquote in den 1950er Jahren zwischen 40 bis 60 Prozent und somit war etwa jeder zweite in der Bundesrepublik gefertigte Wagen, der ins Ausland ausgeführt wurde, ein VW Käfer, vgl. ebd., S. 38; Ders. (Hg.): TuZ 1974/1975, S. 26f.; Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 181, Tabelle 8.1. 520  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 217.

2.5. Vertriebspolitik

185

besonders hohe internationale Ausrichtung aufwiesen.521 Der Automobilsektor galt als wichtige Antriebskraft der Wirtschaft und des Außenhandels der noch jungen Bundesrepublik. BMW als verhältnismäßig kleines Unternehmen spielte hierbei in den 1950er Jahren eine untergeordnete Rolle und konzentrierte sich in dieser Dekade notgedrungen vor allem auf die Lösung der betriebsinternen Probleme. Die volatile Exportquote, die zwischen 8,6 und 42,4 Prozent schwankte, war auf die vergleichsweise geringen Produktions- und Exportzahlen zurückzuführen. Ab 1955 konnten die geringen Absatzzahlen im Ausland mit dem Lizenzerwerb von der italienischen Firma ISO und der nachfolgenden Fertigung der BMW Isetta erhöht werden, die erstmals eine rentable Serienproduktion zuließ. Im Fokus blieb jedoch auch hier zunächst der Binnenmarkt, was durch die sinkende Exportquote auf 8,6 Prozent (1956) belegt wird. Durch marktspezifische Modellanpassungen einerseits, vor allem aber durch den Wechsel des britischen Isetta-Importeurs 1956 andererseits, konnte das Ausfuhrgeschäft des Unternehmens in Relation zu den Exportzahlen der voran­gegangenen Jahre entscheidend ausgebaut werden. Im Jahre 1957 ging fernerhin der Inlandsabsatz leicht zurück, der durch eine Steigerung des Exports ausgeglichen wurde. Neben den Lieferungen an den neuen britischen Handelspartner, konnte in diesem Jahr auch der Export in die USA maßgeblich von 1 200 (1956) auf 8 400 (1957) Isettas ausgebaut werden. Der Export der Großen Wagen hingegen stagnierte weiterhin bei 32 (1957) gegenüber 10 Einheiten im Vorjahr. Dies war eine besonders bittere Entwicklung für die BMW AG, waren doch der BMW 507 und BMW 503 speziell auch für den US-Markt entwickelt worden.522 Des Weiteren war der Wechsel des britischen Isetta-Generalimporteurs von entscheidender Bedeutung, da durch die neue Partnerfirma Isetta of Great Britain Ltd. BMW-Kleinstfahrzeuge vor Ort montiert und von dort in weitere Commonwealth-Länder exportiert werden konnten.523 Die BMW Isetta war somit das erste Modell des Münchner Herstellers, das im Ausland montiert wurde. Die ersten CKD-Lieferungen an den neuen britischen Importeur- und Montagepartner erfolgten im Jahre 1957, bis einschließlich 1962 wurden insgesamt 9 000 Einheiten durch die Isetta of Great Britain Ltd. gefertigt.524 Bereits in den Jahren 1958/59 brach jedoch der Export wieder ein, was unter anderem auf die hohen Lagerbestände bei den Händlern sowie die finanziellen Probleme des neuen britischen Partners zurückzuführen war. Die CKD-Montage der BMW Isetta in 521 

Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 85. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 42. Geschäftsjahr 1957, 1959, in: BMW UU 36/10. 523  Der Name des Importeurs wurde erst 1957 von Dunsfold Tools Ltd. unter Zustimmung des italienischen Lizenzgebers ISO und der BMW AG in Isetta of Great Britain Ltd. umbenannt, vgl. Protokoll Nr. 1/57 der Vorstandssitzung vom 06. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. 524  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 522  Vgl.

186

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Großbritannien und der sich hieran anschließende bzw. erhoffte Export in die Commonwealth-Länder waren Teil einer größeren, Ende der 1950er Jahre einsetzenden CKD- und SKD-Offensive, mittels derer die BMW-Geschäftsleitung und die unter ihr agierende Verkaufsabteilung auf die landesspezifischen institutionellen Hemmnisse, im Sinne von Local-Content-Programmen und Einfuhrzöllen auf Komplettfahrzeuge, reagierten. Wenn auch dieses Vorgehen retrospektiv zunächst als großangelegte Strategie erscheinen mag, bestätigt eine Analyse der Vorstandsprotokolle, dass es sich bei der Beauftragung der neuen, für Import und Montage verantwortlichen Handelspartner um eine passive Distributionspolitik handelte, in der zumeist situativ auf die an die BMW-Zentrale herangetragenen Interessenbekundungen für Lizenzgeschäfte aus dem Ausland reagiert wurde, anstatt aktiv potentielle Firmen zu akquirieren.525 Einzige Ausnahmen bildeten hier die bereits erwähnten Sondierungsreisen Krügers 1956/57 nach Asien und Lateinamerika, in welchen er bereits assoziierte sowie in Frage kommende Betriebe persönlich in Augenschein nahm.526 Im Endeffekt blieben jedoch auch diese Reisen überwiegend ohne konkrete Vertragsabschlüsse, symbolisierten allerdings eine der wenigen Eigeninitiativen des Verkaufsressorts während der 1950er Jahre, das Auslandsgeschäft aktiv auszuweiten. Trotz der vornehmlich passiv ausgerichteten Vertriebspolitik kam es ab 1957 zu mehreren Montageabkommen in diversen Märkten, die das Exportgeschäft merklich förderten und den Einstieg in einige bis dato aufgrund ihrer Einfuhrreglementierungen verschlossene Länder ermöglichte. In dem sich anschließenden Abschnitt 2.5.3.1 soll näher auf die während der ersten Internationalisierungsphase eingeleiteten CKD-/SKD-Initiativen im Ausland als strategisches Mittel zur Markt­ penetration eingegangen werden. Tabelle 19 zeigte überdies eine signifikante Zunahme der BMW-Auto­ mobilexporte im Jahre 1960 um das 3,5-fache gegenüber 1959. Ein entscheidender Impuls konnte hier durch die Markteinführung des Kleinwagens BMW 700 erreicht werden, der über die deutschen Landesgrenzen hinweg auf ausnehmend positive Resonanz stieß und 1960 eine Modellexportquote von 33 Prozent erreichte. Zum Ende der ersten Internationalisierungsphase war somit etwa jedes dritte im Ausland verkaufte Fahrzeug des Münchner Herstellers ein BMW 700. Somit lief dieses Fahrzeug allen anderen Modellen des BMW-Produktportfolios im Export den Rang ab und wies gegenüber der BMW Isetta auch einen höheren Gewinn pro Einheit aus. Tabelle 20 schlüsselt die Entwicklung des Exportanteils am Umsatz der BMW AG zwischen 1950 und 1960 auf. Die Angaben umfassen hierbei nicht nur die 525  Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen des Jahres 1957, in: BMW UA 107/1; Protokolle der Vorstandssitzungen des Jahres 1958, in: BMW UA 107/2. 526 Vgl. Bericht über die Reise von Dr. Krüger nach dem Fernen Osten 21. 02.– 26. 04. 1956 vom 30. 05. 1956, in: BMW UA 230/1; Protokoll Nr. 5/57 der Vorstandssitzung vom 25. 04. 1957, in: BMW UA 107/1.

2.5. Vertriebspolitik

187

Einnahmen aus der PKW-Sparte, sondern die des gesamthaften Fertigungsprogrammes. 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 Umsatz Exportanteil in %

36,5 57,5 63,0 79,8 94,4 138,3 148,1 148,6 195,3 170,1 239,4 14,0 19,5 18,7 17,9 17,2 17,4 17,1 34,5 21,6 30,0 35,0

Tabelle 20: Umsatz und Exportanteil am Umsatz der BMW AG (Angaben in Mio. DM), 1950–1960.527

Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich, dass der Exportanteil am Umsatz bis 1957 relativ konstant blieb und durch die Aufnahme der Wagenfertigung nicht entscheidend beeinflusst wurde, da bis zu dem Erwerb der IsettaLizenz primär BMW-Motorräder zu dem Auslandsumsatz beitrugen. Dies lag vor allem an der starken Fokussierung auf den Binnenmarkt der PKWDistributionspolitik. Erst mit der Aufnahme des CKD-Geschäfts, speziell durch den Vertragsabschluss mit der Isetta of Great Britain Ltd., gelang es der Verkaufsabteilung, die Wirtschaftlichkeit des Ausfuhrgeschäftes signifikant zu steigern. Diese Maßnahmen führten 1957 zu einer Verdoppelung des Exportanteils am Umsatz gegenüber dem Vorjahr. Zwar konnten diese Zahlen 1958/59 durch die betriebsinternen Schwierigkeiten des Unternehmens, die zu einer noch größeren Konzentration auf den Inlandshandel führten und die Exportquote um etwa 13 Prozent sinken ließen, nicht gehalten werden, allerdings vermochte die 1960 eingeleitete finanzielle Konsolidierung der BMW AG sowie der große Erfolg des BMW 700 in zahlreichen Ländern – nicht zuletzt in den USA – zu den positiven Exportumsätzen des Jahres 1960 beizutragen. Auch im Vergleich zu dem bereits wesentlich internationaler ausgerichteten Mitbewerber Daimler-Benz, der 1960 einen Anteil des Auslandsgeschäftes am Gesamtkonzernumsatz von 41,2 Prozent erzielte, bestätigte sich, dass BMW in dieser Phase noch wesentlich stärker auf den Binnen­markt konzentriert war.528 2.5.3.1.  Montage als Vertriebsstrategie zur Marktpenetration: Die Vergabe von CKD-/SKD-Lizenzen Ende der 1950er Jahre, insbesondere in den Jahren 1957/58, liberalisierten vor allem in Europa einige Länder ihre Kfz-Einfuhrbestimmungen, hierunter unter anderem die Schweiz, Österreich, Portugal, Dänemark und Schweden. Diverse Regierungen hingegen – speziell in den Übersee-Regionen – hielten an ihren Regularien fest oder erschwerten die speziell gegenüber dem Kraftfahrzeugimport ausländischer Fabrikate geltenden Bedingungen sogar noch weiter. Besonders wichtige Märkte hierunter waren in Europa Frankreich, 527  528 

Vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1950–1960. Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 286, Tabelle D.20.

188

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Großbritannien und Belgien sowie in Übersee Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay, Indonesien, Iran und Japan.529 Bis Mitte der 1950er Jahre hatte die Leitung des Ressorts für Ein- und Verkauf der BMW AG versucht, derartige Einfuhrbeschränkungen durch sogenannte Switchgeschäfte zu umgehen. In Ländern wie beispielsweise Finnland waren die Einfuhrmengen aufgrund der Devisenknappheit stark limitiert und machten hierdurch den Export für BMW nahezu unmöglich. Wenngleich bereits 1949 eine Vertragsbindung mit dem Generalimporteur Haka-Auto Oy eingegangen wurde,530 sanken die nach Finnland exportierten Einheiten seit Anfang der 1950er Jahre stetig. Von dieser Entwicklung war nicht nur BMW betroffen, sondern mit der Ausnahme osteuropäischer Produzenten auch andere ausländische Hersteller. Infolge der strengeren Importbedingungen ging somit der Export deutscher PKW nach Finnland binnen zweier Jahre von 3 296 (1951) auf lediglich 218 (1953) Einheiten zurück.531 BMW-Verkaufsleiter Trötsch versuchte daraufhin, in Zusammenarbeit mit der Haka-Auto Oy wiederholt ein Abkommen mit der finnischen Regierung im Rahmen eines Kompensationshandels zu treffen. Hierbei zeigte man sich bei den in Frage kommenden Produkten durchaus flexibel und so reichte das andiskutierte Warentauschspektrum von Holz, Kartoffelmehl über russisches Manganerz bis hin zu Platin. Letzten Endes konnte jedoch keine Einigung mit den fin­ nischen Behörden erzielt werden.532 Erfolgreiche Abschlüsse bei BMW aus dem Bereich des Dreiecks- und Kompensationshandels sind im Rahmen des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Arbeit nicht bekannt. Nach den erfolglosen Bemühungen in Finnland legte BMW Verhandlungsoptionen im Kontext von Switchgeschäften weitestgehend ad acta und versuchte, auf anderen Wegen, insbesondere durch die Lizenzvergabe für die Montage eigener Baumuster, länderspezifischen Regularien gerecht zu werden, um das Exportgeschäft auszuweiten. In diesem Sinne erschien es dem Direktorium weitaus erfolgversprechender, den institutionellen Hemmnissen wichtiger Märkte durch die Vergabe von CKD- oder in seltenen Fällen auch von SKD-Lizenzen entgegenzukommen. Aufgrund der geringen Stückzahlen und vornehmlich in teurer Handarbeit gefertigten Großen Wagen wurde diese Option erst mit dem Erwerb einer passenden Produktlizenz möglich, wie es mit der Übernahme der ISOLizenz im Jahre 1955 der Fall war. Da allerdings neben BMW zuvor drei weitere Fabrikanten ebenfalls eine derartige Lizenz erworben hatten, war das Vertriebsgebiet der BMW Isetta durch die Abkommen zwischen ISO und 529  Protokoll

Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1; Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 355, Schaubild 1. 530 Vgl. Kommunikation zwischen dem finnischen Importeur Haka-Auto Oy und der BMW AG, 1955–1957, in: BMW UA 230/1. 531  Vgl. Der Personenwagen-Export Deutschlands, 1951–1954, in: BMW UA 1273/1. 532 Vgl. Aktennotiz „Finnland/Switschgeschäfte“ von Trötsch, Leiter des In- und Auslandsverkaufs der BMW AG, vom 03. 12. 1954, in: BMW UA 71/1.

2.5. Vertriebspolitik

189

den weiteren Lizenznehmern Société de Construction de Véhicules léger à Moteur (Vélam),533 Paris, Metalmecánica SACI, Buenos Aires, sowie der brasilianischen Firma Romi SA, São Paulo, stark eingeschränkt. Dies betraf einige attraktive europäische Märkte wie Frankreich, Holland, Belgien und Luxemburg (Vélam), aber auch wichtige Märkte mit einem antizipierten, ausgeprägten Wachstumspotential in Übersee wie Marokko, Algerien, Tunesien (Vélam) sowie die lateinamerikanischen Länder wie beispielsweise Brasilien (Romi) und Argentinien (Metalmecánica).534 Nachdem der Verkauf der BMW Isetta äußerst erfolgreich angelaufen war und im Gegensatz hierzu, aufgrund technischer Mängel der Konkurrenz-Isettas, große Zurückhaltung auf den durch Vélam und Romi betreuten Gebieten gegenüber den Konkurrenzmodellen der BMW-Isetta bestand, nahm BMW bereits 1956 Verhandlungen mit ISO über die Erweiterung der Vertriebsrechte und somit des Vertriebsgebietes auf.535 Des Weiteren kam es zu wiederholten Anfragen seitens der ausländischen ISO-Lizenznehmer, Motoren und Komponenten von BMW beziehen oder gar die Baumuster BMW 600 und BMW 700 qua einer Lizenzübernahme in ihrem Vertriebsgebiet montieren zu dürfen. In den überwiegenden Fällen sah BMW von Lieferungen dieser Art ab, um die eigenen Interessen zu schützen und die Mitbewerber nicht mit fabrikeigenen Motoren aus München zu beliefern, was letztlich die Konkurrenzprodukte gestärkt hätte, die im Wettbewerb zu dem eigenen Portfolio standen. Vélam trat beispielsweise in den Jahren 1957/58 an BMW mit der Bitte heran, eine Lizenz für den Motor der BMW Isetta für die französischen Vélam Isetta zu erhalten. Dies wurde jedoch nach ausführlichen Verhandlungen durch den BMW-Vorstand abgelehnt, da man nicht beabsichtigte, „[…] Motoren zu ­liefern, welche in Fabrikate eingebaut werden, die uns irgendwo Konkurrenz machen können.“536 Nur in einigen wenigen Fällen rückte BMW von dieser durch den Vorstand proklamierten Richtlinie ab und schloss einzelne Verträge über Komponenten-Lieferungen ab, etwa 1958 mit Romi über 200 IsettaMotoren für Brasilien537 und 1959 mit der argentinischen Firma Metalmecá-

533 

Die Société Velam hatte sich aus interessierten Kreisen der französischen Automobilzubehörindustrie gegründet und kam im Oktober 1954 mit der italienischen Firma ISO zu einem Lizenzabkommen überein. Die ersten Velam Isetta-Modelle wurden in der alten Fabrik der Firma Talbot in Paris ab Januar 1955 gefertigt, vgl. Bericht über die Société de Construction de Véhicules léger à Moteur (Velam) von Darphin vom 17. 01. 1956, in: BMW UA 53/1. 534 Vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1; Aktennotiz „ISO-Verhandlungen in Bezug auf VELAM, Paris“ von Krüger, Leiter des In- und Auslandsverkaufs, an die Direktoren Grewenig und Dellmensingen von Krafft vom 25. 07. 1956, in: BMW UA 230/1. 535  Vgl. Protokoll Nr. 14/57 der Vorstandssitzung vom 16. und 18. 10. 1957, in: BMW UA 107/1. 536  Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 537  Vgl. Protokoll Nr. 14/58 der Vorstandssitzung vom 03./05. 07. 1958, in: ebd.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

nica über 30 000 Einheiten des 600-ccm-Motors;538 zu der Produktion und dem Versand dieser 30 000 Antriebsaggregate ist es allerdings letztlich nie gekommen.539 Darüber hinaus hatten Montage und Vertrieb der Konkurrenz-Isettas durch die anderen Lizenznehmer durchaus negative Auswirkungen auf die Absatzchancen der BMW Isetta in diesen Vertriebsgebieten und somit auf die potentielle Ausdehnung ihres Verkaufsgebietes, „da der Markt durch die Mangelhaftigkeit der bisher gelieferten Isettas in ISO-Ausführung bis auf weiteres verdorben […]“ war.540 Aus diesem Grund sah der BMWVorstand beispielsweise von Lieferungen der BMW Isetta nach Spanien ab, gleichwohl der spanische Lizenznehmer das Geschäft Ende der 1950er Jahre hatte aufgeben müssen und hierdurch das Vertriebsrecht freigeworden war. Zur Erschließung dieser Absatzgebiete für die BMW Isetta musste zunächst die negative Perzeption der Konkurrenz-Isettas zerstreut werden. In diesem Punkt kamen der durch BMW weiterentwickelten Isetta aus München einerseits ihre positive Schadensbilanz und andererseits ihr abgewandeltes Erscheinungsbild zugute, das sie optisch von den Konkurrenzprodukten der anderen Isetta-Lizenznehmer unterschied. Die BMW-Geschäftsleitung bemühte sich seit 1956 immer wieder, durch direkte Verhandlungen mit ISO die Freigabe weiterer Vertriebsrechte für die BMW Isetta zu erreichen. Die Freigabe für den französischen Markt zur Jahres­wende 1956/57 blieb aufgrund der französischen Zollschutzpolitik und der starken Konkurrenz des Citroën 2CV von nur geringer Bedeutung und so wurden von 1958 bis einschließlich 1961 nur 106 Einheiten der BMW Isetta in Frankreich eingeführt.541 Die Erlangung des Vertriebsrechtes für ­andere Länder wirkte sich hingegen nachdrücklich positiv auf das Export­ geschäft der BMW AG aus. Insbesondere der Zugewinn der Benelux-Staaten machte Belgien ab 1959 zum zentralen Montagedreh- und Angelpunkt des Münchner Herstellers, nachdem die BMW AG im Juli 1957 durch ISO die Lizenzen für Belgien und Holland erhalten hatte.542 Die neu eingeleitete Kooperation mit dem Generalimporteur und Montagepartner Ets. Moorkens 538 Vgl.

Protokoll Nr. 8/59 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1959, in: BMW UA 107/3. Die Quellenlage bietet leider keinen eindeutigen Aufschluss darüber, weshalb der Vorstand hier von seiner originären Prämisse abwich, keine Motoren an die Konkurrenz zu liefern. Es ist aufgrund des Jahres 1959 jedoch davon auszugehen, dass die Geschäftsleitung in diesem Fall aufgrund der monetären Schieflage eine Ausnahme machte und man sich anhand der Quantität der Motorenlieferung eine gewisse finanzielle Teilkonsolidierung erhoffte. 539  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Die Quellenlage bietet hier leider keinen näheren Einblick zu den Hintergründen der Vertragslösung. 540  Protokoll Nr. 14/57 der Vorstandssitzung vom 16. und 18. 10. 1957, in: BMW UA 107/1. 541 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 542 Vgl. Protokoll Nr. 11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: BMW UA 107/1.

2.5. Vertriebspolitik

191

SA (Moorkens), der zunächst die Motorradvertretung im Oktober 1958 und zum Januar 1959 ebenfalls die Montage- sowie Vertriebsrechte für die BMW Isetta erhielt, spielte hierbei eine entscheidende Rolle und war der Beginn einer langjährigen erfolgreichen Verbindung.543 Von 1959 bis 1973 wurden insgesamt 57 000 Teilesätze diverser BMW-Baumuster nach Antwerpen exportiert und dort von Moorkens montiert und von hier über den Schiffsweg in weitere Märkte überführt.544 Tabelle 21 enthält eine Aufstellung aller Länder inklusive der kooperierenden Partner, in denen aus München exportierte PKW-Teilesätze montiert wurden. Hierbei wurden einzig diejenigen Montageprojekte berücksichtigt, die vor 1961 begannen und somit während der ersten Internationalisierungsphase initiiert wurden.  545  Land

Zeitraum

Großbritannien 1957–1962 Belgien

1959–1973

Uruguay

1957–1962

Argentinien

1960–1962

Partner

Baumuster

Stückzahl545

Isetta of Great BMW Isetta 9 000 ­Britain Ltd. Ets. Moorkens SA BMW Isetta, 57 000 BMW 600, BMW 700 Miller, Medeiros BMW Isetta, mind. 240 ­Bastos S.A. BMW 600 Metalmecánica BMW Isetta, 7 000 SACI BMW 600, BMW 700

Tabelle 21: CKD- und SKD-Montageprojekte der BMW AG während der ersten Internationalisierungsphase, Montagebeginn vor 1961.546

Weitere Verhandlungen im Rahmen anvisierter Montageprojekte – etwa in Holland oder Indien – wurden letzten Endes vor allem aufgrund der finanziell angespannten Lage des Unternehmens 1958/59 eingestellt.547 Die bereits in den Abschnitten zur Modellpolitik angeführte geplante Montage in Indien hätte wegen der strengen Regierungsvorgaben nur über die Gründung einer 543  Damit

löste Moorkens die beiden bisherigen Importeure S.A. Garage du RondPoint de l’Avenue Louise (BMW Wagen) und A. Breslau (BMW Motorrad) ab, vgl. Aktennotiz „Klärung der Geschäftsabwicklung Benelux / Isetta-Vertrieb“ von Trötsch (KS) vom 05. 02. 1957, in: BMW UA 230/1; Protokoll Nr. 17/58 der Vorstandssitzung vom 09. 09. 1958, in: BMW UA 107/2. 544  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 545  Die Stückzahlen beziehen sich auf den gesamten Montagezeitraum, nicht nur auf die erste Phase der Internationalisierung, da diese leider nicht auf der Grundlage der vorliegenden Quellen ermittelt werden können. 546  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Importeurverträge Großbri­ tannien, 1958–1977, in: BMW UA 1579/1; Pressemitteilung „BMW Montagewerk in ­Belgien“ vom 21. 04. 1959, in: BMW UP 138/10; Protokoll Nr. 20/59 der Vorstandssitzung vom 15. 12. 1959, in: BMW UA 107/3; BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10. 547  Mit dem holländischen Partner Hart, Nibbrig & Greve konnte man sich letztlich nicht auf einen für beide Seiten akzeptablen Preis einigen, vgl. Protokoll Nr. 15/58 der Vorstandssitzung vom 23. 07. 1958, in: BMW UA 107/2.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

eigenen Produktionsgesellschaft realisiert werden können. Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten und eines Produktportfolios, das nur eingeschränkt den marktspezifischen Anforderungen Indiens gerecht wurde, beschloss der BMW-Vorstand im November 1958, das Indienprojekt, in dessen Rahmen bereits seit 1956 Verhandlungen geführt worden waren, nicht weiter zu verfolgen.548 Die Zahlen aus Tabelle 21 spiegeln die durch Stückzahlen quantifizierbare Wichtigkeit des belgischen Kooperationspartners für BMW bis in die frühen 1970er Jahre wider. Ebenfalls entscheidend war die Aufnahme der CKDMontage der BMW Isetta durch den britischen Generalimporteur Isetta of Great Britain Ltd. im Jahre 1957.549 Durch die Montage im British Empire konnten nicht nur deutlich günstigere Preise auf dem britischen Markt erreicht werden, die Ausfuhr der BMW Isetta aus Großbritannien verschaffte BMW auf dem Gebiet der Kleinwagen ebenso Zutritt zu dem seit den 1930er Jahren gut funktionierenden Commonwealth-Präferenzsystem,550 das günstigere Vorzugszölle auf britische Produkte bzw. aus dem CommonwealthVerbund stammende Waren erhob und somit die BMW Isetta in der Britischen Dominien signifikant vergünstigte.551 Die BMW-Geschäftsleitung erhoffte sich hierdurch eine Preissenkung der BMW Isetta um circa 35 bis 40 Prozent in diesen Ländern.552 Zu Beginn konnte allerdings neben dem britischen Markt lediglich das Ausfuhrgeschäft nach Kanada merklich von der neuen Kooperation profitieren, wobei sich die Synergieeffekte auf weitere Märkte des Commonwealth rasch nivellierten und somit die erhoffte Verkaufswirkung ausblieb; doch auch die prognostizierten Erfolge auf dem kanadischen Markt sollten sich letzten Endes nicht einstellen. Noch bis Herbst 1957 hatten die Geschäftsbeziehungen zu dem britischen Handelspartner nach Ansicht des Verkaufsvorstands Hof keinerlei Anlass zur Beanstandung gegeben, sämtliche Zahlungen waren zuvor fristgemäß geleistet worden.553 Binnen weniger Monate sollte sich jedoch herausstellen, dass es sich hierbei um eine weitere Fehleinschätzung des Verkaufsressorts gehandelt hatte und 548 

Vgl. Protokoll Nr. 22/58 der Vorstandssitzung vom 26. 11. 1958, in: ebd. Vertrag zur CKD-Montage in England zwischen der BMW AG und Ronald Ashley, dem Inhaber der Dunsfold Tools Ltd., der späteren Isetta of Great Britain Ltd., wurde am 30. 08. 1956 unterzeichnet, vgl. Verhandlungen zum Lizenzvertrag über die CKD-Montage der BMW Isetta zwischen der BMW AG und Ronald Ashley, 1956–1957, in: BMW UA 225/1. 550  Vgl. Küsters, Zollunion oder Freihandelszone, S. 302. Weitere interessante ­Aspekte zum „Preferential Tariff System“ des Commonwealth im Kontext der elektrotechnischen Industrie finden sich bei Reindl, vgl. Reindl, Josef: Wachstum und Wettbewerb in den Wirtschaftswunderjahren. Die elektrotechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien 1945–1967, Paderborn u. a. 2001, S. 310–325. 551  Vgl. Aktennotiz „Isetta-Projekt England“ vom 13. 06. 1956, in: BMW UA 230/1. 552  Vgl. Schreiben der Firma ISO, Mailand, an die BMW AG, München, [übersetztes Typoskript, Anm. d. Verfasserin] vom 13. 10. 1955, in: BMW UA 53/1. 553  Vgl. Protokoll Nr. 13/57 der Vorstandssitzung vom 03. 09. 1957, in: BMW UA 107/1. 549  Der

2.5. Vertriebspolitik

193

so musste der BMW-Vorstand bereits im April 1958 ein Stützungsprogramm für den Generalimporteur und Montagepartner verabschieden. Dieser sollte sich allerdings, trotz aller Bemühungen aus München, bis zur Beendigung der Zusammenarbeit 1962 nicht mehr finanziell erholen. Die mangelnde Solvenz und die ungenügende Qualität der Handelsorganisation des britischen Partners waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Montage- und Exportzahlen der BMW Isetta in Großbritannien letztlich weit unter den ursprünglichen Kalkulationen zurückblieben. Erneut wurde Hof, als Leiter des Ein- und Verkaufsbereichs, für die fehlende Gründlichkeit bei der Auswahl der Vertriebshandelspartner durch seine Vorstandskollegen kritisiert.554 Das im Mai 1958 seitens des Firmeninhabers Ashley an das Führungsgremium gerichtete Angebot über eine achtzigprozentige Beteiligung der BMW AG an der Isetta of Great Britain Ltd. wurde in München durch den Vorstand umgehend verneint, da ihm das Risiko zu hoch erschien, auf das bereits sinkende Schiff aufzuspringen.555 Die BMW-Geschäftsleitung lehnte ein weitergehendes Engagement über Direktinvestitionen im Ausland – sei es im Vertrieb oder in der Produktion – in den 1950er Jahren rigoros ab. Hierfür befand sich das Unternehmen selbst in einer zu instabilen finanziellen Lage und verfügte überdies nicht über das passende Modellprogramm. Stattdessen strebte man nach dem Zweiten Weltkrieg an, das Ausfuhrgeschäft rein durch den Export sowie die Vergabe von Montagelizenzen ohne direkte monetäre Beteiligung zu fördern. Zu unsicher und insbesondere aus pekuniärer Sicht zu problematisch war die firmeneigene Ausgangslage, so dass finanzielle ­Risiken in Form von Unternehmensbeteiligungen weitestgehend vermieden werde sollten.556 Umso überraschender mutet in diesem Zusammenhang der BMW-Vorstandsbeschluss des Jahres 1959 an, von der bisherigen Exportstrategie abzurücken und erstmals selbst Direktinvestitionen im Ausland zu tätigen – und dies nicht in einem europäischen Nachbarland, sondern in Übersee. Dieses Vorgehen sah man als beste Möglichkeit an, den stagnierenden Verkauf in Kanada zu beleben. Hierbei wählte man nicht den Weg einer Kooperation oder 554 Vgl.

Protokoll Nr. 9/58 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1958, in: BMW UA 107/2. 555  Vgl. Protokoll Nr. 11/58 der Vorstandssitzung vom 07./08. 05. 1958, in: ebd. 556 Mit dieser Einstellung war BMW innerhalb der deutschen Automobilindustrie nicht alleine: Auch das Führungsgremium bei VW stand nach dem Zweiten Weltkrieg Direktinvestitionen sowie der Fremdfertigung im Ausland zunächst skeptisch gegenüber. Im Unterschied zu BMW sah jedoch VW mittelfristig keine Alternative zu einem solchen Auslandsengagement. Die Richtigkeit dieser Einschätzung sollte später die weltweite Erfolgsgeschichte des VW Käfers unter Beweis stellen, vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 211f. Im deutlichen Kontrast hierzu stand hingegen die Vertriebsstrategie der Daimler-Benz AG, die bereits zu Beginn der 1950er Jahre im Bereich der Nutzfahrzeuge Montagegesellschaften mit Minderheitsbeteiligung in Argentinien, Brasilien und Indien gründete, die sie stetig ausweitete, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 230–239.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Minderheitsbeteiligung, sondern gründete eine Tochtergesellschaft, dessen hundertprozentige Eigentümerin die BMW AG war. Ende der 1950er Jahre entzog man der Isetta of Great Britain Ltd. das Verkaufsrecht für den kanadischen Markt und gründete im März 1959 – inmitten der bis heute schwerwiegendsten Unternehmenskrise – die erste BMW-eigene Vertriebsgesellschaft im Ausland mit einem Stammkapital von 50 000 Can. Dollar.557 Die BMW AG hatte bis dahin auf dem Gebiet der Direktinvestitionen im Ausland noch über keinerlei Erfahrungen gesammelt, verfügte hier also über keine Wissensbasis. Als Folge führte diese ad hoc umgesetzte Maßnahme nicht zu den erhofften Erfolgen, sondern scheiterte und so musste der Betrieb der Gesellschaft bald eingestellt und die Tochter bereits 1964 liquidiert werden. Tabelle 22 schlüsselt die Montageprojekte während der ersten Internationalisierungsphase nach Baumustern auf und gibt an, welchen Anteil sie an dem Export des jeweiligen Jahres hatten. Die Tabelle spiegelt die Anzahl der in dem jeweiligen Jahr im Werk München produzierten Teilesätze wider, nicht den Zeitpunkt ihres Exports oder ihrer Montage im Ausland. Hierdurch kommt es zu einem Anteil der Montageeinheiten am Gesamtexport im Jahre 1959 von über 100 Prozent. Diese sind auf die hohen Lagerbestände von 1958 (vgl. Kapitel 2.4.1, Tabelle 8), die sich noch auf den Verkauf des Folgejahres auswirkten, zurückzuführen sowie auf die finanziellen Schwierigkeiten des britischen Montagepartners. Motorräder und die Großen Wagen wurden von BMW im Gegensatz zu den Kleinst- und Kleinfahrzeugen stets als Komplettfahrzeuge exportiert.558 Erst in den darauffolgenden Jahren sollten auch weitere BMW-Baumuster im Ausland montiert werden. Motorräder hingegen ließ die BMW AG bis zu der Gründung des CKD-Werks in Brasilien 2009 stets ausschließlich als Kompletteinheiten exportieren.559 Dies lag vor allem darin begründet, dass institutionelle Hemmnisse wie Zölle oder Besteuerungsgesetze gegenüber der Motorradindustrie von den Regierungen weniger restriktiv gehandhabt wurden als gegenüber der Automobilbranche und somit eine Motorradmontage keine nennenswerten Vorzüge bot. Einzige Ausnahme bildete hier eine kurzzeitige Montage von Motorrädern in Indonesien im Jahre 1995, die jedoch nicht von Dauer war und sozusagen als Versuchsträger zu werten ist.560 557  Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 44. Geschäftsjahr 1959, 1960, in: BMW UU 38/10. 558  Von 1954 bis 1962 wurden lediglich vereinzelt Fahrgestelle der Großen Wagen als Teilesätze geliefert, Abnehmer und genauere Hintergründe sind allerdings unklar. Hierbei handelte es sich nur um geringe Stückzahlen von insgesamt 65 Fahrgestellen, die sich auf neun Jahre verteilten. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Fahrgestelle für Sonderkarosserieaufbauten, wie Krankenwagen, Bestattungswagen, Cabrio, Coupé usf., handelte, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 559  Vgl. BMW Group – Geschäftsbericht 2010, 2011, in: BMW UU 3563/10. 560  Vgl. Pressemitteilung „BMW schließt Vertrag über CKD-Montage von Motorrädern in Indonesien“ vom 26. 01. 1995, in: BMW UP 1600/10.

195

2.5. Vertriebspolitik

BMW Isetta BMW 600 BMW 700 Montage Gesamt Montageanteil am ­Gesamtexport (%)

1957

1958

1959

1960

Gesamt

4 630 – – 4 630 37,7

825 – – 825 9,3

7 314 495 – 7 809 128,3

7 540 – 2 383 9 923 43,5

20 309 495 2 383 23 187 46,3

Tabelle 22: Produzierte Fahrzeugteilesätze der BMW AG nach Baumustern, 1957– 1960.561

Diese Aufschlüsselung verdeutlicht die wichtige Rolle, die der BMW Isetta während der ersten Internationalisierungsphase der BMW AG zukam. Als erstes im Ausland montiertes Fahrzeug sicherte sie dem Münchner Hersteller den Zugang zu mehreren Ländern, die andernfalls aufgrund institutioneller Hürden für den Fahrzeugabsatz verschlossen geblieben wären. Dem Rückgang des Isetta-Absatzes im Inland konnte somit durch die Steigerung der CKD-Lieferungen für die Isetta-Montage im Ausland begegnet werden.562 Ab 1960 wurden auch vermehrt Einheiten des BMW 700 im Ausland montiert, der somit das Kleinstfahrzeug Isetta als wichtiges Montagebaumuster ablöste. Der Anteil der Teilesätze am Gesamtexport variierte in den ersten Jahren erheblich, was unter anderem auf schwankenden Produktions- und Verkaufskalkulationen beruhte sowie auf Schwierigkeiten bei den lokalen Montagepartnern. Dennoch vermittelt der Anteil der Montage an der gesamten Ausfuhr einen Eindruck über ihre Relevanz für das Exportgeschäft. Die Montageprojekte gewährten wichtige Auslandserfahrungen, die für die ­spätere Ausrichtung des Außenhandels nach der überstandenen Unternehmenskrise in den 1960er Jahren als Grundlage für den weiteren Geschäftsausbau dienten; sowohl als Basis für nachfolgende Auslandsaktivitäten als auch mitunter als Negativerfahrung, welche Vorgehensweisen und Bereiche des Vertriebs künftig umzustrukturieren waren. Auch auf organisationaler Ebene schlug sich die Vergabe von CKD-/SKD-Lizenzen nieder, musste doch die Produktion und der Versand in die verschiedenen Märkte strukturiert und prozessual geregelt werden, da die Anforderungen an die Logistik des Unternehmens mit wachsendem Export ebenfalls stetig stiegen. Die Montage von BMW-Fahrzeugen im Ausland sollte in den 1960er Jahren noch weiter ausgebaut werden und galt als Schlüssel im Umgang mit institutionellen Marktbarrieren. Als solche bildete sie einen wichtigen Teil der Vertriebs­ strategie, auch im Sinne des idealtypischen Uppsala- und Helsinki-Modells, worauf kursorisch im folgenden Abschnitt eingegangen werden soll (vgl. Kapitel 2.5.3.2.). 561 

Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 44. Geschäftsjahr 1959, 1960, in: BMW UU 38/10. 562 Vgl.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

2.5.3.2.  Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports Gemäß dem Uppsala-Modell von Johanson/Vahlne und dem von Luostarinen zum Helsinki-Modell erweiterten Ansatz exportieren Unternehmen nach der Sättigung des Binnenmarktes zunächst in diejenigen Länder mit geringer kultureller Distanz, die oft mit geographischer Nähe einhergeht. Diese Annahme der „psychic distance“563 wurde von vielen Forschern aufgegriffen, so beispielsweise von Sullivan, der dieses Verhältnis zwischen der Kultur des Herkunftslandes eines Unternehmens und der Auslandsmärkte als „psychic dispersion of the international operations of a firm“ formulierte.564 Demzufolge ist ein deutsches Unternehmen, das mit einem asiatischen Markt Handel betreibt, internationaler, als wenn es diese Beziehungen mit einem europäischen Nachbarland unterhielte. Ableitend von diesen Annahmen ist also davon auszugehen, dass ein Unternehmen zunächst mit denjenigen Ländern bevorzugt Handel betreibt, zu denen eine geringe geographische bzw. vor allem kulturelle Distanz besteht. Ebenso spielt auch das Niveau des Erfahrungshorizontes und der Marktkenntnisse eine wichtige Rolle, wie bereits in Kapitel 1.2.2 beschrieben wurde. Darüber hinaus stellen die institutionellen Rahmenbedingungen eines jeden Landes eine der einflussreichsten Kenngrößen für die Ausrichtung des Auslandsgeschäftes dar. Diese von den einzelnen Landesregierungen vorgenommene Einflussnahme wurde in Europa durch den allmählich an Dynamik gewinnenden europäischen Integrationsprozess über die Gründungen der EWG 1957 und EFTA 1960 während der 1960er Jahren sukzessive eingegrenzt. In den 1950er Jahren schlugen sich jedoch die landesspezifischen institutionellen Hemmnisse noch nahezu ungehindert – auch in Europa – auf die Exportmärkte und die Unternehmen nieder und beeinflussten hierdurch maßgeblich die geographischen und handelspolitischen Schwerpunktsetzungen des unternehmerischen Exportgeschäftes. Besonders stark durch derartige tarifären und nicht-tarifären Bestimmungen reglementiert und somit die heimische Automobilindustrie schützend waren in den 1950er Jahren die Märkte Frankreich, Italien und Großbritannien, allesamt wichtige Automobilnationen. Primär ökonomische Faktoren bestimmten hingegen den automobilen Wettbewerb bereits frühzeitig in den USA, der Schweiz, Österreich, Portugal und seit 1954 in Schweden. Insbesondere die USA, wachstums- und volumenstarker Markt in Übersee, gewannen rasch an Bedeutung.565 Auch die Bundesrepublik galt im europäischen Vergleich als Vorreiter bei dem Abbau von innereuropäischen Einfuhrzöllen.566 563 

Johanson/Vahlne, Internationalization Process, S. 24. Sullivan, Measuring the Degree of Internationalization, S. 332. 565  Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 203. 566 Hierbei verfolgte die Bundesrepublik nicht nur eine Taktik der Annäherung an ihre europäischen Nachbarstaaten, denn die europäische und weltwirtschaftliche Inte564 

2.5. Vertriebspolitik

197

Wenig verwunderlich ist daher die Tatsache, dass eine Vielzahl der euro­ päischen Automobilhersteller – hierunter auch die deutschen Firmen – ihr Ausfuhrgeschäft zunächst primär auf die europäischen Länder mit hoher Liberalisierungsquote fokussierte. Einige wenige Unternehmen waren hingegen bereits frühzeitig in der Lage, ihr Geschäftsfeld im großen Maßstab auf fernere Länder auszuweiten. VW etwa baute neben dem europäischen Markt besonders rasch und effizient die USA als wichtigstes Standbein aus, die 1960 bereits 34,1 Prozent des VW-Exportes aufnahmen, gegenüber 2,1 Prozent in 1952. Westeuropa blieb weiterhin wichtiges Absatzgebiet und somit zweiter Schwerpunkt der Wolfsburger Vertriebsstrategie; besonders starke Märkte waren hier für den VW-Konzern ebenfalls Länder mit geringem Protektionismus wie Schweden, die Schweiz, Niederlande und Belgien. Letzteres verlor jedoch aufgrund der Erhöhung institutioneller Hemmnisse zwischen 1954 und 1956 für VW nachhaltig an Gewicht.567 BMW begegnete den belgischen Restriktionen mit einer anderen Strategie, indem der Münchner Hersteller durch Lizenzvergabe – ohne finanzielle Beteiligung – eine CKD-Fertigung aufbaute und sich damit Belgien Ende der 1950er Jahre zu einem wichtigen Markt für die Wagen aus München entwickelte. Die Küstennähe des belgischen Montagestandortes nutze BMW überdies als Ausgangspunkt für die Weiterverschiffung in andere Länder. Auch Daimler-Benz vermochte den Export in die belgische Republik trotz der erschwerten Bedingungen auszuweiten und steigerte zwischen 1952 und 1957 die Ausfuhr sogar um rund 260 Prozent auf 3 674 Einheiten. Darüber hinaus bestätigten die Ausfuhrzahlen des Stuttgarter Herstellers die Wirkung der restriktiven Wirtschaftspolitik der wichtigen europäischen Märkte Italien, Großbritannien und Frankreich im Automobilbereich, indem auch diese für die Stuttgarter Zentrale zunächst nur von untergeordneter Relevanz waren.568 Für die 1950er Jahre kann also durchaus von einem unternehmensübergreifenden Effekt auf die gesamtdeutsche und ausländische Automobilbranche inklusive ihres Exports gesprochen werden, der von den genannten europäischen Ländern mit protektionistischer Wirtschaftspolitik ausging. Die BMW AG bildete von dieser Einflussnahme keine Ausnahme. Im Hinblick jedoch auf ihr Modellprogramm mit vergleichsweise geringen Stückzahlen unterschied sie sich jedoch wesentlich von ihren deutschen Mitbewerbern, woraus sich durchaus ein Nachteil ableitete: BMW war in den 1950er Jahren im Vergleich zum Mitbewerberfeld ein nur kleines Unternehmen, das weder auf eine kosteneffiziente Großproduktion wie VW noch auf ein ausgewogenes gration Deutschlands konnte als eigenständiges Ziel bewertet werden und war zugleich Mittel zum Zweck. Die hohe Liberalisierungsquote sollte als Vorreiter die Grundlage dafür bieten, der traditionell exportstarken sowie exportabhängigen deutschen Wirtschaft ausländische Absatzmärkte zu öffnen, um hierdurch „das alles dominierende Ziel des wirtschaftlichen Wachstums zu fördern.“, vgl. Ambrosius, Europäische Integration, S. 293. 567  Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 181f. 568  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 216–218.

198

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Produktportfolio wie Daimler-Benz zurückgreifen konnte.569 Wie im Rahmen dieser Arbeit bereits in mehrfacher Weise betont wurde, kehrte BMW vergleichsweise spät als Automobilher­steller zurück. Abbildung 12 schlüsselt die Ausfuhrzahlen der BMW AG im PKW-Segment für den Zeitraum von 1954 bis 1960 nach einzelnen Absatzregionen auf.570 569  Bis in die 1970er Jahre hinein listete der VDA die BMW AG nicht im Rahmen der größten deutschen PKW-Produzenten auf. Hier waren bis 1959 neben VW, DaimlerBenz, Opel, Ford und der Auto-Union sogar Borgward und Lloyd aufgeführt, während BMW unerwähnt blieb, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1959, S. 14. 570  An dieser Stelle soll ein kurzer Hinweis zur Quellenlage gegeben werden, da sich die Auswertung der PKW-Exportzahlen der BMW AG für diesen Zeitraum äußerst schwierig gestaltete: Zwar existieren mehrere Dokumente, die die ausgeführten Einheiten listen – in wenigen Fällen sogar nach Baumuster und Markt differenziert – jedoch widersprechen sich ab 1956 häufig die Quellen untereinander. Differente Angaben bestehen zumeist über die Menge an ausgeführten Teilesätzen, unabhängig davon, ob die Liste für sich in Anspruch nimmt, alle Angaben inklusive dieser Montagesätze aufzuführen, und so fehlen in den Aufstellungen oftmals die exportierten CKD-/ SKD-Einheiten, zum Teil oder komplett, ohne jedoch hierbei einer rekonstruierbaren Logik zu folgen. So stimmen hingegen die Angaben über den Export der Großen Wagen in allen Aufzeichnungen überein. Dies liegt darin begründet, dass sie nicht als Teilesätze ausgeführt wurden und bestätigt die Annahme, dass es aufgrund der Aufnahme diverser Montageprojekte ab 1957 zu Unstimmigkeiten in den Exportauflistungen bei BMW kam. Es kann vermutet werden, dass es Ende der 1950er Jahre noch keine institutionalisierten betriebsinternen Prozesse zur Aufzeichnung, Koordination und Meldung hinsichtlich des CKD-Versands existierten. Dies würde ebenfalls die fehlerhafte Anzeige der Exportzahlen gegenüber dem VDA erklären, die zum Teil nicht den Versand der Teilesätze umfasste. Hier kann es mitunter zu signifikant hohen Abweichungen kommen, die kurz anhand eines Beispiels erläutert werden sollen: Die unabhängige Statistik des VDA weist für 1960 aus, BMW habe inklusive Montagesätzen 12 443 Einheiten exportiert, hierunter 672 Isettas, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1961, S. 96f. De facto, dies kann durch mehrere valide Quellen belegt werden, wurden 1960 jedoch insgesamt 8 212 Isettas ausgeführt, hiervon 7 866 Stück nach Europa bzw. innerhalb des Gebietes der EFTA und der EWG, vgl. MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1. Derartige fehlerhafte Angaben summierten sich je nach Darstellung und Quelle für das Jahr 1960 auf eine Differenz von bis zu 10 400 Einheiten, was einer Abweichung von bis zu 46 Prozent des tatsächlichen Wertes für dieses Jahr entspricht. Durch eigene Berechnungen auf der Grundlage verlässlicher Quellen war es allerdings möglich, das regionale Muster des Exportgeschäftes der BMW AG letztlich doch nachzuzeichnen. Lediglich in einem Fall war die Zuordnung von ca. 1 000 Einheiten des BMW 700 im Jahre 1960 nicht eindeutig möglich, die somit in der Kategorie „Diverse“ subsumiert wurden. Es kann vermutet werden, dass es sich hierbei entweder um eine CKD-Lieferung an den argentinischen Montagepartner Metalmecánica handelte, da der BMW-Vorstand im Februar 1960 den Verkauf von 3 690 CKD-Sätzen an die Metalmecánica nochmals bestätigte, vgl. Protokoll Nr. 8/60 der Vorstandssitzung vom 22. 02. 1960, in: BMW UA 410/1. Ebenso könnte es sich jedoch auch bei einem Teil dieser circa 1 000 Einheiten um Komplettfahrzeuge für die USA handeln, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Da die tatsächliche Versendung der Einheiten des BMW 700 jedoch nicht durch verlässliche Quellen bestätigt werden kann, wurden sie in Abbildung 12 ohne nähere Länderzuweisung unter „Diverse“ aufgenommen.

199

2.5. Vertriebspolitik

18.000 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 1954 Europa

1956 Nordamerika

1958 Lateinamerika

Asien

Ozeanien

Diverse

1960 Afrika

Abbildung 12: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten ab Werk inkl. Teilesätze in verschiedene Absatzregionen, 1954–1960.571

Durch Abbildung 12 wird deutlich, dass für BMW in den 1950er Jahren Europa stets die wichtigste Absatzregion war. Wie anhand konkreter Zahlen noch aufgezeigt wird, waren hierbei vor allem die späteren EFTA-Länder von hoher Relevanz – unabhängig davon, dass Deutschland dem Wirtschaftsraum der EWG angehörte. Diese Entwicklung lag zum einen darin begründet, dass diese EFTA-Märkte in der Mehrheit eine vergleichsweise liberale Importpolitik betrieben. Zum anderen bestanden gerade in diesen Ländern besonders enge Kontakte zwischen BMW und den Importeuren (Schweden), die bisweilen bis in die Vorkriegszeit zurückreichten (Österreich, Schweden, Großbritannien). An dieser Stelle kann, mit Ausnahme Großbritanniens, wo durch institutionelle Hemmnisse sowie mangelnde marktspezifische Modell­ anpassungen der Großen Wagen der Absatz der BMW AG bis zur Lizenzübernahme der Isetta verschwindend gering war, die hohe Bedeutung der späteren EFTA-Länder für BMW hervorgehoben werden. Der starke Absatzzuwachs innerhalb von Europa im Jahre 1960 war vor allem auf die Bau571 Eigene

Berechnungen aus den nachfolgenden Quellen, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1; MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1; Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1.

200

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

muster BMW 700 und BMW Isetta zurückzuführen, wobei letztere insbesondere durch CKD-Lieferungen nach Großbritannien den Export ankurbelte. Auch die 1959 in Belgien aufgenommene Montage trug zu dieser Absatzsteigerung bei. Der BMW 700 wurde 1960 sowohl in den Staaten der EWG (3 800 Stück) als auch der EFTA (4 724 Stück) stark nachgefragt und bis 1960 als Kompletteinheiten versandt. Nach 1960 löste er die BMW Isetta als volumenstärkstes Montagebaumuster im Ausland ab.572 In Tabelle 23 sind die Exportzahlen des Automobilprogramms der BMW AG für die Jahre 1959 und 1960 aufgeführt. Dieser Ausschnitt veranschaulicht, welchen Einfluss die Ergänzung des Modellprogramms um den BMW 700 auf das Ausfuhrgeschäft hatte. Die Gründungsstaaten der EFTA waren vor allem während der ersten Phase der Internationalisierung für BMW zentrale Absatzmärkte. BMW unterhielt zu den Importeuren in der Schweiz, Österreich und Schweden ein besonders enges Vertrauensverhältnis. 1959

Isetta BMW 600 BMW 700 Große Wagen Gesamt 1959

EWG Stück % 586 23,1 14,8 357 29,4 203 44 11,3 1 190 19,7

EFTA Stück % 1 492 59,0 700 28,9 393 57,0 216 55,4 2 801 46,5

Sonstige Exportgebiete Gesamt Stück % Stück 452 17,9 2 530 1 361 56,3 2 418 94 13,6 690 130 33,3 390 2 037 33,8 6 028

1960

Isetta BMW 600 BMW 700 Große Wagen Gesamt 1960

EWG Stück % 598 7,3 1 – 27,5 3 800 28 22,8 4 427 19,4

EFTA Stück % 7 268 88,5 1 – 4 724 34,2 64 52,0 12 057 52,8

Gesamt 1959/60

5 617

14 858

19,5

51,4

Sonstige Exportgebiete Gesamt Stück % Stück 346 4,2 8 212 691 99,7 693 5 294 38,3 13 818 31 25,2 123 6 362 38,3 22 846 8 399

29,1

28 874

Tabelle 23: Wagenexporte der BMW AG nach Absatzregionen in den Jahren 1959 und 1960, 1961.573

Trotz ihrer Relevanz für das Münchner Unternehmen finden beide europäischen Gemeinschaften EWG und EFTA nicht vor 1963 Erwähnung in den BMW-Geschäftsberichten.574 Unternehmensintern war man sich allerdings früher über die Wichtigkeit des europäischen Integrationsprozesses und 572 

Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1. 574 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. Erst im Laufe der 1960er Jahre bildete sich das Verständnis für die Termini EFTA und EWG in der externen Kommunikation bei BMW weiter 573  Vgl.

2.5. Vertriebspolitik

201

s­ einer Auswirkungen auf das Exportgeschäft, vor allem hinsichtlich des europäischen Binnenhandels, im Klaren. Demgemäß hielt es der Vorstandsvorsitzende Richter-Brohm im Kontext der Römischen Verträge im Dezember 1957 für erforderlich, „[…] dass schon jetzt ein Mitarbeiter des Hauses bestimmt werden sollte, dem die Aufgabe übertragen wird, laufend die Auswirkungen des sich anbahnenden gemein­ samen europäischen Marktes auf die Firma zu beobachten, das heisst, sämtliche einschlägige Veröffentlichungen zu sammeln, auszuwerten und über das Ergebnis seiner Untersuchungen dem Vorstand in Abständen Bericht zu erstatten. Der Vorstand beschliesst, Herrn Lau, Marktforschungsabteilung, hierfür zu bestellen. Herr Dr. RichterBrohm wird Herrn Lau die notwendigen Richtlinien geben.“575

Diese Anordnung verdeutlicht zum einen die zunehmende Sensibilisierung gegenüber den integrativen Prozessen innerhalb der europäischen Staaten­ gemeinschaft sowie zum anderen die wachsende Bedeutung der Markt­ forschungsabteilung, der eine elementare Aufgabe bei der Ausrichtung des Unternehmens im Hinblick auf die europäischen Märkte zukam. RichterBrohm realisierte, dass BMW die wirtschaftspolitischen Transformationsprozesse genauestens beobachten musste, um an den positiven Entwicklungen partizipieren, aus Ihnen Vorteile ziehen und wichtige Marktanteile für sich gewinnen zu können. Abbildung 12 verdeutlicht des Weiteren, dass die Regionen Afrika, Asien und Ozeanien im Gegensatz zum BMW-Motorradsegment (vgl. Kapitel 2.3.2, Abbildung 8) während der ersten Internationalisierungsphase nur eine untergeordnete Rolle spielten.576 Dort konnte BMW nur geringe PKWStückzahlen absetzen, während der Verkauf in Lateinamerika gegen Ende der Dekade deutlich zunahm. Fernerhin wird der wichtige Einfluss der Montageprojekte durch das Schaubild konturiert: Die CKD-Lieferungen der Isetta ab 1957 an den britischen Lizenznehmer ließen die Absatzzahlen wesentlich steigen. Einige wenige Einheiten wurden durch den Generalimporteur auch im Commonwealth abgesetzt, hier vor allem in Kanada. Diese Mengen waren jedoch so gering, dass ihre Subsumierung in der Absatzregion von Europa nicht nennenswert ins Gewicht fiel.577 Ebenfalls deutlich spiegelt sich in den Exportzahlen die Aufnahme der Handelsbeziehung mit dem argentinischen Importeur wider, die zu einem signifikanten Anstieg der Ausfuhr nach Lateinamerika und somit zur Ausweitung des Geschäftsfeldes um eine wichaus und fanden zur Klassifizierung von Absatzregionen vermehrt Anwendung, vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1960–1969. 575  Protokoll Nr. 17/57 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1957, in: BMW UA 107/1. 576 Für die PKW-Exportzahlen und Automobilisierung im Hinblick auf Asien vgl. MF-Bericht Nr. 9/58: Der Stand der Motorisierung in einigen asiatischen Ländern, 02. 1958, in: BMW UA 467/1. 577 Aufgrund der Quellenlage ist eine weitere Differenzierung der Belieferung der Commonwealth-Länder durch die Isetta of Great Britain Ltd. leider nicht durchzuführen, da nur die Ausfuhr nach Großbritannien bei BMW verzeichnet wurde, nicht aber die Weiterexporte durch den britischen Partner.

202

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

tige, sich im Wachstum befindliche Region führte. Zunächst wurden 1958 komplette Einheiten importiert, vornehmlich der BMW Isetta, die noch durch die Firma J. y C.R. Chediek & Cia. S.R.L. betreut wurde, welche sich jedoch bereits 1958 in finanziellen Schwierigkeiten befand und sich die BMW-Geschäftsleitung bereits frühzeitig auf die Suche nach einem neuen Partner machte.578 Diesen fand man im darauffolgenden Jahr in der Firma Metalmecánica und nach ersten Lieferungen von Antriebsaggregaten begann ab 1960 die Montage des BMW 700 durch den neuen argentinischen Partner,579 mittels derer die Verkaufszahlen in Lateinamerika nochmals erhöht werden konnten. Auch für den Ausbau des Absatzes in den USA waren nicht etwa der BMW 507 oder BMW 503 verantwortlich, sondern vor allem – als Kompletteinheiten eingeführt – der BMW 600 (1958) sowie der BMW 700 (1960). Im Allgemeinen vermochte insbesondere der BMW 700 im ­Zusammenspiel mit der BMW Isetta, entscheidende Impulse für das Exportgeschäft des noch kleinen Münchner Automobilherstellers zum Ende der ersten Internationalisierungsphase zu geben. In Tabelle 24 ist eine Auswahl der wichtigsten Exportmärkte der BMW AG während der ersten Internationalisierungsphase aufgeführt, es handelt sich also nicht um eine umfassende Auflistung. Diese Darstellung illustriert, dass sich die Relevanz der europäischen Märkte für den PKW-Export aus München bis in die 1960er Jahre hinein noch nicht primär nach der Zugehörigkeit zu den Wirtschaftsräumen EWG und EFTA richtete, da ihre integrative Wirkung erst in den 1960er Jahren zum Tragen kam. Der Absatz hing während der ersten Internationalisierungsphase also vorrangig von den ­landesspezifischen Einfuhrbestimmungen eines jeden Marktes ab. Insofern bestätigen die in Tabelle 24 aufgeführten Zahlen ebenfalls die signifikante Wirkung der Montageprojekte, die den Absatz der BMW AG gegen Ende der Dekade in Märkten wie Belgien, Großbritannien und Argentinien nachweisbar steigerte. Andere lateinamerikanische Märkte blieben BMW gegenüber auch weiterhin verschlossen: In Brasilien etwa wurde die PKW-Produktion in den 1950er Jahren staatlich im Rahmen eines Fünfjahresplans stark vorangetrieben, was einen hohen Regulierungsgrad mit hoher Fertigungstiefe vor Ort bedeutete. Dieser sah eingangs vor allem die Montage von kleineren Wagen vor und führte zu frühen Direktinvestitionen beispielsweise der Firmen Volkswagen,580 DKW, Rivolta – dem Hersteller der italienischen Isetta 578 Vgl. Protokoll Nr. 19/58 der Vorstandssitzung vom 22. 09. 1958, in: BMW UA 107/2. 579  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. 05. 1959, in: BMW UA 100/2. 580  Volkswagen hatte bereits seit 1953 die Eröffnung eines Produktionsstandortes in Brasilien ernsthaft in Erwägung gezogen. Dieses Projekt hatte allerdings einen langen Vorlauf, der insbesondere durch die staatlichen Auflagen kompliziert wurde. Erst im November 1959 konnte in São Paolo die unternehmenseigene Fabrik eröffnet werden. Volkswagen do Brasil produzierte jedoch schon seit 1957 Fahrzeuge in kleineren Stückzahlen, vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 259–261.



581  582 

Europa

Amerika Asien Afrika Weltweit

Belgien Frankreich Großbritannien Italien Niederlande Österreich Schweden Schweiz USA Kanada582 Argentinien Japan Südafrika Gesamt

203

2.5. Vertriebspolitik 1954

1956

1958

33 14 4 4 46 126 173 23 4 2 1 – 524

45 33 518 24 82 209 126 340 658 4 3 20 200 3 053

263 56 848 70 189 776 324 497 2 786 28 1 808 7 3 8 887

1960581 1 291 1 ca.  6 475 905 649 1 680 1 081 1 385 ca. 2 763 354 1 800 7 15 22 837

Tabelle 24: Export von Automobilen der BMW AG nach Absatzregionen und ausgewählten Ländern, 1954–1960.583

in ISO-Ausführung584 – und Jeep. Weitere Projekte wurden nicht von der brasilianischen Regierung genehmigt, wenn das Produkt mit den bereits im 581 

Bei den Angaben für das Jahr 1960 handelt es sich bei den Zahlen für Großbritannien und die USA zum Teil um Schätzungen, da hier die Quellen entweder nicht detailliert genug waren oder widersprüchliche Aussagen machten. Dies ist zurückzuführen auf die bereits explizierte Problematik des unterschiedlich angegebenen Teilesatzversands. Einige der in Abbildung 12 für 1960 nicht zuzuordnende Einheiten des BMW 700 (etwa 1 000 Stück) wurden auf Hinweis einer Produktionsstatistik teilweise den US-Lieferungen zugerechnet, woraus sich in Kombination mit weiteren Quellen ein Wert von 2 763 Kompletteinheiten ergab, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Ebenso wurde mit den CKD-Lieferungen an den britischen Lizenznehmer für dasselbe Jahr verfahren. Bei den Angaben für Großbritannien und den USA handelt es sich also für das Jahr 1960 um Schätzwerte aufgrund einer Produktionsstatistik, die sich jedoch während der Analysen als relativ reliabel erwiesen hat, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 582  Der kanadische Markt wurde ab 1957 durch den britischen Generalimporteur und Montagepartner Isetta of Great Britain Ltd. beliefert. Bei den in dieser Tabelle aufgeführten Zahlen handelt es sich hingegen um den Export von Komplettfahrzeugen, der direkt von der BMW AG umgesetzt wurde. Die Lieferungen der Isetta of Great Britain Ltd. nach Kanada sind auf Basis der bestehenden Quellenlage leider nicht rekonstruierbar. Diese Lieferungen sind in den Aufzeichnungen der Münchner Zentrale in den CKD-Teilesätzen nach Großbritannien subsumiert. Aufgrund der 1959 in Kanada gegründeten ersten BMW-Vertriebsgesellschaft im Ausland sind die Exportzahlen für Kanada hier dennoch aufgenommen worden. 583 BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1; MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Markt­ forschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1; Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 584  Der brasilianische Importeur und Montagepartner der italienischen Firma Rivolta, der die Isetta in Iso-Ausführung fertigte, bekundete Anfang 1958 gegenüber der

204

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Lande vertretenen Typen konkurrierte. Der Wettbewerb wurde so staatlich reguliert bzw. unterbunden. Fernerhin waren die bereits vor Ort durch Direktinvestitionen engagierten Hersteller verpflichtet, bei den von ihnen montierten Fahrzeugen den Local-Content-Anteil, also den vor Ort durch lokale Betriebe gefertigten Anteil, sukzessive zu steigern. Für Juli 1957 bedeutete dies einen Anteil von 50 Prozent, gemessen am Gewicht des Fahrzeuges, im Juli 1959 waren bereits ein Anteil von 80 Prozent des Fahrzeuggewichtes sowie mindestens 70 Prozent des Fahrzeugwertes vorgeschrieben. BMW ­ konnte diesen hohen Hürden aufgrund der finanziellen Probleme und des zu Beginn nur aus Produkten der Oberklasse bestehenden Fahrzeugangebots nichts entgegnen. Für die höheren BMW-Verkäufe in Lateinamerika außerhalb von Brasi­ lien waren zunächst die Isetta und ab 1960 der BMW 700 verantwortlich, während der BMW 600 vor allem in den USA größeren Anklang fand, diese ­Position jedoch durch den BMW 700 abgelöst wurde. Auch in Italien konnte der neue Kleinwagen im Automobilsektor erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg nennenswerten Absatz für das Münchner Unternehmen generieren. Zuvor hatte BMW zum einen nicht das Vertriebsrecht der Isetta für ­Italien besessen und zum anderen mit dem BMW 600 über kein konkurrenzfähiges Produkt gegenüber den italienischen Mitbewerbern. Die institutionellen Hemmnisse in Italien und darüber hinaus auch in Frankreich verhinderten allerdings bis einschließlich 1960 höhere Absätze in diesen ­ Ländern. Die Isetta erfreute sich auch 1960 in Europa mit 7 866 Einheiten noch einer nennenswerten Nachfrage, wovon der größte Anteil (7 268 Einheiten) in die EFTA-Staaten exportiert wurde, hier vermutlich vor allem nach Großbritannien.585 Im Allgemeinen waren für die signifikanten Absatzsteigerungen 1960 gegenüber den Vorjahren vor allem die Vorstellung des BMW 700 und seine hohe nationale als auch internationale Nachfrage verantwortlich. Während nach Lateinamerika erste ernst zu nehmende Kontakte im PKWBereich nach Argentinien und Uruguay aufgebaut wurden, waren auf den Kontinenten Asien und Afrika, wo sich BMW-Motorräder besonders stark verkauften, nahezu keinerlei Wagenabsätze zu verzeichnen. Gerade dort war die automobile Konkurrenz – auch aus Deutschland – bereits in den 1950er Jahren stark vertreten: VW etwa erreichte bis 1960 bereits eine hohe Fertigungstiefe in Afrika, insbesondere durch Direktinvestitionen in Südafrika mit der South African Motor Assemblers und Distributors Ltd. (SAMAD), BMW AG Interesse, die BMW-Isetta oder den BMW 600 anstelle des Iso-Produktes zu montieren. Allerdings kam es nicht zu einer Zusammenarbeit zwischen Romi SA und BMW, da vermutlich der italienische Lizenzgeber Rivolta dieser Übereinkunft nicht zustimmte, vgl. Protokoll Nr. 5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2. 585  Vgl. MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1.

2.5. Vertriebspolitik

205

an der der Wolfsburger Hersteller Ende der 1950er Jahre knapp 58 Prozent hielt.586 Überdies unterhielt VW neben einer Produktionsstätte in Brasilien auch in Australien ab 1959 eine Montage von Fahrzeugen, die von der 1957 gegründeten Tochtergesellschaft Volkswagen (Australasia) Pty. Ltd. vorbereitet und gesteuert wurde.587 Daimler-Benz hatte zwar mit dem politischen Umbruch in Argentinien im September 1955 starke finanzielle Einbußen hinnehmen müssen – erst 1958 wurde die Rechtmäßigkeit ihrer Direktinvestitionen von staatlicher Seite anerkannt –588 Daimler-Benz war jedoch ebenso wie VW bereits Ende der 1950er Jahre im Vergleich zu BMW äußerst global aufgestellt. Zwar nahm der Stuttgarter Hersteller sein Engagement in Lateinamerika sukzessive zugunsten des Verkaufs in Asien und Australien zurück, erwirtschaftete 1960 jedoch noch immer 14,5 Prozent seines gesamten Exportumsatzes in Mittel- und Südamerika, der somit den in der EWG erwirtschafteten Anteil von 11,6 Prozent überstieg. Während das regionale Exportmuster des Münchner Automobilherstellers in den 1950er Jahren also noch äußerst europazentriert war und erst allmählich Tuchfühlung mit weiteren, geographisch ferneren Absatzregionen aufgenommen wurde, verfügte VW über eine deutlich globaler ausgerichtete Außenhandelsstruktur. Auch Daimler-Benz wies bereits 1960 eine ausgewogene weltweite Umsatzstruktur auf mit 38,4 Prozent des Exportumsatzes in Europa, 14,5 Prozent in Nordamerika, 14,5 Prozent in Lateinamerika, 21,2 Prozent in Asien und Australien sowie 11,4 Prozent in Afrika.589 Das Stuttgarter Haus verfolgte im Gegensatz zu BMW frühzeitig eine Strategie diverser Direktinvestitionen im Ausland, um seinen Export möglichst rasch auszuweiten und sich global aufzustellen. Die BMW AG hingegen setzte, auch aufgrund der kleineren Unternehmensgröße und der finanziellen Schieflage, weiterhin primär auf das einfache Export­geschäft – also gemäß Uppsala-Schule auf die erste Stufe des Internationalisierungsmodells – und begann erst ab 1957 verstärkt mit der Vergabe von Montagelizenzen zur Marktpenetration, ohne sich jedoch hierbei direkt an den ausländischen Firmen im Sinne einer Direktinvestition zu beteiligen; entsprechende Offerten wurden stets negativ beschieden, wie etwa die Anfragen aus Indien oder Großbritannien zeigten. Durch den Versand von ­Teilesätzen an extern betriebene ausländische Montagewerke konnte allerdings dennoch bei BMW der Exportanteil am Gesamtumsatz entscheidend ausgebaut werden, wie Tabelle 20 in Kapitel 2.5.3 zeigte. Die Steigerung der Ausfuhr bedeutete bei BMW in den 1950er Jahren ­allerdings keine parallel verlaufene Zunahme des Exportumsatzes; insbesondere während der ersten Internationalisierungsphase kam es zu einer diver586 

Vgl. Lupa, Volkswagen Chronik, S. 48. Vgl. ebd., S. 50. 588 Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 217, Tabelle D.6 und S. 234. 589  Vgl. ebd., S. 258, Tabelle D.14. 587 

206

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

gierenden Preispolitik für den In- und Auslandsabsatz, die oftmals dazu führte, dass BMW an exportierten Fahrzeugen aufgrund falscher Kalkulationen und zu niedriger Margen eine negative Fahrzeugrendite erwirtschaftete. In Kapitel 2.4.1 ist bereits eingehend auf die unterschiedliche Preispolitik im In- und Ausland auf Modellebene eingegangen worden. Innerhalb der ­Geschäftsleitung in München hatten einige Stimmen im Direktorium, wie ­Grewenig oder der ihm unterstehende Exportleiter Krüger, wiederholend die Wichtigkeit des Exports betont, den bisweilen skeptischen Einschätzungen des Kollegiums zum Trotz, die wiederum eine Belieferung des Binnenmarktes priorisierten. Im Sinne eines Plädoyers für den Außenhandel leitete Exportleiter Krüger den Bericht seiner Südamerikareise 1957 wie folgt ein: „Wenn auch das Inlandsgeschäft die Basis eines Werkes ist, so ist der Export doch nicht nur ein notwendiges Übel, sondern wichtig. 1. Er bringt zusätzliche Umsätze, die im deutschen Markt nicht drin stecken, er schafft somit breitere Basis für Fabrikation. 2. Er ermöglicht gewissen Ausgleich der Verkaufssaison. 3. Er ist Gradmesser für Konkurrenzfähigkeit des eigenen Produktes. 4. Er festigt den internationalen Ruf eines Werkes und damit wiederum das Ansehen im Ausland. Der Export muss jetzt Märkte gewinnen, von denen man später ausgeschlossen werden würde.“590

Diese Einleitung ähnelte nahezu einer Verteidigungsschrift für das Ausfuhrgeschäft und lässt die Skepsis erahnen, der sich Grewenig und Krüger im Unternehmen gegenübersahen. Diese gründete sich allerdings auf den bis ­dahin dilettantisch durchgeführten Kalkulationen und der hierauf fußenden Absatzplanung des Ein- und Verkaufsressorts. Mit dem Eintritt des für die Sanierung des Unternehmens durch den Aufsichtsrat 1957 bestellten Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm zeigte dieser deutlich die bisherigen Missstände auf. So existierte bis 1957 keine zielgerichtete Exportsteuerung auf der Grundlage von belastbaren Marktuntersuchungen. Vielmehr wurden die Umsatzprognosen einschließlich ihrer Verkaufsplanungen bis 1957 anhand von allgemeinen Schätzungen durchgeführt, wie bereits mehrfach in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt wurde. Daraufhin gab RichterBrohm im Mai 1957 eine nochmalige Prüfung sämtlicher Auslandsmärkte sowie der Exportabsatzplanung in Auftrag. Ziel war es, die „in Frage kommenden Exportquoten genau zu ermitteln und gegebenenfalls auch zu individuellen Preisfestsetzungen, abgestimmt auf die Markt- und Konkurrenzlage im einzelnen Land, zu gelangen.“591 Der neue Vorstandsvorsitzende hatte ferner festgestellt, dass die Preisgestaltung der im Ausland abgesetzten Fahrzeuge mit zu den finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens beitrug. Auf Grundlage seiner Beurteilung der unbefriedigenden Rendite im Exportgeschäft ließ er den Auslandsabsatz zu Gunsten vorteilhafterer Inlandsverkäufe herabsetzen. Überdies sollten zwingend bessere Preisabsprachen mit den Auslandshändlern unter genauer Ermittlung der erzielbaren Erlöse unter 590  591 

Bericht Südamerika-Reise Dr. Krüger vom 28. 11. 1957, in: BMW UA 131/1. Protokoll Nr. 6/57 der Vorstandssitzung vom 09. 05. 1957, in: BMW UA 107/1.

2.5. Vertriebspolitik

207

Berücksichtigung der Preis- und Konkurrenzsituation im jeweiligen Exportland erwirkt werden und als Folge nur noch in diejenigen Märkte geliefert werden, in denen die höchsten Gewinne erreicht werden konnten. Falls nicht ein Mindestpreis erzielt werden konnte, sollte laut Vorstandsbeschluss dem Inlandsgeschäft den Vorzug gegeben werden. Erst im Mai 1957 wurde eine bis dahin nicht existierende allgemeine Richtlinie für die Bildung der Exportpreise bei BMW vom Vorstand verabschiedet.592 Zuvor hatte eine vage Festformel bestanden, nach der die Exportpreise mit Hilfe von Rabattierungen praktisch einheitlich festgelegt wurden, anstatt den jeweiligen speziellen Marktverhältnissen im einzelnen Land entsprechende individuelle Preise zu bilden.593 Erneut zeigte sich die Exportabteilung unter Krüger nicht in der Lage, diesem Vorstandsauftrag nachzukommen und legte erst Anfang 1958 eine entsprechende Untersuchung vor, die die Grundlage für das Auslandsgeschäft für das laufende Jahr hätte sein sollen und noch immer Defizite enthielt. Künftig sollte laut Richter-Brohm diese Aufstellung vierteljährlich überprüft und aktualisiert werden.594 Die notwendige Bearbeitungszeit von mehreren Monaten, die der Exportleiter und seine Mitarbeiter für die Ana­ lyse benötigten, verdeutlichten die vorherrschenden Missstände und die ­notwendige Energie, um die Exportabteilung auf einen akkuraten und den Anforderungen entsprechenden Arbeitsstand zu bringen. So führte der Vorstandsvorsitzende neben den bereits angeführten Maßnahmen auch sogenannte Preisgleitklauseln für den Teileversand ein, um zu erwartende Lohnkosten und Materialpreissteigerungen in die Preisbildung mit einzubeziehen bzw. einen Puffer einzukalkulieren. Dieses Vorgehen sollte rentablere Margen gewährleisten.595 Bis 1959 hatte sich im Hinblick auf die Exportpreis­ bildung die neue Faustregel etabliert, dass diese im Durchschnitt etwa um 33 Prozent unter den Inlandspreisen liegen sollten, je nach marktspezifischer Anpassung. Diese Richtlinie wurde bei allen BMW-Fabrikaten in etwa eingehalten mit Ausnahme der BMW Isetta, bei welcher der Exportpreis im Verhältnis zum Inlandspreis zwischenzeitlich wesentlich höher lag, während ihr Exportumsatz zugleich am niedrigsten war. Daraufhin wurden partielle Preissenkungen eingeleitet, um ihren Absatz im Ausland erneut anzukurbeln und somit die Lagerbestände abzubauen.596 Diese Ausführungen zeigen, dass bis zu der Berufung von Richter-Brohm im BMW-Verkaufsressort, vor allem im Export, keine abgestimmte, auf validen Kalkulationen ruhende Absatz- und Preisbildungspolitik bestand. Ent592 

Vgl. Protokoll Nr. 7/57 der Vorstandssitzung vom 14. 05. 1957, in: ebd. Vgl. Protokoll Nr. 11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: ebd. 594 Vgl. Protokoll Nr. 1/58 der Vorstandssitzung vom 08. 01. 1958, in: BMW UA 107/2. 595 Vgl. Protokoll Nr. 16/57 der Vorstandssitzung vom 25. 11. 1957, in: BMW UA 107/1. 596 Vgl. Protokoll Nr. 1/59 der Vorstandssitzung vom 21. 01. 1959, in: BMW UA 107/3. 593 

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

sprechende Entscheidungen wurden mehrheitlich situativ und ohne Bezug auf die landesspezifische Ausgangssituation getroffen und führten dazu, dass oftmals die Gewinne im Inland durch das Exportgeschäft nivelliert wurden. Diese Verkaufs- und Vertriebspolitik war mit verantwortlich für die desolate Lage des Münchner Unternehmens, die in der Krise des Jahres 1959 mündete. Belastbare Prozesse, die sich sukzessive in der Unternehmenspraxis institutionalisierten, hielten somit erst gegen Ende der 1950er Jahre Einzug und strukturierten erst dann das Auslandsgeschäft. In diesem Sinne kann das Jahr 1957 als Zäsur gewertet werden: Durch die eingeleiteten Maßnahmen wurde – trotz der kurzzeitigen Fokussierung auf das Inlandsgeschäft – das Exportgeschäft auf profitablere Beine gestellt und der Anteil der Ausfuhr am Gesamtumsatz, mit Ausnahme der genannten Binnenmarktfokussierung im ­Jahre 1958, gesteigert.

2.6. Kommunikationspolitik Im Verlauf dieses Kapitels soll aufgezeigt werden, dass in den 1950er Jahren die Ebene der Produktkommunikation bei BMW besonders stark ausgeprägt war. In einem ersten Schritt wird zunächst die organisationale Kommunika­ tionsstruktur bei BMW während der 1950er Jahre skizziert. Eine eigenständige Kommunikationsabteilung oder gar ein eigenständiges Ressort für die Öffentlichkeitsarbeit, wie man es heute in großen und mittelständischen Unter­nehmen kennt, existierte bei BMW in den 1950er Jahren noch nicht. Kommunikation wurde sozusagen „im Vorbeigehen“ von den jeweiligen Abteilungen erledigt, insofern sie themenbezogen den entsprechenden Bereich betraf. Einzige Ausnahme bildete die Fakultät der Werbung, die bereits ­frühzeitig als eine dem Verkauf zugeordnete selbstständige Einheit geführt wurde:597 Werbung verfolgte in erster Linie das Ziel der unmittelbaren Absatzförderung. Der Verkauf wiederum war bei BMW, bis zur Einrichtung des Ressorts „Ein- und Verkauf“ Ende 1956, dem Kaufmännischen Bereich und damit Direktor Grewenig unterstellt. Dieser zeichnete somit nicht nur seit 1948 für den Vertrieb im Allgemeinen einschließlich aller Exportangelegenheiten Verantwortung, sondern auch für alle Belange der Kommunikation inklusive der Werbung. Diese wurde gestaltet, ohne sich auf profunde Unterstützungsarbeit von einer Marktforschungsabteilung zu stützen, denn diese wurde erst 1957 etabliert. Grewenig machte Anfang 1954 dennoch einen Vorstoß zur Strukturierung der Kommunikation abseits der reinen Absatzförderung und eruierte Möglichkeiten, die Öffentlichkeitsarbeit der BMW AG zu professionalisieren und hierbei ebenfalls offene Chancen im Ausland zu nutzen. Hierfür nahm er Kontakt auf mit einer externen Firma namens

597 

Vgl. Organigramm der Verkaufsabteilungen, 1953, in: BMW UA 71/1.

2.6. Kommunikationspolitik

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LIFE International mit Sitz in London. Bei einem formlosen Mittagessen mit einem ihrer Berater sondierte er die Potentiale, die in der Kommunikationsarbeit für das Münchner Unternehmen erreichbar schienen. In einer wenig später schriftlich eingereichten Bestandsaufnahme der Agentur fiel das Urteil des externen Beraters über die aktuelle Lage der BMW AG nüchtern aus: „Ihr spezielles Problem, durch die vielen Schwierigkeiten bis zum Neuanlauf Ihrer Produktion erschwert, liegt sicher etwas anders als bei den uebrigen deutschen Automobil- und Motorenwerken. Sicher waere es sinnlos[,] eine weitverbreitete Nachfrage im Ausland zu erzeugen bis zu dem Moment[,] wo Ihre Verkaufsorganisation auf dem Weltmarkt in der Lage ist[,] Ihren speziellen Kundenkreis zu befriedigen. Auf der ­anderen Seite verstaerkt sich der Konkurrenzkampf von Monat zu Monat, und ich wuerde denken[,] dass die momentane Aufgabe darin besteht[,] den Kontakt aufrechtzuhalten, die negativen Aspekte, wie z. B. Preisgestaltung, verspaetete Produktion, etc. zu einem Positivum zu wandeln, indem BMW von sich erzaehlt und diese Tatsache erklaert. Kurz, eine Public Relations Kampagne durchfuehrt. Der daraus entstehende Good Will wuerde ein unbezahlbares Sprungbrett fuer den Moment bauen, wo neue Modelle und ein bestimmter Kundenkreis verfuegbar sind. Wenn BMW wieder als identisch mit hervorragendster Qualitaet und Leistung etabliert ist, wird auch der etwas hoehere Preis als selbstverstaendlich akzeptiert werden.“598

Die Erkenntnisse dieses Treffens einschließlich des Ratschlags, eine PRKampagne durchzuführen, die auf Anraten der Firma LIFE International offensiv mit den aktuellen Problemlagen in der Öffentlichkeit umgehen und diese proaktiv thematisieren sollte, wurden von Grewenig nie an seine Vorstandskollegen weitergeleitet. Der Schluss liegt nahe, dass der Kaufmännische Leiter es nicht als weise ansah, die Schwierigkeiten des Unternehmens in den Mittelpunkt zu rücken und auf ihnen basierend eine kostenintensive PR-Kampagne aufzubauen. Für derlei kommunikative Aufwände hatte BMW zu dieser Zeit weder die Mittel noch das risikofreudige, an der eigenen Struktur Kritik übende Selbstverständnis. Die ernüchternde Analyse des externen Beraters führte zu der Erkenntnis, dass BMW Anfang der 1950er Jahre – zumindest im automobilen Bereich – kaum Positives zu berichten hatte, was die Möglichkeiten der Kommunikationsarbeit abseits des Motorrad­ segments stark einschränkte. Der defensive Umgang mit dieser externen Problemanalyse sowie bei der Darstellung des eigenen Unternehmens ist keineswegs untypisch für das Handeln der deutschen Wirtschaft während der Nachkriegszeit und der 1950er Jahre, sondern vielmehr symptomatisch. Während die Open-DoorPolicy bereits in den 1940er Jahren wesentlicher Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit in den USA war, legten deutsche Unternehmen eine ausgesprochene „Öffentlichkeitsscheu“ an den Tag, wenn es um die Thematisierung der eigenen Unternehmensbelange ging. Diese Scheu bestand branchenübergreifend, wie Hilger in ihrer Analyse eindrucksvoll an den Beispielen der 598  Schreiben

von Hart, Mitarbeiter der PR-Agentur Life International, London, an den Kaufmännischen Direktor der BMW AG Grewenig vom 02. 02. 1954, in: BMW UA 132/1.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Firmen Henkel, Siemens und Daimler-Benz herausarbeitete.599 So plädierte der Henkel-Firmenjustitiar Brandt noch 1962, dass „nach wie vor so wenig wie möglich publiziert werden sollte“,600 obgleich diese restriktive Ein­ stellung zeitgenössische unternehmensinterne Kritik evozierte und somit nicht unumstritten war. In diesem branchenübergreifenden Kontext muss der ­Vorstoß Grewenigs aus dem Jahr 1954 und seine Konsultation der externen ­PR-Beratung sogar als ausgesprochen zukunftsorientiert gewertet werden, gleichwohl sich auch die BMW-Geschäftsleitung, ähnlich wie viele Führungsgremien der deutschen Wirtschaft, letztlich scheute, Mitte der 1950er Jahre eine offensiv geprägte PR-Kampagne, die die eigenen Unternehmensprobleme aktiv thematisierte, tatsächlich umzusetzen. Wie viele andere Kommunikationsprozesse, hatte sich in den 1950er Jahren bei BMW auch der Umgang mit der Presse noch nicht institutionalisiert und schlug sich demgemäß noch nicht gebündelt in einer organisationalen Unternehmensstruktur nieder. Pressearbeit wurde themenbezogen von der jeweiligen Fachabteilung geleistet; in der Regel betraf dies den Verkaufs­ bereich, der Grewenig unterstand, und wurde auch als „Pressewerbe-Angelegenheiten“ bezeichnet.601 Pressearbeit wurde in diesem Sinne während ersten Phase der Internationalisierung primär pragmatisch abgewickelt und als unmittelbare Verkaufsförderung interpretiert. Kommunikation, an dieser Stelle auf den vereinfachten Nenner der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung reduziert, unterlag zu dieser Zeit keinem anderen Korrektiv als dem Vorstand und den Absatzzahlen. Somit konnte es durchaus vorkommen, dass vereinzelt Formulierungen von Pressemitteilungen auf Vorstandsebene diskutiert wurden.602 Kommunikation, so zeigt sich auch auf organisationaler Ebene, wurde bei BMW auf Grundlage besten Wissens und Gewissens von Direktor Grewenig und den ihm unterstellten Abteilungen für das Unternehmen gestaltet. Von einer Kommunikationspolitik oder gar -strategie kann während der Nachkriegszeit bis etwa 1957 in der Münchner Zentrale also nicht die Rede sein. Dies betraf nicht nur die kommunikative Arbeit nach außen, sondern ebenso nach innen, was durch das Fehlen einer Werkszeitung zum Ausdruck kam; ein solches internes Kommunikationsmedium für die eigenen Mitarbeiter wurde bei BMW erst wieder im Jahre 1973 eingeführt und existierte somit 29 Jahre lang nicht.603 599 

Vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 260–269. Ebd., S. 262. 601  Protokoll Nr. 11/58 der Vorstandssitzung vom 07. 05. 1958, in: BMW UA 107/2. 602  Vgl. ebd. 603 Vgl. Protokoll Nr. 26/73 der Vorstandssitzung vom 26. 10. 1973, in: BMW UA 851/1. Bei BMW gab es seit der Einstellung des internen Kommunikationsmediums „BMW Blätter“ im Jahre 1944 demnach bis 1973 keine Werkszeitung, denn bei der Zeitschrift „Wir von BMW“, die von 1957 bis 1961 erschien, handelte es sich um eine Zeitschrift rein für die BMW-Händlerschaft. 29 Jahre lang führte BMW demnach keine Werkszeitung, dabei können diese gemäß Berghoff als wichtige Kommunikations600 

2.6. Kommunikationspolitik

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Mit dem Amtsantritt des neuen Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm 1957 führte dieser eine erste Differenzierung von Journalistenanfragen ein, indem er zwischen den oben genannten „Pressewerbe-Angelegenheiten“ einerseits, die weiterhin routinemäßig durch den Verkauf abgewickelt werden sollten, und andererseits zwischen „sämtliche[n] Anfragen seitens der Presse, die das Unternehmen als solches betreffen“, unterschied.604 Letztere sollten künftig grundsätzlich an den Vorstandsvorsitzenden weitergeleitet werden, der somit maßgeblich auf die Außendarstellung und -wahrnehmung des Unternehmens als Ganzes Einfluss üben wollte, insbesondere in den unruhigen Zeiten der Firmensanierung. Darüber hinaus ließ er bei der Werbeabteilung einen Pressedienst einrichten, der aus der Tages- und Wochenpresse einen Medienspiegel zusammenstellte und dem Vorstand sowie je nach Interessenbereich ebenfalls weiteren Abteilungen des Hauses übergeben wurde.605 Richter-Brohm erwartete vor allem von den führenden Mitarbeitern des Unter­nehmens, über die aktuelle Medienlage genauestens im Bilde zu sein. Diese Beispiele belegen, dass mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden ab 1957 die ersten zarten Pflänzchen für eine institutionalisierte Kommunikations­ politik gesetzt wurden, gleichwohl diese noch nicht in einen eigenständigen Funk­tionsbereich zusammengeführt wurde. In den ersten Jahren nach 1945 stand mit der Rückkehr auf die Mobilitätsmärkte vor allem die Produktkommunikation im Vordergrund. Wichtigste Plattform, um nicht nur nationale, sondern ebenso grenzüberschreitende Resonanz zu erzielen, stellten die internationalen Ausstellungen dar, denen als Kommunikationsmedium Nummer Eins seitens der BMW-Geschäftsführung ein von Anbeginn an großes Gewicht beigemessen wurde. Bereits in den Jahren 1948/49 war BMW mit der BMW R 24 an namhaften Ausstellungen in Genf, New York, Kopenhagen sowie London beteiligt und versäumte nicht, dieses Engagement auch in den Geschäftsberichten regelmäßig hervorzuheben.606 Zur Jahreswende 1952/53, als der Münchner Hersteller bereits einige instrumente gewertet werden, die Ausdruck eines modernisierten paternalistischen Unternehmenskulturmodells sind, dem sogenannten „bürokratischen Paternalismus“. Diese als Substitute wirkenden Instrumente zielen auf Kompensation der Lockerung bzw. des Verlusts des persönlichen Kontakts zwischen der Geschäftsführung und den Beschäftigten. Das Fehlen einer Werkszeitung in den 1950er und 1960er Jahren verweist auf eine geringer ausgeprägte sogenannte „gift relationship“ und somit auf eine größere Lücke in der Sozialbeziehung zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern bei BMW während dieser Zeit, vgl. Berghoff, Hartmut (1997): Unternehmenskultur und Herrschaftstechnik. Industrieller Paternalismus. Hohner von 1857 bis 1918, in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 23, Nr. 2, S. 167–204, hier S. 191. 604  Protokoll Nr. 1/57 der Vorstandssitzung vom 06. 03. 1957, in: BMW UA 107/1. Der Verkauf war somit unter anderem für die Erstellung sämtlicher Pressemappen zuständig, vgl. Protokoll Nr. 12/57 der Vorstandssitzung vom 26. 08. 1957, in: BMW UA 107/1. 605  Vgl. Protokoll Nr. 11/57 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1957, in: ebd. 606 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 34. Geschäftsjahr 1948/ 1949 und das 35. Geschäftsjahr 1950, 26. 04. 1952, in: BMW UU 29/10.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

Motorradmodelle auf den Markt gebracht hatte, jedoch nur mit einem PKWModell vertreten war, geriet die Quantität der Auftritte bei Motorrad- und Automobilausstellungen unternehmensintern in die Kritik. Die Bemühungen, „eine Erhöhung des Marktanteiles im Ausland durch laufende Beschickung von Ausstellungen und anderen Veranstaltungen erreichen zu wollen“,607 hatte nach Ansicht des Direktoriums zu auf die Dauer nicht tragbaren Belastungen geführt, die nicht in Relation zu den bisherigen Ergebnissen standen. Die Vielzahl dieser Teilnahmen wurde infolgedessen auf den Prüfstand gestellt und nur dasjenige Ausstellungsengagement sollte fortgesetzt werden, das im Sinne des Return on Investment rentabel erschien und darüber hinaus über internationale Reichweite verfügte. Trotz der geübten Kritik wurde jedoch klar, dass BMW nicht von derlei Veranstaltungen fernbleiben konnte, ohne dass sich dieser Schritt negativ auf die Verkaufszahlen und das Image ausgewirkt hätte. Überdies boten internationale Ausstellungen auch stets eine willkommene Möglichkeit des internationalen Benchmarks.608 Mit dem Ausbau des automobilen Modellprogramms und der weltweiten Verkaufstätigkeiten nahm auch die ineinander übergehende Komplexität des internationalen Ausstellungsgeflechts zu, die ebenfalls mit den Präferenzen seitens der Importeure zur Produktvorstellung in wichtigen Märkte abgestimmt wurden. Exemplarisch bedeutete dies die Koordination zum Ende des Jahres 1957 von drei Automobilmessen mit internationaler Reichweite – der Frankfurter IAA, dem Pariser Autosalon sowie des Londoner Earls Court – und dem Wunsch des US-Importeurs HMC, den BMW 600 zeitgleich mit der Produktvorstellung in Deutschland in den USA einzuführen.609 Mit dem wachsenden internationalen Engagement wuchs auch die Anforderung an die unternehmensinterne Koordination der internationalen Aktivitäten einschließlich der Kommunikationsarbeit; beides lag während der ersten Internationalisierungsphase zunächst im Kaufmännischen Bereich Grewenigs, wo sie den Verkaufsabteilungen zugeordnet waren, bis sie in das neue Ressort „Ein- und Verkauf“ unter Hof überführt wurden. Diese interne Reorganisation nahm auf die Gestaltung der internationalen Aktivitäten insofern Einfluss, als dass nun die Ergebnisse der grenzüberschreitenden Marktanalysen der neu geschaffenen Marktforschungsabteilung auf Geheiß Richter-Brohms sowohl intern an alle Verkaufsabteilungen tradiert wurden als auch die Grundlage bildeten für künftige Modellentwicklungen und Einfluss nahmen auf die Kommunikation im Rahmen der Werbung, worauf in Kapitel 2.6.2 näher eingegangen wird. 607  Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 37. Geschäftsjahr 1952, 1953, in: BMW UU 31/10. 608  Vgl. exemplarisch vgl. Protokoll Nr. 5/58 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1958, in: BMW UA 107/2. 609 Vgl. Protokoll Nr. 10/57 der Vorstandssitzung vom 16. 07. 1957, in: BMW UA 107/1.

2.6. Kommunikationspolitik

213

Ein weiterer wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit bestand aus der Teilnahme an nationalen und internationalen Rennsportereignissen, wobei die Werbewirksamkeit umso höher war, je renommierter die Veranstaltung war. Derlei sportliche Erfolge fungierten nicht nur bei BMW, sondern unternehmensübergreifend in der gesamten Automobil- und Motorradbranche als ideales Aushängeschild für die eigenen Produkte und auch Marke.610 Nicht nur BMW machte sich die mediale Wirkung dieser Rennsportaktivitäten zunutze, auch Daimler-Benz und andere Hersteller warben intensiv mit Rennerfolgen.611 Demgemäß wurden sie speziell in den 1950er Jahren wiederkehrend als wichtige Erfolge in den BMW-Geschäftsberichten öffentlichkeitswirksam aufgeführt.612 Sie waren ein beliebtes Marketingwerkzeug, und ihre Koordination war organisational ebenfalls dem Verkaufsbereich zugeordnet. Unter der Verkaufsleitung wurde somit bis Ende der 1950er Jahre ein bunter Reigen an unterschiedlichen Tätigkeiten zusammengefasst: die Verkaufs- und Fabrikationsdisposition, Händlerorganisation, Verkaufsförderung, Betreuung von Behörden- und Großabnehmer, Werbung, Statistik, Kundendienst, Ersatzteildienst, Rennen sowie Sport- und Zuverlässigkeitsfahrten.613 Auf die absatzfördernde und die das Renommee steigernde Wirkung dieser Siege ist bereits unter Abschnitt 2.3 eingegangen worden. Sie sollte jedoch an dieser Stelle als essentieller Teil der kommunikativen Unternehmenstätigkeit nochmals kurz aufgeführt werden. Unter Berücksichtigung des unausgewogenen Modellprogramms der 1950er Jahre stellte sich hier der Verkaufsleitung ein drängendes Problem: Zwar konnte man im Motorradsegment zahlreiche Siege kommunizieren, das automobile Produktspektrum bot allerdings kein adäquates Modell, das an Rennveranstaltungen hätte teilnehmen können. Hierfür kamen weder die Großen Wagen aufgrund ihres nachteiligen Leistungsgewichtes noch die BMW Isetta oder die aus ihr hervorgegangene Weiterentwicklung des BMW 600 in Frage.614 Erst mit dem BMW 700 konnte die sportliche Tradition bei BMW und die Teilnahme an diversen Rennveranstaltungen im automobilen Segment ab 1960 wiederbelebt werden. Die Öffentlichkeitswirksamkeit von sportlichen Wettkämpfen 610  Auch

Hilger stuft die Rennsporttätigkeiten von Automobilherstellern als wichtiges Mittel der Imagewerbung bzw. der Öffentlichkeitsarbeit ein, vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 270. 611  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 157–159. 612 Vgl. exemplarisch Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 38. Geschäftsjahr 1953, 1954, in: BMW UU 32/10. 613  Vgl. Aktenvermerk des Kaufmännischen Direktors Grewenig „Einstellung Dr. Krüger für den gesamten außereuropäischen Markt.“ vom 08. 12. 1953, in: BMW UA 132/1. 614  Stattdessen wurde bei BMW stolz das erfolgreiche Abschneiden des BMW 501 bei der ADAC Winterfahrt 1954, also bei dem ADAC-Test von Wagen auf vereister, schneeverwehter Straße, beworben. Hierbei wurde dieser Test durch die Bildersprache des Plakats, in Ermangelung von Rennsportaktivitäten, dieser wie eine wichtige Rennveranstaltung inszeniert, vgl. Plakat „Glänzender Erfolg des BMW 501“, 1954, in: BMW AF 19547/1.

214

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

blieb daraufhin über die Jahrzehnte bis in die Gegenwart bestehen, wie die Teilnahme zahlreicher Automobilhersteller an diversen Rennveranstaltungen unter Beweis stellt; einzig ihre Gewichtung innerhalb der Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich ihrer organisationalen Einbettung im Unternehmen, hat sich augenfällig verschoben. In den 1950er Jahren musste BMW also auf anderem Wege als durch sportliche Siege auf sein Automobilprogramm aufmerksam machen. Neben der bereits genannten Bestückung internationaler Ausstellungen ist hier vor ­allem Werbung im engeren Sinne gemeint, also Prospekte, Zeitungs- sowie Zeitschriftenanzeigen oder auch multimedialer Natur in Gestalt von TVWerbung. Hier stellt sich allerdings in Anlehnung an die in Kapitel 1.1 vorgestellten Leitfragen zwangsläufig die analytische Frage nach der Koordination dieser Werbetätigkeiten: Zeichnete BMW zunächst nur Verantwortung für das nationale Vertriebsgebiet oder wurden die Werbetätigkeiten zentral in München organisiert und an die einzelnen Auslandsvertretungen weitergegeben? Befasste sich die Zentrale fernerhin mit der Abstimmung eines national sowie international einheitlichen Markenauftrittes im Sinne einer Corporate Identity-Regelung, der alle In- und Auslandsvertretungen sowie -händler unterlagen? Diese Fragen soll in den sich hier anschließenden Abschnitten nachgegangen werden. 2.6.1.  Der Auftritt der Marke BMW weltweit So etwas wie eine präzise Corporate Identity gab es in den 1950er Jahren bei BMW noch nicht, weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene. Zwar wurden von der Münchner Verkaufsabteilung Anzeigenmatern und Diapositive an die deutschsprachige Händlerschaft ausgegeben, die ein gewisses einheitliches Erscheinungsbild der Produktkommunikation in der nationalen Werbelandschaft generierten, eine übergeordnete Regelung im Sinne einer Corporate Identity oder gar einer Fachstelle, die die Einhaltung eben dieser Richtlinien kontrollierte, existierten jedoch nicht. Insofern bestand für die deutsche Händlerorganisation ein gewisser Interpretationsspielraum, der sich entlang der von der Münchner Zentrale ausgesprochenen Empfehlungen entfaltete. Dies betraf mehr den individuellen Auftritt der einzelnen Händlerbetriebe als die geschaltete Werbung. Hierbei darf ebenso nicht außer Acht gelassen werden, dass in den 1950er Jahren kaum exklusive BMW-Vertretungen existierten. Für die Umstellung der Vertriebsorganisa­ tion auf eine Vielzahl an Exklusivhändlern mussten eine gewisse Unter­ nehmensgröße und eine hiermit einhergehende Umsatzmöglichkeit für die assoziierte Händlerschaft ­erreicht werden, die bei BMW bis in die 1960er Jahre jedoch nicht erzielt ­wurden.615 Da somit in den 1950er Jahren nahezu 615  Vgl.

Protokoll Nr. 8/57 der Vorstandssitzung vom 28. und 31. 05. 1957, in: BMW UA 107/1.

2.6. Kommunikationspolitik

215

alle Betriebe der BMW-Händler­organisation neben BMW ebenfalls andere Hersteller vertraten, wäre voraussichtlich jeder Versuch der Münchner Zentrale gescheitert, den Händlern hinsichtlich ihrer Repräsentanz weitgehende Vorschriften im Sinne einer Corporate Identity zu diktieren. Ausgenommen hiervon waren länderübergreifende Regelungen des BMW-Kundendienstes, für den im Zuge der ersten Internationalisierungsphase bereits frühzeitig verschiedene Vorgaben formuliert wurden, die allerdings vermehrt einen Empfehlungscharakter aufwiesen bzw. als solche von den Auslandsvertretungen interpretiert wurden.616 Gestaltete sich die Schaffung eines einheitlichen Markenauftritts bereits auf nationaler Ebene schwierig, so war dies in internationaler Hinsicht um ein Vielfaches komplexer. Die Kommunikationsmaterialien, primär Prospekte, wurden in Deutschland entworfen, gedruckt und im Anschluss an die entsprechenden Auslandsvertretungen versandt. Hierbei lehnte man sich an den deutschen Versionen an und erreichte dadurch eine gewisse, über die deutschen Landesgrenzen hinaus reichende Homogenität in Bildsprache und Aufbau der Kundenliteratur, da dieser Prozess zentral von der Verkaufsabteilung in München gesteuert wurde. Stets blieb am Ende des Textes der deutsche Firmenname Bayerische Motoren Werke AG als solcher bestehen und wurde in der Regel nicht übersetzt; nur in den US-Prospekten fügte man kleingedruckt die englische Übersetzung „Bavarian Motor Works“ hinzu.617 Den regionalen Anzeigenschaltungen im Bundesgebiet durch die einzelnen Händlerbetriebe ähnlich kam es auch in den verschiedenen Märkten, neben den zentral ausgegebenen Kommunikationsmaterialien, ebenso zur Schaltung lokaler Werbung, die nicht mit der Zentrale in München abgesprochen wurde und daher nicht auf ein homogenes Markenbild einzahlte.618 Eine Kontrolle der Auslandsvertretungen seitens der BMW-Zentrale fand während der ersten Internationalisierungsphase nicht statt. Hierfür war weder die kapazitative noch die budgetäre Ausstattung gegeben und so beschränkte sich die Unterstützung der Importeure auf das Angebot einiger zentral ausgegebenen Kommunikationsmittel, die hierdurch einem allzu heterogenen Markenauftritt weltweit zumindest in Ansätzen entgegenwirken sollte. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Prospekte kam es hingegen durchaus zu Abweichungen von den Schwerpunkten, die im deutschsprachigen Raum gesetzt wurden. In dem folgenden Kapitel 2.6.2 soll auf diesen Punkt näher eingegangen und die Öffentlichkeitsarbeit im Sinne von Reklame und allgemeinen Kommunikationsmedien kurz eruiert werden. 616 Vgl.

Ausführung zu dem Schweizer Importeur Drenowatz, der in diesem Hinblick aus Sicht der BMW-Zentrale vorbildlich agierte, vgl. Kapitel 2.5.2.3. 617  Vgl. exemplarisch Prospekt „BMW 600“, 06. 1958, in: BMW AK 743/25. 618 Vgl. exemplarisch Plakat “If you are an EXPERT Driver – BMW…”, 1955, in: BMW AF 5870/1; Werbemotiv “How to Assemble a Saturday in Spring”, 03. 1960, in: BMW AF 21136/1.

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2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

2.6.2.  Internationale Werbung (Markt- und Produktkommunikation) Wie in den vorangegangenen Abschnitten mehrfach herausgearbeitet wurde, nahm Richter-Brohm bei seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender umfassende Reorganisationsmaßnahmen vor und somit maßgeblichen Einfluss auf die Kommunikationsarbeit der BMW AG. Insbesondere bei seinem Amtsantritt im Jahre 1957 ließ er diverse Neuerungen einführen, wie etwa eine Marktforschungsabteilung und einen Pressedienst. Im Sommer wurde überdies auf seine Anregung hin von der Werbeabteilung, der BMW-internen Marktforschung sowie der für BMW seit Anfang der 1950er Jahre tätigen Werbeagentur Dorland eine gemeinsame Untersuchung durchgeführt,619 welche Art der Werbung für die verschiedenen BMW-Fabrikate am zweckmäßigsten und wirkungsvollsten sei: „Die Arten der Werbung, an die in diesem Zusammenhang gedacht ist, sind im wesentlichen Inserate in der allgemeinen Tagespresse und in der Fachpresse, Kinoreklame, Ausstellungen Händler- und Pressezusammenkünfte, Leuchtschriftreklame, Inserate in Illustrierten u. a. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist dem Vorstand vor der Deutschen Automobilausstellung, das heisst Mitte September 1957 vorzulegen.“620

Leider liegen die Ergebnisse der im Zitat erwähnten Analyse nicht vor, allerdings lässt sich aus ihrer Beauftragung eine zunehmende Sensibilität gegenüber der Werbewirksamkeit im Allgemeinen und vor allem der Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen den einzelnen Fertigungsgruppen ab­leiten, die auf jeweils unterschiedliche Kundenkreise zugeschnitten werden musste. Sie steht ferner für den allmählichen Versuch deutscher Firmen, Anschluss an die Entwicklungen der von den USA ausgehenden Strömungen hinsichtlich der Unternehmenskommunikation zu suchen. Durch den Einfluss der Marktforschung hatte in den USA der Bereich der „Corporate Public Relation“ seit dem Zweiten Weltkrieg einen enormen Zuwachs erhalten. Die Entwicklung einer solchen unternehmerischen Kommunikationspolitik vollzog sich hingegen in Deutschland wesentlich langsamer, so dass die deutsche Wirtschaft im Hinblick auf ihre Erkenntnisse, Methoden und Institutionen der Öffentlichkeitsarbeit Mitte der 1950er Jahre etwa dort stand, wo die US-Wirtschaft Anfang der 1920er Jahre gestanden hatte.621 Die Etablierung der Marktforschungsabteilung und ihre Abstimmung mit anderen Fach­stellen sowie die Konsultierung externer Expertise sind Ausdruck dieser Bemühungen, die bei BMW durch Richter-Brohm angestoßen und sukzessive etabliert wurden. In der Regel schaltete die BMW-Zentrale überregionale Plakate und Anzeigen, während die einzelnen Händlerbetriebe mit Diapositiven und Kleinanzeigen warben, für die sie unterstützende Vorlagen aus München erhielten – ein Vorgehen, das zeitgleich einen überregional einheitlichen Werbeauftritt ermöglichen sollte. Oftmals schlossen Pressemappen und -meldungen mit 619 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 471; Biss, BMW Motorrad, S. 33. Protokoll Nr. 10/57 der Vorstandssitzung vom 16. 07. 1957, in: BMW UA 107/1. 621  Vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 260f. 620 

2.6. Kommunikationspolitik

217

dem Abbinder „BMW… eine Klasse für sich“ ab.622 Die Motorradwerbung knüpfte nahtlos an die Kommunikation der Vorkriegszeit an, im Vordergrund standen die technische Überlegenheit und Präzision, Sportlichkeit und der hohe Freizeitwert der Zweiräder aus München. Diese Tonalität – in Wort und Bild – musste sich allerdings für die automobilen Produkte grundlegend wandeln. Das Unternehmen hatte hier in der Werbung zwangsläufig neue Wege des Kommunikationsstils einzuschlagen, da die Nachkriegswagen, anders als beim Motorrad, nicht an die Modelle der Zwischenkriegszeit ­ ­anknüpften.623 Da die Großen Wagen im oberen Bereich des PKW-Segments positioniert wurden, musste sich als logische Konsequenz der Werbeauftritt für diese Produkte dem neuen gehobenen Anspruch anpassen. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch kein einheitlicher Slogan für die Marke BMW. Ein solcher wurde erst 1965 mit „Aus Freude am Fahren“624 als ein alle Produkte der BMW AG vereinender Slogan eingeführt.625 In den 1950er Jahren kam es vielmehr zu einer weitreichenden Diversifizierung in der Werbung mit einer ausgeprägten produktspezifischen Anpassung je nach Produktgruppe. In diesem Sinne hieß es mit der Einführung der Großen Wagen für eben diese künftig: „Auto fahren viele. BMW fahren Anspruchsvolle.“626 Auch stilisierte sich das Unternehmen gern als weltweit etablierter Konzern und platzierte in dieser Manier die V8-Automobile der Oberklasse als „Wagen von Welt“.627 Bei der Produktkommunikation der luxuriösen Baureihe stand ferner das ­soziale Prestige des Fahrzeugs und seines Fahrers im Mittelpunkt. Diese ­Produktsprache wurde auch in den Prospekten aufgenommen, in denen eine Klientel zu sehen war, die beispielsweise im edlen Gewandt auf dem Weg zu einer Abendveranstaltung, inmitten einer Jagdgesellschaft oder – wie ­Grunert es ausdrückte – allgemein in einer Umgebung zu sehen war, „in der finanzielle Nöte keinen Platz“ hatten.628 Im Vergleich hierzu schlug die Werbe­sprache der BMW Isetta einen akzentuiert sorglos fröhlichen Ton an, der weder mit humoristischen Zeichnungen noch mit Reimen sparte. Der Produktspruch „Freude haben, Kosten sparen, BMW Isetta fahren“629 fasste 622 

„BMW… eine Klasse für sich“, 09. 1958, in: BMW MK 271/10. Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 471. 624  Biss, BMW Motorrad, S. 37 625  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 475. 626 Anzeigen-Mater „Auto fahren viele, BMW fahren Anspruchsvolle“, 1955–1956, in: BMW AF 14178/2; Werbemotiv „Auto fahren viele – BMW fahren Anspruchs­ volle!“, 1956–1960, in: BMW AF 4150/1. 627  Anzeigen-Mater „Wagen von Welt BMW V8“, 1957–1958, BMW AF 14179/4. 628 Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 471. Vgl. exemplarisch Zeichnung „BMW 502, Bild aus einem BMW Katalog von 1955“, 1955, in: BMW AF 8582/1; Zeichnung „BMW 507 Touring Sport Titelbild (Zeichnung) eines Verkaufsprospekts“, 1955, in: BMW AF 2748/1; Plakat „Aus der Reihe der großen BMW Achtzylinder – BMW 507“, 1958, in: BMW AF 5213/1. 629  Anzeigenmater „Freude haben, Kosten sparen, BMW Isetta fahren“, 1955–1957, in: BMW AF 13651/3. 623 

218

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

demgemäß zusammen, wofür die BMW Isetta stand und sollte vor allem ­einen Kundenkreis ansprechen, der erstmals ein Automobil oder die BMW Isetta als Zweitwagen – beispielsweise für die Hausfrau – erwarb. Ergänzt wurde diese Werbung durch einen humoristischen Werbefilm im Comicstil, den Rolf Kauka, dem Zeichner von Fix und Foxi, im Auftrage von BMW Mitte der 1950er Jahre anfertigte. Der BMW 600 fügte sich in diesen Werbestil als eine aus der BMW Isetta hervorgegangene Weiterentwicklung nahtlos ein.630 Während sich in der Zwischenkriegszeit die Produktkommunikation durch ähnliche Verkaufsmaßnahmen ausgezeichnet hatte, differierten nun die Verkaufsansprachen der einzelnen Produktsegmente bis in die 1960er Jahre hinein deutlich; somit drohte, die „gemeinsame Markenherkunft […] hinter den einzelnen Modellen und Baureihen zu verschwinden.“631 Mitte der 1950er Jahre präsentierte sich BMW gern als Unternehmen mit Weltformat, wortwörtlich als die „Weltmarke aus München“,632 und spielte diese Facette in ihren unterschiedlichen Ausprägungen auch in der Werbung. Neben der bereits erwähnten Einführung der Achtzylinder als Wagen von Welt ist ebenso iterativ die Rede vom V8-Wagen mit „hohem internationalen Format“.633 Diese Bemühungen um den Stand eines in der Welt etablierten Unternehmens konnte bisweilen überzogene und nebulöse Züge annehmen, als es beispielsweise in einem Werbemotiv für den BMW 501 heißt: „Ein wundervoll sportlicher Wagen der internationalen Sonderklasse. Elegant, bequem und besonders sicher durch BMW Vollschutzrahmen und BMW Lenkung.“634 Diese Reklame scheint in zweifacher Weise ironisch, da der BMW 501 weder besonders sportlich war noch über einen besonders internationalen Charakter verfügte, wie durch seine Exportzahlen belegt werden kann. Die Betonung des internationalen Formats war jedoch eine der wenigen Konstanten, die in allen Fertigungsgruppen wiederkehrend aufgegriffen wurde und somit ein der Marke BMW zuzuordnendes und alle Segmente vereinendes Attribut darstellte. Nicht nur den großen Baumustern wurde auf diesem Wege ein internationales Image verliehen, sondern auch der BMW Isetta, die mit einem „erprobten 250ccm-BMW-Motor, den die Welt bewundert“,635 ausgestattet war. In Diapositiven, die von der Münchner Zentrale für die 630  Die englische Entsprechung legte mehr Gewicht auf die ökonomischen Vorzüge des BMW 600 und lautete: „BMW 600 – First in Value, Economy and Comfort“, vgl. Prospekt „BMW 600“, 10. 1957, in: BMW AK 734/20. 631  Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 472. 632  In einem Werbespot für die BMW Isetta, der in seiner Tonalität vor allem sehr fröhlich und einem Kleinstwagen entsprechend sehr alltagsnah ist, wird eingangs ein BMW 507 eingeblendet mit den gesprochenen Worten „Die Weltmarke aus ­München“, vgl. BMW Werbespot: BMW Isetta / BMW 600, 1955–1959, in: BMW AM 26/10. 633 Anzeigen-Mater „Der repräsentative Achtzylinder von hohem internationalen Format“, 1955–1956, in: BMW AF 14177/4. 634 Werbemotiv „BMW 501 mit dem berühmten Zweiliter-Motor“, 09.  1954, in: BMW AF 13411/1. 635  Triebel, Marketingloch, S. 52.

2.6. Kommunikationspolitik

219

Vertriebsorganisation bereitgestellt wurden, bewarb man ebenfalls die Motorradbaumuster mit dem Slogan „BMW Motorräder in aller Welt“ 636 und bildete hierfür eigens eine Weltkarte mit angedeuteten BMW-Handelsströmungen in diverse Absatzregionen ab. Auch im weiteren deutschsprachigen Raum wurde die Werbetonalität der Münchner Zentrale von den Auslandsvertretungen teilweise aufgenommen. Ein Werbemotiv des Schweizer Importeurs für BMW-Wagen titulierte 1955 mit der Überschrift „Die europäische Linie“, die über einer luxuriösen BMWLimousine und einer historischen europäischen Statue prangte.637 Zugleich verdeutlicht dieses Motiv, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine internationale Corporate Identity bestand, waren Logo und Schriftzug der Importeursfirma MOTAG doch recht willkürlich in die Anzeige gesetzt und überdies das „O“ des Firmennamens durch ein BMW-Logo ausgetauscht worden. Dieser freie Umgang mit Logo und Firmennamen sowie eine hohe Heterogenität im Markenauftritt weltweit unterstreichen, dass keine einheitlichen oder gar rechtlich bindenden Regeln gegenüber den Importeuren zur Gestaltung von Kommunikationsmitteln existierten. Das Attribut „europäisch“ und insbesondere „Die europäische Linie“ wurden als Stilmittel für die Produktkommunikation der Großen Wagen eingeführt, die in der Werbung als Ausdruck für zurückhaltende, klassische – europäische – Eleganz vorgestellt wurden. Zeitnah zu ihrer Einführung wurden sie als Vertreter des „European Look“ präsentiert und diese Eigenschaft, die „Europäische Linie“, als Grund für ihre Beliebtheit in den USA beworben.638 Eine solche Nachfrage hatte jedoch gar nicht bestanden, wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich gemacht wurde. Die BMW-Verkaufsabteilung versuchte, durch die europäische Eleganz in Übersee einen Mehrwert zu generieren und stellte diese wiederum in der Kommunikation auf den europäischen Märkten als positives Erkennungsmerkmal ­heraus. Das schweizerische Werbemotiv ist somit weiterer Ausdruck für den in den 1950er Jahren als schick geltenden Ruf einer Weltmarke, den sich BMW mit Hilfe der Kommunikationspolitik selbst zu geben suchte. In der englischsprachigen Kommunikation kamen ebenfalls die europäische Linie sowie die Hervorhebung des internationalen Formats der Marke BMW und ihrer Produkte zum Tragen.639 Demgemäß wurden werbende Texte oftmals mit Aussagen eingeleitet wie: „The name of BMW has been linked for decades all over the world with cars of advantage design, high per636 

Diapositiv „BMW Motorräder in aller Welt“, 1956–1960, in: BMW MF 3344/4. Werbetext schließt mit den Worten: „Das ist die europäische Linie, gepaart mit technischer Sauberkeit, Zuverlässigkeit und einem Namen von Weltruf.“, vgl. Werbemotiv „Die europäische Linie“, 1955, in: BMW AF 14180/10. 638  Vgl. exemplarisch Werbemotiv BMW 501 A 501 B 502 „Die europäische Linie…“, 06. 1953–06. 1954, in: BMW AF 12212/1. 639  In einem V8-Prospekt für den BMW 502 warb man beispielsweise mit der Aus­ sage: „The powerful Eight-Cylinder car with international reputation.“, vgl. Prospekt „BMW 502 V8“, 1954, in: BMW AK 602/20. 637  Der

220

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

formance and outstanding quality.“640 Die BMW Isetta führte man in den USA ein mit den Worten “Now… Europe’s Hit Car Is Here“641 sowie „It is a delight to own the BMW Isetta“.642 An der europäischen Herkunft als Aufhänger hielt man ebenso bei der Vorstellung des BMW 600 fest, der durch den US-Importeur als „BMW Isetta 600 – America’s Most Distinguished ­Imported Economy Car“ präsentiert wurde.643 Die Produktbezeichnung des BMW 600 als BMW Isetta 600 war de facto falsch. Hiermit suchte jedoch der US-Importeur Fadex eine Verbindung zu dem bereits bekannten und durchaus erfolgreichen Produkt Isetta herzustellen, um den Wiedererkennungswert in der Öffentlichkeit zu steigern. Interessanterweise wurden während der ersten Internationalisierungsphase die internationalen Märkte mit Kundenliteratur versorgt, in denen der Titel „BMW 502 Achtzylinder“644 (1957) nicht übersetzt wurde, sondern als deutscher Eigentitel bestehen blieb. Dies legt die Vermutung nahe, dass hier bewusst das Deutsche als positiv besetztes Verkaufskriterium im Sinne eines „Made in Germany-Gütesiegels“ genutzt werden sollte.645 Diese Annahme wird gestützt von der Tatsache, dass in früheren Prospekten (1955) die Produktbezeichnung noch übersetzt wurde, es sich also später offenbar um eine bewusste Entscheidung für die Verwendung des deutschen Titels handelte.646 Auch in diesen Materialien zeigte sich, dass es in den 1950er Jahren noch keinen einheitlichen BMW-Slogan gab und so schlossen die Prospekte für gewöhnlich mit produktspezifischen Abbindern wie etwa „From the range of great BMW eight cylinders“ ab.647 Diese Produktslogans wurden in München zentral und ihrem ungefähren Sinn nach in die Sprachen Französisch und Spanisch übersetzt.648 Bei den Translationen konnte es allerdings zu g­ ewissen 640  Prospekt „BMW 501 Six-Cylinder – Eight-Cylinder“, 05. 1955, in: BMW AK 582/20. 641  Prospekt „Isetta 300 Now… Europe’s Hit Car Is Here“, 05. 1957, in: BMW AK

666/25. 642  Prospekt „Introducing Isetta USA model“, 10. 1956, in: BMW AK 657/25. 643  Prospekt „BMW 600“, 06. 1958, in: BMW AK 743/25. 644  Prospekt „BMW 502 Achtzylinder“, 09. 1957, in: BMW AK 600/20. 645  Der Versuch, an die früheren Erfolge auf den Exportmärkten durch die Referenz auf den deutschen Ursprung anzuknüpfen, war eine gängige Praxis bei deutschen Firmen nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotz NS-Verbrechen und Weltkrieg erfreuten sich deutsche Industriegüter mit dem Prädikat „Made in Germany“ weltweit nach wie vor eines guten Rufes, vgl. Fäßler, Peter (2006): Streitobjekt „Warenzeichen“. Deutschdeutscher Wettbewerb um Tradition, Vertrauen und Legitimation, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Jg. 93, Nr. 3, S. 283–303, hier S. 283. 646  Vgl. Prospekt „BMW 501 Six-Cylinder Eight-Cylinder“, 09. 1955, in: BMW AK 586/20. 647 Prospekt „BMW 502 Achtzylinder“, 09. 1957, in: BMW AK 600/20. Auch hier spiegelt sich die Heterogenität in der Werbedarstellung wider, da der Ausdruck BMW eight cylinder mal groß, mal klein sowie mal mit und ohne Bindestrich geschrieben wurde. 648 Vgl. Prospekt „Les grands huit cylindres européens, 502, 503, 507“, 1957, in: BMW AK 609/30. Diese Kundenliteratur wurde auch für den deutsch- und englischsprachigen Raum gedruckt, vgl. Prospekt „Die großen europäischen Achtzylinder

2.6. Kommunikationspolitik

221

Unterschieden zwischen den einzelnen Märkten kommen, da der Wortlaut der Kundenliteratur mitunter nicht wortwörtlich, sondern dem Markt entsprechend angepasst wurde. In Frankreich, wo die BMW Isetta durch die ­Vélam Isetta einen ausgesprochen schweren Stand hatte, wurde sie sachlicher eingeführt, als es beispielsweise in den USA der Fall war, mit dem Satz „Ceci parle en faveur de BMW Isetta“.649 Es existierten also einige Prospekte und Pressemappen, die zentral für einige Märkte in den jeweiligen Landessprachen ausgegeben wurden; dies betraf vor allem die Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch sowie in einigen wenigen Fällen auch Spanisch.650 Die monetären Schwierigkeiten der BMW AG Ende der 1950er Jahre hatten auch auf den Werbeetat maßgeblichen Einfluss und so wurden die Ausgaben für Werbung 1959 aufgrund der angespannten finanziellen Lage und der Einsparungsmaßnahmen, die jedes Ressort betrafen, gekürzt. Im Frühjahr des Krisenjahres 1959 wurde letztlich ein rigoroser Auftragsstopp für Werbung erteilt, um die Kosten der Verkaufsabteilung maßgeblich zu reduzieren.651 In den ersten neun Monaten des Jahres 1959 wendete das Münchner Unternehmen lediglich 718 121 DM für Insertionen auf; eine im bundesdeutschen Vergleich geringe Werbebudgetierung, denn selbst die NSU-­Werke stellten für diesen Bereich in demselben Zeitraum circa eine Mio. DM bereit. Andere größere Hersteller wie Ford investierten sogar knapp 4,0 Mio. DM für den deutschen Markt.652 Im Vergleich hierzu war der Werbeaufwand amerikanischer Firmen der Automobilindustrie in den USA ungleich höher, wie auch der Markt im Vergleich zu Europa wesentlich größer und die Rolle der Werbung weiter vorangeschritten war.653 General Motors investierte hierfür beispielsweise 110,6 Mio. US-Dollar, Ford 61,7 Mio. US-Dollar und selbst Studebaker-Packard 9,3 Mio. US-Dollar.654 Im Gegensatz hierzu waren die deutsche Werbelandschaft und das für sie aufgewandte Budget lediglich kleine Fische. Eine Konzeptionsvorlage der damals von der Münchner Zentrale beauftragten Werbeagentur Dorland aus dem Jahre 1957 gibt überdies Auskunft, dass der Fokus der BMW AG hinsichtlich der Werbemittelverteilung deutlich auf dem Automobilsegment lag und weitaus weniger finanzielle Werbemittel in die Motorradsparte flossen. Dies war eine logische Konsequenz aus dem Strukturwandel der Mobilitätsmärkte, denn auch bei BMW überragten 502, 503, 507“, 1957, in: BMW AK 609/10; Prospekt „The Distinctive European 8-Cylinder Cars 502, 503, 507“, 07. 1957, in: BMW AK 609/20. 649  Prospekt „Ceci parle en faveur de BMW Isetta“, 05. 1957, in: BMW AK 662/30. 650  Vgl. „BMW Pressemappe IFMA 1951 in Frankfurt“, 1951, in: BMW MP 1/10. 651  Vgl. Protokoll Nr. 5/59 der Vorstandssitzung vom 10. 04. 1959, in: BMW UA 107/3. 652  Vgl. Verkaufsentwicklung und Verkaufsorganisation, 1957–1959, in: BMW UA 131/1. 653 Deutsche Unternehmen wollten verhindern, dass der deutsche Verbraucher den Eindruck gewinnt, die Kosten würden an ihn weitergereicht und er würde für „zuviel Werbung“ zahlen, vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 211 654  Vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 211, Tabelle 4.

222

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

seit 1955 die Einnahmen des PKW-Bereichs die Umsätze des Zweiradgeschäftes.655

2.7. Zwischenfazit Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Niederlage Deutschlands hatte die BMW AG als Rüstungsbetrieb ihre wirtschaftliche Grundlage verloren. Ähnlich der Situation nach dem Ersten Weltkrieg verfügte das Unternehmen nach Einstellung der zivilen Produktion während des Zweiten Weltkrieges als nun primärer Flugmotorenhersteller mit dem BMW 801 lediglich über ein Produkt, das gemäß den alliierten Beschränkungen nicht mehr gefertigt werden durfte. Nicht nur die in den ehemals besetzten Gebieten liegenden, erst durch den Zweiten Weltkrieg hinzugewonnenen sogenannten Frontreparaturwerkstätten und Verlagerungsbetriebe im Ausland waren verloren, auch die deutschen BMW-Werke waren stark von den alliierten Restriktionen und der Demontage betroffen, der überwiegende Teil an Konstruktionszeichnungen der zivilen Produktpalette von Automobilen und Motorrädern verschwand mit der sowjetischen Beschlagnahme des Werks in Eisenach. Mit einer Notproduktion vor allem von Kochutensilien, Landwirtschaftsgeräten sowie den Einnahmen aus dem Reparaturbetrieb KOMD der US-Army konnte die BMW-Geschäftsleitung die ersten Jahre der Nachkriegszeit mehr schlecht denn recht überbrücken. Während BMW bereits 1948 auf den Zweiradmarkt zurückkehrte, verzögerte sich die Vorstellung des ersten Nachkriegsautomobils der Marke BMW bis Ende 1952. Diese verspätete Rückkehr als PKW-Hersteller brachte das Münchner Unternehmen gegenüber den in- und ausländischen Mitbewerbern in Verzug und führte zu dem Verlust wertvoller Marktchancen sowohl im In- als auch im Ausland. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen also die Motorrad- und die Automobilsparte der BMW AG verschiedene Entwicklungen, die insbesondere durch ihren unterschiedlichen Internationalisierungsgrad zum Ausdruck kam. Während sich BMW mit den Motorrädern vor allem im Segment der schweren Maschinen (500-ccm-Hubraum und aufwärts) rasch wichtige Anteile nicht nur in Deutschland, sondern auf den Märkten weltweit sicherte und in diesem Bereich zum führenden deutschen Hersteller aufstieg, konnten die neupositionierten BMW-Wagen die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen. Mit den folgenden Produkterweiterungen zeichnete sich das automobile Modellspektrum in den 1950er Jahren durch eine ausgesprochene Heterogenität aus: Mit der BMW Isetta gelang es der Geschäftsleitung zwar nennenswerte Anteile in dem für BMW neuen Kleinstwagensegment auch auf den ausländischen Märkten zu gewinnen, was zuvor mit den vorwiegend in Deutschland abgesetzten Baumustern der 655  Für weiterführende Details zur BMW Motorrad Werbegeschichte, vgl. Biss, BMW Motorrad, Kapitel IV.2, S. 131–143.

2.7. Zwischenfazit

223

Oberklasse nicht gelungen war. Im Folgenden mangelte es allerdings weiterhin in der Modellpalette an einem Mittelwagen, der an die für die Marke charakteristischen Werte der Vorkriegszeit hätte anknüpfen und somit die ­Erwartungen der ehemaligen BMW-Kunden und Händler erfüllen können. Während sich also das Motorradgeschäft trotz des zurückgehenden Absatzes auf dem Binnenmarkt, infolgedessen es sich zunehmend internationalisierte, erfolgreich entwickelte und die Produktpolitik nahtlos an die Vorkriegszeit anschloss, hatte das Produktmanagement im PKW-Bereich schwerwiegende Folgen. Ein attraktives Produktportfolio bildete die Ausgangsbasis, um Händler und Käufer für sich zu gewinnen. Hierdurch gestaltete sich der Wiederaufbau der Händlerorganisation im In- und Ausland äußerst schwierig. BMW verfolgte in den 1950er Jahren keine dezidierte Vertriebsstrategie und somit blieben viele Schritte während der ersten Internationalisierungsphase dem Zufall überlassen. Dies spiegelte sich auch in der Unternehmensorganisation wider, in der es an klaren Strukturen mangelte. Zahlreiche Händler hatten sich bereits anderen Herstellern zugewandt oder gaben durch die Einführung von vertraglichen Exklusivitätsklauseln den Vertrieb von BMW-Wagen auf, der einen im Vergleich zu größeren Herstellern geringeren Umsatz in Aussicht stellte. Im Ausland setzte BMW zunächst auf die Wiederaufnahme von Kontakten zu den bewährten Vorkriegsvertretungen, was jedoch nur in einigen wenigen Fällen gelang. In den überwiegenden Märkten sah sich die Verkaufsabteilung gezwungen, neue Verbindungen aufzubauen. Hierbei verließ man sich oftmals auf Empfehlungen bestehender Kontakte, vor allem seitens der etablierten ausländischen BMW-Importeure, und nicht zuletzt auf die Intuition;656 fundierte Analysen einer Marktforschungsabteilung hielten erst Ende der 1950er Jahren durch die Einrichtung einer entsprechenden Fachabteilung sukzessive im Hinblick auf Produktgestaltung und Markterschließung Einzug. Fernerhin wies der BMW-Vorstand, der seinen Fokus während der ersten Internationalisierungsphase noch primär auf den Binnenmarkt setzte, eine ausgesprochen defensive Haltung bei der Akquise neuer Handelspartner im Ausland auf: Im Wesentlichen wurden Interessenbekundungen an die Geschäftsleitung herangetragen und hierüber situativ im Vorstand entschieden.657 Während 656  BMW

stellte hier keinen Sonderfall dar, denn auch größere deutsche Mitbewerber wie Daimler-Benz folgten in den 1950er Jahren bei der Auswahl von Auslandshandelsvertretungen und Montagepartnern eher dem Zufall denn einer ausgeklügelten Strategie, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 207. Zugleich muss jedoch betont werden, dass der Stuttgarter Hersteller bei der internationalen Unternehmensausrichtung ungleich strukturierter vorging und von Anbeginn an dem Ausfuhrgeschäft eine größere Rolle zuwies, wie exemplarisch die Gründung eines eigenen Vorstandsressorts Export belegte, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 282. 657  Informationen über die anfragenden Betriebe wurden oftmals durch bestehende Kontakte – andere BMW-Importeure oder in dem jeweiligen Land bereits etablierte deutsche Unternehmen oder Institutionen, wie etwa die Deutsche Bank oder das deutsche Generalkonsulat, – eingeholt, vgl. Protokoll der Vorstandssitzung Nr. 10/57

224

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

dieser Zeit kann man von einer vornehmlich zufallsgetriebenen Vertriebspolitik des Münchner Unternehmens sprechen, das über keine standardisierten Prozesse zur Erschließung neuer Märkte und Betreuung der Auslandsvertretungen verfügte. Des Weiteren mangelte es dem Unternehmen an international versiertem Personal sowohl auf Führungsebene als auch im Mittelmanagement. Das unausgewogene Automobilportfolio, das ferner auf fatalen Fehlkalkulationen ruhte, führte gemeinsam mit einer mangelnden Struktur in Entwicklung und Verkauf zu der bislang schwersten Krise der BMW AG, die 1959 beinahe in dem Verlust der unternehmerischen Selbstständigkeit mündete, der nur knapp abgewendet werden konnte. Wie international aber war die BMW AG während der 1950er Jahre? Zu dieser Zeit legte sie den Fokus ihres Wagenabsatzes eindeutig auf den Binnenmarkt. Vornehmlich durch den Vertrieb von Motorrädern – nicht zuletzt durch den florierenden Handel mit verschiedenen behördlichen Institutionen weltweit – wurde das Ausfuhrgeschäft des Münchner Herstellers forciert und erreichte rasch einen Exportanteil an der Zweiradproduktion von 20 bis 30 Prozent, auch die Exportquote am Gesamtumsatz stieg hierdurch zwischenzeitlich auf fast 20 Prozent, wurde jedoch empfindlich von dem Strukturwandel der Mobilitätsmärkte und ihrer Entwicklung vom Zweirad- hin zum Automobilmarkt beeinflusst. Die Motorräder leisteten einen essentiellen Beitrag zum positiven Image der Marke, indem sie an die BMW-Vorkriegswerte anknüpften. Das Markeneimage wurde somit auch in denjenigen Ländern aufrechterhalten, in denen kaum bzw. keine Automobile aus München verkauft wurden; sei es aufgrund der späten Rückkehr des Unter­ nehmens zur PKW-Produktion oder bedingt durch landesspezifische Restriktionen, die den Import von BMW-Wagen aus den in den vorangegangenen Kapiteln genannten Gründen unterbanden. Der Name BMW wurde also in der Nachkriegszeit vor allem durch die exportierten Zweiräder aus München im Ausland tradiert. Ferner zeigte sich in dieser Phase deutlich, dass die vier Bereiche des klassischen Marketing-Mix – Product, Price, Place, Promotion – in keiner Weise in der Automobilsparte aufeinander abgestimmt waren. Das Produkt war am Markt vorbeientwickelt, fand demgemäß im Vertrieb keine nennenswerte Nachfrage und ermöglichte hierüber weder eine kostengünstige Serienfertigung noch einen strukturierten Aufbau des Vertriebsapparates. Die Märkte wurden erst ab 1957 durch die neu installierte Marktforschungsabteilung analysiert, bis zu einer ausgewogenen Markterschließungsstrategie sollten allerdings noch einige Jahre vergehen. Die Kommunikation bewegte sich in dem Bereich des Möglichen, konzentrierte sich allerdings vor allem auf den deutschsprachigen Raum. Zentrale Kommunikationsmittel wie Prospekte wurden zwar von München aus in Englisch, Französisch und ­vereinzelt auch in Spanisch versandt, die Importeure verfügten jedoch über vom 16. 07. 1957, in: BMW UA 107/1; Protokoll der Vorstandssitzung Nr. 1/58 vom 08. 01. 1958, in: BMW UA 107/2.

225

2.7. Zwischenfazit

einen großen Spielraum, was zu einem weltweit heterogenen Markenauftritt führte. Im Sinne des Prinzipal-Agenten-Theorems war das Verhalten der ­Importeure opportunistisch geprägt, da sie ihren eigenen Interessen näher standen als denen des Münchner Stammhauses, das kaum über Mittel zur Kontrolle verfügte. Die nicht aufeinander abgestimmten 4 Ps führten das Unternehmen in einen Teufelskreis, der von Triebel auch als Marketingkrise interpretiert wurde.658 Um die geringen Auslandsaktivitäten der BMW AG während der 1950er Jahre besser nachvollziehen zu können, sind in Tabelle 25 alle ihre wesentlichen Finanzkennzahlen aufgeführt. Aus diesen Zahlen wird ersichtlich, dass BMW in der Anfangszeit ein vergleichsweise kleines Unternehmen war, das sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand. Auf die Gründe, die zu dieser finanziellen Schieflage führten, ist in den vorangegangenen Kapiteln detailliert eingegangen worden, weshalb sie an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Unterstrichen soll jedoch werden, dass sich BMW in einer Abwärtsspirale befand, die der Geschäftsleitung nicht erlaubte, nennenswerte Investitionen zu tätigen, die allerdings für die Verbesserung des Produktportfolios, den Ausbau des Vertriebs und in weiteren Unternehmensbereichen notwendig gewesen wären. Während andere Firmen wie Daimler-Benz und Volkswagen stark expandierten, gingen die Mitarbeiterzahlen der BMW AG sogar zwischen 1950 und 1959 um 34,4 Prozent zurück, auch der Umsatz lag im Jahr der schwersten Unternehmenskrise 1959 nur bei 170,1 Mio. DM. Vor dem Hintergrund des engen finanziellen Spielraums wird nachvollziehbar, weshalb das Unternehmen keine Direktinvestitionen im Ausland ­tätigte. Nur durch eine nachhaltige finanzielle Konsolidierung, die ab 1960 durch die Unterstützung des neuen Hauptaktionärs Herbert Quandt möglich war, konnte sich BMW zu Beginn der 1960er Jahre aus dem Teufelskreis befreien und die Geschäftstätigkeiten im In- und Ausland ausbauen. 1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

1960

Umsatz 36,5 Exportanteil 14,0 am Umsatz (in %) Investitionen 3,5 in Sach­ anlagen Cashflow 3,5 Gewinn –1,8 Mitarbeiter 8 000

57,5 19,5

63,0 18,7

79,8 17,9

94,4 17,2

138,3 17,4

148,1 17,1

148,6 34,5

195,3 21,6

170,1 30,0

239,3 35,0

10,5

13,8

6,7

10,5

5,3

10,7

1,5

9,1

9,6

9,6

4,9 –1,1 9 500

6,4 –1,2 9 550

3,0 –1,1 9 201

5,6 0,1 8 009

3,5 0,1 6 907

–13,7 –0,1 5 757

–13,8 0,0 6 244

–16,6 –5,5 6 538

–8,6 -14,7 5 953

5,9 0,0 6 960

Tabelle 25: Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten (Angaben in Mio. DM), 1950–1961.659 658 

659 

Vgl. Triebel, Marketingloch, S. 60–62. Vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1950–1960.

226

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

BMW war während der ersten Phase der Internationalisierung ein rein deutsches Unternehmen mit ausschließlich deutschem Management, das weder Anteile an ausländischen Firmen hielt noch über Standorte im Ausland verfügte, mit der Ausnahme des kurzen Engagements in Kanada, das jedoch keiner langfristigen Internationalisierungsstrategie folgte, sondern vielmehr einer Fehleinschätzung und überstürzten Vertriebsoffensive geschuldet war. Für einen Ausbau der internationalen Geschäftstätigkeit, auch im Sinne von Direktinvestitionen, mangelte es neben der Erfahrung ebenso an entsprechenden Ressourcen im Management sowie im Finanzbereich. Der Export spielte bei der BMW AG aufgrund des vergleichsweise niedrigen Produktionsvolumens und der noch hohen Aufnahmefähigkeit des Binnenmarktes Anfang der 1950er Jahre eine nachgeordnete Rolle, wie der Exportanteil am Umsatz unterstreicht. Dies spiegelte sich ebenfalls in der Unternehmensorganisation wider, in welcher die Verkaufsabteilung dem Kaufmännischen Bereich zugeordnet war. Erst im Herbst 1956 wurde ein Ressort für den Ein- und Verkauf eingerichtet und es sollte noch bis Ende des Jahrzehnts dauern, bis ein eigenständiger Vorstandsbereich rein für den Verkauf eingerichtet wurde. Im Vergleich hierzu hatte der Mitbewerber Daimler-Benz bereits 1951 neben dem Verkauf Inland auch ein selbstständiges Ressort für den Export eingeführt und damit binnen kurzer Zeit die Exportquote, gemessen an der Produktion, von 34 Prozent (1951) auf 54 Prozent (1955) steigern können.660 Tabelle 26 zeigt den Exportanteil der BMW AG, gemessen an der Produktion und dem Umsatz, getrennt nach Automobil- und Motorradsparte.  661 

Export PKW (Stückzahl) Export ­Motorräder (Stückzahl) Exportanteil Umsatz (in %) Exportanteil PKW-Produk­ tion (in %) Exportanteil Motorrad-Pro­ duktion (in %)

1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

1960

0

0

0

336

524

1 892

3 053 12 293

8 887

6 088

22 837

3 045

5 934

6 103

5 258

6 077

6 912

k. A.

5 798

4 129

k. A.

k. A.

14,0

19,5

18,7

17,9

17,2

17,4

17,1

34,5

21,6

30,0

35,0

0,0

0,0

0,0

20,4

15,1

10,8

8,6

30,5

17,4

16,6

42,4

17,8

23,6

21,6

19,0

20,5

29,4

k. A.

106,8

57,7

k. A.

k. A.

Tabelle 26: Exportanteil an der Produktion und dem Gesamtumsatz der BMW AG, 1950– 1960.661

660 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 217, 282. Berechnungen, vgl. Memorandum „Studium des Exportmarktes und Er­ höhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Produktions- und Absatzstück661 Eigene

2.7. Zwischenfazit

227

Die Zahlen verdeutlichen, dass das Motorradsegment bis 1957 den Hauptanteil des Exports ausmachte. Der Einbruch der Zweiradmärkte weltweit traf auch die BMW AG schwer, allerdings vermochte sie den überwiegenden Teil des Verkaufsrückgangs auf dem deutschen Markt, der 1955/56 enorm war, bis einschließlich 1957 im Ausland abzusetzen. Der zusätzliche Export der Motorradlagerbestände von 1956 im darauffolgenden Jahr führte zu dem hohen Exportanteil des Jahres 1957, da aufgrund der hohen Restbestände mehr BMW-Krafträder ausgeführt als produziert wurden. Bemisst man die Ausfuhr allerdings an den Gesamtverkaufszahlen dieses Jahres, machte der Export nur 60,7 Prozent des Absatzes aus.662 Die Werte der Tabelle 26 zeigen ferner, dass die Ausfuhr von Automobilen bis Mitte der 1950er Jahre eine eindeutig untergeordnete Rolle spielte und sich kaum auf die Entwicklung des Umsatzes auswirkte. Erst mit der Vergabe von Montagelizenzen wurde ab 1957 ein signifikanter Einfluss auf das PKW-Exportgeschäft und dessen Anteil am Gesamtumsatz erzielt. Die Wagenausfuhr stieg gegenüber dem Vorjahr auf das Vierfache an und führte zusammen mit der Steigerung des Motorradexports zu einer Verdoppelung des Exportanteils am Gesamtumsatz auf 34,5 Prozent. Zugleich zeigen die Zahlen von 1958 aber auch, dass parallel die in der Ausfuhr erwirtschafteten Margen sanken, da die hohen Lagerbestände von 1957/58 die Geschäftsleitung zu Preisnachlässen im In- und Ausland zwangen (vgl. Kapitel 2.4.1, Tabelle 8). Eine Analyse des regionalen Exportmusters zeigte, dass in den 1950er Jahren vor allem die europäischen Märkte beliefert wurden. Das Handeln – sowohl im Vertrieb als auch bei Kooperationen in anderen Bereichen – war vor allem geprägt durch ein Netzwerk aus einigen europäischen Importeuren, zu denen bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine Handelsverbindung bestand. Dies entspricht Sullivans Annahme der „psychic dispersion“ und auch ­Luostarinens Annahme der lateralen Rigidität bei der Ausweitung der internationalen Tätigkeit einer Firma, die zunächst die Ausfuhr in Länder mit ­einer größeren lokalen sowie kulturellen Nähe vorzieht.663 Hierbei überwog Ende der 1950er Jahre im Automobilbereich mit rund 50 Prozent deutlich der in die EFTA exportierte Anteil gegenüber den EWG-Ländern mit knapp 20 Prozent.664 Die USA stellten zwar einen desiderablen Zielmarkt dar, ­jedoch gelang es dem BMW-Verkaufsressort nicht, gemeinsam mit dem Importeur zahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1; MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04.  1961, in: BMW UA 605/1; Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; Geschäftsberichte der BMW AG, 1950–1960; VDA (Hg.): TuZ 1957/58; Ders. (Hg.): TuZ 1958/59. 662  Vgl. Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1. 663 Vgl. Sullivan, Measuring the Degree of Internationalization, S. 332; Kutschker/ Schmid, Internationales Management, S. 1118f. 664  Vgl. MF-Mitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1.

228

2.  Phase I: Die Initialisierung der internationalen Ausrichtung

vor Ort eine effiziente Vertriebs- und Aftersales-Organisation aufzubauen. Darüber hinaus blieben dem Unternehmen lukrative Absatzchancen in mehreren Ländern – vor allem in Lateinamerika – in den 1950er Jahren gänzlich verschlossen, wobei oftmals nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu hohe Anforderungen generierten. Die BMW AG folgte bis Ende der Dekade also vornehmlich der Maxime des reinen Exportgeschäftes und verweilte somit im Sinne des Uppsala-Modells auf der ersten Stufe mit dem geringsten monetären Aufwand und Risiko. Mit Ausnahme der Vertriebsgesellschaft der BMW Canada Ltd., die nie einen tatsächlichen Wirkungsgrad erreichte und bereits 1964 wieder liquidiert wurde, tätigte BMW während der ersten Phase der Internationalisierung keinerlei Direktinvestitionen im Ausland. Erst ab 1957 wurden Lizenzen ins Ausland vergeben und somit neben dem Export die Montage als Marktpenetration im Ausland eingesetzt. Hierbei achtete das BMW-Direktorium allerdings nachdrücklich darauf, dass keine Direktinvestitionen in Form von Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligungen getätigt wurden: Das unternehmerische Risiko sollte stets bei dem Montagepartner ruhen. Auch dieses Vorgehen entspricht der lateralen Rigidität, durch die ein Unternehmen in fremden Märkten zunächst vertrauten Operationsfeldern den Vorzug gibt, neuen Aktivitätsformen hingegen mit Skepsis begegnet.665 Die Gründung der EWG sowie der EFTA hatte auf die deutsche Automobilindustrie einen nachhaltigen Einfluss, der jedoch erst in den 1960er Jahren zum Tragen kam. Die BMW-Geschäftsleitung war sich über die Wichtigkeit des europäischen Integrationsprozesses im Klaren und antizipierte eine Dualität beider Institutionen. Wie aufgezeigt wurde, waren die BMW-Ausfuhren in die EFTA-Staaten traditionell besonders hoch. Mit der Ambiguität zweier Handelsblöcke in Europa befürchtete man in München Einbußen bei dem Export in die EFTA-Länder, die „kaum durch eine Absatzsteigerung in den EWG-Ländern wettgemacht werden könnte“.666 Die Entwicklung der europäischen Integration wurde also von der BMW-Geschäftsführung zunächst primär skeptisch bewertet. Auf Anweisung des Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm wurde im Dezember 1957 ein Mitarbeiter bestimmt, der die ­Effekte des gemeinsamen europäischen Marktes auf das Unternehmen be­ obachten und alle hierzu relevanten Publikationen sammeln, auswerten und regelmäßig über diese Ergebnisse informieren sollte. Diese Aufgabe wurde der neu eingerichteten Marktforschungsabteilung zugeordnet und eine entsprechende Richtlinie auf den Weg gebracht.667

665 Vgl. Bäurle, Iris: Internationalisierung als Prozessphänomen. Konzepte, Besonderheiten, Handhabung, Wiesbaden 1996, S. 92–103. 666 Marktforschungsbericht der Verkaufsleitung „Der Weltexport deutscher Per­ sonenkraftwagen aller Hubraumklassen 1958/59“ vom Oktober 1960, in: BMW UA 2039/1. 667 Vgl. Protokoll Nr. 17/57 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1957, in: BMW UA 107/1.

2.7. Zwischenfazit

229

Auch wenn sich die internationale Ausrichtung der BMW AG in den 1950er Jahren – wie von dem Vorstand selbst bezeichnet – noch in den „Kinderschuhen“668 steckte, kann während dieser ersten Phase dennoch von einer Initialisierung der Internationalisierung des Unternehmens gesprochen werden. Erste Schritte zur Untersuchung ausländischer Märkte wurden eingeleitet, ebenso der Ausbau der Auslandsvertretungen. Gemäß dem ­ Chandlerschen Ansatz „structure follows strategy“669 schlug sich die ab Mitte der 1950er Jahre zunehmende internationale Ausrichtung sukzessive auch in der Unternehmensorganisation nieder, indem beispielsweise ein eigenständiges Vorstandsressort für den Verkauf gebildet wurde.

668  Schreiben der Direktoren Grewenig und Krafft von Dellmensingen an Dr. Baumann, Vizekonsul des Generalkonsulats der BRD in São Paulo, Brasilien, vom 04. 11. 1954, in: BMW UA 132/1. 669 Chandler, Alfred: The Visible Hand. The Managerial Revolution in American Business, Cambridge (Massachusetts) / London (England), 2. Auflage, 1978.

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung der BMW AG (1961–1970) 3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Die 1960er Jahre stehen vor allem für ein Jahrzehnt vielfältiger Transforma­ tionsprozesse, die sich auf wirtschaftlicher, politischer und gesamtgesell­ schaftlicher Ebene vollzogen. In dieser Zeit konkretisierten sich die Vor­ stellungen und expliziten Bemühungen auf dem Weg hin zur europäischen Integration. Hierdurch tarierte sich auch das internationale Politik- und Handelsgeflecht – vor allem in Europa – neu aus. In diesem Abschnitt sollen die wirtschaftspolitischen Entwicklungen, denen sich die Bundesrepublik ge­ genübersah, skizziert und ihr Platz auf der internationalen Bühne während der 1960er Jahre behandelt werden. In einem zweiten Schritt werden die hiermit einhergehenden Einflüsse auf die deutsche Automobilindustrie kon­ turiert und somit die Ausgangsbasis für eine Analyse der zweiten Internatio­ nalisierungsphase der BMW AG geschaffen. Aus ökonomischer Perspektive ging Mitte der 1960er Jahre die überpro­ portionale Wachstumsphase der „langen fünfziger Jahre“ – mit den höchsten Wachstumsraten, die Deutschland je verzeichnete – zu Ende. Infolge pendelten sich die noch immer hohen Quoten auf einem allgemeinen westeuropäischen Niveau ein.1 Der Wohlstand erreichte immer mehr Haushalte, auch die der Arbeiterfamilien, und der bundesdeutsche Lebensstandard stieg merklich an, was sich auch in einem zunehmenden Motorisierungsgrad ausdrückte, auf den im späteren Verlauf näher eingegangen wird. Weitestgehend einig ist man sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften darüber, dass sich von Mitte der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre ein „Wertewandlungsschub“ vollzog, der sich von den Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu den Freiheits- und Selbst­ entfaltungswerten entwickelte, also demnach zu Lasten der sogenannten „bürgerlichen Werte“ stattfand.2 Die „68er-Bewegung“ und die „Kommune I“ 1  Abelshauser

fasst den Abschnitt von 1949 bis 1966 als „lange fünfziger Jahre“ zu­ sammen, in denen die Bundesrepublik eine Phase überdurchschnittlicher Prosperität durchlief, vgl. Abelshauser, Werner: Die Langen Fünfziger Jahre. Wirtschaft und ­Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland 1949–1966, Düsseldorf 1987. Manche Autoren interpretieren auch die 1960er Jahre als lange Dekade, die von 1957 bis 1973 reichte, vgl. exemplarisch Metzler, Gabriele (2002): Am Ende aller Krisen? Politisches Denken und Handeln in der Bundesrepublik der sechziger Jahre, in: Historische Zeit­ schrift, Bd. 275, Nr. 1, S. 57–103, hier S. 57. 2 Tagungsbericht HT 2012: Gab es den Wertewandel?, 25.  09.  2012–28. 09. 2012, Mainz, in: H-Sozu-Kult, 18. 10. 2012. Für weiterführende Literatur zum Themen­ komplex Wertewandel, vgl. Inglehart, Ronald: Kultureller Umbruch, Frankfurt/M. 1989; Klages, Helmut: Wertorientierung im Wandel. Rückblick, Gegenwartsanalyse und Prognosen, 2. Auflage, Frankfurt/M. 1985. DOI 10.1515/9783110501292-003

232

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

sind Zeugnisse dieses Wertewandels, der zugleich eine kritische Öffentlich­ keit hervorbrachte, wie beispielsweise die zeitgenössische Perzeption der Spiegel-Affäre von 1962 bezeugte. Nach der langen Stabilitätsperiode unter Adenauer markierten die 1960er somit auch eine Phase des gesellschaftlichen Aufbruchs und der politischen Verunsicherung.3 Es musste ein neuer gesell­ schaftlicher sowie politischer Konsens gefunden werden, der mit dem neuen hohen Lebensstandard korrespondierte und die Frage des fairen sozialen Miteinanders löste. Zugleich waren die 1960er Jahre nach dem vorläufigen Höhepunkt des Ost-West-Konfliktes, der sich in der Doppel­krise des Mauer­ baus und der Kuba-Krise 1961/62 manifestierte, ebenso ein Jahrzehnt des kontrollierten Spannungsverhältnisses zwischen Ost und West, inmitten ­dessen die Bundesrepublik stand.4 Tabelle 27 zeigt die Wirtschaftsentwicklung anhand der Messwerte: Infla­ tion, Exportvolumen und reales Einkommen pro Kopf. Hierbei werden die Zahlen der Bundesrepublik und der Mitgliedsstaaten der OECD gegenüber­ gestellt, wodurch die außergewöhnlich hohen westdeutschen Wachstumsra­ ten bei zugleich niedriger Inflation deutlich zutage treten. Auch zeigt sich die starke Exportorientierung der westdeutschen Wirtschaft, die Westdeutsch­ land nicht zuletzt ebenso dazu verhalf, sich wieder als internationaler Partner zu etablieren. Tabelle 27 verdeutlicht überdies, dass sich mit den 1960er Jah­ ren das Wachstum dem westlichen Niveau anglich und auf „normale“ Wachs­ tumsquoten einpendelte. Periode 1948–1952 1953–1957 1958–1962 1963–1967 1968–1972 1973–1980

Reales Pro-Kopf-Einkommen

Inflation

Export (Volumen)

OECD

BRD

OECD

BRD

OECD

BRD

4,70 3,91 4,29 3,52 3,78 2,06

12,17 7,10 5,16 2,77 4,00 2,25

6,85 2,30 2,83 3,97 5,30 7,00

1,20 1,10 2,00 2,60 3,80 1,89

13,98 8,79 9,05 7,89 8,83 4,45

54,89 16,01 9,15 11,04 8,17 4,32

Tabelle 27: Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland und OECD (jährliche Wachstumsraten in Prozent).5

3  Vgl.

Schönhoven, Klaus (1999): Aufbruch in die sozialliberale Ära. Zur Bedeutung der 60er Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik, in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 25, Nr. 1, Bürgertum im „langen 19.Jahrhundert“, S. 123–145, hier S. 131. 4  Vgl. Metzler, Am Ende aller Krisen, S. 58. 5  Vgl. Tilly, „Deutsches Modell“, S. 229, Tabelle 1. Die OECD ging 1961 aus ihrer Vorgängerinstitution OEEC hervor, die seit 1948 bestand. Die Angaben vor 1961 um­ fassen also die OEEC-Mitgliedsstaaten. Für einen Überblick zu der Geschichte der OECD, vgl. Andersen, Uwe: Handwörterbuch internationale Organisationen, 2. Auf­ lage, Wiesbaden 1995, S. 373f.

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

233

Die Rezession von 1966/67 spielte hierbei eine nicht zu verachtende Rolle, deren psychische Wirkung allerdings weitreichender war als ihre tatsächli­ chen ökonomischen Folgen. Hier handelte es sich um eine wirtschaftliche Konsolidierung auf noch immer hohem Niveau: Dennoch wurde der deut­ schen Bevölkerung erstmals seit der Nachkriegszeit vor Augen geführt, dass die überdurchschnittlichen Wachstumsraten endlich und die scheinbar un­ aufhörliche Wohlstandssteigerung begrenzt waren. Das Bruttosozialprodukt sank um 0,2 Prozent, die Industrieproduktion um 2,7 Prozent und die Ar­ beitslosenquote stieg um das Dreifache auf 1,6 Prozent an.6 Ordnungspoli­ tisch bedeutete die Rezession eine wichtige Zäsur, da die Regierung nun auf vermehrt keynesianische Instrumente zurückgriff,7 während Bundeskanzler Ludwig Erhard zuvor vornehmlich auf die liberale Selbstregulation gesetzt hatte. Hier traten zwei einander überkreuzende Strömungen zutage, die seit circa 1957 – etwa mit der Verabschiedung des Rentenreformgesetzes – zu be­ obachten waren: Zum einen die Suche nach einer neuen wirtschaftlichen so­ wie gesellschaftlichen Ordnung und zum anderen ein grundlegender Struk­ turwandel von Wirtschaft und Gesellschaft, der im Folgenden kurz erörtert werden soll.8 Die sektorale Ausrichtung der westdeutschen Ökonomie und ihrer Be­ schäftigungsstruktur wandelten sich in den 1960er Jahren grundlegend. In der Agrarwirtschaft sank die Zahl der Beschäftigten von 5,9 Mio. (1949) auf 1,5 Mio. (1975), also um circa 75 Prozent. Die freigewordenen Arbeitskräfte wurden von dem sekundären Sektor aufgenommen, der bis Ende der 1960er Jahre anstieg, bis er von einer allmählichen „Deindustrialisierung“ 9 erfasst wurde, die die Bundesrepublik schrittweise auf den Weg zu einer Dienstleis­ tungsgesellschaft brachte. Diese Entwicklung vollzog sich nicht ad hoc, son­ dern über die Jahrzehnte hinweg. Während im sekundären Sektor vor allem das Metall- und Baugewerbe, die Elektro-, feinmechanische und chemische Industrie zulasten des Bergbaus, der eisenschaffenden sowie Textilindustrie das Wachstum beschleunigten, partizipierten an dem Zuwachs im tertiären Sektor alle Hauptgruppen (Handel, Verkehr, Finanzwesen, öffentlicher Dienst usf.) gleichermaßen.10

6  Vgl.

Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 150. Metzler, Am Ende aller Krisen, S. 59. 8  Vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 116–121. 9 Schröter, Harm: Von der Teilung zur Wiedervereinigung (1945–2000), in: North, Michael (Hg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, 2. Auf­ lage, München 2005, S. 356–426, hier S. 370. Schröter spricht zwar von einer einsetzen­ den „Deindustrialisierung“, die er bereits ab Mitte der 1960er Jahre verortet, dieser Begriff soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der deutschen Industrie noch immer eine enorm wichtige Rolle zukam, insbesondere auch im Export. 10  Vgl. ebd., S. 370f. 7  Vgl.

234

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Jahr

Primärer Sektor

Sekundärer Sektor

Tertiärer Sektor

1950 1957 1960 1965 1970 1975

22,1 15,8 13,3 10,9  8,9  6,7

44,7 47,6 48,4 48,1 48,6 44,7

33,1 29,7 30,8 41,0 42,5 48,6

Erwerbstätige (in 1 000) 23 489 26 084 26 653 27 157 26 617 26 020

Tabelle 28: Strukturwandel der westdeutschen Wirtschaft anhand der sektoralen Verteilung der Erwerbstätigen (Angaben der Wirtschaftssektoren in Prozent).11

Tabelle 28 zeichnet den Strukturwandel der Beschäftigten nach und zeigt den Anstieg der im tertiären Sektor Erwerbstätigen von 30,8 Prozent bzw. 8,2 Mio. (1960) auf 42,5 Prozent bzw. 11,3 Mio. (1970) auf. Die Zahl der im sekundären Sektor arbeitenden Erwerbstätigen war 1970 mit 48,6 Prozent bzw. 12,9 Mio. war hoch und machte noch immer den größten Anteil der Beschäftigtenstruktur aus. Im internationalen Vergleich zeigte die Bundes­ republik somit eine weitaus stärkere Industrieorientierung als andere Länder der EWG oder auch die der USA, wo 1960 nur noch 37,8 Prozent im sekun­ dären Sektor arbeiteten und der Dienstleistungssektor bereits 58,2 Prozent ausmachte.12 1965 stand die relative Ausdehnung der westdeutschen Indus­ triewirtschaft zwar in ihrem Zenit und trug zu mehr als der Hälfte des Bruttosozialproduktes bei, wozu auch die westdeutsche Automobil- und ­ chemische Industrie einen entscheidenden Beitrag leisteten, allerdings ent­ wickelte sich die Bundesrepublik nach 1965 weiter hin zu einer Dienst­ leistungs­gesellschaft,13 die sich gegen Mitte der 1970er Jahre auch in den ­relativen Zahlen ausdrückte (vgl. Tabelle 28). Auch der Arbeitsmarkt durchlief einen grundlegenden Strukturwandel: In Westdeutschland herrschte seit 1955 auf Bundesebene Vollbeschäftigung bzw. sogar ein Arbeitskräftemangel, das heißt Überbeschäftigung, die bis Ende der 1960er Jahre anhielt.14 In dieser Zeit wurden auch die Konsequen­ zen einer vernachlässigten Bildungspolitik deutlich, deren Ausgaben gemes­ sen am Bruttosozialprodukt Mitte des Jahrzehnts im internationalen Ver­ gleich unter dem Durchschnitt bei nur 3,0 Prozent lagen, während die USA 11 

Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 307, Tabelle 21. Vgl. ebd., S. 306, Tabelle 20. 13  Vgl. ebd., S. 305. 14  Vgl. Grüner, Stefan: Geplantes „Wirtschaftswunder“? Industrie- und Strukturpoli­ tik in Bayern 1945 bis 1973, München 2009, S. 419; Prollius weist zurecht auf den Einfluss des Mauerbaus 1961 auf den Arbeitskräftemangel der Bundesrepublik hin, vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 88. Insbesondere hochqualifizierte Arbeitskräfte, wie etwa Ingenieure, Techniker, Ärzte und auch Hochschullehrer, stell­ ten bis in die frühen 1960er Jahre einen Antrag auf Bundesnotaufnahme, vgl. Abels­ hauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 286. 12 

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

235

für den Bildungssektor 4,8 Prozent und Schweden sogar 6,8 Prozent auf­ wandten.15 Auch in der epochalen Gegenüberstellung fällt das Urteil über die Aufwände für die Bildungspolitik kritisch aus, denn die anteiligen Ausga­ ben für das Bildungswesen lagen sogar unter denjenigen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik.16 Als Konsequenz hieraus schrumpften mit dem Wachstumsboom die Qualitätsreserven des Arbeitsmarktes auf ein Mini­ mum, was jedoch zugleich eine Chance zum sozialen Aufstieg für weite Teile der westdeutschen Bevölkerung bedeutete. Zunächst musste allerdings der Arbeitermangel ausgeglichen werden, dem auf staatlicher Ebene mittels bila­ teraler Übereinkommen, beginnend 1955 mit dem deutsch-italienischen An­ werbeabkommen, entgegengesteuert wurde. Es begann die Zeit der Arbeits­ migration und der Gastarbeiter17 in Deutschland nach 1945, die mit dem Anwerbestopp 1973 durch die Bundesregierung beendet wurde,18 deren ­ Nachwirkungen jedoch in der Gesellschaft inklusive ihrer Unternehmen, in denen die Gastarbeiter beschäftigt waren, noch weit darüber hinaus andauer­ ten. In der Bundesrepublik stieg die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer in eineinhalb Jahrzehnten von 80 000 (1955) auf knapp 2,1 Mio. (1975) an, was gemessen an allen Erwerbstätigen einen Anstieg von 0,4 Prozent auf knapp 8 Prozent bedeutete. Dieser Wandel wurde begleitet von einer seit 1955 sin­ kenden Arbeitslosenquote, die zwischen 3,9 Prozent (1955) und 0,5 Prozent (1965) lag und erst Mitte der 1970er Jahre wieder auf knapp 4,0 Prozent (1975) kletterte.19 Diese Zahlen verdeutlichen den außerordentlichen Bedarf an Arbeitskräften in den 1960er Jahren, der dank der auf politischer Ebene unterstützten Anwerbung gedeckt wurde.20 Neben den zahlreichen interkul­ 15 

Vgl. ebd., S. 290. Vgl. ebd., S. 286–288. 17  Um den Begriff „Gastarbeiter“ ranken sich zahlreiche Diskussionen. Die Bezeich­ nung „Gastarbeiter“ ist zwar freundlicher als der aus der nationalsozialistischen Ge­ schichte heraus negativ konnotierte Begriff „Fremdarbeiter“, jedoch wurde auch sie durch den „ausländischen Arbeitnehmer“ ersetzt, der nach Familiennachzug letztlich „ausländischer Mitbürger“ (ohne Bürgerrechte) genannt wurde. Wie umstritten diese Terminologie damals war, zeigt ein im Jahr 1972 vom WDR anberaumtes Preisaus­ schreiben zur Begriffsfindung, das zahlreiche Vorschläge zutage brachte, die jedoch mitunter etwas kurios anmuteten, wie beispielsweise „Eurobrüder“ oder „Zeitkollege Süd“, vgl. Pagenstecher, Cord (1996): Die „Illusion“ der Rückkehr. Zur Mentalitäts­ geschichte von „Gastarbeit“ und Einwanderung, in: Soziale Welt, Jg. 47, Nr. 2, S. 149– 179, hier S. 151. Für den weiteren Verlauf der Arbeit soll sich auf die vollkommen wertneutrale Begriffsverwendung „Gastarbeiter“ geeinigt und im weiteren Verlauf auf die Anführungszeichen verzichtet werden. 18  Vgl. Nitsche, Verena: „Geräuschlose Integration“? Zur Situation der „Gastarbei­ ter“ bei BMW von 1955 bis 1973, Magisterarbeit, München 2012, S. 6. 19  Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 289f. 20  Hierbei handelte es sich nicht um ein deutsches Phänomen, sondern um eine euro­ päische Arbeitskräftewanderung, also um eine „organisierte Migration“ in Europa. Frankreich, Belgien, die Niederlande, Schweden und Österreich waren weitere Ziel­ länder hunderttausender Gastarbeiter, vornehmlich aus Italien, Spanien, Portugal, 16 

236

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

turellen Facetten der Migration und Akkulturation kam es zu dem bereits oben erwähnten strukturellen Effekt des Aufstiegs weiter Bevölkerungsteile Westdeutschlands, denen der Weg in höher qualifizierte Positionen geebnet wurde, indem die angeworbenen ausländischen Arbeiter die minderqualifi­ zierten Stellen ausfüllten. Beide Entwicklungen – die Anwerbung von Gast­ arbeitern und der sich hieraus ergebende Wandel der westdeutschen Beschäf­ tigtenstruktur – hatten maßgeblichen Einfluss auch auf die Automobilindus­ trie. Zum einen hatte sie als wichtige Branche der verarbeitenden Industrie einen besonders hohen Bedarf an Arbeitskräften, der als „Nebeneffekt“ auch die Verhandlungsposition der Gewerkschaften verbesserte und das Lohn­ niveau überproportional steigen ließ, so dass dieses in den 1970er Jahren sig­ nifikant über dem Niveau anderer europäischer Länder wie Großbritannien, Frankreich und Italien lag.21 Zum anderen schlug sich die zunehmende Mo­ torisierung weiter Bevölkerungsteile qua steigender Absatzzahlen privater Kraftfahrzeuge unmittelbar bei den Unternehmen der Automobilindustrie nieder. Auf die Rolle der Gastarbeiter bei der BMW AG soll knapp in Ab­ schnitt 3.2.2.1 unter dem Blickwinkel der Internationalisierung eingegangen werden. Der oben geschilderte strukturelle Wandel der westdeutschen Wirtschaft und Gesellschaft hatte demnach weitreichende Konsequenzen für die hiesige Automobilindustrie: Der Motorisierungsgrad, der sich in den 1950er Jahren bereits versiebenfacht hatte, stieg auch in der folgenden Dekade weiter an. Der PKW-Bestand inklusive Kombinationskraftwagen im Bundesgebiet wuchs von 4,34 Mio. (Juli 1960) auf 14,38 Mio. (Januar 1970) an, womit Ende 1970 vier Einwohner auf einen Kraftwagen entfielen und damit die Bundes­ republik Deutschland in etwa die Kraftwagendichte Großbritanniens, Frank­ reichs und Schwedens erreicht hatte; 1960 waren es noch 15 Einwohner pro Wagen gewesen.22 Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt hatte be­ reits in den 1950er Jahren begonnen und diese Verlagerung von der Pro­ duzenten- hin zur Verbrauchersouveränität nahm auch in der Folgedekade ­weiter zu; und dies nicht nur in der Kraftfahrzeugindustrie.23 Das oben be­ schriebene Wirtschaftswachstum beeinflusste die Motorisierungsstruktur der westdeutschen Bevölkerung deutlich, da sich immer mehr Arbeiter ein Auto leisten konnten. War das Automobil in den 1950er Jahren zum Schlüsselbe­ griff für „soziales Wohlbefinden“ geworden, setzte sich dieser Trend in den 1960er Jahren nicht nur fort, sondern es stieg auch der Bedarf an Fahrzeugen Griechenland, Jugoslawien und der Türkei; im Falle Frankreichs auch aus Nordafrika, vgl. Ambrosius, Gerold: Wirtschaftsraum Europa. Vom Ende der ­Nationalökonomien, Frankfurt/M. 1996, S. 47f. 21 Vgl. Laux, James: The European Automobile Industry, New York 1992, S. 189; VDA (Hg.): Jahresbericht 1969/70, Frankfurt/M. 1970, S. 9. 22 Vgl. Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 182, 330; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1970/71, Frankfurt/M. 1971, S. 23f. 23  Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 378.

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

237

der Mittelklasse.24 Diese Entwicklung kam spiegelbildlich ebenfalls dem au­ tomobilen Modellprogramm der BMW AG zum Ausdruck, wie in Kapitel 3.4 aufgezeigt werden soll. Die Automobilindustrie war wichtiger Motor bei dem erfolgreichen Aus­ bau des Außenhandels der Bundesrepublik. Damit stieg jedoch ebenso die Exportabhängigkeit ihrer Wirtschaft und Arbeitsplätze: War 1960 noch jeder siebte Arbeitsplatz vom Außenhandel abhängig gewesen, verdankte 1970 ­bereits jeder fünfte Erwerbstätige der Ausfuhr seine Beschäftigung. Diese Inter­dependenz lässt sich für einzelne Wirtschaftszweige gemessen an ihrer Bruttoproduktion errechnen. Hiernach nahm die Exportabhängigkeit des Maschinen- und Fahrzeugbaus in den 1960er Jahren zwar zu, allerdings überschritt sie erst im Laufe der 1970er Jahre die 50-Prozent-Marke. Auch die Zweige der Elektrotechnik, Chemie sowie der Eisen- und Stahlindustrie wiesen eine überdurchschnittliche Abhängigkeit von dem Ausfuhrgeschäft auf.25 Parallel ließen sich branchenübergreifend Konzentrationsbewegungen mit zunehmendem Wettbewerbsdruck beobachten: In der Automobilindus­ trie beispielsweise fielen zahlreiche Hersteller, hierunter Borgward, Glas und Magirus, dieser Entwicklung zum Opfer, indem sie in die Insolvenz gingen oder ihre Selbstständigkeit einbüßten; andere Firmen wie Audi wurden eben­ falls aufgekauft, jedoch als Unternehmen fortgeführt. Auch in anderen Industriebranchen setzte sich diese Konzentrationstendenz fort; so stieg ­ ­beispielsweisen Thyssen 1965 zum bedeutsamsten Rohstahlerzeuger Europas und drittgrößten Unternehmen Deutschlands auf.26 Betrachtet man das Außenhandelsgeschäft auf der Makro- (Nationen) oder Mikroebene (Unternehmen), bilden die im Ausland getätigten Direkt­ investitionen einen wichtigen Indikator für den Internationalisierungsgrad. Eine Analyse der Auslandsdirektinvestitionen zeigt, dass seit den 1950er Jah­ ren innerhalb von Europa vor allem Großbritannien die größten und dy­ namischsten Investitionen im Ausland tätigte; eine Tatsache, die vor dem Hintergrund des Commonwealth nicht überraschen sollte. Richtet man den Fokus auf die 1960er Jahre, so zeigt sich, dass die Bundesrepublik erst ab Mitte des Jahrzehnts ihre Direktinvestitionen erheblich ausbaute, diese ­jedoch noch immer merklich hinter denen Großbritanniens, der traditionell außenhandelsorientierten Niederlande und Frankreichs zurückblieben.27 Zwischen 1960 und 1970 stiegen die westdeutschen Direktinvestitionen von 758 Mio. auf rund 5,78 Mrd. US Dollar und verachtfachten sich somit nahe­ zu. Verglichen mit den zwei folgenden Jahrzehnten nivelliert sich dieser 24 

Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 338. Vgl. ebd., S. 265. 26  Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 373. 27 Jones, Geoffrey / Schröter, Harm: Continental European Multinationals, 1850– 1992, in: Dies. (Hg.), The Rise of Multinationals in Continental Europe, Aldershot 1993, S. 3–27, hier S. 10–13. 25 

238

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

scheinbar hohe Anstieg westdeutscher Direktinvestitionen jedoch beträcht­ lich, da das Direktinvestitionsvolumen beispielsweise 1980 bereits rund 43,11 Mrd. US Dollar umfasste.28 Während der 1960er Jahre lag der Beitrag des Exports am Bruttoinlandsprodukt konstant bei etwa 18 Prozent.29 Die Automobil­industrie hatte einen wichtigen Anteil an den deutschen Direktin­ vestitionen im Ausland, denn hierunter fielen nicht nur Produktionsstätten, sondern ebenfalls Beteiligungsgesellschaften und Tochterfirmen. Oftmals stellten derartige Direktinvestitionen im Ausland aufgrund von tarifären Handelshemmnissen den einzigen wirtschaftlichen Zugang zu einem Markt dar. Schröter zufolge erkannte die Branche hierdurch früh Direktinvestitio­ nen als ein „unvermeidliches Übel“ zur Markterschließung an.30 Im Jahre 1970 wurden bereits 20,6 Prozent der gesamten PKW-Produktion mit deut­ schem Markenzeichen im Ausland gebaut (545 760 von 2,65 Mio. Einheiten). 55 Prozent der PKW-Inlandsproduktion wurden exportiert, was im Zusam­ menspiel mit den Direktinvestitionen und den außerhalb von Deutschland gefertigten Einheiten die steigende Bedeutung des Auslandsgeschäfts weiter unterstrich.31 Auf internationaler Ebene kam es durch den wirtschaftlichen Aufstieg vie­ ler westeuropäischer Nationen zu einer Verschiebung der realökonomischen Ausgangslage, die auch das Verhältnis zwischen den USA und der Bundes­ republik im Zuge der 1960er Jahre berührte: Während in dem vorangegan­ genen Jahrzehnt noch die Dollarlücke eines der bestimmenden Diskussions­ themen gewesen war, gerieten die Vereinigten Staaten durch die hohen Wachstumsquoten Westdeutschlands und der ehemaligen Marshallplan-Län­ der erstmals zusehends wirtschaftspolitisch unter Druck.32 Aus dem zu­ nächst besetzten, dann geförderten Schützling erwuchs ein ernst zu nehmen­ der Konkurrent, der die „David-Goliath-Beziehung“ erstmals nach 1945 wirtschaftspolitisch merklich änderte. Die Konsequenzen waren auch in Eu­ ropa spürbar, denn bereits in den 1960er Jahren zählten US-amerikanische Konzerne zu den herausragenden Investoren auf dem westdeutschen Markt. Dies hatte nicht nur Einfluss auf die Handelsbilanz der USA, sondern sorgte ferner für eine Verschärfung des Wettbewerbs in der Bundesrepublik sowie in Westeuropa und wirkte hierdurch wiederum als Triebfeder für die geogra­ phische Expansion westdeutscher Unternehmen.33 Das Kennedy-Programm 28  Vgl.

Schröter, Harm: Continuity and Change. German Multinationals since 1850, in: Jones, Geoffrey / Ders. (Hg.), The Rise of Multinationals in Continental Europe, Aldershot 1993, S. 28–48, hier S. 34, Tabelle 2.1. 29  Während der 1950er Jahre hatte sich zuvor ein fulminanter Anstieg des Exportan­ teils am Bruttoinlandsprodukt vollzogen, vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereini­ gung, S. 404f. 30  Ebd., S. 406. 31  Vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1970/71, S. 20. 32  Vgl. Neebe, Überseemärkte und Exportstrategien, S. 70. 33  Vgl. Hilger, Der Zwang zur Größe, S. 237.

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

239

– auch Kennedy’s Grand Design genannt – zum Ausgleich der US-Zahlungs­ bilanz von 1961, die neuformulierte „Foreign Aid-Politik“ und insbesondere der Trade Expansion Act von 1962 waren Ausdruck der veränderten Kräfte­ verhältnisse und sollten die Grundlage für eine gleichberechtigte Partner­ schaft zwischen Europa und den USA bilden.34 Zugleich war auch die binnen­ europäische Politik durch ein Kräftemessen vor allem zwischen Frankreich, Großbritannien und Westdeutschland geprägt, das unter anderem in dem Antagonismus der EWG und EFTA zum Ausdruck kam. In Kapitel 2.1 ist bereits die Gründung der zwei kontrahierenden Wirtschaftsräume EWG (1957) und EFTA (1960) expliziert worden. Bestanden anfangs Bemühungen, den Interessenskonflikt dieser zwei konkurrierenden Institutionen abzuwen­ den, nicht zuletzt durch das zwischen den beiden Institutionen vermittelnde Engagement Erhards, verhärteten sich die Positionen – vor allem zwischen Frankreich und Großbritannien – zusehends, was in der „Politik des leeren Stuhls“ und dem Veto Frankreichs gegenüber dem Beitrittsgesuch Großbri­ tanniens zur EWG kumulierte.35 Durch den Antagonismus beider europäischen Organisationen fürchteten führende Wirtschaftsvertreter einen Handelskrieg zwischen EFTA und EWG.36 Die EWG verzeichnete während der 1960er Jahre enorme Fort­ schritte im Hinblick auf die Schaffung eines gemeinsamen Marktes. Erste wichtige Zäsur bei der Beseitigung von Handelsrestriktionen war die Ab­ schaffung nahezu aller Ausfuhrbeschränkungen und Einfuhrkontingente zum 31. Dezember 1961, ausgenommen hiervon war lediglich eine geringe Zahl besonders sensibler Güter. In den folgenden Jahren wurden wesentliche Fortschritte verzeichnet und so die Binnenzölle bereits zum 1. Juli 1968 ab­ geschafft, 18 Monate früher als ursprünglich geplant. Zeitgleich waren auch die gemeinsamen Zolltarife gegenüber Drittstaaten schneller als vertraglich vorgesehen implementiert worden.37 Auch die Hoheit über den gemein­ samen Zolltarif und die Handelspolitik ging auf ein supranationales Organ – die Europäische Kommission – über. Mit dem Abschluss der sogenannten Kennedy-Runde im Juni 1967 erwirkte das GATT eine weitere Herabset­ zung der Zölle.38 Diese Zollsenkungen sollten ursprünglich in fünf gleichen

34  Der

Trade Expansion Act löste den Reciprocal Trade Agreements Act aus den Zei­ ten des Protektionismus ab und erlaubte dem US-Präsidenten, umfassende Zollsen­ kungen und Handelserleichterungen zu erlassen, vgl. Neebe, Weichenstellung, S. 516. 35 Boldt, Wirtschaftsgemeinschaft, S. 242f. Vgl. weiterführend Steininger, Europe at Sixes and Sevens. 36  Vgl. Neebe, Überseemärkte und Exportstrategien, S. 58f. 37  Die EWG senkte ihren Außenzoll auf PKW 1961 von 29 Prozent auf 22 Prozent, während die USA ihren Zollsatz von 8,5 Prozent auf 6,5 Prozent senkten. Die Anpas­ sung an den neuen EWG-Außenzoll bedeutete für Westdeutschland de facto eine Er­ höhung, da bis dahin lediglich Zölle in Höhe von 13 bis 16 Prozent von der Bundesre­ publik erhoben wurden, vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 378. 38  Vgl. Kunkel, Globalisierung, S. 564.

240

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Raten zwischen 1968 bis 1972 jeweils zum Jahresanfang erfolgen. Aufgrund der Einführung des gemeinsamen Außentarifs am 1. Juli 1968 und um Schwankungen der Zollsätze zu vermeiden, beschlossen die EWG-Staaten al­ lerdings, die ersten beiden Senkungsraten aus der Kennedy-Runde vorzuver­ legen.39 Zum Vergleich bewegten sich die Außenzölle der EWG Anfang der 1960er Jahre noch zwischen 16,9 Prozent (Westdeutschland) und 34,8 Pro­ zent (Italien) des Importwerts und wiesen somit eine heterogene Struktur auf, bis im Sommer 1968 ein einheitlicher Zoll im Außenhandel für alle EWG-Länder von 17,6 Prozent eingesetzt wurde.40 Die Beseitigung der nicht-tarifären Handelshemmnisse hingegen gestaltete sich wesentlich schwieriger, die bisweilen die Effekte der homogenisierenden Bemühungen nivellieren konnten. Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen zählten so­ wohl technische als auch administrative Restriktionen, die einzelnen Staaten als willkommene Instrumente dienten, den Einfluss auf die Handelsströme innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht vollkommen zu verlieren.41 Wäh­ rend in der EWG die Bestrebungen zur Schaffung eines gemeinsamen Wirt­ schaftsraumes durch den Abbau tarifärer Barrieren zwischen den Mitglieds­ staaten auf Hochtouren liefen, leitete auch die EFTA ökonomische Schritte zur Besserstellung der Freihandelszone ein, die sich durchaus auch durch eine bewusste Benachteiligung der EWG-Länder äußerte. So wurde seitens der EFTA-Länder beispielsweise eine „Diskriminierung durch Ursprungserzeugnisse“ der EWG diskutiert, die nur den Absatz derjenigen Fertigwaren in der EFTA zulassen sollte, deren Vorprodukte aus der EFTA stammten.42 Derlei Beispiele lassen sich in den 1960er Jahren einige finden, insbesondere auch in der Automobilbranche. So diskutierte Dänemark etwa eine Er­ höhung des PKW-Zolls bei Lieferungen aus Nicht-EFTA-Ländern von 12 auf 15 Prozent, nachdem die Kraftwageneinfuhren nach Dänemark seit 1964 merklich zugenommen hatten und sich die dänische Regierung um die eigene Handelsbilanz sorgte.43 Diese wirtschaftspolitischen Entwicklungen in Europa hatten maßgebli­ chen Einfluss auf die Automobilindustrie und ihre Außenhandelsstruktur. Wie in Kapitel 2.1 bereits aufgezeigt wurde, waren die EFTA-Gründer­staaten für die deutsche Automobilindustrie traditionell wichtige Märkte. Insbeson­ dere Schweden, gefolgt von der Schweiz, Österreich und Dänemark waren in den 1950er Jahren starke Absatzgebiete deutscher Fahrzeughersteller. In der EWG waren bis zu ihrer Gründung nur Belgien und die Niederlande mit ähnlich hohen Absatzzahlen von entsprechender Relevanz für die deutschen 39 

Vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1967/68, Frankfurt/M. 1968, S. 28. Tilly, Stephanie / Triebel, Florian: Automobilwirtschaft nach 1945. Kontinui­ tät, Krise, Wandel. Eine Einführung, in: Ders. (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000, München 2013, S. 1–21, hier S. 4. 41  Vgl. Ambrosius, Wirtschaftsraum Europa, S. 98f. 42  Neebe, Überseemärkte und Exportstrategien, S. 59. 43  Vgl. VDA (Hg.): Tätigkeitsbericht 1964/1965, Frankfurt/M. 1965, S. 23. 40  Vgl.

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

241

1969 1968 1967 1966 1965

EFTA

1964

EWG

1963 1962 1961

1960 -

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

Abbildung 13: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die EFTA und EWG inkl. Teilesätze, 1960–1969.44

Hersteller. Die befürchteten Ausfälle der Verkäufe durch den erschwerten Zugang zu den EFTA-Ländern konnte jedoch durch den raschen Abbau ta­ rifärer Handelshemmnisse innerhalb der EWG mehr als substituiert werden, wie Abbildung 13 zeigt; einigen bestehenden nicht-tarifären Hindernissen auf dem Gemeinsamen Markt zum Trotz. Diese für die deutsche Wirtschaft positive Entwicklung war allerdings Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre noch nicht absehbar gewesen, wie in Kapitel 2 dargelegt wurde. Insbe­ sondere auch die deutschen Automobilhersteller fürchteten anfangs erheb­ liche Nachteile, die aus der Unterzeichnung der Römischen Verträge und der Konkurrenz zur EFTA hervorgehen würden. Sogar noch 1963 bezeichnete Heinrich Nordhoff, der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, die Gründung der EWG als „ein Unglück für Europa“.45 Eine Einschätzung, die bereits 1963 verkehrt war und während des weiteren Verlaufs der 1960er Jah­ re widerlegt werden sollte, wie ebenfalls aus Abbildung 13 ersichtlich wird. Im Laufe der 1960er Jahre stieg der Export deutscher Fahrzeuge in die Märkte der EWG um circa 250 Prozent, während der Verkauf in die EFTAStaaten lediglich um rund 28 Prozent zunahm, somit aber zumindest, trotz des handelspolitischen Antagonismus beider Institutionen, vergleichsweise stabil blieb. Zwischen 1963 und 1967 nahm die Ausfuhr in die EWG ab, was vor allem auf sinkende Exporte nach Frankreich und Italien zurückging, da 44  45 

Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1967/68, S. 104; Ders. (Hg.): TuZ 1970, S. 112. Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 378.

242

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 1960

1961

1962

1963

Frankreich Niederlande Schweden Österreich

1964

1965

1966

Italien GB Dänemark Portugal

1967

1968

1969

1970

Belgien/Lux. Norwegen Schweiz

Abbildung 14: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die einzelnen Länder der EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1960–1970.46

hier nicht-tarifäre Handelshemmnisse zum Schutz der einheimischen PKWIndustrie besonders ausgeprägt waren. Bei einer näheren Analyse der Außen­ handelsstruktur der deutschen Automobilindustrie, die in Abbildung 14 dar­ gestellt ist, trat während der 1960er Jahre bei einigen Märkten eine hohe ­Volatilität zutage. Die Daten illustrieren anschaulich die stark zunehmende Bedeutung der EWG-Länder gegenüber der EFTA für die deutsche Auto­ mobilindustrie in dieser Dekade. Eine Entwicklung, die in den 1950er Jahren noch nicht vorhersagbar gewesen war, wie sich in den bereits zitierten nega­ tiven Antizipationen einiger deutscher Hersteller widerspiegelte, gleichwohl die Römischen Verträge und die sich anschließenden Verhandlungen auf das wirtschaftspolitische Zusammenwachsen zu einem Gemeinsamen Markt ab­ zielten. Hohe Volatilität wiesen insbesondere die Ausfuhren nach Schweden und Italien auf, wo der Absatz deutscher Fahrzeuge aufgrund von nicht-tarifären Handelshemmnissen massive Einbußen verzeichnete, auch wenn sich hier der zeitliche Ablauf in beiden Ländern unterschied: Schweden, das traditio­ nell einer der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche PKW war und demge­ mäß seit 1951 stetig steigende Werte verzeichnete, verschärfte 1965 seine 46 

Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1967/68, S. 104; Ders. (Hg.): TuZ 1970, S. 112.

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

243

Umwelt- und Sicherheitsauflagen für Kraftfahrzeuge und unterbrach damit das Wachstum der Einfuhr ausländischer Erzeugnisse jäh. Hierbei über­ stiegen die Forderungen der schwedischen Regierung teilweise selbst die Vorgaben der USA, die im internationalen Vergleich – später sollte dies auch auf Japan zutreffen – die strengsten Bestimmungen im Hinblick auf Umwelt und Sicherheit erließen.47 Von 1965 bis 1967 sanken die deutschen PKWAusfuhrzahlen nach Schweden um 55 Prozent und fielen somit unter die Werte aller EWG-Länder. Ähnlich nachteilig wirkte sich auch die italienische Handelspolitik auf den Absatz ausländischer Automobile, westdeutscher im Speziellen, in Italien aus. Binnen eines Jahres brach der Verkauf bundesdeutscher Fahrzeuge hier um knapp die Hälfte (47 Prozent) ein und erreichte 1964 nur noch einen Wert von 73 694 Einheiten. In den ersten Jahren des Jahrzehnts war der Ex­ port ausländischer PKW nach Italien außerordentlich gestiegen und bedroh­ te somit die traditionell starke einheimische Industrie, die sich durch die sin­ kenden Binnenzölle in der EWG nun verstärkt einer europäischen Konkur­ renz gegenübersah. Dieser Entwicklung suchte die italienische Regierung durch nicht-tarifäre Einschränkungen und konjunkturelle Dämpfungsmaß­ nahmen ab März 1964 entgegenzuwirken: mittels einer neuen Kaufsteuer für Automobile und eines Gesetzentwurfs, der unter anderem die Beziehungen zwischen den Generalimporteuren deutscher Automobile und ihren Ver­ tragspartnern neu regeln sollte und nach Meinung des VDA Vertretungen ausländischer Automobilmarken in Italien diskriminierte.48 Obgleich die Kaufsteuer auf PKW die Importfahrzeuge benachteiligte, und die kreditein­ schränkenden Maßnahmen bereits bis 1965, auch auf Wirken der Europäi­ schen Kommission hin, aufgehoben wurden,49 blieb der Absatz ausländi­ scher Automobile nach Italien bis 1966 erschwert und zog erst gegen Ende des Jahrzehnts wieder merklich an.50 1970 überragten dann – nach Beseiti­ gung der Handelshemmnisse – die deutschen Fahrzeugexporte nach Italien mit rund 204 000 Einheiten alle anderen europäischen Märkte. Die Episode von 1963 bis 1966 zeigt allerdings den signifikanten Einfluss, den Handels­ barrieren – tarifärer oder nicht-tarifärer Art – auf den Außenhandel hatten. Zu den nicht-tarifären Hemmnissen zählten unter anderem auch Boykott­ aufrufe, wie sie etwa in Dänemark in der zweiten Jahrzehnthälfte gegen den

47 Ders. (Hg.): Jahresbericht 1967/68, S.  62; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1968/69, Frankfurt/M. 1969, S. 34. 48  Vgl. Ders. (Hg.): Tätigkeitsbericht 1963/1964, Frankfurt/M. 1964, S. 3. 49  Vgl. Ders. (Hg.): Tätigkeitsbericht 1964/1965, S. 23. 50  Der VDA selbst sprach im Hinblick auf die italienische Handelspolitik von „oft nur schwer oder gar nicht nachzuweisender Einfuhrbehinderungen“ und suchte, über die Associazione Nazionale Fra Industrie Automobilistiche (ANFIA) eine Vermittlung zu erreichen, vgl. Ders. (Hg.): Jahresbericht 1965/66, Frankfurt/M. 1966, S. 16.

244

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Kauf deutscher Automobile zum Tragen und in den deutschen Absatzzahlen zum Ausdruck kamen.51 Das Exportgeschäft wurde überdies maßgeblich beeinflusst von der inter­ nationalen Währungspolitik, die wiederum vor allem durch das internationa­ le Abkommen von Bretton Woods, dem internationalen System fester Wech­ selkurse, bestimmt wurde (vgl. Kapitel 2.1). 1956 war in Wirtschaft und Poli­ tik ein erbitterter Streit um die Notwendigkeit einer DM-Aufwertung ausgebrochen, da aus internationaler Sicht die unterbewertete DM begünsti­ gend auf den deutschen Export einwirkte, dem Motor des westdeutschen Wirtschaftswachstums, und somit zugleich andere Staaten benachteiligte.52 Die Bundesregierung beschloss letztlich im März 1961 eine Aufwertung der DM um 5,0 Prozent, nachdem die Devisenreserven der Bundesbank seit 1959 um 70 Prozent gestiegen waren und damit knapp 4,0 Prozent des Bruttosozi­ alproduktes ausmachten. Die DM, die im weiteren Verlauf der 1960er Jahre mehrfach von der Regierung aufgewertet wurde, kristallisierte sich im inter­ nationalen Vergleich als besonders harte Währung heraus, die nach dem USDollar somit zur zweiten Weltreservewährung aufstieg.53 Wenn auch die Aufwertungen der DM, entgegen einigen negativen Perzeptionen im deut­ schen Maschinen- und Fahrzeugbau, nicht zu sinkenden Wachstumsraten führte,54 dürfte sie dennoch die zuvor überdurchschnittlich hohen Zunah­ men der deutschen Automobilexportzahlen während der 1960er Jahre ver­ langsamt haben. Dieser Entwicklung zum Trotz waren die Zahlen noch im­ mer beeindruckend, wie die in Abbildung 15 dargestellten Werte zeigen. Die Abbildung zeigt überdies eindrucksvoll, wie die Bundesrepublik seit Anfang der 1960er Jahre ihre Position als weltweit volumenstärkster Expor­ teur von Kraftwagen ausbaute. Frankreich exportierte als zweitstärkste Ex­ portnation in dieser Branche mit 1,05 Mio. Einheiten etwa halb so viel wie Deutschland. Interessant ist ferner die noch immer konstant geringe Bedeu­ tung des Ausfuhrgeschäftes für die US-Automobilindustrie, die vor allem für den heimischen Markt produzierte. Hingegen beeindruckend waren die seit 51  Zurückzuführen

war dieser Boykottaufruf auf eine Missstimmung in Dänemark, die auf der EWG-Agrarmarktordnung und früheren deutschen Abnahmeverspre­ chungen für dänische Rinder ruhte. Dieses Beispiel verdeutlicht die Komplexität der Zusammenhänge verschiedener Industriezweige in dem Gemeinsamen Markt der EWG, vgl. Ders. (Hg.): Jahresbericht 1967/68, S. 26. 52  Vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 210. 53  Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 382. 54 Delhaes-Guenther relativiert die Interpretation der Bevorteilung der DM durch Unterbewertung eindrucksvoll und legt durch ihre Analyse dar, dass sich die DM während der 1950er Jahre in einem „Geflecht von Unter- und Überbewertungsrelatio­ nen“ zu anderen westlichen Währungen befand. Bei der Untersuchung von Exporten verschiedener Branchen zwischen 1958 und 1968 zeigte sich höchstens kurzfristig für den Maschinen- und Fahrzeugbau eine nachteilige Entwicklung in Form sinkender Wachstumsraten durch die DM-Aufwertung von 1961, vgl. Delhaes-Guenther von, Erfolgsfaktoren, S. 349f.

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

245

2.000.000 1.800.000 1.600.000 1.400.000 1.200.000 1.000.000 800.000 600.000 400.000 200.000 0 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 USA Frankreich Kanada

BRD Italien Japan

Großbritannien Schweden

Abbildung 15: Export von PKW inkl. Kombinationskraftwagen verschiedener Länder, 1960–1970.55

Mitte der 1960er Jahren überdurchschnittlich steigenden PKW-Ausfuhren Japans, die von 1960 bis 1970 auf das 104-fache Volumen (1960: 7 004, 1970: 725 586) anstiegen und Japan damit zum viertgrößten Exporteur von Auto­ mobilen, knapp hinter Kanada und vor Großbritannien, avancierte.56 Das Land der aufgehenden Sonne wurde hierdurch zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten der internationalen Automobilindustrie, wie nicht nur der ­politische und wirtschaftliche, sondern ebenso der öffentliche Diskurs der späten 1960er und intensivierend in den 1970er Jahren zeigte, auf den in ­Kapitel 3 im Rahmen der Analyse der dritten Phase der Internationalisierung der BMW AG eingegangen wird. Des Weiteren weist Abbildung 15 auf die Auswirkungen der Rezession von 1966/67 hin, derer sich die westdeutsche Fahrzeugindustrie nicht entzie­ hen konnte. In den 1960 Jahren hatte ein Transformationsprozess eingesetzt, der branchenübergreifend zu Konzentrationsbewegungen geführt hatte. Die­ 55 VDA

(Hg.): TuZ 1963/64, S. 313; Ders. (Hg.): TuZ 1966/67, S. 293; Ders. (Hg.): TuZ 1967/68, S. 308; Ders. (Hg.): TuZ 1970/71, S. 297. 56 Den größten Anteil an der kanadischen Automobilproduktion hatten die „Big Four“ aus den USA: General Motors, Ford, Chrysler und American Motors Corpora­ tion, vgl. Holmes, John (1983): Industrial Reorganization, Capital Restructuring and Locational Change. An Analysis of the Canadian Automobile Industry in the 1960s, in: Economic Geography, Vol. 59, No. 3, pp. 251–271, hier p. 255. Thomas hingegen referenziert auf die “Big Three” exclusive AMC, vgl. Thomas, Kenneth (1997): Capi­ tal Mobility and Trade Policy. The Case of the Canada-US Auto Pact, in: Review of International Political Economy, Vol. 4, No. 1, pp. 127–153, hier p. 128.

246

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

ser Wandel erfasste – wie bereits angeführt wurde – nicht nur deutsche Auto­ mobilhersteller, sondern ebenso Unternehmen anderer europäischer Länder. In Großbritannien hatte dieser Prozess bereits in den 1950er Jahren einge­ setzt und die Zahl der PKW-Anbieter bis Ende der 1960er Jahre durch meh­ rere Fusionen von ehemals 13 auf nur vier Hersteller reduziert.57 Grund hierfür waren die automobilspezifischen Risikofaktoren des „Produktionskalküls, der hohen Kapitalintensität und lange[n] Planungszeiten“,58 die in einem „Zwang zur Größe“59 mündete und oftmals nur diejenigen Unterneh­ men auf dem Markt zurückließen, die die Wachstumsraten erbringen und dem Konkurrenzdruck standhalten konnten. Im Kontext der Rezession von 1966/67 ist ebenfalls Abbildung 16 zu le­ sen, die die Produktionsvolumina der wichtigsten Automobilnationen wäh­ rend der 1960er Jahre nachzeichnet. Eine Analyse der Zahlen zeigt, dass le­ diglich die USA, Deutschland und Großbritannien in der zweiten Jahrzehnt­ hälfte sinkende Werte aufwiesen, die sich im Falle der beiden europäischen Länder auch im Export widerspiegelten. Die PKW-Produktion sank 1966/67 in Deutschland um 18,9 Prozent, in den USA um 13,9 Prozent und in Groß­ britannien um nur 3,2 Prozent, was jedoch im Rahmen des bereits 1965 ein­ setzenden Rücklaufs von 16,9 Prozent (1964–1967) zu bewerten ist, der unter anderem in der mangelnden Qualität der britischen Erzeugnisse gründete, die sich insbesondere bei wachsendem Wettbewerb nachteilig auswirkte.60 Der Aufstieg Japans als Automobilnation, die zu einer weltweiten Überhol­ fahrt ansetzte, bildet sich auch in der überproportionalen Zunahme der PKW-Produktion ab: Zwischen 1960 und 1970 stieg sie auf das 19-fache bzw. um 1 825 Prozent an und machte somit 14,2 Prozent (1970) der Weltproduk­ tion an Kraftwagen aus. Die westdeutsche Automobilwirtschaft erreichte in demselben Jahr 15,7 Prozent gegenüber 29,2 Prozent des US-Volumens. Die Zahlen aus Abbildung 16 zeigen ferner die geringe Bedeutung der ostdeut­ schen Automobilproduktion im globalen Kontext, die nur knapp die Hälfte des Fertigungsvolumens schwedischer Produzenten erreichte. In der Bundesrepublik markierte die Rezession von 1966/67 das Ende der Rekonstruktionsphase, die sich an den Zweiten Weltkrieg anschloss. Die Perzeption – sozusagen die „gefühlte Krise“ – fand jedoch sicherlich größe­ ren Niederschlag in der westdeutschen Bevölkerung als die realökonomi­ schen Auswirkungen dieser temporären Wachstumsminderung; die wahre Krise der Industriewirtschaft sollte erst in der folgenden Dekade einsetzen und war Mitte der 1960er Jahre noch nicht erkennbar. In der deutschen Wahrnehmung führte die Rezession von 1966/67 jedoch zu einer Verunsi­ cherung, die dem scheinbar grenzenlosen Wachstum ein Ende setzte und die 57 

Vgl. Laux, The European Automobile Industry, S. 179, Abbildung 10.1. Tilly/Triebel, Automobilwirtschaft nach 1945. Eine Einführung, S. 12. 59  Hilger, Der Zwang zur Größe. 60  Vgl. Laux, The European Automobile Industry, S. 177–184. 58 

247

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

4.000.000

25.000.000 20.000.000

3.000.000

2.500.000

15.000.000

2.000.000 10.000.000

1.500.000 1.000.000

USA und Welt

PKW-Produktion

3.500.000

5.000.000

500.000

0 0 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 BRD Italien Kanada Welt

Großbritannien Schweden Japan

Frankreich DDR USA

Abbildung 16: PKW-Produktion verschiedener Nationen inkl. Kombinationskraft­ wagen, 1960–1970.61

Sozial- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik in Frage stellte. Tatsäch­ lich handelte es sich allerdings um eine Normalisierung des ökonomischen Wachstums.62 Die Fahrzeugindustrie als wichtige Triebfeder der westdeut­ schen Wirtschaft war von diesem Wandel ebenfalls maßgeblich betroffen. Bei einer näheren Analyse der westdeutschen Automobilindustrie wird deutlich, dass die Hersteller unterschiedlich von der Rezession betroffen wa­ ren. Hier wies die BMW AG einen asynchronen Verlauf auf und zeigte sich von dem allgemein verzeichneten Wachstumsrückgang unbeeinflusst: Wäh­ rend die westdeutsche PKW-Gesamtproduktion 1966/67 binnen eines Jahres um 11,5 Prozent zurückging, legte die Produktion des Münchner Herstellers sogar um 42,7 Prozent zu und vermochte auch in den Folgejahren das Volu­ men stetig zu steigern. Des Weiteren ist Abbildung 17 zu entnehmen, dass das Ausfuhrgeschäft für die BMW AG während der 1960er Jahre, gemessen am Inlandsabsatz, noch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielte, wie die Exportquote, gemessen an der Produktion, belegt, deren Werte sich 61  Die Werte für die weltweite sowie die US-Produktion sind auf der Sekundärachse gestrichelt dargestellt. Für die die Daten, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1963/64, S. 312; Ders. (Hg.): TuZ 1966/67, S. 292; Ders. (Hg.): TuZ 1967/68, S. 307; Ders. (Hg.): TuZ 1970/71, S. 296. 62 Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 290–292. Für eine allgemeine Einfüh­ rung zu dem ordnungs- und wirtschaftspolitischen Diskurs der Bundesrepublik wäh­ rend der 1950 und 1960er Jahre, vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Kapitel 3.2 und 3.3, S. 110–179.

248

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

unterhalb der 50-Prozent-Marke zwischen 36,6 Prozent (1966) und 46,5 Pro­ zent (1968) bewegten; zugleich muss daran erinnert werden, dass die Export­ zahlen der 1960er Jahre um ein Vielfaches die Auslandsabsatzzahlen der ­vorangegangenen Dekade übertrafen, in der die Werte, bei einem geringen Produktionsausstoß, zwischen 8,6 Prozent und 20,4 Prozent schwankten. Die Rezession 1966/67, die vor allem in der Bundesrepublik spürbar war, hatte für BMW – wie für die deutsche Automobilindustrie im Allgemeinen – aufgrund der kurzzeitig rückgängigen Inlandsnachfrage sogar einen absatz­ steigernden Effekt im Ausland. Dieser drückte sich vor allem in der Export­ quote aus, während die absoluten Exportzahlen der VW AG sogar sanken. Die Nachfrage auf dem Binnenmarkt ging demgegenüber jedoch noch stär­ ker zurück, so dass die dort frei gewordenen Stückzahlen im Ausland ver­ kauft wurden. Der Grund für den gering ausgeprägten negativen Einfluss der wirtschaft­ lichen Flaute auf BMW, die ansonsten die gesamte westdeutsche Industrie erreichte, ist in der Krise zu suchen, die der Münchner Hersteller während der 1950er Jahre durchlaufen hatte. Diese schwere Unternehmenskrise, die 1959 beinahe in dem Verkauf an die Daimler-Benz AG mündete, hatte nach ihrer Bewältigung positive Folgeeffekte für BMW, da sich das Unternehmen im Anschluss hatte konsolidieren müssen. Es bestand also nach dem miss­ glückten Start der Nachkriegszeit und der fatalen Unternehmenspolitik der 1950er Jahre ein hoher Nachholbedarf bzw. konnten verpasste Potentiale mobilisiert werden, was sich in den steigenden Produktions- und auch Ex­ portzahlen der BMW AG in den 1960er Jahre widerspiegelte.63 Die im Vergleich zu anderen deutschen sowie ausländischen Automobil­ firmen in den 1950er und frühen 1960er Jahren noch verhalten ausgeprägte Exportorientierung der BMW AG kam auch in den Hauptversammlungen zum Ausdruck, in denen das Auslandsgeschäft kaum thematisiert wurde.64 Die Rezession der deutschen Wirtschaft hatte demnach einen katalytischen Effekt auf die Ausfuhr von PKW aus München, der die Zahlen binnen eines Jahres um 42,7 Prozent auf knapp 39 000 exportierte Einheiten (1967) an­ steigen ließ; zwischen 1966 und 1968 verdoppelte sich die Ausfuhr sogar auf 54 207 Einheiten. Abbildung 17 zeigt, dass die Rezession 1966/67 VW, als größten deutschen Automobilhersteller, am empfindlichsten traf und zu der ersten großen Ab­ satzkrise des Wolfsburger Konzerns führte. Mit verantwortlich hierfür war auch das eingeschränkte PKW-Angebot, das im Wesentlichen aus dem VW Käfer bestand, der ein stark veraltetes Produkt war. Trotz eines Rückgangs der Exportzahlen um 16,2 Prozent stieg, gemessen an der Produktion, die 63 Vgl.

Triebel/Grunert, Krisenerfahrung bei der BMW AG, S. 27f.; Triebel, BMW während Rezession 1966/67 und Ölkrise 1973/74, S. 112–127. 64 Vgl. Erklärung des Vorstands in der Hauptversammlung vom 20.  10. 1961, in: BMW UA 791/1.

249

3.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

80 70

1.000.000

60 800.000

50

600.000

40 30

400.000

20 200.000

Exportanteil der PKWInlandsproduktion (in%)

Exportierte PKW-Einheiten

1.200.000

10

-

0 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 Daimler-Benz BMW Exportquote VW

VW Exportquote DB Exportquote BMW

Abbildung 17: PKW-Export in Stückzahlen und prozentualer Exportanteil an der PKW-Inlandsproduktion der Daimler-Benz AG, Volkswagen AG und BMW AG, 1960–1970.65

Exportquote 1967 sogar um knapp vier Prozentpunkte und macht somit deutlich, wie stark VW von der rückläufigen Binnennachfrage betroffen war. Hierauf antwortet Wolfsburg mit dem sogenannten „Sparkäfer“, der den Nachfragerückgang auffangen sollte.66 Die Kennzahlen des Wolfsburger Unter­nehmens zeigen jedoch, dass es sich bei der wirtschaftlichen Rezession des Jahres 1967 zwar um eine einschneidende Zäsur handelte – ein Rückgang des Umsatzes um 17,1 Prozent auf 6,46 Mrd. DM sowie der Produktion um 21,3 Prozent auf rund 1,16 Mio. Fahrzeuge – sich der VW-Konzern jedoch rasch erholte und bereits im folgenden Jahr die Zahlen von 1966 überschrei­ ten konnte.67 Aber auch hier war vor allem ein psychologischer Effekt der Rezession zu verzeichnen, der das Gefühl einer „geplatzte[n] Wirtschaftswundertüte“ hinterließ.68 65  Vgl.

VDA (Hg.): TuZ 1961/62, S. 97; Ders. (Hg.): TuZ 1963/64, S. 109; Ders. (Hg.): TuZ 1965/66, S. 83; Ders. (Hg.): TuZ 1967/68, S. 116; Ders. (Hg.): TuZ 1969/70, S. 124; Ders. (Hg.): TuZ 1970/71, S. 124; Grunow-Osswald, Internationalisierung DaimlerBenz, S. 260f., 317; Lupa, Volkswagen Chronik, S. 57–87; Eigene Berechnungen, vgl. Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; Geschäftsberichte der BMW AG 1963–1970. 66  Lupa, Volkswagen Chronik, S. 78. 67  Vgl. Grieger, Manfred: Die „geplatzte Wirtschaftswundertüte“. Die Krisen 1966/67 und 1973/75 im deutschen Symbolunternehmen Volkswagen, in: Tilly, Stephanie /  Triebel, Florian (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013, S. 23–75, hier S. 44, Tabelle 1. 68  Ebd., S. 23.

250

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Daimler-Benz hatte bereits Ende der 1950er Jahre die Produktion eines kleineren Wagens diskutiert, um das Produktspektrum nach unten hin aus­ zubauen und weitere Kundenkreise zu gewinnen. Ein solches Modell reifte zwar bis zu einem Prototyp heran, jedoch standen die Hauptaktionäre des Stuttgarter Hauses diesem Projekt skeptisch gegenüber, zumal hierfür Inves­ titionen für ein neues Werk von 120 bis 125 Mio. DM notwendig waren, weshalb sich die Geschäftsleitung letztlich gegen einen solchen Kleinwagen aussprach.69 Das Wachstum der Daimler-Benz AG war während der 1960er Jahre außerordentlich: Zwischen 1958 und 1969 erwirtschaftete sie eine Um­ satzsteigerung von knapp 260 Prozent, auch die PKW-Produktion wuchs um 160 Prozent und die Belegschaft erhöhte sich um 82 Prozent. Im Vergleich zum Münchner Mitbewerber, der in demselben Zeitraum ebenfalls hohe Umsatzraten mit einem Wachstum von circa 640 Prozent erwirtschaftete, verzeichnete Daimler-Benz bereits 1958 einen Konzernumsatz von 2,676 Mrd. DM,70 während BMW lediglich einen Umsatz von 195,283 Mio. DM erzielte; äquivalent hierzu lag der Umsatz in Stuttgart 1969 bei 9,590 Mrd. DM und in München bei 1,443 Mrd. DM. Beide Hersteller hatten also eine entscheidend abweichende Unternehmensgröße, was unter anderem auch auf den unterschiedlichen Geschäftsfeldern fußte: Während Daimler-Benz stetig seine Tätigkeit als erfolgreicher Nutzfahrzeughersteller profitabel ausbaute,71 bewegte sich BMW, trotz des guten Rufes als Produzent hochwertiger Mo­ torräder, in einem Bereich der Fahrzeugindustrie, in dem aufgrund der allge­ mein sinkenden Nachfrage von Zweirädern Absatz und Umsatz volatil bzw. rückläufig waren. Doch auch bei einer isolierten Betrachtung der PKW-Spar­ ten beider Unternehmen wird deutlich, dass sich Daimler-Benz, gemessen an den absoluten Zahlen, zu dieser Zeit bereits in anderen quantitativen Dimen­ sionen bewegte. Die PKW-Exportquote des Stuttgarter Produzenten lag ab 1961 hingegen mit Ausnahme des Jahres 1966, wo sie eine Differenz von 11,5 Prozentpunkten erreichte, bis 1970 lediglich um 0,9 bis 5,8 Prozentpunkte über der Ausfuhrquote der BMW AG.72 Der Vergleich zwischen BMW, VW und Daimler-Benz zeigt, dass der Münchner Hersteller in den 1950er und 1960er Jahren ein relativ kleines Unter­nehmen mit einem geringen Produktionsvolumen war. In der Haupt­ versammlung von 1963 stellte der Aufsichtsratsvorsitzende Karoli in seiner Rede sogar die provokante Frage, ob ein Unternehmen in der Größenord­

69 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 242. Vgl. ebd., S. 246. 71  Auch in der Nutzfahrzeugindustrie waren seit Ende der 1950er und während der 1960er Jahren deutliche Konzentrationsbewegungen zu verzeichnen, durch welche namhafte Hersteller wie Hanomag, Krupp und Henschel ihre LKW-Produktion auf­ gaben, vgl. Ebd., S. 255. 72  Die hohe Spanne resultierte aus dem geringen Exportvolumen der BMW AG im Jahre 1966, vgl. Abbildung 17. 70 

3.2. Personalpolitik

251

nung von BMW in der Automobilindustrie überhaupt lebensfähig sei.73 Das Münchner Haus sollte im Laufe der 1960er Jahre allerdings zeigen, dass es, trotz des hohen Wettbewerbsdrucks und der starken Konzentrationsbewe­ gungen, nicht nur überlebensfähig war, sondern sich sukzessive zu einem ernst zu nehmenden Mitbewerber wandelte. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre übernahm das Münchner Unternehmen den insolventen Hersteller Glas. Die Kraftfahrzeugindustrie befand sich weltweit in einer ausgeprägten Expansionsphase, in der Westeuropa erstmals die Automobilproduktion der USA mit mehr als 10,0 Mio. Einheiten knapp überholte.74 Auf die Entwick­ lung der BMW AG unter diesen Rahmenbedingungen wird in den sich an­ schließenden Kapiteln unter besonderer Akzentuierung ihrer Internationali­ sierung eingegangen.75

3.2. Personalpolitik 3.2.1.  Die BMW-Geschäftsleitung in den 1960er Jahren Die Unternehmenskrise der späten 1950er Jahre hatte deutliche Spuren in der Geschäftsleitung hinterlassen. Nachdem sie nach dem Zweiten Weltkrieg durch Manager wie Donath, Dellmensingen, Fiedler und Grewenig zunächst von einer deutlichen Kontinuität geprägt war, kam es infolge der sich zuspit­ zenden unternehmerischen Problemlagen gegen Ende des Jahrzehnts zu ei­ ner erhöhten Fluktuation im Vorstand der BMW AG, auch zwischen den einzelnen Ressorts. Diese Unbeständigkeit wurde ebenfalls in der Öffent­ lichkeit wahrgenommen und so berichtete der Spiegel im Jahr 1965 retros­ pektiv: „[…] bei BMW waren zwischen 1945 und 1960 zehn Vorstands- und 27 Aufsichtsrats­ mitglieder verschlissen worden; in München-Milbertshofen galten Direktoren als ‚kurzlebige Wirtschaftsgüter‘.“76

Im Anschluss an die Hauptversammlung von 1959 hatte sich die Unterneh­ mensführung neu formiert, auf die Einsetzung eines neuen Vorstandsvorsit­ zenden wurde jedoch nach dem Rücktritt Richter-Brohms zunächst verzich­ tet. In der sich anschließenden Konsolidierung des Unternehmens tat sich vor allem Kämpfer hervor, der in der Phase der Sanierung den Geschäftsbe­ 73 

Vgl. Erklärung des Herrn Dr. Hermann Karoli, Vorsitzer des Aufsichtsrates, in der HV vom 16. 07. 1963, in: BMW UA 791/1. 74  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 252. 75  Dies schließt eine Erörterung ein, weshalb im Jahre 1970 nicht nur bei BMW, son­ dern in der deutschen Automobilindustrie im Allgemeinen kurzfristig ein rückläufiger Trend zu verzeichnen war, der sich bereits in den oben angeführten Abbildungen ab­ zeichnete, vgl. Kapitel 3.5.3. 76 [o. V.] (1965): Bayerns Gloria, in: Der SPIEGEL, Jg. 19, Nr. 8 vom 17. 02. 1965, S. 62–66, hier S. 62.

252

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

reichen Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen, Finanzen sowie Einkauf und kommissarisch dem Verkauf vorstand, womit er quasi zum „inoffiziellen Vorsitzenden“ avancierte. Bei dieser Machtakkumulation durfte es nicht über­ raschen, dass sich Kämpfer im Kontext der von ihm und Gerhard Wilcke geleiteten erfolgreichen Unternehmenssanierung Hoffnungen auf die no­ minelle Berufung zum Vorstandsvorsitzenden machte.77 Seine Erwartungen wurden allerdings enttäuscht, als zum 15. Februar 1962 Karl-Heinz Sonne durch den Aufsichtsrat zum neuen Vorsitzenden ernannt wurde. Hierbei wurde dieser vor allem durch den Großaktionär Herbert Quandt protegiert, da Sonne bereits seit 1944 als Manager innerhalb der Quandt-Gruppe78 tätig gewesen war und somit dem Großaktionär der BMW AG wohlbekannt und vertraut war.79 Vor seinem Einstieg bei BMW bekleidete Sonne das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Concordia Elektrizitäts-AG (CEAG), einem füh­ renden Unternehmen des Elektrogroßhandels und die größte Filter- und Staubabscheiderfabrik des europäischen Kontinents.80 Hiervon abgesehen verfügte Sonne, wie auch Kämpfer, allerdings über keine nennenswerten Erfahrungen im internationalen Management- und Unternehmensbereich. ­ ­Sonne übernahm bei seinem Antritt die Ressorts Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen sowie den Einkauf von Kämpfer, was diesen de facto zum Fi­ nanzvorstand zurückstufte. Nur durch intensives Wirken des Aufsichtsrats konnte verhindert werden, dass er sein Amt hieraufhin niederlegte. Kämpfer blieb noch bis zum Frühjahr 1963 bei BMW und schied erst zum 30. April

77 Vgl.

Triebel, Florian (2005): Ernst Kämpfer – Mann des Übergangs, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 3, Nr. 3, S. 52–55. 78  Die Quandt-Gruppe war neben BMW und Daimler-Benz auch bei Flick Großak­ tionärin. Darüber hinaus beherrschte sie so bedeutende Unternehmen wie die Varta AG, Industrie-Werke Karlsruhe AG, Busch-Jaeger Dürener Metallwerke AG, Drae­ ger-Werke GmbH, Kammgarnspinnerei Stöhr & Co AG, Concordia Elektrizitäts-AG und noch viele mehr, vgl. [o. V.] (1962): Kalte Ente, in: Der SPIEGEL, Jg. 16, Nr. 36 vom 05. 09. 1962, S. 30–33, hier S. 30. Wie umfassend der Einfluss der Quandts war, trat anlässlich des überraschenden Tods von Harald Quandt deutlich zutage, der im September 1967 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Mit dem Tod des Indus­ triemagnaten waren auf einen Schlag 25 Verwaltungssitze im Top-Management ver­ waist, 50 Unternehmen verloren ihren Teilhaber, vgl. [o. V.] (1967): Die stille Gruppe, in: Der SPIEGEL, Jg. 21, Nr. 41 vom 02. 10. 1967, S. 33–36, hier S. 33. 79  Die genauen Hintergründe dieser Berufung sind nicht umfassend geklärt und mö­ gen verwundern, da Kämpfer sowohl als Person als auch seine Leistungen geschätzt wurden und ihn überdies ein gutes Verhältnis zum Aufsichtsrat verband. In einem Artikel vermutet Triebel, dass die Ernennung Sonnes auf dessen enge Bindung zur Quandt-Gruppe zurückzuführen war, während Kämpfer als Famulus des ehemaligen Aktionärs Hermann Krages galt, der seine Anteile 1959 veräußert hatte, vgl. Triebel, Ernst Kämpfer, S. 55. Diese Vermutungen werden auch durch zeitgenössische Presse­ stimmen bestätigt, vgl. [o. V.] (1962): Kalte Ente, in: Der SPIEGEL, Jg. 16, Nr. 36 vom 05. 09. 1962, S. 30–33. 80 Vgl. Triebel, Florian (2006): Dr. Karl-Heinz Sonne. Der Organisator des Auf­ schwungs, in: BMW Group Mobile Tradition live, Jg. 4, Nr. 1, S. 56–59, hier S. 57.

3.2. Personalpolitik

253

aus, nachdem er den Aufsichtsrat um die vorzeitige Auflösung seines Vertra­ ges gebeten hatte, der ursprünglich seine Verpflichtung bis 1965 vorsah.81 Die Benennung des neuen Vorstandsvorsitzenden Sonne hatte also in den frühen 1960er Jahren zu Unruhen auf der Führungsebene und einer weiteren Rotation gesorgt. Sonne sollte sich allerdings während seiner kurzen Amts­ zeit durchaus bewähren und somit ermöglichte seine geschickte Unterneh­ mensleitung die Fortsetzung der zuvor vor allem von Kämpfer und Wilcke gelenkten finanziellen Konsolidierung der BMW AG und somit ihre weitere Gesundung. Sonne wechselte allerdings nach nur knapp dreieinhalb Jahren bereits im Oktober 1965 zur Klöckner-Humboldt-Deutz AG, nachdem es zu differierenden Meinungen zwischen ihm und dem Großaktionär Quandt in verschiedenen Fragen, vor allem in den Bereichen der Produktpolitik so­ wie des Flugmotorenbaus, gekommen war.82 Kämpfer, der nach dem Ausscheiden von Hof das Vertriebsressort kom­ missarisch leitete und darüber hinaus weiteren Ressorts vorstand, sah drin­ genden Handlungsbedarf zur Besetzung des vakanten Vertriebsvorstands und appellierte im Juli 1961 an den Aufsichtsrat, hier so rasch wie möglich Abhilfe zu schaffen. Die Mitarbeiter der Verkaufsabteilung leisteten seiner Ansicht nach zwar gute Arbeit, seien „aber derartig überlastet, daß sie daneben nicht auch noch die übergeordneten Aufgaben eines Vorstandsmitgliedes erfüllen können.“83 Hensel etwa, seit 1960 Leiter der Verkaufsabteilung und unmittelbar der kommissarischen Vertriebsleitung Kämpfers unterstellt, gab an, dass er die weitere Absatzentwicklung und somit die notwendigen Kal­ kulationen nicht mehr absehen könne. Diese Aussage war Ausdruck einer deutlichen Überforderung, wie sie in den Vertriebsabteilungen vorherrschte. Diese Überlastung und die vorangegangene verheerende Politik des BMWVerkaufsressorts der 1950er Jahre machte deutlich, dass nun dringend ein er­ fahrener Manager aus dem Vertriebsbereich Verantwortung übernehmen musste; denn auch Kämpfer war auf diesem Gebiet kein ausgewiesener Fach­ mann und überdies mit seinen weiteren Aufgaben der anderen Ressorts aus­ gelastet. Als wichtige Zäsur kann also die Berufung Paul G. Hahnemanns, der zuletzt für die Auto-Union tätig war, zum Vertriebsvorstand am 31. Au­ gust 1961 – ab Oktober 1961 zunächst stellvertretend, ab Mai 1963 ordent­ lich – in zweifacher Weise gelten:84 Zum einen gelang ihm innerhalb kurzer Zeit die erfolgreiche Übernahme der Leitung der Verkaufsabteilungen, inklu­ sive ihrer Straffung und Reorganisation, zum anderen leitete seine Einset­ zung als Vertriebsvorstand durch seine ausgeprägte Exportorientierung die zweite Internationalisierungsphase der BMW AG ein, worauf im Folgenden detailliert eingegangen wird. 81 

Vgl. ders., Ernst Kämpfer, S. 55. Vgl. ders., Dr. Karl-Heinz Sonne, S. 59. 83  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 05. 07. 1961, in: BMW UA 731/2. 84  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 31. 08. 1961, in: ebd. 82 

254

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Die Bestellung Hahnemanns hatte bereits vor seiner Berufung für eine ge­ wisse Polarisierung im Unternehmen sowie im Aufsichtsrat gesorgt; so hatte beispielsweise Hensel, der während seiner Zeit bei der Auto-Union unter Hahnemann gearbeitet hatte,85 angekündigt zu gehen, falls dieser Vertriebs­ vorstand würde. Auch der Betriebsratsvorsitzende Kurt Golda sprach sich zunächst gegen Hahnemann aus, dessen Personalie bereits seit Frühsommer 1960 bei BMW diskutiert, jedoch aufgrund von Widerständen aus den eige­ nen Reihen vertagt wurde. Die Bedenken gegenüber dem ausgewiesenen Marketingspezialisten konnten letztlich jedoch zerstreut werden, was unter anderem auf die Bemühungen Wilckes, langjähriger Vertrauter Quandts und seit Februar 1960 Aufsichtsratsmitglied der BMW AG, sowie von Dr. Fried­ rich Mathern, seit November 1960 ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrats und darüber hinaus persönlich mit Hahnemann bekannt, zurückzuführen war.86 Quandt hatte sich überdies bei den früheren Vorgesetzten der Auto-Union über den potentiellen Vertriebsmann informiert und nach positiver Rückmel­ dung ebenfalls die Einsetzung Hahnemanns unterstützt.87 Im Hinblick auf die Internationalisierung der BMW AG spielte dieser eine wichtige Rolle, denn mit seiner Berufung zum Vertriebschef im Herbst 1961 wurde die zwei­ te Phase der internationalen Ausrichtung des Unternehmens eingeläutet. Hahnemann stellte einen neuen Managementtypus bei BMW dar, der als ­erstes Vorstandsmitglied auf dezidierte Berufserfahrung im Ausland zurück­ blicken konnte und überdies als Marketingspezialist galt.88 Ein solcher ­Erfahrungshorizont ist laut Kleinschmidt wichtige Voraussetzung bei der Wahrnehmung, Bewertung und Implementierung fremder Methoden durch das Management: „Bei der Frage der Wahrnehmung und Umsetzung ausländischer Management- und Produktionsmethoden spielen sozio-kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle. […] Um so wichtiger wird die Beherrschung interkultureller Kompetenz bereits in der Früh­ phase unternehmerischer Entscheidungsfindung, Wahrnehmung und Informations­ verarbei­tung.“89

Um von den Erfahrungen und Methoden im Ausland profitieren zu können, bedurfte es demnach eines soziokulturellen Grundverständnisses, das im deutschen Management in den 1950er und frühen 1960er Jahren noch wei­ 85 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 261, Fußnote 30. lieferte laut Protokoll bereits 1960 eine ausführliche mündliche Begründung seiner Skepsis gegenüber Hahnemann, die er im Mai 1961 wiederholte. Leider liegen diese Ausführungen allerdings nicht schriftlich vor, vgl. Anlage zum Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 05. 1961, in: BMW UA 731/2. 87  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 261. 88  Fiedler, der im Herbst 1940 Bevollmächtigter des BMW-Vorstands wurde, verfügte zwar ebenfalls über Auslandserfahrungen und -kontakte, diese unterschieden sich je­ doch grundlegend von denen Hahnemanns, der in den USA, gewissermaßen an der Quelle des Marketings, seinen Berufseinstieg machte, während Fiedler vor allem im europäischen Raum tätig war. Für weitere Details zu Fiedler, vgl. Kapitel 2.2.1. 89  Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 13. 86  Golda

3.2. Personalpolitik

255

testgehend unterrepräsentiert war. Auch das westdeutsche Marketing war zweifelsohne noch von dem Standard entfernt, der durch die USA aus einer langen Marketingtradition heraus gesetzt wurde.90 Exemplarisch hierfür kann etwa gelten, dass in Deutschland erst 1969 der erste Lehrstuhl für Mar­ keting eingerichtet wurde und das erste deutschsprachige Marketing-Lehr­ buch erst 1971 erschien.91 Hahnemann stellte insofern einen neuen Manage­ menttypus bei BMW dar, wie er über eine gewisse soziokulturelle Kompe­ tenz verfügte, die durch seinen Aufenthalt in den USA, dem „Ursprungsland des modernen Marketing“,92 bestärkt wurde, durch den er eine Marketing­ expertise im Kontext der Automobilindustrie aufzubauen vermochte, die im Vergleich zu dem Standard der westdeutschen Industrie als progressiv be­ zeichnet werden kann. Hahnemann, in Straßburg geboren, hatte sein Studium an den Universitä­ ten in Karlsruhe, Heidelberg und München als Diplomwirtschaftsingenieur abgeschlossen und sein Berufsleben bei General Motors in Detroit, USA, be­ gonnen. Während des Zweiten Weltkrieges war er in verschiedenen Aus­ schüssen der Rüstungsindustrie in Straßburg tätig und wurde 1945 in franzö­ sische Kriegsgefangenschaft genommen, wo er bis 1948 verharrte.93 Nach seiner Freilassung agierte er durch seine Beziehungen zu General Motors von 1949 bis 1957 als Großhändler für die Adam Opel AG in Freiburg, ­bevor er 1957 zur Auto-Union nach Düsseldorf wechselte, bei der er bis zu 90 

In der jüngeren Forschung wird allerdings durchaus in Frage gestellt, inwieweit der Paradigmenwechsel des Marketings als fest integrierte Unternehmensstrategie tatsäch­ lich erst mit dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt zusammenfällt, vgl. Kleinschmidt, Christian / Triebel, Florian: Plädoyer für eine (unternehmens-)histori­ sche Marketing-Forschung, in: Dies. (Hg.), Marketing. Historische Aspekte der Wett­ bewerbs- und Absatzpolitik, Essen 2004, S. 9–15, hier S. 11. Dieser Umbruch in der Bundesrepublik der 1960er Jahre, der sich anhand verschiedener Studien und Firmen nachzeichnen lässt, darf jedoch „nicht mit der praktischen Bedeutung des Marketings in einzelnen Unternehmen verwechselt werden.“, vgl. Rossfeld, Roman: Unterneh­ mensgeschichte als Marketinggeschichte. Zu einer Erweiterung traditioneller Ansätze in der Unternehmensgeschichtsschreibung, in: Kleinschmidt, Christian / Triebel, Flo­ rian (Hg.), Marketing. Historische Aspekte der Wettbewerbs- und Absatzpolitik, Es­ sen 2004, S. 17–65, hier S. 20. 91  Vgl. Köhler, Ingo: Marketing als Krisenstrategie. Die deutsche Automobilindustrie und die Herausforderungen der 1970er Jahre, in: Berghoff, Hartmut (Hg.), Marke­ tinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt/M. 2007, S. 259– 295, hier S. 261f. 92  Hilger, Amerikanisierung, S. 183. 93  Während dieser Zeit in französischer Kriegsgefangenschaft lernten sich Hahnemann und Mathern kennen, der im November 1960 in den Aufsichtsrat der BMW AG beru­ fen wurde, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 261. Hahnemann war in den 1930er Jahren Mitglied in der SA, beantragte 1938 seine Übernahme in die SS, auch wenn er eine Mitgliedschaft in letzterer später bestritt. Hahnemann blickte dennoch auf eine NS-Vergangenheit zurück, für die er 1972 öffentlich kritisiert ­wurde, vgl. [o. V.] (1972): Von Mann zu Mann, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 14 vom 27. 03. 1972, S. 31f.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

seiner Benennung zum Vertriebsvorstand der BMW AG 1961 als Marketing­ direktor tätig war.94 Während seiner zehnjährigen Amtszeit bei BMW stieg er zu einem der mächtigsten Männer in der Münchner Zentrale auf und ver­ lieh dem Unternehmen seine Handschrift mehr noch, als es die jeweiligen Vorstandsvorsitzenden bis 1970 – vor allem Wilcke – zu tun vermochten. Diese Stellung spiegelte sich ebenfalls in seiner Reputation außerhalb von BMW wider, wo er als „Mr. BMW“ Bekanntheit erlangte. Die Öffentlichkeit nahm den wortgewaltigen, direkten und bisweilen ruppig auftretenden Hahnemann, unabhängig vom Vorstandsvorsitzenden, als das eigentliche Ge­ sicht von BMW wahr.95 Hahnemann bemühte sich als Marketingfachmann um eine Abstimmung der klassischen Marketinginstrumente innerhalb des Unternehmens und zeichnete sich durch eine ausgesprochene Exportorien­ tierung aus, die sich deutlich in den Absatzzahlen im Ausland niederschlug. Hierbei setzte er vor allem auf einen möglichst zahlenstarken Ausbau des Händler- und Importeursnetzwerks und forcierte das stetige Wachstum zu­ lasten der Unternehmensstruktur. Diese wuchs nicht analog zu den steigen­ den Wachstumsraten mit, abgesehen von einigen Reorganisationsmaßnah­ men der ersten Jahre, die Hahnemann nach seiner Berufung zum Vertriebs­ vorstand einleitete. Ungeachtet dessen verhalf er dem Unternehmen zu neuer Stärke, indem er das Vertriebsressort reorganisierte, die Handelsorganisation weiter ausbaute und hierbei stark auf Repräsentativität und Exklusivität setz­ te. Den Export intensivierte er fortwährend und allem voran stand Hahne­ mann für die Einführung moderner Marketingmethoden und ihre Institutio­ nalisierung bei BMW. Unter seiner Ägide wurde fernerhin die Erweiterung des Produktionsnetzwerks durch die Übernahme der Hans Glas GmbH ein­ geleitet und maßgeblich beeinflusst. Hahnemann prägte die zweite Interna­ tionalisierungsphase also wie kaum ein zweiter, aus diesem Grund soll auf seine Arbeit und Leistungen, aber auch die Defizite seiner Vertriebspolitik, dezidiert in Kapitel 3.5 eingegangen werden. Zeitgleich mit der Ernennung des neuen Vertriebsvorstands Hahnemann wurde ebenfalls mit Wirkung zum 1. September 1960 Wilhelm Gieschen zum ordentlichen Vorstandsmitglied für den technischen Bereich ernannt.96 Die­ ser verfügte bereits über Erfahrungen im internationalen Geschäft durch sei­ ne frühere Tätigkeit bei den Focke-Wulf Flugzeugfabriken.97 Gieschen war 94 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 512. Vgl. ebd., S. 68. 96  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 31. August 1961, in: BMW UA 731/2. 97  Die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft Weser Flugzeugbau Focke-Wulf verän­ derte und internationalisierte sich zu einem gewissen Grad Ende der 1950er Jahre, als 1958 die United Aircraft Corp. 30 Prozent der Aktien im Wert von 7,0 Mio. DM kaufte, die sie jedoch bereits 1972 wieder veräußerte, vgl. Kiesewetter, Hubert: Ameri­ kanische Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland 1950–1974, in: Kaelble, Hartmut (Hg.), Der Boom 1948–1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa, Opladen 1992, S. 63–81, hier S. 76. 95 

3.2. Personalpolitik

257

vor allem vertraut mit Auslandsdirektinvestitionen, da er im Auftrag seines Bremer Arbeitsgebers eine Dependance in Brasilien aufgebaut hatte. Darüber hinaus blickte er bereits auf eine mehrjährige Erfahrung in der deutschen Automobilindustrie zurück, wo er, seit 1949 im Unternehmen, seit 1954 bis zu seinem Eintritt bei der BMW AG als Betriebsdirektor und Geschäftsfüh­ rer des Borgward-Hauptwerkes beschäftigt war.98 Sowohl die Ernennung Hahnemanns als auch Gieschens wurde von Quandt persönlich unterstützt, der somit, wie bereits bei der Berufung von Sonne zum Vorstandsvorsitzen­ den, maßgeblichen Einfluss auf die Personalpolitik des Münchner Manage­ ments ausübte. Hierbei setzte er den Aufsichtsrat bisweilen nicht nur unter Druck, sondern diesen mitunter vor vollendete Tatsachen. Diese umstrittene Beeinflussung seitens Quandt führte mehrfach zu Unstimmigkeiten im Auf­ sichtsrat und veranlasste den damaligen Vorsitzenden Prof. Dr. Alfons Wag­ ner, der sein Mandat für BMW erst am 20. Oktober 1961 übernommen hatte, dieses bereits am 30. August 1962 wegen „unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten über die Rechte des Großaktionärs und die Zuständigkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat“ niederzulegen.99 Hahnemann, dessen Be­ rufung von Quandt unterstützt worden war, äußerte sich hierzu gegenüber den Medien äußerst pragmatisch und mit seinem für ihn typischen Wesen zur Verteidigung Quandts: „Verdammt, der Mann hat hier 100 Millionen spielen.“100 Auf die Einflussnahme des Hauptaktionärs Quandt auf die Tä­ tigkeiten der BMW AG mittels der Einwirkung auf den Vorstand und den Aufsichtsrat kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht dezidiert eingegan­ gen werden. Quandts Rolle soll jedoch situativ im Kontext der Internationa­ lisierung des Unternehmens aufgegriffen werden. Die Aufarbeitung der Be­ deutung und Einflussnahme von Herbert Quandt stellt ein äußerst interes­ santes Desiderat innerhalb der Unternehmensgeschichte dar; nicht nur im Kontext der BMW AG, sondern der gesamten, oftmals als „Quandt-Unter­ nehmensgruppe“ bezeichneten Firmenstrukturen.101 Der neue Vorstand des Technikressorts Gieschen durchleuchtete das Münchner Werk akribisch und suchte hierbei vor allem nach Rationalisie­ rungsmöglichkeiten. Hierfür wurde der gesamte Maschinenpark der Produk­ tion analysiert, keine Presse und kein Transportband blieben an ihren Plät­

98 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–19692, S. 382. (1962): Kalte Ente, in: Der SPIEGEL, Jg. 16, Nr. 36 vom 05. 09. 1962, S. 30– 33, hier S. 33. 100  Ebd., S. 32. 101  Im Falle der BMW AG arbeitet Manâa unter dieser Fragestellung bereits seit 2008 an dem vielversprechenden Promotionsprojekt mit dem Arbeitstitel “Legal Business History – A Bridge between Law and Reality: Exemplified by the Evaluation of the Corporate Governance Practice of the BMW AG from 1949 to 1977”, das an der Lud­ wig-Maximilians-Universität München verortet ist. Manâa untersucht hier dezidiert die Einflussnahme von Herbert Quandt auf die Geschäftstätigkeit der BMW AG. 99  [o. V.]

258

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

zen.102 Das Investitionsprogramm umfasste 1962 bereits 72,46 Mio. DM und erhöhte hierdurch das Gesamtanlagevermögen der BMW AG wesentlich.103 Hohe Investitionen in Sachanlagen – bzw. in die Fertigungsanlagen – wurden auch in den kommenden Jahren fortgeführt,104 wodurch die Produktion nicht nur ausgebaut, sondern auch effizienter wurde. Im Gegensatz zu der Führungsriege der 1950er Jahre zeichneten sich die Vorstandsmitglieder während der Folgedekade durch eine hohe Expertise in der Automobilindustrie aus. Auch das neue Mitglied Karl Monz, das mit Wirkung zum 4. Oktober 1963 zum Vorstand des Ressorts Einkauf und Materialwirtschaft berufen wurde, verfügte über dezidierte Erfahrungen in der Branche, die er bei den Mitbewerbern VW und Borgward aufgebaut hatte; bei letzterem hatte er 24 Jahre lang den Einkauf verantwortet.105 Ebenso das seit Jahresbeginn 1965 für das Ressort Forschung und Entwick­ lung bei BMW zuständige Vorstandsmitglied Bernhard Osswald hatte be­ reits Jahrzehnte im Bereich der Mobilitäts-, vor allem Kraftfahrzeugindust­ rie gearbeitet, zuletzt seit 1952 bei den Kölner Ford-Werken.106 Unter den Vorstandsmitgliedern verfügten insbesondere Hahnemann und Gieschen über nennenswerte Erfahrungen im internationalen Bereich. Diese sowie die ausgesprochene Expertise in der Automobilindustrie unterschied die Geschäftsleitung der 1960er Jahre maßgeblich von den Vorständen, die seit Mitte der 1950er Jahre die Leitung innehatten. Die BMW-Geschäftsleitung der 1960 Jahre zeichnete sich also durch eine hohe Versiertheit in der Kraft­ fahrzeugindustrie aus.107 Ein eigenständiges Vorstandsressort, das exklusiv Personalfragen verantwortete, existierte jedoch auch während der zweiten Internationalisierungsphase bei der BMW AG nicht, sondern war als Organisa­tionseinheit AP dem Bereich der Allgemeinen Verwaltung und so­ mit dem Vorstandsvorsitzenden zugeordnet.108 Dies war jedoch für die deutsche Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg keineswegs ungewöhn­ lich, da sich ein Personalmanagement nach US-Vorbild, das unter anderem eine Rationalisierung der Personalverwaltung sowie ihre Etablierung als organisatorische Zentralstelle vorsah, in der Bundesrepublik erst noch ent­ wickeln bzw. durchsetzen musste.109 Die Daimler-Benz AG war Ende der 102 

Vgl. [o. V.] (1965): Bayerns Gloria, in: Der SPIEGEL, Jg. 19, Nr. 8 vom 17. 02. 1965, S. 62–66, hier S. 64. 103 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 47. Geschäftsjahr 1962, 1963, in: BMW UU 45/10. 104  Vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1960–1969. 105  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 394; [o. V.] (1965): Bay­ erns Gloria, in: Der SPIEGEL, Jg. 19, Nr. 8 vom 17. 02. 1965, S. 62–66, hier S. 62. 106  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 395. 107  Ausnahme hiervon waren die Vorstandsvorsitzenden Sonne (1962–1965) und Wil­ cke (1965–1969). 108  Vgl. Die wichtigsten Kontaktstellen der Abteilung Presse VMP, 1967, in: BMW UA 594/1. 109  Vgl. Hilger, Amerikanisierung, S. 240–258.

3.2. Personalpolitik

259

1950er Jahre als international ausgerichtetes Unternehmen bereits einen Schritt weitergegangen, indem sie 1957 eine zentrale Stelle für die Betreu­ ung ausländischer Fachkräfte eingerichtet hatte, die eine Ausbildung in Deutschland erhielten; hierunter mussten in den 1960er Jahren vor allem Gastarbeiter zählen. Eine Personalabteilung für die Belange der ins Aus­ land entsandten Mitarbeiter existierte hingegen auch in Stuttgart bis 1969 noch nicht.110 3.2.2.  Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung Wie bereits in den 1950er Jahren setzte sich zunächst auch in der folgenden Dekade die starke Fokussierung auf die Muttersprache der BMW AG fort, das heißt die Sprache, in welcher die Geschäftskommunikation primär gehal­ ten wurde, war noch immer überwiegend Deutsch.111 In den 1960er Jahren fuhr BMW jedoch mit dem Aufbau weiterer Montagestandorte im Ausland fort, eine Strategie, die bereits Ende der 1950er Jahre angestoßen sowie ­umgesetzt wurde und per se höhere Anforderungen an Logistik und Ab­ stimmung zwischen München und den ausländischen Kooperationspartnern voraus­setzte. Bei dem Ausbau der CKD- und SKD-Montage im Ausland forcierte der Vorstand vor allem das Geschäft in Übersee. Hierfür diente das durch den belgischen Importeur und Fertigungspartner Moorkens betriebe­ ne europäische Montagewerk als wichtige internationale Drehscheibe zum Weiterverkauf in ausländische Märkte. Weitere Standorte, zu denen BMWTeile zwecks Montage vor Ort verschifft wurden, waren unter anderem Ar­ gentinien, Uruguay sowie Ende der 1960er Jahre auch Südafrika.112 Direkt­ investitionen im Sinne firmeneigener Vertriebs- oder Produktionsgesell­ schaften wurden hingegen während der 1960er Jahre nicht im Ausland getätigt. Die BMW AG engagierte sich im Vertriebsbereich lediglich durch einige wenige Minderheitsbeteiligungen, die sie allerdings nur tätigte, um dem jeweiligen in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Importeur temporär unter die Arme zu greifen. Auf diese Minderheitsbeteiligungen soll näher in Abschnitt 3.5 eingegangen werden.

110 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 240. Auch in der Gegenwart finden sich in der deutschen Wirtschaft Unternehmen, die explizit weiterhin auf die Muttersprache setzen und sich bewusst gegen eine „Vereng­ lischung“ aussprechen. Ein prominentes Beispiel ist hier Porsche, die auch in den 2010er Jahren Deutsch als Unternehmenssprache wahren und dies von einigen Lingu­ isten und Unternehmensberatern sogar als einer der wichtigen Erfolgsfaktoren gewer­ tet wird, vgl. Gentner, Stefanie (2010): Schlechtes Deutsch besser als gutes Englisch. Beispiel Porsche. Sprache in Firmen, in: Süddeutsche Zeitung Online vom 11. 05. 2010, URL: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/beispiel-porsche-sprache-in-firmenschlechtes-deutsch-besser-als-gutes-englisch-1.292633 (Stand: 24. 12. 2015). 112  Für eine detaillierte Übersicht aller Montagestandorte in den 1960er Jahren, vgl. Kapitel 3.5.2.2. 111 

260

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Die zunehmende Intensivierung der internationalen Handels- und Pro­ duktionsbeziehungen während der zweiten Internationalisierungsphase legt nahe, dass sich diese am Auslandsgeschäft orientierende Entwicklung eben­ falls im Personalbereich bei BMW in Form einer wachsenden interkulturel­ len Kompetenz niederschlug. Diese Annahme muss bei näherer Betrachtung allerdings stark eingeschränkt werden, da lediglich ein kleiner Teil der Beleg­ schaft von dieser zunehmenden Internationalisierung auf operativer Ebene tangiert wurde, denn diese betraf auch noch in den 1960er Jahren primär die Verkaufsabteilungen, allen voran die Stellen, die mit der Korrespondenz zu den Importeuren und weiteren Partnern im Ausland betraut waren. Der Großteil der Belegschaft war also, abgesehen von den steigenden Produkti­ onszahlen und dem zunehmenden Versand von Montageteilen, nicht direkt von der zunehmenden Exportorientierung betroffen. Lediglich ein kleiner Kreis an Mitarbeitern der Verkaufsabteilung wurde in die Märkte entsandt, um den hiesigen Importeuren und Händlern vor Ort einen Besuch abzustat­ ten und der Zentrale entsprechende Reiseberichte vorzulegen.113 Die allmäh­ lich zunehmende Internationalisierung erforderte demnach für den Großteil der Belegschaft in dieser Phase keine ausgeprägte interkulturelle oder sprach­ liche Kompetenz, von einigen wenigen Mitarbeitern des höheren Manage­ ments wie Hahnemann und den ihm unterstellten Leitern der Verkaufsabtei­ lungen sowie der kleinen Auswahl der Auslandsreisenden abgesehen. Aber selbst auf dieser Managementebene müssen deutliche Einschränkungen hin­ sichtlich der internationalen Sprachkompetenz gemacht werden: Die primäre Geschäftssprache blieb auch hier oftmals Deutsch. Auf einer Marketingta­ gung „Ausland“, zu der das Vertriebsressort unter Hahnemann im April 1967 zahlreiche Importeure aus mindestens zehn Märkten nach München geladen hatte mit dem vorrangigen Ziel, die Handelspartner auf das BMWMarketing einzuschwören, um die internationalen Maßnahmen weiterhin zu harmonisieren, wurden zahlreiche Vorträge und Kurzreferate sowohl von den Haupt- und Abteilungsleitern der BMW-Verkaufsabteilungen als auch den Importeuren gehalten.114 Während die Importeure vornehmlich auf Englisch oder – soweit es ihnen wie dem langjährigen schwedischen Han­ delspartner Söderström möglich war – auf Deutsch referierten, trugen die ­leitenden BMW-Mitarbeiter ausnahmslos in deutscher Sprache vor; lediglich Hahnemann machte hier vermutlich die Ausnahme.115 Dolmetscher vor Ort stellten die Übersetzung ins Englische und vice versa sicher. Um die gängige Einstellung des Managements zu diesem Thema widerzuspiegeln, soll an 113  Vgl. exemplarisch Reise- und Länderberichte, 1963–1969, in: BMW UA 1791/1; Reise- und Länderberichte, 1967–1972, in: BMW UA 1793/1. 114 Vgl. Programm der Marketingtagung „Ausland“ vom 10.–13. 04. 1967 in Mün­ chen, 1967, in: BMW UA 1521/1. 115  Vgl. Diverse Redemanuskripte zur Marketingtagung „Ausland“, 1967, in: BMW UA 594/1.

3.2. Personalpolitik

261

­ ieser Stelle ein Zitat von Lau angeführt werden, dem Leiter der BMWd Marktforschungsabteilung, der über den zunehmend internationalen Fokus seiner Abteilung referierte: „Um Ihnen zu demonstrieren, was derartige [Länderberichte, Anm. d. Verfasserin] ent­ halten, hat meine Abteilung für diese Tagung für jedes Ihrer Länder einen derartigen Bericht erstellt, der Ihnen […] vorhin ausgehändigt worden ist. Die Berichte sind in deutscher Sprache abgefasst worden, um Ihnen durch Ausschaltung von möglichen Übersetzungsfehlern unverfälscht von unserer Arbeit zu berichten. Wir hoffen aber, dass unsere Freunde aus dem englischen bzw. französischen Sprachraum die Möglich­ keit haben, diese Berichte auch in deutsch zu lesen.“116

Auch ein globales, von München aus zentral durchgeführtes Marketing, das die Aktivitäten der Importeure umfassend steuerte, existierte in dieser Phase nicht. Wohl gab es eine zentrale Marketinghauptabteilung (VM), die alle Marketingaktivitäten national und international bündelte, allerdings war die­ se vielmehr als Impulsgeber zu verstehen, die einen gewissen Umfang an Ma­ terialien sowie Ideen und Anregungen an die Handelspartner im Ausland weitergab, jedoch kein globales Marketing mit einer umfangreichen Überwa­ chung der Aktionen verfolgten. Diese Anregungen waren „[…] als Basis gedacht für Maßnahmen, die Importeure in den einzelnen Ländern in eigener Regie durchführen.“117 So lag die Marketingverantwortlichkeit, die Imagege­ staltung sowie die eigentliche Repräsentanz des Unternehmens im Ausland vorrangig in der Verantwortung der Handelspartner vor Ort, auch wenn Ende der 1960er Jahre vermehrt Bemühungen seitens der Münchner Zentrale verzeichnet werden konnten, diese weiter zu harmonisieren; ein Beispiel hierfür ist die oben genannte internationale BMW-Marketingtagung (vgl. Ka­ pitel 3.5 und 3.6). Wie bereits in der Abhandlung 2.2.2 über die 1950er Jahre dargelegt wur­ de, setzte die BMW-Geschäftsleitung auf eine enge Kooperation mit den Im­ porteuren im Ausland, um den Marktanteil im jeweiligen Land zu erhöhen und überließ ihnen hierbei einen autarken Spielraum. Bei der Auswahl der Handelspartner hatte vor allem der Kaufmännische Bereich unter Grewenig nicht selten diejenigen Firmen präferiert, die über ausgewiesene deutsche Sprachkenntnisse verfügten und somit den Weg, der aus interkultureller Sicht die geringsten Hindernisse und sprachlichen Barrieren bot. Viele der in den 1950er Jahren aufgebauten Handelsbeziehungen wurden in den 1960er Jah­ ren zunächst fortgesetzt und weiter vertieft. Eine Analyse der Korrespon­ denz aus dieser Zeit zeigt, dass das BMW-Verkaufsressort in München noch immer vorzugsweise auf Deutsch kommunizierte und die Handelspartner im Ausland nicht selten ihre Schreiben auf Deutsch mittels eigener Überset­ 116 

Redemanuskript von Lau, Leiter der Marktforschungsabteilung VMM, „Der Auf­ gabenbereich der BMW-Marktforschung unter spezieller Berücksichtigung der Marktbeobachtung in den wichtigsten BMW-Exportländern“ vom 15. 03. 1967. in: ebd. 117  BMW Werbung im Ausland, 1963, in: BMW UA 932/1.

262

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

zungsarbeiten nach München sandten.118 Neben Deutsch stellte Englisch die wichtigste Handelssprache dar, für die seitens BMW überwiegend professio­ nelle Übersetzer beauftragt wurden. Ab Mitte der 1960er Jahre wandelte sich allmählich das Kommunikationsverhalten der BMW-Verkaufsabteilungen, die nun neben Englisch auch in diversen weiteren Sprachen – vornehmlich in Französisch, Spanisch und Italienisch – korrespondierten und diese von vor­ zugsweise hauseigenen Dolmetschern übersetzen ließen; allenfalls auf Eng­ lisch korrespondierten die Angestellten gelegentlich eigenständig, was jedoch selbst im höheren Management in dieser Phase eindeutig die Ausnahme als die Regel darstellte.119 Wie gering die sprachlichen Kompetenzen noch bis in die 1970er Jahre hinein ausgeprägt waren und welches Selbstverständnis die Zentrale in München im Hinblick auf die Verwendung der deutschen Spra­ che hatte, zeigt folgendes Zitat des späteren BMW-Exportleiters Hermann Winkler, der im Rahmen seines Besuchs des thailändischen Importeurs Kri­ tik an seinen eigenen Mitarbeitern übte: „Es geht wirklich nicht, dass die Korrespondenz mit unseren Partnern in Deutsch ge­ führt wird. Es gibt wohl keine deutsche Firma, die mit einem ausländischen Partner in Deutsch korrespondiert. Wir müssen – sei es auf der kaufmännischen oder techni­ schen Seite – unserem Importeur entgegenkommen.“120

Ein strukturiertes korporatives Weiterbildungsprogramm existierte in dieser Phase bei BMW noch nicht.121 Schulungsmaßnahmen umfassten vor allem technische Qualifikationen und nur vereinzelt sogenannte „Soft Skills“ wie Rhetorikseminare, die dem Führungspersonal vorbehalten waren, deren Teil­ nahme nicht verpflichtend war. Darüber hinaus wurden mit dem Einzug der elektronischen Datenverarbeitung auf Mitarbeiterebene Schulungen zur Qualifizierung in diesem Bereich angeboten.122 Wie selten außerordentliche 118 Dieser Umstand bewog etwa den Anwalt des US-amerikanischen Motorradim­ porteurs Butler & Smith, ein Schreiben an den Vertriebsvorstand Hahnemann wie folgt zu beginnen: “Dear Mr. Hahnemann: Please forgive me for writing you at this time in the English language, the sole reason for which is that I could not get hold of my German secretary on short notice.”, vgl. Schreiben von Prof. Ujlaki, Law Offices im Namen von Butler & Smith, an die BMW AG, Hahnemann, vom 15. 07. 1964, in: BMW UR 3137/1. 119  Vgl. Korrespondenz mit Palini (techn. Assistenz) – BMW/Autobianchi/Deutsche Fiat, 1964–1968, in: BMW UA 622/1; Schriftwechsel mit diversen Importeuren, 1965– 1973, in: BMW UA 736/1. Insbesondere die französische Korrespondenz war in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bereits ausgesprochen ausgeprägt, vgl. Korrespon­ denz der Abteilung VT, 1968–1969, in: BMW UR 4183/1; Diverse Schreiben an aus­ ländische Importeure, 1967–1972, in: BMW UA 1554/1. 120 Kurzbericht über Besuch in Thailand der Exportabteilung (VE), Winkler, vom 18.–22. 11. 1974, in: BMW UA 1827/1. 121  Ausgenommen hiervon waren die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die im Rahmen der Ausbildung gewerblicher Lehrlinge durchgeführt wurden, vgl. Protokoll Nr. 6/66 der Vorstandssitzung vom 03. 03. 1966, in: BMW UA 411/1. 122 Vgl. Protokoll Nr. 32/65 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1965, in: BMW UA 409/1. Die sogenannten „Redner-Kurse“ beschränkten sich zunächst auf den Bereich

3.2. Personalpolitik

263

Schulungen vorgenommen wurden, beweist auch, dass diese Maßnahmen si­ tuativ durch den Vorstand diskutiert und beschlossen wurden. So ließ dieser im Herbst 1966 protokollieren, dass ein eigens aus New York anreisendes Team eine Auswahl von 25 Mitarbeitern in den Grundlagen, Methoden und Anwendungen der Wertanalyse schulen sollte; eine Maßnahme, die mit stol­ zen 8 000 US-Dollar belegt wurde.123 Zugleich unterstreicht diese Schulung den Einfluss und das Renommee der aus den USA kommenden Methoden und Maßnahmen in den sechziger Jahren, die im deutschen Management mitunter als „Revolution“ wahrgenommen wurden.124 Die Erschließung neuer Vertriebsregionen und Akquise neuer Handels­ partner im Ausland wurde überdies während der zweiten Phase der Interna­ tionalisierung vornehmlich an externe Berater delegiert, die über Kontrakte für die BMW AG in bestimmten Märkten für diesen Zweck tätig waren. Die­ se verfügten über ein höheres interkulturelles Verständnis und eine breiter aufgestellte Sprachkompetenz als der hiesige Manager in München. Auf die­ ses Delegiertensystem als wichtigen Baustein der Vertriebspolitik wird eben­ falls weiter in Kapitel 3.5 eingegangen. Ein ähnliches System aus – allerdings unternehmensinternen – Werksdelegierten existierte bei Daimler-Benz be­ reits in den 1950er Jahren.125 Ein entscheidender Grund für die nur langsam voranschreitende internationale Ausrichtung der BMW-Belegschaft, im Ver­ gleich zu anderen deutschen Automobilherstellern, war zum einen in der verspäteten Rückkehr auf den heimischen sowie die ausländischen Märkte und zugleich in den vergleichsweise geringen Produktionszahlen zu suchen, die weit hinter Daimler-Benz und Volkswagen zurücklagen und die sich in der Unternehmensgröße widerspiegelten.126 Hiermit einherging ein weiterer des Verkaufs und wurden durch den Vertriebsvorstand Hahnemann initiiert, der aller­ dings Führungskräfte anderer Bereiche explizit einlud, ebenfalls an dem Seminar teil­ zunehmen. 123 Vgl. Protokoll Nr. 36/66 der Vorstandssitzung vom 15. 11. 1966, in: BMW UA 411/1. Hintergrund hierfür war die Schaffung einer Wertanalyseabteilung, vgl. Nie­ derschrift über die 44. Ordentliche Hauptversammlung am 29. 06. 1964, in: BMW UA 266/1. Darüber hinaus beteiligte sich BMW an einem durch mehrere deutsche Groß­ unternehmen gegründeten Institut an der Universität Köln, das die Abhaltung laufen­ der Seminar-Kurse für die Weiterbildung von Führungskräften in der Wirtschaft über­ nehmen sollte, vgl. Protokoll Nr. 35/67 der Vorstandssitzung vom 28. 08. 1967, in: BMW UA 411/1. Auch die Gründung der Herbert Quandt Stiftung erfolgte zunächst vor dem Hintergrund, die sich hieraus ergebenden Erträge bedürftigen BMW-Beleg­ schaftsangehörigen zu gewähren oder zu Fortbildungszwecken von BMW-Mitarbei­ tern zu verwenden, vgl. Protokoll Nr. 15/70 der Vorstandssitzung vom 12. 05. 1970, in: BMW UA 800/1. 124  Vgl. Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 221f. 125  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 226. 126 Daimler-Benz etwa verfügte 1965 bereits über zehn Auslandsbeteiligungsgesell­ schaften, die das Geschäft positiv beeinflussten, und der Auslandsanteil des Umsatzes betrug bereits rund 40 Prozent, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung DaimlerBenz, S. 256, Tabelle D13.

264

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Grund für die in dieser Phase geringe internationale Ausrichtung der Münch­ ner Personalstruktur, denn das bayerische Unternehmen begann, nach dem gescheiterten Versuch einer kanadischen Vertriebsgesellschaft gegen Ende der 1950er Jahre, vergleichsweise spät damit, erneut Direktinvestitionen in Form eigener Tochtergesellschaften im Ausland durchzuführen. Zunächst konzen­ trierte sich die Geschäftsleitung auf die enge Zusammenarbeit mit im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie verhältnismäßig starken Agenten vor Ort, die ein stärker ausgeprägtes finanzielles Engagement der BMW AG im ­Ausland zunächst nicht erforderlich machte. Die Ausweitung der Produk­ tions- und Vertriebstiefe und hiermit einhergehend erneute Auslandsdirekt­ investitionen, die über einige wenige Minderheitsbeteiligungen hinausgingen, setzten erst wieder mit der dritten Internationalisierungsphase während der 1970er Jahre ein. Spricht man über die 1960er Jahre und die Internationalisierung der Perso­ nalstruktur der Automobilindustrie, bedarf es der Berücksichtigung der zahlreichen Arbeitsmigranten, die aufgrund des ausgeprägten Arbeitskräfte­ mangels und der sich hieraus ableitenden staatlichen Anwerbeabkommen in die Bundesrepublik kamen. Da im Falle der BMW AG bereits mehrere aka­ demische Studien zu diesem Themengebiet durchgeführt wurden,127 soll in dem sich anschließenden Abschnitt auf Grundlage dieser Untersuchungen geprüft werden, inwieweit die Gastarbeiter bei BMW die Internationalisie­ rung des Unternehmens beeinflussten. 3.2.2.1.  Gastarbeiter und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der BMW AG Die BMW AG begann im Vergleich zu anderen Betrieben der fertigenden Industrie erst relativ spät, Arbeiter aus dem Ausland anzuwerben. Die Ur­ sache für diese verzögerte Akquise war in der tiefgreifenden Unternehmens­ krise der ausgehenden 1950er Jahre zu suchen, die BMW 1959 beinahe die Selbstständigkeit gekostet hatte. Im Zusammenspiel mit dem defizitären und nicht an den Wünschen des Marktes ausgerichteten automobilen Mo­ dellprogramms der 1950er Jahre herrschte in den Werken in München und Spandau kein Arbeitskräftemangel, wie dieser bei anderen Firmen der Branche zu konstatieren war. BMW sah sich in den 1960er Jahren einer ausgeprägten Personalfluktuation gegenüber, die 1965 bei 44,4 Prozent lag. Eine Unter­suchung ergab fernerhin, dass das Lohnniveau bei BMW im 127  Vgl. weiterführend Nitsche, Geräuschlose Integration; Schmidhofer, Tanja: Perso­ nalpolitik in Zeiten chronischen Arbeitskräftemangels BMW in den sechziger Jahren, Magisterarbeit, Konstanz 2000; Dunkel, Franziska / Stramaglia-Faggion, Gabriella: Zur Geschichte der Gastarbeiter in München. „Für 50 Mark einen Italiener“, Mün­ chen 2000; Mahlow, Orian: Foreign Labour in West Germany. Skill Premiums in the German Auto Industry – Convergence Big Time?, Seminararbeit an der LSE, London 2014.

3.2. Personalpolitik

265

Vergleich zu ­anderen größeren Unternehmen im Münchner Raum geringer war. Um im Kontext der Fluktuation dem steten Personalwechsel ent­ gegenzuwirken, beschloss der BMW-Vorstand, die Löhne anzuheben.128 Mit dem Anlaufen der Produktion der überaus erfolgreichen sogenannten Neuen Klasse (vgl. Kapitel 3.4.1) sah sich das vergleichsweise kleine ­ Münchner Unternehmen nun auch mit einem Arbeitskräftemangel kon­ frontiert und hatte anfangs Schwierigkeiten, den steigenden Bedarf an Ar­ beitern in der Fertigung zu decken. Im Sommer 1961 bedurfte es der Neu­ einstellung von 1 800 Fertigungslöhnern, was zu ausgeprägten Bedenken im Aufsichtsrat führte: „Es wird außergewöhnlicher Anstrengungen und einigen Glücks bedürfen, daß wir den Belegschaftsstand rechtzeitig auf die Höhe bringen, welcher die Voraussetzung für eine ausgeglichene Ertragslage bildet. Da wir aber diese ungeheuren Schwierigkei­ ten vor uns sehen, müssen wir darauf bedacht sein, daß die vorhandene Belegschaft unter eine bestimmte Zahl nicht mehr absinkt.“129

Nitsche zufolge wurde bereits im November 1961 der Belegschaft auf einer Betriebsversammlung durch Vorstand Kämpfer die geplante Anwerbung aus­ ländischer Arbeiter angekündigt, wie sie in anderen Betrieben bereits gang und gäbe war.130 Binnen eines Jahres stieg der Anteil der Arbeitsmigranten bei BMW 1962 von 3,3 Prozent zum Jahresende auf 18,6 Prozent und damit auf 1 709 Arbeiter an.131 Tabelle 29 gibt Auskunft über die Entwicklung der Belegschaftsstruktur der BMW AG während der zweiten Internationalisie­ rungsphase unter besonderer Berücksichtigung des ausländischen Arbeiter­ anteils. Die Zahlenangaben über die Gastarbeiter konnten binnen eines Jah­ res deutlich variieren, da einerseits unter ihnen eine hohe Fluktuationsquote herrschte und andererseits die Arbeiter für gewöhnlich über Jahreskontrakte engagiert wurden.132 Die Angaben aus Tabelle 29 beziehen sich stets auf das jeweilige Jahresende.133 Aufgrund der hohen Fluktuationsrate, die wieder­ holend in den Vorstandssitzungen als Problem adressiert wurde, lag die Ge­ samtzahl der tatsächlich akquirierten Gastarbeiter deutlich höher.

128 Vgl. Protokoll Nr. 12/66 der Vorstandssitzung vom 21. 04. 1966, in: BMW UA 411/1. Der Unterschied des Lohnniveaus wurde vom Vorstand nur zwei Sitzungen später relativiert, die Notwendigkeit einer Lohnerhöhung blieb allerdings bestehen, vgl. Protokoll Nr. 14/66 der Vorstandssitzung vom 05. 05. 1966, in: ebd. 129  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 05. Juli 1961, in: BMW UA 731/2. 130  Vgl. Nitsche, Geräuschlose Integration, S. 40. 131  Zuvor war die Zahl der Gastarbeiter von 369 (1960) auf 224 (1961) gefallen, vgl. Entwicklung der BMW-Belegschaft, 1960–1969, in: BMW UA 440/1. In dieser Zahl enthalten sind auch 160 österreichische Mitarbeiter, die zumeist nicht als Arbeiter in der Produktion tätig waren, sondern als Ingenieure und die aufgrund des höheren Lohnniveaus nach München gekommen waren, vgl. Schmidhofer, Personalpolitik BMW, S. 36. 132  Vgl. ebd., S. 34f. 133  Vgl. Entwicklung der BMW-Belegschaft, 1960–1969, in: BMW UA 440/1.

266

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung 1961 1962 1963

1964

1965

1966

1967

1968

1969

1970

1971

Mitarbeiter 6 798 9 189 10 101 10 818 11 070 13 074 12 468 18 040 21 315 22 913 23 299 gesamt Arbeits224 1 709 2 010 2 418 2 657 3 572 2 341 4 016 5 668 k. A. 6 739 migranten Anteil an 3,3 18,6 19,9 22,4 24,0 27,3 18,8 22,3 26,6 k. A. 29,8 Gesamtbeleg­ schaft (in %)

Tabelle 29: Entwicklung der Belegschaftsstruktur der BMW AG inkl. ihrer ausländischen Arbeiter, 1961–1971.134

Da BMW vergleichsweise spät mit der Anwerbung ausländischer Arbeiter begann, war ein Großteil der italienischen und spanischen Arbeiter aus den klassischen Anwerbeländern bereits in anderen Betrieben tätig. Aus diesem Grunde konzentrierte sich die Akquise der BMW AG bis Mitte 1962 vor­ rangig auf Griechenland, infolgedessen das Unternehmen zu den dortigen Behörden und politischen Vertretern während der 1960er Jahre besonders enge Verbindungen aufbaute und unterhielt.135 Die Anwerbung ausländi­ scher Arbeiter wurde indessen betriebsintern keineswegs ohne Skepsis be­ trachtet. Bereits 1965 stand die Personalabteilung dem weiteren Ausbau des Gastarbeiteranteils aus Verwaltungs-, Organisationsgründen und Sprachbar­ rieren kritisch gegenüber, stellte der wachsende Migrantenanteil doch erheb­ liche Herausforderungen an die BMW AG. Zugleich sah man allerdings kei­ ne reale Alternative, um dem Arbeitskräftebedarf auf einem angespannten Arbeitsmarkt zu decken.136 Im Oktober 1962 traf, neben einigen wenigen Spaniern, die erste größere Gruppe türkischer Gastarbeiter ein. Laut Schmid­ hofer ist davon auszugehen, dass auch in den folgenden Jahren insbesondere Arbeiter aus Griechenland und der Türkei zu BMW kamen,137 wie die unten aufgeführte Verteilung der Arbeitsmigranten auf ihre Nationalitäten bestä­ tigt, die sich im Jahre 1967 auf sage und schreibe 40 verschiedene Länder aufteilten. Hierunter machten Griechen mit 52 Prozent die größte Gruppe aus, gefolgt von den türkischen Arbeitern mit 25 Prozent. Des Weiteren wa­ ren 10 Prozent österreichischer und 5 Prozent italienischer Herkunft. Ende der sechziger Jahre setzte dann eine verstärkte Anwerbung jugoslawischer Bürger ein, deren Anteil bis Anfang der 1970er Jahre stark anstieg. Am Ende der zweiten Internationalisierungsphase, im April 1971, verteilten sich bei BMW die Nationalitäten der Gastarbeiter wie folgt: 43,3 Prozent stammten aus Griechenland, 32,1 Prozent aus der Türkei, mittlerweile sogar 13,9 Pro­ 134  Vgl.

Entwicklung der BMW-Belegschaft, 1960–1969, in: ebd.; Nitsche, Geräusch­ lose Integration, S. 44, Tabelle 1. 135  Vgl. Schmidhofer, Personalpolitik BMW, S. 40. 136  Vgl. Aktennotiz der Personalabteilung vom 16. 03. 1965, in: BMW UA 519/1. 137  Vgl. Schmidhofer, Personalpolitik BMW, S. 39.

3.2. Personalpolitik

267

zent aus Jugoslawien und 5,8 Prozent aus Italien, womit ihr Anteil gegen­ über den 1960er Jahren konstant geblieben war. Die verbleibenden 4,9 Pro­ zent verteilen sich auf insgesamt weitere 38 Nationen.138 Hierdurch wird die hohe kulturelle Heterogenität nicht nur zwischen den deutschen und auslän­ dischen Arbeitern, sondern auch unter den Gastarbeitern deutlich. Hinsichtlich der Anwerbungsmodalitäten ging BMW einen Schritt weiter als viele andere deutsche Unternehmen: Zwar konsultierte die Personalabtei­ lung ebenfalls die Kommissionen der Bundesanstalt für Arbeit in den jeweili­ gen Ländern, insbesondere in Athen und Istanbul, jedoch nutzte sie überdies die Möglichkeit der persönlichen Akquise vor Ort. Für diesen Zweck reisten ein oder mehrere Mitarbeiter der Personalabteilung regelmäßig nach Athen und Istanbul und führten dort, mit Hilfe von Dolmetschern, mit den von der Kommission vermittelten Bewerbern Auswahlgespräche. In Jugoslawien wurden Anfang der 1970er Jahre sogar eigene BMW-Ausbildungswerkstät­ ten eröffnet, um die Vorabqualifikation der Arbeiter zu fördern.139 Mit dem Anwerbebeginn wurde eine eigene Abteilung im Personalbereich für die Be­ lange der Gastarbeiter eingerichtet; zuvor hatte bereits je eine Personalabtei­ lung für Angestellte und deutsche Lohnempfänger existiert.140 Insbesondere die mangelnde Qualifikation, die sich auf die Qualität der Arbeit nieder­ schlug, stellte ein vorrangiges Problem dar, das wiederkehrend im BMWVorstand diskutiert wurde: „Herr Gieschen hat darauf aufmerksam gemacht, daß eine weitere Verschiebung die­ ses Verhältnisses zugunsten der ausländischen Arbeitskräfte nicht vertretbar ist. Wir müssen aus Qualitätsgründen unbedingt eine Verstärkung unserer deutschen Beleg­ schaft anstreben.“141

Die mangelnde Qualifikation der Gastarbeiter stellte branchenübergreifend ein herausragendes Problem für die Unternehmensleitung dar. Die Aus­ länderquote im deutschen Fahrzeugbau stieg zwar in den 1960er Jahren von 6,5 Prozent (1961) auf 25,7 Prozent (1970) an, jedoch belief sich die Fachar­ beiterquote unter diesen im Ausland angeworbenen Arbeitern auf lediglich 14,0 Prozent (1972).142 Im Raum München war der Arbeitsmarkt Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre besonders angespannt, da zahlreiche Ar­ beitskräfte aufgrund der Olympiavorbereitungen in die hiesige Bauindustrie abwanderten.143 Zwar erkannte BMW bereits Ende 1965 die Notwendigkeit, die zum überwiegenden Teil ungelernten Gastarbeiter mittels Schulungen auf ein gewisses Level zu qualifizieren und führte in Zusammenarbeit mit einem Experten namens Prof. Lückert basale Schulungen ein, die die Grundlage für 138 

Vgl. ebd., S. 39. Vgl. ebd., S. 40f. 140  Vgl. ebd., S. 26. 141  Protokoll Nr. 4/69 der Vorstandssitzung vom 04. 02. 1969, in: BMW UA 412/1. 142  Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 319f. 143  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 17. 12. 1969, in: BMW UA 548/2. 139 

268

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

eine Arbeitsaufnahme in der BMW-Produktion gewährleisten sollten.144 Al­ lerdings ging die Geschäftsleitung diese Frage während der 1960er Jahre zu­ nächst nur kurzfristig an, anstatt die Integration der Gastarbeiter mittel- und langfristig auszulegen. Dies spiegelte sich auch in dem Maßnahmenkatalog zur Integration der Migranten wider: Nur fünf Prozent aller in München an­ sässigen Firmen, die Gastarbeiter beschäftigten, boten Sprachkurse an. Statt­ dessen präferierten die Betriebe, insofern sie in diesem Punkt also überhaupt tätig wurden, die Beschäftigung von Dolmetschern; in München waren dies circa 17 Prozent der Firmen.145 Diese geringe Quote war ebenso Ausdruck für das kurzfristige Denken der Betriebe, das zu Beginn gegenüber einer langfristigen und zugleich kostspieligeren Integration der Gastarbeiter deut­ lich überwog. Bei BMW waren 1963 zwar zwei Dolmetscher für die türki­ sche sowie drei für die griechische Sprache tätig, diese waren jedoch vor al­ lem für Übersetzungen der Führung und der Verwaltung gegenüber den aus­ ländischen Arbeitern zuständig, hingegen kaum in den Werkshallen vertreten, um diese bei der täglichen Arbeit zu unterstützen, was jedoch dringend von­ nöten war.146 Erst ab 1965 waren unternehmensinterne Publikationen eben­ falls in griechischer und türkischer Sprache erhältlich, zuvor waren diese aus­ schließlich auf Deutsch verfasst gewesen.147 Das Sprachproblem wurde im weiteren Verlauf der 1960er Jahre durch die Personalabteilung adressiert und ein Lösungsvorschlag formuliert: „Sprachkundige Gastarbeiter, die am Band arbeiten, müssen gleichzeitig für Dolmet­ scherdienste eingesetzt werden. Da wir Gastarbeiter in der Fertigung haben, die schon [zwei, Anm. d. Verfasserin] oder mehr Jahre bei uns tätig sind, müssen geeignete Mit­ arbeiter ausgesucht werden, die mittlerweile die deutsche Sprache insoweit beherr­ schen, um den Arbeitsablauf durch ihre Dolmetscherdienste im Fluß zu halten.“148

Hierdurch wurde viel Verantwortung an den einzelnen Arbeiter abgetreten, anstatt die sprachlichen Barrieren, die sicher eine der wesentlichen Schlüssel­ rollen innerhalb der Integration darstellten, mittel- und langfristig durch ent­ sprechende Kurse anzugehen. Ein Grund für die zögerliche Etablierung von Sprachkursen und somit eine gewisse Rechtfertigung dieses Versäumnisses sieht Nitsche in der nur mangelhaften Erfolgsbilanz solcher Kurse innerhalb der deutschen Industrie; die Deutschkenntnisse verbesserten sich nicht nen­ nenswert und viele der partizipierenden Gastarbeiter brachen die Schulung oftmals nach wenigen Besuchen ab.149 Erst 1973 fand BMW mit der Etablie­ 144  Vgl. Protokoll Nr. 32/1965 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1965, in: BMW UA 409/1. 145  Vgl. Nitsche, Geräuschlose Integration, S. 62f. 146  Nitsche merkt hier richtig an, dass es sich somit um eine eingleisige Kommunika­ tion handelte, die die Migranten oftmals in ihrer vergleichsweise isolierten Situation alleine ließ, vgl. ebd., S. 63f. 147  Vgl. ebd., S. 63. 148  Aktennotiz der Personalabteilung vom 16. 03. 1965, in: BMW UA 519/1. 149  Vgl. Nitsche, Geräuschlose Integration, S. 66.

3.2. Personalpolitik

269

rung der sogenannten „Lernstatt“150 eine effiziente Lösung dieses Problems, die ein neues Konzept zur langfristig angelegten Integration ausländischer Mitarbeiter darstellte. Hierauf soll im Zuge der dritten Internationalisie­ rungsphase in Kapitel 4.2.2 näher eingegangen werden. Inwieweit hatte demnach die Anwerbung von Gastarbeitern Auswirkun­ gen auf die Internationalisierung der BMW AG? Resümierend kann gesagt werden, dass die Geschäftsleitung in München zunächst kurzfristige Ziele verfolgte und die hohe Fluktuation der Arbeitsmigranten ihre Integration in das Arbeitsumfeld weiterhin erschwerte. In den 1960er Jahren blieben die Effekte vor allem aufgrund dieser beiden Faktoren im Zusammenspiel mit der hohen Sprachbarriere sowie einer kulturellen Divergenz auf die internati­ onale Ausrichtung des Unternehmens zunächst verschwindend gering. Die Unterbringung in Wohnheimen, die sich an der Zugehörigkeit der Nationali­ täten orientierte, führte zu einer gewissen Segregation der Gastarbeiter, die vom „privaten“ Umfeld auf die Arbeitsumgebung überzugreifen und zu ei­ ner Blockbildung zu führen drohte. Ab Mitte des Jahrzehnts setzen sich bei BMW Bemühungen durch, die ausländischen Arbeiter weiter zu integrieren und ihnen auch mittel- und langfristig Partizipationsmöglichkeiten einzuräu­ men: „Hier versuchte BMW verstärkt ab Mitte der 1960er Jahre, den ‚Gastarbeitern‘ die gleichen Teilhabechancen zu garantieren wie den deutschen Mitarbeitern und gehörte damit zu den Ausnahmen im Vergleich mit den Münchner Unternehmen oder mit dem Wettbewerber Volkswagen. Gänzlich fehlte jedoch eine langfristig angelegte ­Strategie zur Integration von Migranten – heute auch bekannt als Diversity Manage­ ment.“151

Für die 1960er Jahre können also durchaus Bemühung seitens der Unterneh­ mensleitung und des Personalbereichs konstatiert werden, letztlich handelte es sich jedoch vermehrt um ein Nebeneinander denn um ein Miteinander der deutschen und ausländischen Arbeiter. Dies war eine nachteilige Situation, wenn man beachtet, dass zum 30. November 1971 bei BMW 71 Prozent deutsche und 29 Prozent ausländische Mitarbeiter beschäftigt waren. Im Werk München betrug die Ausländerquote sogar 36 Prozent, wobei in man­ chen Betriebsabteilungen bis zu 90 Prozent ausländische Arbeiter beschäftigt waren, von denen die Mehrheit über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügte.152 Diese Zahlen bargen eine soziale Sprengkraft, denen die BMWGeschäftsleitung mit weiteren Maßnahmen zur Integration erst in den 1970er Jahren und somit in der dritten Internationalisierungsphase entgegensteuerte, die in Kapitel 4.2.2 vorgestellt werden sollen. Welchen Einfluss die ausländischen Arbeitsmigranten auf die deutsche ­Belegschaft hatten und wie ihr Zusammenwirken im Arbeitsumfeld geprägt 150 

Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 114. Nitsche, Geräuschlose Integration, S. 91f. 152  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 16./17. 12. 1971, in: BMW UA 807/2. 151 

270

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

war, ist anhand der analysierten Quellenlage und ihrer mangelnden Tiefe lei­ der nicht zu rekonstruieren. Auf eine Mitarbeiterzeitung, wie sie ab Dezem­ ber 1973 existierte – die sowohl in deutscher Sprache als auch in Auszügen auf Türkisch, Griechisch, Serbokroatisch und Italienisch erschien153 – fällt leider für eine solche Untersuchung aus, da in den 1960er Jahren bei BMW keine Werkszeitung publiziert wurde. Ein solches Kommunikationsmedium würde entscheidende Erkenntnisse über das Miteinander im Betrieb liefern. Als Alternative bietet sich indessen die Durchführung und Auswertung von Zeitzeugengesprächen an, die allerdings im Rahmen der vorliegenden For­ schungsarbeit aufgrund des thematischen Schwerpunktes nicht geleistet wer­ den konnte und somit weiterhin ein Desiderat in der BMW-Unternehmens­ historie darstellt. An dieser Stelle kann jedoch abschließend festgehalten wer­ den, dass die Beschäftigung von Gastarbeitern in den 1960er Jahren keine bis kaum spürbare Auswirkungen auf die interkulturelle Kompetenz der BMWMitarbeiter und die internationale Ausrichtung des Münchner Unterneh­ mens hatte. So wurde die gesonderte Personalabteilung für ausländische Ar­ beitskräfte bereits bald nach dem offiziellen Anwerbestopp aufgelöst.154 In der Folgedekade nahm die Auseinandersetzung mit den ausländischen Kolle­ gen zu: Die ab 1973 erscheinende Werkszeitung „bayernmotor“ berichtete wiederkehrend über die Gastarbeiter und ihr Leben in München.155 1976 gab eine deutsche BMW-Mitarbeiterin, die als Sachbearbeiterin in der Lohnda­ tenerfassung beschäftigt war, gegenüber der unternehmensinternen Werks­ zeitung zu den ausländischen Arbeitern an, die sie betreute: „Aber die sind alle so nett. Auch mit der Verständigung klappt’s inzwischen ganz gut. Ich hab’ mir so eine Art Kinderdeutsch angewöhnt. Das verstehen auch die Türken und Griechen. Wenn nicht, dann bringen sie einen Kollegen mit, der übersetzt.“156

Dieses zeitgenössische Zitat verdeutlicht, dass auch noch in den 1970er Jah­ ren Sprachbarrieren bestanden und oftmals Gastarbeiter ihre einheimischen Kollegen als Dolmetscher einsetzen.157 Da die Beschäftigung von Gastarbei­ 153 

Vgl. BMW AG (Hg.): Bayernmotor, Jg. 1, Nr. 1, 12. 1973. Schmidhofer, Personalpolitik BMW, S. 44. Weitet man den Betrachtungs­ zeitraum über die 1960er Jahre hinaus aus, haben die Gastarbeiter dennoch deutliche Spuren im Unternehmen sowie im Münchner Umland hinterlassen, die sich über ­Generationen manifestieren und nachvollziehen lassen. Auf einen kleinen Ausschnitt dieser Geschichte soll in Bezug auf ihren Einfluss auf die Internationalisierung des Unternehmens während der 1970er Jahre punktuell eingegangen werden, vgl. Kapitel 4.2. 155  Vgl. Exemplarisch vgl. [o. V.] (1974): Zwiebeln gegen Langeweile, in: bayernmo­ tor, Jg. 2, Nr. 2, 02. 1974. 156  [o. V.] (1976): Pauline Habel rechnet ab… 330 von 380 „meiner Werker“ sind Aus­ länder, mit der Verständigung klappt’s trotzdem ganz gut!, in: bayernmotor, Jg. 4, Nr. 10, 10. 1976. 157 Zugleich wird das Potential deutlich, das eine Auseinandersetzung mit diesem Thema für eine Untersuchung der 1970er Jahre mit einem interkulturellen Schwer­ punkt birgt. Aufgrund der Quellenlage der BMW AG kann sich diesem Sujet aller­ 154 Vgl.

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 271

tern allerdings auf die weitere internationale Ausrichtung des Unternehmens bzw. die interkulturelle Kompetenz des Großteils der Mitarbeiter auch wäh­ rend der dritten Internationalisierungsphase keinen Einfluss ausübte, wird sie im Rahmen dieser vorliegenden Arbeit für die 1970er Jahre nur marginal betrachtet (vgl. Kapitel 4.2.2).

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung Wie bereits mehrfach in der vorliegenden Arbeit hervorgehoben wurde, hatte sich in den 1950er Jahren ein tiefgreifender Wandel der Mobilität in Deutsch­ land und Europa vollzogen. Das Automobil, angefangen zunächst bei den Kleinst- und Kleinwagen, war durch den steigenden Wohlstand für einen großen Teil der Bevölkerung in greifbare Nähe gerückt, wobei hier der über­ wiegende Teil zunächst auf Fahrzeuge mit kleinem Hubraum entfiel. Tabelle 30 zeigt die Entwicklung des Kraftfahrzeugbestands sowie der -dichte im Bun­ desgebiet zwischen 1950 und 1970 und spiegelt die Veränderung hin zur au­ tomobilen Mobilität wider, die ab Mitte der 1950er Jahre rasant zunahm und parallel hierzu der Bestand an Krafträdern signifikant abnahm. Alleine zwi­ schen 1960 und 1965 reduzierte sich der Zweiradbestand um 63,4 Prozent, während der Anteil der zum Verkehr zugelassenen PKW sich in demselben Zeitraum um 142,1 Prozent erhöhte und sich somit mehr als verdoppelte. 1970 und damit am Ende der zweiten Phase der Internationalisierung der BMW AG erreichte der Zweiradbestand in der Bundesrepublik nur noch 228 604 Einheiten und somit lediglich einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe. Im Gegensatz hierzu nannte bereits rund jeder fünfte Westdeutsche einen PKW sein Eigen und der Kraftwagenbestand war auf über 13,0 Mio. Fahrzeuge angestiegen. 1950 PKW Krafträder Einwohner je Kraftwagen

515 608 913 546 106

1955

1960

1 300 000 1 594 500 38

3 583 100 1 362 300 12

1965

1970

8 675 700 13 042 200 498 000 228 604 6,6 4,6

Tabelle 30: Bestand an Kraftfahrzeugen inkl. Kombinationskraftwagen und Kraft­ rädern mit Fahrberechtigung im Bundesgebiet, 1950–1970.158 dings nur primär mittels der Durchführung von Zeitzeugengesprächen genähert wer­ den, die um eine Analyse der Werkszeitungen erweitert werden kann. 158  Die Zahlen für West-Berlin sind in dieser Darstellung vor 1965 nicht mit einbe­ zogen, die Angaben zu der Kfz-Dichte inkludieren Kraftomnibusse. Die Angaben des Jahres 1970 entsprechen dem Stand vom 01. 01. 1971, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1950, S. 117, 182; Ders. (Hg.): TuZ 1954/55, S. 130, 182; Ders. (Hg.): TuZ 1960/61, S. 181, 330; Ders. (Hg.): TuZ 1965/66, S. 168, 172, 336; Ders. (Hg.): TuZ 1969/70, S. 395; Ders. (Hg.): TuZ 1971/1972, S. 206.

272

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

War das Motorrad bis Mitte der 1950er Jahre noch das dominierende Fortbewegungsmittel gewesen, haftete ihm nach und nach das Image eines Fahrzeugs für arme Leute an, während das Automobil zu einem Symbol des Aufschwungs wurde, durch das der sozialen Umwelt angezeigt wurde, dass der Besitzer seinen Platz in der neuen Gesellschaft gefunden hatte. Es be­ durfte eines grundlegenden Wandels des Zweiradimages, damit das Motor­ rad nicht in der Bedeutungslosigkeit oder zumindest in der „Schmuddel­ ecke“ verschwand.159 Dieser massive Einbruch der Absatzzahlen, wobei das Jahr 1957 hier als entscheidende Zäsur angesehen werden kann, betraf die gesamte deutsche Zweiradindustrie. Zahlreiche bis dato erfolgreich produ­ zierende deutsche Hersteller wie beispielsweise Tornax, Horex und NSU mussten ihre Werke bis einschließlich 1957 schließen, während sich andere Firmen wie Hercules, Kreidler und Zündapp auf die Fertigung von Mofas, Mopeds und Kleinkrafträdern spezialisieren.160 Im Gegensatz hierzu produ­ zierte BMW ausschließlich leistungsstarke Motorräder von mindestens 250 ccm und konnte sich in diesem Bereich sowohl im In- als auch im Ausland nennenswerte Marktanteile sichern, wie bereits in Abschnitt 2.3.1 aufgezeigt wurde. Selbstverständlich war dennoch auch die BMW AG von diesen tief­ greifenden Veränderungen betroffen und musste auf die sich stark wandeln­ den Ansprüche an die Mobilität reagieren. Abbildung 18 zeigt die Entwick­ lung der Produktion von PKW und Motorrädern bei BMW im Vergleich, wobei die Herstellung der Kraftwagen auf der Sekundärachse dargestellt ist. Das Diagramm wurde um die Jahre 1956 bis 1960 erweitert, da erst hier­ durch der massive Einbruch der Zahlen des Motorradsegments noch deutli­ cher wird. Mit der kurzfristigen Übernahme der Lizenzfertigung der Isetta von der Firma Iso konnte die BMW-Geschäftsleitung die freigewordenen Mitarbeiter aus der Motorradfertigung nahtlos weiterbeschäftigten und die Produktions­ kapazitäten auslasten, so dass es mit Ausnahme des Jahres 1959 zu keinen Entlassungen kam, sondern die Belegschaft sogar weiter ausgebaut wurde.161 In der oben abgebildeten Zeitspanne stieg diese von 5 757 (1956) auf 22 913 (1970) Mitarbeiter und somit um knapp 300 Prozent.162 Die Krise des Zwei­ radmarktes hatte somit zwar unmittelbare Auswirkungen auf die BMW AG, 159 

Vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 117. Vgl. Bauer, Kurzer Boom, S. 8. 161  Ausnahme bildete hier das Jahr 1959, in welchem aufgrund des Absatzrückgangs sowie der im Vorjahr gebildeten Fahrzeuglagerbestände im Januar sowie Februar Kurzarbeit und zur Jahresmitte eine Minderung der Belegschaft angeordnet wurden, die jedoch bereits zum Jahresende nahezu erneut ausgeglichen wurde, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 44. Geschäftsjahr 1959, 1960, in: BMW UU 38/10. 162  Erinnert sei jedoch an dieser Stelle daran, dass die Belegschaft zwischen 1952 und 1956 aufgrund der in Kapitel 2 explizierten Krise von 9 550 auf 5 757 Mitarbeiter ge­ sunken war. 160 

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 273

16.000

180.000

14.000

160.000

12.000

140.000 120.000

10.000

100.000

8.000

80.000

6.000

60.000

4.000

40.000

2.000

20.000

0

0

Motorräder

PKW

Abbildung 18: Produktion von Motorrädern und Kraftwagen bei der BMW AG (in Stückzahlen), 1956–1970.163

spiegelte sich jedoch nicht in ihrer Beschäftigungsstruktur wider, da der Rückgang durch den Ausbau des Kraftwagensegmentes mehr als kompen­ siert werden konnte. Der Einbruch des deutschen Zweiradmarktes bewog Ernst Sachs, den da­ maligen Chef der Fichtel & Sachs Werke, auf einer Wirtschaftskonferenz im Dezember 1959 zu dem viel zitierten Resümee: „Das Motorrad ist tot!“.164 Bereits 1955 hatte der Umsatz aus dem PKW-Segment den der Zweiradspar­ te bei BMW bei weitem überstiegen (vgl. Kapitel 2.3.1, Abbildung 7). Nahe lag also der Schluss, den Motorradbereich einzustellen und sich fortan ein­ zig auf die Fertigung von Kraftwagen zu konzentrieren. Dieser Gedanke wurde durchaus in den Führungsgremien der BMW AG diskutiert, aller­ dings waren sich die Beteiligten ebenfalls darüber im Klaren, dass das BMW Motorrad maßgeblich für das positive Image der Marke mit verantwortlich war: „Für die Zukunft ist zum Motorrad nur noch zu sagen, dass die Produktion selbst bei fortschreitendem Nachlassen des Absatzes niemals wird ganz aufgegeben werden dür­ fen. Der Name BMW wird entscheidend vom Motorrad mitgetragen.“165

Die schwere Unternehmenskrise von 1959, die hierauf folgenden finanziellen Sanierungsmaßnahmen und die weiteren Einbrüche der Motorradproduk­163  Vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 117; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10. 164  Bundesverband der Motorradfahrer (2014): Die Geburt des BVDM. URL: http:// www.bvdm.de/index.php?id=91 (Stand: 24. 12. 2015) 165  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 22. 06. 1956, in: BMW UA 143/1.

274 Mio DM 1700 1600

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung Automobile Motorräder Sonstige Umsätze Inland Export

1684,9

1500

1443,4

1400 1300 1200 1100

1032,4

1000 870,8

900 800

755,9

700

590,7

600

515,1

500 400

433,1

300 248,6 294,8 200 100 0

1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970

Abbildung 19: Umsatzentwicklung der BMW AG getrennt nach Sparten sowie Inland und Export, 1961–1970.166

tion von 1962 und 1968/69 ließen kritische Stimmen durchaus erneut laut werden. Auch der erwirtschaftete Umsatz aus dem Verkauf von Motorrädern in den 1960er Jahren sprach im Vergleich zu den Erlösen aus der PKW-Spar­ te eine deutliche Sprache, wie Abbildung 19 nachdrücklich zeigt. Die Auswirkungen der allgemein finanziell prekären Lage des Unterneh­ mens waren im Zweiradbereich besonders zu spüren und spiegelten sich in der Modellpolitik wider: Zwischen 1955 und 1969, also über ein Jahrzehnt lang, waren keine nennenswerten Innovationen oder Veränderungen inner­ halb des Motorradprogramms der BMW AG umgesetzt worden. Bis 1969 erschienen also keine zweirädrigen Neuentwicklungen bzw. Produkte, die bestehende Modellpalette erfuhr lediglich kleinere Überarbeitungen. Eine Tatsache, die ebenfalls für den starken Rückgang der Verkaufszahlen gegen Ende der 1960er Jahre mit verantwortlich war. Optisch blieben die BMW166 Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10.

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 275

Motorräder über 15 Jahre lang unverändert und hatten damit auch in diesem Punkt den Sprung in die Moderne verpasst.167 Bis 1969 hielt BMW an der „Hausfarbe“ schwarz fest und machte hiervon nur einige wenige Ausnah­ men: Dem Drängen einiger Importeure wurde nur widerwillig stattgegeben und so wurden in die Schweiz Anfang der 1960er Jahre hellblaue sowie nach Amerika 1967 rote, blaue, graue und grüne Motorräder ausgeliefert.168 In der Mehrzahl der belieferten Märkte hielt BMW jedoch an der Farbe Schwarz fest, lediglich die R 69 S, das zeitweise schnellste deutsche Serienmotorrad in Deutschland, wurde ebenfalls serienmäßig in Weiß ausgeliefert.169 Die stei­ gende Nachfrage an PKW forderte während der 1960er Jahre immer mehr Raum im Werk München und so sah sich die Produktions- und Geschäfts­ leitung, trotz der Erweiterung des Werks in Dingolfing, einem kapazitativen Engpass gegenüber, denn in Milbertshofen war alsbald nicht genug Platz für die Parallelfertigung von Wagen und Motorrädern. Das Werk Spandau, des­ sen Veräußerung vor dem Hintergrund des Kaufs der Glas GmbH und der hiermit verbundenen Werksanlagen in Dingolfing noch 1966 vom Vorstand diskutiert wurde,170 rückte damit 1967 mit einer veränderten Ausgangslage erneut in den Fokus.171 Hatte der Vorstand 1964 noch kurzzeitig diskutiert, die Zweiradfertigung unter Umständen sogar in die Niederlande zu verlegen, um Produktionskapazitäten für die Wagenfertigung frei zu bekommen,172 beschloss er 1968 den Motorradbau in das Werk nach Berlin zu verlagern, wo die bisherige Maschinenfertigung weichen musste. Die Verwaltung der Motorradsparte sollte währenddessen in der Münchner Zentrale belassen 167 Weiteres

Indiz liefert der Umstand, dass zwischen 1955 und 1969 keine neuen Pressefotos gefertigt wurden, die in den Motorradkatalogen und -betriebsanleitungen verwendet wurden. In dieser Zeit wurden lediglich die alten Bilder um die wenigen technischen Änderungen, wie Rücklicht, Rahmen oder Blinker, retuschiert, vgl. Mo­ torradkataloge und -betriebsanleitungen der BMW AG aus den Jahren zwischen 1955 und 1969. 168 Vgl. Aktennotiz „Vertreterbesuch / Winter-Vorratsaufträge“ von Trötsch (KS) vom 04. 12. 1956, in: BMW UA 230/1; Biss, BMW Motorrad, S. 122. 169  Vgl. Prospekt „BMW Motorräder“, 05. 1968, BMW MK 335/10. 170 Vgl. Protokoll Nr. 27/66 der Vorstandssitzung vom 06. 09. 1966, in: BMW UA 411/1; Protokoll Nr. 29/67 der Vorstandssitzung vom 13. 07. 1967, in: ebd. 171  Im November 1966 hatte der Vorstand aufgrund des Kaufs der Hans Glas GmbH das ursprünglich vorgesehene Investitionsprogramm für das Werk Spandau von 14,7 Mio. DM auf 4,7 Mio. DM verringert und somit stark gekürzt, vgl. Seidl, Die Bayeri­ schen Motorenwerke 1945–1969, S. 333; Protokoll Nr. 36/66 der Vorstandssitzung vom 15. 11. 1966, in: BMW UA 411/1. 172  Vgl. Triebel, BMW während Rezession 1966/67 und Ölkrise 1973/74, S. 123. Die­ ser Vorschlag ging auf den damaligen Vorstandsvorsitzenden Sonne zurück und war kurzfristiger Natur. In den Protokollen finden sich keine weiteren Hinweise, weshalb die Zweiradfertigung ausgerechnet in die Niederlande hätte verlegt werden sollen. Ein solcher Schritt, der Direktinvestitionen im Ausland erforderlich gemacht hätte, ent­ sprach nicht der Auslandspolitik des Unternehmens während der zweiten Internatio­ nalisierungsphase, vgl. Protokoll Nr. 10/64 der Vorstandssitzung vom 23. 06. 1964, in: BMW UA 409/1.

276

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

werden.173 Am 13. Mai 1969 wurde demgemäß im Münchner Werk Milberts­ hofen die Motorradproduktion eingestellt, wo fortan ausschließlich PKW gefertigt wurden.174 Um die Aktivitäten zum Verkauf von BMW-Motor­ rädern zu bündeln, wurde die bis dahin bestehende Althausverwaltung GmbH am 27. August 1968 in die BMW Vertriebs GmbH umfirmiert,175 aus welcher im November 1973 die stark erweiterte BMW Motorrad GmbH hervorgehen sollte.176 Einher mit der Entscheidung zur Produktionsverlagerung nach Berlin, die abermals Investitionen notwendig machte, ging die Fürsprache für das Mo­ torrad bei BMW und seinen Platz im Unternehmen, was durchaus iterativ zuvor im Vorstand diskutiert, jedoch vor allem auch aus Imagegründen be­ jaht worden war.177 Spätesten in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre war deutlich geworden, dass dringender Handlungsbedarf bestand, wollte man die Zweiradsparte auch weiterhin als Teil der BMW AG halten. In diesem Kontext markiert das Jahr 1969 einen wichtigen Wendepunkt in der Motor­ radhistorie der BMW AG, die sich öffentlichkeitswirksam zum Motorrad bekannte und dies nicht nur kommunikativ,178 sondern auch mit neuen Pro­ dukten – der /5-Serie – bekräftigte. Dieses Bekenntnis zum Motorrad – die das BMW-Marketing im englischsprachigen Raum als „die erste Liebe“ des Münchner Herstellers vermarktete – wurde in alle zentrale europäischen Sprachen wie englisch, französisch und spanisch übersetzt und als wichtige Botschaft verbreitet.179 Die BMW-Geschäftsleitung stand fest zu ihrer Zwei­ radsparte: „Nein – aus rein wirtschaftlichen Erwägungen haben wir es sicher nicht nötig, Motor­ räder zu bauen, aber wir sind uns einer verpflichtenden Tradition bewusst. Wir wis­ sen, was BMW dem Motorrad an Image-Bildung und internationalem goodwill zu verdanken hat. Man kann darüber streiten, ob Daimler Benz oder BMW zu irgendei­ ner Zeit das beste Automobil gebaut hat – aber es besteht kein Zweifel, dass BMW über viele Jahre das beste und fortschrittlichste Motorrad der Welt baute. Wir haben den Ehrgeiz, uns diesen Ruf auch in Zukunft zu erhalten.“180

173 

Vgl. Protokoll Nr. 13/68 der Vorstandssitzung vom 07. 05. 1968, in: BMW UA 412/1. Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 290. 175  Vgl. Protokoll Nr. 22/68 der Vorstandssitzung vom 24. 09. 1968, in: BMW UA 412/1. 176  Vgl. Protokoll Nr. 28/73 der Vorstandssitzung vom 07. 11. 1973, in: BMW UA 851/1. 177  Vgl. exemplarisch Protokoll Nr. 38/67 der Vorstandssitzung vom 11. 10. 1967, in: BMW UA 411/1. 178  In Anlehnung an den Titel „Bekenntnis zum Motorrad“ wurden die neuen Mo­ torräder der /5-Serie von BMW offiziell vermarktet, vgl. Prospekt „BMW bekennt sich zum Motorrad“, 08. 1969, BMW MK 374/10. 179  Vgl. Englischer Prospekt „BMW are still faithfull to their first love – motor cy­ cles“, 09. 1969, in: BMW MK 374/20; Französischer Prospekt „BMW donne un nou­ vel essor à la moto“, 09. 1969, in: BMW MK 374/30; 180  Rede des Technischen Direktors Helmut Bönsch zur Vorstellung der neuen BMW Motorradmodelle am 28./29. 08. 1969 „BMW bekennt sich zum Motorrad“, BMW Pressemappe „Motorräder 1969“ vom 28. 08. 1969, in: BMW MP 10/10. 174 

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 277

BMW hielt also an dem Motorrad trotz der rückläufigen Verkaufszahlen der 1950er und 1960er Jahre fest, denn die Geschäftsleitung wusste durchaus, wie ausschlaggebend das BMW Motorrad für das eigene Image und die Marken­ werte gewesen war. Dies wurde in einer 1964 von Prof. Spiegel durchgeführ­ ten unabhängigen Untersuchung bestätigt, die aufzeigte, dass vor allem die Modelle der Zwischenkriegszeit, sowohl der PKW- als auch Zweiradsparte, und ihre sportlichen Erfolge das Image der Marke BMW bis Mitte der 1960er Jahre prägten und somit indirekt zur Bewältigung der bisweilen fatalen Pro­ duktentscheidungen und -mängel der 1950er Jahre beitrugen.181 Der Schwerpunkt des Motorradgeschäftes der BMW AG lag in den 1960er Jahren eindeutig im Export. Absatzrückgänge auf dem Heimatmarkt wurden also, wie bereits in dem vorhergehenden Jahrzehnt, durch steigende Aus­ fuhren kompensiert, wobei BMW nun das Potential der Märkte im Ausland weitaus intensiver ausschöpfte, als es noch in den 1950er Jahren der Fall ge­ wesen war (vgl. Kapitel 2.3.2.). Tabelle 31 zeigt den Export und die Export­ quote der Münchner Zweiräder gemessen am Gesamtabsatz, der aufgrund der hohen Lagerbestände 1963 und 1968/69 eine aussagekräftigere Bezugs­ größe darstellt als die Gesamtproduktion. 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 Export ­ otorräder M Exportquote in Prozent

5 511 5 536 4 867 3 981 6 314 6 452 6 828 6 636 5 191 4 161 9 422 63,5

67,6

75,7

69,2

78,3

75,8

79,7

90,1

86,0

89,9

76,3

Tabelle 31: Export und Exportquote von BMW-Motorrädern gemessen am Absatz, 1960–1970.182

Diese Zahlen verdeutlichen die starke Exportorientierung der BMW-Mo­ torradsparte, die in den 1950er Jahren eingesetzt hatte, während der Folge­ dekade jedoch eine vollkommen neue Qualität bzw. Quantität erreichte: Seit 1962 wurden erstmals und seit 1964 konstant Dreiviertel der verkauften ­Motorräder im Ausland abgesetzt. Gegen Ende des Jahrzehnts machte das Ausfuhrgeschäft nahezu den Gesamtabsatz im Zweiradsegment aus und wies hierdurch eine weitaus höhere Exportorientierung auf als die automobile BMW-Sparte. Der Wettbewerbsdruck auf den Motorradmärkten war aller­ dings enorm hoch, wie die Reduzierung der bundesdeutschen Herstellerzahl 181 Vgl.

Gutachten von Prof. Bernt Spiegel zur Frage der Weiterentwicklung des Typen­programms der Bayerische Motoren Werke AG vom 29. 09. 1964, in: BMW UA 1344/1. 182  Eigene Berechnungen, vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 117; Entwicklung des BMWExportes einschl. Teilesätzen, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; BMW-Motorrad-Ex­ port nach Ländern 1969, 29. 01. 1970, in: BMW UA 1487/1; BMW-Motorrad-Export nach Ländern 1970, 14. 01. 1971, in: BMW UA 1488/1; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10.

278

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

in den 1950er Jahren zeigte. Auch auf den ausländischen Märkten wurde es für BMW aufgrund des zunehmend älter werdenden Modellprogramms im Laufe der 1960er Jahre immer mühsamer, sich dem Wettbewerb entgegenzu­ stellen, da die Modelle im Wesentlichen auf den Konstruktionen des vorheri­ gen Jahrzehnts beruhten. Beispielsweise hatte die starke britische Zweiradin­ dustrie in der Zwischenzeit modernere Maschinen entwickelt, die bei günsti­ geren Preisen zugleich höhere Leistung erbrachten.183 Der Schwerpunkt des BMW-Motorradgeschäftes lag im Ausland, wo allerdings die einheimischen Hersteller ihren Heimvorteil umso mehr nutzen konnten,184 als das Modell­ angebot aus München veraltet war. Neue BMW-Modelle kamen jedoch erst im Jahre 1969 auf die Märkte. BMW versuchte bis dahin auf dem so wichti­ gen US-Markt durch die speziell entwickelten Modelle R 50 US, R 60 US sowie R 69 US gegenzusteuern, die zum ersten Mal auch in anderen Lackie­ rungen als der schwarzen erhältlich waren und wahlweise mit einer neu ent­ wickelten Teleskopgabel ausgeliefert wurde.185 Aufgrund der diffundierten Quellenlage für den Bereich BMW Motorrad ist eine lückenlose Aufstellung von Exportzahlen und regionalen Mustern vergleichsweise schwierig, da hierfür das Zahlenmaterial nicht vorliegt. Aus diesem Grund kann an dieser Stelle leider nicht für die gesamte zweite Inter­ nationalisierungsphase die regionale Absatzstruktur im Ausland widergege­ ben werden; für den Zweitraum zwischen 1962 und 1965 ist dies hingegen valide möglich, wie Abbildung 20 zeigt. Während in der ersten Hälfte der 1950er Jahre der überwiegende Anteil der BMW-Motorräder ins europäische Ausland verkauft wurde, wandelte sich dieses Verhältnis im folgenden Jahrzehnt nachhaltig. Zu Beginn der zweiten Internationalisierungsphase wurde noch immer über die Hälfte der Münchner Zweiräder in Europa abgesetzt. In den Folgejahren internationa­ lisierte sich die Verkaufsstruktur jedoch immer mehr und dehnte sich auf die weiteren Kontinente aus. Nordamerika wuchs stetig in seiner Bedeutung und nahm bereits 1965 knapp die Hälfte der Gesamtausfuhr auf gegenüber 21,1 Prozent im Jahre 1962. Insbesondere der US-Markt wurde in den 1960er Jahren für die BMW AG zum wichtigsten Exportmarkt ihrer Zwei­ räder. Durch eine Analyse des regionalen Musters wird also deutlich, dass sich auch innerhalb der 1960er Jahre eine deutliche Veränderung der Ex­ portstruktur vollzogen hat und sich die USA zum absatzstärksten Markt wandelten. Hier hatte BMW mit dem Motorradimporteur Butler & Smith einen verlässlichen Partner, mit dem man bereits seit den 1950er Jahren ver183  Vgl. Jakobs, Fred: BMW Motorrad. Die ersten 75 Jahre. BMW Profile. Motorrä­ der aus München 1923–1969, Bd. 1, hrsg. v. BMW Mobile Tradition, 2. Auflage, Mün­ chen 1998, S. 59. 184 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 50. Geschäftsjahr 1965, 1966, in: BMW UU 48/10. 185  Vgl. Jakobs, BMW Motorrad. Die ersten 75 Jahre, S. 59.

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 279

100% 90% 80%

Ozeanien

70%

Asien

60% 50%

Afrika

40%

Lateinamerika

30%

Nordamerika

20%

Europa

10% 0% 1962

1963

1964

1965

Abbildung 20: Export von BMW-Motorrädern nach Verkaufsregionen, 1962–1965.186

bunden war.187 Ferner konnte im Vergleich zu den 1950er Jahren der Verkauf in Afrika etwa verdoppelt werden, während die Absatzzahlen in Asien rück­ läufig waren. Die Ausfuhr nach Lateinamerika und Ozeanien blieb zunächst konstant, schwächte sich jedoch zur Mitte der zweiten Internationalisie­ rungsphase ab. Bei einer genaueren Untersuchung des innereuropäischen Exportgeschäfts zeigt sich ferner, dass die Wirtschaftsgemeinschaften von EWG und EFTA in den 1960er Jahren, zu denen bedauerlicherweise keine Vergleichswerte aus den 1950er Jahren vorliegen, im BMW-Zweiradsegment eine stärkere Orien­ tierung zu den EWG-Märkten bestand, als in zu den EFTA-Mitgliedstaaten. Die entsprechenden Angaben zu dem europäischen Export finden sich in ­Tabelle 32. 186 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 187  Die BMW-Vertriebsrechte waren für das US-Gebiet verstreut, da für Motorräder, Automobile und die BMW Isetta inklusive des BMW 600 jeweils ein Importeur ver­ antwortlich war und BMW somit in den USA durch drei unterschiedliche Partner vertreten wurde. Die Bindung zu dem Motorradimporteur Butler & Smith war beson­ ders eng: Seit Februar 1954 hatte die Firma Leo Adams, das in Hamburg ansässige Korrespondenzhaus des Importeurs Butler & Smith in New Jersey, den US-Export für BMW verantwortet, der später direkt von Butler & Smith übernommen wurde. Die Verbindung zu dem US-Motorradimporteur bestand noch über die Gründung der BMW-eigenen US-Vertriebsgesellschaft hinaus bis zum Herbst 1980, vgl. Impor­ teursvertrag und Prozessunterlagen Butler & Smith, 1954–1979, in: BMW UR 3137/1; Importeursverträge, 1949–1968, in: BMW UA 699/1; Reise- und Länderberichte, 1970–1971, in: BMW UA 1595/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10.

280

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung 1962

EWG EFTA Europa gesamt

1963

1964

1965

Stück

in % Stück

in % Stück

in % Stück

in %

1 559 503

56,5 18,2 2 761

55,8 29,5 1 974

58,6 36,0 2 158

68,0 24,8 2 071

1 097 582

1 265 777

1 409 514

Tabelle 32: Export von BMW-Motorrädern in das europäische Ausland, 1962–1965.188

Während die Lieferungen in die EWG zwischen 1962 und 1965 vergleichs­ weise konstant zwischen 56,5 und 68,0 Prozent lagen, variierte die Ausfuhr in die EFTA erheblich zwischen 18,2 und 36,0 Prozent. Die Exportsteige­ rung in die EFTA wurde indessen zulasten der europäischen Länder außer­ halb der EWG gesichert wie beispielsweise Spanien. Hieraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass die Effekte der neuen Wirtschaftsordnung von EWG und EFTA geringere Auswirkungen auf die Motorrad- als auf die Au­ tomobilindustrie hatte. Aufgrund der fehlenden Zahlenangaben, die in dieser Detailliertheit lediglich für den Zeitraum 1962 bis 1965 vorliegen, kann diese Aussage nicht anhand der vorliegenden Quellenlage validiert werden. Im Vergleich zur Automobilindustrie waren jedoch außertarifliche Auflagen wie Local-Content-Programme, die von den Herstellern eine gewisse Fertigungs­ tiefe im Land forderten, in der Zweiradbranche weniger ausgeprägt. Diese recht kostspieligen Investitionen rentierten sich bei Motorrädern erst bei ­hohen Stückzahlen, da sie geringere Gewinnmargen aufwiesen. Eine CKDoder SKD-Motorradmontage ist demgemäß in der Geschichte der BMW AG nicht zu finden; erst seit 2009 werden in Brasilien im Auftrag von BMW durch den brasilianischen Partner DAFRA Motos in einem Werk in Manaus CKD-Teilesätze von Zweirädern in größerem Umfang montiert.189 1995 ließ die BMW AG zwar kleine Kontingente der BMW R 1100 in Indonesien bei ihrem lokalen Motorradimporteur PT Wisana montieren, hierbei handelte es sich jedoch nur um geringe Fertigungsvolumina von 70 bis 80 Einheiten.190 In den Jahrzehnten zuvor hatte BMW von einer Zweiradmontage abgesehen, da der Gewinn hier aufgrund der geringen Margen zu klein war und nicht im Verhältnis zu dem Investitionsaufwand stand. Besonders absatzstarke Märkte waren für Motorräder aus München inner­ halb von Europa – unabhängig ihrer wirtschaftsorganisatorischen Zugehö­ rigkeit – traditionell Frankreich, die Niederlande, die Schweiz, Schweden und bis Mitte der 1960er Jahre ebenfalls Spanien.191 Dies waren Märkte, die 188 Eigene

Berechnungen, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952– 1965, in: BMW UA 1273/1. 189  Vgl. Pressemeldung „Startschuss für die Fertigung der BMW G 650 GS in Ma­ naus.“ vom 16. 12. 2009, in: BMW UP 3641/10. 190  Vgl. Pressemitteilung „BMW schließt Vertrag über CKD-Montage von Motorrä­ dern in Indonesien“ vom 26. 01. 1995, in: BMW UP 1600/10. 191  Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1.

3.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 281

im Gegensatz zu Italien oder Großbritannien keine eigene Motorradindus­ trie in dem Segment hatten, in welchem die hubraumstarken BMW-Maschi­ nen dominierten. Darüber hinaus trug das sogenannte Behördengeschäft, auf das bereits in dem Kapitel zur ersten Internationalisierungsphase eingegan­ gen wurde, entscheidend zu dem Zweiradexport bei. Die Kontaktpflege zu staatlichen Institutionen hatte eine lange Tradition, die sich ebenfalls in der Unternehmensorganisation niederschlug. Mindestens seit 1957 hatte es hier­ für eine eigene Abteilung gegeben, die dem Verkaufsvorstand Hof unmittel­ bar unterstellt war.192 Mitte der 1950er Jahre exportierte BMW bereits in rund 90 Staaten weltweit, wobei in vielen Märkten das Behördengeschäft eine wichtige Einflussgröße war.193 Dies spiegelt sich in einer Anekdote wi­ der, die Vertriebsvorstand Hahnemann im Mai 1968 gegenüber einem Ple­ num an der Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft vortrug: „General De Gaulle nahm auf seine Kanada-Reise 60 Gendarmen auf BMW-Motorrä­ dern mit. Anlässlich einer der Feierlichkeiten führten sie auf ihren Motorrädern akro­ batische Kunststücke vor, die bei den kanadischen Offiziellen höchste Bewunderung hervorriefen. Auf die Frage nach Hersteller und Modell antwortetet De Gaulle: ‚Ce sont les BMW’s‘. So machte er für uns fruchtbare Propaganda, und wir erhielten schon wenige Tage nach seiner Reise einige Anfragen aus Kanada von Interessenten, die Motorrad-Importeur werden wollten.“194

Nicht nur die französische Polizei war auf Motorrädern der Marke BMW im Einsatz, was sich in den Exporten nach Frankreich deutlich widerspiegelte, weitere Länder folgten:195 Ende der 1960er Jahre fuhr die Leibgarde des Kö­ nigs von Marokko ebenfalls auf BMW-Motorrädern, ebenso die Polizei in Skandinavien, Frankreich, Holland, Österreich, der Schweiz, Spanien, Portu­ gal, der Türkei und Argentinien.196 Das Behördengeschäft ließ nicht nur die Absatzzahlen im Ausland steigen, sondern trug auch positiv zu dem Renom­ mee der Motorräder mit dem weiß-blauen Markenzeichen bei. Zum einen vermittelte das Vertrauen staatlicher Institutionen gegenüber BMW-Maschi­ nen eine Verlässlichkeit, die andere Hersteller durch unterschiedliche Marke­ tingmaßnahmen zu erreichen suchten, zum anderen verlieh der Behörden­ einsatz den Eindruck von Seriosität und Souveränität. Letzteres stellte ins­ besondere einen wichtigen Faktor in Zeiten dar, in denen das Image des 192 

Vgl. Organigramm des BMW-Verkaufsressorts, 1957, in: BMW UA 131/1. spricht hier sogar von der Wirkung einer Initialzündung, die das Behör­ dengeschäft auf den weiteren Auslandsverkauf ausübte, vgl. Jakobs, BMW Motorrä­ der, S. 35. 194 Vortrag von BMW-Vertriebsvorstand Hahnemann „Marktstrategie eines Unter­ nehmens (BMW)“ an der Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft vom 15. 05.  1968, in: BMW UA 825/1. 195  Vgl. Bild einer Parade anlässlich des französischen Nationalfeiertags, Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 54. Geschäftsjahr 1969, 1970, in: BMW UU 55/10. 196  Vgl. [o. V.] (1967): Aus der Not, in: DER SPIEGEL, Jg. 21, Nr. 27 vom 26. 06. 1967, S. 38–49, hier S. 38. 193  Jakobs

282

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Motorrads negativ konnotiert war als Fahrzeug für arme Leute und lärmen­ de Halbstarke.197 Die Medien hingegen transportierten ein vornehmlich po­ sitives Bild, wenn BMW-Motorräder bei offiziellen Anlässen als Prominen­ ten- oder als Politikerbegleitschutz fungierten.198 Der Einsatz von BMWProdukten ließ die Münchner Verkaufsabteilung – schwerpunktmäßig in den 1970er Jahren – ebenso in der Werbung durch unterschiedliche Motive plat­ zieren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Behördengeschäft zu einer Steigerung des Ansehens führte und so konnte sich der Münchner Her­ steller auch in diesem Punkt gegenüber anderen Anbietern abheben.199 Das Geschäft verlief so erfolgreich, dass 1968 von Hahnemann interne Umstruk­ turierungsmaßnahmen umgesetzt wurden, die eine größere und leistungs­ fähigere Behördenabteilung vorsah, die gemeinsam mit den Arbeitsgebieten Groß- und Sonderabnehmer, Werksangehörige, Industrie- und Einbaumoto­ ren in eine Hauptabteilung integriert wurde.200 Bereits ein Jahr später wurde diese große Hauptabteilung allerdings bereits wieder aufgelöst, indem Bootsund stationäre Motoren als Abteilung VT herausgelöst wurden. Die Bedeu­ tung des Behördengeschäftes, das interessanterweise der Abteilung VI – Ver­ trieb Inland – zugewiesen war, blieb hiervon unangetastet.201 Resümierend kann festgehalten werden, dass das Motorrad seinen Beitrag zur Internationalisierung der BMW AG vor allem in den 1950er Jahren ge­ leistet hat, seine Relevanz jedoch mit der zunehmenden Marginalisierung des Zweiradgeschäftes im Zuge der 1960er Jahre sukzessive abnahm. Sein Beitrag drückte sich vor allem in dem positiven Image aus, das es für die Marke BMW im In- und Ausland transportierte. Den Wert, den also die Aufrecht­ erhaltung des Motorradengagements hatte, lässt sich nur in zweiter Linie an den Absatzzahlen ablesen, gleichwohl eine Exportquote von bis zu 90 Pro­ zent eine deutliche Sprache spricht. Dennoch war die Aufmerksamkeit, die dem Zweiradsegment auch innerhalb des Unternehmens zukam, aufgrund des vergleichsweise geringen Gesamtvolumens trotz der großen Exporterfol­ ge begrenzt. Auf der Hauptversammlung im August 1967 richtete Wilcke als Vorsitzender des Vorstands das Wort an die Aktionärsgemeinschaft. In dieser Rede wurde der Bedeutung des Exportgeschäftes für BMW maßgeblich 197  Vgl.

Karikatur „Die knatternden Motorradfahrer“, in: Das MOTORRAD, Jg. 18, Nr. 2 vom 15. 01. 1966. 198 Selbst in Südafrika, wo die schwarze und farbige Bevölkerung der Staatsgewalt aufgrund repressiver und diskriminierender Handlungen kritisch gegenüberstand, wurde das Image von BMW, deren Motorräder auch von der südafrikanischen Polizei genutzt wurden, nicht nachteilig beeinflusst. Eine solche negative Konnotation wurde zumindest in den Zeitzeugengesprächen, die im Mai/Juni 2012 in Pretoria und Mid­ rand geführt wurden, trotz expliziter hierauf abzielender Fragen nicht festgestellt. 199  Vgl. [o. V.] (1968): BMW-Motorräder. In: Das MOTORRAD, Jg. 20, Nr. 24 vom 28. 11. 1968, S. 894; Biss, BMW Motorrad, S. 123. 200 Vgl. Protokoll Nr. 10/68 der Vorstandssitzung vom 09. 04. 1968, in: BMW UA 412/1; Protokoll Nr. 19/68 der Vorstandssitzung vom 30. 07. 1968, in: ebd. 201  Vgl. Protokoll Nr. 32/69 der Vorstandssitzung vom 14. 10. 1969, in: ebd.

3.4.  Modell- und Preispolitik

283

Raum gegeben, jedoch ausschließlich im Hinblick auf die Automobilsparte. Indessen blieb das Motorradgeschäft trotz seiner enorm hohen Exportquote in Gänze unerwähnt.202 Auch im Sinne des organisationalen Lernens, das im Kontext der wachsenden Auslandsorientierung des Zweiradsegments ange­ nommen werden konnte, blieben die Auswirkungen, die das Motorradge­ schäft auf die PKW-Sparte und die Internationalisierung des Unternehmens im Allgemeinen hatte, begrenzt. Da ferner in vielen Ländern für den Vertrieb von Motorrädern und Wagen, mitunter auch von den Baumustern BMW Isetta und BMW 600, unterschiedliche Importeure zuständig waren, die zu­ meist vollkommen unabhängig voneinander agierten, blieben auch im Hin­ blick auf Vertriebs- und Händlerorganisation die Synergieeffekte gering.203

3.4.  Modell- und Preispolitik In Kapitel 2.4 ist skizziert worden, wie entscheidend sich die Mobilitäts­ märkte im In- und Ausland während der Nachkriegszeit und den 1950er Jah­ ren verändert hatten und welchen Einfluss dieser Wandel auf das Geschäftsund auch das Mitbewerberfeld der BMW AG hatte. Mit dem Verkauf der gemeinsam mit der MAN AG gehaltenen BMW Triebwerkbau GmbH, ein­ schließlich des Werks in Allach, an den gleichberechtigten Partner für den Preis von 54 Mio. DM zog sich das Münchner Unternehmen 1965 im Zuge der weiteren finanziellen Konsolidierung in Gänze aus dem Flugtriebwerk­ bau, dem Ursprung der BMW AG, zurück und konzentrieret sich fortan bis zum Jahre 1990 auf den Bau von Automobilen, Motorrädern sowie Einbauund Industriemotoren.204 In dem Kapitel über die 1950er Jahre ist bereits aufgezeigt worden, dass im automobilen Programm der BMW AG deutliche Inkonsistenzen und Quali­ tätsprobleme auftraten. Während letztere binnen einiger Monate behoben werden konnten, gelang es der Geschäftsleitung erst gegen Ende des Jahr­ zehnts mit dem BMW 700 ein Fahrzeug auf den Markt zu bringen, das er­ neut die Kundenwünsche mit einbezog, jedoch zugleich in direkter Konkur­ renz mit dem preiswerteren VW Käfer stand und auf lange Sicht nicht mehr als ein Überbrückungsprodukt sein konnte, bis die Entwicklung des vom Vorstand langersehnten Mittelwagens abgeschlossen war. Auch die zeitge­ 202 

Vgl. Ansprache des Vorstandsvorsitzenden Wilcke auf der Hauptversammlung der BMW AG zum Geschäftsjahr 1966 vom 28. 08. 1967, in: BMW UA 587/1. 203  In allen für BMW-Motorräder wichtigen Märkten – Schweiz, Frankreich, Spanien, Schweden, Niederlande und USA – wurde der Automobil- und Motorradhandel je­ weils durch zwei unterschiedliche Importeure abgewickelt, vgl. Kommunikation mit diversen Importeuren, 1955–1957, in: BMW UA 230/1; Diverse Importeursverträge, 1956–1978, in: BMW UA 1983/1; Importeur- und Kundennummernverzeichnisse, 1976–1977, in: BMW UA 1985/1. 204  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 18. 05. 1965, in: BMW UA 732/2.

284

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

nössische Presse zog ein kritisches Resümee über das unausgewogene PKWModellprogramm der 1950er Jahre: „BMW fabrizierte damals nur Fahrzeuge für Tagelöhner und Generaldirektoren. Den kleinen Leuten bot das Werk neben Motorrädern die ulkige Isetta und den mißgestal­ teten BMW 600 als fahrbaren Untersatz an, den Reichen seine großhubigen Sechsund Acht-Zylinder-Wagen zu Preisen um 20 000 Mark. Der alte Kundenstamm wan­ derte zu Mercedes und Porsche ab.“205

Dieses kritische Fazit fast das Grundproblem des automobilen Angebotes der 1950er Jahre prägnant und deutlich zusammen. Obwohl der BMW 700, der Ende 1959 auf den Markt kam, ein wichtiges Produkt für den Münchner Autobauer war, brauchte das Unternehmen dringend weitere Modelle. Diese mussten an die BMW-Markenwerte der Vorkriegszeit anknüpfen, die Kun­ denwünsche über Marktbeobachtungen einbeziehen und zugleich in einem ausgeglichenen Modellprogramm verortet sein. Von diesem neuen PKW-An­ gebot hing die Zukunft des Unternehmens ab. In den sich anschließenden Abschnitten soll die Modell- einschließlich ihrer Preispolitik vorgestellt wer­ den. Während im Kapitel 2.4 detailreich die ausgeprägte Heterogenität des Wagenspektrums auf Modellebene aufgezeigt wurde, kann aufgrund der hö­ heren Homogenität des automobilen BMW-Programms der 1960er Jahre auf diese Detailtiefe verzichtet werden und sich somit vermehrt auf die Baurei­ hen, vornehmlich die Neue Klasse, 02er Reihe sowie die hubraumstarken Wagen, ihre Entwicklungshistorie unter Berücksichtigung internationaler Einflussgrößen, landesspezifischer Modifikationen und somit die Bedeutung der BMW-Modellpolitik für die Internationalisierung im Allgemeinen kon­ zentriert werden. 3.4.1.  Das Automobilmodellprogramm Das automobile Modellangebot der BMW AG wurde in der zweiten Inter­ nationalisierungsphase vor allem durch die Neue Klasse206 und die 02er ­Reihe207 geprägt. Beide waren Baumuster aus der Mittelklasse, die die in Kapitel 2 mehrfach explizierte Leerstelle im BMW-Modellspektrum zu ­ schließen vermochten. Insbesondere gegen Ende der 1950er Jahre hatte die 205 [o. V.]

(1965): Bayerns Gloria, in: Der SPIEGEL, Jg. 19, Nr. 8 vom 17. 02. 1965, S. 62–66, hier S. 63. 206  Zur Neuen Klasse zählten der BMW 1500, BMW 1600, BMW 1800, BMW 1800 TI, BMW 1800 TI/SA, BMW 2000, BMW 2000 TI, BMW 2000 tilux und BMW 2000 tii sowie die Coupés BMW 2000 C und BMW 2000 CS, vgl. BMW AG, Alle Automo­ bile, S. 33. 207  Zu der 02er Reihe zählten der BMW 1502, BMW 1600-2/1602, BMW 1600 TI, BMW 1802, BMW 2002, BMW 2002 ti, BMW 2002 tii und der BMW 2002 turbo. Anfang der 1970er Jahre wurde zudem auf Basis der 02er Reihe eine Schrägheck-Ka­ rosserie unter der Bezeichnung touring produziert, vgl. BMW AG, Alle Automobile, S. 35–37.

3.4.  Modell- und Preispolitik

285

Geschäftsführung intensiv auf einen Mittelwagen hingearbeitet, dessen Ent­ wicklung jedoch durch die existenzielle Unternehmenskrise verzögert wurde und die Zeit zunächst durch den weniger kostenintensiven BMW 700 der Kleinwagenklasse überbrückt wurde, der seinerseits zwar zu einem wichti­ gen Produkt avancierte, das Überleben des Unternehmens jedoch mittel- und langfristig nicht sichern konnte. Im Vergleich zu der Mittelklasse spielten also die anderen Segmente während der zweiten Internationalisierungsphase nur eine untergeordnete Rolle. Während sich das Unternehmen mit der Pro­ duktionseinstellung des BMW 700 zur Jahrzehntmitte aus dem Kleinwagen­ geschäft verabschiedete, leitete man ein neues Engagement in der Oberklasse ein. Diese Entwicklung wird in den folgenden Abschnitten weiter beschrie­ ben. Die weiter unten aufgeführte Tabelle 33 bietet einen Überblick zu dem BMW-Produktportfolio der zweiten Internationalisierungsphase anhand von Produktionszahlen, die den einzelnen Fahrzeugsegmenten zugeordnet sind. In diesem Kapitel wird demnach vorrangig die Neue Klasse sowie die 02er Reihe und ihr Einfluss auf die weitere Entwicklung einschließlich der Inter­ nationalisierung des Unternehmens fokussiert. Die weiteren Produkte spiel­ ten während der 1960er Jahre eine untergeordnete Rolle und finden nur dort gesonderte Berücksichtigung, wo sie einen nennenswerten Beitrag zur inter­ nationalen Ausrichtung der BMW AG leisteten, wie etwa im Kontext der Auftragsfertigung im Ausland (vgl. Abschnitt 3.5.2.2). Weshalb aber spielten, gemessen an ihren Stückzahlen, der Kleinwagen BMW 700 und die großen Wagen – zumindest bis 1969 – nur eine untergeordnete Rolle? Die Margen bei Kleinwagen sind für gewöhnlich deutlich geringer als bei Produkten der höheren Klassen. Demgemäß müssen größere Stückzahlen abgesetzt werden, um eine ähnliche Rendite zu erwirtschaften. Doch auch Fahrzeuge der Ober­ klasse bedürfen entweder eines Mindestabsatzes oder eines so rentablen ­Preises und damit einhergehenden Ertrages, dass sich die Fertigung auch in geringeren Stückzahlen amortisiert, wie es etwa bei Wagen der Marke RollsRoyce der Fall ist. In den Diskussionen um das Typenprogramm erhob sich Ende 1963 in den BMW-Führungsgremien die Frage, ob es nicht zweckmäßiger und wirt­ schaftlicher sei, wenn BMW die Kleinwagenklasse, definiert als Fahrzeuge zu einem Preis um die 5 000 DM, verließe.208 Der BMW 700 wurde mit dem Erscheinen von der Neuen Klasse als Hauptumsatzträger abgelöst209 und so sollte der Kleinwagen durch ein Modell der unteren Mittelklasse – der späte­ ren 02er Reihe, die das Angebot der Neuen Klasse ergänzte – zur Mitte der 1960er Jahre ersetzt werden. Dieser Übergang erfolgte zwar nicht nahtlos, wurde hierfür jedoch im Rahmen des 50-jährigen Firmenjubiläums im März 208 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 21. 11. 1963, in: BMW UA 731/2. im Geschäftsjahr 1963 erwirtschaftete die Neue Klasse einen Umsatzanteil von 46 Prozent, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäfts­ jahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. 209  Bereits

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

1966 medienwirksam inszeniert.210 Zwar zog der Vorstand im Februar 1969 eine Wiederauflage der BMW Isetta mittels eines Facelifts als „BMW Einkaufstasche“211 in Erwägung, eine hierfür in Auftrag gegebene Marktun­ tersuchung hatte jedoch gezeigt, dass diese Pläne nicht von Erfolg gekrönt sein würden.212 In diesem Punkt zeigte sich ein deutlicher Unterschied zu den 1950er Jahren, in denen die desaströse, am Markt vorbeientwickelte PKW-Modellpolitik zu einer schweren Krise der BMW AG geführt hatte, in der sie beinahe die Selbstständigkeit an den Mitbewerber Daimler-Benz ver­ lor. Die Marktforschung war als wichtiges Mittel in den Unternehmenspro­ zessen verankert und wurde korrekt von der Geschäftsleitung eingesetzt, um die Fehler des vorangegangenen Jahrzehnts nicht zu wiederholen. Gemäß einem Vorstandsbeschluss lief der BMW 700 im Juni 1965 aus und auch das große Coupé BMW 3200 CS sollte zum Ende desselben Jahres ein­ gestellt werden.213 Das Vorhaben des Vorstands, mit dem BMW 3200 CS den letzten Großwagen aus dem BMW-Programm zu nehmen, stieß vor allem bei dem Großaktionär Quandt auf Widerstand, der nur durch intensive Überzeugungsarbeit und der detaillierten Darlegung der betriebswirtschaft­ lichen Notwendigkeit dieses Schrittes umgestimmt werden konnte.214 BMW schlug zunächst den Weg der weiteren finanziellen Konsolidierung über die Mittelklasse ein; unter anderem auch, da bis Sommer 1964 keine Entwürfe einer großen Limousine vorlagen, die bei dem Vorstand Gefallen fanden.215 Darüber hinaus wurden Überlegungen diskutiert, in den neuen Mittelwagen einen leistungsfähigeren Sechszylindermotor mit einem Hubraum von 2500 ccm bis 2800 ccm einzubauen, anstatt eine komplette Neuentwicklung umzusetzen. Diese Idee wurde jedoch letztlich verworfen, da die zugrunde­ liegende Fahrzeugkonstruktion nicht der Oberklasse entsprach und dieses Fahrzeug für einen Mittelwagen zu hoch motorisiert gewesen wäre.216 Die Geschäftsleitung ließ die Fertigung der Großwagen zwar einstellen, sie plan­ te allerdings nicht, sich langfristig aus der Oberklasse zurückzuziehen. Dem­ gemäß liefen die Entwicklungsarbeiten unter der Leitung von Falkenhausen weiter. Bereits im November 1965 stimmte der Vorstand geschlossen über­ ein, dass aktuell zwar kein Achtzylinderwagen im Programm sei, ein solcher 210 Vgl. Foto „BMW 1600 und die Rekordmaschine Hennes vor der Staatsoper.“, 07. 03. 1966, in: BMW UF 5088/4. 211  Protokoll Nr. 7/69 der Vorstandssitzung vom 27. 02. 1969, in: BMW UA 412/1. 212  Vgl. ebd. 213  Zwischen 1962 und 1965 wurden lediglich 604 Einheiten dieses Fahrzeugtyps ge­ baut, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 214  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 293f., Fußnote 163. 215  Noch im Juli 1964 waren dem Vorstand Entwürfe eines Großwagen-Nachfolgers von Bertone, Designer unter anderem des BMW 3200 CS in Cabriolet-Ausführung, vorgelegt worden, die jedoch nicht auf Zuspruch stießen, woraufhin das Führungs­ gremium das Projekt zurückstellen ließ, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 30. 07. 1964, in: BMW UA 732/2. 216  Vgl. Protokoll Nr. 4/66 der Vorstandssitzung vom 15. 02. 1966, in: BMW UA 411/1.

287

3.4.  Modell- und Preispolitik

jedoch für 1968 realisierbar sei.217 Tatsächlich kehrte BMW in dem besagten Jahr in die Oberklasse zurück, wenn auch nicht mit Achtzylinder-, sondern Sechszylindermotoren zwischen 2,5 und 3,3 Liter mit 150 bis 200 PS.218 Der Sechszylindermotor entsprach zugleich dem markentypischen Produktkern, der sich bereits in der Vorkriegszeit etabliert hatte. BMW konzentrierte also während der zweiten Internationalisierungsphase das Modellprogramm vor allem auf Fahrzeuge der Mittelklasse und kehrte nach einer zweijährigen Pause in die Oberklasse zurück. Aus dem Kleinst- und Kleinwagengeschäft verabschiedete sich hingegen der Münchner Hersteller langfristig; erst 2004 brachte BMW mit dem BMW 1er wieder ein Produkt der Kleinwagen- bzw. Kompaktklasse auf den Markt.219 Tabelle 33 führt alle Produktionszahlen des BMW-Programms nach Fahrzeugklassen während der zweiten Phase der Internationalisierung auf. Die Angaben enthalten auch die Teilesätze, die zur Montagefertigung ins Ausland gesandt wurden. 1961

1962

1963

1964

1965

1966

1967

1968

1969

1970

Isetta 7 629 3 478 – – – – – – – – Kleinwagen 30 380 47 303 29 201 23 661 9 070 – – – – – 02er Reihe – – – – – 13 463 42 488 66 898 70 970 89 686 – 1 737 27 987 37 823 58 524 60 613 45 072 38 077 40 515 40 251 Neue Klasse Großwagen 1 514 1 009 692 282 115 – – 2 562 33 215 31 227 PKW gesamt 52 943 53 527 57 880 61 766 67 709 74 076 87 560 107 537 144 700 161 164

Tabelle 33: PKW-Produktionszahlen inkl. Teilesätze der BMW AG nach Fahrzeugsegmenten, 1961–1970.220

Die Zahlen bestätigen, dass sich das automobile BMW-Modellspektrum während der zweiten Internationalisierungsphase nachhaltig änderte. Das Engagement im Kleinst- und Kleinwagensegment endete und die Groß­ wagenproduktion wurde von Grund auf neu gestaltet. Die Fahrzeuge der Oberklasse, die mit einem höheren wirtschaftlichen Ertrag einen wichtigen Beitrag zum Gesamtumsatz des Unternehmens lieferten, erreichten Ende der 217 Vgl. Protokoll Nr. 28/65 der Vorstandssitzung vom 08. 11. 1965, in: BMW UA 409/1. 218 Vgl. Pressemitteilung „Vorstellung des BMW Sechszylinder Prototyps.“ vom 05. 04. 1968, in: BMW UP 380/10. Erst 1992 kehrte BMW mit einem Achtzylinder­ wagen in Form einer Modellüberarbeitung des BMW 7er zurück. Zuvor hatte der Münchner Hersteller allerdings 1986 mit einem V12-Zylinermotor, der im BMW 750i verbaut wurde, ein Novum der deutschen Automobilindustrie der Nachkriegszeit präsentiert, vgl. Pressemitteilung „BMW: Die neue 7er-Reihe.“ vom 08. 08. 1986, in: BMW UP 949/10. 219  Vgl. Testbericht “The new 1-Series is here at last [BMW 1er].” vom 23. 03. 2004, in: BMW AT 1245/21. 220 Eigene Berechnung, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10; Bericht der Bayerischen MotorenWerke über das 50. Geschäftsjahr 1965, 1966, in: BMW UU 48/10; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

288

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

1960er Jahre Stückzahlen, wie sie zuvor nur bei der Kleinst- und Kleinwa­ genserienfertigung möglich gewesen waren. Dies lag auch darin begründet, dass die großen Wagen, die intern die Entwicklungsbezeichnungen E3 und E9 trugen, eine Nische trafen und sich hierdurch gegen die starke Konkur­ renz aus Stuttgart behaupten konnte. Während die Mercedes-Modelle der Luxusklasse vornehmlich als Chauffeurfahrzeuge ausgelegt waren, zielte die E3-Baureihe aus München bewusst auf die Gruppe der Selbstfahrer.221 Die neuen Großwagen waren aber keineswegs die einzigen Produkte, die sich in einer Nische verorteten, worauf in Abschnitt 3.4.1.1 näher eingegangen wird. Die Veränderung des Automobilmodellprogramms fußte, im Gegensatz zu den 1950er Jahren, auf dezidierten Marktforschungsuntersuchungen.222 Mit den steigenden Produktionszahlen musste selbstverständlich auch die tägliche Ausbringung wachsen, was zusätzliche Investitionen in die Werksan­ lagen erforderte. 1962 konnte im Jahresverlauf die Tagesquote bereits von 143 auf 235 Einheiten erhöht werden, mittelfristig würden diese Zahlen allerdings nicht ausreichen, weshalb eine weitere Steigerung notwendig war.223 Dieser waren allerdings Grenzen gesetzt durch Raum und Arbeitskräfte, denen man durch den Kauf der Hans Glas GmbH 1966 entgegenwirken wollte. Der Kauf des Mitbewerbers, die damit verbundenen Um- und Ausbau­maßnahmen, die Übernahme von Mitarbeitern, die Strukturierung sowie I­ ntegration der neuen Werksanlagen in den bestehenden Verbund machten Investi­tionen in großer Höhe notwendig. Die Maßnahmen im Bereich der Werksorganisation führten im Jahre 1969 zu einem neuen Rekordzugang an Investitionen im Sachlage­ vermögen in Höhe von 206,8 Mio. DM. Diese ­Bemühungen rentierten sich und die Fertigungskapazitäten erhöhten sich von 577 auf 672 Automobile pro Tag. Zugleich stieg die Mitarbeiterzahl um 16 Prozent, was ebenfalls zu dem Produktivitätszuwachs beitrug.224 Bis 1970 konnte die arbeitstägliche Leis­ tung nochmals gesteigert werden und betrug Ende des Jahres 735 Einheiten und Teilesätze.225 Im Laufe der 1960er Jahre konnte der Tagesausstoß somit um über 400 Prozent gesteigert werden, wozu der Kauf der Werksanlagen in Dingolfing maßgeblich beigetragen ­hatte.226 Die Qualität der Wagen hatte maßgeblichen Einfluss auf das Image der Marke BMW, worauf vor allem auch Vertriebsvorstand Hahnemann mehr­ 221 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 340f. Vgl. Protokoll Nr. 32/67 der Vorstandssitzung vom 16. 08. 1967, in: BMW UA 411/1. 223 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 47. Geschäftsjahr 1962, 1963, in: BMW UU 45/10. 224  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 357. 225  Die Motorradfertigung im Werk Berlin-Spandau lag mittlerweile bei 65 Stück pro Tag, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 55. Geschäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10. 226  Detaillierte Angaben zu der Finanzierung und weitere Hintergründe zu den be­ triebswirtschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen finden sich bei Seidl, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Kapitel 4 und 5, S. 256–371. 222 

3.4.  Modell- und Preispolitik

289

fach in den Vorstandssitzungen mit Nachdruck hinwies. Dies setzte nicht nur technische Verlässlichkeit und Raffinesse voraus, sondern machte ebenso eine sorgfältige Verarbeitung im Innenraum unersetzlich. Um hier die beste­ hende Qualität der ersten Fahrzeuge der Neuen Klasse zu verbessern, wur­ den die Endkontrollen im Ressort Entwicklung und Konstruktion ein weite­ res Mal verschärft und Sonderkontrollen eingeführt. Darüber hinaus leitete der technische Kundendienst eine Aktion zur langfristigen Behebung wie­ derholt auftretender technischer Mängel ein. Des Weiteren sollte parallel eine Erhöhung der Fertigungsqualität durch Anhebung der deutschen Belegschaft angestrebt werden, da es durch die zumeist weniger gut ausgebildeten Gast­ arbeiter und die vorhandenen Sprachprobleme zu Defiziten in der Produk­ tion gekommen war.227 Auch hier zeigte sich erneut, dass das BMW-Füh­ rungsgremium in den 1960er Jahren im Hinblick auf die Gastarbeiter kurz­ fristige Lösungen verfolgte, anstatt ihre mittel- und langfristig angelegte Integration zu fördern. Eine solche wurde erst Anfang der 1970er Jahre durch umfassende Weiterbildungsmaßnahmen mit Nachdruck in die Wege geleitet. Um den BMW-Aufsichtsrat von der gestiegenen Qualität der Fahr­ zeuge zu überzeugen, ließ der Vorstand 1969 die Dienstfahrzeuge der Auf­ sichtsratsmitglieder alle zwei Monate austauschen.228 Ferner wurden zum Dezember 1969 sämtliche Investitionsgüter durch den Vorstand freigegeben, die einerseits die Rentabilität des Unternehmens oder die Qualität der Pro­ dukte andererseits verbessern und sicherstellen sollten.229 Das Unternehmen hatte aus seinen Fehlern der 1950er Jahre gelernt und lenkte schneller auftre­ tenden Qualitätsmängeln entgegen, bevor Sie dem Image der Modelle oder der Marke schaden konnten. Die Neue Klasse war bereits bei ihrer Vor­ stellung auf der IAA 1961 von der Öffentlichkeit gelobt und enthusiastisch aufgenommen worden.230 Die Presse titelte: „Endlich wieder ein echter BMW!“231 und zog Vergleiche zu den BMW-Wagen der Vorkriegszeit; etwa zum BMW 326 oder zum BMW 327.232 BMW hatte mit der Neuen Klasse also etwas erreicht, was in den gesamten 1950er Jahren nicht gelungen war: Das Münchner Unternehmen knüpfte mit den neuen sportlichen Mitteklas­ sewagen an die Werte und Tradition der Vorkriegszeit an.

227  Hier

mag es durchaus überraschen, dass stattdessen nicht früher an tiefergreifende Weiterbildungsmaßnahmen wie etwa Sprachprogramme gedacht wurde. Es bedurfte jedoch einer Lösung, die unmittelbar zu greifen versprach. 228 Vgl. Protokoll Nr. 4/69 der Vorstandssitzung vom 04. 02. 1969, in: BMW UA 412/1. 229  Vgl. Protokoll Nr. 41/69 der Vorstandssitzung vom 16. 12. 1969, in: ebd. 230  Vgl. Pressemitteilungen zur Vorstellung des BMW 1500 auf der IAA 1961, 1961, in: BMW UA 498/1; Pressemappe IAA 1961 – BMW 1500, BMW 3200 CS, 700 Cab­ rio, 1961, in: BMW AP 13/10. 231  Zeichner, Walter (2004): BMW 1500. Die Neue Klasse, in: Mobile Tradition live, Jg. 2, Spezial 2004 – 75 Jahre BMW Automobile 1929 bis 2004, S. 28–30, hier S. 29. 232  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 295.

290

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Nicht enthalten in Tabelle 33, die die PKW-Produktion der BMW AG wiedergibt, sind die Glas-Fahrzeuge, die nach dem Erwerb der Hans Glas GmbH im Jahre 1966 zunächst weiter in Dingolfing gefertigt wurden, so wie es die Vereinbarungen im Rahmen der Übernahme vorsahen. Ein Großteil der Glas-Modelle lief aus, einige sollten jedoch weiterhin gefertigt werden, wie etwa das Goggomobil.233 Darüber hinaus wurden die Glas 1300/1700 GT Coupés zum BMW 1600 GT modifiziert, indem Motor, Getriebe, Hin­ terachse und Rückleuchten des BMW 1600 TI verbaut wurden.234 Der ­Karosserieentwurf mit der für BMW typischen Niere sowie ihre Produktion wurden von der Firma Frua in Turin verantwortet, zu der bereits seit den 1950er Jahren Beziehungen bestanden. Zum anderen stattete man das Modell Glas 2600 V8 mit einem Dreilitermotor aus und vermarktete es unter der Bezeichnung Glas 3000 V8.235 Auf der IAA präsentierten sich 1967 somit die Marken BMW und Glas Seite an Seite mit dem BMW 1600 GT, BMW 1600 TI und BMW 1600 Cabriolet.236 Tabelle 34 gibt einen Überblick zu den Pro­ duktionszahlen der Glas-Modelle inklusive des BMW 1600 GT und BMW 3000 V8 zwischen 1966 und 1969. Mit Ausnahme des Jahres 1966, in wel­ chem es im Kontext der Rezession 1966/67 aufgrund rückläufiger Verkaufs­ zahlen zu höheren Lagerbeständen kam, hielten sich in dieser Zeit Produk­ tion und Absatz der Glas-Fahrzeuge in etwa die Waage.237

Glas (unter BMW-Ägide) BMW 1600 GT BMW 3000 V8

1966

1967

1968

1969

Gesamt

26 845 – –

17 861 58 315

7 768 1 201 74

3 141 – –

55 615 1 259 389

Tabelle 34: PKW-Produktion von Glas-Modellen sowie des BMW 1600 GT und BMW 3000 V8 in der Bundesrepublik Deutschland, 1966–1969.238

Neben den oben genannten Absatzrückgängen im zweiten Halbjahr 1966 führten auch signifikante Qualitätsdefizite der Glas-Modelle, die sich erst nach der Übernahme der Firma herausgestellt hatten, BMW-intern zu kriti­ 233  Unter der Ägide von BMW wurden von dem Goggomobil 1968 6 906 und 1969 3 141 Einheiten gefertigt, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1970/71, S. 40–42. 234 Von den Modellen Glas 1300 und Glas 1700 wurden im Jahre 1966 zusammen 7 294 Einheiten gebaut, während von dem BMW 1600 GT im ersten Jahr seines Er­ scheinens lediglich 58 (1967) und im Folgejahr 1 201 Stück gefertigt wurden, vgl. Ta­ belle 34. 235  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 342. 236  Vgl. Pressemappe „BMW und Glas auf der IAA 1967.“ vom 14. 09. 1967, in: BMW AP 46/10. 237 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 53. Geschäftsjahr 1968, 1969, in BMW UU 54/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 54. Ge­ schäftsjahr 1969, 1970, in: BMW UU 55/10. 238  VDA (Hg.): TuZ 1967/68, S. 34f., 42f.; Ders. (Hg.): TuZ 1968/69, S. 40, 326; Ders. (Hg.): TuZ 1969/70, S. 40, 359; Ders. (Hg.): TuZ 1970/71, S. 40–42.

3.4.  Modell- und Preispolitik

291

schen Stimmen hinsichtlich ihrer Produktionsfortsetzung. Die BMW-Ge­ schäftsleitung versuchte diesen Defiziten durch ein verbessertes Qualitätsma­ nagement entgegenzuwirken, das zwar teilweise zu Verbesserungen führte,239 die Mängel jedoch nicht in Gänze behoben. Daraufhin entschied der Vor­ stand, unter Zustimmung des Aufsichtsrates, die Fertigung zunächst schritt­ weise und zur Jahresmitte 1969 endgültig einzustellen. Dies führte de facto dazu, dass „die letzten Spuren des Namens und der Produkte der Hans Glas GmbH in Deutschland ausgelöscht wurden.“240 Während in Deutschland die Glas-Modelle nach 1969 nicht fortbestanden, kam ihnen in Südafrika eine umso größere Bedeutung zu, da sie dort in Form von „Zwittermodellen“ aus BMW- und Glas-Fahrzeugen mit Übernahme des südafrikanischen Mon­ tage- und Vertriebspartners zu dem zunächst wichtigsten BMW-Produkt in Südafrika wurden. Die Modelle – BMW 1600 GL, BMW 1800 SA, BMW 2000 SA, BMW 1804 und BMW 2004 – wurden nie auf dem deutschen oder auf einem anderen Markt als in Südafrika verkauft. Auf diese Entwicklung und die Bedeutung der genannten Zwittermodelle wird detailliert in Kapitel 5 eingegangen. 3.4.1.1.  Einfluss der Marktforschung auf die Fahrzeugentwicklung Unter der Ägide des Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm war 1957 eine Marktforschungsabteilung bei der BMW AG ins Leben gerufen worden, nachdem zuvor die Fahrzeugentwicklung nicht auf Grundlage fundierter Marktstudien basierten, sondern auf ungefähren Befragungen und Schätz­ werten von Händlern und Importeuren (vgl. Kapitel 2.4.1).241 Seit der Etab­ lierung der Marktforschungsabteilung, die dem Vertriebsressort zugeordnet war, wurden mindestens einmal monatlich sogenannte MF-Berichte, später MF-Mitteilungen genannt, an die involvierten Abteilungen verteilt. Hierbei untersuchte man auch zunehmend ausländische Märkte und ihr Potential für BMW; nicht nur für Wagen, sondern ebenso für Motorräder.242 RichterBrohm hatte die Marktforschungsabteilung insbesondere auch für die geziel­ te abgestimmte Fahrzeugentwicklung bei BMW eingerichtet. Eines der vor­ dringlichen Projekte der neuen Organisationseinheit war die Eruierung des 239 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 333. Ebd., S. 354. 241 Auch Daimler-Benz führte bis Ende der 1950er Jahre noch keine dezidierten Marktuntersuchungen durch, wie dies später der Fall war. Anfangs ging man noch sehr pragmatisch vor und so wurde bei der Errichtung von Verkaufsorganisationen im Ausland zunächst nur auf der Grundlage allgemeiner Informationen beurteilt, ob ein Markt das entsprechende Potential für die Produkte aufwies, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 226. 242  Vgl. exemplarisch MF-Bericht Nr. 13/6/58: Der Stand der Motorisierung in den Vereinigten Staaten von Amerika, 04.  1958, in: BMW UA 947/1; MF-Bericht Nr. 17/10/58: Der Stand der Motorisierung in den skandinavischen Ländern, 06. 1958, in: BMW UA 951/4; MF-Bericht Nr. 26/6/59: Gemeinsamer Markt (EWG), 06. 1959, in: BMW UA 458/1. 240 

292

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Mittelklassesegments und der dort vorherrschenden Kundenwünsche. Die ersten Untersuchungen hierzu wurden demgemäß bereits 1957 angestoßen und bildeten ein hochpriorisiertes Projekt, das auch in den folgenden Jahren die Marktforschungsabteilung intensiv beschäftigte.243 Im Laufe der 1960er Jahre, vor allem mit der Übernahme des Verkaufsressorts durch den neuen Vertriebschef Hahnemann, war eine langfristige Modell- und Absatzplanung, die nicht auf genauen Marktanalysen aufsetzte, undenkbar geworden: Die Marktforschungsabteilung hatte ihren festen Platz im Unternehmen einge­ nommen;244 und dies war in München im Vergleich zu VW und DaimlerBenz um einige Jahre früher der Fall. Dies ist auf den von Köhler festgestell­ ten starken Konnex zwischen organisatorischen Wandlungsprozessen und Unternehmenskrisen zurückzuführen.245 In diesem Zusammenhang hatte die schwere Krise der BMW AG gegen Ende der 1950er Jahre eine katalytische Wirkung auf den Wandel innerhalb der Unternehmensprozesse gehabt und zur frühzeitigen Etablierung der Marktforschung geführt. Die Fahrzeuge der Mittelklasse verdeutlichen den Wandel der Marktfor­ schung und ihrer Relevanz für BMW am nachdrücklichsten. Die Entschei­ dung etwa, von dem Mittelklassewagen auch ein Coupé zu fertigen, war auf eine BMW-interne Marktuntersuchung zurückzuführen, die eine deutliche Nachfrage nach einem BMW 1800 Coupé festgestellt hatte.246 Der Einfluss von Marktanalysen auf die Fahrzeugentwicklung stieg in den 1960er Jahren deutlich an. Der Erfolg der Neuen Klasse war ausgesprochen groß, wie ihre Produktionszahlen widerspiegeln (vgl. Tabelle 33). Im Laufe der 1960er Jahre wurden von ihr 310 348 Einheiten gefertigt, während der zweiten Internatio­ nalisierungsphase – also bis einschließlich 1970 – sogar insgesamt 350 599 Einheiten. Die Absatzstärke und der über den Erwartungen liegende Absatz der neuen Mittelklassemodelle veranlasste Hahnemann, diesen Erfolg detail­ liert durch ein externes Marktforschungsinstitut untersuchen zu lassen. Am 23. Februar 1965 erhielt Prof. Dr. Bernt Spiegel, der 1949 das „Institut für werbewissenschaftliche Untersuchungen“ mit Sitz in Mannheim gegründet hatte, das heute als Institut für Marktpsychologie (IFM) bekannt ist, durch den BMW-Vorstand den Auftrag, die hohe Resonanz des Mittelklassewagens detailliert ex post zu beleuchten.247 Diese Untersuchung offenbarte, dass die 243  MF-Bericht

Nr. 2/57: Bedarfsverhältnisse und Absatzaussichten für einen BMWWagen der Mittelklasse, 07. 1957, in: BMW UA 938/1; MF-Bericht Nr. 3/57: Bedarfs­ verhältnisse und Absatzaussichten für einen BMW-Wagen der Mittelklasse, 08. 1957, in: BMW UA 939/1; MF-Bericht Nr. 34/1/61: Kauftendenzen und Käuferwünsche bei Pkw der mittleren Hubraumklasse, 07. 1961, in: BMW UA 965/1. 244 Vgl. Protokoll Nr. 24/68 der Vorstandssitzung vom 22. 10. 1968, in: BMW UA 412/1; Protokoll Nr. 32/68 der Vorstandssitzung vom 10. 12. 1968, in: ebd. 245  Vgl. Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 238f. 246 Vgl. Protokoll Nr. 10/64 der Vorstandssitzung vom 23. 06. 1964, in: BMW UA 409/1. 247  Vgl. Protokoll Nr. 9/65 der Vorstandssitzung vom 04. 05. 1965, in: ebd.

3.4.  Modell- und Preispolitik

293

Neue Klasse und auch die 1966 folgende kleinere 02er Reihe eine Nische ge­ funden hatten, die bis dato im Portfolio der Automobilanbieter unbesetzt gewesen war. Während der hohe Absatz der Neuen Klasse vielmehr nach­ träglich durch marktpsychologische Gutachten plausibilisiert und erklärt wurde,248 basierte die 02er Reihe auf ex ante durchgeführte Marktanalysen und stellte somit die erste von Grund auf in enger Zusammenarbeit mit der Marktforschung entwickelte und abgestimmte Baureihe der BMW AG dar. In der Öffentlichkeit wurde diese Tatsache retrospektiv medienwirksam neu interpretiert, indem die Neue Klasse als ein von Vornherein durchdachtes und auf Analysen basierendes Konzept vermarktet wurde. Vor allem Ver­ triebschef Hahnemann verstand es, sich im Folgenden als Entdecker der „BMW Nische“249 zu stilisieren und erhielt hierdurch in den Medien den Spitznamen „Nischen-Paul“.250 Spiegels Gutachten bestätigte, dass BMW mit der Neuen Klasse instinktiv eine Nische besetzt hatte: „Spiegel kam zu dem Schluss, dass BMW die ‚Neue Klasse‘ in einer Marktnische für sehr sportliche Fahrzeuge mit einer in Relation zum Wettbewerb exklusiveren Aus­ stattung positioniert hatte, die wiederum einen höheren Verkaufspreis rechtfertigte. Den Markterfolg hatte auch unterstützt, dass in dieser ‚BMW Nische‘ die Fahrzeuge der ‚Neuen Klasse‘ nahezu ohne direkte Konkurrenz anderer Marken präsentiert wer­ den konnten.“251

Abbildung 21 zeigt eine Ergebniszusammenfassung des marktpsychologi­ schen Gutachtens von Spiegel, das die automobile Modelllandschaft der Bundesrepublik darstellt. Während die x-Achse den Grad der Sportlichkeit widergibt, bildet die y-Achse das Preisniveau ab. Die unterschiedlichen Farbnuancen bilden darüber hinaus das jeweilige Verkaufsvolumen ab. Hier­ bei erkennt man deutlich, wo die Nische der BMW-Wagen verortet war, nämlich im „linken Bereich“ des Koordinatensystems: Hier zeichneten sie sich im Wettbewerbsvergleich als besonders sportlich aus, während sie je nach Produkt günstiger als Mercedes, jedoch zugleich hochwertiger und ­somit hochpreisiger als Volumenhersteller wie etwa VW, Opel oder Renault waren. Die 02er Reihe wurde am unteren, die Großen Wagen am oberen Ende der Nische platziert. Die Grafik spiegelt exemplarisch wider, wie sich das Marketing im All­ gemeinen und die Marktforschung im Speziellen im Laufe der 1950er Jahre in der deutschen Wirtschaft Fuß gefasst hatte und sich während der Folge­ dekade weiter festigte, indem sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil der unternehmerischen Praxis wurde. Diese Entwicklung war branchenweit zu

248  Vgl. Marktpsychologisches Gutachten zur Entwicklung der Image-Situation der Bayerische Motoren Werke AG von 1964 bis 1972, 26. 07. 1972, in: BMW UA 590/1. 249 Vortragsmanuskript von Hahnemann „Marktkonforme Produktgestaltung – er­ läutert am Beispiel BMW“, 13. 06. 1969, in: BMW UA 1344/1. 250  [o. V.] (1972): Out ist out, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 22 vom 22. 05. 1972, S. 80. 251  Triebel, Marketingloch, S. 58.

294

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Abbildung 21: Psychologisches Marktmodell der BMW-Wagen in der Bundesrepublik Deutschland, 1969.252

beobachten und in den Veränderungsprozessen der deutschen Automobil­ industrie begründet. Dieser beruhte auf den sich rasch verändernden Käufer­ präferenzen und ihre steigende Bedeutung, die mit dem Wandel vom Ver­ käufer- zum Käufermarkt einherging.253 Die Bedeutung des Marketings und sein integraler Stellenwert innerhalb der Unternehmensorganisation werden nochmals in Kapitel 3.5.1 thematisiert. Der ersten Auftragsvergabe an Spiegel folgten zahlreiche weitere Gutachten sowie eine enge regelmäßige Zusam­ menarbeit, die bis in die 1980er Jahre reichte.254 Spiegel avancierte hierdurch mit seinem Institut zu einem wichtigen externen Berater, der mit seinen Un­ tersuchungen eine wichtige Grundlage für die langfristige Absatzplanung der BMW AG bildete.255 Während also Ende der 1950er Jahre der Grundstein für die Marktfor­ schung gelegt worden war, festigte sich die neue Abteilung im Zuge des Folge­jahrzehnts zusehends. Die Untersuchungen wurden wiederkehrend in 252  Psychologisches Marktmodell der BMW Wagen in Deutschland, 1969, in: BMW UF 5775/1. 253  Vgl Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 216. 254 Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 17. 12. 1969, in: BMW UA 548/2; Marktpsychologische Gutachten „Zur Einführung der Natrium-Schwefel-Batterie in die Öffentlichkeit“, 1981, in: BMW UA 713/1. 255 Vgl. Protokoll Nr. 19/71 der Vorstandssitzung vom 12. 07. 1971, in: BMW UA 803/1.

3.4.  Modell- und Preispolitik

295

1961  1962  1963  1964  1965  1966  1967  1968  1969  1970

Vorstandsvorsitz

 Wilcke (01.03.1965 – 31.12.1969)

Einkauf

 Monz (04.10.1963 – 30.09.1975)

Finanzen

 Pollmann (04.10.1963 – 30.09.1969)

Entwicklung

  Osswald (01.01.1965 – 31.12.1975)

Technik /Produktion Gieschen (01.09.1961 – 31.08.1971) Vertrieb

Hahnemann (01.10.1961 – 28.10.1971)

Abbildung 22: Kontinuität in den BMW-Vorstandsressorts während der zweiten Internationalisierungsphase.256

den Vorstandssitzungen durch Vertriebschef Hahnemann vorgestellt und dis­ kutiert. Die Abteilung wurde nicht nur personell verstärkt, sondern auch im­ mer weiter in den Mittelpunkt des Unternehmens gerückt, wo sie zu einem festen Bestandteil der langfristigen Absatzplanung wurde. Hier hatte sich binnen etwa zehn Jahren ein Wandel vollzogen, der nicht nur einen individu­ ellen Lernprozess nachzeichnet, sondern durch den das erlernte Wissen über die individuelle Erfahrung hinaus zu einem systemischen Bestandteil wurde. Die zunehmende Etablierung der Marktforschung und ihr Einfluss auf die unterschiedlichen Unternehmensbereiche wie etwa auf die Fahrzeugentwick­ lung kommen unter anderem durch die hiermit einhergehenden institutiona­ lisierten Abstimmungen mit dem 1965 neu gegründeten Entwicklungsressort unter Bernhard Osswald zum Ausdruck.257 Dieser Wandel zeichnete sich vor allem durch einen organisationalen Lernprozess aus. Wichtig hierfür war auch die personelle Konstanz auf Führungsebene während der 1960er Jahre, die diesen Prozess nicht nur begünstigte, sondern erst ermöglichte. Während die erste Internationalisierungsphase seit Mitte der 1950er Jahre durch eine Vielzahl von Führungswechseln gekennzeichnet war, zeichnete sich die fol­ gende Dekade durch eine ausgesprochene Kontinuität in den Vorstandsbe­ reichen aus. Abbildung 22 zeigt diese Beständigkeit und führt hierbei – der Übersichtlichkeit halber – nur diejenigen Vorstände an, die mindestens vier Jahre im Amt waren. Die Marktforschung (VMM) war der Hauptabteilung Marketing (VM) zu­ geordnet, die somit indirekt Hahnemann unterstand, einem ausgewiesenen 256 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 498. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 512f. Die Tatsache, dass bei BMW zwischen Ende 1956 und 1965 kein eigenständiges Vorstandsressort für For­ schung und Entwicklung existierte, war eine Konsequenz aus der personellen Fluktu­ ation auf Vorstandsebene. Dass dennoch die Neue Klasse so erfolgreich auf die Beine gestellt werden konnte, war vor allem den Bemühungen von Alexander Freiherr von Falkenhausen geschuldet, der seit Mai 1957 Chef der Motorenentwicklung war und maßgeblich Verantwortung trug für primär die Motoren, jedoch auch für die Rück­ sprachen mit der Karosserieentwicklung, vgl. Lebenslauf von Alexander Freiherr von Falkenhausen, in: BMW UN 422/1. 257 Vgl.

296

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Marketingspezialisten, der nach seiner Studienzeit unter anderem in den USA bei General Motors gelernt hatte (vgl. Kapitel 3.2.1). Die personelle Kontinuität innerhalb des Vertriebsressorts und der wachsende Einfluss von Hahnemann waren entscheidende Faktoren, damit sich das Instrument der konstatierten Marktbeobachtung und die Abstimmungsprozesse während der zweiten Internationalisierungsphase weiter festigen konnten. Auf Hahne­ mann ging ebenso der enge Kontakt zu dem externen Berater Spiegel zurück. Die Beauftragung eines Marktforschungsinstituts spiegelt die wachsende Be­ deutung der analytischen Marktuntersuchungen wider. Die BMW-Geschäfts­ leitung entschied sich hier für eine externe Kooperation anstelle eines noch weitergehenden Ausbaus der unternehmensinternen Organisationseinheit. Während sich die hauseigene Abteilung VMM auf die Zusammenstellung der monatlich mindestens einmal erscheinenden Marktforschungsberichte mit al­ ternierenden Themen konzentrierte, wiesen Spiegel und sein Institut einen wissenschaftlicheren Zugang auf, der sich nicht nur an der quantitativen, sondern ebenfalls an der qualitativen Sozialforschung sowie an werbepsy­ chologischen Untersuchungsmethoden ausrichtete.258 Hierzu zählten in den 1970er Jahren kontinuierliche Imagestudien, auf die BMW-intern auch als sogenannte „Spiegel-Studien“ referenziert wurde.259 Die Ausrichtung der Marktforschung zur Untersuchung der Kundenpräferenzen war enorm wichtig geworden, nachdem der Kauf eines Automobils nicht mehr einzig die Grundbefriedung des Wunsches nach Mobilität bedeutete, sondern sich mit der weiter ausprägenden Konsumgesellschaft umfassendere Präferenzen zum Tragen kamen; der Wagen nunmehr zur Distinktion und zum Ausdruck der eignen Identität diente.260 Bereits in den 1950er Jahren wies Spiegel auf die unterschiedlichen Realitätsebenen hin: Die Differenz zwischen objektiver Realität und subjektiver Wahrnehmung des Kunden, die durch die Werbung adressiert werden sollte: „Nicht die objektive Beschaffenheit eines Produkts ist die Realität in der Marktpsychologie, sondern einzig die Verbrauchervorstellung und das Verbrauchererlebnis.“261 Die Entdeckung der BMW-Nische, in der die BMW-Baureihen Neue Klasse und 02er Reihe platziert wurden, entsprach dem sich wandelnden Bedürfnis nach Mobilität innerhalb der Mit­ telklasse und zielte durch eine neue Produktkonnotation aus Sportlichkeit und Schnelligkeit bei gleichzeitigem Fahrkomfort auf eine statusorientierte Emotionalität mit Selbstverwirklichungsmotiven.262 Auch bei der Erschlie­ ßung ausländischer Märkte und der Eruierung der jeweiligen Potentiale für 258 Vgl. Spiegel, Bernt: Werbepsychologische Untersuchungsmethoden. Experimen­ telle Forschungs- und Prüfverfahren, Berlin 1958. 259  Imagestudien, 1972–1979, in: BMW UA 1941/1. 260  Vgl. Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 219. 261 Spiegel Institut Mannheim GmbH & Co. KG (2014): User Experience – For­ schung & Beratung. URL: www.spiegel-institut.de/user-experience-forschung-bera­ tung (Stand: 24. 12. 2015). 262  Vgl. Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 219.

3.4.  Modell- und Preispolitik

297

BMW-Erzeugnisse nahm die Bedeutung der Marktforschung weiter zu. Ohne dezidierte Untersuchungen wurde in diesem Sinne nicht mehr blind­ lings der Sprung in einen fremden Markt gewagt. In diesem Punkt hatte das Unternehmen maßgeblich aus den Fehlern der ersten Internationalisierungs­ phase gelernt. 3.4.1.2. Preispolitik Ein Blick auf die Umsatzstruktur des Modellprogramms vermag Aufschluss über die Bedeutung der einzelnen Baureihen zu geben, ein Blick auf die Ge­ winnentwicklung weiterhin über ihre Rentabilität. 1962 machten die Kleinstund Kleinwagen noch mit 67,0 Prozent den stärksten Anteil aus, während der Mittelwagen nur mit 4,0 Prozent, die Großen Wagen mit 6,0 Prozent und die Motorräder mit 5,0 Prozent am Gesamtumsatz beteiligt waren.263 Unter der Berücksichtigung, dass die Serienproduktion der Neuen Klasse erst im Herbst 1962 begann, ist ihr zunächst gering erscheinender Umsatzbeitrag ­jedoch aufzuwerten. Wie Tabelle 33 zeigte, verschob sich die Produktions­ struktur in den kommenden Jahren weiter zugunsten der Mittelklasse. Diese Entwicklung spiegelte sich ebenfalls in der Umsatzstruktur wider, wo sie im Folgejahr bereits den Hauptanteil am Jahresumsatz mit 46,0 Prozent erwirt­ schaftete.264 Die Gewinnspanne der BMW 02er Reihe war im Vergleich zur Neuen Klasse zwar geringer, jedoch konnte das kleinere Baumuster bereits bei Produktionsbeginn kostendeckend gefertigt werden und den Gewinn in den Folgejahren weiter ausbauen.265 Im Gegensatz zu den 1950er Jahren wiesen die Großwagen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre eine deutliche höhere Marge auf und vermochten so­ mit einen nennenswerten Beitrag zum Gesamtumsatz bzw. Jahresüberschuss beizutragen. Die Umsatzzuwachsraten lagen 1969 (39,8 Prozent gegenüber Vorjahr) erheblich über denjenigen des Fahrzeugabsatzes. Verantwortlich hierfür waren die wesentlich höheren Umsatzwerte der Sechszylindermodel­ le, die sich 1969 erstmals auswirkten.266 Noch deutlicher treten die positiven Effekte hingegen bei einer Analyse der Gewinnzuwächse zutage. Lag der Jahresüberschuss 1962 noch bei null, konnte er in den Folgejahren deutlich gesteigert werden und lag 1967 nur aufgrund der notwendigen Investitionen in dem neuen Werk Dingolfing bei 0,3 Mio. DM. Die Angaben aus Tabelle 35 unterstreichen die hohe Rentabilität, die die neuen Baureihen der 1960er ­Jahre aufwiesen, die insbesondere bei den Fahrzeugen der Oberklasse aus­ gesprochen hoch war. Die Mitteklassewagen waren aufgrund ihrer höheren 263 Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 47. Geschäftsjahr 1962, 1963, in: BMW UU 45/10. 264 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. 265  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 295–297. 266 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 54. Geschäftsjahr 1969, 1970, in: BMW UU 55/10.

298

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Stückzahlen ebenfalls deutlich an den Gewinnzuwächsen des Unternehmens beteiligt. 1963 Umsatz (in Mio. DM)

1964

1966

1967

1968

1969

1970

433,11 515,16 590,65 755,93 870,84 1 032,37 1 443,43 1 684,9 46,9

18,9

Gewinn (in Mio. DM)

3,83

Gewinnsteigerung ggü. Vorjahr (in %)

k. A.

Umsatzsteigerung ggü. Vorjahr (in %)

1965

14,7

28,0

6,46

9,2

10,7

68,7

42,4

16,3

15,2

18,6

39,8

16,7

0,3

17,1

23,0

34,2

–97,2

5600,0

34,5

48,7

Tabelle 35: Umsatz- und Gewinnentwicklung der BMW AG, 1963–1970.267

Die Preise der großen Limousinen sollten sich nach Ansicht von Hahne­ mann an den Komplementärmodellen von Daimler-Benz, dem DB 250 S (14 630 DM) und dem DB 280 S (16 995 DM), orientieren. Der BMW 2500 lag allerdings mit einem geplanten Einstiegspreis von deutlich über 15 500 DM signifikant über demjenigen des DB 250 S, was sich nachteilig auf den Absatz auswirkte. Hier drohte sich ein Fehler zu wiederholen, der bereits in den 1950er Jahren zu nachteiligen Verkaufszahlen der Großwagen geführt hatte: Daimler-Benz war in der Oberklasse ein etablierter Hersteller und wies dort mit seinen Modellen eine lange Tradition auf. BMW hatte auch bei der Einführung des BMW 501 und 502 über den Preisen der Mercedes-Refe­ renzmodelle gelegen, was sich stark nachteilig auf den Verkauf ausgewirkt hatte. Vertriebsvorstand Hahnemann war sich dieses Umstands bewusst und suchte hier gegenzusteuern, indem nicht die gesamte von BMW originär vor­ gesehene Sonderausstattung in den Preis einbezogen werden sollte, sondern diese als Sonderwunsch des Kunden unter Zusatzkosten bestellen zu lassen. Hierdurch ließ sich der Einführungspreis des BMW 2500 auf 15 485 DM so­ wie des BMW 2800 auf 17 250 DM senken. Hiermit lagen die Verkaufspreise zwar noch immer knapp über denen von Mercedes, jedoch waren beide Stuttgarter Modelle bereits seit einem bzw. seit drei Jahren auf dem Markt. Ähnliche Senkungen des Einstiegspreises durch eine Differenzierung zwi­ schen Grund- und Sonderausstattung waren bereits bei Mitbewerbern wie Daimler-Benz gängige Praxis und wurden nun auch bei BMW fester Be­ standteil der Preisgestaltung.268 Generalisierte Einheitspreise für den Export, wie sie bei BMW noch in den 1950er Jahren bestanden, wurden während der zweiten Internationalisie­ rungsphase nicht mehr angewandt. Anstatt den Exportpreis einheitlich fest­ 267 Vgl. ebd.; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 55. Geschäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10. 268 Vgl. Protokoll Nr. 17/68 der Vorstandssitzung vom 04. 06. 1968, in: BMW UA 412/1.

3.4.  Modell- und Preispolitik

299

zulegen, wurde anhand der jeweiligen Erfordernisse der verschiedenen Län­ der ein Richtpreis ab Werk gebildet, der in Abstimmung mit den Handels­ partnern vor Ort angepasst wurde.269 Bei der Preisgestaltung für den Export waren neben den mit den Importeuren ausgehandelten Verkaufskonditionen (Verkauf ab Werk, Transportkosten, cif-Kosten usf.) und den ihnen zukom­ menden Margen noch zwei weitere gewichtige Faktoren hervorzuheben: Zölle und Währungskursschwankungen. Wie in Kapitel 3.1 bereits erläutert wurde, waren im Zuge der späten 1950er Jahre die Stimmen aus dem Aus­ land lauter geworden, dass die unterbewertete deutsche Währung zu einer Begünstigung des westdeutschen Exports führe. Als Resonanz hierauf nahm die Bundesregierung tatsächlich im März 1961 erstmals eine Aufwertung der DM um 5,0 Prozent vor, weitere Korrekturen folgten im Laufe der 1960er Jahre. Zwar kam es nicht zu dem befürchteten Einbruch des deutschen Au­ ßenhandels, die zuvor überdurchschnittlich hohen Zunahmen der deutschen Automobilexportzahlen wurden jedoch verlangsamt (vgl. Abbildung 14). Die Aufwertung der DM machte sich auch bei dem Geschäft der BMW AG bemerkbar, die im Geschäftsjahr 1961 einen Verlust von etwa 1,5 Mio. DM verzeichnete. Das Münchner Unternehmen hatte hierbei mit seinen Impor­ teuren Vereinbarungen treffen müssen, die ihm einen Teil der durch die Auf­ wertung entstandenen Verluste aufbürdete. Bei einem Exportvolumen von über 85,0 Mio. DM im Jahre 1961 fielen diese Zugeständnisse mit insgesamt 2,5 Mio. DM deutlich ins Gewicht.270 Neben den Wechselkursschwankun­ gen beeinflussten die Zölle, die auf PKW-Einfuhren von den einzelnen Län­ dern erhoben wurden, am nachhaltigsten die Exportpreise. Dies spiegelt sich auch in Tabelle 36 wider, in der die Exportpreise von vier BMW-Modellen im Vergleich zu einigen Vergleichsmodellen auf verschiedenen Märkten ange­ führt sind, die mit Ausnahme Großbritanniens zu den wichtigsten Export­ märkten von BMW zählten.271 Auf die Veränderungen der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen innerhalb Europas ist bereits detailliert in Abschnitt 3.1 eingegangen wor­ den. Die Gründung der beiden Institutionen EWG und EFTA und die aus ihr resultierenden Zollsenkungen hatten den innereuropäischen Handel nachhaltig beeinflusst und einen Teil der Handelsströme umgelenkt. Wäh­ rend die EWG-Länder auf die Formung eines gemeinsamen Marktes mit einheitlichen Zollsätzen hinwirkten, erhoben die EFTA-Mitglieder weiter­ hin unterschiedliche Zölle gegenüber Nichtmitgliedstaaten. Im Gegensatz hierzu waren i­nnerhalb der EFTA die letzten Binnenzölle zum 1. Januar 1967 weggefallen und somit das Ziel einer kleinen Freihandelszone erreicht 269 Vgl. Protokoll Nr. 25/65 der Vorstandssitzung vom 12. 10. 1965, in: BMW UA 409/1. 270  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1961, in: BMW UA 731/2. 271 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 52. Geschäftsjahr 1967, 1968, in: BMW UU 53/10.

300 Marke/Typ

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung Tür Hub. BRD

BG

NL

F

I

CH

GB

S

USA

BMW 2000

4

2,0

11 475 11 600 15 360 15 353 14 400 16 983 19 914 16 983 15 120

Mercedes 200

4

2,0

11 000 11 520 16 547 14 260 15 936 14 727 22 333 16 770 16 336

CitroënDS 19

4

2,0

12 200 11 960 16 243 12 210 11 904 14 617 19 018

10 400 10 360 13 536 13 611 11 808 12 623 16 778 15 947 12 900

k. A.

k. A.

BMW 1800

4

1,8

Audi Super 90

4

1,8

8 690

8 792 11 580 10 978 10 816 10 793 13 373 13 101

k. A.

BMW 1600

2

1,6

8 650

7 996 10 663 11 246

9 792 10 702 14 538 13 091

9 908

Audi 80 L

2

1,7

7 790

7 992 10 003

9 155

9 536

9 559 12 611 11 801

k. A.

Opel ­Rekord 1,7 S

2

1,7

7 820

7 760 10 199

9 772

8 848

9 033

k. A.

BMW 2000 CS

2

2,0

17 500 18 800 25 194 24 144 23 680 21 495 36 400 27 300 20 400

Mercedes 250 SL ­Coupé

2

2,5

22 780 26 160 34 255 30 788 31 680 29 453 38 080 33 914 26 248

Porsche 911 L

2

2,0

20 980 23 840 30 388 33 218 28 160 25 383 37 464 29 774 24 280

k. A. 12 194

Tabelle 36: Konkurrenzpreise in DM der BMW-Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wichtigen Exportländern, 1967.272   272 

worden.273 Gegenüber den EWG-Staaten blieben indessen in der EFTA die mitunter hohen Zollsätze weiterhin bestehen. Insbesondere Norwegen (30 Prozent), Großbritannien (25,2 Prozent), Österreich (20 Prozent) und Schweden (15 Prozent) erhoben auf die Einfuhr von komplett montierten Kraftfahrzeugen, sogenannten CBU-Einheiten, hohe Abgaben, die die PKWPreise dort stark verteuerten. Portugal erhob darüber hinaus bei Einfuhr von Karosserien ­einen Zoll in Höhe von 60 Prozent.274 Die Mehrzahl aus­ ländischer Fahrzeuge war somit beispielsweise in Großbritannien je nach Modell knapp doppelt so teuer wie in ihrem Heimatmarkt. Während also ein BMW 2000 CS in Westdeutschland 17 500 DM kostete, wurde in Groß­ britannien umgerechnet ein Preis von 36 400 DM veranschlagt.275 Nicht nur 272  Die

Landeswährungen wurden in DM umgerechnet; die Angabe des Hubraums (Hub.) erfolgt in Litern vgl. Konkurrenzpreise der BMW-Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wichtigen Exportländern vom 23. 10. 1967, in: BMW UA ­ 1471/1. 273 Es muss allerdings angemerkt werden, dass es innerhalb der EFTA zu unter­ schiedlichen Abbaustufen kam. Auch nach dem 01. 01. 1967 wurden demgemäß ­weiterhin Zölle bei PKW-Einfuhren aus EFTA-Ländern in Norwegen, Portugal, der Schweiz einerseits sowie Finnland als assoziiertes Mitglied andererseits erhoben, vgl. MF-Mitteilung „EFTA / Zolländerungen am 1. Januar 1967“ vom 11. 01. 1967, in: ebd. 274  Vgl. MF-Mitteilung „EFTA / Zolländerungen am 1. Januar 1967“ vom 11. 01. 1967, in: ebd. 275  Vgl. Konkurrenzpreise der BMW-Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wich­ tigen Exportländern vom 23. 10. 1967, in: ebd.

3.4.  Modell- und Preispolitik

301

der britische Automobilmarkt, sondern die Märkte der EFTA waren über­ wiegend so geschützt gegenüber ausländischen Fahrzeugimporten, dass ihre Bedeutung für die deutsche Automobilwirtschaft in den 1960er Jahren deut­ lich gegenüber den EWG-Ländern absank (vgl. Abbildung 14). Die Angaben aus Tabelle 36 korrespondieren ebenfalls mit den in Abbil­ dung 14 dargestellten Ausfuhren der deutschen Kraftfahrzeugindustrie. Die Exportbedingungen, insbesondere nach Belgien und Italien, waren ausge­ sprochen günstig, was sich sowohl in den hiesigen Marktpreisen von Fahr­ zeugen als auch den PKW-Exportzahlen der EWG-Mitgliedstaaten wider­ spiegelte. Tabelle 36 zeigt des Weiteren, dass deutsche Fahrzeuge in den USA nur geringfügig teurer verkauft wurden und entweder im Preisdurchschnitt anderer EWG-Länder oder sogar unter diesem lagen. Hier kam nicht nur der für deutsche Exporte vergleichsweise günstige Wechselkurs zum Tragen, sondern ebenso der ausgeprägte Wettbewerb des US-Automobilmarktes mit einer starken Heimatindustrie, der die Preise vergleichsweise moderat gestal­ tete. Vertriebsvorstand Hahnemann hatte bereits 1965 in Rücksprache mit dem für die USA zuständigen BMW-Wagenimporteur HMC festgehalten, dass der Verkaufspreis beispielsweise des Mittelwagen-Coupés auf dem USMarkt eine gewisse Marke nicht überschreiten sollte, um den Absatz nicht zu gefährden.276 Auch in den 1960er Jahren wurde trotz der steigenden Bedeutung des Ex­ portgeschäftes dem Inlandsverkauf den Vorrang gegeben, da hier die Margen größer waren. Auf die trotz zunehmender Absatzzahlen im Ausland sinken­ den Margen im Ausfuhrgeschäft wird ausführlich in Kapitel 3.5 eingegangen. So verzichtete der BMW-Vorstand für 1967 bei den Wagen der Neuen Klasse zugunsten des größeren Inlandsgeschäftes und des hiermit einhergehenden Ergebnisbeitrages auf einen höher erzielbaren Absatz im Ausland.277 Die Absatzplanung für 1969, die zu Beginn des letzten Quartals des Jahres 1968 noch mit einer neuen 50:50 Aufteilung angesetzt worden war, wurde im De­ zember aufgrund von veränderten Exportbesteuerungen von Regierungsseite durch den BMW-Vorstand erneut auf die bewährte Inlands-Auslandsrelation von 60 zu 40 umgestellt. Die Aufteilung der Sechszylindermodelle, also der Großen Wagen, sollten im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel, Inland zu Ausland, verkauft werden, da in dieser Fahrzeugklasse in der Bundes­ republik deutlich höhere Margen erzielt werden konnten als im Ausland.278 Hieran änderte auch eine bereits im September 1968 durchgeführte Er­ höhung der Exportdurchschnittspreise (Verkauf ab Werk) für die hubraum­ 276 Diese

Marke lag für das Mittelwagen-Coupé im Juli 1965 noch bei 5 000 US-­ Dollar, vgl. Protokoll Nr. 15/65 der Vorstandssitzung vom 06. 07. 1965, in: BMW UA 541/2. 277  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 297; Protokoll der Auf­ sichtsratssitzung vom 25. 01. 1967, in: BMW UA 416/1. 278 Vgl. Protokoll Nr. 32/68 der Vorstandssitzung vom 10. 12. 1968, in: BMW UA 412/1.

302

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

starken Modelle BMW 2002 TI, BMW 2500 und BMW 2800 um rund 32 bis 36 Prozent nichts.279 3.4.1.3.  Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung Das Design eines Fahrzeugs ist eine entscheidende Einflussgröße bei der Kaufentscheidung. Auch in den 1960er Jahren setzte sich in der Fahrzeug­ entwicklung die Kooperation mit externen Beraten und Gestaltern fort. Vor allem zu italienischen Designern suchte BMW engen Kontakt, wie es zu die­ ser Zeit in der deutschen Automobilindustrie gängig war. Das finale Design der Neuen Klasse wurde von Michelotti – mit dem italienischen Karosserie­ designer existierte seit der Zusammenarbeit für den BMW 700 ein Vertrag – 280 entworfen, von Bertone überabeitet und mit Quandt abgestimmt, was zugleich den weitreichenden Einfluss des Großaktionärs widerspiegelte.281 Die Designlinie von deutschen Fahrzeugen wurde auch noch in den 1960er Jahren stark von italienischen Konstrukteuren beeinflusst. Neben Michelotti und Bertone pflegte BMW ebenfalls zu dem italienischen Karosseriezuliefe­ rer Frua Kontakte,282 zu dem vor allem im Kontext der südafrikanischen Modelle die Kooperation Anfang der 1970er Jahre intensiviert wurde.283 Da­ rüber hinaus eruierte die BMW-Geschäftsleitung neue Kontakte außerhalb des italienischen Einflussbereichs und erteilte unter anderem der französi­ schen Firma Brissonneau et Lotz einen Auftrag zur Gestaltung eines Proto­ typs des BMW 1800 Coupés.284 Entwürfe für ein Cabriolet und einen Roads­ ter der 02er Reihe folgten kurze Zeit später.285 Die bereits in den 1950er Jah­ ren angestoßenen Verbindungen zu ausländischen Designern wurden also in den 1960er Jahren weiter intensiviert, was dem Trend dieser Zeit innerhalb der deutschen Automobilindustrie entsprach. Das BMW-Design präsentierte sich also während der zweiten Internationalisierungsphase durchaus als in­ ternational. In den 1950er Jahren hatte sich gezeigt, dass sich das fehlende Angebot von Rechtslenkern im BMW-Modellprogramm nachteilig auf den Export in den Ländern mit Linksverkehr ausgewirkt hatte. Hahnemann brachte im 279 

Vgl. Protokoll Nr. 22/68 der Vorstandssitzung vom 24. 09. 1968, in: ebd. Protokoll Nr. 8/57 der Vorstandssitzung vom 28. und 31. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 281  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 260. 282  Vgl. Protokoll Nr. 17/64 der Vorstandssitzung vom 15. 09. 1964, in: BMW UA 431/1. 283 Vgl. Protokoll Nr. 34/71 der Vorstandssitzung vom 07. 12. 1971, in: BMW UA 801/1. Ein entsprechender Vertrag bestand nicht zwischen BMW und Frua direkt, sondern über den südafrikanischen Montagepartner ERAD, vgl. Protokoll Nr. 18/72 der Vorstandssitzung vom 31. 05. 1972, in: ebd. 284  Parallel hierzu arbeitete auch die Firma Karmann mit Sitz in Osnabrück an Ent­ würfen für diesen Prototyp, vgl. Protokoll Nr. 7/64 der Vorstandssitzung vom 31. 03. 1964, in: BMW UA 409/1. 285  Vgl. Protokoll Nr. 17/66 der Vorstandssitzung vom 16. 06. 1966, in: BMW UA 411/1. 280  Vgl.

3.4.  Modell- und Preispolitik

303

­Januar 1965 in einer Vorstandssitzung mit taktischem Geschick die grund­ sätzliche Diskussion auf die Tagesordnung, inwieweit BMW auch künftig ein Rechtslenkerprogramm anbieten solle. Zu diesem Zeitpunkt lieferte BMW diese Modellanpassungen lediglich nach England, wodurch sich die Stück­ zahl auf nur 1 000 Einheiten belief, eine Amortisierung des Aufwands jedoch erst bei einer größeren Fertigungsmenge zu erwarten war. Wurden die Rechtslenkerversionen überdies nicht gleich als Ausführung konstruktiv bei der Fahrzeugentwicklung beachtet, machte dies eine nachträgliche Berück­ sichtigung der sogenannten RL-Modelle kostspielig. Hahnemann, der bereits Verhandlungen mit Vertretern weiterer Märkte mit Linksverkehr wie Aust­ ralien, Malaysia, Japan286 und Südafrika aufgenommen hatte, votierte hier­ durch für die Fortsetzung sowie Ausweitung des Rechtslenkerprogramms. Der Vorstand willigte ein und beschloss überdies, bei jedem neuen Fahrzeug­ typ konstruktiv sofort seine Ausführung als Rechtslenker zu berücksichti­ gen. Neben der Neuen Klasse sollten auch die Modelle der 02er Reihe in diesem Sinne aufgelegt werden.287 Wollte BMW auch weiterhin das Export­ geschäft ausbauen und ein ernst zu nehmender internationaler Akteur sein, war diese Entscheidung unabdingbar. Künftig wurde bei der Produktions­ planung aller neuen Modelle die Fertigung ihrer verschiedenen Ausführung (z. B. Automatik, Rechtslenker, US-Version usf.) von vornherein einge­ plant.288 Die Internationalisierung des Unternehmens manifestierte sich also zunehmend in dem automobilen BMW-Modellprogramm. Mit dem anwachsenden Export ging eine steigende Modellanpassung für den marktspezifischen Absatz einher, der entweder auf den hiesigen Kun­ denwünschen basierte oder durch landesspezifische Gesetzgebungen not­ wendig wurde, allem voran in den Bereichen Sicherheit und Umwelt. Feder­ führend waren hier Schweden, die USA und auch Japan, wo die Regierungen immer neue Regularien erließen, deren Erfüllung Voraussetzung war, um dorthin exportieren zu können.289 Diese Vorschriften führten bei BMW 286  Auch

in Japan führten die fehlenden Rechtslenkervarianten im Modellspektrum dazu, dass mit der Einführung der Neuen Klasse monatlich nur etwa zehn Einheiten verkauft werden konnten, obgleich das Potential vom japanischen Importeur Balcom Trading Company als höher eingestuft wurde. Erst 1964 begann BMW, nach Japan vereinzelt auch Rechtslenker zu exportieren, vgl. Aktennotiz „Besprechung mit Herrn Yamada, Balcom Trading, in Tokyo“ vom 29. 04. 1964, in: BMW UA 514/1. In den Folgejahren konnten durch die Modellanpassungen immer mehr Fahrzeuge in Japan abgesetzt werden, so dass dort 1970 insgesamt 1 700 BMW-Wagen, inklusive Ge­ brauchtfahrzeugen, zugelassen waren, vgl. Reisebericht Japan 28. 07.–03. 08. 1970 vom 18. 08. 1970, in: ebd. 287 Vgl. Protokoll Nr. 1/65 der Vorstandssitzung vom 12. 01. 1965, in: BMW UA 409/1. 288  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. 06. 1968, in: BMW UA 542/2. 289  Der VDA lieferte in seinen Jahresberichten einen kurzen Überblick zu den aus­ ländischen Vorschriften, die die deutsche Automobilindustrie in ihrem Export beein­ flusste, exemplarisch vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1969/70, S. 63–66.

304

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

nicht nur zu Mehrkosten, sondern auch zu verzögerten Auslieferungstermi­ nen der entsprechenden Modelle, beispielsweise der US-Versionen, deren Se­ rienanlauf 1970 mit etwa acht Monaten Verzögerung erwartet wurde.290 Zum 1. Januar 1968 griff beispielsweise eine Bestimmung, nach der alle in den USA verkauften Neuwagen mit Abgasentgiftern ausgerüstet sein mussten. Diese waren allerdings für die in Europa gebräuchlichen kleinvolumigen Motoren schwieriger zu entwickeln als für die amerikanischen Großmoto­ ren; für jede einzelne Motorkonstruktion bedurfte es einer eigenen Lösung. Daimler-Benz, VW, Porsche, Opel, BMW und NSU mussten hieraufhin ei­ genständig Abgasentgifter entwickeln, weil ihnen ansonsten ab 1968 der USMarkt verschlossen geblieben wäre.291 BMW kooperierte hier vorerst mit General Motors, da die Anlage des US-Herstellers bereits eine Zulassung für den US-Markt hatte. Parallel verfolgte die Münchner Konstruktionsabtei­ lung allerdings noch zwei bis drei weitere Entwicklungen auf diesem Sek­ tor.292 Diese US-Gesetzgebung zum Abgasentgifter aus den 1960er Jahren stellt nur ein Beispiel für das immer komplexer werdende Netz von Vor­ schriften dar, das Einfluss auf den Export und die Fahrzeugentwicklung nahm. Diese Umwelt- und Sicherheitsgesetzgebungen wurden nicht selten zum Schutze der heimischen Fahrzeugindustrie genutzt, wie etwa in den USA, Schweden oder auch Japan, und können daher in manchen Fällen ebenfalls als nicht-tarifär Handelshemmnisse eingestuft werden.293 Die Ge­ setzgebung rund um die Themen Sicherheit und Umwelt und die Wege zu ihrer Einhaltung beschäftigten in diesem Sinne beständig die Vorstandsberei­ che in ihren Sitzungen. In wichtigen Märkten wie den USA oder der EWG und EFTA war es auf­ grund der Vernetzung der Automobilindustrie – auch in Form des VDA – einfacher, die Regularien auf dem aktuellen Stand zu halten. Mit der Ausdeh­ nung des Exportnetzwerks, auch in weniger absatzstarke Märkte, wurde es für die Verkaufsabteilung in der Münchner Zentrale immer schwieriger, die sich mitunter rasant vollziehenden Entwicklungen rechtzeitig nachzuhalten. Aus diesem Grund ging das Vertriebsressort 1971 dazu über, die Importeure in die Informationspolitik aktiv einzubinden: “We as a factory are not in a position to always perceive whether all national regulations have been brought to our attention or not if you do not support us in this respect.”294 Die Vertriebspartner im Ausland wurden also Anfang der 1970er Jahre aktiv auf­ 290 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 12. 1970, in: BMW UA 806/2. [o. V.]: Automobile, Abgas-Entgiftung, Nackte Männer, in: Der SPIEGEL, Jg. 21, Nr. 29 vom 10. 07. 1967, S. 49–50. 292  Vgl. Protokoll Nr. 38/66 der Vorstandssitzung vom 03. 12. 1966, in: BMW UA 411/1. 293  In Schweden wurde etwa 1966, ähnlich wie in den USA, eine Sicherheitsvorschrift angedacht, die verbindlich eine Zweikreisbremse nach System Volvo vorschreiben sollte, vgl. Protokoll Nr. 39/66 der Vorstandssitzung vom 13. 12. 1966, in: ebd. 294  Schreiben der BMW-Verkaufsabteilung Export (VE-14) an alle BMW-Importeure vom 12. 10. 1971, in: BMW UA 1983/1. 291 Vgl.

3.4.  Modell- und Preispolitik

305

gefordert, das Münchner BMW-Stammhaus über die aktuellen Entwicklun­ gen im Hinblick auf die jeweilige nationale Gesetzgebung auf dem Laufen­ den zu halten. Auf diesen Punkt wird näher eingegangen im Rahmen der Explikationen zu der dritten Internationalisierungsphase (vgl. Kapitel 4.5). Derartige marktspezifische Modellanpassungen kamen der Entwicklung in München teuer zu stehen und verursachten ebenfalls in der Produktion Mehrkosten: „Herr Osswald [Vorstand für Entwicklung und Konstruktion, Anm. d. Verfasserin] macht nur auf einen Punkt aufmerksam, der uns große Sorgen bereitet. Die Erfüllung der Sicherheitsvorschriften erfordert einen laufend steigenden Kostenaufwand. Dies beruht darauf, daß sie in allen Ländern verschieden sind und daß vor allem die USA auf dem Gebiet der Abgasentgiftung ständig neue Messverfahren vorschreiben, die zu anderen Werten führen. Kostenreduzierung und Personalabbau sind deshalb in den Entwicklungsabteilungen nur schwerer durchführbar, als in den anderen Bereichen.“295

Die Modellanpassungen waren nur für diejenigen Märkte kostendeckend durchzuführen, in denen der Absatz eine gewisse quantitative kritische Grö­ ße überstieg und somit die zusätzlichen finanziellen Aufwände ausglich bzw. einen Gewinn erwirtschaftete. Während in den 1960er Jahren, vor allem un­ ter dem Bestreben von Hahnemann, die länderspezifischen Modellvarianten immer weiter ausgedehnt wurden, um neue Märkte zu erschließen oder den bereits bestehenden Marktanteil weiter auszubauen, begann man Mitte der 1970er Jahre, also während der dritten Internationalisierungsphase, die länder­spezifische Modellvielfalt wieder einzugrenzen und achtete hierbei vor allem auf gewinnbringende Modellvariationen.296 Während also in den 1960er Jahren unter Hahnemann auf eine Expansion um jeden Preis gesetzt wurde, stand in den 1970er Jahren unter der Ägide von Kuenheim ein gesun­ des gewinnorientiertes Wachstum im Vordergrund. Wie bereits in Kapitel 2.4.1 hingewiesen wurde, kam dem Modell BMW 700 bis zu seinem Auslaufen Mitte der 1960er Jahre, insbesondere im Kon­ text der Montagefertigung im Ausland, eine wichtige Bedeutung zu. Die neuen Baumuster 02er Reihe und Neue Klasse knüpften nicht nur an den Erfolg des Kleinwagens an, sondern bauten vielmehr auf den Vorkriegswer­ ten auf. Die Mittelklassewagen waren wichtige Modellreihen für den Export und erfreuten sich weltweit einer hohen Beliebtheit. Darüber hinaus wiesen sie deutlich höhere Margen auf als die Kleinst- und Kleinwagen der 1950er Jahre. Eine für BMW 1963 erstellte Marktanalyse der wichtigsten ausländi­ schen Märkte hatte ermittelt, dass mit der Zunahme des Motorisierungs­ grades der Trend zum Mittelwagen mit einem Hubraum zwischen 1500 und 2000 ccm ging und zugleich in den Haushalten die Nachfrage nach einem Zweitwagen stieg, der einen geringeren Hubraum aufwies. Diese Entwick­ 295 

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 09. 1970, in: BMW UA 806/2. Protokoll Nr. 20/76 der Vorstandssitzung vom 25. 05. 1976, in: BMW UA 1446/1. 296 Vgl.

306

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

lung zeichnete sich bereits in England sowie Frankreich ab und es wurde an­ tizipiert, dass sie ebenfalls auf die Bundesrepublik übergreifen würde. Das BMW-Modellspektrum lag dieser Marktbeobachtung zufolge also genau im Trend.297 Die Neue Klasse wurde in den ersten beiden Jahren nach ihrer Vorstellung vor allem in Europa vertrieben. Hier konnte durch die Lieferung der Mittel­ wagen eine wesentliche Umsatzsteigerung erzielt werden, befriedigende Zu­ lassungsgewinne wurden in Holland, Belgien, Frankreich und Schweden er­ reicht.298 Ab 1964 wurde gezielt der Verkauf der Neuen Klasse in den USA forciert, ab 1965 ebenfalls in verschiedenen asiatischen Märkten wie Malay­ sia, Thailand und Libanon, wo in dem ersten Verkaufsjahr zwischen 200 und knapp 400 Einheiten (1965) abgesetzt wurden.299 Gegen Ende der 1960er Jahre stieg überdies die Relevanz von Japan, Kuwait und Iran.300 Die kleine­ re 02er Reihe wurde bei Verkaufsbeginn 1966 vor allem in Europa verkauft, in die USA wurden hingegen nur knapp 300 Einheiten des BMW 1600-2 ver­ schifft.301 Ähnlich wie bei der Neuen Klasse wurde jedoch in den Folgejah­ ren auch bei diesem Baumuster der Export in die USA bis Ende der 1960er Jahre stark ausgeweitet, ebenso nach Afrika und Asien. Von der gegen Ende der zweiten Internationalisierungsphase gefertigten Oberklasse – die BMWintern die Entwicklungsnummern E3 und E9 trug – wurde der mehrheitliche Anteil im Inland abgesetzt, da dort größere Gewinne erwirtschaftet werden konnten als im Ausland. Die wenigen Stückzahlen, die für die Ausfuhr be­ stimmt waren, wurden anfangs nahezu ausschließlich innerhalb von Europa vertrieben (1968: 530 Stück).302 1970 hatte ihr Export bereits zugenommen, wobei die obere Klasse noch immer vorrangig ins europäische Ausland ver­ kauft wurde (9 232 Einheiten), ihr Vertrieb jedoch neben anderen Ländern vor allem auf die USA (1 983 Einheiten) und Afrika (1 127 Einheiten), hier vor allem Südafrika (784 Einheiten), ausgeweitet wurde.303 Vor allem für den US-Markt wies das automobile BMW-Modellspektrum in den 1960er Jahren eine zunehmende Attraktivität auf. Kleinst- und Kleinwagen konnten in den USA schwerer verkauft werden, strebte der US-Kraftfahrzeugmarkt originär doch eher nach Größe, getreu dem Motto „Big is beautiful“, wie das Ange­ bot der heimischen Automobilanbieter unter Beweis stellte. In den 1960er Jahren durchlief, wie Köhler anschaulich darstellt, der US-Automobilmarkt 297 

Vgl. BMW Werbung im Ausland, 1963, in: BMW UA 932/1. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. 299 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 300  Vgl. BMW-Export nach Ländern, 1968, in: BMW UA 1486/1. 301  Vgl. BMW-Export nach Ländern, 1966, in: ebd. 302  Vgl. BMW-Export nach Ländern, 1968, in: ebd. 303  Vgl. Deutscher PKW-Export nach Fabrikaten und Abnehmerländern einschließ­ lich Teilesätze, 1970, in: BMW UA 2041/1. 298 Vgl.

3.5. Vertriebspolitik

307

jedoch einen deutlichen Wandel, indem sich der Kunde von den großdimen­ sionierten Fahrzeugen zunehmend abwandte und das Kaufinteresse gegen­ über der Mittel- und sogar Kompaktklasse zunahm. Die Mitteklasse brachte es 1970 in den USA sogar auf 45 Prozent Marktanteil gegenüber 24 Prozent im Jahre 1960, während der Anteil der Kleinst- und Kleinwagen in demsel­ ben Zeitraum um vier auf 11 Prozent gestiegen war.304 Das automobile Mo­ dellprogramm der BMW AG sprach diesen Wandel in den USA an, weshalb die Verkäufe vor allem gegen Ende der zweiten Internationalisierungsphase in diesem wichtigen Markt ausgebaut werden konnten. Hierdurch wird un­ terstrichen, dass das Modellspektrum die Grundlage für den Verkaufserfolg bildet, denn ohne das passende Angebot kann keine adäquate Nachfrage ge­ neriert werden. Dies zeigte auch der Niedergang des VW Käfers, der bis in die späten 1960er Jahre einen weltweiten Siegeszug, vor allem auch in den USA, vollzogen hatte. Die Ein-Produkt-Strategie war zu diesem Zeitpunkt bereits überholt und beendete in den USA die Dominanz von Volkswagen im Segment der Importfahrzeuge.305 Auf das regionale Muster des BMWExports wird detailliert in Abschnitt 3.5.3 eingegangen. Mit dem Erscheinen der sogenannten Neuen Klasse knüpfte BMW 1962 erfolgreich an das in die Vorkriegszeit zurückreichende positive BMW-Image an. Vor allem durch die neuen Mitteklassewagen vermochte die BMW AG die anfänglich gegebene Außenseiterposition im Laufe der Jahre zielstrebig ausbauen und avancierte zu einem ernst zu nehmenden Automobilhersteller, der fest im Automobilmarkt etabliert war.306 In diesem Sinne brachte das Modellprogramm der 1960er Jahre die entscheidende Wende und markiert eine wichtige Zäsur nicht nur im Internationalisierungsprozess, sondern in der Unternehmensgeschichte im Allgemeinen. Die Mittelklasse und ihr ­Erfolg im In- sowie Ausland sorgten für die weitere dringend notwendige finanzielle Konsolidierung des während der 1950er Jahre in Schieflage gera­ tenen Konzerns. Die neue Modellpolitik beeinflusste überdies das Image der Marke positiv, wie in Abschnitt 3.6.1 aufgezeigt wird.

3.5. Vertriebspolitik Im Gegensatz zu den 1950er Jahren, in denen sich die BMW-Geschäftslei­ tung vor allem auf das Inlandsgeschäft und den Wiederaufbau des heimischen Vertriebsnetzwerks konzentriert hatte und sich ferner durch eine ausgespro­ 304 

Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 111f. Vgl. Kleinschmidt, Christian (1998): Von der „Volkswagengemeinschaft“ zur „Ge­ meinschaft der Volkswagenfahrer“. Konsumgesellschaftliche Aspekte, die USA und der Wiederaufstieg von Volkswagen nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Akkumulation. Informationen des Arbeitskreises für kritische Unternehmens- und Industriegeschich­ te, Nr. 12, S. 18–24, hier S. 23; Rader, U.S. Auto Market, S. 55–59. 306  Vgl. Langfristige Imageplanung, 1978, in: BMW UA 1858/1. 305 

308

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

chen reaktive Haltung im Ausbau des Außenhandels auszeichnete, wandelte sich die Vertriebspolitik während der zweiten Internationalisierungsphase nachhaltig. Bei der BMW AG war für den Verlauf der 1960er Jahre und den zunehmenden Ausbau des Exportgeschäfts eine Person besonders entschei­ dend: Hahnemann, dessen Vita bereits in Kapitel 3.2.1 besprochen und in den zeitgenössischen Medien als „Mr. BMW“ 307 oder „Nischen-Paul“308 ti­ tuliert wurde. Im Vergleich zu den 1950er Jahren, in denen, bis zu der Ernen­ nung eines Vorstands für den Bereich Ein- und Verkauf, Grewenig die Auf­ gabe des Verkaufsvorstands im Rahmen der Allgemeinen Verwaltung quasi nebenbei erledigt hatte, zeichnete sich Hahnemann durch eine aktive Akqui­ se neuer Vertriebspartner im In- und Ausland aus. Wie in Abschnitt 3.5.2 dokumentiert wird, forcierte er somit den Ausbau des Netzwerks an Han­ delspartnern mit Nachdruck und sorgte dafür, dass BMW eine handlungsund durchsetzungsfähige Vertriebsstruktur erhielt. Der Fokus des Verkaufs­ ressorts lag auf dem Ausbau des Handelsnetzwerks und der beständigen Steigerung des Absatzes. Die Zahl der Handelspartner stieg während der zweiten Internationalisierungsphase von 1 933 (1961) auf 3 919 (1970) und verdoppelte sich somit nahezu (vgl. Kapitel 3.5.2, Abbildung 24). Zugleich vermochte der Gewinn jedoch nicht in demselben Maße zu wachsen, wie die Zahl der Vertragspartner, die Exportquote und die im Ausland verkauften Einheiten stiegen. Grund hierfür waren die parallel zunehmenden Margen, die durch die vertraglich assoziierten Betriebe im Ausland erhoben wurden, welche somit einen gewissen Anteil des steigenden Umsatzes unmittelbar ni­ vellierten. Hierdurch kam das klassische Prinzipal-Agenten-Problem zum Tragen, wie in den sich anschließenden Abschnitten aufgezeigt wird. In den sich anschließenden Abschnitten wird nachgezeichnet, wie sich diese Entwicklung hin zu einer zunehmenden Fokussierung des Exports ­ vollzogen hat, welche Strategie das Verkaufsressort bei dem Ausbau des Ver­ triebsnetzwerks und der hiermit einhergehenden Erschließung neuer Märkte verfolgte. Einleitend wird hierfür der Wandel auf der BMW-Unternehmens­ organisation unter besonderer Berücksichtigung des Vertriebsressorts be­ schrieben, da sich hierdurch das organisationale Lernen manifestierte, die mit dem Ausbau des Auslandsgeschäftes einherging. Ferner kann anhand der sich wandelnden Unternehmensorganisation ebenfalls die wachsende Aus­ differenzierung innerhalb des Verkaufsbereichs kenntlich gemacht werden. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, wie sich die Exportquote entwi­ ckelte, sowohl gemessen an den Absatz- und Produktionszahlen als auch am Umsatz. Wie bereits bei der Analyse der ersten Internationalisierungsphase werden auch hier die Schwerpunkte der Exportaktivitäten eruiert und die Zunahme der Direktinvestitionen im Ausland sowie die hierzu führenden Umstände vorgestellt. Am Ende dieses Kapitels wird deutlich geworden sein, 307  308 

Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 68 [o. V.] (1972): Out ist out, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 22 vom 22. 05. 1972, S. 80.

3.5. Vertriebspolitik

309

welche Ziele die Vertriebspolitik unter Verkaufsvorstand Hahnemann wäh­ rend der zweiten Internationalisierungsphase verfolgte und mit welchen Pro­ blemen das Unternehmen hierbei konfrontiert wurde. 3.5.1.  Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur Im Vergleich zu anderen Firmen der Automobilindustrie, die bereits einen hohen Internationalisierungsgrad mit zahlreichen Auslandsdirektinvestitio­ nen aufwiesen,309 existierte bei BMW kein eigenständiges Vorstandsressort für den Außenhandel. Daimler-Benz hatte bereits 1951 das Exportgeschäft in einen eigenen Vorstandsbereich gebündelt und diesen dem Inlandsverkauf ebenbürtig an die Seite gestellt.310 Die Geschäftsleitung des Münchner Un­ ternehmens entschied sich hingegen für einen anderen Weg und beließ beide Geschäftsfelder in ein und derselben Hand. Anfangs mochte dies noch in der marginalisierten Rolle des Exports begründet gewesen sein, doch auch mit dem Ausbau des Außenhandels blieb das Verkaufsressort in einer Hand. Eine Trennung von Inlands- und Auslandsvertrieb erfolgte lediglich auf der zweiten organisatorischen Ebene, also in der Aufteilung in zwei Hauptabtei­ lungen, die dem Vertriebsvorstand unterstellt waren. Auch mit einem stetig steigenden im Ausland erwirtschafteten Umsatz wurde das Vertriebsressort auf Vorstandsebene nicht in zwei Bereiche aufgeteilt. Hierbei handelte es sich um eine bewusste organisationale Entscheidung der Unternehmensleitung, an der in der gesamten Historie bis heute festgehalten wurde. Einzig zwi­ schen Mai 1986 und September 1989 wurde von diesem Prinzip des einheit­ lich organisierten Vertriebsressorts kurzzeitig abgerückt, als der Verkauf zwischen Inland und Ausland für knapp 3,5 Jahre aufgeteilt wurde, bevor er wieder in eine Einheit zusammengeführt und Robert Büchelhofer unterstellt wurde, der zuvor das Ressort Verkauf Inland geleitet hatte. Zwischen Septem­ ber 1992 und Februar 1993 kam es für einige Monate nochmals zu einer kurz­ fristigen Einrichtung eines eigenständigen Vorstandsbereichs unter ­Helmut Niederhofer für die Geschäftsfelder „Motorrad und westeuropäische Märkte“, was allerdings lediglich eine kurze Episode in der Unternehmensgeschichte darstellte.311 Bei Hahnemanns Amtsantritt im September 1961 bei BMW – zunächst als stellvertretendes Mitglied des Vorstands, verantwortlich für das Ressort ­Vertrieb, und ab April 1963 als ordentliches Mitglied – nutzte er die ersten Wochen, um sich einen Überblick über die Verkaufsorganisation mit ihren einzelnen Abteilungen zu verschaffen. Der Aufsichtsrat lud ihn Ende des 309  Daimler-Benz

verfügte beispielsweise 1965 bereits über zehn Auslandsbeteiligun­ gen und setzte 40 Prozent seines Gesamtumsatzes außerhalb der Bundesrepublik um, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 256f., Tabelle D 13. 310  Vgl. ebd., S. 282. 311  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 522–525.

310

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Monats ein, um seinen ersten Eindruck sowie einen Einblick in sein erstes Resümee zu erhalten, die wie folgt ausfielen: „Hahnemann erklärt, er […] habe eine aufgeschlossene Mannschaft vorgefunden, diese sei jedoch seines Erachtens nach Zahl und Methode unzulänglich. Er habe verschiedene Maßnahmen zur Reorganisation des Innen- und Aussendienstes eingeleitet. Der Aus­ sendienst sei nach seiner Meinung verkehrt eingesetzt, man könne nicht erwarten, dass er das in drei Tagen ändere. Ebenso sei es mit dem Export, in jedem Land bestehe eine andere Situation, es müsse jedes Land analysiert werden. Der Begriff eines Sales Pro­ motors bestehe bei BMW nicht. Früher erhielten die Importeure einen Vertrag und müssten dann sehen, wie sie zurecht kämen, sie müssten aber vom Sales Promotor bera­ ten werden. Eine solche Organisation werde geschaffen. Ferner dürften Kundendienst und Verkaufsförderung nicht in einer Hand sein. Das Ersatzteilwesen sei nicht richtig ausgeschöpft. Bei einer Versammlung des technischen Kundendienstes habe er von den Leuten nicht den gleich guten Eindruck wie von den kaufmännischen Mitarbeitern ge­ winnen können, die Techniker hätten nicht die entsprechende Qualifi­kation.“312

Innerhalb eines Monats hatte Hahnemann die ersten umfassenden Maßnah­ men zur Reorganisation des Vertriebsressorts veranlasst. Seiner Einschätzung nach mussten die Marktanalysen für das Exportgeschäft verbessert und in­ tensiviert werden. Ferner kritisierte er, dass sein Bereich personell unterbe­ setzt sowie Struktur und angewandte Methodik überholt und damit nicht mehr zeitgemäß waren. In diesen Punkten trat seine Erfahrung, die er in der deutschen sowie in der US-Automobilindustrie bereits gesammelt hatte, deutlich zutage. Binnen kürzester Zeit leitete er eine umfassende Restruktu­ rierung ein und baute das Personal seines Ressorts weiter aus; alleine die Marketing-Hauptabteilung VM umfasste Anfang 1967 bereits 80 Mitarbeiter, hinzu kamen zusätzliche vier große Abteilungen, deren genaue Mitarbeiter­ zahlen leider nicht vorliegen.313 Auch die technischen Bereiche, vor allem der Ersatzteil- und Kundendienst, wurden insbesondere 1965 weiter ausgebaut und verbessert,314 gleichwohl auf diesem Gebiet auch noch bis Ende des Jahrzehnts Optimierungspotential bestand, wie Beschwerdebriefe der Im­ porteure zeigten.315 Des Weiteren wertete Hahnemann die zuständige Abtei­ lung für Export auf: Bis Herbst 1962 stand lediglich dem Inlandsverkauf ein Prokurist vor. Auf Hahnemanns Bestreben hin wurde auch dem Leiter des Auslandsgeschäftes – Horst Herbstreit, der seit 1950 im Unternehmen war – Prokura erteilt. Der Vertriebsvorstand wies in diesem Kontext gegenüber dem Aufsichtsrat darauf hin, dass „[…] auch der Leiter der Exportabteilung, welche wesentlich zum Umsatz beizutragen hat, Prokura haben soll­te.“316 312 

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 09. 1961, in: BMW UA 731/2. Redemanuskript von Dr. Bergmann, Leiter der Abteilung Inlandsverkauf, „Marketing bei BMW“ vom 05. 04. 1967. in: BMW UA 594/1. 314 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 50. Geschäftsjahr 1965, 1966, in: BMW UU 48/10. 315 Vgl. Schreiben des Importeur Allan Knöhr & CIA.Ltda. in Costa Rica an die BMW AG vom 20. 01. 1969, in: BMW UA 1791/1. 316  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 20. 11. 1962, in: BMW UA 731/2. 313 Vgl.

3.5. Vertriebspolitik

311

Seiner Anforderung wurde stattgegeben und die Export­abteilung VE dem­ entsprechend aufgewertet. Hiermit wies Hahnemann zugleich den Weg, den er zu gehen gedachte: in Richtung einer deutlich stärker am Export orientier­ ten Vertriebspolitik, als es bis Anfang der 1960er Jahre der Fall gewesen war. Hiermit waren die Umstrukturierungsmaßnahmen jedoch keineswegs in seinem Sinne abgeschlossen. Hahnemann schwebte eine eigenständige Mar­ keting-Hauptabteilung mit mehreren Untereinheiten vor. Dieser gleichbe­ rechtigt zur Seite gestellt sollten zum einen der Inlands- und zum anderen der Auslandsverkauf sein sowie die technisch ausgerichteten Abteilungen für den Kunden- und Ersatzteildienst. Diese Reorganisation zog sich über ­Monate und Jahre hin, da unter anderem die Akquise qualifizierten Personals Zeit in Anspruch nahm. Noch im Dezember 1966 urteilte Hahnemann, dass die Exportabteilung VE erst seit zwei Monaten „voll wirkungsfähig“ sei.317 Im Jahre 1967 galten die Restrukturierungsmaßnahmen als abgeschlossen und somit präsentierte sich der Vorstandsbereich Vertrieb gemäß Hahne­ manns Vorstellungen. Ende 1965 wurde die Gesamtorganisation des Unter­ nehmens im Vorstand diskutiert und Änderungen in den einzelnen Ressorts eingeleitet. Hierbei wurde vor allem die Benennung der Abteilungen syste­ matisiert und in Hauptabteilungen (zwei Buchstaben) und ihnen zugeordne­ ten Abteilungen (drei Buchstaben) unterschieden.318 In diesem Abschnitt wird primär auf die Veränderungen im Verkaufsbereich eingegangen. In Abbildung 22 aus Kapitel 3.4.1.1 ist bereits die hohe Kontinuität in der Geschäftsführung während der zweiten Internationalisierungsphase hervor­ gehoben worden, die auch im Vertriebsressort durch Hahnemann zum ­Tragen kam, der in kurzer Zeit zu „Mr. BMW“ avancierte und im Zuge der 1960er Jahre seinen Einflussbereich immer weiter auszudehnen vermochte. Hiermit einhergingen ebenso eine Ausweitung der Kompetenzen der ihm unterstellten Abteilungen und ihre zunehmende Vernetzung in das Unter­ nehmen hinein, die das Verkaufsressort als Organisationseinheit erstarken ließ. Ein Beispiel für die hohe Eigenständigkeit war die Abteilung VME, die als verkaufsinterne Etat-Kontrollstelle das Marketingbudget im Ressort selbst überwachte, diese Aufgabe also unter der Ägide Hahnemann parallel zu dem von Friedrich Pollmann geleiteten Ressort für Finanz- und Rech­ nungswesen geführt wurde.319 Mit Hahnemann als ausgemachten Marketing-Spezialisten wurde Marke­ ting innerhalb der BMW-Vertriebsorganisation großgeschrieben. Als erster und für lange Zeit einziger deutscher Automobilhersteller verfügte BMW über eine Marketinghauptabteilung, die das Herzstück des Vertriebsressorts bildete und direkt an Hahnemann berichtete. Während bei den Wettbewer­ 317 

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1966, in: BMW UA 527/2. Protokoll Nr. 15/66 der Vorstandssitzung vom 10. 05. 1966, in: BMW UA 411/1; Protokoll Nr. 31/65 der Vorstandssitzung vom 23. 11. 1965, in: BMW UA 409/1. 319  Vgl. Kontaktstellen der Abteilung Werbung VMW, 1967, in: BMW UA 594/1. 318 Vgl.

312

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

bern ein solcher Marketingbereich entweder überhaupt nicht existierte oder nur als untergeordnete Funktion zu den Verkaufsabteilung, der Werbung oder zu PR, hatte sich BMW nach eigener Aussage in diesem Bereich organi­ satorisch und arbeitsteilig einen Vorsprung erarbeitet.320 In einem Vortrag auf einer BMW-internen Marketingtagung, an der Vertreter der BMW-Im­ porteure aus aller Welt teilnahmen, definierte Bergmann, Leiter des Inlands­ verkaufs, Marketing bei BMW wie folgt: „BMW-Marketing ist das Bemühen um die individuelle Lösung automobilwirtschaft­ licher Probleme in einer Zeit, da die Bedarfsdeckung des gesamten, ständig zahlreicher werdenden Käuferkreises mehr und mehr rationalisiert und schablonisiert wird. Dies unter der gleichzeitigen Auflage, eine progressive Produktion eigener Automobile wie auch der des Wettbewerbs berücksichtigen zu müssen. […] Wir definieren Marketing als Gesamtkonzeption aller Bemühungen auf dem Vertriebssektor, von der Vorberei­ tung bis zur Überwachung.“ 321

In demselben Vortrag betonte Bergmann die Wichtigkeit, sämtliche Mar­ ketingaktivitäten im In- und Ausland, also zwischen der Zentrale in Mün­ chen einerseits und den Importeuren sowie ihren anhängigen Händlerbetrie­ ben andererseits, zu koordinieren und abzustimmen, um die Wirkungsweise des Marketings zu vereinheitlichen und zu erhöhen.322 Auf die Schwierig­ keit, die internationalen Aktivitäten aufeinander abzustimmen und somit ein einheitliches Image der Marke zu generieren, wird unter Berücksich­ tigung der Prinzipal-Agenten-Theorie näher in Kapitel 3.6 eingegangen. ­Abbildung 23 zeigt die Organisation des Vertriebsressorts nach den oben ­erwähnten umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen während der 1960er Jahre unter Hahnemann. Abbildung 23 lässt eine ausdifferenzierte und leistungsstarke Organisation des Vertriebsressorts erkennen, die in fünf Haupt- und weitere acht Unter­ abteilungen gegliedert war.323 Insbesondere die Abteilung Marktforschung (VMM) war auf die Kooperation der Importeure im Ausland angewiesen, die ihnen wichtige Überblicke zu dem jeweiligen Markt (Zulassungszahlen, Ver­ gleichspreise usf.) in regelmäßigen Abständen zukommen ließen.324 Über die internen Strukturen hinaus wurde vor allem auf den Gebieten Verkaufsför­ derung, Public Relations, Marktforschung und Werbung mit verschiedenen Agenturen und Partnern zusammengearbeitet, wie etwa dem marktpsycho­ logischen Meinungsforschungsinstitut von Spiegel oder der Werbeagentur­ 320 Vgl. Redemanuskript von Dr. Bergmann, Leiter der Abteilung Inlandsverkauf, „Marketing bei BMW“ vom 05. 04. 1967. in: ebd. 321 Ebd. 322  Vgl. ebd. 323  Zu beachten ist hierbei, dass die Unterabteilungen der Hauptabteilung Marketing (VM) organisatorisch auf einer Ebene mit den organisatorischen Untereinheiten der Abteilungen Vertrieb Export (VE) und Vertrieb Inland (VI) standen. 324  Vgl. Redemanuskript von Lau, Leiter der Marktforschungsabteilung VMM, „Der Aufgabenbereich der BMW-Marktforschung unter spezieller Berücksichtigung der Marktbeobachtung in den wichtigsten BMW-Exportländern“ vom 15. 03. 1967. in: ebd.

313

3.5. Vertriebspolitik Assistenz (VA–1)

Kundendienst (VK)

Vertrieb Export (VE)

VerkaufVerwalt. (VEV)

Werbung

Presse

(VMW)

(VMP)

Marktforschung (VMM)

Vorstand Vertrieb (V)

Marketing (VM)

Vertrieb Inland (VI)

Händler Organisat. (VIO)

VerkaufOrganisat. (VEO)

Verkäuferschule (VMV)

Assistenz (VA–2)

EtatKontrolle (VME)

Verkaufsförderung (VMF)

Ersatzteildienst (VT)

Planung u. Disposit. (VIP)

Statistik (VMS)

Public Relations (VMB)

Sportbetreuung (VMR)

Abbildung 23: Organigramm des BMW-Vertriebsressorts unter Hahnemann nach der Reorganisation, 1967. 325

Werbe-Gramm, später Gramm & Grey. Um den einzelnen Abteilungen, den externen Partnern sowie der BMW-internen Gesamtorganisation die Zusam­ menarbeit zu erleichtern und einen einheitlichen Stil zu ermöglichen, vollzog sich die Kommunikation auf zwei Ebenen: Einerseits wurden einzelne Pro­ jekte und die hierfür notwendigen Prozesspartner definiert, die regelmäßige Arbeitssitzungen abhielten, wie etwa zur Vorbereitung einer internationalen Automobilausstellung. Des Weiteren wurden neben diesen Projektbespre­ chungen innerhalb der Marketingabteilung allwöchentlich eine Abteilungslei­ tersitzung einberufen, in denen neben abteilungsinternen Angelegenheiten die weiteren Arbeitsthemen entsprechend der Geschäftslage und der jeweiligen Marktvorhaben eruiert und abgestimmt wurden. Einhergehend hierzu kamen noch weitere Einzelgespräche zu den jeweiligen Themenbereichen, die mit den anderen Abstimmungsrunden koordiniert wurden. In diesem Sinne wur­ de Marketing bei BMW als abteilungsübergreifende Teamarbeit interpre­ tiert.326 Weitere sich hieran anschließende kleinere Restrukturierungsmaßnah­ men zeigen, dass die Organisation eines Unternehmens stets eine gelebte Struktur ist, die sich im Wandel befindet. Bereits 1967 ließ Hahnemann den gesamten in- und ausländischen Außendienst bei den Hauptabteilungen Ver­ kauf Inland (VI) und Verkauf Export (VE) zusammenlegen, wobei die zentra­ le Steuerung des Außendienstes fortan von den Verkaufsleitungen ­ausging.327 325 Eigene

Darstellung, vgl. Kontaktstellen der Abteilungen Werbung VMW und Presse VMP, 1967, in: ebd. 326 Vgl. Redemanuskript von Dr. Bergmann, Leiter der Abteilung Inlandsverkauf, „Marketing bei BMW“ vom 05. 04. 1967. in: ebd. 327  Vgl. Protokoll Nr. 37/67 der Vorstandssitzung vom 11. 09. 1967, in: BMW UA 411/1.

314

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

1970 folgte in diesen Hauptabteilungen eine weitere Umorganisation: Kern­ stück dieser Maßnahme war die Bildung einer gesonderten Exportabteilung für die Märkte USA und Kanada, die Hahnemann unmittelbar unterstellt wurde, und die die zunehmende Bedeutung für den nordameri­ kanischen ­Absatz widerspiegelte.328 Für keinen weiteren Markt existierte zu diesem Zeitpunkt eine gesonderte organisatorische Abteilung in Form einer eigen­ ständigen Abteilung. Im Vergleich zu den Organisationsstrukturen zweier weiterer deutscher Automobilhersteller – VW und Daimler-Benz, die von Köhler analysiert worden sind – zeigt sich, dass es strukturelle Parallelen zwischen ihnen und dem Münchner Unternehmen gab. Bei BMW vollzog sich allerdings früher dieser Wandel, in dessen Zuge die Vertriebsorganisation umgestellt und die Marketingstrukturen gebündelt wurden. Bereits etwa Mitte der 1960er Jahre wurde bei BMW Marketing nicht mehr als rein operative Hilfsfunktion zur Verkaufsförderung betrachtet, sondern als ein strategisches Instrument zur langfristigen Planung der Geschäftspolitik eingesetzt. Dieselbe Entwicklung vollzog sich auch bei VW und Daimler-Benz, sie kam allerdings erst mit den 1970er Jahren zum vorläufigen Abschluss,329 während bei BMW dieser Stand und die Etablierung des Marketings als integrales unternehmerisches Werk­ zeug bereits bis 1967 umgesetzt worden war. Hierfür sind zwei Gründe an­ zuführen, warum sich diese organisationalen Strukturen in München früher etabliert hatten als bei den deutschen Mitbewerbern: Zum einen hatte die schwere Unternehmenskrise, die in der Hauptversammlung 1959 öffentlich­ keitswirksam kumulierte, und die sich anschließende Sanierung dazu geführt, dass jedwede Struktur auf den Prüfstand gestellt und Raum für tiefgreifende Veränderungen geboten wurde. Dies führte bei BMW früher zu anderen, vertriebsorientierteren Organisations- und Handlungsmustern als bei den kon­kurrierenden deutschen Automobilunternehmen, die aufgrund des „deut­ schen Wirtschaftswunders“ noch eine ausgesprochene Produktionsorien­ tierung aufwiesen.330 Mit der Personalie Hahnemann wurde überdies in München ein Marketingfachmann für den Vertriebsbereich ernannt, der ­bereits über dezidierte Erfahrungen in der Automobilindustrie im Ausland verfügte, die er in den folgenden Jahren bei BMW einbrachte. Zum anderen war BMW als vergleichsweise kleines Unternehmen der Automobilbranche darauf angewiesen, sich gegenüber der markt- und kapitalkräftigeren Kon­ kurrenz Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, die hier durch die frühzeitigen Bemühungen um ein „harmonisiertes Marketingverbundsystem“ erlangt wur­ 328 Vgl. Protokoll Nr. 24/70 der Vorstandssitzung vom 08. 09. 1970, in: BMW UA 800/1. 329  Vgl. Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 238. 330  Für weitere Informationen zu den positiven Aspekten und Nachwirkungen, die eine solche Unternehmenskrise ex post haben kann, vgl. Triebel/Grunert, Krisener­ fahrung bei der BMW AG.

3.5. Vertriebspolitik

315

den.331 Auch räumlich zogen sämtliche Marketingfunktionen unter ein ge­ meinsames Dach in eine Münchner Immobilie, die von BMW hierfür eigens angemietet wurde.332 Mit der Benennung eines neuen Vorstandsvorsitzenden im Herbst 1970 wurde erneut die Unternehmensorganisation auf den Prüfstand gestellt und Maßnahmen zur Reorganisation diskutiert und eingeleitet,333 deren Aus­ wirkungen vor allem in der dritten Internationalisierungsphase zum Tragen kamen und als solche in Kapitel 4 behandelt werden. 3.5.2.  Der Ausbau des Vertriebsnetzwerks In Kapitel 2.5.2 ist detailliert dargelegt worden, mit welchen Schwierigkeiten sich das Unternehmen nach dem Wiedereinstieg in die Mobilitätsmärkte konfrontiert sah. In den 1950er Jahren hatte der Fokus beim Ausbau des Händlernetzwerks zunächst auf dem Inland gelegen, der Ausbau über die ­eigenen Landesgrenzen hinaus erfolgte sukzessive, wobei ein großer Teil der Verantwortung auf die einzelnen Importeure gelegt wurde, die für den Auf­ bau einer durchsetzungsfähigen Händlerschaft in ihrem jeweiligen Markt ­zuständig waren. Als Hahnemann, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit gut zwei Jahrzehnten in der Automobilindustrie tätig gewesen war, seine neue Position als Vertriebsvorstand bei der BMW AG antrat, fand er dort nach eigener Aussage „die erstaunlichsten Dinge“ vor, die er retrospektiv dem SPIEGEL gegenüber wie folgt schilderte: „Unsere technischen Außendienstleute zum Beispiel waren alle nur einfache Monteu­ re, die mit Volkswagen unsere Kundschaft besuchten. Verkaufsförderung wurde über­ haupt nicht mehr betrieben, denn bei BMW hieß es: ‚Wir verkaufen ja doch nichts.‘“334

Hahnemann, der sich auf eine medienwirksame Inszenierung verstand, mag hinsichtlich der resignierten Haltung bei BMW zu jener Zeit ein überzogenes Bild zeichnen, die Ausgangssituation innerhalb der Verkaufsabteilungen stellte sich allerdings tatsächlich als stark verbesserungswürdig dar. Ein Marken­bewusstsein, das nach außen gelebt wurde und noch zu kultivieren war, musste auch nach innen gefestigt werden. Ferner mussten die Bestell­ abläufe zwischen Händlern und Werk bzw. der Verkaufsabteilung optimiert, Verkaufs- und Absatzkalkulationen mit der Produktionsplanung weiter syn­ chronisiert werden. Letztere Aufgabe übernahm Hahnemann in enger Zu­ sammenarbeit mit dem etwa zeitglich in München beginnenden, von Borg­ ward kommenden neuen BMW-Vorstand Gieschen, der zwischen 1961 und 331  Redemanuskript von Dr. Bergmann, Leiter der Abteilung Inlandsverkauf, „Mar­ keting bei BMW“ vom 05. 04. 1967. in: BMW UA 594/1. 332  Vgl. ebd. 333 Vgl. Protokoll Nr. 3/70 der Vorstandssitzung vom 27. 01. 1970, in: BMW UA 800/1; Protokoll Nr. 5/70 der Vorstandssitzung vom 10. 02. 1970, in: ebd. 334 [o. V.] (1965): Bayerns Gloria, in: Der SPIEGEL, Jg. 19, Nr. 8 vom 17. 02. 1965, S. 62–66, hier S. 64.

316

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

1971 dem Ressort Technik und somit der Produktion bei BMW vorstand (vgl. Kapitel 3.2.1). Auch die Zahlungsabläufe der Händlerschaft kamen auf den Prüfstand, da es nach Aussage von Hahnemann in der Vergangenheit vereinzelt dazu gekommen war, dass ausgelieferte Fahrzeuge von den Händ­ lern nicht bezahlt worden waren, da keine Abteilung des Werkes sich um die Inkassoabwicklung gekümmert hatte.335 Es galt also vor allem, die Struktu­ ren zu prüfen, zu straffen und zu verbessern. Die Bemühungen um die Optimierung der BMW-Händlerorganisation während der 1960er Jahre lassen sich pauschal in zwei Stufen unterteilen, wobei sie die eindeutige Handschrift des ab Herbst 1961 für den Vertriebsbe­ reich Verantwortung zeichnenden Vorstands Hahnemann trugen, der – ähn­ lich der Umstrukturierung der unternehmensinternen Verkaufsorganisation – eine umfassende Reorganisation veranlasste, die er bereits im Dezember 1961 dem Aufsichtsrat vorstellte. Diese erste Phase richtete ihr Augenmerk vor allem auf die Händlerorganisation im Inland sowie auf das europäische Ausland, während die zweite Phase in erster Linie eine massive Ausweitung der ausländischen Händlerschaft, also in Europa sowie Übersee, fokussierte. Als Hahnemann sein Amt als neuer Vertriebschef antrat, umfasste die inlän­ dische Händlerorganisation insgesamt 846 Händler, die sich zum großen Teil aus kleineren Betrieben zusammensetzten, welche den anspruchsvollen Käu­ ferkreis der Neuen Klasse nach Ansicht von Hahnemann nicht zufriedenstel­ len konnten und nicht zum neuen Produktportfolio passten.336 Um die Han­ delsorganisation den Ansprüchen des neuen Modellprogramms anzupassen und leistungsfähiger werden zu lassen, sah er die Umstellung auf ein Groß­ handelssystem vor, das sich aus Groß-, Direkt- und Unterhändlern zusam­ mensetzte. Um darüber hinaus weitere qualitativ hochwertige Betriebe zu gewinnen, die den neu definierten Ansprüchen Rechnung trugen, bemühte sich Hahnemann, der von 1949 bis 1957 selbst als Großhändler für die Adam Opel AG in Freiburg tätig gewesen war,337 die in Frage kommenden Betrie­ be aus der durch die Insolvenz des Bremer Automobilfabrikanten Borgward freiwerdende Händlerschaft für BMW zu gewinnen.338 Bis Anfang Dezem­ ber 1961 war es ihm bereits gelungen, 53 ehemalige Borgward- und LloydHändler zu verpflichten, von denen bis auf neun alle dem neuen Großhändl­ erformat entsprachen.339 Obgleich die ersten Pläne für das neue gemischte System aus Groß- und Direkthändlern bereits zum Winter 1961 vorlagen, dauerte es bis zu seiner Einführung in Deutschland noch bis zum 1. Januar 1963. Die Vertriebsstruktur setzte sich fortan aus 109 Großhändlern, 177 Direkt­händlern, 409 Händlern und 36 Vertragswerkstätten zusammen. Bis 335 

Vgl. ebd., S. 64. Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1961, in: BMW UA 731/2. 337  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 512. 338  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 09. 1961, in: BMW UA 731/2. 339  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1961, in: ebd. 336 

3.5. Vertriebspolitik

317

Ende 1965 sollte es auf 125 Großhändler, 250 Direkthändler, 400 Händler und 200 Vertragswerkstätten ausgebaut werden. Die neue Struktur reduzier­ te den Logistikaufwand für BMW, da fortan nur noch die Groß- und Direkt­ händler von BMW direkt beliefert wurden, während die übrigen Betriebe die Pflege ihrer Produktpalette sowie ihrer Ersatzteilversorgung selbst übernah­ men sowie ihren Warenbedarf über die Großhändler deckten.340 Jeder Händ­ ler hatte nun alljährlich im September seine zunächst unverbindliche Be­ darfsschätzung für das Folgejahr an das Werk zu melden. Jeweils ein Quartal vor dem Auslieferungsmonat wurde dann die Bedarfsschätzung automatisch in eine verbindliche Bestellung gewandelt, falls der Händler zuvor nicht seine Dispositionen geändert hatte.341 Darüber hinaus baute BMW den eigenen Direktvertrieb im Inland über die Gründung firmeneigener Niederlassungen weiter aus.342 Hatte der Aufsichtsrat noch im April 1962 aufgrund des hohen Investitionsbedarfs zur Diskussion gestellt, die bestehende Berliner BMWNiederlassung zu verkaufen und durch Dritte, also eine Fremdfirma betrei­ ben zu lassen, trat vor allem Hahnemann für den weiteren Ausbau der Nie­ derlassungen ein.343 Zwei Jahre später genehmigte der Aufsichtsrat die Grün­ dung einer weiteren Niederlassung in Essen.344 Diese setzte bereits in den ersten 3,5 Monaten ihres Bestehens ein Plus von 50 Prozent an Fahrzeugen um gegenüber den früher in ihrem Absatzgebiet tätig gewesenen Großhänd­ lern. Vorstand und Aufsichtsrat zeigten sich angesichts dieses Erfolges von dem insbesondere durch Hahnemann vorangetriebenen Konzept des Direkt­ vertriebs überzeugt und willigten aufgrund einer sich anbietenden günstigen Gelegenheit ein, im Laufe der kommenden Monate eine weitere Niederlas­ sung in Hamburg zu errichten. Hiermit folgte man dem taktischen Kalkül, durch eigene Niederlassungen in bislang absatzschwachen Gebieten den bis dato noch unbefriedigenden Marktanteil zu steigern.345 Neben Hamburg wurde ebenfalls 1965 die Verkaufsstelle in Bonn zu einer Niederlassung ­ausgeweitet, um das Behördengeschäft zu fördern und den Kontakt zu den Regierungs­stellen auszubauen, was die Bedeutung dieses Geschäftszweiges weiter unterstreicht. Bis 1968 wurden weitere BMW-Niederlassungen in München sowie in Saarbrücken aufgebaut.346

340 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 278. Vgl. [o. V.] (1965): Bayerns Gloria, in: Der SPIEGEL, Jg. 19, Nr. 8 vom 17. 02. 1965, S. 62–66, hier S. 64. 342  BMW-eigene Niederlassungen waren an sich nicht neu, da BMW bereits seit den 1930er Jahren eine Niederlassung in Berlin betrieb. Ferner hatte zwischen 1938 und 1945 eine weitere Niederlassung in Wien existiert, die im Zuge der Niederlage des Zweiten Weltkrieges jedoch ebenfalls verloren ging, vgl. Seidl, Die Bayerischen Moto­ renwerke 1945–1969, S. 278. 343  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 17. 04. 1962, in: BMW UA 731/2. 344  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 14. 04. 1964, in: BMW UA 732/2. 345  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 30. 07. 1964, in: ebd. 346  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 279. 341 

318

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Mit der sich weiter ausdifferenzierenden Modellvielfalt wuchsen auch die Ansprüche an die Ersatzteilversorgung. Zielsetzung des Vorstands war es, nur noch original BMW-Ersatzteile in der Händlerorganisation einsetzen zu lassen. Dieser logistischen Herausforderung wurde 1966 mit der Eröffnung eines neuen Zentrallagers begegnet, das die Groß- und Direkthändler im In­ land sowie die Importzentren im Ausland belieferte, welche wiederum die mit ihnen assoziierten Händlerbetriebe versorgten.347 Das Konzept der Im­ portzentren im Ausland wurde in den 1970er Jahren zunehmend intensiviert, nahm seinen Anfang jedoch bereits in der zweiten Internationalisierungspha­ se. Während der 1960er Jahre wurden Importzentren in Frankreich, Belgien, den USA und der Schweiz eröffnet, wodurch eine Steigerung der Export­ quote erzielt werden sollte.348 1970 wurde ferner ein Import- und Verteiler­ zentrum in den Niederlanden eröffnet.349 Die Importzentren wurden also in den umsatzstärksten Gebieten eingerichtet. Im Hinblick auf die Handels­ strukturen im Ausland, die sich durch eine direkte Belieferung der Impor­ teure auszeichnete, die wiederum die Versorgung der mit ihr verbundenen Händlerschaft übernahmen, erfolgten während der ersten Stufe der Ver­ triebsumstrukturierungen in der ersten Hälfte der 1960er Jahre keine ­nennenswerten organisationalen Veränderungen, wie sie sich zeitgleich im Inland vollzogen.350 Kleinere Anpassungen in der Vertriebsorganisation wurden indes auch im Ausland vorgenommen, wie etwa die Einführung der punktuellen Verkaufshilfe für ausländische Händler bzw. Importeure, die bereits für inländische Betriebe situativ genutzt wurde, um etwaige Lagerbe­ stände abzubauen.351 Darüber hinaus vergab die Münchner Zentrale auch vereinzelt Darlehen an Importeure, um sie bei dem Ausbau ihrer Handelsoder Importstruktur finanziell zu unterstützen.352 Nachdem die erste Stufe der Umstrukturierung der Handelsorganisation vor allem eine Reorganisation des Händler- und Bestellsystems fokussierte, sah die zweite Stufe die verstärkte Akquise neuer Händler vor, die dem neu 347  Vgl. 348 Vgl.

Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 437. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1966, in: BMW UA 527/2; Pressemitteilung „Eröffnung des BMW Centers Schweiz“ vom 19. 11. 1968, in: BMW UP 405/10. 349  Vgl. Pressemitteilung „BMW eröffnet Import-Zentrum in Holland“ vom 22. 04.  1970, in: BMW UP 456/10. 350  Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 278. 351  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 09. 1961, in: BMW UA 731/2. 352 Vgl. Protokoll Nr. 32/68 der Vorstandssitzung vom 10. 12. 1968, in: BMW UA 412/1. Auch der argentinischen Montagefirma Metalmecánica war 1961 eine Finanzie­ rungshilfe gewährt worden, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 05. 1961, in: BMW UA 731/2. Dies war als Zeichen der allmählichen finanziellen Gesundung der BMW AG zu werten, da es ihr noch in den späten 1950er Jahren im Zuge der Unter­nehmenskrise oft nicht möglich gewesen war, ihre Partner finanziell zu unter­ stützen. Daher hatte BMW damals beispielsweise einen Kredit unter den Importeuren – etwa für den österreichischen Partner Denzel – vermittelt, ohne sich selbst monetär zu engagieren.

3.5. Vertriebspolitik

319

definierten exklusiven BMW-Anspruch entsprachen. Dies sah einen quanti­ tativen Ausbau der Handelsorganisation sowohl im In- als auch im Ausland vor; im Ausland visierte man eine Steigerung der Kontaktstellen um 50 Pro­ zent an.353 Wie in Kapitel 2.5 erläutert wurde, begann BMW bereits Ende der 1950er Jahre, Exklusivhändler einzusetzen, allerdings gestaltete sich diese Umstellung schwierig, da das BMW-Geschäft zunächst einen entsprechen­ den Umfang erreichen musste, damit die Forderungen aus München nach Spezialisierung auf das BMW-Programm erhoben werden konnte.354 Hierfür hatte allerdings das automobile Modellprogramm der 1950er Jahre nicht die gewünschte argumentative Stärke bzw. die entsprechenden Absatzzahlen ge­ liefert. Erst mit dem neuen Modellspektrum, das mit dem Launch der Neuen Klasse begann, hatte BMW ein starkes Argument an der Hand, die Handels­ organisation zunehmend auf Exklusivhändler umzustellen; ein Vorhaben, das sich allerdings nur sukzessive umsetzen ließ. Bis einschließlich 1969 konnte der Anteil der Händler, die exklusiv die Marke BMW vertraten, auf 50 Pro­ zent gesteigert werden.355 Ferner gelang es der Zentrale, die inländische Handelsorganisation von 773 (1961) auf 1 062 Händler (1970) um 37 Prozent auszubauen. Im Ausland konnte in demselben Zeitraum sogar eine Steige­ rung um 146 Prozent von 1 160 (1961) auf 2 857 Betriebe (1970) erzielt ­werden. Die genauen Angaben zu diesem quantitativen Ausbau der Handels­ organisation im In- und Ausland ist Abbildung 24 zu entnehmen. Die beachtliche Steigerung der Zahl ausländischer Vertriebspartner wurde durch zwei Mechanismen erlangt: Zum einen verstärkte man die Koordina­ tion der Zusammenarbeit zwischen der Zentrale und den einzelnen Impor­ teuren. Hierdurch wurden sie stärker dazu angehalten, ihr Handelsnetzwerk auszubauen, falls dieses nach Ansicht der Verkaufsabteilung Export (VE) Defizite aufwies. Zum anderen wurde vermehrt die Erschließung neuer Märkte forciert; die passive Position der BMW-Geschäftsleitung wandelte sich zu einer aktiven Vertriebspolitik, die eigeninitiativ Kontakt zu poten­ tiellen Partnern im Ausland aufnahm. Punktuell wurden überdies, über die deutschen Grenzen hinaus, Abkommen mit ausländischen Herstellern ge­ troffen, die die Exklusivitätsklausel punktuell aussetzten. So arrangierten sich 1965 BMW und Autobianchi, wonach die italienischen Händler das BMW-Programm führen durften, die deutschen Betriebe im Gegenzug das Autobianchi-Portfolio. Hierdurch stieg die Zahl der Vertretungen in Italien unmittelbar um 50 Händler. Eine entsprechende Vereinbarung mit den deut­ schen Fiat-Betrieben folgte ebenfalls.356 Derartige Übereinkommen wurden jedoch gering gehalten, da die Verkaufsleitung grundsätzlichen bemüht war, 353 

Vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, S. 278. Protokoll Nr. 8/57 der Vorstandssitzung vom 28. und 31. 05. 1957, in: BMW UA 107/1. 355  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 434. 356  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 02. 12. 1965, in: BMW UA 732/2. 354  Vgl.

320

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

4.000 3.500 3.000 2.500

2.667 2.834 2.857

2.000 1.500

1.160 1. 277

1.421

1.669 1.693 1.755

2.043

Ausland Inland

1.000 500

773

731

817

892

927

947 1.013 1.076 1.084 1.062

1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 Abbildung 24: Vertragspartner des BMW-Vertriebs im In- und Ausland, 1961–1970.357

einen immer größeren Teil der Händler auf ein Exklusivangebot des BMWProgramms umzustellen. Im Kontext des Ausbaus des Vertriebsnetzwerks wurde auch das soge­ nannte Delegiertensystem verstärkt, durch das BMW bereits in den 1950er Jahren potentielle Handelsbetriebe im Ausland eruiert und überwacht hatte (vgl. Kapitel 2.5.2.3). Diese externen Delegierten fokussierten vor allem ab­ satzschwache Regionen sowie Gebiete, in denen bereits ein annehmbarer Marktanteil erreicht wurde, dieser jedoch noch weiter gesteigert werden soll­ te, wie etwa in den USA. Auf das Delegiertensystem und seinen Ausbau während der zweiten Internationalisierungsphase wird in Abschnitt 3.5.2.1 näher eingegangen. Mit der von Hahnemann in die Wege geleiteten Offen­ sive zum Ausbau der Handelsorganisation erreichte BMW etwa zum Jahres­ wechsel 1964/65 den quantitativen Stand der Vertriebsorganisation im Aus­ land, den Daimler-Benz bereits 1957 erlangt hatte.358 Legt man jedoch die verzögerte Rückkehr des bayerischen Automobilherstellers sowie das un­ ausgeglichene automobile Produktportfolio der 1950er Jahre zugrunde, er­ scheinen diese Zahlen vielmehr als Aufholjagd des vergleichsweise kleinen Herstellers aus München unter Vertriebsvorstand Hahnemann.

357  Vgl.

Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; Bericht der Bayeri­ schen Motoren Werke über das 54. Geschäftsjahr 1969, 1970, in: BMW UU 55/10. 358  In diesem Jahr verfügte der Stuttgarter Mitbewerber über 184 Generalvertretun­ gen mit etwa 1 600 Untervertretern im Ausland, vgl. Grunow-Osswald, Internationa­ lisierung Daimler-Benz, S. 227.

321

3.5. Vertriebspolitik

100% 90% 80% 70%

Ozeanien

60%

Asien

50%

Afrika

40%

Amerika

30%

Europa

20% 10% 0% 1966

1967

1968

1969

1970

Abbildung 25: Regionale Verteilung der ausländischen Vertriebspartner der BMW AG und der BMW Motorrad GmbH, 1966–1970.359

Abbildung 25 gibt die relationale Entwicklung der regionalen Verteilung der Vertriebspartner im Ausland wider, die sowohl Importeure, Händler als auch Vertragswerkstätten enthält.360 Zum Ende der zweiten Internationali­ sierungsphase war das Handelsnetz besonders dicht in Europa und Amerika, wo 60 bzw. 28 Prozent (1969) der ausländischen Vertragspartner saßen, ge­ folgt von Afrika mit sieben, Asien mit vier und Ozeanien mit knapp einem Prozent.361 Der Ausbau der Organisation während der zweiten Hälfte der 1960er Jahre war besonders eindrucksvoll in Afrika und Amerika, wo sich die Zahl verdoppelte bzw. nahezu verdreifachte. In Ozeanien wuchs die Or­ ganisation sogar um 700 Prozent, was jedoch vor allem dem Ausgangspunkt der gering ausdifferenzierten hiesigen Handelsstruktur Mitte der 1960er Jahre geschuldet war. Der sinkende relative Anteil der europäischen Partnerbetriebe, der absolut betrachtet zwischen 1966 bis 1970 ebenfalls um knapp 38 Prozent anstieg, ist dem Ausbau des Vertriebsnetzwerks auf den weiteren Kontinenten geschuldet.

359  Vgl. Entwicklung der Vertriebsorganisation der BMW AG und der BMW Motor­ rad GmbH, 1966–1974, vom 02. 04. 1975, in: BMW UR 10850/1. 360  Demgemäß sind in den Angaben für Europa nicht die Zahlen über die inländi­ schen Vertriebspartner enthalten. Zahlen aus der ersten Hälfte der 1960er Jahre liegen leider nicht vor. 361  Vgl. Entwicklung der Vertriebsorganisation der BMW AG und der BMW Motor­ rad GmbH, 1969–1978, vom 01. 12. 1978, in: BMW UA 1677/1.

322

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

3.5.2.1.  Das Delegiertensystem zur Erschließung neuer Märkte Das Konzept des Delegiertensystems wurde bei BMW bereits in den 1950er Jahren praktiziert und stellte keine Ausnahme in der Automobilindustrie dar, wie ähnliche Praktiken bei Daimler-Benz belegen.362 Während der zweiten Internationalisierungsphase wurde noch vermehrt auf dieses System von De­ legierten zurückgegriffen, die neue Marktpotentiale eruieren sollten. Hierbei handelte es sich nicht um einen viele Mitarbeiter umfassenden Verbund, ­sondern vielmehr um einige wenige Beauftragte, die als freie Mitarbeiter für BMW im Ausland tätig wurden. Ihnen oblagen vor allem vier Aufgaben­ bereiche, die sie eigenständig und im Sinne der Firma in dem jeweils beauf­ tragten Absatzgebiet erfüllen sollten: Vorrangig war zunächst die Errichtung und der Ausbau einer leistungsfähigen Vertriebsorganisation einschließlich Kundendienst und Ersatzteilversorgung, die in technischer, personeller und wirtschaftlicher Hinsicht die Ansprüche der BMW AG erfüllten. Zu diesem Zwecke oblag es den Delegierten, geeignete Importeure und Händler zu ­ermitteln und anzuwerben. Des Weiteren mussten sie für die beauftragten Gebiete belastbare Marktforschungsarbeiten durchführen und der Münchner Zentrale zukommen lassen.363 Ebenfalls waren sie vertraglich zur Verkaufs­ förderung, zur Einhaltung des Warenzeichenschutzes sowie zur Wahrung ausschließlich der BMW-Interessen verpflichtet. In diesem Zusammenhang war ihnen die Vertretung anderer Automobilhersteller einschließlich der Hersteller von LKW und stationären Motoren und der mit ihnen zusam­ menhängenden Vertriebsorganisation ausdrücklich untersagt; über Aus­ nahmen hiervon wurde von Fall zu Fall entschieden. Delegierte galten ferner als Markenbotschafter, die mit einem BMW-Dienstwagen ausgestattet und im Auftrage der Münchner Zentrale auf Grundlage des Delegiertenvertrages entsandt wurden, jedoch nicht rechtsverbindlich für die BMW AG handel­ ten, das heiß keine Vertragsabschlüsse vollziehen durften. Verträge konnten somit ausschließlich durch BMW abgeschlossen werden. 364 Für das Ver­ kaufsgebiet Europa wurden ausschließlich BMW-interne Mitarbeiter tätig bzw. die europäischen Partnervertretungen von den BMW-Verkaufsabteilun­ gen direkt betreut. Durch die Externalisierung der Markterschließung schaltete die Münchner Zentrale als Prinzipal noch einen weiteren Agenten zwischen die ausländi­ schen Vertriebspartner, die ihrerseits ebenfalls Agenten waren. Delegierte wurden vor allem zur Akquise neuer Handelspartner sowie zu deren anfäng­ lichen Überwachung eingesetzt. Ihre Dienste waren jedoch nicht mehr von­ nöten, sobald der neue ausländische Vertriebspartner in der BMW-Handels­ 362 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 226. Jahresabschlussbericht 1970 der Firma Establishment Sudamerop vom 23. 02.  1971, in: BMW UA 736/1. 364 Vgl. Entwurf von Delegierten-Verträgen der juristischen Abteilung vom 05. 10.  1967, in: ebd. 363  Vgl.

3.5. Vertriebspolitik

323

organisation fest integriert war und somit durch die firmeneigenen Verkaufs­ abteilungen betreut und kontrolliert wurde. Bis zu diesem Punkt befand sich jedoch die Münchner Verkaufsleitung in einem gewissen Abhängigkeitsver­ hältnis gegenüber den beauftragten Delegierten. Dieses suchte man durch eine regelmäßige Kommunikation und eine Einschränkung ihres rechtsver­ bindlichen Handlungsspielraums zu begrenzen. Das externe Delegiertensystem der BMW AG, das vor allem zur Markte­ ruierung und -erschließung sowie zum Ausbau der ausländischen Handels­ organisation eingesetzt wurde, setzte sich aus nur einigen wenigen freien Mitarbeitern und ihren Firmen zusammen. Seit Dezember 1966 war die Fir­ ma Establishment Sudamerop für die Gebiete Mittel- und Südamerika sowie für weite Teile Afrikas zuständig, betreut vor allem durch Baron von Kuhn. Mit dieser Firma, deren Sitz in Liechtenstein lag, hatte bereits die von BMW übernommene Hans Glas GmbH im Ausland zusammengearbeitet, wodurch der Kontakt nach München zustande gekommen war.365 Einigen Delegier­ ten, so auch der Establishment Sudamerop, wurde überdies von der BMWZentrale ein jährlicher Werbemittelfond im Wert von 5 000 DM in Form von Prospekten, Kalendern, Werbegeschenken usf. zur Verfügung gestellt, über deren Verwendung die Delegierten eigenständig entscheiden konnten. Eine Barauszahlung des Fonds, etwa zur Beauftragung von Zeitungs-, Rundfunkoder TV-Werbung, war nicht zulässig, „da dies Sache des jeweiligen Importeurs ist.“366 Für die Regionen Asien und Ozeanien zeichnete Dr. Werner Friedländer Verantwortung,367 der zuvor als Sachbearbeiter von DaimlerBenz für Australien tätig gewesen war. Der Kontakt wurde über Verkaufslei­ ter Hahnemann hergestellt, eine Beauftragung jedoch zunächst im Dezember 1964 vom Gesamtvorstand negativ beschieden.368 Diese Entscheidung wurde allerdings nach neuerlichen Bemühungen vor allem seitens Hahnemann revi­ diert und so erhielt der erfahrene Experte Friedländer wenig später den Auf­ trag, als Delegierter für das Gebiet Ozeanien, das noch um einige asiatische Länder ergänzt wird, die Interessen der BMW AG zu vertreten.369 Die ­Provisionen für die Delegierten konnten variieren, beliefen sich jedoch auf etwa zwei Prozent des ab-Werk Preises für CBU-Einheiten von BMW-Auto­ mobilen und Motorrädern und einem Prozent auf Lieferungen von CKD365 Vgl.

Delegiertenvertrag zwischen der BMW AG und Establishment Sudamerop vom 20. 03. 1967, in: ebd. 366  Delegiertenvertrag zwischen der BMW AG und Establishment Sudamerop vom 20. 03. 1967, in: BMW UA 736/1. 367  In den Quellen finden sich verschiedene Schreibweisen seines Namens, so unter anderem Friedländer, Friedlander und Friedlander-Fanta. Im Folgenden wird sich auf die deutsche Schreibweise Friedländer festgelegt. 368 Vgl. Protokoll Nr. 24/64 der Vorstandssitzung vom 02. 12. 1964, in: BMW UA 431/1. 369  Vgl. Delegiertenvertrag zwischen der BMW AG und Dr. Werner Friedländer vom 28. 11. 1969, in: BMW UA 736/1.

324

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

und SKD-Einheiten sowie stationären Industrie- und Bootsmotoren.370 Friedländer wirkte stark auf den BMW-Vorstand ein, sich in Australien an einer gemeinschaftlichen Gründung einer BMW-Vertriebsgesellschaft mit ihm zu beteiligen, worauf in Abschnitt 3.5.2.3 eingegangen wird. Dieses ­Beispiel zeigt zugleich, wie es Hahnemann gelang, die Vertriebsorganisation im Ausland vor allem durch seine engen Kontakte auszubauen und diese in das BMW-Netzwerk zu integrieren. Die – zunächst unabhängigen – Delegierten zeichneten sich für gewöhn­ lich durch eine Vorbildung im internationalen Raum aus, die ebenfalls in ih­ rer Sprachkompetenz zum Ausdruck kam. Sie wiesen sich durch eine gewisse fachliche Kompetenz aus, die mit dem zu betreuenden Absatzgebiet bereits vertraut waren, wie etwa Friedländer für den Markt Australien. In der Regel blieben die Delegierten freie Mitarbeiter, die im Auftrag von BMW agierten. In einigen Fällen wechselten sie jedoch in die BMW-Organisation und streb­ ten dann hier nicht selten innerhalb des BMW-Vertriebsbereichs eine unter­ nehmensinterne Karriere. Helten etwa, der in den USA – zunächst auch für andere deutsche Hersteller, später nur für BMW – und in Großbritannien als Delegierter tätig gewesen war, hatte zuvor in Fontainebleau, Paris, die Ma­ nagement-Akademie INSEAD besucht und stieg in den 1970er Jahren inner­ halb der BMW-Exportabteilung in das leitende Management auf. Das Delegiertensystem stellte für BMW eine Übergangslösung dar, neue absatzschwache Regionen zu erschließen, ohne hierbei die unternehmensei­ genen Strukturen kapazitativ ausbauen zu müssen. Überdies konnte BMW hierdurch auf ein hohes externes Expertenwissen inklusive einer internatio­ nalen Versiertheit zugreifen, die in den 1950er und 1960er Jahre im deutschen Management keineswegs eine Selbstverständlichkeit darstellte, wie in Kapitel 3.2 dargelegt wurde. Personal mit interkulturellen Erfahrungswerten, Wissen sowie internationalen Kontakten waren selten und wurden daher vornehm­ lich extern beauftragt. Mit der zunehmenden internationalen Ausrichtung des Unternehmens und der steigenden Exportorientierung wurde es jedoch unumgänglich, diese Expertise auch betriebsintern weiter zu fördern und zu integrieren. Des Weiteren diente das System der unabhängig und frei arbei­ tenden Mitarbeiter vor allem zur Erschließung neuer Märkte, die sich wiede­ rum in dem Grad reduzierten, in dem die Exportorientierung und Auswei­ tung der Absatzregionen zunahmen. Die Delegierten als Mittler zwischen Prinzipal und Agenten – quasi als ein weiterer Agent – barg überdies ein hohes Risiko, die Informationsasymmetrien zu Ungunsten der eigenen ­ Unternehmensinteressen und somit opportunistisches Verhalten zu ver­ ­ stärken. Aus diesen Gründen wurde das Delegiertensystem, das speziell in den 1960er Jahren unter Hahnemann eine Hochzeit erlebte, im Laufe der 1970er Jahre sukzessive abgebaut und die betriebseigene Expertise und Or­ 370 Vgl.

Schreiben von VEP an VTV „Delegiertenprovision“ vom 05. 02. 1971, in: BMW UA 736/1.

3.5. Vertriebspolitik

325

ganisation – nicht zuletzt mittels eigener Vertriebsgesellschaften im Ausland – weiter ausgebaut, wie in Kapitel 4 aufgezeigt werden soll. 3.5.2.2.  Der Ausbau der Montage als Mittel zur Marktpenetration Ende der 1950er Jahren hatte BMW begonnen, Automobile in denjenigen Ländern in Kooperation mit einheimischen Montagepartnern fertigen zu las­ sen, in denen eine Einfuhr von Kompletteinheiten aufgrund von Regierungs­ auflagen nicht mehr möglich oder nicht länger lukrativ war. Dieses Vorgehen wurde auch während der zweiten Internationalisierungsphase fortgesetzt, unterschied sich jedoch von der Abwicklung während der 1950er Jahre in zweifacher Weise: Während zuvor vor allem Kleinst- und Kleinwagen wie die BMW Isetta im Ausland montiert wurden, die einen geringeren Gewinn generierten als größere Fahrzeuge, wurde die CKD- und SKD-Montage in dem darauffolgenden Jahrzehnt auf das Mittelwagenprogramm ausgedehnt. Die Großen Wagen waren hiervon noch bis zum Jahre 1970 ausgenommen, als die Produktion von Teilesätzen der BMW-Oberklasse – zunächst über­ wiegend als Rechtslenker – begann.371 Tabelle 37 zeigt, welche Modelle vor­ nehmlich für die Montage im Ausland gefertigt wurden und dass bis 1965 einzig Kleinst- und Kleinwagen als Teilesätze produziert wurden. Absolut betrachtet, machte dieses Segment zwar mit knapp 42 000 Teilesätzen den größten Anteil aus, relational trugen jedoch die Mittel- und Oberklasse auf­ grund ihrer höheren Margen mehr zu dem Gewinn im Auslandsgeschäft bei. Die nachfolgende Tabelle enthält sämtliche für den Export gefertigten Teile­ sätze, die nach Fahrzeugklassen angeordnet sind. Sie bestätigt, dass das Kleinst- und Kleinwagensegment bis Mitte der 1960er Jahre das einzige Standbein der Montage im Ausland darstellte und mit ihrer Produktvorstel­ lung von der Mittelklasse abgelöst wurde. Zwei Jahre nach ihrer Einführung und somit am Ende der zweiten Internationalisierungsphase begann die BMW-Geschäftsleitung, auch Fahrzeuge der Oberklasse im Ausland montie­ ren zu lassen, deren Margen höher lagen und somit zur Steigerung des Ge­ winns beitrugen. 1961

1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 Gesamt

BMW Isetta 4 252 800 – – – – – – – 5 052 – BMW 700 9 164 9 170 8 367 6 994 2 821 – – – – – 36 516 – – – – 219 3 916 3 970 4 787 5 755 18 647 02er Reihe – Neue Klasse – – – 2 1 397 2 583 1 342 3 754 3 422 3 527 16 027 Oberklasse – – – – – – – – – 613 613 Gesamt 13 416 9 970 8 367 6 996 4 218 5 604 5 258 7 724 8 209 9 895 76 855 Anteil am Ge­ 58,2 43,3 31,1 25,2 14,6 20,7 13,6 14,2 12,5 15,0 20,1 samtexport (%)

Tabelle 37: Für den Export produzierte Teilesätze nach BMW-Baumustern, 1961–1970.372 371  372 

Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Vgl. ebd.

326

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Der Anteil des Versands von Teilesätzen am Gesamtexport zeigt, dass dieser im Laufe der zweiten Internationalisierungsphase sank und an ihrem Ende zwischen 12 und 15 Prozent lag. Zuvor hatten insbesondere die Mon­ tage von Kleinst- und Kleinwagen seit Ende der 1950er Jahre die Ausfuhr von CKD-/SKD-Sätzen in die Höhe schnellen lassen, die noch 1961 einen Anteil von 58,2 Prozent am Auslandsgeschäft ausmachten. Mit dem Aus­ laufen dieses Segments wurde auch die Teilefertigung reduziert und der ­Export der Mittelklasse nach Produkteinführung zunächst zugunsten des Inlandsgeschäfts zurückgestellt bzw. überwiegend auf die Ausfuhr von Kompletteinheiten konzentriert. Ab 1967/68 forcierte die Geschäftsleitung erneut den Versand von Teilesätzen durch die Initiierung neuer Montage­ projekte in Portugal, Südafrika und Uruguay, die Tabelle 38 zu entnehmen sind. Während des Weiteren der Export von Kompletteinheiten Ende der 1960er Jahre stark gesteigert wurde, blieb der Anteil an Teilesätzen relativ konstant. Die Unternehmensleitung bevorzugte den Absatz von Komplett­ fahrzeugen aufgrund des verringerten Risikos und logistischen Aufwands in den Ländern, wo es möglich war. Die Bedeutung der Montage lässt sich jedoch nicht einzig an ihren Zahlen messen, da ohne sie der Handel mit ­einigen wichtigen Märkten in Gänze verloren gewesen wäre, die die Ein­ fuhr von CBU-Einheiten untersagten bzw. stark einschränkten. Die Auf­ nahme der Montageprojekte förderte überdies genauere Abstimmungs­ prozesse mit den ausländischen Fertigungspartnern, um beispielsweise die Qualitätsstandards sicherzustellen und forderte auch ein höheres Maß an Logistikkenntnissen; sowohl zwischen BMW und den ausländischen Ver­ tragsbetrieben als auch zwischen den Werken in München und Dingolfing bzw. dem Dingolfinger Zentrallager. Eine Montage im Ausland schärfte ­somit die unternehmensinternen Prozesse und das Wissen innerhalb der Organisation, insofern dieses zwischen den Mitarbeitern weitergegeben wurde, was während der 1960er Jahre noch nicht immer die Regel war. Im Gegensatz zu der ersten Internationalisierungsphase wurden jedoch poten­ tielle Handels- und Montagepartner wesentlich aktiver durch das Vertriebs­ ressort eruiert und eingehender geprüft, um finanzielle Risiken möglichst gering zu halten: „Der Vorstand ist sich darüber einig, dass wir in verschiedenen Ländern, die eine Ein­ fuhr von Ganzeinheiten nicht mehr gestatten, eine Montage aus dem CKD-Zustand anstreben müssen, wenn das Exportgeschäft in diesen Ländern überhaupt fortbeste­ hen soll. Die uns angebotene Montage des BMW 1600 in Uruguay soll als Testfall dienen. Der Importeur in Uruguay geht im ersten Jahr von einer Montagekapazität von 400 Einheiten aus.“373

In Uruguay wurde nach den negativen Erfahrungen, die mit dem urugua­ yischen Generalimporteur und Montagepartner Miller, Medeiros Bastos SA in den 1950er Jahren gemacht worden waren, zunächst eine kleinere Menge 373 

Protokoll Nr. 30/66 der Vorstandssitzung vom 04. 10. 1966, in: BMW UA 411/1.

3.5. Vertriebspolitik

327

zur Fertigung an die neue Firma in Montevideo gesandt, um die Risiken zu minimieren sowie Qualität und Zusammenarbeit qua eines kleinen Kontin­ gents testen zu können; mittel- und langfristig betrachtet waren 400 Einhei­ ten allerdings zu gering, um für Profitabilität zu sorgen. Es sollten jährlich 1 000 Wagen der 02er Reihe abgesetzt werden, um die Rentabilität zu sichern,374 gleichwohl diese Zahl später nach unten korrigiert werden muss­ te. Neben Uruguay wurden weitere neue CKD-Standorte eröffnet, die wäh­ rend der zweiten Internationalisierungsphase ausschließlich durch die jeweils ortsansässigen Unternehmen betrieben wurden, also keine Direktinvestitio­ nen aus München banden. BMW wurde während der 1960er Jahre demnach kaum finanziell direkt tätig, ausgenommen hiervon waren einige Minder­ heitsbeteiligungen, die in dem sich anschließenden Abschnitt 3.5.2.3 disku­ tiert werden. Es kam überdies zu einigen wenigen Darlehen, die die Münch­ ner Zentrale vertraglich assoziierten Firmen bei monetären Schwierigkeiten für einen gewissen Zahlungszeitraum gewährte, daher also nicht als Direkt­ investition gelten können. Einzig das Werk in Südafrika bildete hier eine Ausnahme, das als extern betriebener CKD-Standort begonnen hatte, jedoch 1972 von BMW anteilig übernommen wurde. Ausschlaggebend waren hier die betriebswirtschaftlichen Probleme des Montagepartners einerseits sowie das hohe Marktpotential, das Südafrika als Automobilnation weiterhin ver­ sprach. Auch präsentierte es sich als idealer Standort, um die vor Ort mon­ tierten Fahrzeuge weiter nach Übersee zu verschiffen, beispielsweise nach Australien oder Asien. Hierauf sowie auf weitere Hintergründe wird detail­ liert in Kapitel 5 eingegangen. Um die Montagestandorte im Ausland zu beliefern, ohne die Kapazitäten in München zu überlasten, wurde mit der Übernahme der Hans Glas GmbH frühzeitig begonnen, in Dingolfing eine CKD-Abteilung aufzubauen.375 Für diese wurde mit dem Auslaufen der Typen Glas 1300 und Glas 1700 ab Ja­ nuar 1968 Platz geschaffen.376 Diese verantwortete vor allem die logistischen Abläufe des Versands der Teilesätze. Insbesondere für die Abwicklung mit dem südafrikanischen Importeur Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. bzw. dem mit ihm assoziierten Montagepartner Praetor Assemb­ lers (Pty) Ltd. kam dem neuen Werk in Dingolfing eine wichtige Rolle zu, da in Südafrika spezielle Wagen gefertigt wurden, die Hybridmolle aus BMW und Glas-Fahrzeugen waren und einzig in Südafrika vertrieben wurden. Hierauf wird ebenfalls genauer in Kapitel 5 eingegangen. Tabelle 38 führt alle Montageprojekte der BMW AG während der zweiten Internationalisierungsphase auf. Hierbei werden all diejenigen Kooperatio­ nen berücksichtigt, die entweder nach 1960 endeten oder vor 1971 begannen

374 

Vgl. Protokoll Nr. 38/66 der Vorstandssitzung vom 03. 12. 1966, in: ebd. Vgl. Protokoll Nr. 34/67 der Vorstandssitzung vom 24. 08. 1967, in: ebd. 376  Vgl. Protokoll Nr. 36/67 der Vorstandssitzung vom 05. 09. 1967, in: ebd. 375 

328

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

und somit in der zweiten Internationalisierungsphase ganz oder zumindest partiell durchgeführt wurden.377  378  Land

Zeitraum

Großbritannien 1957–1962 Belgien

1959–1973

Uruguay

1957–1962 1967–1991

Argentinien

1960–1962

Italien Israel Portugal

1961–1964 1961 1968–1981

Südafrika

1968–1972

Partner

Baumuster

Isetta of Great Britain Ltd. Ets. Moorkens SA

BMW Isetta

Miller, Medei­ ros Bastos SA Convex SA

BMW Isetta, BMW 700, BMW 1800, BMW 2000 BMW Isetta BMW 1600, BMW 1602, BMW 2002 BMW Isetta, BMW 700

Metalmecánica SACI k. A. BMW 700 Kaiser Ilin BMW 700 Russo & Irmao BMW 1600, BMW 1502, BMW 1602, BMW 2002 Euro-Republic BMW 1800 GL, BMW 2000 GL, BMW 1800 Automobile SA, BMW 2000 SA, Distributors (Pty) Ltd. bzw. BMW 2800 SA, BMW Praetor Assem­ 1804, BMW 2004 blers (Pty) Ltd.

Stückzahl378 9 000 57 000 mind. 240 4 500 7 000 ca. 10 000 4 ca. 15 000 ca. 9 000

Tabelle 38: CKD- und SKD-Montageprojekte der BMW AG während der zweiten Internationalisierungsphase.379

In den in Tabelle 38 aufgeführten Ländern war eine Montage lukrativer, als die Einfuhr von CBU-Einheiten. Dies war beispielsweise auch in Italien der 377 Auf die während der ersten Internationalisierungsphase initiierten Montagepro­ jekte wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, insofern sie für die zweite Inter­ nationalisierungsphase nicht von größerer Bedeutung waren. Für nähere Details hier­ zu vgl. Kapitel 2.5.3.1. 378 Die hier genannten Stückzahlen beziehen sich auf den gesamten Montagezeit­ raum, nicht nur auf die zweite Internationalisierungsphase. Eine solche Detaillierung ist auf der Grundlage der vorliegenden Quellen leider nicht zu leisten. 379  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Importeurverträge Großbritan­ nien, 1958–1977, in: BMW UA 1579/1; Pressemitteilung „BMW Montagewerk in Bel­ gien“ vom 21. 04. 1959, in: BMW UP 138/10; Protokoll Nr. 20/59 der Vorstandssitzung vom 15. 12. 1959, in: BMW UA 107/3; BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 03. 1961, in: BMW UA 731/2; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 02.  1962, in: BMW UA 731/2; Korrespondenz und Verträge zwischen der BMW AG und der Convex SA, Montevideo, 1966–1970, in: BMW UA 737/1; Besuchsberichte bei der Firma Convex SA, Montevideo, 1971–1972, in: BMW UA 1565/1; Protokoll der Auf­ sichtsratssitzung vom 08. 11. 1968, in: BMW UA 542/2; Revisionsbericht Nr. 6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwicklung“, 1972, in: BMW UR 6271/1.

3.5. Vertriebspolitik

329

Fall, wo der Markt für Kleinwagen für ausländische Hersteller besonders schwer zu erschließen war. Es zeigte sich, dass die SKD-Kalkulation für das italienische Absatzgebiet günstiger war als der Auslandspreis für die kom­ plette Limousine, wodurch der Verkauf in München der Montage zustimmte und bis Mitte der 1960er Jahre möglichst keine kompletten Einheiten nach Italien exportierte.380 Diese Entwicklung verdeutlicht zugleich, dass trotz der Bemühungen zum Abbau von Handelshemmnissen innerhalb der EWG solche Hürden noch immer während der 1960er Jahre fortbestanden. Auch in der EFTA, in der die Bundesrepublik kein Mitglied war, zeigte sich am Beispiel Portugal keine profitablere Lösung als die Einrichtung eines Monta­ gestandorts, der von einem Partner vor Ort betrieben wurde, wodurch das finanzielle Risiko für BMW minimiert wurde. Dem Montagewerk in Belgien kam eine besondere strategische Bedeutung zu, da hier nicht nur Einheiten gefertigt, sondern durch die günstige regiona­ le Lage, in unmittelbarer Hafennähe, ohne hohen Logistik- und Kostenauf­ wand in weitere Länder exportiert werden konnten. Belgien bot, durch die exponierte Küstenlage sowie eine gut ausgeprägte Struktur zahlreicher spe­ zialisierter Betriebe der Fahrzeug- und Logistikindustrie, große Anreize für ausländische Automobilunternehmen, dort Einheiten zu montieren und wei­ ter exportieren zu lassen; teilweise auch als Reimport in die Bundesrepublik Deutschland.381 1965 belegte Belgien bereits Rang vier unter den Abnehmer­ ländern der deutschen Automobilindustrie. Neben 112 663 PKW-Komplett­ einheiten wurden Teilesätze für weitere 174.156 Kraftwagen eingeführt, die dort unter deutschem Firmenzeichen hergestellt wurden.382 Diese Zahlen verdeutlichen die hohe Bedeutung, die Belgien während der 1950er und 1960er Jahre als Montagestandort, vor allem auch für die deutsche Fahrzeug­ branche, hatte. Neben BMW verfügten auch Daimler-Benz und Volkswagen in Belgien über entsprechende Montagestandorte.383 Bereits seit 1959 waren in dem Werk des belgischen Partners Moorkens Wagen mit dem blau-weißen Markenzeichen montiert und von Antwerpen direkt weiter verschifft worden, wie in Kapitel 2.5.3.1 über die 1950er Jahre erörtert wurde. Mit dem Wegfall der Montage des BMW 700, was dem Aus­ laufen dieses Modells geschuldet war, geriet Moorkens Mitte der 1960er Jah­ re in finanzielle Schwierigkeiten, da das Werk nun nicht länger ausgelastet war. Um seinem bis dato verlässlich arbeitenden Partner in Belgien unter die Arme zu greifen und das Geschäft auf dem wichtigen belgischen Markt nicht 380 Vgl. Protokoll Nr. 20/63 der Vorstandssitzung vom 13. 11. 1963, in: BMW UA 431/1. 381  Vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1965/1966, Frankfurt/M. 1966, S. 20. 382  Vgl. ebd., S. 16. 383 Vgl. [o.  V.] (1955): 45000 bei Daimler-Benz, in DIE ZEIT, Jg. 10, Nr. 50 vom 15. 12. 1955; [o. V.] (1969): Zeit der Giganten, in: Der SPIEGEL, Jg. 23, Nr. 12 vom 17. 03. 1969, S. 70–77; Lupa, Volkswagen Chronik, S. 32, 88; Grunow-Osswald, Inter­ nationalisierung Daimler-Benz, S. 258f.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

zu gefährden, beschloss der BMW-Vorstand 1965 kurzfristig, künftig seine Rechtslenker in dem belgischen Montagewerk in Kontich bei Antwerpen fertigen zu lassen.384 Der Montagevertrag für die Rechtslenkermodelle wur­ de allerdings auf das Folgejahr 1966 begrenzt und sah die Montage von ­insgesamt 2 300 Mittelwagen vor, hierunter 271 Linkslenker, der restliche Teil Rechtslenker. Diese Fahrzeuge wurden unmittelbar vom Hafen Antwerpen in Länder mit Linksverkehr versandt. Unberührt von dieser Regelung blieb die Mittelwagenmontage von Moorkens für den eigenen Bedarf des Marktes Belgien.385 Diese zeitlich befristete Unterstützung des belgischen Vertriebs­ partners, der seine finanziell missliche Lage mit der oben geschilderten Hilfe aus München überwinden konnte, endete wie geplant zum Jahresende 1966. Der Vorstand befürwortete das Auslaufen der Rechtslenkerfertigung im Montagewerk Kontich, da sich im Laufe des Jahres gezeigt hatte, dass es aus Qualitätsgründen besser war, diese im Werk München zu fertigen.386 Ferner deckte ein Revisionsbericht von 1972 auf, dass es in dem Bereich der CKD-/ SKD-Montage zu einigen Unstimmigkeiten gekommen war. So bestand bei­ spielsweise mit dem belgischen Montagepartner kein schriftliches Vertrags­ verhältnis, sondern die Fertigung wurde auf Grundlage mündlicher Abspra­ chen durchgeführt. Lediglich für das Jahr 1966 existierte ein Vertrag über die in diesem Abschnitt genannte zusätzliche Lohn-Auftrags-Montage für 2 300 Rechtslenkermodelle. Die finanzielle Abwicklung erfolgte ordnungsgemäß, jedoch versäumte die Verkaufsabteilung, dem belgischen Importeur Diskont­ zinsen über sieben Wechsel in Rechnung zu stellen, wodurch ein Schaden über rund 50 000 DM entstand.387 Die Aufstellung in Tabelle 38 zeigt, dass sich die Montage sowohl auf Eu­ ropa als auch auf Märkte in Übersee erstreckte. Ausländische Firmen kamen auch aktiv auf den BMW-Vorstand zu, um sich für eine Montage in ihrem Heimatmarkt zu bewerben, so beispielsweise in den USA oder auf den ­Philippinen. Auf den Philippen war jedoch der in Aussicht gestellte jährliche Absatz von maximal 400 Fahrzeugen zu gering, um die Initiierung eines sol­ chen Montageprojektes rentabel erscheinen zu lassen. Des Weiteren hatte sich die potentielle Montagefirma bei früheren Kontaktaufnahmen als wenig verlässlich präsentiert.388 Ebenfalls abgelehnt wurde die Übernahme einer Montagefabrik in Ontario, Kanada, sowie ein späteres Angebot der F ­ ertigung 384 Vgl. Protokoll Nr. 23/65 der Vorstandssitzung vom 29. 09. 1965, in: BMW UA 409/1. 385  Vgl. Protokoll Nr. 26/65 der Vorstandssitzung vom 19. 10. 1965, in: ebd; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 02. 1966, in: BMW UA 527/2. 386  Vgl. Anlage 5 zum Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1966, in: BMW UA 527/2. 387 Vgl. Revisionsbericht Nr. 6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwick­ lung“, 1972, in: BMW UR 6271/1. 388 Vgl. Protokoll Nr. 8/65 der Vorstandssitzung vom 07. 04. 1965, in: BMW UA 409/1; Protokoll Nr. 10/65 der Vorstandssitzung vom 25. 05. 1965, in: ebd.

3.5. Vertriebspolitik

331

in Manitoba, Kanada.389 Weitere Angebote kamen beispielsweise aus Mexiko und Argentinien.390 In einigen Fällen sprach sich der Vorstand gegen ein En­ gagement in einem Land aus, wenn die permanente Einflussnahme des Staa­ tes durch politische Regulierungen zu groß und somit riskant erschien, so etwa nach Meinung der Verkaufsleitung auch in Mexiko.391 Neben den aus­ ländischen Montageprojekten wurde vom Vorstand ferner erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ernsthaft eine Komponentenfertigung im Ausland in Form des Aufbaus einer Getriebefertigung in Italien durch den Kauf der ­Firma Daldi & Matteucci, Bologna/Mailand, diskutiert, die von dem Tech­ nik- und Produktionsvorstand Gieschen im März 1968 zur Bewertung dieser Abwägung besichtigt wurde. Obgleich die Gebäude und Einrichtungen den modernen Anforderungen entsprachen, hätten im Zuge der Umrüstung in eine Getriebefabrik 85 Prozent der Maschinenausstattung völlig erneuert werden müssen, was neben dem Kaufpreis von 15 Mio. DM eine zusätzliche Investition von 25 Mio. DM bedeutet hätte. Ein derartiges finanzielles Enga­ gement hätte also beträchtliche Kapitalmittel im Ausland gebunden und den Aufbau einer zusätzlichen personellen Expertise vor Ort bedeutet. Stattdes­ sen entschied sich der BMW-Vorstand für die Verlagerung der Achsenferti­ gung nach Dingolfing, was Kapazitäten im Werk München freigab und die weitere Produktion im BMW-Werksverbund ausschließliche in Deutschland gestattete.392 In die südamerikanischen Länder Argentinien und Uruguay wurden die Fahrzeuge fast vollständig montiert eingeführt, da dort von den Regierungen keine hohe Fertigungstiefe verlangt wurde. Lediglich Einzelteile, wie etwa die Rückbank, produzierte man vor Ort, wodurch dem Verbot der Einfuhr von Kompletteinheiten entsprochen wurde, ohne zugleich tatsächlich in grö­ ßerem Umfang Teile im Zielland produzieren zu müssen. Die Teilesätze wur­ den über die Hamburger Exportfirma Wilhelm Krawehl Export nach Latein­ amerika ausgeführt,393 das bedeutete die Teilelieferung erfolgte an das Ham­ burger Unternehmen, welches somit auch für die Regulierung der Zahlungen verantwortlich war.394 Im Jahre 1965 bestärkte die Geschäftsleitung abermals die Zielsetzung, die Zusammenarbeit mit ausländischen Gesellschaften, zum Zwecke der Errichtung weiterer Montagezentren, zu verstärken. In diesem 389 Vgl.

Protokoll Nr. 1/68 der Vorstandssitzung vom 10. 01. 1968, in: BMW UA 412/1; Protokoll Nr. 1/70 der Vorstandssitzung vom 13. 01. 1970, in: BMW UA 800/1. 390 Vgl. Protokoll Nr. 7/69 der Vorstandssitzung vom 27. 02. 1969, in: BMW UA 412/1. 391  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 03. 1969, in: BMW UA 548/2. 392 Vgl. Protokoll Nr. 8/68 der Vorstandssitzung vom 19. 03. 1968, in: BMW UA 412/1. 393 Vgl. Korrespondenz zwischen der BMW AG und der Firma Wilhelm Krawehl Export, 1971–1972, in: BMW UA 1565/1; Importeur- und Kundennummernverzeich­ nisse der BMW-Exportabteilung (VE), 1976–1977, in: BMW UA 1985/1. 394 Vgl. Revisionsbericht Nr. 6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwick­ lung“, 1972, in: BMW UR 6271/1.

332

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Kontext intensivierte Hahnemann die Bemühungen in Südamerika und Spa­ nien.395 In Spanien waren den deutschen Kraftfahrzeug-Importeuren noch Anfang der 1960er Jahre reguläre Einfuhrlizenzen von der Regierung verwei­ gert worden.396 Die spanische Regierung nahm besonders starken Einfluss auf die Automobilindustrie, selbst die Preisgestaltung wurde durch die Be­ hörden bis 1966 festgelegt.397 Erneut wurde eine Montagefertigung in Nordamerika diskutiert, als im Februar 1969 American Motors Corporation (AMC) eine Nachbaulizenz für den BMW 1600 sowie den BMW 2002 in den USA anfragte, was durch den Vorstand in München genauestens geprüft wurde.398 Noch immer war der US-Automobilmarkt einer der attraktivsten und vielversprechendsten Ab­ satzregionen weltweit, und die Münchner Geschäftsleitung erhoffte sich eine Steigerung des Marktanteils sowie der Absatzmargen durch die Eröffnung einer Montage in Übersee. Hahnemann reiste hierfür eigens vom 10. bis 15. Mai 1969 in die USA, um Gespräche mit AMC zu führen und sowohl Machbarkeit als auch Qualitätsstandards vor Ort zu prüfen. Bei seiner Rück­ kehr berichtete er seinen Vorstandskollegen wie folgt: „Der Besuch bei AMC hat ergeben, daß dieses Unternehmen nur die Motoren selbst baut. Alle übrigen Teile werden von Dritten geliefert. AMC ist damit praktisch ein großes Montage-Unternehmen mit geringer Fertigungstiefe. Ein Nachbau unserer Fahrzeuge in den vorhandenen AMC-Werksanlagen kommt damit nicht in Betracht. Die gemeinsame Gründung einer völlig neuen Fabrik ist wegen des gewerkschaft­ lichen Einflusses auf die Arbeitskräftebeschaffung sehr problematisch. AMC ist auch der Meinung, daß die BMW-Qualität in USA nicht gefertigt werden kann. Man hat einen BMW 2002 getestet und unumwunden zugegeben, daß ein derartiger Qualitäts­ stand von keiner US-Automobilfabrik erreicht werden kann.“399

395 Vgl.

Protokoll Nr. 14/65 der Vorstandssitzung vom 29. 06. 1965, in: BMW UA 409/1. Die in Bilbao ansässige Firma Mungia, die aufgrund der mangelhaft laufenden Lizenzfertigung des Goggomobils von Glas in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, bewarb sich um die Lizenz zur Montagefertigung des BMW 700 in Spanien. Der BMW-Vorstand lehnte dies ab, da gegen dieses Spanien-Projekt die technischen und wirtschaftlichen Probleme der Firma sprachen: Die vorhandenen Maschinen hätten nicht ausgereicht, um den BMW 700 in Mungia zu fertigen, es hätten also erhebliche Investitionen getätigt werden müssen, um die Montage durch diese spanische Firma realisieren zu können. Darüber hinaus lief im Werk München die Fertigung des BMW 700 im September 1965 aus, um für die neuen Baumuster Kapazitäten zu schaffen, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15. 09. 1965, in: BMW UA 732/2. 396  Vgl. VDA (Hg.): Tätigkeitsbericht 1961/1962, Frankfurt/M. 1962, S. 8. 397  Für weiterführende Details zur staatlichen Industriepolitik und ihre Auswirkun­ gen auf die Automobilbranche in Spanien, vgl. Catalan, Jordi / Fernández-de-Sevilla, Tomàs: Die staatliche Industriepolitik und die Entwicklung der Automobilindustrie in Spanien 1948–1985, in: Tilly, Stephanie / Triebel, Florian (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013, S. 255– 284. 398 Vgl. Protokoll Nr. 7/69 der Vorstandssitzung vom 27. 02. 1969, in: BMW UA 412/1. 399  Protokoll Nr. 16/69 der Vorstandssitzung vom 20. 05. 1969, in: ebd.

3.5. Vertriebspolitik

333

AMC hatte Hahnemann ambitionierte Pläne präsentiert, in denen sie nicht nur den Vertrieb der in den USA montierten Fahrzeuge im gesamten nordund südamerikanischen Raum anvisierten, sondern darüber hinaus auch in Kanada und Australien.400 Dies wäre ein Novum im Überseegeschäft für die BMW AG gewesen, da bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche Wagen ausschließ­ lich in München – später auch Dingolfing – sowie in dem durch den Han­ delspartner Moorkens betriebenen belgischen Montagewerk gefertigt und für den Export vorbereitet wurden; andere internationale Ausfuhrstandorte von montierten BMW-Einheiten gab es bis dato noch nicht. Die Kooperation mit AMC hätte einen umfangreichen Export über den potentiellen US-amerika­ nischen Montage- und Vertriebspartner in mehrere Absatzregionen weltweit bedeutet. Der Vorstand und Aufsichtsrat besprachen zwar diese Möglichkei­ ten, legten die Diskussionen jedoch rasch nach dem Besuch von Hahnemann in den USA ad acta. Jedes potentielle Projekt der Expansion und Montage wurde genau geprüft und die finanziellen Risiken abgeschätzt, um die mone­ täre Konsolidierung des vor wenigen Jahren nur knapp dem Verlust der Ei­ genständigkeit entgangenen Unternehmens nicht zu gefährden. Des Weiteren wäre AMC zu einem mächtigen Partner geworden, von dessen Wohl und Wehe sich die Münchner Zentrale in eine gewisse Abhängigkeit begeben hät­ te. Neben den Qualitätsbedenken sprach somit auch die äußerst zentralisier­ te Ausrichtung des Münchner Unternehmens gegen den Aufbau eines solch mächtigen Agenten. Neben der Komplettmontage von BMW-Wagen erreichten den Vorstand auch Anfragen ausländischer Firmen, die auf Grundlage eines BMW-Modells ein neues Fahrzeug montieren wollten: mit der Karosserie und dem Fahr­ werk aus München, jedoch mit einem anderen Motor. Ein solcher Hybrid hätte also keinen „echten BMW“ dargestellt und musste kritisch bewertet werden, da insbesondere der Motor das Herzstück bildet und bereits im Fir­ mennamen der BMW AG – Bayerische Motoren Werke – deutlich gemacht wurde, dass es sich hier um eine Kernkompetenz des Unternehmens handel­ te. Derartige Vorschläge wurden zwar im Führungsgremium aufgrund der finanziellen Anreize diskutiert, allerdings prinzipiell skeptisch beurteilt, da hierunter das Image der Marke zu leiden drohte. Ferner sollten die Interes­ sen der Importeure in den jeweiligen Märkten gewahrt bleiben, die für den Vertrieb von Komplettfahrzeugen der Marke BMW vor Ort Verantwortung zeichneten.401 Darüber hinaus waren die finanziellen Anreize gegenüber den Qualitätsbedenken und dem potentiellen Imageschaden für derartige Koope­ rationen zu gering.402 400 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 05. 1969, in: BMW UA 548/2. derartiges Montageangebot erhielt der BMW-Vorstand beispielsweise aus Finnland, vgl. Protokoll Nr. 14/65 der Vorstandssitzung vom 29. 06. 1965, in: BMW UA 409/1. 402  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15. 09. 1965, in: BMW UA 732/2. 401 Ein

334

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Während die Handelsschranken innerhalb der Europäischen Wirtschafts­ gemeinschaft im Zuge der zweiten Internationalisierungsphase nach und nach abgebaut wurden und somit den Außenhandel deutscher Fahrzeuge in die EWG begünstigte, sank der Handel mit den EFTA-Mitgliedsstaaten zu­ nehmend (vgl. Kapitel 3.1, Abbildung 14). Um dieser Entwicklung entge­ genzuwirken, diskutierte der BMW-Vorstand seit Ende der 1960er Jahre auf Anregung des Großaktionärs Quandt die Errichtung eines Montagewerks innerhalb der EFTA, die in Kooperation mit Steyr-Daimler-Puch in Öster­ reich angedacht wurde.403 Hieraufhin hatten insbesondere die Vorstandsbe­ reiche Vertrieb (V) sowie Produktion und Technik (T) diese Frage geprüft. Letztlich entschied sich die Geschäftsleitung jedoch gegen ein solches Pro­ jekt, da zum einen keine weiteren Produktionskapazitäten benötigt wurden und zum andern die Kosten die möglichen Gewinne in der EFTA nicht auf­ wogen.404 Während der Export der bundesdeutschen Wirtschaft und auch von BMW immer internationaler wurde, gestaltete sich das Verhältnis zu den Ostblock­ staaten durch die politische Lage als allgemeinhin schwierig. Die osteuropäi­ schen Länder stellten prinzipiell eine interessante Absatzregion für die west­ deutsche Automobilindustrie dar, allerdings wurde der Handel durch Regie­ rungsauflagen stark eingeschränkt; ein solcher kam in der Regel nur durch sogenannte Gegen- bzw. Kompensationsgeschäfte zustande.405 Durch diese Auflagen kamen ausschließlich CKD-Vereinbarungen in Frage.406 Ausnahme hiervon waren Beziehungen zu Importeuren in Jugoslawien und Polen, die seit mindestens 1952 bzw. 1957 als Motorrad- und Wagenimporteur unter Vertrag standen und Kompletteinheiten in vergleichsweise geringen Stück­ 403 Vgl. Protokoll Nr. 16/69 der Vorstandssitzung vom 20. 05. 1969, in: BMW UA 412/1. 404 Vgl. Protokoll Nr. 6/70 der Vorstandssitzung vom 17. 02. 1970, in: BMW UA 800/1. 405  Diese wirtschaftspolitischen Bestimmungen konnten komplexe bis groteske Züge annehmen: Im Winter 1965 informierte der deutschstämmige BMW-Generalimpor­ teur in Griechenland die BMW-Geschäftsleitung, dass er seinen Wohnsitz zurück nach Deutschland verlegen und fortan das Tabakgeschäft mit den Ostblockstaaten in­ tensivieren wolle. Hier beabsichtigte er Gegengeschäfte mit BMW-Erzeugnissen zu nutzen, die er im Tausch anbieten könne. Er wollte also das Ostblockgeschäft für BMW aufbauen und bat um Genehmigung eines solchen Kompensationsgeschäfts, vgl. Protokoll Nr. 33/65 der Vorstandssitzung vom 15. 12. 1965, in: BMW UA 409/1. Ein weiteres Beispiel für Kompensationsgeschäfte bietet der VDA in seinem Jahres­ bericht 1961/1962: „In dem Bestreben, dem kolumbianischen Kaffee neue Märkte zu erschließen, wurden aus den Ostblockländern sowie aus Japan und Israel u. a. auch Kraftfahrzeuge auf dem Kompensationsweg importiert. Traditionelle Kaffee-Abneh­ merländer, wie die USA und Deutschland, hatten daraufhin das Nachsehen und er­ hielten keine Einfuhrlizenzen für Kraftfahrzeuge mehr.“, vgl. VDA (Hg.): Tätigkeits­ bericht 1961/1962, S. 7. 406 Vgl. Protokoll Nr. 30/66 der Vorstandssitzung vom 04. 10. 1966, in: BMW UA 411/1.

3.5. Vertriebspolitik

335

zahlen einführten.407 Weitere reine Importeursverträge ohne Montagbeauf­ tragung folgten Ende der 1960er Jahre in Bulgarien und Ungarn.408 Im Jahre 1965 wurden insgesamt allerdings lediglich 22, 1966 nur 37 Wageneinheiten in sechs verschiedene Länder Osteuropas exportiert, was den begrenzten Umfang des Absatzes in dieser Region widerspiegelt.409 Trotz dieser ungüns­ tigen wirtschaftspolitischen Ausgangslage behielt die BMW-Verkaufsleitung die Ostblockstaaten im Blick und ließ die jeweilige Marktlage durch ihre Marktforschungsabteilung während der 1960er Jahre beobachten.410 Ferner wurde im Herbst 1965 ein gesonderter Sachbearbeiter im Verkaufsressort eingesetzt, der für den Aufbau weiterer Beziehungen zu den Ostblocklän­ dern verantwortlich war.411 Diese „Sonderstelle Ost“ war im Bereich der Ex­ portabteilung eingerichtet und sollte bei jedweder Interaktion federführend agieren. Zugleich musste aber nach Bestimmung des Vorstands jegliche Kor­ respondenz mit potentiellen Handelspartnern aus Osteuropa stets die Unter­ schrift eines Vorstandsmitgliedes tragen.412 Verhandlungen oder Geschäfts­ beziehungen mit Ostdeutschland bestanden seitens der BMW AG während des Untersuchungszeitraums nicht. Die osteuropäischen Märkte waren nicht nur für das Neuwagengeschäft attraktiv, sondern auch für den Weiterverkauf von deutschen Gebraucht­ wagen. Das Vertriebsressort diskutierte die Frage, inwiefern dieser durch deutsche Händler abgewickelt werden konnte.413 Des Weiteren wurden die Ostblockländer regelmäßig bereist, um mögliche Montageprojekte zu eru­ ieren;414 sämtliche Versuche in diese Richtung blieben jedoch während der zweiten Internationalisierungsphase ohne Resultat.415 Drei nennenswerte Fälle sollen dennoch hier angeführt werden, die jeweils kurz vor einem Ab­ schluss standen: Die bulgarische Firma Balkancar trat 1965 an die Münchner Geschäftsleitung heran und bekundete ihr Interesse, eine Montage von 407  Vgl.

Korrespondenz zwischen der BMW AG, München, und dem polnischen Im­ porteur Moto Import, Warschau, 1957; BMW Verzeichnis der Automobil-Händler, 06. 1956, in: BMW UU 3105/10; BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10. 408  Vgl. Reise- und Länderberichte, 1967–1972, in: BMW UA 1793/1. 409  1966 wurden nach Bulgarien fünf, Jugoslawien sechs, Polen 15, Rumänen zwei, Tschechoslowakei eine und nach Ungarn acht Einheiten exportiert, vgl. Abnahme der Importeure, 1965–1966, in: BMW UA 1486/1; BMW-Exportzahlen aller Fertigungs­ gruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1. 410  Vgl. Marktforschungsbericht Nr. 15 „Wichtigste deutsche PKW-Lieferungen 1967 in die Ostblockländer einschließlich Jugoslawien“, 1968, in: BMW UA 1471/2. 411 Vgl. Protokoll Nr. 24/65 der Vorstandssitzung vom 05. 10. 1965, in: BMW UA 409/1. 412  Vgl. Protokoll Nr. 32/65 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1965, in: ebd. 413  Vgl. Aktennotiz „Export gebrauchter Fahrzeuge nach Osteuropa“ von VI an VA vom 23. 11. 1966, in: BMW UA 1521/1. 414  Vgl. Reise- und Länderberichte, 14. 01. 1970–31. 12. 1971, in: BMW UA 1595/1. 415 Vgl. Protokoll Nr. 30/66 der Vorstandssitzung vom 04. 10. 1966, in: BMW UA 411/1.

336

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

BMW-Einbaumotoren in Bulgarien aufzubauen. Diese Anfrage prüfte der Vorstand sorgsam, versprach sie doch den Zugang zu Bulgarien und viel­ leicht auch weiteren Ostblockländern. Dennoch stand der Vorstand der Ver­ gabe von Nachbaulizenzen für BMW- Motoren prinzipiell kritisch gegen­ über und verneinte letztlich die Kooperation nach längeren unternehmensin­ ternen Diskussionen.416 Auch wurden Gespräche über eine Montagefertigung in Jugoslawien geführt, die jedoch aus ähnlichen Gründen ebenfalls abge­ lehnt wurde.417 Die BMW-Geschäftsleitung kritisierte darüber hinaus auch die mangelnde Unterstützung der Bundesregierung bei dem Aufbau von Handelsbeziehungen mit Ländern in Osteuropa. So führte Wilcke, Vor­ standsvorsitzende der BMW AG, auf der Hauptversammlung des Geschäfts­ jahres 1966 wie folgt aus: „Es ist bekannt, dass sich die Motorisierungstendenzen in den Ostblockländern ver­ stärken. Auch wir versuchen dort Fuß zu fassen und haben Anfangserfolge, z. B. in Jugoslawien und Ungarn, erzielt. Mit anderen Staaten des Ostblocks verhandeln wir. Soweit es sich dabei um Lizenznachbau handelt, der für uns angesichts unserer relativ geringen Größe stets problematisch ist, besteht der Eindruck, dass unsere Italien- und Frankreich-Konkurrenten massive staatliche Unterstützung ihrer eigenen Länder für Verhandlungen mit Ostblockländern genießen. In der Bundesrepublik fehlt eine nur annähernd vergleichbare staatliche Unterstützung für die mit Nachbauprojekten stets verbundene langfristige Finanzierung. Ich muss darauf hinweisen, dass die deutsche Automobilindustrie gegenüber anderen europäischen Herstellern Gefahr läuft, im Osten ins Hintertreffen zu geraten, wenn nicht auch bei uns die notwendigen langfris­ tigen Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden.“418

BMW fühlte sich also gegenüber der europäischen Konkurrenz und auf­ grund der bundesdeutschen historischen und politischen Verflechtungen im Hinblick auf das Ostblockgeschäft benachteiligt bzw. ungenügend von der Regierung unterstützt. In diesem Sinne entwickelte sich das Ostblockge­ schäft während der zweiten Internationalisierungsphase nachteilig. 1968 ging der Export deutscher Automobilerzeugnisse in die Ostblockstaaten sogar um 9,0 Prozent zurück.419 Andere Automobilnationen konnten hingegen ih­ ren Absatz fördern, wie etwa Ende der 1960er Jahre die Wiederbelebung der Lizenzfertigung aus den 1930er Jahren des Polski-Fiats in Polen zeigte.420 Zum Ende der zweiten Internationalisierungsphase hatte sich die wirtschafts­ 416 Vgl. Protokoll Nr. 14/65 der Vorstandssitzung vom 29. 06. 1965, in: BMW UA 409/1; Protokoll Nr. 24/65 der Vorstandssitzung vom 05. 10. 1965, in: ebd. 417 Vgl. Protokoll Nr. 25/70 der Vorstandssitzung vom 15. 09. 1970, in: BMW UA 800/1. 418 Redemanuskript des BMW-Vorstandsvorsitzenden Wilcke zur Hauptversamm­ lung des Geschäftsjahres 1966, 10. 08. 1967, in: BMW UA 578/1. 419  Vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1968/69, S. 47. 420  Vgl. Warren, K. (1978): The Establishment of the Modern Automobile Industry in Poland, in: Geography, Vol. 63, No. 4, pp. 362–363, hier p. 362. Für eine zeitgenössi­ sche Darstellung, vgl. Schmarsoch, Hubert (1939): Der polnische Kraftfahrzeugmarkt unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Absatzmöglichkeiten, in: Weltwirt­ schaftliches Archiv, Bd. 49, S. 137–165.

337

3.5. Vertriebspolitik

politische Ausgangslage für den Handel oder gar eine Montagefertigung in Osteuropa für die deutsche Automobilindustrie, aus Sicht der BMW AG, weiter verschlechtert. So berichtete der damalige Exportleiter Baranek 1970: „Auch im Ostblock sind wir jetzt so teuer, dass wir aller Voraussicht nach unser ganzes Ostblockgeschäft revidieren müssen.“421 Am weitesten reichten in diesem Zeitraum die Sondierungsgespräche mit der UdSSR über eine Motor­ radmontage in der Sowjetunion, die im Sommer 1969 aufgenommen wurden. Erste Gespräche ließen verlautbaren, dass man in der UdSSR 50 000 BMWMotorräder fertigen wolle.422 Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis sich die Verhandlungen weiter konkretisierten und 1973 ihren Höhepunkt in der Planung einer Motorradfabrik in der UdSSR fanden, die jedoch nie realisiert wurde.423 Auf dieses Projekt wird in Kapitel 4.5.2 im Rahmen der dritten Internationalisierungsphase näher eingegangen. Tabelle 39 listet die tatsächlich abgesetzten Montageeinheiten zum Ende der zweiten Internationalisierungsphase einschließlich des hierdurch erwirt­ schafteten Umsatzes auf. Das Jahr 1971 wurde in dieser Darstellung mit auf­ genommen, auch wenn es bereits zur dritten Phase zählt, da es einen Blick auf die sich anschließende Entwicklung der Montagefertigung der frühen 1970er Jahre bietet, die gemessen an den montierten Stückzahlen im Gesamt­ volumen eine leichte Abwärtstendenz zeigte. 1968 TDM Belgien Portugal Uruguay Südafrika Gesamt

26 381 1 258 – 14 439 42 078

Ein­ heiten

1969 TDM

4 752 29 475 248 4 538 – 771 2 430 10 298 7 430 45 082

Ein­ heiten

1970 TDM

Ein­ heiten

1971 TDM

5 225 30 034 5 434 25 827 864 5 726 1 066 9 354 270 1 936 110 2 040 1 920 21 312 3 242 20 222 8 119 59 112 10 012 57 339

Ein­ heiten 4 565 1 582 220 2 314 8 681

Tabelle 39: CKD-/SKD-Umsätze der BMW AG in TDM und Einheiten, 1968–1971.424

Die Zahlen veranschaulichen, dass während der 1960er Jahre die Umsätze und abgesetzten Teilesätze stetig gesteigert werden konnten. Insbesondere die Bedeutung des belgischen Marktes tritt hierdurch deutlich zutage, der inner­ halb der Montagefertigung den größten Anteil beisteuerte. Auch das Südafrika­ geschäft konnte weiter ausgebaut und durch das zunehmende BMW-Engage­ ment am Kap lukrativer gestaltet werden (vgl. Kapitel 5). Die Hauptumsatz421  Aktennotiz von Exportleitung Dr. Baranek (VEL) vom 03. 02. 1970 „Monatsbe­ richt Januar 1970“, in: BMW UA 1609/1. 422 Vgl. Protokoll Nr. 30/69 der Vorstandssitzung vom 23. 09. 1969, in: BMW UA 412/1. 423  Vgl. Planungen einer Motorradfabrik in der UdSSR, 1973, in: BMW UA 1339/1. 424 Vgl. Revisionsbericht Nr. 6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwick­ lung“, 1972, in: BMW UR 6271/1.

338

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

10000 Umsatz pro Fahrzeug in DM

9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1968 Belgien Südafrika

1969 Portugal Gesamt

1970 Uruguay

1971

Abbildung 26: Umsatzentwicklung pro Fahrzeug in der Auslandsmontage der BMW AG (Angaben in DM), 1968–1971.425

träger innerhalb des Montagegeschäfts waren die Exporte nach Belgien und Südafrika mit 45 und 35 Prozent (1971) des Gesamtumsatzes an CKD-/SKDLieferungen. Ferner belegen sie, dass das Montagegeschäft keinem unge­ bremsten Wachstum folgte, sondern mit Beginn der dritten Internationalisie­ rungsphase neu ausgerichtet wurde, worauf in Kapitel 4.5.2 eingegangen wird. Zugleich zeichnete sich bereits 1971 eine höhere Effizienz im Auslandsge­ schäft ab, nachdem der erwirtschaftete Umsatz pro Montageeinheit zwischen 1968 und 1971 um knapp 1 000 DM pro Fahrzeug auf 6 600 DM gesteigert werden konnte. In Abbildung 26 ist die Entwicklung des Umsatzes pro Fahr­ zeug zwischen 1968 und 1971 an den verschiedenen Montage­standorten dar­ gestellt. Diese bestätigt, dass sich das Montagegeschäft in diesem Zeitraum positiv entwickelte, mit Ausnahme des Jahres 1969, in der die Einbußen auf dem südafrikanischen Markt das Gesamtvolumen negativ beeinflusste. Ende der zweiten Internationalisierungsphase war der Umsatz pro Fahr­ zeug in Südafrika und Uruguay am höchsten und überstieg den der anderen Standorte deutlich. Da in Lateinamerika nur geringe Stückzahlen abgesetzt wurden, musste der Umsatz pro Einheit jedoch auch signifikant höher sein, um die Rentabilität zu gewährleisten. Den Skaleneffekten in der Produktions­ theorie entsprechend gilt, je höher das abgesetzte Stückzahlenkontingent, desto geringer darf der erzielte Preis pro Fahrzeug sein. Derselbe Effekt be­ wirkte, dass mit dem überproportional ansteigenden Fahrzeugumsatz in 425 Eigene

Berechnungen, vgl. Revisionsbericht Nr.  6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwicklung“, 1972, in: BMW UR 6271/1.

3.5. Vertriebspolitik

339

Südafrika aufgrund des höheren Absatzes auch die Profitabilität deutlich an­ stieg. Diskussionen, die Fertigung im Ausland zu internalisieren, existierten in den 1960er Jahren kaum. Die BMW-Geschäftsleitung suchte das unterneh­ merische Risiko weitestgehend zu minimieren, indem es sich an den Mon­ tagestandorten nicht beteiligte, sondern das finanzielle Engagement bei dem Montagepartner beließ. Internalisierungseffekte konnten nur dann erreicht werden, wenn die Anteile an dem jeweiligen Markt so zunahmen, dass eine Stückkostendegression erzielt werden konnte, was bis in die 1970er Jahre nicht der Fall war. 3.5.2.3.  Die ersten Minderheitsbeteiligungen im Ausland Die Handelsstruktur der BMW AG zeichnete sich in der zweiten Internatio­ nalisierungsphase durch ein dichter werdendes Netzwerk an Importeuren und von ihnen belieferten Händlerbetrieben aus. Eigene Direktinvestitionen wurden in der Regel nicht vorgenommen, was vor allem auf zweierlei Gründe zurückzuführen war: Zum einen stand die Geschäftsleitung einem verbindli­ chen, langfristigen finanziellen Engagement im Ausland skeptisch gegenüber, war das Unternehmen Ende der 1950er Jahre doch nur knapp dem Verlust der Eigenständigkeit aufgrund der prekären monetären Schieflage entgangen. „Auslandsniederlassungen planen wir im Augenblick ebenfalls nicht. Wir haben uns in denjenigen Fällen, wo unsere Importeure die Buchstaben ‚BMW‘ in ihrer Firma verwenden, Optionsrechte auf den Erwerb einer Beteiligung von 30% einräumen las­ sen. Die Exportorganisation wird durch die Errichtung großräumiger Importeurzent­ ren verstärkt. Die nächsten derartigen Vorhaben sind New Jersey Ende 1969 und Nymwegen Frühjahr 1970.“426

Hinsichtlich der Skepsis gegenüber Auslandsdirektinvestitionen nach dem Zweiten Weltkrieg war BMW keine Ausnahme, auch bei Daimler-Benz stand die Verkaufsleitung firmeneigenen Auslandsgesellschaften aufgrund prinzi­ pieller Überlegungen unter Arnold Wychodil, Leiter des Auslandsverkaufs, zunächst kritisch gegenüber. Beim Stuttgarter Automobilproduzenten wur­ den eingangs in der Nachkriegszeit ebenfalls nur einige wenige Investitionen im Ausland getätigt, wie beispielsweise in der Schweiz, um den dortigen Ver­ treter finanziell zu unterstützen.427 Auch VW zeigte sich gegenüber einem finanziellen Engagement im Ausland in den ersten Jahren skeptisch, insbe­ sondere im Produktionsbereich.428 Während jedoch Daimler-Benz und VW diese anfängliche Skepsis bereits in der ersten Hälfte der 1950er Jahre abge­ legt hatte, hielt die Münchner Geschäftsleitung auch in den 1960er Jahren an der defensiven Investitionspolitik im Ausland fest.429 Zum anderen gründete 426 

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 18. 12. 1968, in: BMW UA 542/2. Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 227f. 428  Vgl. Wellhöner, Der Fall Volkswagen, S. 211. 429  Nicht zuletzt dürfte auch der Versuch der ersten eigenen Auslandsvertriebsgesell­ schaft in Kanada zu einer gewissen Verunsicherung geführt haben. Die Gründung der BMW Canada Ltd. wurde vom BMW-Management rückwirkend als Fehler gewertet, 427 

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

diese Zurückhaltung auch auf dem vergleichsweise geringen Exportabsatz, denn in einem Markt musste zunächst eine gewisse Größe erzielt werden, um eine Direktinvestition vor Ort lukrativ erscheinen zu lassen und rechtfer­ tigen zu können; sowohl dem eigenen Management als auch den Anteilseig­ nern gegenüber. Zwar konnte eine eigene Vertriebsgesellschaft die Absatz­ zahlen signifikant steigern, jedoch hielt die BMW-Geschäftsleitung während der zweiten Internationalisierungsphase weiterhin an dem Vertriebsmodell aus vertraglich abgesicherten Importeursbeziehungen fest, das durch den Vertriebsvorstand Hahnemann offensiv ausgebaut wurde. Einzige Ausnahme von dieser auf Importeuren fußenden Vertriebspolitik bildeten zwei Minderheitsbeteiligungen, die die BMW-Geschäftsleitung mit der BMW Italia SpA (1965) und der BMW (Australia) Pty. Ltd. (1966) wäh­ rend der zweiten Internationalisierungsphase etwa zur gleichen Zeit einging sowie eine weitere Beteiligung am Montagewerk des südafrikanischen Part­ ners, die detailliert in Kapitel 5 beschrieben wird. Im Gegensatz zu dem ­Engagement in Südafrika stand hinter den Beteiligungen in Italien und Aus­ tralien allerdings keine langfristige Strategie,430 vielmehr dienten sie der kurzfristigen monetären Unterstützung der beiden Importeure, die in finan­ zielle Schwierigkeiten geraten waren.431 Demgemäß schnell ist die Geschichte der ersten Minderheitsbeteiligung in Italien erzählt, die 1965 ihren Anfang nahm und bereits 1966 vorläufig, mit dem Verkauf der von BMW gehaltenen Anteile, endete. Der italienische Markt erschien der Münchner Geschäftsleitung Mitte der 1960er Jahre als ­lukrativ und deutlich ausbaufähig, nachdem das eigene automobile Produkt­ portfolio weiter ausgebaut und um das Mittelklassewagensegment ergänzt wurde. Im Januar 1965 informierte Vertriebschef Hahnemann die anderen Vorstandsmitglieder, dass der bisherige Importeur Paolini, der bereits seit ­einiger Zeit vor allem aufgrund finanzieller Probleme der Münchner Zentrale Schwierigkeiten bereitete, gemeinsam mit den Geschäftspartnern Fleisch­ mann und Sodi eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Verona gründen wollte, die zukünftig die Aufgaben des BMW-Importeurs in Italien wahrnehmen sollte. Fernerhin sollte BMW eine Option erhalten, sich zu einem späteren Zeitpunkt mit 30 Prozent an der Gesellschaft beteiligen zu können. Die Gründung, die zu diesem Zeitpunkt unmittelbar bevorstand, fand die Zu­ stimmung des Vorstands, der eine Steigerung des BMW-Marktanteils in Ita­ lien anstrebte.432 Weitere Gespräche mit den potentiellen Geschäftspartnern in Italien wurden gemeinsam vom Vorsitzenden des Vorstands Wilcke und der sich in dieser Form nicht wiederholen sollte, vgl. Protokoll der Aufsichtsratssit­ zung vom 08. 03. 1961, in: BMW UA 731/2. 430  Auf die Verbindung zwischen dem Engagement in Südafrika und Australien wird ebenfalls detailliert in Kapitel 5 eingegangen. 431  Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften. 432 Vgl. Protokoll Nr. 2/65 der Vorstandssitzung vom 21. 01. 1965, in: BMW UA 409/1.

3.5. Vertriebspolitik

341

Hahnemann geführt.433 Der Aufsichtsrat willigte zum Jahresende ein, zum 1. Januar 1966 das vertraglich festgelegte Optionsrecht zum Erwerb einer Be­ teiligung in Höhe von 30 Prozent auszuüben. Der dafür erforderliche finan­ zielle Aufwand belief sich auf 150 000 DM. Einher hiermit ging das Recht, einen BMW-Mitarbeiter in den Vorstand der Gesellschaft zu entsenden, wel­ ches die Münchner Führungsgremien in Anspruch nehmen wollten, indem sie den BMW-intern als Italien-Experten gehandelten Mitarbeiter Spintler nach Sona bei Verona zu schicken gedachten. Auf diese Weise wollte sich BMW, trotz der Minderheitsbeteiligung, einen unmittelbaren Einfluss auf das Importunternehmen sichern und das Geschäft nach eigenen Vorstellungen gestalten.434 Diese Einflussnahme stieß zwar auf Gegenwehr von Fleischmann und Sodi, wurde aber dennoch von der BMW-Führung durchgesetzt.435 Im weiteren Verlauf zeigte diese sich jedoch skeptisch gegenüber e­ iner Haftungs­ übernahme durch die BMW AG für die italienische Minderheitsbeteiligung, die seitens der italienischen Banken 1966 gefordert wurde.436 Da sich ferner­ hin das Geschäft in Italien nach Anlauf des neuen Importeurs, der BMW Italia S.p.A (BMW Italia), bereits positiv entwickelte, erschien es den Führungs­ gremien in München „aus innerbetrieblichen und organisatorischen Gründen als zweckmäßig [..], dass wir als Gesellschafter aus der BMW Italia S.p.A. wieder ausscheiden.“437 BMW zog sich nach Veräußerung der Anteile auf das Optionsrecht zurück, das weiterhin bestand, während die Anteile auf die Partner Fleischmann und Sodi übertragen wurden. Auch die Aktien von Paolini gingen auf die beiden Partner über, so dass Fleischmann und Sodi fortan Alleingesellschafter der BMW Italia waren.438 Gegenüber kritischen Stimmen zu dieser Veräußerung und dem hiermit befürchteten einhergehenden Verlust der Einflussnahme betonte der BMWAufsichtsrat, dass auch in anderen Fällen die Kontrolle über die Partner im Ausland nur über einen Importeursvertrag ausgeübt werden würde.439 Die­ ses Statement kann als genereller Vorbehalt gegenüber Direktinvestitionen im Ausland interpretiert werden, der von dem Aufsichtsrat und Vorstand in München gehegt wurde. In den weiteren Jahren gewährte die BMW AG dem italienischen Importeur mehrere Kredite, ohne hierfür jedoch auf der Gegen­ 433 

Vgl. Protokoll Nr. 28/65 der Vorstandssitzung vom 08. 11. 1965, in: ebd. Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 02. 12. 1965 in: BMW UA 732/2. 435 Vgl. Protokoll Nr. 28/65 der Vorstandssitzung vom 08. 11. 1965, in: BMW UA 409/1. 436 Vgl. Protokoll Nr. 11/66 der Vorstandssitzung vom 19. 04. 1965, in: BMW UA 411/1. 437  Anlage 5 zur Niederschrift vom 06. 12. 1966, in: BMW UA 527/2. 438  Später übertrugen Fleischmann und Sodi aus steuerlichen Gründen einen Teil ih­ rer Aktien auf ihre jeweils zu 100 Prozent ihnen gehörenden Tochtergesellschaften in der Schweiz, was in München Unmut und Besorgnis ob der verbleibenden Sicherhei­ ten erregte, vgl. Schreiben der Rechtsanwälte Dr. Glöggl und Thallmair an Dr. Knoll, Leiter der BMW-Rechtsabteilung, vom 25. 10. 1971, in: BMW UA 1595/1. 439  Vgl. Anlage 5 zur Niederschrift vom 06. 12. 1966, in: BMW UA 527/2. 434 

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

seite ausreichend Sicherheiten zur Verfügung gestellt zu bekommen, was 1971 zur erneuten Bemühung von Rechtsanwälten führte.440 Wenige Jahre später beschloss der Vorstand die Gründung einer eigenen Tochtergesell­ schaft in Italien zum Jahresbeginn 1974 durch die Übernahme des Impor­ teurs und seiner für den Vertrieb gegründeten Töchterfirmen,441 welche in Kapitel 4.5 im Rahmen der neu ausgerichteten Vertriebspolitik der dritten Internationalisierungsphase thematisiert wird. Der Absatz von BMW-Er­ zeugnissen in Italien blieb während des Engagements via der BMW-Minder­ heitsbeteiligung 1964 bis 1966 stabil und lag 1966 bei 2 079 Wagen gegenüber 2 112 Einheiten im Jahre 1965.442 In diesen auf den ersten Blick unscheinba­ ren Zahlen verbirgt sich jedoch der für die Gewinnrechnung entscheidende Unterschied, dass 1966 erstmals nicht mehr Kleinwagen in Italien vertrieben wurden, sondern der Absatz ausschließlich über die neue Mittelklasse erzielt wurde, die eine deutlich höhere Fahrzeugrendite erwirtschaftete. Ähnlich defensiv ausgerichtet war das Handeln der BMW-Geschäftslei­ tung in Australien, wo es nahezu parallel zu den Geschehnissen in Italien zu der Gründung der BMW (Australia) Pty. Ltd. kam, einer Importeursfirma, an der BMW eine zehnprozentige Beteiligung hielt. Die Geschichte der aus­ tra­lischen Gesellschaft ging auf das Wirken von Friedländer zurück, der als unabhängiger Delegierter für BMW die Region Asien und Ozeanien betreute (vgl. Kapitel 3.5.2.1).443 Hahnemann forcierte bereits seit 1965 das Rechts­ lenkergeschäft und damit auch Australien als ausbaufähigen Markt.444 ­Friedländer, der seit 1965 einen Delegiertenvertrag mit der BMW AG hielt,445 war 1966 auf die Geschäftsleitung zugekommen und warb um eine finanzielle Teilnahme an der beabsichtigten Neugründung, um den australischen Markt für BMW-Erzeugnisse weiter erschließen zu können. Im ersten Geschäfts­ jahr visierte man einen Verkauf von 150 bis 180 Einheiten sowie ein Ab­ satzplus von zehn Prozent bei Ersatzteilen an. Auch eine spätere Fahrzeug­ montage wurde nicht ausgeschlossen. Der Abschluss des Importeursver­ trages und die zehnprozentige Beteiligung der BMW AG wurden von der Auf­nahme eines von BMW gewünschten Katalogs zustimmungsbedürftiger 440  Vgl. Schreiben der Rechtsanwälte Dr. Glöggl und Thallmair an Dr. Knoll, Leiter der BMW-Rechtsabteilung, vom 25. 10. 1971, in: BMW UA 1595/1. 441 Vgl. Auskunft über BMW-Beteiligung „BMW Italia S.p.A.“ vom 09. 1977, in: BMW UR 2531/1. 442  In demselben Zeitraum wurden 59 (1964) bzw. 40 Motorräder (1966) abgesetzt, was verdeutlicht, wie schwierig es für BMW als Zweiradhersteller war, auf dem durch die starke einheimische Konkurrenz hart umkämpften italienischen Markt Fuß zu fas­ sen, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; BMW-Export nach Ländern, 1966, in: BMW UA 1486/1. 443 Vgl. Protokoll Nr. 24/64 der Vorstandssitzung vom 02. 12. 1964, in: BMW UA 431/1. 444  Vgl. Protokoll Nr. 1/65 der Vorstandssitzung vom 19. 12. 1965, in: BMW UA 409/1. 445  Vgl. Delegiertenvertrag zwischen der BMW AG und Dr. Friedländer vom 19. 08.  1965, in: BMW UA 736/1.

3.5. Vertriebspolitik

343

Rechtsgeschäfte in den Gesellschaftsvertrag sowie der Regelung über den Firmennamen abhängig gemacht. Diese Vorgaben wurden von den australi­ schen Partnern akzeptiert und so stimmte auch der BMW-Vorstand im Juli 1966 der Gründung und Beteiligung an der BMW (Australia) Pty. Ltd. mit Sitz in Melbourne zu.446 Dieses Engagement band Kapitalmittel in Höhe von 22 500 DM bzw. 5 000 AUD.447 Die Gesellschaft wurde am 21. September 1966 in das Handelsregister mit einem Nominalkapital von 100 000 AUD eingetragen, wovon 50 000 AUD gezeichnet und eingezahlt waren.448 Haupt­ gesellschafter wurde unter anderem die National Nominees Ltd., eine Toch­ ter der National Bank of Australasia Ltd, die 45 Prozent der Anteile hielt und der Umgebung von Friedländer zuzuordnen war.449 Weitere 45 Prozent hielt die australische Firma Hartnett Holdings Pty. Ltd., 450 der ehemalige Importeur des mittlerweile insolventen Herstellers Borgward.451 Am 29. Juni 1966 wurde ein Importeursvertrag zwischen der BMW AG und der BMW (Australia) Pty. Ltd. geschlossen, der zum 31. Oktober 1966 in Kraft trat und in den Folgejahren mehrfach verlängert und um einige Absatzgebiete erwei­ tert wurde. Hierbei handelte sich um den allgemeinen, von der Münchner Zentrale ausgegebenen Standardvertrag, den die BMW-Generalimporteure zu unterzeichnen hatten.452 In die Geschäftsaufsicht der neuen Gesellschaft wurde Winkler berufen, Direktor der BMW-Exportabteilung in München.453 BMW-Erzeugnisse wurden nach Australien als Kompletteinheiten im­ portiert und direkt in den Großhandel überführt, wo die Firma Grand Prix ­Motors für den Vertrieb der Wagen, die Firma Ron Angel Tuning of Burnley, später Lloyd Chapman und Tom Byrne Pty. Ltd., der Motorräder sowie Jackson Bros. Pty. Ltd. der Bootsmotoren zuständig waren.454 Ende 1971 verstarb Friedländer, ohne dass sein Tod maßgebliche Veränderungen in der Anteilseignerstruktur hervorrief.455 Allerdings wurden zwischen 1972 und Ende 1978 die Aktien der Bankengruppe durch Friedländers Generalbevoll­ 446 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 07. 1966, in: BMW UA 527/2. Vgl. Anlage 5 zur Niederschrift vom 06. 12. 1966, in: ebd. 448  Vgl. Firmenauskunft über die BMW (Australia) Pty. Ltd. von der First City Na­ tional Bank vom 21. 09. 1972, in: BMW UA 1983/1. 449 Firmenauskunft über die BMW (Australia) Pty. Ltd. von Schimmelpfeng Aus­ landsdienst vom 03. 08. 1972, in: ebd. 450 Vgl. Protokoll Nr. 15/66 der Vorstandssitzung vom 10. 05. 1966, in: BMW UA 411/1. 451  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 07. 1966, in: BMW UA 527/2. 452  Vgl. Importeursvertrag zwischen der BMW AG und BMW (Australia) Pty. Ltd. vom 29. 06. 1966, in: BMW UA 1983/1. 453  Vgl. Firmenauskunft über die BMW (Australia) Pty. Ltd. von der First City Na­ tional Bank vom 21. 09. 1972, in: ebd. 454 Vgl. Firmenauskunft über die BMW (Australia) Pty. Ltd. von Schimmelpfeng Auslandsdienst vom 03. 08. 1972, in: ebd; Schreiben von Friedländer an die BMW AG vom 20. 08. 1969, in: BMW ebd. 455  Amtliche Beglaubigung Notariat Zürich vom 12. 06. 1972, in: BMW UR 40/1. 447 

344

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

mächtigten und Testamentsvollstrecker Bruno Herzer in Zürich verwahrt.456 1977 konkretisierten sich Gespräche zur Übernahme des australischen Im­ porteurs durch die BMW AG als hundertprozentige Tochtergesellschaft, die letztlich 1979 erfolgte.457 Der Ausbau des australischen Marktes hatte sich aus verschiedenen Grün­ den unter der Minderheitsbeteiligung anfangs mühsam gestaltet, denn zum einen entsprachen die mit einiger Verspätung im Mai 1967 eingetroffenen ersten Wagenlieferungen aus der CKD-Fertigung des belgischen Importeurs Moorkens nicht den Münchner Qualitätsstandards und waren nur durch hohe, verlustbringende Preisnachlässe abzusetzen. Hinzu kam, dass auch im Finanzjahr 1968/69 werksseitig nur wenige Aufträge erfüllt werden konnten und durch diese ausbleibenden Lieferungen weitere Kunden verloren gingen. Hierdurch musste ein Verlust von knapp 61 000 AUD bzw. 250 000 DM ver­ zeichnet werden. Die Aktionäre waren daraufhin gezwungen, weitere 75 000 AUD in die Gesellschaft zu investieren. Fernerhin wurde die Einfuhr von Automobilen in Australien regierungsseitig durch eine Kontingentierung des Marktes auf 20 Prozent und einen Zoll von 58 Prozent behindert, einhergin­ gen zudem strenge kostenintensive landesspezifische Sicherheitsbestimmun­ gen.458 Vor 1967 fand demnach de facto kein Export nach Australien statt; dieser hatte sich zuvor auf maximal ein Fahrzeug sowie lediglich 50 Motor­ räder pro Jahr belaufen. Nach der Gründung der australischen Importgesell­ schaft konnten 1968 bereits 175 Wagen und 70 Zweiräder verkauft werden.459 Im Vergleich hierzu setzten jedoch andere deutsche Automobilhersteller, die mit einer eigenen Tochterfirma in Australien vertreten waren, deutliche grö­ ßere Kontingente ab und so stieg der Absatz deutscher PKW zwischen 1965 und 1967 um 25,4 Prozent auf 11 489 Einheiten, nachdem er 1966 auf 6 832 Einheiten abgesunken war.460 BMW konnte an dieser Absatzsteigerung je­ doch, trotz neu gegründeter Importeursgesellschaft, an der eine geringe Be­ teiligung von zehn Prozent gehalten wurde, nicht partizipieren. Beide Minderheitsbeteiligungen in Italien und Australien spiegeln eine im Hinblick auf ausländische Direktinvestitionen äußerst defensiv ausgerichtete Unternehmenspolitik wider. Ziel war es während der zweiten Internationali­ sierungsphase nicht, firmeneigene Töchter in verschiedenen Märkten aufzu­ bauen, sondern vielmehr das Exportgeschäft über starke durchsetzungsfähige 456 

Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 34. Antwortkataloge für zu erwartende Fragen der Aktionäre für die Hauptver­ sammlungen 1975 bis 1977, in: BMW UA 1939/1; Schreiben der BMW-Rechtsabtei­ lung, Dr. Holzapfel (AJ-1), an Rechtsanwalt Dr. Herzer, Zürich, vom 03. 12. 1979, in: BMW UR 40/1. 458  Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 35. 459 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; BMW-Export nach Ländern, 1966, in: BMW UA 1486/1; BMW-Export nach Ländern, 1968, in: BMW UA 1486/1. 460  Vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1967/68, S. 21. 457  Vgl.

3.5. Vertriebspolitik

345

Importeure auszubauen, die man über das Instrument des Importeursvertra­ ges zu steuern suchte, das allerdings nur eine geringe Reichweite bzw. Ein­ flussnahme besaß. Durch diese Politik begab sich die Münchner Zentrale (Prinzipal) in die Abhängigkeit ihrer Importeure (Agenten), die umso größer wurde, je stärker die Position der Handelsvertretungen war. Die enge Zu­ sammenarbeit mit den Agenten und ihre Stärkung sollte das unternehmeri­ sche Risiko für BMW reduzieren. Die Geschäftsleitung scheute ein tiefer­ gehendes finanzielles Engagement in den ausländischen Märkten, obgleich Ende der 1960er Jahre hohe Dividenden ausgeschüttet werden konnten.461 Diese, im Hinblick auf die Investitionspolitik, im Ausland defensive Haltung kennzeichnete die gesamte zweite Internationalisierungsphase, in der, mit Ausnahme von den zwei oben erwähnten Minderheitsbeteiligungen sowie dem in Kapitel 5 explizierten Engagement in Südafrika, keine Direktinvesti­ tionen im Ausland getätigt wurden. Erst mit den personellen Wechseln an der Spitze des Vorstands sowie im Vertriebsressort wandelte sich die Unter­ nehmensstrategie und so wurden während der 1970er Jahre zahlreiche Aus­ landstochtergesellschaften gegründet, womit das Konzept der Auslandsdi­ rektinvestitionen und Internalisierung des Vertriebs, und zu Teilen auch der Produktion, ebenfalls bei BMW nach dem Zweiten Weltkrieg Einzug hielt (vgl. Kapitel 4.5). 3.5.3.  Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports In der zweiten Phase der Internationalisierung forcierte die BMW-Verkaufs­ leitung die Erschließung neuer Märkte mit Nachdruck. Bestehende Kontakte wurden gefördert, insofern sie den neu angelegten Maßstäben der Vertriebs­ politik unter Hahnemann im Sinne von Exklusivität, Größe und Absatzzah­ len entsprachen. Wie in den vorangegangenen Abschnitten bereits expliziert worden ist, war die Eruierung neuer Regionen und potentieller Partner weit­ aus aktiver ausgelegt, als es noch während der ersten Internationalisierungs­ phase der Fall war. Unterstützt durch ein System aus unabhängigen fachkun­ digen Delegierten wurden neue Importeure und Montagefirmen rekrutiert, die in absatzschwachen Märkten Abhilfe schaffen oder zur Erschließung neuer Länder beitragen sollten. Die verstärkten Bemühungen im Bereich der Ausfuhr spiegelten sich auch in den Absatzzahlen im Ausland wider: Die Exportquote – gemessen an der Gesamtproduktion eines jeden Jahres – über­ stieg 1960 erstmals die 40-Prozent-Marke und hatte sich binnen eines Jahres nahezu verdreifacht, worauf bereits in Kapitel 2 eingegangen wurde. In Ab­ bildung 17 (vgl. Abschnitt 3.1) sind die Exportzahlen und -quoten von BMW 461 In

den Jahren 1966 bis 1970 wurden in jedem Geschäftsjahr 12 Prozent ausge­ schüttet, 1969 sogar 12+2 Prozent, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 54. Geschäftsjahr 1969, 1970, in: BMW UU 55/10; Bericht der Bayerischen Moto­ ren Werke über das 55. Geschäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

im Vergleich zu VW und Daimler-Benz aufgeführt. Während der 1960er Jah­ re lag die Exportquote beständig über der Marke von 40 Prozent, mit Aus­ nahme des Jahres 1966. Zu diesem Zeitpunkt setzte in der Bundesrepublik die Rezession ein, aufgrund derer lediglich ein Anteil von 36,6 Prozent der Produktion ins Ausland versandt wurde. Hier unterschied sich das Aus­ landsgeschäft des Münchner Automobilherstellers signifikant von dem des Mitbewerbers aus Wolfsburg, der aufgrund der Rezession auf dem deutschen Markt 1966/67 den Export seiner Fahrzeuge durch die im Inland freiwerden­ den Kontingente zusätzlich erhöhte. In München wurden im Gegensatz hierzu sogar mehr Einheiten im Inland abgesetzt als zuvor, wodurch das Ge­ schäft auf dem Heimatmarkt nicht durch einen verstärkten Auslandsabsatz ausgeglichen werden musste. Zwar verfügte BMW laut Hahnemann 1966 noch über deutliche Exportreserven, die unter anderem auf die Einrichtung von Importzentren in Frankreich, Belgien, Holland, den USA und der Schweiz zurückzuführen waren, doch hatte der Inlandsmarkt in diesem Jahr mehr BMW-Fahrzeuge aufgenommen, als ursprünglich geplant, „[…] so dass mit Rücksicht auf das Betriebsergebnis eine Verlagerung des Absatzes zugunsten des Inlandsabsatzes vorgenommen worden sei.“462 Gemessen am Gesamtumsatz waren 1966 knapp 33 Prozent durch das Ausfuhrgeschäft er­ zielt, dem Inlandsabsatz jedoch aufgrund höherer Margen der Vorzug gege­ benen worden. Darüber hinaus hatten verschiedene wirtschafts- und finanz­ politische Maßnahmen im Ausland, wie etwa Kreditrestriktionen in England, Frankreich und Italien oder die Einführung von Sonder- bzw. Luxussteuern in Schweden, Holland und Belgien, den Export in diese Länder zusätzlich erschwert.463 Obgleich BMW 1966 noch über Exportreserven verfügte, wur­ de im Hinblick auf das bessere Betriebsergebnis im Zweifel noch immer das Inlandsgeschäft bevorzugt, in welchem der Münchner Hersteller aufgrund der späten Rückkehr auf den Automobilmarkt noch immer über Absatzka­ pazitäten verfügte. Vertriebsvorstand Hahnemann achtete jedoch darauf, die Ausfuhr nicht so weit herunterzufahren, als dass der Verkauf in den Aus­ landsmärkten ernstlich Schaden nehmen würde. Dennoch wies BMW im Vergleich zur deutschen PKW-Industrie nach der Auto-Union den gerings­ ten Exportanteil auf.464 Betrachtet man jedoch einzig die Exportzahlen des Münchner Unterneh­ mens, so vermochte es seine Absatzzahlen im Ausland während der 1960er Jahre, mit Ausnahme von 1966, stetig zu steigern; 1967 überstieg die Ausfuhr mit 38 698 Fahrzeugen erstmals die Marke von 30 000 Einheiten, 1968 wur­ den bereits 54 207 sowie im Folgejahr 65 849 Wagen exportiert. Dies ent­ spricht einer Zunahme des Auslandsgeschäftes zwischen 1967 und 1969 um 462 

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 12. 1966, in: BMW UA 527/2. Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 25. 01. 1967, in: BMW UA 541/2. 464  Vgl. Anlage 1 „Die deutsche Pkw-Industrie am Ende des 1. Quartals 1969“ zum Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 05. 1969, in: BMW UA 548/2. 463 

3.5. Vertriebspolitik

347

70,2 Prozent. Negativ auf den Export der Bundesrepublik wirkte sich eine DM-Aufwertung im Oktober 1969 aus, die eine Kaufzurückhaltung im Ausland auslöste, welche deutlich während des Folgejahres zu spüren war. Die hierdurch freiwerdenden Einheiten wurden stattdessen auf dem heimi­ schen Markt abgesetzt, wodurch 1970 erstmals der Inlandsabsatz von Per­ sonen- und Nutzkraftwagen die Zwei-Millionen-Grenze überstieg. In man­ chen Ländern kam es parallel zur DM-Aufwertung zu einer Abwertung der eigenen Währung, was den deutschen Export ebenfalls benachteiligte, so etwa in Frankreich, wo der Absatz von BMW-Fahrzeugen 1970 nennens­ wert abnahm (vgl. Tabelle 40).465 1970 gingen die Ausfuhrzahlen kurzzeitig also nicht nur bei BMW, sondern in der gesamten deutschen Automobil­ industrie zurück; bei BMW von 45,5 auf 41,0 Prozent, in der deutschen PKW-Industrie von 56,8 auf 54,5 Prozent. Absolut betrachtet, stiegen die exportierten Einheiten sogar, jedoch wurde ein größerer Anteil der Produk­ tion im Inland abgesetzt.466 Darüber hinaus nahm auch das Volumen der im Ausland hergestellten Automobile deutscher Hersteller zu. Demzufolge konstatierte auch der BMW-Aufsichtsrat 1970 erschwerte Rahmenbedin­ gungen in einzelnen wichtigen Exportmärkten, in denen zum Teil eine an­ gespannte Verkaufslage herrschte. Während der Absatz der 02er Reihe im Ausland ohne größere Probleme verlief, gestaltete sich der Export der Neuen Klasse sowie Oberklasse kurzzeitig etwas schwerfälliger. Um die Gewinn­ rechnung in der Ausfuhr nicht zu schmälern, wurde in den USA, Frank­ reich, Italien, den Niederlanden und der Schweiz Preiserhöhungen zwischen 100 DM und 450 DM bei den zweitürigen Modellen umgesetzt, die zu einer Verbesserung des Ergebnisses führen sollten.467 Dieser rückläufige Trend hielt nur kurzfristig an und bereits 1971 überstieg die Nachfrage im Ausland das Exportangebot und somit die Ausfuhrquote die Werte von 1969, womit sich der bis dahin verzeichnete positive Trend auf den Auslandsmärkten fortsetzte.468 In Abbildung 27 ist der Absatz fabrikneuer Wagen einschließlich der CKD- und SKD-Teilesätze nach verschiedenen Absatzregionen aufgeführt. Um hierbei die Feinheiten des geringer ausfallenden außereuropäischen Au­ ßenhandels besser erkennen zu können, ist der Export nach Europa auf der Sekundärachse dargestellt, während der weltweite Handel exklusive Europa auf der Primärachse abgebildet ist. Die Angaben dieser Abbildung werden durch die Zahlen aus der sich weiter unten anschließenden Tabelle 40 näher expliziert. Die Darstellung zeigt, dass auch während der zweiten Internatio­ nalisierungsphase das Hauptaugenmerk auf Europa lag. Hier konnte der Ab465 

Vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1970/71, S. 7. Vgl. Ders. (Hg.): TuZ 1970/71. 467  Vgl. Anlage „Bericht über den Monat April, Ressort Vertrieb“ zum Protokoll der Aufsichtsratssitzung am 06. 05. 1970, in: BMW UA 806/2. 468  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 16./17. 12. 1971, in: BMW UA 807/2. 466 

348

3. Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung 50.000 45.206

Absatz we ltwe it e xkl. Europa

10.000 8.000

40.000 35.000

35.221

30.000 25.000

6.000 24.797 4.000

45.000

20.000

22.434

18.840

Absatz Europa

12.000

15.000 10.000

2.000

5.000 0 1962 Nordamerika

1964 1966 Lateinamerika Afrika

1968 Asien

1970 Ozeanien

Europa

Abbildung 27: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten inkl. Teilesätze der BMW AG in verschiedene Absatzregionen, 1962–1970.469

satz stetig – mit Ausnahme des Jahres 1966 – ausgebaut und von 1962 bis 1970 um knapp 140 Prozent gesteigert werden. Besonders ausgeprägt war zu Beginn der 1960er Jahre der Handel mit den EWG­Märkten, während die Ausfuhr in die EFTA­Länder erschwert wurde. Dies änderte sich jedoch ab Mitte des Jahrzehnts, indem der Absatz in den traditionell starken BMW­ Märkten Schweden, Schweiz, Niederlande, Österreich und partiell ebenfalls in Belgien ausgebaut, aber vor allem gegen Ende der Dekade auch zusätz­ liche Potentiale in Großbritannien, Frankreich und Italien erschlossen wer­ den konnten. Diese Analyse ist im Kontext von Tabelle 40 zu sehen, die den Export von PKW­Einheiten der BMW AG einschließlich Teilesätzen in aus­ gewählte absatzstarke Märkte der Welt enthält. Die Zahlen zeigen, dass der Exportrückgang im Jahr 1966 hauptsächlich zulasten der europäischen Märkte ging. Hier sank der Verkauf von BMW­ Wagen um 10,1 Prozent bzw. 2 510 Einheiten von 1965 auf 1966. Dies war unter anderem auf die wirtschafts­ und finanzpolitischen Regierungsmaß­ nahmen, wie exemplarisch die Einführung einer Sonder­ bzw. Luxussteuer in 469 Eigene Berechnungen aus den nachfolgenden Quellen, vgl. BMW­Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; BMW­Export nach Län­ dern, 1966, in: BMW UA 1486/1; BMW­Export nach Ländern, 1968, in: BMW UA 1486/1; Deutscher PKW­Export nach Fabrikaten und Abnehmerländern (inkl. Teile­ sätze), 1970, in: BMW UA 2041/1.

3.5. Vertriebspolitik

349

den Niederlanden und Belgien, zurückzuführen.470 Dort litt das Geschäft besonders, wie auch Tabelle 40 zu entnehmen ist. Ebenfalls enthalten in ­diesem Rückgang der Verkaufszahlen im europäischen Ausland ist das Aus­ laufen des Kleinwagens BMW 700, der hier besonders oft verkauft wurde. Die Absatzrückgänge schlugen sich jedoch nicht eins zu eins in der Bilanz nieder: Zwar mochten die absoluten Stückzahlen sinken, die Gewinnmargen pro Fahrzeug stiegen jedoch durch den höheren Ertrag der nun abgesetzten Mittelklasse sowie später der Oberklasse. Während man den Europaabsatz kurzzeitig zugunsten des Inlandsverkaufs zurückstellte, wurden andere Re­ gionen weiter ausgebaut, vor allem in Asien, aber auch in den USA und ­Afrika. In Asien stieg der Absatz zwischen 1964 und 1966 mit 370,1 Prozent so stark wie in keiner anderen Region; beteiligt hieran waren sowohl Länder aus dem Nahen Osten als auch aus Fernost. Noch signifikanter stieg der Gesamtauslandsabsatz der BMW AG zwi­ schen 1966 und 1970, was mit einem Ausbau des Vertriebsnetzwerks außer­ halb der Bundesrepublik von 1 755 auf 2 857 Betriebe einherging bzw. hier­ durch die Exportsteigerung erst ermöglichte (vgl. Abbildung 24). Verkaufs­ steigerungen wurden vor allem in Nordamerika, hier primär in den USA, sowie in Afrika verzeichnet. Der Export konnte in diesem Zeitraum in die USA um ganze 700 Prozent gesteigert werden. Dies lag auch an dem aus­ gesprochen großen Erfolg der 1966 neu eingeführten 02er Reihe, die sich ins­ besondere in den USA aufgrund des bereits mehrfach erwähnten Wandels des US-Automobilmarktes hin zu kleineren Fahrzeugen großer Beliebtheit erfreute.471 Auch nach Afrika konnte die Ausfuhr um knapp 400 Prozent gesteigert werden. Dort kam vor allem der neue Montagestandort in Süd­ afrika zum Tragen, der 1968 in Betrieb genommen wurde (vgl. Kapitel 5). In Afrika wurde die Anzahl der Betriebe zwischen 1966 und 1970 innerhalb des BMW-Vertriebsnetzwerks verdoppelt, in Nordamerika nahezu verdreifacht. Im Vergleich hierzu ist die Absatzsteigerung in Asien von 43 Prozent umso beachtlicher, da hier die mit BMW assoziierten Betriebe quantitativ na­ hezu stabil blieben, die Zuwächse also nicht auf einen Ausbau des Handels­ netzwerks zurückzuführen ist, sondern auf die Verbesserung der bestehen­ den Struktur. Die Region Ozeanien verharrte hingegen bis Ende der 1960er Jahre nahezu in der Bedeutungslosigkeit, wie bereits in dem vorangegange­ nen Abschnitt 3.5.2.3 aufgezeigt wurde, und konnte erst durch den Aufbau einer neuen Vertriebsgesellschaft in Australien, an der BMW eine Minder­ heitsbeteiligung von zehn Prozent hielt, ab 1967/68 für BMW-Wagen akti­ viert werden. Lateinamerika hingegen, das durch die argentinische Montage­ kooperation 1962 nach Europa noch die wichtigste Absatzregion gewesen war, konnte nach Auslaufen der Kleinst- und Kleinwagenproduktion von den Münchner Verkaufsabteilungen nur noch schwer erschlossen werden. 470  471 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 25. 01. 1967, in: BMW UA 541/2. Vgl. weiterführend Köhler, Small Car Blues.

350

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Während andere deutsche Hersteller wie VW und Daimler-Benz dort große Erfolge verzeichneten, lag der Verkauf von BMW-Wagen in Lateinamerika – trotz der Bemühungen beispielsweise in Uruguay – zeitweise unter 300 Ein­ heiten. In den 1960er Jahren fand de facto also ein Handel mit BMW-Wagen nur äußerst eingeschränkt statt und so wurde die Marke dort hauptsächlich durch den Absatz von BMW-Motorrädern aufrechterhalten. Es wirkten sich dort der vergleichsweise späte Eintritt in die lateinamerikanischen Märkte während der 1950er Jahre, durch den sich andere Hersteller früher etablieren konnten, der sich hieraus ableitende hohe ausländische Konkurrenzdruck so­ wie die erschwerten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, etwa durch Local-Content-Bestimmungen, besonders nachteilig aus. Tabelle 40 führt die wichtigsten Märkte nach Absatzregionen während der zweiten Internationa­ lisierungsphase auf.  472 

Europa

Amerika

Asien

Afrika Ozeanien Weltweit

Belgien472 Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien Italien Niederlande Österreich Schweden Schweiz USA Argentinien Uruguay Iran Japan Malaysia Thailand Südafrika Australien Gesamt

1962

1964

1966

1968

1970

5 042 681 1 306 87 86 5 451 2 670 1 432 650 958 720 10 118 1 22 402 0 62 0 23 058

7 594 738 3 995 404 439 2 112 5 249 823 1 897 1 150 786 3 3 4 51 330 232 43 1 27 742

5 472 175 3 920 416 598 2 079 3 745 1 358 2 213 1 942 1 253 1 3 463 236 250 361 34 1 27 120

5 851 119 6 063 543 1 722 3 858 5 624 1 537 4 148 3 465 9 172 3 19 418 350 53 437 2 576 175 54 207

7 217 208 5 304 706 3 570 7 153 6 802 1 934 3 407 5 008 10 029 4 279 353 429 0 411 3 542 588 66 099

Tabelle 40: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten der BMW AG inkl. Teilesätze nach Absatzregionen und ausgewählten Ländern, 1962–1970.473

472 Die Angaben für Belgien aus dem Jahr 1962 schließen die Lieferungen nach ­ uxemburg mit ein, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: L BMW UA 1273/1. 473 Vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; BMW-Export nach Ländern, 1966, in: BMW UA 1486/1; BMW-Export nach Ländern, 1968, in: ebd.; Deutscher PKW-Export nach Fabrikaten und Abnehmerlän­ dern (inkl. Teilesätze), 1970, in: BMW UA 2041/1; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

3.5. Vertriebspolitik

351

Diese Aufstellung zeigt, dass innerhalb von Europa insbesondere die EWG-Staaten deutliche Zuwächse während der 1960er Jahre verzeichneten. Innerhalb der EFTA waren vornehmlich die traditionell starken BMW-Ab­ satzgebiete Schweden, Schweiz, Österreich von Bedeutung sowie der für das Münchner Unternehmen neu erstarkende britische Markt. Hierbei zeigte die BMW AG mitunter eine von der restlichen deutschen PKW-Industrie ab­ weichende Exportentwicklung. Beispielswiese konnte sie zwischen 1964 und 1970 ihre Ausfuhr nach Schweden um 80,0 Prozent steigern, während der westdeutsche Export nach Schweden um 50,0 Prozent zurückging. Die Absatzrückgänge von BMW-Wagen in manchen Märkten müssen re­ lativ betrachtet werden, da mit dem Auslaufen des BMW 700 die absoluten Zahlen sanken, die Fahrzeugrendite bei den Erzeugnissen der Mittel- und Oberklasse jedoch höher lagen. Daneben wurden rückläufige Entwicklungen zumeist durch nicht-tarifäre Bestimmungen der einzelnen Märkte verursacht, wie etwa die in diesem Kapitel bereits angeführte Sonder- bzw. Luxussteuern in Schweden, Holland und Belgien. Neben den staatlichen Regulierungen hatten natürlich diverse weitere Faktoren Einfluss auf den Absatz in einzel­ nen Ländern. Vor allem die Maßnahmen der BMW-Verkaufsabteilungen zum Ausbau der Vertriebsorganisationen wirkten sich äußerst positiv auf die ein­ zelnen Märkte aus. In Griechenland wurde beispielsweise der Importeur aus­ gewechselt und seit 1963 von dem neuen Partner BMW Hellas verantwortet, einem der wenigen Betriebe, die den Firmennamen BMW tragen durften, der jedoch später in Biota AG umfirmiert wurde. Durch den neuen Importeur konnte der Absatz vervierfacht werden, gleichwohl Griechenland aufgrund seines geringen Marktpotentials als vergleichsweise unwichtig eingestuft wurde. Zudem behinderte dort die vorherrschende Devisenkontingentierung die Einfuhr, die im März 1974 aufgehoben und durch eine neue Bardepot­ bestimmung ersetzt wurde.474 Ebenfalls positiv wirkte sich der Wechsel des Importeurs in Großbritannien aus, wo die Verkaufsrechte für Wagen und Motorräder auf die BMW Concessionaires GB Ltd. übertragen wurden.475 Diese Möglichkeit zur positiven unternehmerischen Einflussnahme in den einzelnen Märkten unterstreicht, wie wichtig der Ausbau der Handelsorgani­ sation im Ausland und die Auswechslung derjenigen Partner waren, die nicht mehr dem von der Münchner Zentrale unter Hahnemann definierten Quali­ täts- und Verkaufsstandards entsprachen. Auch mussten die einzelnen Händ­ ler über genügend Kapital verfügen, um auch die höherwertigen Modelle vertreiben zu können. Eine entsprechende Analyse hatte bei einem Delegier­ tenbesuch beispielsweise festgestellt, dass noch gegen Ende der zweiten In­ 474 Vgl. Marktforschungsmitteilungen, 1981–1983, in: BMW UA 1875/1; Kommu­ nikation zwischen der BMW AG und dem griechischen Importeur Biota AG, 1972– 1975, in: BMW UA 1827/1. 475 Vgl. Protokoll Nr. 36/66 der Vorstandssitzung vom 15. 11. 1966, in: BMW UA 411/1.

352

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

ternationalisierungsphase von den 50 besuchten Händlern in den USA ledig­ lich 15 bis 20, also nicht einmal die Hälfte, finanziell überhaupt in der Lage waren, einen Sechszylinder von BMW zu verkaufen.476 Tabelle 40 bestätigt, dass neben dem Heimatmarkt vor allem Europa, und hier vor allem die EWG-Mitgliedstaaten, wichtigstes Absatzgebiet für BMW waren. Außerhalb von Europa waren vorrangig die USA und daneben auch Südafrika für den Automobilexport bzw. die Montage vor Ort von entschei­ dender Bedeutung. Zwischen 1962 und 1970 konnte der Absatz in den USA um knapp 1 300 Prozent auf 10 029 Einheiten gesteigert werden, in Südafrika sogar um circa 5 600 Prozent auf 3 542 Einheiten. Ähnlich hohe Steigerungs­ raten lassen sich auch in anderen Staaten finden, sogar noch innerhalb von Europa, und verdeutlichen die zunehmende Wichtigkeit des weltweiten Ex­ portgeschäfts für BMW.

3.6. Kommunikationspolitik Die steigende Bedeutung des Außenhandels für BMW lässt sich auch anhand der Kommunikation auf den jährlichen Hauptversammlungen rekonstruie­ ren, auf denen die Aktionäre sowie die interessierte Öffentlichkeit im All­ gemeinen über die aktuelle Geschäftstätigkeit informiert wurden sowie der Vorstand den Anteilseignern Rede und Antwort stand. Während 1961 – als offiziell kein Vorstandsvorsitzender bei BMW benannt war – das Auslands­ geschäft während der Hauptversammlung kaum Erwähnung fand,477 betonte der seit 1962 im Amt weilende Vorsitzende Sonne 1963 die hohe Wichtigkeit des Exports und nannte diesen „lebenswichtig“ für BMW.478 In derselben Sitzung hatte Aufsichtsratsvorsitzender Karoli die provokante Frage gestellt, inwiefern ein Unternehmen von der Größe der BMW AG überhaupt lebens­ fähig sei.479 In der Verquickung von Karolis Frage und Sonnes Feststellung spiegelt sich die Erkenntnis wider, dass BMW als ein Unternehmen, das wäh­ rend der 1950er Jahre vor allem den Fokus auf den Binnenmarkt gesetzt hat­ te, den Export weiter voranzubringen hatte, um auch fortan nicht nur über­ lebensfähig, sondern rentabel wirtschaften sowie international konkurrenz­ fähig sein zu können. Dieser Beurteilung Rechnung tragend, dominierten in der Erklärung des neuen Vorstandsvorsitzenden Wilcke, der seit April 1965 im Amt war, auf der Hauptversammlung des Geschäftsjahres 1966 die Aus­ 476  Vgl. Bericht von Exportleiter Winkler (VE) über den Besuch bei Hoffman Motors Corp. in LA und New York vom 20.–27. 05. 1970, 15. 06. 1970, in: BMW UA 1386/1. 477  Vgl. Erklärung des Vorstands in der Hauptversammlung vom 20. 10. 1961, 1961, in: BMW UA 791/1. 478  Ansprache von Vorstandsvorsitzenden Dr. Sonne auf der Hauptversammlung vom 16. 07. 1963, 1963, in: ebd. 479  Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Karoli auf der HV vom 16. 07. 1963, 1963, in: BMW UA 791/1.

3.6. Kommunikationspolitik

353

führungen zur Exporttätigkeit des Unternehmens deutlich.480 Unter Berück­ sichtigung der institutionellen Rahmenbedingungen der EWG sowie der EFTA spiegelten sich darüber hinaus die Entwicklungen des Ausfuhrge­ schäfts sowohl in den Hauptversammlungen als auch in den Geschäftsbe­ richten wider. Bereits in Kapitel 2.6 ist aufgezeigt worden, dass die Kommunikationspo­ litik während der 1950er Jahre äußerst produktbezogen und hinsichtlich der Unternehmensdarstellung in der Öffentlichkeit, konträr zu der in den USA bereits seit den 1940er Jahren gelebten Open-Door-Policy, defensiv ausgelegt wurde, wie es in der deutschen Wirtschaft zu dieser Zeit vornehmlich der Fall war. Eine das gesamte Unternehmen umfassende Öffentlichkeitsarbeit fand in den 1950er Jahren kaum bzw. nicht statt. Für die produktspezifische Werbung waren die Verkaufsabteilungen verantwortlich; die BMW AG als Ganzes betreffende Belange und Presseanfragen wurden durch den Vorstand mit betreut. Mit dem personellen Wechsel in der Führung der BMW AG zu Beginn der 1960er Jahre wandelten sich die Kommunikationspolitik und ihre Abwick­ lung während der zweiten Internationalisierungsphase merklich. Noch im­ mer lag zunächst großes Gewicht auf der Produktkommunikation, allerdings war sich die Geschäftsleitung viel bewusster über die Wichtigkeit des ge­ samthaften, alle Produkte umspannenden Images der Marke. So legte Hahne­ mann beispielsweise bei der Gestaltung der neuen Firmenzentrale hohen Wert auf die Außenwirkung des neuen Gebäudes, das im Sinne einer – wie auch das Unternehmen es selbst bis heute bezeichnet – „gebauten Kommu­ nikation“481 für die Marke BMW stand und als solches warb. In einer Vor­ standssitzung, in welcher die Entwürfe der verschiedenen Architekten disku­ tiert wurden, hielt man protokollarisch fest: „Herr Hahnemann trägt eindringlich seine Auffassung vor, dass sich bei der Konzep­ tion des neuen Verwaltungsgebäudes die Alternative stelle, ob wir nur Verwaltungs­ büroräume errichten oder aber etwas ganz Außergewöhnliches schaffen wollten. Nach seiner Meinung komme allein der zweite Weg in Betracht. Nur er werde dem Image gerecht, das wir durch unsere Fahrzeuge in aller Welt gewonnen hätten. Selbst­ verständliche Voraussetzung sei natürlich, daß auch ein avantgardistisches Hochhaus die ihm zugeordneten Funktionen erfüllen könne. Aus diesen Gründen kommt nach der Ansicht von Herrn Hahnemann nur der Entwurf von Herrn Professor Schwanzer in Betracht.“482

Schlussendlich wurde der in diesem Zitat aufgeführte Entwurf des Architek­ ten Prof. Schwanzer tatsächlich realisiert und Hahnemann sollte Recht be­ halten, was die positive Außenwirkung der neuen Zentrale über die Landes­ 480 Vgl. Redemanuskript des BMW-Vorstandsvorsitzenden Wilcke zur Hauptver­ sammlung des Geschäftsjahres 1966 vom 25. 08. 1967, 10. 08. 1967, in: BMW UA 578/1. 481  Bracklow, Anne: Markenarchitektur in der Konsumwelt. Branding zur Distink­ tion, Wiesbaden 2004, S. 174 482  Protokoll Nr. 23/68 der Vorstandssitzung vom 15. 10. 1968, in: BMW UA 412/1.

354

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

grenzen hinweg anbetraf. Das BMW-Hochhaus, das von den Münchnern aufgrund seiner Form auch „Vierzylinder“ genannt wird, wurde pünktlich zu den Olympischen Spielen 1972 von außen fertiggestellt, als die Welt also auf München blickte, womit eine weitreichende internationale Aufmerksam­ keit sichergestellt war.483 Die Marktforschung festigte sich während der zweiten Internationalisie­ rungsphase weiterhin und wurde zu einem wichtigen Pfeiler des unterneh­ merischen Handelns. Durch sie war es zugleich möglich, den Erfolg der Kommunikationsmaßnahmen zu messen. Die Marktanalysen umfassten so­ wohl das Image der Fabrikate als auch der Marke in den wichtigsten Märk­ ten in Europa und Übersee. Wichtiges Instrument der Verkaufsförderung war für Vertriebschef Hahnemann das Mittel der Werbung, deren Budgetie­ rung im Laufe der 1960er Jahre merklich zunahm. Ferner legte der in den USA gelernte Marketingspezialist hohen Wert auf eine Homogenisierung des Markenimages, das allen Produkten als überspannendes Dach dienen sollte und ab Mitte des Jahrzehnts zunehmend ausgeformt wurde. Wie in den bei­ den sich anschließenden Abschnitten noch aufgezeigt wird, kam es allerdings unter Hahnemann zunächst vornehmlich innerhalb des deutschsprachigen Raums zu einer einheitlicheren Gestaltung des Markenbildes, während inter­ national weiterhin – unter anderem bedingt durch den ausgeprägten Hand­ lungsspielraum der Importeure – in den einzelnen Märkten eine hohe Hete­ rogenität in der Außendarstellung vorherrschte; dies war in der ersten Hälfte der 1960er Jahre besonders stark ausgeprägt. Auf einer BMW-Marketingtagung in München im Jahre 1967, auf der zahlreiche Importeure von Hahnemann geladen waren, um eine einheitliche Linie in der Verkaufsförderung und Kommunikation zu erreichen, stellte ein Mitarbeiter der für BMW tätigen Werbeagentur Gramm in einem Vortrag über das Ansehen einer Marke retrospektiv die Ausgangssituation der BMW AG zu Beginn der zweiten Internationalisierungsphase wie folgt dar: „Als wir Anfang der 60er Jahre nach der Überwindung der Krise der Bayerischen Motoren-Werke anfingen, systematisch zu untersuchen, was der Konsument über die Marke BMW dachte, stellten wir alle mit großer Überraschung fest, dass trotz Isetta und BMW 600 und trotz der damals allseitig bekannten wirtschaftlichen Schwierig­ keiten, dass blau-weiße Wappen von BMW in Deutschland noch immer eine starke Ausstrahlung besaß. Als man alle Dimensionen dieser Ausstrahlung subsumierte, kam man zu dem Schluss, dass BMW recht klar den zweiten Platz hinter Mercedes Benz im Ansehen auf dem deutschen Markt einnahm. Der bekannte Marktpsychologe, Pro­ fessor Bernt Spiegel, schrieb damals in seinem Bericht: ‚Angesichts der vergleichsweise geringen Marktanteile und der jahrelangen BMW-Misere ist das ein bemerkenswert günstiges Ergebnis.“484

483 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 67. für einen Vortrag der für BMW tätigen Werbeagentur auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „Das Ansehen einer Marke (Reputation of a brand)“ vom 15. 03. 1967, in: BMW UA 594/1. 484  Redemanuskript

3.6. Kommunikationspolitik

355

Die in vielerlei Hinsicht schwierigen 1950er Jahre, in denen die verschiede­ nen Marketingebenen der 4 Ps ungenügend aufeinander abgestimmt waren, hatten sich den Untersuchungen von Spiegel zufolge nicht in den Köpfen der Konsumenten verankert. BMW profitierte vielmehr von dem positiven Vor­ kriegsimage der Produkte und Marke, an dessen Werte BMW mit seinem neuen Wagenprogramm in den 1960er Jahren erneut anknüpfte. Intuitiv war der Münchner Hersteller mit seinen Automobilen in eine Nische vorgesto­ ßen, in der er sich gegenüber der starken deutschen und internationalen Konkurrenz behaupten konnte. Während nach der oben zitierten Analyse Mercedes-Benz für ostentative Exklusivität stand, wurde BMW mit einer un­ prätentiösen Leichtigkeit verbunden, die dennoch als exklusiv und zugleich sportlich wahrgenommen wurde. Ein BMW-Fahrer hatte „Freude an der technischen Perfektion“,485 gleichwohl er selten selbst unter die Motorhaube blickte, jedoch gesteigerten Wert auf technisches Vokabular legte; ein Grund, weshalb die Werbung der 1960er Jahre einen ausgeprägt technischen Fokus aufwies und viele fortschrittliche, moderne Termini in der Kundenansprache verwendet wurden, wie etwa der Ausdruck „Triebwerk“ anstelle des alltäg­ licheren Begriffs „Motor“.486 Im Rahmen der in Kapitel 3.5.1 vorgestellten umfassenden Reorganisati­ onsmaßnahmen innerhalb des Vertriebsressorts hatte Hahnemann veranlasst, eine eigene Abteilung für den Bereich Public Relations einzurichten, die ab 1967 als Einheit VMB – also neben der Kontaktstelle für die Presse (VMP) – bestand. Bis Mitte der 1960er Jahre war die PR-Arbeit noch in dem Fachbe­ reich für Sportbetreuung subsumiert worden.487 Unter Public Relations wurde bei BMW bereits früh ein weit gespanntes Aufgabengebiet gefasst, das beispielsweise die Gestaltung der Werksführung und des Werksmuseums einschloss, die Ausrichtung der Hauptversammlung, aber auch die Organisa­ tion von Verkaufsseminaren für Händler und Importeure sowie jedwedes Handeln, das auf das Ansehen des Unternehmens einzahlte. Zugrunde gelegt wurde hierbei als Adressat ein breiter Öffentlichkeitsbegriff, der nicht nur BMW-interessierte Gruppen wie Kunden, Aktionäre oder Angestellte ein­ schloss, sondern die breite Öffentlichkeit der Bevölkerung und ihre Perzep­ tion fokussierte: „Die PR Arbeit trägt somit wesentlich zum Image-Aufbau eines Unternehmens bei. Bei BMW wird die PR Arbeit etwa nach folgenden Grundsätzen ausgerichtet: Wir 485  Redemanuskript

für einen Vortrag der für BMW tätigen Werbeagentur auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „Das Ansehen einer Marke (Reputation of a brand)“ vom 15. 03. 1967, in: ebd. 486  Vgl. ebd. und exemplarisch Entwurf Werbemotiv „Die Welt von morgen formen – Harmonie der Technik“, 1964, in: BMW AF 15100/4. 487 Vgl. Protokoll Nr. 17/64 der Vorstandssitzung vom 15. 09. 1964, in: BMW UA 431/1; Protokoll Nr. 21/65 der Vorstandssitzung vom 10. 08. 1965, in: BMW UA 409/1; Die wichtigsten Kontaktstellen der Abteilung Presse VMP, 1967, in: BMW UA 594/1.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

wollen nicht nur unseren Kunden und Geschäftsfreunden, sondern der Öffentlichkeit ganz allgemein demonstrieren, dass BMW ein modernes, zielbewusst geführtes Unter­ nehmen ist, dass bereits vor dem Kriege technische Pionierarbeit geleistet hat und nach allen Seiten fortschrittlich eingestellt ist.“488

Im Vergleich zu den Mitbewerbern der deutschen Automobilindustrie hatte sich in München nicht nur frühzeitig die Marktforschung als Pfeiler inner­ halb der Konzernorganisation etabliert, auch die Abstimmung zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen und ihre Koordination in Bezug auf eine einheitliche Imagebildung wurden früher als beispielsweise bei MercedesBenz oder Volkswagen eingeleitet und institutionalisiert.489 Im Übergang zwischen den 1950er und frühen 1960er Jahren wurde bei den automobilen Produkten erstmals modellübergreifend begonnen, einen BMW-spezifischen Abbinder in Prospekten und vereinzelten Anzeigenschal­ tungen einzusetzen; hier kamen sowohl „BMW… eine Klasse für sich“490 als auch „Mehr denn je … BMW“491 zum Einsatz. Diese erste Verwendung ei­ ner produktunabhängigen kommunikativen Klammer in der Kundenanspra­ che war allerdings zunächst lediglich eine kurze Episode, denn auch in der ersten Hälfte der 1960er Jahre wurde mit der Einführung der Neuen Klasse im Jahre 1962 primär auf der Produktebene kommuniziert. Demgemäß schloss die Kundenliteratur und Werbung für die viertürigen Limousinen der Mittelklasse bis Mitte der Dekade in der Regel mit dem Claim „BMW – Die Neue Klasse“492 bzw. mit dem jeweiligen Modelltyp ab; ähnlich verhielt es sich mit dem auslaufenden Kleinwagenmodell BMW 700. Erst 1965 beendete BMW die „Differenzierung in produktspezifischen Wortmarken“493 und führte unter der Ägide von Hahnemann und der damaligen Werbeagentur Gramm den bis heute bekannten Slogan „Aus Freude am Fahren“ ein, der 1972 auf zu „Freude am Fahren“ gekürzt wurde. Die Aussage „Aus Freude am Fahren“ wurde bereits in einer von der Werbeagentur Dorland 1963/64 erstellten Werbekonzeption aufgegriffen, allerdings noch nicht als Claim vorgesehen.494 Im Oktober 1964 wurde die seit den 1950er Jahren für BMW arbeitende Firma Dorland durch die Agentur Gramm – später Gramm & 488 Redemanuskript

für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.– 13. 04. 1967 „Public Relations bei BMW“ vom 31. 03. 1967, in: BMW UA 594/1. 489 Vgl. Nöhl, Markus: Automobile Symbole im Umbruch. Automobilkritik und Symbolproduktion am Ende des Booms 1965–1975, in: Tilly, Stephanie / Triebel, Flo­ rian (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013, S. 363–385; Köhler, Marketingmanagement als Strukturmo­ dell. 490  „BMW… eine Klasse für sich“, 09. 1958, in: BMW MK 271/10. 491  Werbemotiv „Wer Verantwortung trägt… fährt mehr denn je …BMW V8“, 2600, 2600 L, 3200 L, 3200 S.“, 07. 1961, in: BMW AF 14099/1. 492  Werbemotiv „So sieht man Sie. So sehen Sie ihn“, 1963, in: BMW AF 7952/2; Wer­ bemotiv „Sportlicher Chic und repräsentative Eleganz“, 1965, in: BMW AF 7951/1. 493  Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 475. 494  Vgl. BMW Werbung 1964, 1963, in: BMW UA 932/1.

3.6. Kommunikationspolitik

357

Grey – abgelöst.495 Der neue Partner war eng mit dem Vertriebsvorstand Hahnemann verbunden, der im Laufe der zweiten Internationalisierungspha­ se innerhalb des BMW-Lieferantennetzwerks ein Geflecht aus ihm nahe­ stehenden Partnern aufgebaut hatte. Auf diesen Umstand und den hieraus resultierenden Unregelmäßigkeiten wird noch genauer in dem Zwischenfazit unter Abschnitt 3.7 eingegangen. Ab 1965 schloss der Slogan gemeinsam mit dem BMW-Logo die externen Kommunikationsmittel ab. Erstaunlich ist hier, dass bei einer solch weitreichenden Entscheidung, wie der Festlegung eines produktübergreifenden Claims, der fortan untrennbar mit der Marke BMW in Verbindung stehen sollte,496 Hahnemann die weiteren Mitglieder des Vorstands nicht in die Entscheidung mit einbezog. Die Festlegung des Abbinders wurde demgemäß in keiner Sitzung des Vorstands thematisiert bzw. protokolliert.497 Diese Tatsache verdeutlicht, wie Hahnemann auch in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit den Spitznamen Mr. BMW als prägen­ de Persönlichkeit erhalten konnte. Bei der Produktsparte der BMW-Motor­ räder wurde zwar ebenfalls ab 1965 der Slogan „Aus Freude am Fahren“ ein­ gesetzt, jedoch nicht so konsequent wie in der automobilen Kommunikation. So hieß es beispielsweise in einer Anzeige zur Vorstellung der neuen Zwei­ radmodelle der /5-Baureihe von 1969 stattdessen „Aus Liebe zur Technik – BMW“.498 Ab 1973 wurde dann auch das Zweiradprogramm von BMW konsequent mit „Freude am Fahren“ beworben.499 Wie auch schon vor den 1960er Jahren üblich, wurden an die Händlerbe­ triebe von der Münchner Zentrale Vorlagen vor allem in Form von Anzei­ genmatern und Diapositiven ausgegeben, um in der Produktkommunikation ein möglichst einheitliches Auftreten zu gewährleisten.500 Dies beschränkte sich jedoch in erster Linie auf den deutschsprachigen Markt und führte dazu, dass dort im Zusammenspiel mit den oben angeführten Bemühungen das Er­ scheinungsbild der Marke BMW allmählich homogener wurde, während es im Ausland weiterhin zu Abweichungen kam, die auf den Spielraum der ein­ 495 Vgl. Protokoll Nr. 22/64 der Vorstandssitzung vom 30. 10. 1964, in: BMW UA 431/1. 496  Lediglich zum Jahresende 1965 wurden im Rahmen einer gesonderten Anzeigen­ schaltung mehrere Insertionen mit abweichenden Abbindern wie „Aus Freude am Wagen!“ oder „BMW – immer startbereit!“ geschaltet, vgl. Partnerschaftsanzeigen „Aus Freude am Wagen!“, 04. 12. 1965, in: BMW AF 8497/1; Partnerschaftsanzeigen „BMW – immer startbereit!“, 18. 12. 1965, in: AF 8497/3. 497 Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen des Jahres 1964, 1964, in: BMW UA 431/1; Protokolle der Vorstandssitzungen des Jahres 1965, 1965, in: BMW UA 409/1. 498  Werbemotiv „BMW ist mit seinem neuesten Typ nicht auf der IAA.“, 20. 09. 1969, in: MF 6305/1. 499 Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 475. Für weitere Details der Werbeentwicklung von BMW Motorrad, vgl. Biss, BMW Motorrad. 500 Vgl. Exemplarisch Anzeigenmater „BMW jetzt bei uns“, 1962, in: BMW AF 7929/4; Anzeigenmater „Wir zeigen das BMW Programm“, 1962, in BMW AF 7929/6; Anzeigenmater „Bei uns zur Probefahrt. BMW 1500“, 06. 1964, in: BMW AF 8490/5.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

zelnen Importeure und assoziierten Betriebe zurückzuführen war. Eine diese Heterogenität unterbindende Corporate Identity gab es auch in den 1960er Jahren weder für das In- noch für das Ausland. So entsprach beispielsweise der Briefkopf der Minderheitsbeteiligung BMW Italia in keinem Punkt dem Design der Münchner Zentrale.501 Eine allmähliche optische Angleichung innerhalb des internationalen BMW-Auftritts war indes gegen Ende der 1960er Jahre in der Werbung zu beobachten, denn hier achtete die Werbeabteilung VMW unter Hahnemann, gemeinsam mit der neuen Werbeagentur Gramm, explizit darauf, dass sich die Werbemotive hinsichtlich ihres Wiedererkennungswertes – also ihres se­ miotischen Aufbaus – ähnelten, worauf in Kapitel 3.6.2 näher eingegangen wird. Ausgenommen von der internationalen Heterogenität waren ebenfalls Kundendienstschulungen der zuständigen Verkaufsabteilung in München, die bereits Ende der 1950er Jahre existierten und die im folgenden Abschnitt 3.6.1 thematisiert werden. Dort wird auch aufgezeigt, dass der Aufwand zur Abstimmung und Koordination für BMW mit der sich weltweit weiter aus­ differenzierenden Handelsorganisation wuchs. Da außer den beiden Minder­ heitsbeteiligungen in Australien und Italien während der zweiten Internatio­ nalisierungsphase kein weitergehendes Engagement im Ausland in Form von Tochtergesellschaften existierte, hatte die Münchner Zentrale keine Kommu­ nikation mit ausländischen Dependancen zu koordinieren.502 Dafür trat die weltweite Abstimmung mit den einzelnen Importeuren und Handelspart­ nern in den Vordergrund, die das noch immer vergleichsweise kleine Unter­ nehmen, das lediglich über geringe Erfahrungen im Bereich ausländischer Direktinvestitionen verfügte, mit neuen Herausforderungen konfrontierte. Die seit März 1957 und somit während der ersten Phase der Internationali­ sierung durch das BMW-Verkaufsressort ins Leben gerufene Händlerzeit­ schrift „wir von bmw“ (vgl. Kapitel 2.5.2.2) intensivierte zum Jahrzehnt­ wechsel deutlich die Berichterstattung mit internationalem Fokus und liefer­ te somit BMW-Nachrichten aus den verschiedenen Märkten. Die Berichte in diesem Medium, das der Kommunikation mit den deutschen Händlern dien­ te, wiesen einen ausgesprochenen anekdotischen Charakter auf und dienten der leichten Unterhaltung. Es wurde über verschiedene Händler, Kunden­ dienstschulungen und Importeure berichtet, ebenso über Fahrten mit BMWErzeugnissen durch die ganze Welt. Später wurde im Zuge der weiteren in­ ternationalen Ausrichtung auch eine eigene Rubrik „BMW Werbung in aller Welt“ oder auch „BMW Ausland“ inszeniert, in der verschiedensprachige 501 

Vgl. Schreiben der BMW Italia SpA an die BMW AG, in: BMW UA 622/1. Da es, wie in Kapitel 2.6 bereits expliziert wurde, seit der Nachkriegszeit bis in die frühen 1970er Jahre keine Mitarbeiterkommunikation in Form einer Werkszeitung gab, kann ein solches unternehmensinternes Medium nicht zur Analyse der Interna­ tionalisierung im Bereich Kommunikation hinzugezogen werden. Das Fehlen einer solchen Zeitung zeigt jedoch zugleich, dass die Ansprache an die Belegschaft während der ersten und zweiten Internationalisierungsphase eine nachgeordnete Rolle spielte. 502 

3.6. Kommunikationspolitik

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Werbungen der Importeure abgebildet wurden; je exotischer, desto besser. Hierdurch sollte ebenfalls die internationale Couleur der Marke BMW und die weltweite Unternehmensausrichtung betont werden. Die Zeitschrift ­wurde im September 1961 eingestellt, womit ein solches Medium nicht mehr existierte, das sich primär an die Händlerschaft richtete.503 Im Gegenzug hierzu wurde mit dem „BMW Journal“ allerdings im April 1962 eine neue BMW-Zeitschrift „für die Freunde des Hauses BMW“ ini­ tiiert,504 die sich direkt an den Kunden wandte und von Anbeginn nicht nur in deutscher, sondern auch in englischer Sprache aufgelegt wurde. Auch in dieser Publikation legte man besonderen Wert auf einen hohen Unter­hal­ tungscharakter und berichtete ausführlich von BMW-Aktivitäten aus aller Welt. Der Anteil der Artikel mit internationalem Fokus, beispielsweise über die verschiedenen Montagewerke im Ausland, in denen Wagen mit dem BMW-Logo im Auftrage Münchens montiert wurden, war stark ausgeprägt. Hier gab es Rubriken, wie den „Journal Reise Bericht“, in denen über aben­ teuerliche Fahrten mit BMW-Erzeugnissen durch die verschiedenen Länder der Welt berichtet wurde, wie etwa die Durchquerung Neuseelands mit einer BMW Isetta.505 Schirmherr der Zeitschrift war Verkaufschef Hahnemann, der sich in den Editorials direkt an die Kundschaft wandte. Auch in diesem Kommunikationsmedium suchte das Unternehmen seine internationale Aus­ richtung zu betonen und präsentierte sich als Akteur, der in der Welt zu Hause war. 3.6.1.  Der Auftritt der Marke BMW weltweit Das Vertriebsressort, das während der zweiten Internationalisierungsphase primär Einfluss auf die Kommunikation und den Markenauftritt nahm, ver­ antwortete hierdurch federführend den Markenauftritt weltweit bzw. die Abstimmung mit den Handelspartnern in den verschiedenen Absatzregio­ nen. Wie in den vorangegangenen Erörterungen bereits dargestellt wurde, gab es auch in den 1960er Jahren noch keine länderübergreifende Regelung zur Ausgestaltung des BMW-Markenauftritts, die als Corporate Identity gel­ ten konnte; eine solche entstand erst während der dritten Internationalisie­ rungsphase und wird somit in Kapitel 4 diskutiert. Dennoch gab es auch während der 1960er Jahren durchaus Bemühungen, den internationalen BMW-Auftritt mit den Importeuren abzustimmen und die Verkaufsmaßnah­ men zu koordinieren, wie in diesem Abschnitt aufgezeigt werden soll. Wie bereits in der ersten Phase der Internationalisierung zu beobachten, präsentierte sich das Münchner Unternehmen auch in der folgenden Dekade 503 

Vgl. BMW AG (Hg.): Wir von BMW, Jg. 5, Nr. 9, 09. 1961, in: BMW UI 2354/1. BMW AG (Hg.): BMW Journal, Jg. 1, Nr. 1, 04. 1962, in: BMW UI 2198/1. 505 Vgl. Gaertner, Hildesuse (1962): „Mit der Isetta durch Neuseeland“, in: BMW Journal, Jg. 1, Nr. 1, S. 20–23. 504 

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

in der Kommunikation als weltweit erfolgreich agierender Hersteller von Motorrädern und Automobilen. Während jedoch diese Stilisierung in der ersten Phase – abgesehen vom fortgeschrittenen internationalen Vertrieb der Zweiräder – noch mehr Inszenierung denn Realität darstellte, wurde dieses Bild während der zweiten Phase zunehmend authentischer, gleichwohl die BMW AG die Eigendarstellung in manchen Punkten noch immer überzeich­ nete: Das Unternehmen wurde zwar zunehmend internationaler, was unter anderem durch den weltweiten Ausbau der Vertriebsorganisation zum Aus­ druck kam, jedoch wuchsen und professionalisierten sich die Prozesse, die zunehmend komplexer wurden, nicht in derselben Geschwindigkeit, wie sich die quantitative Entwicklung der Handelsorganisation vollzog. Dies führte zu Inkohärenzen einschließlich Effizienzeinbußen in der Abwicklung des steigenden Verkaufs, insbesondere im Ausland. Zwei äußerst wichtige Säulen der internationalen Kommunikation bilde­ ten auch weiterhin die Bestückung internationaler Ausstellungen, die häufig als Plattform für Produktvorstellungen genutzt wurden. Neu hingegen war Hahnemanns Votum für einen Wandel der Selbstdarstellung auf der IAA im BMW-Vorstand 1967: „Wir wollen also von einer reinen Leistungsschau zu einer Image-Schau übergehen und damit die Außenseiterfunktion von BMW in der Automobilindustrie unter­ streichen.“506

Gegen Ende der 1960er Jahre begann BMW vor diesem Hintergrund gezielt, mit dem eigenen Image des im Vergleich zur deutschen und weltweiten Kon­ kurrenz kleinen Automobilherstellers zu spielen und sich als „Underdog“ mit Erfahrung zu präsentieren. Auf dieses Image wurde ein nennenswerter Teil der Werbung in den Printmedien sowie im Fernsehen ausgerichtet, wie in Abschnitt 3.6.2 aufgezeigt wird. BMW bespielte nicht nur die Leitmessen mit hohem internationalem Re­ nommee, wie etwa den Genfer Autosalon oder die IAA in Frankfurt am Main, sondern auch kleinere Schauen, durch die man sich in bestimmten Ab­ satzregionen eine höhere Marktpenetration erhoffte. Gerne präsentierte sich der Münchner Hersteller auf den Messen als internationale Marke, indem Bilder der neuen Importeurszentren ausgestellt wurden, um zu unterstrei­ chen, in welchen Teilen der Erde die BMW AG bereits aktiv war.507 Der Teilnahme an einer Ausstellung in Budapest im Geschäftsjahr 1967 lag bei­ spielsweise eine solche Überlegung zugrunde. Wie in Kapitel 3.5.2 erläutert wurde, versuchte die BMW-Geschäftsleitung Ende der 1960er Jahre ver­ mehrt, den Handel mit den Ostblockstaaten auf- bzw. auszubauen. 1967 wurde nicht nur für den Markt Ungarn ein Importeur gewonnen, sondern auch für Jugoslawien und Bulgarien. In diesem Kontext ist auch die Bestü­ ckung der vergleichsweise kleinen Messe in Budapest als strategischer Zug zu 506  507 

Protokoll Nr. 24/67 der Vorstandssitzung vom 15. 06. 1967, in: BMW UA 411/1. Vgl. Protokoll Nr. 24/67 der Vorstandssitzung vom 15. 06. 1967, in: ebd.

3.6. Kommunikationspolitik

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werten. Die Teilnahme an internationalen Ausstellungen wurde – wie bereits in den 1950er Jahren – regelmäßig in den Geschäftsberichten aufgegriffen und unter dem Zeichen der zunehmenden Internationalisierung des Unter­ nehmens kommunikativ betont.508 In diesem Kontext wurde auch der Zuge­ winn von Importeuren in neu zu erschließenden Absatzregionen beständig in den Berichten zu den einzelnen Geschäftsjahren thematisiert und die Er­ öffnung neuer Geschäftsräume von Importeuren oder von Importzentren bebildert dargestellt.509 Auch der stetige Ausbau des Händlernetzwerks und des Kundendienstes wurden ausgeführt.510 Die Anzahl von Werkstätten und Händlerbetrieben wurde stetig ausgebaut (vgl. Kapitel 3.5.2, Abbildung 24) und die Zahlen kommuniziert, doch auch die Qualität des Kundendienstes musste angehoben werden. Um diese zu verbessern, führte BMW im Kun­ dendienst- sowie in der Ersatzteile-Organisation 1964 ein Honorierungs­ system ein, das mit der Verleihung des Goldenen Bandes für den „BMW Meister-Service“ und das „BMW Muster-Lager“ öffentlichkeitswirksam auf­ bereitet und ebenfalls in den Geschäftsberichten thematisiert wurde.511 Auch für Importeure gab es 1968 eine goldene Medaille, die auf dem Impor­ teurstreffen in Zürich verliehen werden und zu einem „BMW-Olympischen Wettstreit“ unter den internationalen Partnern führen sollte.512 Darüber ­hinaus wurden regelmäßig Mitarbeiter der Importeure aus den einzelnen Märkten nach München geladen, um dort an Schulungen, beispielsweise im Bereich des Kundendienstes, teilzunehmen.513 508 BMW

nahm überdies auch an recht kleinen Ausstellungen in Barcelona, Izmir, Thessaloniki, Los Angeles und San Francisco teil, vgl. Bericht der Bayerischen Moto­ ren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. 509 Vgl. exemplarisch Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 52. Ge­ schäftsjahr 1967, 1968, in: BMW UU 53/10. 510 Vgl. exemplarisch Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Ge­ schäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. 511 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 49. Geschäftsjahr 1964, 1965, in: BMW UU 47/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 50. Ge­ schäftsjahr 1965, 1966, in: BMW UU 48/10. Die ausgezeichneten Betriebe und besten Verkäufer wurden mit einer Einladung in den sogenannten „Dixi-Club“ belohnt. Hier durften sie gemeinsam mit Mitgliedern des Vorstands und Direktoren der BMW AG diskutieren und konnten an diversen exklusiven Aktivitäten teilnehmen, wie etwa Runden auf Versuchs- und Rennstrecken mit BMW-Werksfahrern, vgl. Grunert/Trie­ bel, Das Unternehmen BMW, S. 434. Der Dixi-Club beruhte auf einem Punktesystem, bei dem jeder Fahrzeugtyp eine gewisse Punktzahl zugewiesen bekam, der Verkäufer bei dessen Verkauf erwarb. Es mussten mindestens 840 Punkte binnen eines Jahres erreicht werden, um Mitglied zu werden. Im Ausland hatten bereits Verkäufer aus der Schweiz und aus Österreich diese Auszeichnung erlangt, vgl. Redemanuskript des Leiters der Abteilung Verkäuferschule (VMV) für einen Vortrag auf dem BMW-Im­ porteur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „Verkäuferschule im Ausland“, 20. 03. 1967, in: BMW UA 594/1. 512  Vgl. Rundschreiben der BMW AG an die Importeure vom 14. 11. 1968, in: BMW UA 516/1. 513  Vgl. Reisebericht Japan 28. 07.–03. 08. 1970 vom 18. 08. 1970, in: BMW UA 514/1.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Ein weiterhin wichtiges kommunikatives Mittel waren die Rennsport­ erfolge, die über verschiedene Medien inszeniert wurden. Sowohl in der Werbung wurden sie kommuniziert als auch in den Geschäftsberichten. Selbstverständlich trug die Berichterstattung über unabhängige internationa­ le Medien ebenfalls zur positiven Imagebildung des Unternehmens und dem Transfer sportlicher Werte auf die Marke und ihre Serienprodukte bei. Wie wichtig der Rennsport für BMW war, kam in ihrer Institutionalisierung über eine eigene Abteilung in der Unternehmensorganisation zum Ausdruck, die im Verkaufsressort eingegliedert war.514 Des Weiteren achtete Hahnemann darauf, dass auch auf den internationalen Messen das Rennsportengagement aufgegriffen wurde, wie etwa mit der Ausstellung des Tourenwagens der Eu­ ropameisterschaft auf der IAA 1969.515 Hahnemann legte ebenso als Ver­ triebsleiter fest, an welchen Rennveranstaltungen BMW teilnahm. So hatte seine Benachrichtigung der weiteren Mitglieder des Vorstands, dass er geden­ ke, BMW im Jahre 1967 nicht mehr an Rallyes teilnehmen zu lassen, sondern an Rennen der Formel II, auch mehr einen informativen denn einen abstim­ menden Charakter.516 Diese Entscheidung und Hahnemanns Vorgehen un­ terstreicht fernerhin, wie weit sein Entscheidungs- und Handlungsspielraum Ende der 1960er Jahre bereits reichte: Hahnemann machte Vorschläge und wirkte federführend auf das Motorsportengagement ein, während sein Vor­ standskollege Osswald, ab 1965 zuständig für den Bereich Entwicklung und Konstruktion, lediglich konsultativ hinsichtlich Machbarkeit und Kostenab­ schätzung einbezogen wurde.517 Erst mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim, der im Januar 1970 sein Amt antrat, erhält Hahnemann er­ neut ein Gegengewicht im Führungsgremium der BMW AG. Bereits im Mai desselben Jahres wird die Teilnahme an der Formel II vor allem auf Wirken des neuen Vorstandsvorsitzenden vor dem Hintergrund der bisherigen sport­ lichen Misserfolge auf den Prüfstand gestellt.518 Im Oktober 1970 beschloss der Vorstand in einer eigens hierzu einberufenen Sondersitzung, aus der For­ mel II auszusteigen und stattdessen den seriennäheren Tourenwagensport zu forcieren.519 Dies war eine von mehreren Interventionen, die von Kuenheim gegenüber Hahnemanns Entscheidungen einleitete. 514 Vgl. Protokoll Nr. 17/64 der Vorstandssitzung vom 15. 09. 1964, in: BMW UA 431/1; Kontaktstellen der Abteilungen Werbung VMW und Presse VMP, 1967, in: BMW UA 594/1. 515 Vgl. Protokoll Nr. 28/69 der Vorstandssitzung vom 02. 09. 1969, in: BMW UA 412/1. 516 Vgl. Protokoll Nr. 37/66 der Vorstandssitzung vom 22. 11. 1966, in: BMW UA 411/1. 517 Vgl. Protokoll Nr. 24/68 der Vorstandssitzung vom 22. 10. 1968, in: BMW UA 412/1. 518 Vgl. Protokoll Nr. 14/70 der Vorstandssitzung vom 05. 05. 1970, in: BMW UA 800/1. 519  Vgl. Protokoll Nr. 25/70 der Vorstandssitzung vom 15. 09. 1970, in: ebd.; Proto­ koll Nr. I/30/70 der Vorstandssitzung vom 13. 10. 1970, in: ebd.

3.6. Kommunikationspolitik

363

Bis von Kuenheim sein Amt bei dem Münchner Automobil- und Motor­ radhersteller antrat, prägte vor allem Hahnemann die Geschicke des Unter­ nehmens, der durch seinen weitgehenden Einfluss den damaligen Vorsitzen­ den des Vorstands Wilcke zeitweilig deutlich verblassen ließ. Diesem K ­ apitel vorangehend ist bereits erörtert worden, dass Hahnemann als Vertriebschef maßgeblich auf den internationalem Auftritt der Marke BMW Einfluss nahm. Um die Aktivitäten der Importeure und ihrer assoziierten Händler­ betriebe besser koordinieren und auf eine einheitliche BMW-Linie bringen zu können, führte Hahnemann wiederkehrende Händler- und Impor­ teurstreffen in München ein. Diese Veranstaltungen durchliefen während der 1960er Jahre selbst einen Wandlungsprozess und professionalisierten sich zunehmend. Anfangs handelte es sich um mehrtägige Veranstaltungen mit zahlreichen Vorträgen, wobei die Referenten sowohl Abteilungsleiter aus der BMW-Zentrale waren, externe Dienstleister wie die Werbeagentur Dorland oder Gramm hinzugezogen wurden als auch gelegentlich die ange­ reisten Importeure selbst über ihre Region und Tätigkeiten referierten.520 Während der frühen 1960er Jahre fanden mehrere solcher Treffen statt, die allerdings noch primär als Händlertagung firmierten, die vor allem Pro­ duktvorstellungen gegenüber den Handelspartnern fokussierten, zu denen lediglich einige europäische Importeure hinzu geladen wurden.521 Im weite­ ren Verlauf wurden diese Veranstaltungen getrennt, wobei mitunter Impor­ teurstreffen auch als Randprogramm wichtiger Ausstellungen aufgrund ih­ rer internationalen Reichweite wie der IAA geplant wurden.522 In der Regel fanden diese Zusammenkünfte mindestens einmal im Jahr statt. 1966/67 hat­ ten diese Treffen bereits den Rang einer mehrtägigen Marketingtagung mit professionellem Charakter erlangt. 1966 etwa hatte die BMW-Verkaufsab­ teilung gemeinsam mit den geladenen Importeuren eine Export-Marketing­ tagung mit dem Titel „Weltgeltung für BMW – unsere gemeinsame Auf­ gabe“ abgehalten, um das Unternehmen weiter auf internationalen Kurs zu bringen.523 Laut Dr. Bergmann, Leiter der Hauptabteilung Marketing (VM) der BMW AG und somit Hahnemann direkt unterstellt, hatte sich zunächst die neu aufgesetzte BMW-Organisation der Marketingabteilung innerhalb des Vertriebsressorts finden und dieses System im Unternehmen einspielen müssen, ehe sie in die gesamthafte BMW-Struktur mit ihren einzelnen Im­ porteuren übernommen werden konnte. Dieser Zeitpunkt war 1967 gekom­ 520 Vgl. Programm der Marketing-Tagung „Ausland“ in München vom 10.–13.  04.  1967, in: BMW UA 1521/1. 521 Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 02. 1962, in: BMW UA 731/2; Protokoll Nr. 11/65 der Vorstandssitzung vom 02. 06. 1965, in: BMW UA 409/1. 522 Vgl. Protokoll Nr. 33/67 der Vorstandssitzung vom 22. 08. 1967, in: BMW UA 411/1. 523 Vgl. Redemanuskript von Bergerhausen, Leiter der BMW-Werbeabteilung (VMW), für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „BMW Werbemaßnahmen“, 04. 1967, in: BMW UA 594/1.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

men und so definierte Bergmann den Anlass zur Tagung sowie die gemein­ same Aufgabe wie folgt: „Das stete Interesse, das die Marketing-Belange bei Ihnen auslöste[n], und die vielen Fragen, die im Zusammenhang damit an uns herangetragen wurden, waren neben der akuten Notwendigkeit, innerhalb unserer weltweiten BMW-Organisation zu einem integrierten und weitgehend harmonisierten Marketing-Verhalten zu kommen, An­ lass, zu dieser Tagung einzuladen. […] An dieser Stelle darf ich einfügen, dass wir ­erfreulicherweise in einigen Ländern vorbildliche und damit auch sehr erfolgreiche Organisationsformen einer Marketing-Abteilung bei den BMW-Importeuren haben. Diesen Stand wollen wir nunmehr generell erreichen und darüber hinaus durch Koor­ dination unserer Marketing-Bemühungen die Gesamtwirkung für BMW erhöhen.“524

In der Regel stellten die Marketingabteilungen (vgl. Kapitel 3.5.1, Abbildung 23) in München umfangreiches Unterlagenmaterial für die Importeure im Ausland zusammen. Ziel hierbei war es, eine gemeinsame Linie in der Au­ ßendarstellung der Marke und ihrer Produkte in der Kommunikation zu er­ reichen, ohne die landesspezifischen Eigenheiten des jeweiligen Marktes au­ ßer Acht zu lassen.525 Neben kostenlosen Materialien schloss dies auch kos­ tenpflichtige Maßnahmen zur Verkaufsförderung ein, wie etwa diverse Beschilderungen, Leuchtzeichen oder Fahnen.526 Die von der Münchner Zentrale zur Verfügung gestellten Unterlagen sollten die Partner vor Ort un­ terstützen. Nicht immer erreichten diese jedoch die Importeure rechtzeitig, wodurch einige von ihnen bei der Einführung von neuen Modellen ohne Verkaufsliteratur arbeiten mussten, was auch aus Sicht der BMW-Verkaufs­ abteilung in der Tat retrospektiv ein untragbarer Zustand war.527 Neben dem Versand dieser Materialien stellte jedoch auch die bisweilen mangelhafte Er­ satzteilversorgung der Importeure eine für sie nicht haltbare Situation dar, da sie hierdurch die ihnen angeschlossenen Händler und Werkstätten nicht be­ liefern konnten. In Frankreich erreichten im Februar 1969 die Fehlstände an Ersatzteilen für Automobile mehr als 750 und für Motorräder über 100 Posi­ tionen, worunter die Marke BMW deutlich litt. Nach Angaben von Thodorof, Inhaber des französischen Importeurs BMW France SA,528 griff die franzö­ sische Konkurrenz diesen Missstand in ihrer Kommunikation auf, um für BMW einen Wettbewerbsnachteil zu erwirken.529 1969 brachen die Absatz­ 524  Redemanuskript von Dr. Bergmann, Leiter der Abteilung Inlandsverkauf, „Mar­ keting bei BMW“ vom 05. 04. 1967. in: ebd. 525 Vgl. Redemanuskript von Bergerhausen, Leiter der BMW-Werbeabteilung (VMW), für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „BMW Werbemaßnahmen“, 04. 1967, in: ebd. 526  Vgl. Aufstellung über an die Märkte ausgeliefertes Material, 1966, in: BMW UA 1521/1. 527 Vgl. Besuchsbericht USA des Vertriebsvorstand Bob Lutz vom 23.–29. 06. 1973, 05. 07. 1973, in: BMW UA 1573/1. 528  Im September 1964 wurde der Bitte des langjährigen französischen Importeurs ent­ sprochen, den Firmennamen von Impérial Garage in BMW France SA ändern zu dür­ fen, vgl. Protokoll Nr. 9/64 der Vorstandssitzung vom 24. 04. 1964, in: BMW UA 431/1. 529  Vgl. Übersetzter Brief von Thodorof, BMW France SA, an den BMW-Ersatzteil­ vertrieb (VT) vom 22. 02. 1969, Übersetzung vom 27. 02. 1969, in: BMW UR 4183/1.

3.6. Kommunikationspolitik

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zahlen in Frankreich im Zusammenspiel mit der DM-Aufwertung und Franc-Abwertung ein.530 Trotz verschiedener Maßnahmen mussten auch 1970 Probleme im französischen Ersatzteildienst festgestellt werden. Wäh­ rend 1969 noch das Hauptverschulden bei der Disposition in München zu suchen war, musste nun der französische Importeur nachbessern und weite­ res Personal im Außendienst einstellen, um die assoziierten Händler und Werkstätten besser betreuen und mit Ersatzteilen versorgen zu können.531 Darüber hinaus kam es auch werkseitig noch während der zweiten Interna­ tionalisierungsphase zu Problemen bei der Auslieferung von Fahrzeugen, worauf bereits in Abschnitt 3.5.2.3 hingewiesen wurde. Teilweise kam es zu Ausfällen der Lieferungen, zu starken Verzögerungen oder aber auch zur Übergabe mehrerer verzögerten Monatsbestellungen auf einmal, was den ­jeweiligen Importeur aufgrund beschränkter Lagermöglichkeiten ebenfalls in Schwierigkeiten brachte und besonders häufig in den Ländern des Fernen Ostens zu beobachten war.532 Bisweilen kam es zu eklatanten Fehlplanun­ gen, die es dem Importeur stark erschwerten, eine durchschlagskräftige ­Organisation im jeweiligen Markt aufzubauen. In Japan etwa wurde dem Partner Balcom Trading Company 1970 eine Teillieferung von 270 Einheiten zugesagt, tatsächlich wurden lediglich zwei Einheiten geliefert, woraufhin sich der Direktor des japanischen Importeurs Child gegenüber Winkler be­ schwerte, dem Leiter der BMW-Exportabteilung, der wiederum seine Er­ fahrungen während eines Besuches in Japan wie folgt festhielt: „Wie soll man eine Organisation ausbauen, wenn das Werk die Unterstützung darin sieht, dass es anstatt gesteigerte Stückzahlen zu liefern, die Lieferungen erheblich be­ schneidet. […] Ferner wurde mir vorgehalten, dass die in größeren Stückzahlen ge­ lieferten 6-Zylinder-Fahrzeuge in Qualität und Ausführung Anstände gaben, dass da­ durch der Verkauf erheblich erschwert wurde. Nicht zu sprechen von der schlechten Ersatzteilbelieferung, die die Instandsetzungsarbeiten bei diesen Fahrzeugen vor ­weitere Probleme stellte. […] Mr. Child beanstandete ferner die sehr schlechte Zu­ sammenarbeit mit dem Werk.“533

In der Abstimmung mit den internationalen Partnern hatte auch die Zentrale in München nicht nur im Bereich der Kommunikation hinzuzulernen, son­ dern auch in der Logistik, um die Bestellungen und Transporte besser ko­ ordinieren zu können. Insbesondere die Abstimmung mit weit entfernten Märkten stellte eine Herausforderung aus geographischer, zeitlicher und kul­ tureller Sicht dar. Bereits auf rein administrativer Ebene kam es hier zu Pro­ blemen, da noch Ende der 1960er Jahre wiederholt vermeidbare zeitliche Verzögerungen auftraten, da wichtige Materialien versehentlich via Seefracht anstatt mit Luftpost versandt wurden und somit dringende Unterlagen nicht 530  Vgl.

VDA (Hg.): Jahresbericht 1969/70, S. 77–79; Bericht der Bayerischen Moto­ ren Werke über das 54. Geschäftsjahr 1969, 1970, in: BMW UU 55/10. 531  Vgl. Brief von Dr. Job, Leiter Ersatzteilvertrieb (VT), an Thodorof, BMW France SA, vom 11. 09. 1970, in: BMW UR 4156/1. 532  Vgl. Reisebericht Japan 01.–05. 12. 1968 vom 10. 12. 1968, in: BMW UA 514/1. 533  Reisebericht Japan 28. 07.–03. 08. 1970 vom 18. 08. 1970, in: ebd.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

rechtzeitig beim Importeur oder in der Zentrale vorlagen.534 Im Mai 1965 wurde durch Hahnemann ferner in Diskussion gebracht, dass werbliche Gründe dafür sprächen, den europäischen Importeuren das Recht zuzuspre­ chen, in ihrem Firmennamen die Buchstaben BMW tragen zu dürfen, was bis dahin vertraglich untersagt gewesen war, um dem Image der Marke BMW nicht zu schaden, falls es zu Zuwiderhandlungen seitens des Partners kam. Der Vorstand stimmte unter der Prämisse zu, dass mit der jeweiligen Na­ mensänderung die vertraglich abgesicherte Möglichkeit des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung von 25 bis 30 Prozent einherging, um die Handhabe einer Sperrminorität zu erhalten. Ziel war es darüber hinaus laut Vorstands­ vorsitzenden Wilcke, zusätzlich das Recht für BMW abzusichern, langfristig die Minderheitsbeteiligung in eine Mehrheitsbeteiligung wandeln oder den Namen wieder entziehen zu können.535 Die Namensänderung der Impor­ teure unter Verwendung des Fimenakronyms zeigt, wie eng die Zusammen­ arbeit mit den ausländischen Handelspartnern Mitte der 1960er Jahre gewor­ den war und wie weit insbesondere Hahnemann ihnen vertraute, im Interes­ se der BMW AG zu handeln. Das Recht wurde jedoch zunächst lediglich den europäischen Betrieben zugestanden, da diese aufgrund der geographischen und kulturellen Nähe aus Sicht des Vorstands besser zu kontrollieren waren. Oftmals musste darüber hinaus in verschiedenen Märkten in der Kommuni­ kation noch Aufklärungsarbeit geleistet werden, die bereits bei dem Akronym des Firmennamens BMW beginnen konnte, denn nicht selten wurde dieses fälschlicherweise als „British Motor Works“ entschlüsselt.536 Diese Assoziation war primär nachteilig, da sich die im Abstieg befindliche britische Motor­ industrie in der Welt über keinen guten Ruf mehr verfügte.537 Um mit diesem Missverständnis aufzuräumen und um von dem positiv konnotierten Image deutscher Exportgüter und Qualität zu profitieren, war gezielte Kommuni­ kationsarbeit vonnöten. In den USA etwa wurden die höherwertigen Sechs­ zylindermodelle des BMW 2800 und BMW 3.0 S Ende der zweiten Internatio­ nalisierungsphase unter der Bezeichnung ­„Bavaria“ eingeführt. Dieser Name war einzig dem US-Markt vorbehalten, wo in der Kundenansprache sowie später im Motorsportengagement auch als einziger Markt das Akronym mit­ unter als „Bavarian Motor Works“ aufgeschlüsselt wurde,538 mitunter sogar als Ersatz für den übersetzten Firmenslogan „Aus Freude am Fahren“.539 Diese 534  Vgl.

Reisbericht Japan 04.–07. 12. 1966, VE, Winkler, in: ebd.; Besuchsbericht USA des Vertriebsvorstand Bob Lutz vom 23.–29. 06. 1973, 05. 07. 1973, in: BMW UA 1573/1. 535 Vgl. Protokoll Nr. 10/65 der Vorstandssitzung vom 25. 05. 1965, in: BMW UA 409/1; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 18. 12. 1968, in: BMW UA 542/2. 536  Vgl. [o. V.] (1989): Manager und Märkte, in DIE ZEIT, Jg. 44, Nr. 16 vom 14. 04. 1989. 537  Für weiterführende Details, vgl. Church, Rise and Decline. 538 Vgl. Protokoll Nr. 24/70 der Vorstandssitzung vom 08. 09. 1970, in: BMW UA 800/1; Protokoll Nr. 26/70 der Vorstandssitzung vom 22. 09. 1970, in: ebd. 539  Werbemotiv „Bavarian cream.“, 06. 1973, in: BMW AF 19529/1; Englischer Pros­ pekt „BMW 3. 0 S“, 04. 1973, in: BMW AK 2102/25.

3.6. Kommunikationspolitik

367

Maßnahme kann im weitesten Sinne auch als eine Erscheinung der Glokalisie­ rung gewertet werden (vgl. Kapitel 1.2.1), durch die global aktive Hersteller ihre Kommunikation „[…] auf die länderspezifischen Vorstellungswelten und deren je unterschiedliche Akkulturation an die globalen Vorgaben abstim­ men.“540 Die BMW AG war in den 1960er Jahren noch keineswegs ein global vernetztes Unternehmen, jedoch begann sie, in einem so wichtigen Markt wie den USA, die Kundenansprache gezielt auf die US-Klientel abzustimmen. Dies erzielte das Münchner Verkaufsressort durch das Einräumen eines noch grö­ ßeren Handlungsspielraums gegenüber ihrem PKW-Generalimporteur HMC. Darüber hinaus sah sich die Kommunikation mit der Tatsache konfron­ tiert, dass Importfahrzeuge im Ausland nicht immer als reizvollere oder bes­ sere Alternative zu den einheimischen Fabrikaten galten. Insbesondere in den USA mussten sich die ausländischen Hersteller – auch aus Europa – erst einen Namen machen und eine Nische erkämpfen, um Fuß fassen zu kön­ nen.541 In einigen Ländern war das Image ausländischer Wagen dergestalt ne­ gativ, dass es die Importeure äußerst schwer hatten, dieses umzuprägen. Lüder Paysen, Managing Director der BMW-eigenen Vertriebstochter in Japan, die 1981 gegründet wurde, reflektierte hierzu rückblickend: „Aber das Image importierter Autos [in Japan, Anm. d. Verfasserin] war von US-Mo­ dellen geprägt und hinderlich. Sie galten, so Paysen, als ‚überteuerte Benzinsäufer, die von Gangstern bevorzugt wurden‘.“542

Hintergrund hiervon war, dass insbesondere Daimler-Benz oftmals als Mar­ ke von der japanischen Mafia bevorzugt wurde und somit lange Zeit im Land der aufgehenden Sonne als Fahrzeug der Yakuza galt. Dieser Umstand führte beispielsweise zu einer Schlagzeile in den deutschen Medien, dass auf man­ chen Parkplätzen in Japan keine ausländischen Fahrzeuge zugelassen waren, was im Ausland allgemeinhin als Diskriminierung von Fremdfabrikaten in­ terpretiert wurde. Dieses Verbot erwirkten einige japanische Betriebe, oft­ mals Restaurants und Spielcasinos, um den Besuch der örtlichen Mafia zu unterbinden, die überwiegend ausländische Wagen fuhren und denen der Zu­ tritt zu dem Gelände nicht direkt untersagt werden konnte.543 Wie wirksam dieser Versuch tatsächlich war, ist durchaus zu bezweifeln, allerdings zeigt dieses Beispiel, mit welch ungewöhnlichen Situationen Importmarken mit­ unter in fremden Ländern imageseitig konfrontiert wurden. Um diesen marktspezifischen, oftmals hochsensiblen und auf kulturellen Unterschieden beruhenden Eigenheiten begegnen zu können, war es, insbe­ sondere für ein im internationalen Vergleich noch kleines Unternehmen wie 540 Mattelart, Armand: Kultur und Globalisierung. Marktmacht gegen Vielfalt, Zü­ rich 2006, S. 91. 541  Vgl. weiterführend Köhler, Small Car Blues; Rader, U.S. Auto Market. 542 Kahlen, Rudolf (1989): Manager und Märkte, in DIE ZEIT, Jg. 44, Nr. 16 vom 14. 04. 1989. 543 Vgl. ebd; Becker, Helmut (1984): Duell der Deutschen, in: DIE ZEIT, Jg. 39, Nr. 30 vom 20. 07. 1984.

368

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

der BMW AG, in den 1960er Jahren außerordentlich schwierig, eine kulturell sensitive Kommunikationspolitik von der Münchner Zentrale aus zu steuern, die diesen Herausforderungen gerecht wurde. Während dieser Dekade hatte Hahnemann jedoch eine Hauptabteilung für Marketing mit dem Kürzel VM innerhalb des Vertriebsressorts aufgebaut, die sich zunächst vermehrt den Anforderungen des Binnenmarktes widmete und sich ab 1967 zunehmend den internationalen Herausforderungen stellte (vgl. Kapitel 3.5.1, Abbildung 23). Im Vordergrund standen hierbei vorderhand die Gewinnung eines Über­ blicks zu den weltweit durch die Partner initiierten Aktionen und die Koor­ dination der Kommunikationsarbeit sowie der Versuch, diese nach den BMW-Vorgaben möglichst einheitlich durch die Importeure vor Ort gestal­ ten zu lassen. Während der zweiten Internationalisierungsphase ging es also weniger darum, die Importeure zentral von München aus zu steuern und die Kommunikation in jedem Land selbst durchzusetzen; eine solche Steuerung konnte die Unternehmensorganisation zu diesem Zeitpunkt noch nicht leis­ ten. Die konzertierte Koordinierung der Maßnahmen von der Münchner Zentrale aus begann während der zweiten Hälfte der 1960er Jahre und war somit noch in ihren Anfängen. Da Kommunikation in dieser Phase der inter­ nationalen Ausrichtung primär noch als Markt- und Produktkommunikation ausgelegt wurde, soll in dem folgenden Abschnitt 3.6.2 über die Werbemaß­ nahmen näher auf diese ersten Koordinierungsmaßnahmen sowie auf einige Beispiele eingegangen werden. Die vom Zentralmarketing in München finanziell unterstützten Leistun­ gen in den einzelnen Exportmärkten beliefen sich 1966 auf umgerechnet 3,14 Mio. DM und waren somit gegenüber dem Vorjahr um rund 8,0 Prozent ge­ stiegen. Der Anstieg war unter anderem auf die Einführung neuer Modelle zurückzuführen, wie der Baureihe der 02er Serie oder des BMW 2000 der Neuen Klasse. Das Leistungsspektrum der Unterstützung reichte von Wer­ bezuschüssen, den oben genannten in München zusammengestellten kosten­ losen Materialen, Ausstellungen, Zahlungen für Insertionen, PR-Kampag­ nen, allgemeiner Verkaufsförderung, Presseempfängen bis zum Engagement bei lokalen Sportereignissen. Besonders stark ins Gewicht fiel hierbei der ­Bereich der Werbung inklusive ihrer Anzeigenschaltung. Die US-Importeure für Automobile, HMC, und für Motorräder, Butler & Smith, erhielten 1966 den höchsten Zuschuss unter den ausländischen Partnern in Höhe von 938 160 DM gegenüber lediglich 50 000 DM im Vorjahr, wobei der deutlich größere Anteil an Hoffman überwiesen wurde.544 Im Vergleich zu den Zuschüssen, die den Importeuren von der Münchner Zentrale noch 1964 gewährt wurden, waren in vielen Märkten die Zahlungen bis 1966 deutlich gestiegen, vor allem in den USA, Belgien, Italien, Frankreich und Großbritannien, wobei die Kosten für den US-Markt nahezu explodier544  Vgl. Gesamtübersicht der Kosten aus dem VM-Bereich 1965–1966, 1966, in: BMW UA 1521/1.

PKW-Einheiten (Stückzahl)

14.000

4.000.000

12.000

3.500.000 3.000.000

10.000

2.500.000

8.000

2.000.000

6.000

1.500.000

4.000

1.000.000

2.000

Angaben in DM

369

3.6. Kommunikationspolitik

500.000 0

1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971

PKW-Einheiten

BMW-Zuschuss für Werbung und Verkaufsförderung

Abbildung 28: PKW-Lieferungen in die USA, Umsatzzahlen und Zuschuss für den Werbeaufwand der BMW AG auf dem US-Markt, 1962–1971.545

ten und von knapp 240 000 DM (1964) auf 1,02 Mio. DM (1966) anstiegen. In den Niederlanden, Österreich, Schweiz, Griechenland, Schweden sowie in den asiatischen Ländern blieben die Leistungen hingegen relativ stabil.546 Die Zuschüsse waren durchaus auch vor dem Hintergrund der zunehmenden ­Bemühungen zu sehen, den BMW-Markenauftritt anzugleichen und Kom­ munikationsmaßstäbe einzuführen. Ein Revisionsbericht, der sämtliche Kos­ tenarten des Marketing-Etats 1970 mit Auswirkungen auf vorhergehende und spätere Abrechnungszeiträume adressierte, zeigte allerdings Anfang der 1970er Jahre auf, dass Hahnemann über Jahre hinweg Gelder in Millionen­ höhe veruntreut hatte, die er unter anderem über Zahlungen an einige Im­ porteure, hier vor allem an HMC, verdeckt auf Hahnemanns Konto bzw. ihm zugewiesenen Sonderkonten hatte überweisen lassen.547 Bei den Daten über die Marketingaufwände für den US-Markt ist also nicht in Gänze ge­ klärt, inwiefern oder ob sich überhaupt diese verdeckte Veruntreuung in den hier aufgeführten Zahlen niederschlägt. Dennoch sollen die Angaben in ­Abbildung 28 eine Orientierung über die Marketingkosten der Jahre 1962 bis 545 Eigene Berechnungen, vgl. BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952– 1965, in: BMW UA 1273/1; Abnahmen der Importeure 1965–1967, 12. 01. 1967, in: BMW UA 1486/1; Umsatzzahlen und Werbeaufwand USA vom 06. 06. 1972, in: BMW UA 1615/1. Der Umsatz für die Jahre 1962 bis 1968 wurde auf der Basis der durchschnittlichen Netto-Stückpreise geschätzt. Bei den Angaben der Jahre 1969 bis 1971 handelt es sich hingegen um exakte Zahlen. 546  Vgl. Gesamtübersicht der Kosten aus dem VM-Bereich 1965–1966, 1966, in: BMW UA 1521/1. 547  Vgl. Revisionsberichte 1972, 1–18 [AZ], 1972, in: BMW UR 6271/1.

370

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

1971 bieten, die im Kontext der genaueren Zahlen aus Tabelle 41 zu sehen sind. 1965

1966

1967

1968

1969

1970

1971

496 732 1 021 210 1 086 740 2 328 620 3 494 983 3 118 301 3 589 750 BMWZuschuss BMW9 840 000 8 672 000 31 948 000 68 790 000 100 394 095 94 090 496 130 905 917 Umsatz

Tabelle 41: Zuschuss für Werbung und Verkaufsförderung sowie Umsatz der BMW AG für den US-Markt (Angaben in DM), 1965–1971.548

Der parallele Verlauf der Graphen zeigt den Einfluss der Zuschüsse für Werbung und Verkaufsförderung der BMW AG für den PKW-Absatz in den USA. Hinzu gerechnet werden muss das Werbebudget von HMC, zu wel­ chem jedoch keine Zahlen vorliegen. Die Angaben aus Tabelle 41 gibt Ein­ blick in die parallel verlaufende Entwicklung von Umsatz und Absatz in den USA, gleichwohl hierbei nicht deutlich wird, dass der Gewinn für die BMW AG nicht in demselben Umfang stieg, da die durch HMC erhobenen Margen das Plus nivellierten. Des Weiteren verdeutlicht Abbildung 28, wie sich der erhöhte Zuschuss für Werbung und Verkaufsförderung unmittelbar positiv auf das Automobilgeschäft in den USA auswirkte. Mit einer Steigerung der Bezuschussung der Werbeausgaben um ganze 623 Prozent zwischen 1965 und 1971 konnte in demselben Zeitraum eine Umsatzerhöhung um 1 230 Prozent erzielt werden, was einem Wert von 130,91 Mio. DM entsprach, während die Zuschüsse aus München bei rund 3,51 Mio. DM lagen. Der Rückgang der ohnehin niedrigen Lieferumfänge an PKW-Einheiten in die USA im Jahre 1963, in welchem der Export zeitweise auf rund 200 Einheiten zurückfiel, war hingegen keine gesamtdeutsche Erscheinung innerhalb der Automobilindustrie, die ihre Absatzzahlen in den USA weiter ausbauen konnten, sondern ein rein BMW-spezifisches Phänomen; ebenso sind auch die Umsatz- und Absatzeinbußen der BMW AG aus dem Jahre 1970 in ­diesem Kontext zu interpretieren.549 Der kurzzeitige Rückgang war auf die Differenzen zwischen BMW und seinem Automobilimporteur HMC zu­ rückzuführen, dem vorübergehend der Import von BMW-Wagen entzogen und dieser 1959 für kurze Zeit auf Fadex übertragen wurde, der bis dahin für die Einfuhr der BMW-Kleinwagenmodelle verantwortlich war. Demgemäß wurde HMC temporär nicht im Händlerverzeichnis der BMW AG gelis­ tet.550 Rasch wurde jedoch deutlich, dass die Firma Fadex aufgrund unzu­ 548 Vgl. Umsatzzahlen und Werbeaufwand USA vom 06. 06. 1972, in: BMW UA 1615/1. 549 Vgl. VDA (Hg.): Tätigkeitsbericht 1963/1964, S.  3; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1970/71, S. 32f. 550  Vgl. Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit – Ausga­ be 06/1962, 1962, in: BMW UU 3113/10.

3.6. Kommunikationspolitik

371

reichender Handelsstrukturen und Finanzmittel der neuen Aufgabe nicht gewachsen war. Als Konsequenz bat der Inhaber Oppenheimer noch in ­demselben Jahr um die Auflösung des Vertrages.551 In Ermangelung von Al­ ternativen richtete sich BMW in dieser Situation Anfang der 1960er Jahre wieder an Hoffman und engagierte dessen Firma HMC erneut als General­ importeur für das BMW-Wagenprogramm in den USA. Die Entscheidung, nochmals mit HMC zusammenzuarbeiten, erstaunt vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen Jahren wiederholt geäußerten Vorbehalte gegen­ über Hoffman und der konstatierten Schwierigkeiten, die sich aus der ­Kooperation bis dato ergeben hatten.552 Rückblickend sprach die Unter­ nehmensleitung 1974 dann sogar davon, den Importeursvertrag mit HMC nun endlich aufzulösen und somit „diese langjährige Belastung von BMW abzu­wenden“,553 die sich aus mehreren groben Vertragsverstößen seitens HMC in der Vergangenheit ergeben hatten. Wie in diesem Abschnitt expliziert wurde, stiegen ab Mitte der 1960er Jah­ re die Abstimmungsbemühungen seitens der Münchner Zentrale zur Koor­ dinierung der weltweiten BMW-Marketingtätigkeiten aller Handelspartner signifikant an. Hierbei zielte die Marketing-Hauptabteilung der BMW AG zunächst vor allem darauf, den Importeuren die grundlegenden Inhalte der in der Zentrale aufgesetzten Kommunikationspolitik näher zu bringen und im Gegenzug einen Überblick der Marktkommunikation, einschließlich aller umgesetzten Marketingmaßnahmen, in den von den Importeuren betreuten Ländern zu erhalten. In dem sich anschließenden Kapitel sollen diese Bemü­ hungen anhand des anschaulichen Beispiels der Werbung weiter verdeutlicht werden. 3.6.2.  Internationale Werbung (Markt- und Produktkommunikation) „Unsere Marktstrategie sollte an unserem Image orientiert und auf eine Differenzie­ rung von unseren Wettbewerbern ausgerichtet bleiben.“554

So definierte Vertriebsvorstand Hahnemann auf einer Aufsichtsratssitzung das Ziel der BMW-Imagebildung knapp gegenüber den Anwesenden. Wie in Kapitel 3.6.1 bereits erläutert wurde, stilisierte sich BMW in der zweiten 551  Als

Folge der gescheiterten Zusammenarbeit zwischen Fadex und BMW ergaben sich hohe Lagerbestände an Fahrzeugen. Die Verkaufsabteilung in München wies hier auch gegen interne kritische Stimmen jede Verantwortung von sich: „Eine Exportbla­ mage hat es also nicht gegeben, denn jeder weiß hier im Hause nur allzu gut, dass die Bestände an diesen alten Fahrzeugen die Ausgeburt der unglücklichen Verbindung mit Oppenheimer waren. Nobody is to be blamed for that kind of business!“, vgl. Internes Schreiben „BMW Motorradverkaufsrecht USA“ von KV/TR/Hb vom 01. 02. 1964, in: BMW UA 699/1. 552  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. 06. 1957, in: BMW UA 424/2. 553  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 09. 10. 1974, in: BMW UA 1271/2. 554  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 03. 1969, in: BMW UA 548/2.

372

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Hälfte der 1960er Jahre als Außenseiter der Automobilindustrie und ver­ suchte diese Positionierung für sich zu nutzen. Kommunikativ präsentierte sich der bayerische Hersteller als erfrischende Alternative zu den Mitbewer­ bern und zeigte sich dabei sprachlich kokett, wie etwa in der Anzeige mit dem Titel „Alternative“ ersichtlich wird: „Die Automobilwerbung ist voll von Sicherheit. Sicherheitsarmaturen, -knöpfe, -schalter und -spiegel. Die BMW Sicherheit liegt tiefer. Bei einem Fahrwerk, das dem BMW Fahrer die Gewähr bietet, die Wirksamkeit dieser Einrichtungen nicht erpro­ ben zu müssen. – Probefahren wird empfohlen.“555

In Anlehnung hieran erschien in den USA eine inhaltlich anklingende Inser­ tion mit dem Header: „BMW thinks the best way to survive accidents is to avoid them.“556 In einer weiteren Anzeige für den deutschen Markt geht BMW in seinem Vergleich zu den Mitbewerbern noch einen Schritt weiter, indem 1969 und somit in einer Dekade der Insolvenzen deutscher PKWHersteller, wie etwa Borgward oder Hans Glas, mit dem Text geworben wird: „In der Automobilindustrie sind die großen Namen häufig im Kreis der wenigen Kleinen zu finden. Der Grund liegt darin, dass die großen technischen Leistungen auch häufiger aus den kleinen, exklusiven Häusern kommen. Die Länge des Fließban­ des allein entscheidet nicht über die Größe einer Marke.“557

Diese Botschaften, in denen sich BMW als „Underdog“ der Automobilindu­ strie präsentierte, blieben allerdings auf den deutschen Markt begrenzt. In den vorangegangenen Ausführungen ist bereits erläutert worden, dass die für die Werbekampagnen Verantwortung zeichnende Agentur Dorland im Herbst 1964 von dem neuen Partner Werbe-Gramm abgelöst wurde.558 Die­ ser Wechsel spiegelte sich deutlich nicht nur in den Anzeigen wider, die auf dem Binnenmarkt geschaltet wurden, sondern auch in der Koordination und der dahinter liegenden Strategie internationaler Werbeaktivitäten. Die Agen­ tur Dorland gestaltete bereits seit den 1950er Jahren die Werbung für BMW und legte einen ausgesprochenen Fokus auf die Produktkommunikation, in­ dem sie einzelne Produkttypen als eigene Wortmarken etablierten. Beispiel hierfür war etwa die Einführung der BMW Isetta als Motocoupé. Diese ­produktfokussierte Werbeansprache setzte sich zunächst Anfang der 1960er Jahre fort, in denen die Anzeigen ebenfalls je nach Modelltyp mit den Wort­ marken „Neue Klasse“ oder „LS Luxus“ abschlossen. Ein marken- und ­unternehmensübergreifender Slogan, der die gesamte BMW-Kommunikation – ab 1972 durchgehend auch die Motorradwerbung – abschloss, wurde erst 555 

Werbemotiv „Alternative“, 1967, in: BMW AF 8184/1. “BMW thinks the best way to survive accidents is to avoid them.”, 1967, in: BMW AF 33813/1. 557  Werbemotiv „Erfahrung“, 1969, in: BMW AF 7911/1. 558 Vgl. Protokoll Nr. 22/64 der Vorstandssitzung vom 30. 10. 1964, in: BMW UA 431/1. 556  Werbeanzeige

3.6. Kommunikationspolitik

373

1965 mit „Aus Freude am Fahren“ durch die neue Agentur Werbe-Gramm eingeführt, der 1972 auf „Freude am Fahren“ gekürzt wurde (vgl. Kapitel 3.6). Auch wenn dieser Claim durch Werbe-Gramm etabliert wurde, hatte Dorland diese Formulierung bereits in einem Werbekonzept im Jahre 1963 aufgegriffen, jedoch noch nicht als unternehmensübergreifenden Abbinder vorgesehen.559 Die nachfolgende Firma Werbe-Gramm griffen also diese Idee 1965 auf und führten sie als BMW-Slogan ein, der bis heute Bestand hat. Dorland hatte das Augenmerk vor allem auf die Werbekonzeption für den deutschsprachigen Raum gesetzt. Hier bestand eine Parallele zu den Marke­ tingaktivitäten der BMW AG im Allgemeinen, die sich bis Mitte der 1960er Jahre mit der unternehmensinternen Reorganisation innerhalb des Verkaufs­ ressorts zunächst auf die innerbetrieblichen Prozesse sowie die Maßnahmen auf dem Binnenmarkt konzentriert hatten. Ein Werbekonzept, das 1963 Hahnemann von Dorland vorgelegt wurde, fokussierte demgemäß vor allem den deutschen Markt. Zwar wurden ebenfalls die Marktpotentiale der euro­ päischen Nachbarländer anhand ihres zunehmenden Motorisierungsgrades analysiert, eine weitergehende Konzeptionierung oder gar Koordinierung ausländischer Werbeaktivitäten wurde jedoch nicht vorgenommen. Lediglich eine einmalige Auftaktkampagne, bestehend aus einigen wenigen Zeitungs­ insertionen, sollte über die Landesgrenzen hinaus zur Einführung der neuen Modelle gestartet werden: „Um die Importeure in den europäischen Ländern in ihren Verkaufsbemühungen zu unterstützen, ist eine Werbung in ausgewählten Tages- und Wirtschaftszeitungen vor­ gesehen, die es sich zur Aufgabe macht, meinungsbildende Kreise mit BMW und der Neuen Klasse bekannt zu machen und den Wagen vorzustellen. Diese Aktion ist als Basis gedacht für alle Maßnahmen, die Importeure in den einzelnen Ländern in eige­ ner Regie führen.“560

Dieses Zitat aus dem Werbekonzept zeigt, dass den Importeuren während der ersten Hälfte der 1960er Jahre die Kommunikation weitestgehend überlassen wurde. Hierbei konnte es nicht nur zu stark ausgeprägten qualitativen Unter­ schieden kommen, sondern zu einem äußerst heterogenen BMW -Markenauf­ tritt in den unterschiedlichen Ländern. Die Importeure erhielten zu Beginn der zweiten Internationalisierungsphase zwar punktuelle Unterstützung aus München, allerdings wurden hier zunächst primär die europäischen sowie die US-Partner einbezogen. Diese Priorisierung war auf die zu diesem Zeitpunkt geringen Absatzzahlen in den Regionen außerhalb Europas zurückzuführen, in denen die jährlichen Lieferungen die Marke von 1 000 Einheiten nicht überstiegen (vgl. Kapitel 3.5.3, Abbildung 27). Die Importeure wurden, neben den in Kapitel 3.6.1 bereits aufgeführten, kostenlos zur Verfügung gestellten Printunterlagen aus München, fast ausschließlich mit finanziellen Mitteln unter­stützt, mit Ausnahme einzelner Veröffentlichungen, etwa anlässlich des 559 

Vgl. BMW Werbung im Ausland, 1963, in: BMW UA 932/1.

560 Ebd.

374

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

50-jährigen Firmenjubiläums.561 Dieser Handlungsspielraum der ausländi­ schen Partner bei der Ausgestaltung der Kommunikation führte zu einem un­ terschiedlich stark ausgeprägten heterogenen BMW-Markenbild im Ausland. Mit der zunehmenden Diversifizierung und dem Ausbau des Auslands­ geschäfts musste jedoch im Unternehmen ein Umdenken stattfinden, um der Marke BMW ein einheitliches Gesicht nach außen zu geben und der wachsen­ den Heterogenität zu begegnen, die durch die weitreichende Entscheidungs­ befugnis der Importeure entstanden war. Zwar konnten diese somit auf kür­ zerem Wege auf die von Mattelart angesprochenen länderspezifischen Vorstel­ lungswelten eingehen,562 jedoch nahmen hierdurch zugleich einerseits die Gefahr des opportunistischen Handelns zu sowie andererseits die Informa­ tionsasymmetrien zu Ungunsten des Agenten, demnach der BMW AG. Die hohe Autarkie der Importeure gewährte ihnen also während der zweiten In­ ternationalisierungsphase ein Machtmonopol und führte im Ausland zu einer Heterogenität im Markenauftritt. Dieser begann das BMW-Zentralmarketing im Laufe der zweiten Phase allmählich entgegenzuwirken. Dieser Wandel setzte mit dem oben erwähnten Wechsel der Werbeagentur Mitte der 1960er Jahre ein, die nun nicht länger nur den Inlandsmarkt im Fokus hatte, sondern ebenso die Übertragung der dort gesetzten Akzente ins Ausland anstrebte. Hierbei blickte sie über die europäischen Grenzen hinaus, was mit den stark wachsenden und somit für BMW immer wichtiger wer­ denden außereuropäischen Regionen zwingend notwendig war (vgl. Abbil­ dung 27). Aus organisatorischen und auch kulturellen Gründen unterteilte die BMW-Werbeabteilung die Märkte in drei Gruppen: Europa, Amerika, wobei vor allem die USA und Kanada gemeint waren, sowie pauschal in die „übrige Welt“.563 Darüber hinaus strebte die Agentur Werbe-Gramm eine Vereinheitlichung der Werbung an, die sie in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre über die deutschen Landesgrenzen hinweg verbreiten wollten. Hierbei bauten sie ihre Strategie auf Marktuntersuchungen und Interviews auf, die zugleich die wachsende Bedeutung und Integration der Marktforschung in alle Prozesse des Unternehmens während der zweiten Internationalisierungs­ phase verdeutlicht. Auf der bereits erwähnten Marketingtagung der BMWImporteure zog Karrenberg, Prokurist der Agentur Werbe-Gramm, 1967 ein erstes Fazit zu diesem Vorgehen: „Aus psychologischen Anzeigentests wissen wir, dass wir einen bestimmten Stil von Automobilanzeigen geprägt haben, der wie Sie selbst wissen werden, eine kurze, ty­ pische Information enthält, die immer im Rahmen einer werblichen Strategie liegt. 561  Vgl. Redemanuskript von Bergerhausen, Leiter der BMW-Werbeabteilung (VMW), für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „BMW Wer­ bemaßnahmen“, 04. 1967, in: BMW UA 594/1. 562  Vgl. Mattelart, Kultur und Globalisierung, S. 91. 563  Redemanuskript von Bergerhausen, Leiter der BMW-Werbeabteilung (VMW), für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „BMW Werbe­ maßnahmen“, 04. 1967, in: BMW UA 594/1.

3.6. Kommunikationspolitik

375

Diese Strategie baute auf jenen Untersuchungen, von denen ich zu Anfang sprach, auf.“564

Dieser Stil zog sich seit 1965 durch alle deutschsprachigen Werbemotive und sorgte für einen hohen Wiedererkennungswert, da der optische Aufbau im­ mer gleich blieb. Dieser wurde zunächst bei der automobilen Werbung ein­ geführt und dann auf die Motorradanzeigen ausgedehnt.565 Auch internatio­ nal verfolgte die BMW-Werbeabteilung, gemeinsam mit der Agentur WerbeGramm, eine Angleichung der semiotischen Werbesprache, ohne dabei jedoch die nationalen Besonderheiten im Sinne eines „globalen Einheitsbreis“ – also einer Homogenisierung im Sinne von Levitt (vgl. Kapitel 1.2)566 – zu überdecken, wie der eng mit Werbe-Gramm zusammenarbeitende Berger­ hausen, Leiter der BMW-Werbeabteilung (VMW), auf derselben Marketing­ tagung in einem Vortrag explizierte: „Wenn nämlich – wie bewiesen – die Käufer für den BMW in den einzelnen Ländern die gleichen Merkmale tragen. Dann [sic!] gibt es doch keinen Zweifel daran, dass eine auf diese Merkmale konzipierte Werbung internationalen Erfolg haben wird. Um nun an dieser Stelle Missverständnissen vorzubeugen, fürchten Sie nicht, dass wir das BMW Einheitsinserat propagieren. Vielmehr müssen in der Argumentation und in der Auswahl der Motive die Unterschiede zu den Konkurrenzmarken im einzelnen Land berücksichtigt werden. Das widerspricht nicht der Forderung nach einer europäi­ schen, weltweiten – schlechthin internationalen BMW Werbung. Im Stil und Aussage­ wert muss jede Anzeige, gleichgültig in welchem Land sie erscheint, dem BMW Inter­ essenten dieselbe Vorstellung von Produkt und Hersteller vermitteln. Dazu bedarf es nicht eines vereinheitlichten Textes, sondern nur der Übernahme gewisser konstanter Stilelemente, um die sofortige BMW Erkennbarkeit zu erreichen. Das setzt voraus, dass nur Bild- und Layoutaufbau überall gleich sind, während die Argumentation der jeweiligen Situation nicht nur angepasst sein kann, sondern muss.“567

1967 sah das leitende Management im Verkaufsbereich bei BMW die Zeit ge­ kommen, die Werbekampagnen von der nationalen auf eine internationale Ebene zu heben und somit einander anzugleichen. Das oben angeführte Zitat zeigt in diesem Kontext die ersten Schritte in Richtung einer Corporate Identity in der Werbung, die den Wiedererkennungswert der Marke BMW international steigern sollte. Im Gegensatz zu den vorherigen Jahren, in de­ nen viele der Importeure erst noch das BMW-Geschäft inklusive einer Han­ dels- und Servicestruktur in ihren Märkten aufgebaut hatten, sah die BMW-

564  Redemanuskript von Karrenberg, Prokurist der Werbeagentur Werbe-Gramm, für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „Das Ansehen einer Marke (Reputation of a brand)“ vom 15. 03. 1967, in: ebd. 565  Für weiterführende Details über die für Motorräder der Marke BMW geschaltete Werbung, vgl. Biss, BMW Motorrad. 566  Vgl. Levitt, Theodore (1983): The Globalization of Markets, in: Harvard Business Review, Vol. 61, No. 3, pp. 92–102. 567  Redemanuskript von Bergerhausen, Leiter der BMW-Werbeabteilung (VMW), für einen Vortrag auf dem BMW-Importeur-Meeting am 10.–13. 04. 1967 „BMW Werbe­ maßnahmen“, 04. 1967, in: BMW UA 594/1.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Werbeabteilung nun den richtigen Zeitpunkt gekommen.568 Obwohl die Münchner Zentrale, unter Beratung ihrer Partneragentur, eine Vereinheit­ lichung des internationalen Werbeauftritts prinzipiell anstrebte, waren die Mittel zur Koordinierung des BMW-Stammhauses einerseits noch kurzgrei­ fend, andererseits der Handlungsspielraum des einzelnen Importeurs noch ausgesprochen hoch. Zwar begannen sich allmählich einige der besagten Stil­ elemente der Werbeansprache mit Wiedererkennungswert, beispielsweise an­ hand des Layouts, zu tradieren, hierbei kann jedoch während der zweiten Internationalisierungsphase noch keineswegs von einer einheitlichen Hand­ habe in den Märkten gesprochen werden.569 Der große Spielraum der Impor­ teure war allerdings von Vertriebsvorstand Hahnemann durchaus geduldet, bisweilen sogar gefördert, und als scheinbar wenig problematisch eingestuft, wenn man die vielen unterlassenen Schritte zur Einschränkung eben dieses Freiraumes in Betracht zieht. Demgemäß wurde der weltweite Markenauf­ tritt, der je Markt von der Kommunikationslinie der Münchner Zentrale mal mehr oder weniger stark abwich, nicht näher in den Vorstandssitzungen the­ matisiert. Um einen Überblick zu den von den Importeuren in den von ihnen be­ treuten Ländern durchgeführten Maßnahmen zu erhalten, wurden im An­ schluss an die erste, im Jahre 1966 initialisierte internationale Marketing­ tagung, weitere Konferenzen dieser Art abgehalten. Bis 1970 hatte sich ein Procedere etabliert, das vorsah, dass in diesem Rahmen alle anwesenden ­Importeure in einem dreißigminütigen Vortrag ihre Werbekonzeption und -maßnahmen für die kommenden Monate vorstellen sollten.570 Darüber ­hinaus forderte die BMW-Zentrale, hier vor allem die Exportabteilung (VE) unter Winkler, ab 1968 und somit gegen Ende der zweiten Internationalisie­ rungsphase die Importeure dazu auf, ihnen sämtliche Insertionen zuzusen­ den, die in dem jeweiligen Mark geschaltet wurden, damit die Verkaufsab­ teilungen in München einen Überblick bekommen konnten, „[…] welche Anzeigen in Zeitungen als auch in Illustrierten gemacht wurden.“571 Anfangs wurde diese Aufforderung ex post erhoben, später verlangte der Stammsitz, die Insertionen auch ex ante zur Abstimmung vorgelegt zu bekommen, was 568 

Vgl. ebd. Grundlage der Quellen ist nicht ersichtlich, ob BMW direkt oder über die Importeure die von der Zentrale ausgegebenen Anzeigen international schaltete bzw. schalten ließ. Auf Grundlage einer Beschwerde, die 1973 in München von HMC ein­ ging, in der Hoffman seine Interessen als US-Importeur durch die in der Anzeige ge­ tätigten Aussagen verletzt sah, lässt vermuten, dass die BMW AG mitunter solche zentralen Werbemotive direkt, also nicht über die Importeure, in den Märkten schal­ tete, vgl. Schreiben “Ad in Wall Street Journal” von der BMW AG (AP-1) an Hoff­ man, HMC, vom 11. 09. 1973, in: BMW UA 1384/1. Es kann sich allerdings ebenso um ein nicht einheitliches, hybrides Vorgehen handeln. 570 Vgl. Schreiben „Export-Marketingtagung 1970“ von VMW-20 an VEL vom 12. 08. 1970, in: BMW UA 1596/1. 571  Reisebericht Japan 18.–21. 11. 1967 vom 19. 12. 1967, in: BMW UA 514/1. 569  Auf

3.6. Kommunikationspolitik

377

1970/71 jedoch noch nicht zur Zufriedenheit praktiziert wurde. Hierdurch wird deutlich, dass die einzelnen Importeure für ihren Markt eigene Werbe­ agenturen beschäftigten, die bis Ende der 1950er Jahre überhaupt nicht, und gegen Ende der zweiten Internationalisierungsphase allmählich mit München abgestimmt wurden, wobei diese Abstimmung noch immer deutliche Ver­ besserungspotentiale aufwies.572 Es zeichnete sich hier also ein allmählicher Wandel seitens der BMW-Verkaufsabteilungen und der Zentrale in der Hal­ tung gegenüber den Importeuren ab. In München erkannte man, dass das he­ terogene Markenbild im Ausland weder dem Image noch den Verkaufszah­ len zuträglich war. Die Agenten hatten ihren Spielraum zu oft in ihrem Sinne genutzt, so dass der Stammsitz in München als Prinzipal begann, hier schritt­ weise gegenzulenken. Die Forderung etwa, alle Insertionen der Märkte zu­ nächst ex post und dann sogar ex ante vorgelegt zu bekommen, verdeutlicht eine von München ausgehende Zentralisierungsbemühung, um die eigene Organisation neu bzw. straffer auf den Hauptsitz auszurichten. Während die eigentlichen Werbebotschaften kaum in den Vorstandssit­ zungen thematisiert wurden, entstanden hingegen Diskussionen hinsichtlich budgetärer Unstimmigkeiten in den für Werbemaßnahmen freigegebenen Mitteln, die Hahnemann unterstanden. Zu Beginn der zweiten Internationa­ lisierungsphase lag der geplante Werbeetat 1961 noch bei 4,4 Mio. DM und somit 0,8 Mio. DM höher gegenüber dem Vorjahr. Enthalten hierin waren insgesamt 1,0 Mio. DM zur Bezuschussung der Anzeigenwerbung, die von den BMW-Händlern geschaltet wurde.573 Im Laufe der kommenden Jahre stiegen die Kosten für Werbeausgaben stark an, wie auch die bereits in Ab­ schnitt 3.6.1 erläuterten Zuschüsse gegenüber den Importeuren widerspie­ gelten, die sich allerdings noch in dem von den BMW-Führungsgremien ge­ nehmigten Rahmen bewegten. Für Diskussionen sorgte hingegen eine deut­ liche Überschreitung des genehmigten Werbeetats 1965 per 31. Oktober um 4,3 Mio. DM. Grund hierfür waren laut Hahnemann, der diese Überziehung gegenüber dem Aufsichtsrat zu verantworten hatte, das Auslaufen des Mo­ dells BMW 700 und der damit einhergehende höhere Werbeaufwand für die neu einzuführenden Mittelwagentypen sowie die Vorleistungen für das Jubi­ läumsjahr 1966, in dem die BMW AG ihr 50-jähriges Bestehen feierte. Die Überschreitung war allerdings laut Aufsichtsrat erheblich zu hoch und konn­ te durch diese Erläuterungen nicht gerechtfertigt werden, da im September 1965 noch eine Kostenüberschreitung von lediglich 1,0 Mio. genehmigt ­worden war; der Vorstand stimmte der kritischen Position des Kontrollgre­ miums zu. Hahnemann, der sich entschuldigte, gab an, „[…] so beschäftigt gewesen zu sein, so dass er ungenügend Zeit hatte, sich um die Kontrolle der Werbekosten kümmern zu können.“574 Vor dem Hintergrund dieser eklatan­ 572 

Vgl. Reisebericht USA 23.–29. 06. 1973 vom 05. 07. 1973, in: BMW UA 1573/1. Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 03. 1961, in: BMW UA 731/2. 574  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 02. 12. 1965, in: BMW UA 732/2. 573 

378

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

ten Etatüberschreitung des Vertriebsressorts unter Hahnemann wurde als Konsequenz eine Kontrollstelle innerhalb der Bereichsorganisation einge­ richtet, die als Abteilung VME künftig die Werbeausgaben überwachen sollte (vgl. Kapitel 3.5.1, Abbildung 23). Wie ein Anfang der 1970er Jahre in Auf­ trag gegebener Revisionsbericht aufdeckte, war es Hahnemann trotz der Fachstelle VME bis 1970 möglich gewesen, Gelder in Millionenhöhe über diverse Lieferantenpartner auf sein bzw. ihm unterstellte Sonderkonten zu überweisen.575 Betrachtet man das Werbebudget von verschiedenen Automobilherstel­ lern, das für den deutschen Markt für Werbemaßnahmen aufgewandt wurde, rangierte BMW bis Ende der 1960er Jahren auf einem der oberen Plätze und hatte somit binnen weniger Jahre seinen Etat stark erhöht. 1960 bewegte sich der Etat noch bei 3,6 Mio. DM, während der Etat für Anzeigenschaltungen 1966 bei 4,7 Mio. DM und im Folgejahr sogar bei 7,1 Mio. DM lag. Gemes­ sen an den finanziellen Insertionsaufwänden des Jahres 1967 gaben lediglich Volkswagen (20,5 Mio. DM), Ford (16,1 Mio. DM) und Opel (13,4 Mio. DM.) deutlich mehr als der vergleichsweise kleine Münchner Hersteller aus. Daimler-Benz hingegen investierte in demselben Zeitraum lediglich 2,4 Mio. DM und somit deutlich weniger im Bereich der Anzeigenwerbung, als seine deutschen Mitbewerber. Selbst deutlich kleinere Unternehmen wie die AutoUnion und NSU gaben mit 4,6 Mio. bzw. 4,0 Mio. DM deutlich mehr für Insertionen aus. Während andere Hersteller wesentlich höhere Mittel in die unternehmenseigene Werbung investierten, förderte BMW mit knapp 50 Prozent des gesamten Anzeigenetats auffallend großzügig die Händlerwer­ bung. Opel wendete hierfür lediglich knapp 10 Prozent, Volkswagen 28 Pro­ zent und Daimler-Benz nur 5 Prozent auf, was den zu dieser Zeit auffallend geringen Werbeetat des Stuttgarter Hauses erklärt.576

575  Vgl. Revisionsbericht Marketing Etat 1970, 1972, in: BMW UR 6272/1. Im BMW Group Archiv liegt dieser Revisionsbericht lediglich als Entwurf vor, auch zu einer Anklage von Hahnemann ist es nie gekommen. Inwiefern eine mögliche Veröffentli­ chung des Berichts angesprochen wurde und dies mit verantwortlich für Hahnemanns Rücktritt im Herbst 1971 gewesen sein könnte, lässt sich nur spekulieren. Es konnte allerdings nicht im Interesse des erst seit Januar 1970 im Amt weilenden Vorstands­ vorsitzenden von Kuenheim sein, BMW in negative Schlagzeilen im Kontext der Trennung von Hahnemann zu bringen. Für weiterführende Informationen, die aus der Sicht des Nachfolgers von Hahnemann im Vertriebsressort geschildert werden und somit den allgemeinen Verzerrungen von Erinnerungen eines Zeitzeugen unter­ liegen, vgl. Lutz, Bob: Idole und Idioten. Haarsträubende Erlebnisse auf der Chef­ etage, Frankfurt/M. 2014. 576 Bei den hier gemachten Angaben der Automobilindustrie ist für die Jahre 1966 und 1967 der Monat Dezember in den Quellen leider nicht berücksichtigt worden. Es wird daher hier nur der Zeitraum von Januar bis einschließlich November betrachtet, vgl. MF-Mitteilung „PKW-Anzeigenwerbung November 1966/67 in der Bundesrepu­ blik“ vom 20. 12. 1967, in: BMW UA 1471/1.

3.6. Kommunikationspolitik

379

Im Rahmen des Kapitels 3.6 ist mehrfach auf die Entwicklung der Kom­ munikation und die Ausbildung des noch heute im deutschsprachigen Raum gültigen Claims „Freude am Fahren“ eingegangen worden, der infolge eine wichtige Rolle für die Werbung der BMW AG spielte und zu der Vereinheit­ lichung des Markenauftritts weltweit beitrug. Während national somit eine Homogenisierung eintrat, hinterließ die Werbung auf internationaler Ebene, trotz der in Abschnitt 3.6.1 explizierten Abstimmungs- und Zentralisie­ rungsbemühungen der Münchner Verkaufsabteilungen, noch ein heterogenes Bild, auch wenn sich dieses sukzessive änderte. Diese konzertierten Bemü­ hungen seitens der BMW-Zentrale intensivierten sich ab 1967. Während es allerdings ab 1965 in der deutschen Werbung „Aus Freude am Fahren“ hieß, wurde der neue Abbinder im Ausland freizügig übersetzt und diese Über­ tragung selbst innerhalb eines Marktes nicht stringent genutzt. So hieß es in einem englischen Prospekt von 1966 „BMW puts pleasure back into motoring“577, in einem anderen desselben Jahres hingegen „For the sheer joy of motoring“.578 Darauffolgend wurde der Abbinder ebenso als „For pure driving pleasure“ (1967)579 oder auch als “For sheer driving pleasure” (1971)580 interpretiert, was dem späteren Slogan bereits sehr nahe kommen sollte. Auch in den USA war eine hohe Inkonsistenz in der Nutzung des Slogans festzustellen, wo BMW-Wagen mit „Unbeatable BMW“ (1967)581 oder auch “The Sportsman’s Car”582 beworben wurden. Hier lässt sich zugleich ein ­interessanter Wandel der inhärenten Kommunikationsbotschaft ableiten, die nicht mehr ausschließlich den sportlichen Charakter des Fahrzeugs an sich thematisierten, sondern darüber hinaus den Fahrer eines Wagens der Marke BMW charakterisierten. Solch inkonsistente Übersetzungen lassen sich äqui­ valent auch in anderen Sprachen finden und waren somit die Regel, nicht die Ausnahme. In Italien hieß es beispielsweise unter der bereits erläuterten Ver­ wendung eines Modells als Wortmarke „BMW 1500 – Una vettura di gran classe sulle strade italiane“.583 Im Französischen etwa war in einem Prospekt die Rede von „La joie de conduire“, ein anderes Mal wurde das „joie“ durch das noch heute gültige „plaisir“ ersetzt.584 Interessanterweise trug die BMWVerkaufsabteilung bisweilen selbst zu dieser inkongruenten Übersetzung bei,

577 

Englischer Prospekt „BMW 1800“, 01. 1966, BMW AK 908/20. Englischer Prospekt „BMW 2000, 05. 1966, BMW AK 923/20. 579  Englischer Prospekt „BMW 1600TI“, 07. 1967, BMW AK 955/20. 580 Englischer Prospekt „BMW 1800/BMW 2000/BMW 2000 tii“, 05. 1971, BMW AK 934/20. 581  US-Werbemotiv BMW 2000 tilux “That’s what the ‘TI’ does to a BMW”, 1967, in: BMW AF 13188/1. 582  Unverzeichneter Bestand „BMW Werbemotive“, in: BMW Group Archiv. 583  Werbeanzeige „BMW 1500 – Una vettura di gran classe sulle strade italiane“, 1962, in: BMW AF 20193/1. Übersetzt werden kann dieser Claim als „Ein Auto von großer Klasse auf italienischen Straßen“. 584  Vgl. BMW 1800, 08. 1968, in: BMW AK 913/30. 578 

380

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

da beispielsweise ein Teil der Fahrzeugprospekte in Westdeutschland ge­ druckt, also als Werbemittel von der Zentrale zur Verkaufsförderung den Im­ porteuren zentral zur Verfügung gestellt wurde.585 Ab 1972 – in welchem der Slogan „Aus Freude am Fahren“ auch im Deut­ schen einen Impuls durch die Abwandlung zu „Freude am Fahren“ erhielt – wurde der internationalen Heterogenität bewusst durch den Vorstandsvorsit­ zenden von Kuenheim und Bob Lutz, Hahnemanns Nachfolger als Ver­ triebsvorstand, ein Ende gesetzt, indem eine in sich konsistente Übersetzung des Claims in allen Märkten eingeführt und auf dessen konsequente Umset­ zung geachtet wurde. Hierauf wird näher im Rahmen der dritten Internatio­ nalisierungsphase in Kapitel 4.6 eingegangen. Eine eigene Fachstelle zur Koordination der internationalen Kommunika­ tion existierte bei BMW während der 1960er Jahre genauso wenig, wie eine Organisationseinheit für eine konzertierte, das gesamte Unternehmen betref­ fende Öffentlichkeitsarbeit im Allgemeinen. Diese Aufgabe kam noch immer den Verkaufsabteilungen unter Vertriebsvorstand Hahnemann zu, die mit der zunehmenden Internationalisierung des Unternehmens ebenso die sich aufwandsintensivierende Zusammenarbeit mit den Importeuren zu verant­ worten hatten. Diese Funktion schloss die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit und somit die Gestaltung des Markenauftritts weltweit mit ein. Diesem weiten Aufgabenspektrum war die Verkaufsorganisation wäh­ rend der zweiten Internationalisierungsphase noch nicht vollumfänglich ge­ wachsen bzw. noch nicht in dem Maße, dass ein von München zentral initi­ iertes Image konsistent in alle Märkte weltweit transportiert wurde. Hieraus leitete sich die in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigte während der zweiten Internationalisierungsphase zu beobachtende Heterogenität des Markenauftritts auf internationaler Ebene ab.

3.7. Zwischenfazit Nach Betrachtung der vorangegangenen Kapitel stellt sich nun also die Fra­ ge, wie international die BMW AG in dem Zeitraum zwischen 1961 und 1970 gewesen ist, die als zweite Internationalisierungsphase identifiziert wur­ de. Auch während dieser zweiten Phase zeigte sich, dass personelle Wechsel auf Vorstandsebene einen signifikanten Einfluss auf die internationale Aus­ richtung des Unternehmens nahmen. Persönliche Kontakte bildeten, wie ­bereits in der ersten Phase, eine wichtige Grundlage für den Ausbau des ­Exportgeschäftes. Während der 1960er Jahre stand hierbei allen voran eine Person besonders prägend im Vordergrund, die maßgeblich die Geschicke der BMW AG im Hinblick auf ihre Internationalisierung lenkte: Vertriebs­ 585  Vgl.

exemplarisch Englischer Prospekt „BMW 2002 TI“, 10. 1968, in: BMW AK 1022/20; Englischer Prospekt „BMW 2800 CS“, 12. 1969, in: BMW AK 2120/20.

3.7. Zwischenfazit

381

vorstand Hahnemann. Dieser wies eine zu jener Zeit vergleichsweise inter­ nationale Biographie auf und war selbst Marketingspezialist mit Arbeitser­ fahrung in der US-Automobilindustrie. Hahnemann legte besonders großen Wert auf den Ausbau der Absatzzahlen im Ausland und auf die Erschließung neuer Märkte. Gemeinsam mit einer umfassenden internen Reorganisation des Vertriebsressorts, das sich bis Ende der 1960er Jahre zu einer modernen Marketingeinheit gewandelt hatte, bildete der Export den Eckpfeiler seiner Verkaufspolitik. Hierbei priorisierte Hahnemann deutlich den quantitativen Ausbau, sowohl der Verkaufszahlen als auch der Handelsorganisation, ohne dabei im gleichen Maße auf eine äquivalente Gewinnsteigerung zu achten: Obgleich der Absatz im Ausland im Zeitraum zwischen 1961 und 1970 um 187 Prozent auf 66 099 Einheiten anstieg, blieb der Exportanteil gemessen am Umsatz stabil bei 35,0 bis 40,6 Prozent. Wenngleich eine Umsatzzunahme während der zweiten Internationalisierungsphase um das Siebenfache, von 87,1 auf 622,5 Mio. DM, verzeichnet wurde, erhöhte sich der im Ausland ­erwirtschaftete Gewinn nicht in demselben Maße. Grund hierfür waren die hohen Margen, die von den Importeuren erhoben wurden und somit die Absatzsteigerungen nivellierten. Hinzu kamen die ausgeprägten Transak­ ­ tionskosten, die aufgrund der mangelnden Abstimmungsprozesse auf orga­ nisationaler Ebene zwischen der BMW AG (Prinzipal) und ihren Agenten (Importeure und Montagepartner) entstanden. Diese Entwicklung war, ­neben den sich ändernden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der 1970er Jahre, ausschlaggebend für den grundlegenden Wandel der Vertriebs­ strategie der BMW AG in der sich anschließenden dritten Internationalisie­ rungsphase. In dieser wurde die Gründung eigener Tochtergesellschaften im Ausland forciert, um hierdurch unter anderem eine Vertriebsstufe im Export auszuschalten und den Gewinn zu erhöhen. Diese veränderte Exportstrategie wird detailliert in Kapitel 4 thematisiert. Nachdem die BMW AG Ende der 1950er Jahre ihre bis dato schwerste Unternehmenskrise durchlaufen hatte, war die darauffolgende Dekade, vor allem in den ersten Jahren, von den Bemühungen des Gesamtunternehmens zur finanziellen Konsolidierung gekennzeichnet. Ab Mitte der 1960er Jahre war die Geschäftslage so gut gediehen, dass sich das stetig wachsende Münchner Unternehmen um weitere Fertigungskapazitäten bemühen muss­ te, die durch die Übernahme der bayerischen Automobilfirma Hans Glas GmbH in Dingolfing erworben wurden, was zugleich weitere Investitionen erforderlich machte. Die zunächst defensive und auf Konsolidierung ausge­ richtete Finanzpolitik der BMW AG hatte unmittelbare Auswirkungen auf ihre Internationalisierung. In diesem Punkt war die Geschäftsleitung nicht gewillt, insbesondere nach den Negativerfahrungen der 1950er Jahre, wie etwa dem gescheiterten Versuch einer Vertriebsgesellschaftsgründung in Kanada, größere monetäre Risiken in Form von Direktinvestitionen im ­ Ausland einzugehen. Tabelle 42 gibt die Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten während der zweiten Internationa­

382

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

lisierungsphase wider. Diese Aufstellung verdeutlich zudem, über welch ­geringen finanziellen Spielraum die Geschäftsleitung bis Mitte der 1960er Jahre verfügte.  586  1961 Umsatz Exportanteil am Umsatz (in %) Investitionen in Sachanlagen Cashflow Gewinn Mitarbeiter

1962

1963

1964

1965

1966

1967

248,79 294,78 35,0 33,5

433,0 32,5

515,0 33,9

590,7 37,7

755,9 33,4

870,8 1 023,4 1 443,4 1 724,4 37,3 40,0 40,6 36,1

20,2

32,2

85,8

63,4

10,5 15,4 0 6 798

72,5

52,1

1968

168,2

1969

206,8

1970

211,2

15,9 36,3 43,7 88,0 51,9 59,1 96,6 125,4 143,0 0 3,83 6,46 9,2 10,7 0,3 17,1 23,0 34,2 9 189 10 101 10 818 11 070 13 074 12 468 18 040 21 316 22 913

Tabelle 42: Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten (Angaben in Mio. DM), 1961–1970.586

Diese Daten zeigen, dass sich das Unternehmen während der 1960er Jahre zunehmend wandelte und alle wesentlichen Kennzahlen um ein Vielfaches stiegen. Im Vergleich zu anderen deutschen Automobilherstellern wie DaimlerBenz und Volkswagen war BMW noch immer ein vergleichsweise kleines Unternehmen mit geringem Internationalisierungsgrad. Der Stuttgarter Mit­ bewerber etwa hatte im Jahre 1970 bereits 25 Beteiligungsgesellschaften im Ausland mit rund 19 142 Beschäftigten, bei einer Gesamtbelegschaftszahl von weltweit 138 861 Mitarbeitern und einem Konzernumsatz von 10,55 Mrd. DM.587 BMW wandelte sich allerdings während der zweiten Phase ­zusehends und relational betrachtet in einem stärken Maße, da der Münchner Hersteller, nach der tiefgreifenden Unternehmenskrise 1959, in den 1960er Jahren ein größeres Entwicklungspotential aufwies; auch setzte die Sättigung von Automobilen aus München auf dem bundesdeutschen Markt hierdurch erst später ein. Die allerdings zunächst defensiv ausgerichtete Finanzpolitik spiegelt sich ebenfalls anhand der Investitionen in Sachanlagen wider, die erst mit der Übernahme der Hans Glas GmbH überproportional anstiegen. Des­ gleichen zeigt dies, dass Investitionen während der 1960er Jahre vornehmlich bzw. ausschließlich für das Inlandsgeschäft bzw. die inländischen Fertigungs­ stätten aufgewandt wurden. Die geringen Finanzmittel flossen also in das In­ landsgeschäft, anstatt in Auslandsdirektinvestitionen. Selbst die von BMW wenige Jahre gehaltenen Minderheitsbeteiligungen an der jeweils neu gegrün­ deten italienischen und australischen Importfirma in Höhe von 150 000 DM bzw. 22 500 DM banden vergleichsweise geringe finanzielle Reserven (vgl. Kapitel 3.5.2.3). Im Vergleich lagen die Direktinvestitionen im Ausland bei der Daimler-Benz AG wesentlich höher und so erreichte beispielsweise ihr Anteil der Auslandsproduktion 1967 bereits 20 Prozent, während BMW vor­ 586  587 

Vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1961–1970. Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 295, 314f.

3.7. Zwischenfazit

383

nehmlich Kompletteinheiten exportierte oder die Ausfuhr über Teilesatzlie­ ferungen an einige unabhängige Montagepartner im Ausland abwickelte (vgl. Tabelle 38). Die Bilanzstrukturen der BMW AG waren im Allgemeinen während der zweiten Internationalisierungsphase aufgrund der wenigen Tochtergesell­ schaften ausgesprochen übersichtlich. Im Inland verfügte sie im Geschäfts­ jahr 1970 über insgesamt vier Gesellschaften, während sie im Ausland ­keinerlei Direktinvestitionen hielt.588 Dafür hatte sie allerdings einigen aus­ ländischen Kooperationspartnern Kredite bereitgestellt, so etwa dem südafri­ kanischen oder auch belgischen Montagepartner. Eine neue Finanzierungs­ struktur erfolgte in den ersten Jahren nach der schweren Krise mittels einer Umwandlung von Anteilen einer Wandelanleihe in Höhe von 6,0 Prozent aus dem Jahre 1958.589 In der zweiten Hälfte wurde eine Erhöhung des Grundkapitals, die auf der jeweiligen Hauptversammlung beschlossen wur­ de, 1966 und 1970 durch die Ausgabe neuer Aktien ermöglicht.590 Mit dem Wechsel an der Führungsspitze, durch die Berufung des mit Quandt vertrau­ ten von Kuenheim zum neuen Vorstandsvorsitzenden, wurde die Unterneh­ mensorganisation von Grund auf geprüft, was die Finanzen mit einschloss. Dem neuen Vorstandsvorsitzenden schwebte scheinbar bereits 1970 eine weitergehende Expansion vor, die seiner Ansicht nach nur mit einer fundier­ ten Finanzstruktur zu realisieren war. So berichtete von Kuenheim seinen Vorstandskollegen im November 1970 erstmals von dem ihm vorschweben­ den Konzept der Gründung einer ausländischen Holding- sowie einer Han­ delsgesellschaft, um die Neuordnung der bestehenden Beteiligungen zu ver­ anlassen.591 Eine solche Umstrukturierung sollte erst gegen Mitte der 1970er Jahre konkrete Formen annehmen, was bei der gering ausgeprägten Kon­ zernstruktur bzw. der begrenzten Anzahl an Beteiligungsgesellschaften ­plausibel erschien. Im Rahmen der dritten Internationalisierungsphase wird näher auf das Finanzierungskonzept anhand der Holdinggesellschaften ein­ gegangen. An dieser Stelle soll jedoch betont werden, dass von Kuenheim offenbar schon 1970 die gezielte Expansion des Unternehmens im In- und

588 Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 55. Geschäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10. 589 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 46. Geschäftsjahr 1961, 1962, in: BMW UU 40/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 47. Ge­ schäftsjahr 1962, 1963, in: BMW UU 45/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 48. Geschäftsjahr 1963, 1964, in: BMW UU 46/10. Für weitere Details zum Sanierungsprogramm der BMW im Anschluss an die Unternehmenskrise 1959, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Kapitel 3.5, S. 223–255. 590 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 50. Geschäftsjahr 1965, 1966, in: BMW UU 48/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 55. Ge­ schäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10. 591 Vgl. Protokoll Nr. 35/70 der Vorstandssitzung vom 17. 11. 1970, in: BMW UA 800/1.

384

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Ausland vorschwebte, die nur zwei bzw. drei Jahre später begann und fortan mit Nachdruck realisiert wurde. Da sich die Geschäftsleitung in München auch während der zweiten In­ ternationalisierungsphase und somit schon vor dem Amtsantritt des neuen Vorstandsvorsitzenden über die hohe Relevanz des Ausfuhrgeschäfts und ebenso darüber im Klaren war, dass ein Mobilitätsunternehmen ohne wach­ senden Außenhandel nicht überlebensfähig sein konnte, wurde der Export auch bei BMW weiter ausgebaut. Hierauf legte besonders Hahnemann als Vertriebschef großen Wert. 1961 verkaufte BMW Fahrzeuge in 92 Län­ dern,592 1970 waren es bereits 118.593 Während der Exportanteil im Motor­ radsegment, wie schon während der ersten Internationalisierungsphase, auch in den 1960er Jahren wesentlich höher war als im PKW-Segment, wur­ de der Außenhandel nun auch im Automobilbereich vermehrt gefördert: In der zweiten Phase verdreifachte sich der PKW-Export der BMW AG nahe­ zu auf rund 66 100 Einheiten, während der Anteil an der Gesamtproduktion lediglich um einige Prozentpunkte – sowohl nach oben als auch nach unten – schwankte. Interessanterweise zeigte sich bei BMW im Vergleich zur deut­ schen Automobilindustrie 1966/67 während der Rezession in Westdeutsch­ land, deren erschwerte Rahmenbedingungen durch den zunehmenden Kon­ kurrenzdruck ausländischer Hersteller noch verstärkt wurden, eine anti­ zyklische Entwicklung.594 Während die meisten PKW-Anbieter dem nachlassenden Inlandsabsatz mit einer Erhöhung des Auslandsverkaufs be­ gegneten, baute BMW den Verkauf auf dem Binnenmarkt sogar noch weiter aus von 38 725 (1965) auf 46 956 (1966) bzw. 48 862 (1967) Einheiten.595 Diese Absatzsteigerung im Inland ging 1966 zulasten des Exportgeschäftes, was aufgrund der in Deutschland erzielbaren höheren Fahrzeugrenditen in Kauf genommen wurde. Parallel hierzu fiel als Konsequenz der prozentuale Exportanteil an dem Umsatz und der Produktion in diesen Jahren geringer aus. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass die Rezession von 1966/67 bei BMW nicht in demselben Ausmaß einen katalytischen Effekt auf die Aus­ fuhr hatte, wie etwa bei anderen deutschen Herstellern. Das Münchner Un­ ternehmen konnte die Produktionszahlen im Automobilsegment jedoch be­ 592 Vgl. Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit – Aus­ gabe 03/1961, 03. 1961, in: BMW UU 3112/10. 593  Vgl. BMW Service-Stations Overseas – Ausgabe 02/1970, 02. 1970, in: BMW UU 3127/10; BMW Service-Stationen Europa – Ausgabe 10/1970, 10. 1970, in: BMW UU 3128/10. 594  Die Zulassungen inländischer Fahrzeuge nahmen 1966 um 3,6 Prozent ab, wäh­ rend sich die Zulassungen ausländischer Fahrzeuge um 21,7 Prozentpunkte erhöhten, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 51. Geschäftsjahr 1966, 1967, in: BMW UU 52/10. 595 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 49. Geschäftsjahr 1964, 1965, in: BMW UU 47/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 50. Ge­ schäftsjahr 1965, 1966, in: BMW UU 48/10; Bericht der Bayerischen Motoren-Werke über das 51. Geschäftsjahr 1966, 1967, in: BMW UU 52/10.

3.7. Zwischenfazit

385

reits in den beiden Folgejahren überdurchschnittlich um 22,8 (1968) bzw. 34,6 (1969) Prozent steigern, wodurch auch die Exportzahlen, absolut be­ trachtet, deutlich zunahmen, während sich die Exportquoten kaum verän­ derten. Wie auch schon in den 1950er Jahren war der im Ausland verkaufte Anteil der Motorradproduktion in der zweiten Internationalisierungsphase deutlich höher als in dem PKW-Segment. Der Binnenmarkt war in der Zweiradsparte in den 1950er Jahren stark eingebrochen, zugleich hatte sich das Motorrad jedoch noch nicht zu einem Freizeitobjekt mit Lifestyle-Charakter gewan­ delt.596 Um das Zweiradgeschäft aufrechterhalten zu können, mussten die deutschen Zweiradhersteller also zwangsläufig auf den Export ausweichen. Vielen Produzenten gelang dieser Wechsel nicht, wie die Schließung der Werkstore zahlreicher Firmen wie Horex, Tornax und die Einstellung der Zweiradfertigung von NSU Ende der 1950er Jahre belegten. Während sich andere Hersteller wie Hercules, Zündapp und Kreidler auf die Produktion von Kleinkrafträdern, Mofas und Mopeds spezialisierten, für die in der Bun­ desrepublik noch immer ein Markt existierte,597 war die BMW AG, die sich bewusst gegen einen betriebsintern angefertigten Prototyp eines Rollers ent­ schieden hatte, zwangsläufig darauf angewiesen, den Exportanteil der Pro­ duktion eklatant zu erhöhen; andernfalls wäre das Münchner Unternehmen als Motorradhersteller nicht überlebensfähig gewesen. Erst mit der Vorstel­ lung der neuen /5-Baureihe Ende der 1960er Jahre, mit der sich BMW ein­ deutig zum Motorradbau bekannte, verschob sich erneut das Verhältnis zwi­ schen Inlands- und Auslandsgeschäft im Zweiradsegment, diesmal in die ent­ gegengesetzte Richtung: Die Zweiradproduktion verdreifachte sich nahezu innerhalb eines Jahres von 4 701 (1969) auf 12 287 (1970) Einheiten, wovon deutlich mehr Zweiräder auf dem Binnenmarkt abgesetzt werden konnten und sich somit die Exportquote im Motorradsegment zwar klar reduzierte, mit 76,7 Prozent, gemessen an der Produktion, allerdings noch immer hoch war. Die Kennzahlen über das Zweiradgeschäft der zweiten Internationali­ sierungsphase sind Tabelle 43 zu entnehmen. Sie zeigen, dass während der zweiten Phase der Internationalisierung der Export das primäre Standbein der Motorradsparte bei BMW war.598 Doch auch die Bedeutung der Auto­ 596 

Vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 142f. Vgl. Bauer, Kurzer Boom. 598  In dieser Darstellung wurde die Exportquote des Motorradsegments anhand der Gesamtproduktion berechnet und steht somit im Gegensatz zu Tabelle 31 (vgl. Kapi­ tel 3.3), in der die Quote anhand der Absatzzahlen berechnet wurde. Dies ist auf die hohen Lagerbestände zurückzuführen, die in den Jahren 1962 und 1968 dazu führten, dass mehr Einheiten exportiert, als produziert werden konnten. Um die Zweiradaus­ fuhr im Kontext des tatsächlichen Inlandsverkaufs zu bemessen, wurde in Kapitel 3.3 eine abweichende Berechnung der Exportquote gewählt. Ansonsten wurde die Aus­ fuhrquote im Rahmen der vorliegenden Arbeit stets auf Grundlage der Produktions­ zahlen errechnet. 597 

386

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

mobilausfuhr der BMW AG nahm in dieser Zeit zu. Zwischen 1961 und 1970 steigerte sie den Export ihrer Wagen um das Dreifache bzw. um 187 Prozent.  599  1961

1962

1963

1964

1965

1966

1967

1968

1969

1970

Export PKW 23 058 23 022 26 864 27 742 28 894 27 120 38 689 54 207 65 849 66 099 (Stückzahl) Export Motor­ 5 536 4 867 3 981 6 314 6 452 6 828 6 636 5 191 4 161 9 422 räder (Stückzahl) Exportanteil 35,0 33,5 32,5 33,9 37,7 33,4 37,3 40,0 40,6 36,1 Umsatz (in %) 43,6 Exportanteil 43,0 46,4 44,9 42,8 36,6 44,2 46,5 45,5 41,0 PKW-Produk­ tion (in %) Exportanteil 58,5 113,1 65,9 69,8 90,6 75,3 84,0 102,3 88,5 76,7 Motorrad-Pro­ duktion (in %)

Tabelle 43: Exportanteil an der Produktion und dem Gesamtumsatz der BMW AG, 1961– 1970.599

Die in Tabelle 43 aufgeführten Zahlen lassen erkennen, dass die Exportan­ teile am Umsatz und an der Produktion nur bedingt miteinander korrespon­ dierten, was auf die bisweilen deutlich höheren Umsätze hinweist, die im In­ land erzielt werden konnten bzw. auf die hohen Kosten und Margen, die während der 1960er Jahre aufgrund der starken Position der Importeure, als Agenten der BMW AG, fällig wurden. Diese Margen, die parallel zu der Wertigkeit der Fahrzeugklasse stiegen, lagen Mitte 1970 durchschnittlich bei 12,0 Prozent, konnten jedoch zwischen 7,7 und 13,8 Prozent des Fahrzeug­ listenpreises variieren. Während sie beispielsweise in Luxemburg, Norwegen und Österreich besonders niedrig waren, erreichten sie in den USA, Groß­ britannien und der Schweiz ausgesprochen hohe Werte. Mit 13,8 Prozent des Listenpreises (1970) bezog der US-Importeur HMC die höchsten Margen. Nicht selten fungierten die Importeure zugleich als Händler in ihrem Markt, so dass sie nicht nur die Importeurs-, sondern ebenfalls die Händlermarge vollumfänglich für ein und dasselbe Fahrzeug erhielten, die üblicherweise nochmals höher lag. In Schweden war die Händlerpauschale am höchsten und erreichte 22,8 Prozent des Listenpreises, dicht gefolgt von Großbritan­ 599  Eigene Berechnungen, vgl. Strategiepapier „Studium des Exportmarktes und Er­ höhung der Rabattstaffel für Exporte.“ von Grewenig, Vorstand Kaufmännischer Be­ reich, vom 12. 03. 1956, in: BMW UA 131/1; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; BMW-Exportzahlen aller Fertigungsgruppen, 1952–1965, in: BMW UA 1273/1; Produktions- und Absatzstückzahlen, 1957–1959, in: BMW UA 433/1; MFMitteilungen Nr. 23/61 „BMW-Exporte in die EWG- und EFTA-Länder 1960“ der Marktforschungsabteilung vom 06. 04. 1961, in: BMW UA 605/1; Statistiken BMW AG, 1960–1969, in: BMW UA 440/1; Geschäftsberichte der BMW AG, 1950–1960; VDA (Hg.): TuZ 1957/58; Ders. (Hg.): TuZ 1958/59.

3.7. Zwischenfazit

387

nien. Am niedrigsten war sie in den Niederlanden und Dänemark, in den USA erreichte sie mit 17,7 Prozent etwa den internationalen Durchschnitts­ wert von rund 17 Prozent.600 Die hohen Margen hatten in der zweiten Inter­ nationalisierungsphase dazu geführt, dass sich die Exportsteigerungen nicht äquivalent auf den Gewinn übertrugen und somit das Auslandsgeschäft deut­ lich weniger lukrativ als der Inlandsabsatz war.601 Wie im Zuge des Kapitels mehrfach aufgezeigt wurde, setzte die BMWGeschäftsleitung im Ausfuhrgeschäft bei der Abwicklung von Import und Vertrieb primär auf Importeure. Nicht selten war die Einfuhr der Produkte in einem Markt auf zwei, manchmal sogar auf drei unterschiedliche Partner verteilt, die die Verantwortung für den Wagen- oder Zweiradverkauf trugen. Hier kam es ferner zu dem Engagement von Betrieben, die sich um Einfuhr und Vertrieb des Kleinst- und Kleinwagensegmentes kümmerten, wie etwa in den USA, wo Ende der 1950er Jahre insgesamt drei Importeure für die drei unterschiedlichen Sparten des Produktportfolios – namentlich Großwagen, Kleinst- und Kleinwagen sowie Motorräder – verantwortlich waren. Eben­ falls konnte es zu der Beauftragung zweier unterschiedlicher Importeure in besonders großflächigen Staaten in ein und demselben Produktsegment kom­ men, in denen sich ein Gesamtvertrieb aufgrund der geographischen Aus­ dehnung schwierig gestaltete, wie etwa in Indien, Kanada oder Australien.602 Durch die Beschäftigung verschiedener Agenten in einem Markt erhöhte sich allerdings parallel der administrative Aufwand. Fernerhin berechnete jeder 600  Vgl.

Preisbildung und Kalkulation Export, 07. 1970, in: BMW UA 1613/1; BMW Retail-Preise USA, 31. 08. 1970, in: BMW UA 1386/1. 601 Angaben über die Höhen der Importeurs- und Händlermargen während der 1960er Jahre liegen leider nicht vor. Hier kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese Zahlen unter Vertriebschef Hahnemann nicht zusammengestellt worden sind. Mit dem Amtsantritt des neuen Vorstandsvorsitzen­ den von Kuenheim zum Jahresbeginn 1970 ließ dieser die Zahlen des Vertriebsressorts umfassend prüfen. Hierfür spricht unter anderem der bereits erwähnte Revisionsbe­ richt über den Marketingetat 1970, der die finanziellen Unregelmäßigkeiten im Ver­ triebsressort unter Hahnemann aufdeckte, vgl. Revisionsbericht Marketing Etat 1970, 1972, in: BMW UR 6272/1. Von Kuenheim musste bereits binnen weniger Monate seiner Tätigkeit bei BMW realisiert haben, dass das Exportgeschäft nicht lukrativ war und hier gegengesteuert werden musste. Die durch ihn eingeleiteten Schritte mussten Konflikte zwischen Hahnemann und von Kuenheim angestoßen haben, die 1970 und 1971 weiter schwelten und letztlich mit ausschlaggebend für Hahnemanns Rücktritt im Oktober 1971 gewesen sein mussten. Hahnemann und von Kuenheim gehörten von Grund auf zwei unterschiedlichen Managementtypen an. Es ist daher nicht aus­ zuschließen, dass die hier angeführten Zahlen aus dem Bericht vom Juli 1970 aufgrund der zuvor unter der Ägide von Kuenheims eingeleiteten Maßnahmen bereits niedriger ausfielen, als die Margen der späten 1960er Jahre unter der ausschließlichen Feder­ führung Hahnemanns. Diese Vermutung kann allerdings auf Basis der vorliegenden Quellenlage nicht abschließend bestätigt werden. 602  Vgl. BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10; Importeursverträge, 1965, in: BMW UA 699/1; Importeursverträ­ ge, 1971, in: BMW UA 1983/1.

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3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

Importeur, wie oben expliziert, eigene Margen, die den Gewinn für BMW schmälerten. Wie in den Abschnitten über die Entwicklung in den einzelnen Unternehmensbereichen während der zweiten Internationalisierungsphase aufgezeigt worden ist, verfügten die Importeure überdies über einen großen Handlungsspielraum in den Bereichen Vertrieb und Kommunikation. Der Münchner Zentrale fehlten in dieser Phase die budgetären sowie kapazitati­ ven Mittel, ihre Agenten in den einzelnen Ländern stärker zu kontrollieren. Zwar wurden iterativ BMW-Mitarbeiter aus der Zentrale in die Märkte ent­ sandt, die detaillierte Reiseberichte anfertigten und versuchten, die Partner­ betriebe im Ausland auf Unternehmenslinie zu bringen, allerdings stellte dies aufgrund fehlender Kontrollmechanismen und Finanzmittel vielmehr eine erste Bestandsaufnahme dar denn eine zentral gesteuerte kohärente Supervi­ sion. Gemäß der Prinzipal-Agenten-Theorie, die davon ausgeht, dass die Be­ teiligten über kein allumfassendes Wissen hinsichtlich ihrer Umwelt verfü­ gen, ergaben sich hieraus Informationsasymmetrien: Die Agenten gaben nach München nur diejenigen Informationen weiter, die ihnen selbst einen Vorteil einräumten. Wirkung und Konfliktpotential konnten durch eine geographi­ sche und kulturelle Distanz noch weiter verstärkt werden, was häufige und kurzfristige Wechsel von Importeuren in weit entfernten Märkten erklärt.603 Auch kann beobachtet werden, dass BMW in den geographisch entlegenen Ländern zunächst nur geringe Absatzzahlen verzeichnete. Aus den Informa­ tionsasymmetrien ergab sich ein Teufelskreislauf für den Prinzipal, denn je „[…] weniger Wissen er über den betreffenden Aufgabenbereich hat, desto mehr ist er auf die Dienste des Agenten angewiesen und desto weniger kann er unmittelbar beob­ achten und steuern, wie der Agent seinen Handlungsspielraum nutzt.“604

Diesen Kreislauf suchte BMW in den späten 1960er Jahren allmählich zu durchbrechen, indem die Münchner Verkaufsabteilungen ihre Importeure dazu anhielten, ihnen Einblick in ihre Marktaktivitäten zu gewähren. Diesen Versuchen zum Trotz muss festgestellt werden, dass sich während der zweiten Internationalisierungsphase die BMW AG als Prinzipal gegenüber ihren Agenten in einem ausgesprochenen Abhängigkeitsverhältnis befand. Ein Um­ stand, der nicht bzw. ungenügend von Vertriebsvorstand Hahnemann adres­ 603  In Thailand etwa kam es bis 1966 zu häufigen Wechseln der Importeure, die einer­ seits das Motorrad- oder das Automobilgeschäft betreuten. Zwischen 1956 und 1966 arbeitete BMW hier mit fünf unterschiedlichen Firmen zusammen, von denen ein Partner für lediglich ein Jahr engagiert wurde und der Kontrakt umgehend wieder abgelöst wurde, vgl. BMW Verzeichnis der Automobil-Händler – Ausgabe 1956, 06. 1956, in: BMW UU 3105/10; BMW Händlerverzeichnis Motorräder, Isetta, 600, Automobile, 09. 1958, in: BMW UU 3107/10; Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit, 03. 1960, in: BMW UU 3109/10; Verzeichnis der BMW-Händler und Vertrags-Werkstätten weltweit – Ausgabe 06/1962, 1962, in: BMW UU 3113/10; Reisebericht zum thailändischen Importeur Yontrakit, 12. 1966, in: BMW UA 1523/1. 604  Ebers/Gotsch, Institutionenökonomische Theorien, S. 199.

3.7. Zwischenfazit

389

siert wurde. Vielmehr trug die mangelnde Transparenz auch innerhalb des Vertriebsbereichs zu nebulösen Rechnungsstellungen zugunsten von Hahne­ mann, wie in dem Revisionsbericht über den Marketingetat von 1970 durch die betriebsinterne Revisionsabteilung später festgestellt werden sollte.605 In manchen Ländern waren die Asymmetrien, mit denen sich nicht nur die BMW AG, sondern zahlreiche weitere Unternehmen der Automobilindus­ trie konfrontiert sahen, derart ausgeprägt, dass die Zeitung Die ZEIT man­ che Generalimporteure bezeichnete als „selbstherrlich wie Feudalfürsten [, die, Anm. d. Verfasserin] über Preise und Importvolumen herrschen“.606 Eine Folge dieser vergleichsweise hohen Autarkie der Importeure waren zu­ dem beträchtliche Außenstände, die seitens der Handelspartner im Ausland gegenüber der BMW AG zwischenzeitlich bestanden. Diese beliefen sich im Mai 1970 in den USA bei HMC auf 13,5 Mio. DM, beim französischen Part­ ner auf 11,8 Mio. DM und auch in den Märkten Belgien, Großbritannien und Italien erreichten die Zahlungsrückstände jeweils rund 7,0 Mio. DM.607 Zieht man in Betracht, dass im Februar 1970 für das laufende Jahr ein Mindererlös von 21,0 Mio. DM gegenüber der ursprünglichen Exportplanung veran­ schlagt wurde, fallen diese finanziellen Forderungen gegenüber den Impor­ teuren noch schwerer ins Gewicht. Der geminderte Erlös war laut Hahne­ mann auf die nicht realisierbaren für 1970 geplanten Preiserhöhungen zu­ rückzuführen.608 Erst zum Ende der zweiten Internationalisierungsphase hin intensivierte die BMW-Zentrale ihre Bemühungen, in die Handlungen der Importeurslandschaft weitergehend einzugreifen und stärker in die Entschei­ dungsprozesse der Agenten einbezogen zu werden. Zum einen wurden die Importeure häufiger zwecks besserer Abstimmung nach München zu Tagun­ gen, Schulungen oder Besprechungen geladen, zum anderen forderte das Vertriebsressort mit zunehmendem Druck einen Überblick über die einzel­ nen zur Verkaufsförderung durchgeführten Marktaktivitäten. In Kapitel 3.6 ist aufgeführt worden, dass der große Handlungsspielraum der Importeure überdies zu einem heterogenen Markenbild im Ausland geführt hatte. Bis­ weilen hatte auch die mangelnde Abstimmung innerhalb der BMW-Abtei­ lungen zu dieser Heterogenität beigetragen: Selbst in den von der Zentrale gedruckten Prospekten war ein gewisser Mangel an sprachlicher Präzision zu beobachten, wie am Beispiel des inkonsistent übersetzten Firmenslogans „Aus Freude am Fahren“ aufgezeigt worden ist. Während ein Teil der Unter­ lagen für die ausländische Kundenansprache in Westdeutschland gedruckt und somit zentral von BMW zur Verkaufsförderung ausgegebenen wurde, 605 

Vgl. Revisionsbericht Marketing Etat 1970, 1972, in: BMW UR 6272/1. Helmut (1981): BMW als Pionier. 10 000 Autos bis 1990, in: DIE ZEIT, Jg. 36, Nr. 48 vom 20. 11. 1981. 607 In den anderen Märkten beliefen sich die Außenstände zumeist auf 0,2 bis 4,0 Mio. DM, vgl. Preisbildung und Kalkulation Export, 07. 1970, in: BMW UA 1613/1. 608  Vgl. Protokoll Nr. 5/70 der Vorstandssitzung vom 10. 02. 1970, in: BMW UA 800/1. 606  Becker,

390

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

zeichnete ein jeder Handelspartner für die weitergehende Öffentlichkeitsund PR-Arbeit in seinem Markt Verantwortung. Jeder Importeur hatte somit die Möglichkeit, die Werbung nach eigenen Gesichtspunkten aufzusetzen und unterschiedliche Agenturen zu beauftragen. Dies führte im internationa­ len BMW-Markenauftritt zu bisweilen hohen Abweichungen gegenüber des in Deutschland konstruierten Images. Aufgrund der auf dem Binnenmarkt erzielbaren höheren Gewinne gab die Geschäftsleitung dem Inlandsvertrieb in den 1960er Jahren noch immer dann den Vorzug, wenn eine entsprechende Entscheidung zwischen In- und Aus­ landsvertrieb zu treffen war. Dies erklärt auch den während der Rezession 1966/67 steigenden innerdeutschen Absatz. Während andere deutsche Her­ steller wie Volkswagen die zurückgehende Nachfrage in der Bundesrepublik durch eine Exportsteigerung ausglichen, konnte BMW, als ein auf die Auto­ mobilmärkte verspätet zurückgekehrter Anbieter, noch länger Kapazitäten im Inland umsetzten (vgl. Kapitel 3.1, Abbildung 17). Im Gegensatz zu der ersten Internationalisierungsphase achtete vor allem Vertriebschef Hahne­ mann bei dem Verhältnis von In- und Auslandsverkauf mit Nachdruck ­darauf, dass die Ausfuhrzahlen nicht dergestalt reduziert wurden, dass der Export hierunter nachhaltig litt oder gar ein Markt verloren wurde, da ein Mindest­absatz unterschritten wurde. Eine derartige negative Priorisierung des Exports hätte den Geschäftsinteressen der BMW AG langfristig gescha­ det. Im Allgemeinen bestand in der Geschäftsleitung Konsens darüber, dass langfristig die Zukunft im Außenhandel lag. Neben dem reinen Exportge­ schäft über Importeure unterhielt BMW in einigen Ländern, in denen beson­ ders hohe tarifäre Handelshemmnisse das Einfuhrgeschäft einschränkten, in denen aber dennoch das Marktpotential vielversprechend erschien, mehrere SKD- und CKD-Montageprojekte (vgl. Kapitel 3.5.2.2, Tabelle 37 und Ta­ belle 38). Das Gesamtvolumen der gefertigten Teilesätze stieg während der zweiten Internationalisierungsphase erheblich an. Im Vergleich zu anderen deutschen Automobilherstellern, die zum Teil bereits seit den 1950er Jahren eigene vollwertige Produktionsstätten im Ausland unterhielten, bewegten sich die von BMW betriebenen Montagekooperationen allerdings in einem überschaubaren Rahmen. Gemäß dem Prinzip der lateralen Rigidität, das in der finnischen Schule der Internationalisierungstheorien, vor allem innerhalb des Helsinki-Mo­ dells, eine wichtige Rolle spielt (vgl. Kapitel 1.2), gab auch die BMW AG bei der Erschließung neuer Märkte zunächst denjenigen Ländern den Vorzug, die ihrem Heimatmarkt geographisch, politisch, ökonomisch oder kulturell ähnlich waren bzw. nahestanden.609 In diesem Sinne war der Handel mit den traditionell eng verbundenen Märkten, in denen bereits langjährige Handels­ 609 Vgl.

Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 19; Kutschker/ Schmid, Internationales Management, S. 1118f.; vgl. weiterführend Luostarinen, Inter­ nationalization of the Firm.

3.7. Zwischenfazit

391

beziehungen zu ihren Partnern bestanden, besonders stark ausgeprägt. Hier­ zu zählten Ende der 1950er bzw. Anfang der 1960er Jahre vor allem Öster­ reich, die Schweiz und Schweden, allesamt EFTA-Staaten, wobei die europä­ ischen Märkte für BMW generell eine große Bedeutung hatten und das Hauptabsatzgebiet bildeten. Gegen Ende der 1960er Jahre vermochte die BMW AG dann den Absatz mit wachsender Erfahrung ebenfalls in Nord­ amerika, Asien und Afrika überproportional zu steigern. Zugleich zeigte sich auch während der zweiten Internationalisierungsphase, dass externe Fakto­ ren maßgeblichen Einfluss auf die Auslandsaktivitäten des Unternehmens nahmen. Die Gründung der beiden europäischen Institutionen EWG und EFTA nahm, wie kein anderes wirtschaftspolitisches Ereignis, Einfluss auf das regionale Muster des BMW-Vertriebs, das detailliert in Abschnitt 3.5.3 expliziert wurde. Durch den Abbau von tarifären Handelshemmnissen und weiteren Einfuhrerleichterungen konnte BMW – wie die deutsche Automo­ bilindustrie im Allgemeinen (vgl. Kapitel 3.1, Abbildung 14) – den Export in die Länder der EWG überproportional ausbauen. Frühzeitig hatte das Un­ ternehmen die Relevanz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erkannt und zeitnah interne Marktanalysen zu den sich hieraus ableitenden Entwick­ lungen durchführen lassen. BMW konnte in den EWG-Märkten den Absatz zwischen 1962 und 1970 erheblich steigern, in Belgien und Italien etwa um 43 bzw. 31 Prozent, in Frankreich sogar um 306 Prozent. Betrachtet man die absoluten Exportzahlen, so lag die Ausfuhr in die EWG-Staaten deutlich über dem Absatz in die Mitgliedstaaten der EFTA. Dennoch konnte auch in diesen Ländern der Verkauf erheblich ausgebaut werden, was unter anderem auf die Zollsenkungen im Rahmen des GATT-Abkommens zurückzuführen war. Am stärksten konnte innerhalb der EFTA der Absatz mit 4 051 Prozent in Großbritannien gesteigert werden, wohin bis Mitte der 1960er Jahre nahe­ zu keine BMW-Fahrzeuge verkauft worden waren (vgl. Tabelle 40). Trotz des gesteigerten Absatzes in die europäische Freihandelszone erweckten die hier geltenden, gegenüber der EWG erschwerten Einfuhrbestimmungen Sor­ ge im BMW-Management, inwiefern künftig Marktpotentiale verloren gehen könnten. 1970 wurde auf dieser Grundlage auf Vorstandsebene sogar der Aufbau einer Tochtergesellschaft in der Schweiz sowie einer Fahrzeugmon­ tage in Österreich in Kooperation mit Steyr-Daimler-Puch diskutiert, womit dieser Standort zugleich als offizieller BMW-Vertriebssitz für die EFTALänder fungieren sollte, „[…] denn die in Österreich gefertigten Fahrzeuge könnten zu günstigen Bedingungen auch in der Schweiz, in Schweden und anderen EFTA-Länder vertrieben werden.“610

Der Vorstand ließ diese Idee eingehend sowohl vom Vertriebs- als auch vom Produktionsressort prüfen und war letztlich zu der Entscheidung gelangt, dass 610 

Aktennotiz „BMW eigene Gesellschaft in der Schweiz“ von VEL, Dr. Baranek, an FS, Dr. Greiner, vom 10. 11. 1970, in: BMW UA 1609/1.

392

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

aktuell, auch aufgrund des sich im Ausbau befindlichen Werks in Dingolfing, keine weiteren Fertigungskapazitäten benötigt wurden und sich somit ein Montagewerk im EFTA-Gebiet, auch aus Kostengründen, nicht rentieren würde.611 Tarifäre sowie nicht-tarifär Handelshemmnisse wirkten also auch in der zweiten Internationalisierungsphase nachhaltig darauf ein, in welchen Märkten der Verkauf ausgebaut wurde und ebenso, in welcher Art und Weise dies geschah, das heißt, ob Kompletteinheiten exportiert oder gar Montage­ standorte aufgebaut wurden. BMW setzte in den 1960er Jahren vornehm­ lich auf den Export durch Importeure und unterhielt lediglich einige wenige einen Montageprojekte. Besonders hervorzuheben waren hier das durch ­ ­externen langjährigen Partner betriebene Montagewerk in Belgien, das als Fertigungsstätte weiter ausgebaut und aufgrund der Küstennähe zunehmend als Exportbasis in weitere, entfernter liegende Märkte genutzt wurde (vgl. Kapitel 3.5.2.2). Darüber hinaus beteiligte sich das Münchner Unternehmen erstmals finanziell an einem CKD-Montagewerk im Ausland, indem es Anteile an dem in monetären Schwierigkeiten stehenden Importeur in ­ Süd­afrika erwarb. Mit diesem Schritt ging die BMW-Geschäftsleitung ein finanzielles Risiko ein. Diese Entscheidung zeigt zugleich, dass sich die ­ Schritte der Internationalisierung eines Unternehmens in der Empirie nicht nur evolutionär, sondern auch revolutionär vollziehen können. Binnen weni­ ger Jahre baute die BMW AG, die bis dahin über keine Vertriebsgesellschaf­ ten im Ausland verfügte, ab 1972 einen komplett firmeneigenen Produkti­ onsstandort in einem sowohl geographisch als auch kulturell weit entfernten Markt auf und widerspricht hier dem Prinzip der lateralen Rigidität. Zu­ gleich verfügte BMW aus diesem Grunde über ein nur gering ausgeprägtes organisationales Wissen im Umgang mit Direktinvestitionen in entlegenen Märkten, vor allem im Bereich der unternehmenseigenen Produktion im Ausland. Aus diesem Grunde musste das Management sowohl in München als auch vor Ort in Südafrika diesen organisationalen Lernprozess nachholen und beging eine Vielzahl an Fehlern, die durch vorherige Erfahrungen in die­ sem Bereich hätten vermieden werden können. Auf die genauen Umstände und weiteren Implikationen im Kontext der südafrikanischen BMW-Toch­ tergesellschaften wird detailliert in Kapitel 5 eingegangen. In Südafrika und in den Folgejahren, die von den Gründungen zahlreicher Tochtergesellschaf­ ten im Ausland geprägt waren, holte das Unternehmen diesen Lernprozess binnen kurzer Zeit nach und war imstande, hierdurch im Sinne des organisa­ tionalen Lernens eine unternehmensinterne Wissensbasis aufzubauen, die sich zudem in der Firmenorganisation institutionalisierte. Dieser Entwick­ lung wird detailliert im Rahmen der dritten Internationalisierungsphase nachgegangen (vgl. Kapitel 4). Das Vorgehen bei der weiteren internationalen Ausrichtung der BMW AG lässt sich auch mit Hilfe der Standorttheorie 611 Vgl.

800/1.

Protokoll Nr. 6/70 der Vorstandssitzung vom 17. 02. 1970, in: BMW UA

3.7. Zwischenfazit

393

plausibilisieren, die sowohl marktbezogene Variablen wie Wachstumspoten­ tiale als auch natürliche Gegebenheiten adressiert. Die Montagestandorte in Belgien und Südafrika boten aufgrund ihrer geographischen Lage einen viel­ versprechenden Ausgangspunkt zur Weiterverschiffung der montierten Ein­ heiten. Auch das Absatzpotential vor Ort wurde als vielversprechend und ausbaufähig bewertet. Die politischen Vorgaben machten es allerdings not­ wendig, eine Montage aufzubauen, da die Einfuhr von Kompletteinheiten stark eingeschränkt war. In Südafrika zeigten sich ferner, durch die finanziel­ len Schwierigkeiten der Handelspartner und der zuvor in diesem Markt getä­ tigten Investitionen der BMW AG, in Anlehnung an Dunnings Eklektischer Theorie Internalisierungsvorteile, die eine Übernahme der Partnerbetriebe nach sich zog.612 Im Hinblick auf das Zusammenspiel der unterschiedlichen Marketingbe­ reiche der 4 Ps nach McCarthy – Product, Price, Place, Promotion – kann während der zweiten Phase der Internationalisierung eine deutliche Verbes­ serung gegenüber den 1950er Jahren beobachtet werden, in denen die vier Bereiche noch nahezu vollkommen asynchron zueinander gestaltet wurden. Während der 1960er Jahre kehrte BMW mit seinen Produkten zu den Vor­ kriegswerten der Marke zurück, die Sportlichkeit und Exklusivität miteinan­ der verbanden. Mit den Baureihen der Neuen Klasse sowie der kleineren 02er Reihe besetzte BMW eine Nische im Bereich des sportlichen Mittelwa­ gensegments und schaffte sich hier gegenüber der starken Automobilkon­ kurrenz genügend Raum, um die desaströse Produktpolitik der 1950er Jahre endgültig hinter sich zu lassen. Unter Vertriebschef Hahnemann, der seit 1961 in München tätig war, wurde überdies eine für diese Zeit progressive Marketingorganisation aufgebaut, die sich deutlich von den anderen deut­ schen Automobilherstellern abhob. Durch umfassende Marktanalysen wur­ den die Produkte näher an den Kunden und die Absatzzahlen weiter mit den Produktionskontingenten in Einklang gebracht. Mit den Baumustern der 1960er Jahre traf BMW erneut die Wünsche der Kunden, generierte eine hohe Nachfrage und verband diese mit einer stimmigen Preispolitik, die zu der neuen Nischenphilosophie passte. Hahnemann setzte bei dem Ausbau der Handelsorganisation im In- und Ausland neue Maßstäbe und verfolgte hier vor allem die Maxime des quantitativen Wachstums. Neue Märkte wur­ den erschlossen, die wichtige europäische Absatzregion weiter ausgebaut. Die BMW AG wuchs wie noch nie zuvor in der Nachkriegszeit und erschloss zugleich neue Fertigungskapazitäten im Inland durch das Werk Dingolfing. Die Unternehmensorganisation wuchs jedoch in dieser Phase der Internatio­ nalisierung nicht in demselben Maße wie das Unternehmen selbst. Ineffizien­ zen waren die Konsequenz dieser ungezügelten Expansion: Der Gewinn ver­ mochte nicht in demselben Maße zu steigen wie der Umsatz. Diskrepanzen

612 

Vgl. Dunning, Eclectic Theory; Kapitel 1.2.2.

394

3.  Phase II: Die Intensivierung der internationalen Ausrichtung

im Zahlungsverkehr – zu Ungunsten der Münchner Zentrale – schlichen sich ein. Für die Expansion des Unternehmens wurde den Importeuren ein großer Handlungsspielraum zugesprochen, der starke Informationsasymmetrien im Sinne der Agententheorie zur Folge hatte. In diesem Kontext muss konstatiert werden, dass es zu einer unterschied­ lichen Abstimmung zwischen den 4 Ps im In- und Ausland in der zweiten Phase der Internationalisierung kam: Während im Inland die vier Marketing­ bereiche fortlaufend professionalisiert und nahezu perfekt aufeinander ab­ gestimmt wurden, gestaltete sich ihre Harmonisierung, mit Ausnahme des Produkt- und Preisbereichs, im Ausland weitaus schwieriger. Zugleich muss angemerkt werden, dass die Preise aufgrund der hohen Importeurs- und Händlermargen im Export kaum Gewinne schufen und geplante Preiserhö­ hungen häufig aufgrund eines befürchteten Absatzrückgangs nicht in dem Maße umgesetzt werden konnten, wie von der BMW-Zentrale geplant, was zu Mindererlösen im Export gegenüber der Jahresplanung führte. Die größ­ ten Abweichungen im Auslandsgeschäft gab es jedoch in den Bereichen Ver­ trieb und Kommunikation. In manchen Märkten konnte keine ausreichende Serviceorganisation aufgebaut werden, wie es dem Anspruch der Marke BMW entsprach. Kundenreklamationen oder gar sinkende Absatzzahlen wa­ ren hier die Folge. Auch die Ersatzteilversorgung stellte in zahlreichen Märk­ ten zu dieser Zeit ein wesentliches Problem dar, das je nach Fall sowohl auf Organisationsdefizite seitens der Münchner Zentrale als auch seitens der Im­ porteure zurückzuführen war. Auch hinsichtlich der Einhaltung versproche­ ner Lieferkontingente ins Ausland ab Werk kam es während der gesamten zweiten Internationalisierungsphase wiederkehrend zu Schwierigkeiten. Hiervon waren geographisch weiter entfernte Länder wie Japan, Australien oder selbst ein so wichtiger Markt wie die USA schwerer betroffen als die europäischen Absatzregionen. Länderspezifische Sicherheitsbestimmungen, Umweltauflagen oder wirtschaftspolitische Restriktionen tarifärer oder nicht-tarifärer Natur spielten oft ebenfalls bei diesen Lieferrückständen eine Rolle. Der Aufbau einer Handels- und Serviceorganisation durch den jewei­ ligen Handelspartner vor Ort wurde unter diesen Umständen stark behin­ dert. Noch im Januar 1970 protokollierte der BMW-Vorstand in einer Sit­ zung im Hinblick auf den US-Markt: „Wir müssen der Hoffman Motors Corporation endlich das liefern, was sie bestellt hat und was wir versprochen haben.“613 Im Bereich der Kommunikation machte BMW ab Mitte der 1960er Jahre besonders große Anstrengungen, um die Marke BMW markenadäquat zu ­inszenieren. Das Marketingbudget wurde gesteigert, auch im Ausland er­ hielten die Importeure gegen Ende der zweiten Internationalisierungsphase deutlich höhere Zuschüsse zur Verkaufsförderung. Während Hahnemann

613 

Protokoll Nr. 2/70 der Vorstandssitzung vom 21. 01. 1970, in: BMW UA 800/1.

3.7. Zwischenfazit

395

und die ihm unterstellten BMW- Verkaufsabteilungen ab 1965 im Inland ver­ mehrt auf einen einheitlichen Auftritt der Marke achteten, fiel die Kommuni­ kationsarbeit im Ausland im Wesentlichen in den Aufgabenbereich des ­jeweiligen Importeurs. Im deutschsprachigen Raum wurde 1965 der pro­ duktspartenübergreifende Slogan „Aus Freude am Fahren“ eingeführt und auf eine homogene Werbesprache in Text und Bild geachtet. Durch den Handlungsspielraum und die Entscheidungshoheit der ausländischen Partner kam es dort zu einer divergierenden Darstellung der Marke BMW, die je nach Land unterschiedlich stark ausgeprägt sein konnte. Die Homogenisie­ rung des Images war also in den 1960er Jahren vorrangig im deutschsprachi­ gen Raum gegeben. Ab 1967 wurden allerdings die Bemühungen seitens der BMW-Zentrale intensiviert, einen Überblick über die einzelnen Marktaktivi­ täten der Importeure zu erhalten. Wurden ihr diese zunächst ex post zuge­ stellt, legte das Unternehmen zum Ende der Phase Wert darauf, schon im Vornherein in die Kommunikationsplanung der Märkte mit einbezogen zu werden. Die Organisation der BMW AG war allerdings zu diesem Zeitpunkt weder finanziell noch kapazitativ in der Lage, eine solche Kontrolle vollum­ fänglich zu leisten. Als Prinzipal war sie auf das Wohlwollen bzw. die Ko­ operation der Importeure angewiesen. Deren Handeln richtete sich allerdings vor allem nach ihren eigenen Interessen. Darüber hinaus waren einige Handels­partner nach Ansicht der BMW-Zentrale nicht geeignet, den neuen Herausforderungen zu begegnen, wie folgendes Zitat über den US-Impor­ teur HMC vom Juni 1970 zeigt: „Unserem Importeur fehlt ein erfahrener, geschulter General Manager, der nach den heutigen, modernen Richtlinien in der Lage ist, eine Innen- und Händlerorganisation aufzubauen. Herr Hoffman leitet den Verkauf noch nach den vor 15 Jahren üblichen Richtlinien, die heute vollkommen überholt sind und keinen Erfolg mehr bringen können. […] Es liegen bei uns schon seit langer Zeit Klagen vor, dass die Händler von HMC ungenügend unterstützt werden in Bezug auf Werbung, Verkaufshilfen, Schu­ lung, Beratung, etc.“614

Ab 1970 zeigte sich immer deutlicher, dass die bisherige Unternehmenspoli­ tik im Ausland nicht weiter verfolgt werden konnte, wenn sich die BMW AG weiter internationalisieren wollte. Die Geschäftsleitung war sich darüber einig, dass die Zukunft langfristig im Export lag. BMW musste sich und die betriebseigene Organisation also auf diese neuen Herausforderungen einstel­ len, wenn es dieses Ziel weiter verfolgen wollte. Wie sich dieser Wandel voll­ zog, wird detailliert in Kapitel 4 im Rahmen der dritten Phase der Internatio­ nalisierung aufgezeigt und diskutiert.

614 Bericht

von Exportleiter Winkler (VE) über den Besuch bei Hoffman Motors Corp. in LA und New York vom 20.–27. 05. 1970, 15. 06. 1970, in: BMW UA 1386/1.

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der interna­ tionalen Ausrichtung der BMW AG (1971–1981) 4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Während die 1950er und 1960er Jahre, die von einigen Autoren jeweils auch als lange Jahrzehnte bezeichnet wurden,1 für den schier grenzenlos erschei­ nenden wirtschaftlichen Aufschwung und die politische Integration sowie Stärkung der Bundesrepublik standen, wie in Abschnitt 3.1 diskutiert wurde, waren die 1970er Jahre vor allem von großen Unsicherheiten und ökonomi­ schen Krisen geprägt, die die wiedererstarkte Republik auf die Probe stellten. Zwar hatte schon die Rezession der Jahre 1966/67, deren Auswirkungen sich deutlicher auf der psychologischen denn auf der wirtschaftlichen Ebene ma­ nifestierten, in Westdeutschland vor Augen geführt, dass dem ökonomischen Aufstieg Grenzen gesetzt waren, doch die nachfolgende Dekade brachte die Wirtschaft endgültig auf den Boden der Tatsachen zurück; der Herbst 1973 markierte in diesem Sinne das Ende des Booms, 1975 hatte die westdeutsche Wirtschaft einen neuen Tiefpunkt erreicht. In Deutschland, den USA und ­Japan waren in diesem Jahr bis zu einem Viertel der Industriekapazitäten nicht ausgelastet, zahlreiche Entlassungen waren die Folge.2 Die Ölpreis­ krisen der Jahre 1973 und 1979 bilden sicherlich die augenscheinlichsten ­Zäsuren dieser Dekade, die einhergingen mit einer in Westdeutschland seit den frühen 1950er Jahren nicht gekannten Inflation und Arbeitslosigkeit. Hinzu kamen innenpolitische Ereignisse, wie etwa die in der gesamtdeut­ schen Öffentlichkeit Wellen schlagende Guillaume-Affäre mit dem Rücktritt Willy Brandts im Jahre 1974 sowie die Schrecken der durch die RAF verüb­ ten terroristischen Akte, ferner die außenpolitischen Unruhen, wie etwa der mit der ersten Ölpreiskrise 1973 in Verbindung stehende Jom-Kippur-Krieg, der 1975 unter hohen Verlusten beendete Vietnamkrieg oder die 1979 begin­ nende militärische Intervention der Sowjetunion in Afghanistan.3 Der Vollbeschäftigung wurde gegen Mitte der 1970er Jahre mit den Aus­ wirkungen der ersten Ölpreiskrise ein jähes Ende gesetzt, ebenso der Anwer­

1 

Vgl. Abelshauser: Die Langen Fünfziger Jahre; Metzler, Am Ende aller Krisen, S. 57; Schanetzky, Tim (2004): Sachverständiger Rat und Konzertierte Aktion: Staat, Gesell­ schaft und wissenschaftliche Expertise in der bundesrepublikanischen Wirtschafts­ politik, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Jg. 91, Nr. 3, S. 310–331, hier S. 312. 2  Vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 182. 3 Eine lesenswerte Auseinandersetzung mit den 1970er Jahren, die zugleich diese ­Prozesse des Umbruchs sowie des Gefühls der allgemeinen Unsicherheit dieser Zeit thematisiert, bietet Jarausch in einem Sammelband, vgl. Jarausch, Konrad (Hg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008. DOI 10.1515/9783110501292-004

398

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

bung ausländischer Gastarbeiter.4 Die Erwerbslosenquote, die 1970 noch bei lediglich 0,6 Prozent gelegen hatte, stieg 1975 auf 4,1 Prozent an und ebbte nur allmählich ab, 1980 lag sie bei 3,3 Prozent. Dies bedeutete allerdings nur eine kurze Erholung, da als Folge der zweiten Ölpreiskrise bis Mitte der 1980er Jahre die Arbeitslosenquote auf ihr vorläufiges Rekordhoch von knapp zehn Prozent schnellte.5 Ab 1973 war parallel in Westdeutschland ein Konjunktureinbruch zu beobachten, der von einer hohen Inflation begleitet wurde, die Mitte der 1970er Jahre ihren Höhepunkt von 7,0 Prozent erreich­ te.6 Hierbei stand die Bundesrepublik im internationalen Vergleich allerdings noch gut da, denn in den Jahren 1974/75 lag die Inflation in Großbritannien bei „stolzen“ 27 Prozent, in Japan und Italien bei 25 Prozent, in Frankreich bei 15 und in den USA bei zwölf Prozent.7 Im Gegensatz zu der Rezession 1966/67 handelte es sich bei den Krisen der 1970er Jahre um Ereignisse glo­ baler Reichweite. Der Begriff der „Stagflation“ ging um und verdeutlichte, dass der Bundesregierung kein monetärer Spielraum zur Verfügung stand, um die Konjunktur mit Finanzspritzen wieder anzukurbeln.8 Hier zeigte sich ferner, dass sich die Bundesrepublik zugleich in einer Konjunktur- als auch in einer Strukturkrise befand. Der Glaube an die Kontrollierbarkeit im Sinne einer Globalsteuerung oder grenzenlosen Beeinflussung des ökonomi­ schen Systems nach Keynes schwand.9 Darüber hinaus hing die Wirtschafts­ politik in den frühen 1970er Jahren noch einem Anachronismus früherer Zei­ ten nach, in denen der primäre und sekundäre Sektor die Wirtschaft bestimmt hatten. Demgemäß war die staatliche Wirtschaftspolitik noch lange von einer industriellen Orientierung geprägt und löste sich von dieser nur ganz allmäh­ lich.10 In den 1970er Jahren setzte sich die Deindustrialisierung bzw. die Ter­ tiärisierung der Industrie fort, die parallel von einer Rationalisierung und

4  Dieser

Anwerbestopp trat zum 23. 10. 1973 ein und somit nur knapp zwei Monate, nachdem die Bundesregierung die Anwerbepauschale sogar auf 1 000 DM verdoppelt hatte. Dieser unvermittelte Beschluss zeigte, wie überraschend die erste Ölpreiskrise die Regierung traf, vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 392. Die Auslän­ derquote erreichte 1973 mit 2,5 Mio. einen Höchststand von 11,6 Prozent, vgl. Abels­ hauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 320. 5  Vgl. ebd., S. 289, Tabelle 17; Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 397, Abbil­ dung Arbeitslosenquote. 6  Vgl. ebd., S. 391, Abbildung Inflationsrate. 7  Vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 184. 8  Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 395. 9  Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 409–423; Schröter, Teilung zur Wieder­ vereinigung, S. 393–396. Die Investitionsquote der Bundesrepublik blieb zwischen 1970 und 1981 vergleichsweise stabil zwischen 21,1 (1977) und 25,9 (1972) Prozent und überschritt nur in den Jahren 1970 und 1971 die 26-Prozent-Marke. Mit dem ökonomischen Tiefpunkt erreichten auch die Investitionen ihren Tiefstand, in der die Quote einmalig unter 20,0 auf 19,7 Prozent absank, vgl. Prollius, Deutsche Wirt­ schaftsgeschichte, S. 190, Tabelle 23. 10  Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 423.

399

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

Automatisierung geprägt war.11 Tabelle 44, die die sektorale Verteilung der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik widergibt, zeigt jedoch zugleich, dass sich dieser Wandel sukzessive vollzog: Auch 1980 hatte die Industrie am Standort Deutschland noch immer einen starken Stand, denn in diesem Be­ reich arbeiteten 45,3 Prozent der Erwerbstätigen, womit die Beschäftigung in der Industrie gegenüber 1970 sogar leicht stieg. Dem gegenüber hatte der Anteil der im tertiären Sektor tätigen Bürger während der 1970er Jahre aller­ dings um knapp sieben Prozentpunkte zugenommen. Es kann also durchaus von einer zunehmenden Entwicklung in Richtung einer Dienstleistungsge­ sellschaft der Bundesrepublik gesprochen werden, trotz der wichtigen Stel­ lung, die der sekundäre Sektor einnahm. Jahr

Primärer Sektor

Sekundärer Sektor

Tertiärer Sektor

1965 1970 1975 1980

10,9  8,9  6,7  5,3

48,1 48,6 44,7 45,3

41,0 42,5 48,6 49,4

Erwerbstätige (in 1 000) 27 157 26 617 26 020 26 874

Tabelle 44: Strukturwandel der westdeutschen Wirtschaft anhand der sektoralen Verteilung der Erwerbstätigen, 1965–1980.12

Auch die standardisierte Massenproduktion, die in den 1960er Jahren mit einer Vielzahl an gering qualifizierten Industriearbeitern ihre Hochzeit erlebt hatte, geriet im darauffolgenden Jahrzehnt in eine Krise, wovon die bis 1973 angeworbenen ausländischen Gastarbeiter besonders stark betroffen waren. Soziologen, Historiker als auch Ökonomen sprechen in diesem Zusammen­ hang ebenfalls von der Beendigung der fordistischen Akkumulationsarbeit, die bis in die 1970er Jahre hinein die sozioökonomische Entwicklung der westlich-industrialisierten Länder bestimmt hatte.13 Nicht nur die Industrie und Wirtschaft wandelten sich, sondern auch die Bedürfnisstruktur des Verbrauchers, worauf Industrie und Wirtschaft wiede­ rum zu reagieren hatten. Nach dem vorangegangenen Konsumboom standen die 1970er Jahre vor allem für eine Differenzierung des Bedürfnismusters des Konsumenten.14 War es in der Nachkriegszeit vornehmlich das Ziel gewesen, überhaupt ein Auto zu fahren und hierdurch am Wohlstand zu partizipieren, kam es nun auf die entscheidende Frage an, was für ein Auto gefahren wur­ 11 

Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 398f. Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 307, Tabelle 21. 13  Zeitgleich wurde die Diskussion über eine „posttayloristische Rationalisierung“ in der internationalen Produktion eingeläutet, vgl. Hirsch-Kreinsen, Hartmut (1994): Die Internationalisierung der Produktion. Wandel von Rationalisierungsstrategien und Konsequenzen für Industriearbeit, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 23, Nr. 6, S. 434–446, hier S. 434; Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 432f. 14  Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 434. 12 

400

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

de. In dieser Strömung wandelte sich auch das Motorrad allmählich von ei­ nem reinen Fortbewegungsmittel hin zum Ausdruck eines neuen sportlichfreien Lebensstils.15 Die Kunden wollten nicht länger die gleichen Produkte kaufen, sondern sich über unterschiedliche Produkte definieren und sich so­ mit von ihrem Umfeld abheben. Der Absatz standarisierter Massengüter war passé, welcher von dem fordistischen Produktionsregime getragen worden war. Wie Schröter feststellt, wurden Aspekte der Lebensqualität „nicht mehr allein mit erhöhtem Konsum beantwortet“.16 Die Individualisierung des Konsums konfrontierte die Wirtschaft nun mit einem kritischen Käufer, der neben der Qualität und dem distinguierenden Moment des Angebots auch weitere Größen in seine Kaufentscheidung mit einbezog. Fragen der Umwelt rückten in diesem Kontext vermehrt in den Fokus, was mehrere Industrie­ zweige, wie etwa die Chemie oder Automobilfertigung, unmittelbar betraf.17 Bereits ein Jahr vor der ersten Ölpreiskrise war in dem ersten Bericht zur Lage der Menschheit an den Club of Rome die Endlichkeit der Ressourcen thematisiert worden; dieser von Dennis Meadows erstellte Report wurde 1972 unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht.18 Die produzierende Industrie reagierte mittel- und langfristig mit ressourcenscho­ nenden und umweltfreundlichen Produktionsverfahren sowie mit Produk­ ten, die dieser Veränderung Rechnung trugen. In der Automobilwirtschaft sind hier vor allem die Entwicklung von Dieselmotoren, die gegenüber den Ottomotoren ressourceneffizienter waren, und die serienmäßige Ausstattung der Antriebsaggregate mit Katalysatoren zu nennen. Katalysatoren wurden flächendeckend zwar erst in den 1980er Jahren eingesetzt, ihre Entwicklung jedoch schon in den 1970er Jahren angestoßen.19 Diese waren auch dringend notwendig, da sich die Perzeption des Automobils bzw. des Verkehrs in die­ ser Phase des Umbruchs und der Krisen stark wandelte und die öffentliche Wahrnehmung der Fahrzeugindustrie äußerst kritisch gegenüberstand; unab­ hängig davon, ob sie sich auf zwei oder vier Rädern fortbewegte.20 Neben 15  Vgl.

Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 399f. Für weiterführende Details zum Imagewandel des Motorrads am Beispiel der BMW-Werbung, vgl. Biss, BMW Motorrad. 16  Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 391 17  Vgl. ebd., S. 391. 18 Auch der zweite Bericht zur Weltlage an den Club of Rome mit dem Titel „Menschheit am Wendepunkt“ verbreitete ein vermehrt pessimistisches Weltbild, vgl. Bundesrepublik Deutschland, in: Salewski, Michael / Stölken-Fitschen, Ilona (Hg.), Moderne Zeiten. Technik und Zeitgeist im 19. Und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 175–196, hier S. 175f. 19  Als erster Automobilersteller stattete BMW das komplette Modellprogramm mit einem Dreiwegekatalysator aus, zunächst allerdings aufgrund der strengeren gesetzli­ chen Bestimmungen lediglich in den USA und Japan. 1984 wurde die Katalysatortech­ nik flächendeckend auch in Europa eingeführt. 1983 brachte das Münchner Unterneh­ men ferner den ersten BMW-Dieselmotor in die Serienfertigung, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 237 und 244. 20  Vgl. Biss, BMW Motorrad.

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

401

der Umwelt standen weitere Aspekte wie Sicherheit oder die gesundheit­ lichen Folgen der zunehmenden Verkehrsdichte im Fokus des öffentlichen Diskurses.21 In der Wirtschafts- und Sozialgeschichte markiert das Jahr 1973 den Be­ ginn einer neuen Dekade, in der sich eine seit Jahrzehnten nicht gekannte „Angst vor wirtschaftlicher Rezession, vor Arbeitslosigkeit, vor Einkommensund Wohlstandsverlust“ verbreitete.22 Gemäß dieser Entwicklung überrascht es nicht, dass sich vor dem Eindruck der beiden Ölpreiskrisen aufgrund ­seines häufigen Gebrauchs der Ausdruck „Talfahrt der Wirtschaft“ 1982 ge­ meinsam mit dem Begriff „Arbeitslosigkeit“ auf der Liste zum Wort des Jah­ res wiederfand.23 Da es sich bei diesen wirtschaftlichen Krisen um Ereignisse internationaler Reichweite handelte, hatten sie selbstverständlich ebenfalls Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des europäischen Einigungs­ prozesses. Die in den späten 1950er Jahren ins Leben gerufene Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die überdies, im Gegensatz zu der nur wenig später initiierten Freihandelszone EFTA, auch eine politische Integration anstrebte, hatte in den 1960er Jahren große Schritte vollzogen und zahlreiche Erfolge erzielen können, doch in der Krisendekade der 1970er Jahre wurde auch sie einer Belastungsprobe unterzogen. Hiermit einher ging der Niedergang des Systems fester Wechselkurse, das auf dem Bretton-Woods-Abkommen ­basiert hatte. Im August 1971 hob die US-Regierung die Goldbindung des Dollars auf, im Mai hatte die Bundesregierung bereits die Parität zum Dollar widerrufen, ohne zuvor die französische Regierung zu konsultieren. Diese Schritte führten nicht nur zu politischen Irritationen zwischen den nationa­ len Kabinetten, sondern leiteten auch den Niedergang des Bretton-WoodsSystem ein, das 1973 endgültig zusammenbrach. Durch den Zerfall des Sys­ tems fester Wechselkurse konnte jedoch zugleich Anfang der 1970er Jahre in Europa der erste Versuch beobachtet werden, von einem globalen zum einem europäischen Fixkurssystem überzugehen. Zunächst entstand der Europäi­ sche Wechselkursmechanismus (ERM), der auch als Währungsschlange be­ zeichnet wurde. Dieser konnte zwar keine langanhaltende Stabilität bieten, stellte jedoch einen entscheidenden Schritt zur europäischen Einheitswäh­ rung dar.24 Infolgedessen wurde ab 1978, auf westdeutsche und französische 21 

Vgl. Nöhl, Automobile Symbole im Umbruch, S. 365f. Jens: Und sonntags wieder laufen… Die erste „Ölkrise“ 1973/74 und ihre Perzeption in der Bundesrepublik Deutschland, in: Salewski, Michael / StölkenFitschen, Ilona (Hg.), Moderne Zeiten. Technik und Zeitgeist im 19. Und 20. Jahrhun­ dert, Stuttgart 1994, S. 175-196, hier S. 176. 23  Vgl. Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. (2015): Wort des Jahres. URL: http:// gfds.de/aktionen/wort-des-jahres (Stand: 25. 12. 2015); Schröter, Teilung zur Wieder­ vereinigung, S. 397. 24 Vgl. Burhop, Carsten / Becker, Julian / Bank, Max (2013): Deutschland im Welt­ währungssystem von Bretton Woods, in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 39, Nr. 2, S. 197–239, hier S. 201, 228–237. 22  Hohensee,

402

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Initiative, der Weg für das Europäische Währungssystem (EWS) bereitet, das am 13. April 1979 errichtet wurde. Das EWS stieß unter den europäischen Ländern auf breite Zustimmung und wurde Jahrzehnte lang fortgeführt, was eine gewisse Währungsstabilität gewährleisten konnte.25 Diese Entwicklung des Währungsmechanismus hatte auf das westdeutsche Ausfuhrgeschäft und somit auch auf die Automobilindustrie maßgeblichen Einfluss: Zuvor hatte die strukturelle Unterbewertung der DM natürlich eine exportfördernde Wirkung ausgeübt (vgl. Kapitel 3.1). Mit dem Zusammenbruch des BrettonWoods-Systems war diese Wettbewerbsverzerrung aufgehoben. Die deut­ schen Anbieter sahen sich in der EWG veränderten Marktbedingungen ge­ genüber, worauf im späteren Verlauf eingegangen wird. Trotz dieses durch die europäische Zusammenarbeit hervorgebrachten neuen Währungssystems bestand für die Europäische Gemeinschaft in den 1970er Jahren und zu Beginn der 1980er die ausgesprochene Gefahr, aus­ einanderzudriften und hierdurch die Errungenschaften der beiden vorange­ gangen Dekaden zunichtezumachen. Die 1970er und frühen 1980er Jahre gelten somit auch als Phase der Desintegration in Europa sowie der Rena­ tionalisierung der europäischen Handelspolitik. Ambrosius hat anschaulich aufgezeigt, wie ab den 1970er Jahren die europäischen Mitgliedstaaten der Wirtschaftsgemeinschaft zunehmend von einzelnen Sonderregelungen des EWG-Vertrages Gebrauch machten, die Handlungs- und Interpretations­ spielräume für Nationalinteressen zuließen. Als Folge griffen immer mehr nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Europa um sich, die die zuvor erlangten Verdienste der EWG zunehmend nivellierten, ohne dass hier die Europäische Kommission entgegenwirkte. An die Stelle einer supranationalen Handels­ politik trat ein die nationalen Märkte schützender Protektionismus, der etwa durch „freiwillige“ Importbeschränkungen oder Lieferquoten einzelner Pro­ duktgruppen zum Ausdruck kam. Diesen außertariflichen Beschränkungen entsprechend stiegen beispielweise auch die Verfahren wegen Vertragsverlet­ zungen, die die Mitgliedstaaten geltend machten.26 Neben der wirtschaft­ lichen kam auch die politische Integration zum Erliegen. Die Europäische Gemeinschaft verfiel in eine ordnungspolitische Debatte und drohte, zu ­einer zahnlosen Verteilungsstelle von Finanzmitteln degradiert zu werden, wobei die Finanzierung ihrer selbst ebenso Anlass zu Diskussionen gab. Sie hatte schon länger institutionelle Schwächen aufgewiesen, die nun in den Krisen zutage traten. Die von der Kommission geführte geplante Rechtsangleichung folgte keinem festen Zeitplan, sie selbst hatte aufgrund des starken Minister­ rats seit Ende der 1960er Jahre zunehmend Einfluss eingebüßt. Der Minister­ rat wiederum hatte sich im Sinne der beobachteten Renationalisierungsten­ denzen mehr und mehr zu einer Interessenvertretung der einzelnen nationa­ 25 Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 268–270; Ambrosius, Wirtschaftsraum Europa, S. 130f. 26  Vgl. ebd., S. 132–134.

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

403

len Kabinette entwickelt. Zu den extrinsischen Herausforderungen gesellten sich während der 1970er Jahre also auch intrinsische institutionelle Schwä­ chen, die die Europäische Gemeinschaft in eine Legitimationskrise stürz­ ten.27 1985 diagnostizierte der Ökonom Herbert Giersch dieses Phänomen retrospektiv als „Eurosklerose“, was seither von zahlreichen Autoren auf­ gegriffen und vertieft wurde.28 Trotzdem die Europäische Gemeinschaft im Zuge der 1970er Jahre in eine tiefe Krise geriet, verlor sie ihre Anziehungskraft für andere Länder nicht und entwickelte sich gegenüber der in unmittelbarer Konkurrenz stehenden EFTA erfolgreich weiter. Die europäische Freihandelszone verlor mit dem Beitritt Großbritanniens in die EWG, der in den 1960er Jahren noch an dem Widerstand Frankreichs gescheitert war, zunehmend an Bedeutung.29 Mit Wirkung zum 1. Januar 1973 wurde die erste Erweiterungsrunde seit Grün­ dung der EWG vollzogen und das Vereinigte Königreich, Dänemark sowie Irland in die Gemeinschaft aufgenommen. Norwegens Beitritt, dessen Ge­ such ebenfalls zugestimmt worden war, wurde allerdings durch eine Volks­ abstimmung der norwegischen Bevölkerung abgelehnt. Die EWG setzte sich somit ab 1973 aus nunmehr neun Mitgliedstaaten zusammen: aus den Grün­ dungsländern der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, den Nie­ derlanden, Belgien, Luxemburg sowie den neuen Beitrittsländern Großbri­ tannien, Dänemark und Irland. Die erweiterte EWG erwirtschaftete bereits 1973 80 Prozent des westeuropäischen Sozialproduktes und wickelte 80 Pro­ zent des gesamten europäischen Handels ab. De facto war somit die Ambi­ guität der beiden Institutionen EWG und EFTA bereits in den frühen 1970er Jahren beseitigt, da die Länder außerhalb der EWG dieser Gemeinschaft wirtschaftlich kaum etwas entgegenzusetzen hatten. In den Jahren 1972/73 schloss die EWG vor diesem Hintergrund mit den verbliebenden EFTAStaaten, zu denen seit 1970 auch Island zählte, bilaterale Handelsabkommen für den Handel mit Industriegütern, die hingegen den Umschlag von Agrar­ gütern explizit ausschlossen.30 Im Juni 1975 folgte Griechenlands Antrag auf Beitritt in die EWG, im März und Juni 1977 die Gesuche Portugals und ­Spanien, deren sozioökonomisches Entwicklungsniveau allerdings deutlich 27 

Vgl. ebd., S. 141–145. Ganßmann, Heiner / Haas, Michael (1999): Eurosklerose?, in: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Jg. 29, Nr. 1, S. 55–71; Ambrosius, Wirt­ schaftsraum Europa, S. 141–149; Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 265. 29  Bereits 1961 hatte das Vereinigte Königreich – das erkannt hatte, dass das ihm an­ geschlossene Commonwealth wirtschaftlich zunehmend an Bedeutung verlor – ein Beitrittsgesuch gestellt, woraufhin Dänemark, Irland und Norwegen mit entsprechen­ den Anträgen 1962 gefolgt waren. Diese Anträge wurden jedoch abgelehnt. Insbeson­ dere Frankreich hegte gegenüber der Aufnahme Großbritanniens in die EWG große Vorbehalte, so dass auch ein zweiter Antrag 1967 scheiterte. Erst nach dem Rücktritt de Gaulles konnten die Beitrittsverhandlungen 1970 wieder aufgenommen werden, vgl. Ambrosius, Wirtschaftsraum Europa, S. 118f. 30  Vgl. ebd., S. 119–122. 28 Vgl.

404

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

unter dem der EWG lag. Ähnlich wie zuvor Großbritannien, mit dem ihm angehörigen Commonwealth, orientierten sich auch die iberischen Länder, nach dem Verfall ihrer Kolonialreiche, Richtung Europa und bemühten sich um Anschluss, nachdem ein solcher mit den lateinamerikanischen Staaten ge­ scheitert war. Alle drei Länder waren bereits vor ihrem Beitrittsgesuch mit der EG über verschiedene Abkommen assoziiert bzw. verbunden gewesen. Aufgrund ausgeprägter Widerstände, vor allem im Hinblick auf die deutlich unter dem Durchschnitt der restlichen EWG liegenden Volkswirtschaften und auf den antizipierten hohen Konkurrenzdruck auf dem Agrarmarkt, den insbesondere Frankreich und Italien aufgrund der mediterranen Agrarer­ zeugnisse fürchteten, zogen sich die Beitrittsverhandlungen über Jahre hin. Erst zum 1. Januar 1981 wurde Griechenland in die Europäische Gemein­ schaft eingegliedert, Portugal und Spanien folgten im Jahre 1986.31 Bei allen hier bereits geschilderten Tendenzen zur Renationalisierung, die während der Krisen- und Umbruchdekade zwischen 1973 und 1983 in Euro­ pa zu beobachten waren,32 darf also nicht die Anziehungskraft außer Acht gelassen werden, die die EWG noch immer auf die umliegenden Staaten hat­ te. In diesem Zeitraum wuchs die Idee eines gemeinsamen wirtschaftlichen sowie politischen Raums in Europa von sechs auf zehn Mitgliedstaaten an; ein Großteil des europäischen Handels wurde innerhalb der EWG abge­ wickelt. Bei all diesen Schwierigkeiten, mit denen sich die Europäische ­Gemeinschaft zwischen 1973 und 1983 konfrontiert sah, wurde also trotz ­aller Nationalisierungstendenzen an dem Konzept eines gemeinsamen Wirt­ schaftsraums und einer politischen Zusammenführung festgehalten. Der Aufstieg Japans, das in den 1970er Jahren auch in den hochtechnisierten In­ dustriezweigen als ernst zu nehmender Konkurrent galt,33 und die stärker werdenden Schwellenländer – auch Newly Industrializing Countries (NICs) genannt – Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong führten vor Augen, dass die einzelnen europäischen Nationen gegenüber den neuen als auch den etablierten Wirtschaftsräumen, wie den USA, nicht als Einzelstaaten gewach­ sen waren, sondern der Weg langfristig nur über eine wirtschaftliche und po­ litische Gemeinschaft führen konnte.34 Die Furcht vor diesen aufstrebenden Staaten manifestierte sich auch in einem wiedererstarkenden Protektionismus anhand der bereits erwähnten „freiwilligen“ Importrestriktionen und -ab­ kommen, von denen Japan in dieser Phase besonders stark betroffen war.35 31 

Vgl. ebd., S. 146–149. Vgl. Prollius, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 180. 33  Bereits 1969 hatte der SPIEGEL in seiner Ausgabe getitelt: „Industrie-Macht Ja­ pan. Gefahr für deutsche Märkte“, vgl. [o. V.] (1969): Unheimlich überlegen, in: Der SPIEGEL, Jg. 23, Nr. 22 vom 26. 05. 1969. 34  Vgl. Ambrosius, Wirtschaftsraum Europa, S. 124f. 35  Vgl. Van der Wee, Hermann: The Foreign Trade Policy of the United States, the United Kingdom and Western Europe since the Second World War, in: Pohl, Hans / Treue, Wilhelm (Hg.), Wettbewerbsbeschränkungen auf internationalen Märk­ 32 

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

405

Inspiriert durch ein solches freiwilliges Importabkommen zwischen den USA und Japan,36 in welchem die japanische Einfuhr von Fahrzeugen auf eine feste Quote festgelegt worden war, wurden auch in Westeuropa die ent­ sprechenden Bemühungen für eine ähnliche Regelung seitens der Wirtschaft intensiviert.37 Die Bundesregierung begegnete dieser Diskussion jedoch mit einer äußerst liberalen Einstellung und wies die Vorschläge der deutschen Automobilindustrie beständig zurück.38 Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss die wirtschaftliche Krisendekade auf den Außenhandel der Bundesrepublik hatte und wie sie sich, unter besonderer Berücksichtigung des Untersuchungsschwerpunktes der vor­ ­ liegenden Arbeit, auf die Automobilindustrie auswirkte. Den erschwerten Rahmenbedingungen zum Trotz wuchs auch in den 1970er Jahren die öko­ nomische Verflechtung Westdeutschlands mit dem Ausland, auch wenn die Wachstumsquote des Exports, gemessen am Volumen, zwischen 1973 und 1980 in der Bundesrepublik auf 4,32 von zuvor 8,17 Prozent (1968–1972) sank.39 Seit Mitte der 1950er Jahre exportieren die Deutschen mehr als sie importieren; eine Entwicklung, die bis in die Gegenwart anhält. 1985 zeigte sich ein erster rückwärtsgerichteter Trend im Außenhandel, der etwa ein Jahrzehnt anhalten sollte, wobei dennoch der Exportanteil am Bruttoin­ landsprodukt stets über dem der Einfuhr lag und somit den Ruf West­ deutschlands als Exportnation bestätigte. Hierbei spielte die europäische Wirtschaftsregion eine zentrale Rolle, da 80 Prozent der Import- und Ex­ portgeschäfte mit anderen europäischen Ländern durchgeführt wurden. Die wichtigsten Branchen im Ausfuhrgeschäft waren auch weiterhin der Straßen­ fahrzeug- und Maschinenbau sowie die chemische und Elektroindustrie. Bis in die 1980er Jahre hinein leisteten diese Industriezweige auch die größten Direktinvestitionen im Ausland, vornehmlich innerhalb von Europa. Im Ge­ genzug investierten auch ausländische Firmen bis Ende der 1970er Jahre rege im bundesdeutschen Gebiet. Während allerdings die Zahlen in diesem Bereich relativ konstant blieben, stiegen die Auslandsdirektinvestitionen ­ deutscher Unternehmen zeitgleich an und setzten diesen Trend auch in den folgenden Jahrzehnten fort. Die Automobilindustrie stellte auch hier einen ten, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 46, Stuttgart 1988, S. 227–234, hier S. 233. 36  Vgl. Dassbach, Carl (1994): The Social Organization of Production, Competitive Advantage and Foreign Investment: American Automobile Companies in the 1920s and Japanese Automobile Companies in the1980s, in: Review of International Politi­ cal Economy, Vol. 1, No. 3, pp. 489–517, hier p. 500f. 37  Für weitere Hintergründe zu dem „freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen“, vgl. Schwarz, Karl: Car Wars. Die Automobilindustrie im globalen Wettbewerb, Frankfurt/M. 1994, S. 184–191. 38  Vgl. diverse Schriftwechsel zwischen der Bundesregierung und der westdeutschen Automobilindustrie, die in Auszügen vorliegt, 1979–1983, in: BMW UA 1814/1; VDA (Hg.): Jahresbericht 1980/81, Frankfurt/M. 1981, S. 20. 39  Vgl. Tilly, „Deutsches Modell“, S. 229, Tabelle 1.

406

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

großen Anteil der geleisteten Investitionen, indem sie nicht nur ihre Ver­ triebsorganisation weiter internationalisierte, sondern ebenfalls ihr Produkti­ onsnetzwerk durch firmeneigene Standorte außerhalb deutscher Landesgren­ zen erweiterte. Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits mehrfach be­ tont wurde, stellten solche Direktinvestitionen im Ausland nicht zuletzt aufgrund nicht-tarifärer Handelshemmnisse oftmals die einzige Möglichkeit dar, Marktanteile in der jeweiligen Region zu sichern und weiterzuentwi­ ckeln. Der Export, der in Zeiten der deutschen Rekonstruktion von einigen einheimischen Automobilherstellern noch als notwendiges Übel eingestuft worden war, war in den 1970er Jahren unlängst zur tragenden Säule der ­Automobilindustrie geworden und sicherte somit auch Arbeitsplätze im In­ land.40 Zwischen 1973 und 1983 nahmen die deutschen Direktinvestitionen im Ausland um 238,7 Prozent zu und erreichten ein Volumen von 40,3 Mrd. US-Dollar. Mit diesem Wert lag das westdeutsche Engagement im Ausland deutlich über dem anderer europäischer Länder, selbst über den traditionell hohen Investitionen der Niederlande. Lediglich Großbritannien erzielte mit 95,4 Mrd. US-Dollar einen deutlich höheren Wert. Die USA investierten mit 227,0 Mrd. US-Dollar die größte Summe außerhalb ihrer Ländergrenzen.41 Des Weiteren zeichnete sich seit Ende der 1960er Jahre bei den RGW-Län­ dern, also der Mitgliedsstaaten des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe, eine Intensivierung des Westhandels ab, der die Sowjetunion zu Beginn der 1970er Jahre folgte. Diese ging einher mit den Verständigungsversuchen spe­ ziell zwischen der UdSSR und den USA einerseits sowie der Ostpolitik der Bundesrepublik andererseits. Bis 1975 waren die Westimporte der Ostblock­ staaten erheblich gestiegen, die laut Nötzold nur durch eine Verschuldung zu leisten gewesen sein konnten und damit auf wackeligen Füßen standen.42 Die von der bundesdeutschen Politik getragene ökonomische Orientierung in Richtung der RGW-Länder zeigte auch in der Automobilindustrie Wirkung, deren Managementvertreter aktiv von der Bundesregierung dazu angehalten wurden, Verhandlungen mit den Ostblockstaaten aufzunehmen.43 Auch die BMW AG führte diverse Gespräche mit Vertretern der osteuropäischen Län­ der über eine wirtschaftliche Kooperation. Die Aktivitäten des Münchner Unternehmens sollten letztlich jedoch nicht über die Ausweitung der Han­ 40 

Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 404–407. Vgl. Jones/Schröter, Continental European Multinationals, S. 10, Tabelle 1.2. 42  Vgl. Nötzold, Jürgen (1988): Wirtschaftspolitische Maßnahmen der Ostblock-In­ dustriestaaten von 1945 bis heute, in: Pohl, Hans / Treue, Wilhelm (Hg.), Wettbe­ werbsbeschränkungen auf internationalen Märkten, Zeitschrift für Unternehmensge­ schichte, Beiheft 46, Stuttgart 1988, S. 235–258, hier S. 248f. 43 Im März 1973 berichtete der BMW-Vorstandsvorsitzende von Kuenheim seinen Vorstandskollegen von einem Gespräch mit Wirtschaftsminister Friderichs, in wel­ chem dieser den Wunsch geäußerte hatte, mehr Kontakte deutscher Industrieunter­ nehmen zu Ländern des Ostblocks sehen zu wollen, vgl. Protokoll Nr. 7/73 der Vor­ standssitzung vom 12. 03. 1973, in: BMW UA 851/1. 41 

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

407

delsorganisation bzw. des Exports hinausgehen, worauf näher in Kapitel 4.5.3 eingegangen wird. 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 Einheiten

3,983 3,816 3,949 3,100 3,186 3,868 4,104 4,186 4,250 3,879 3,897

Tabelle 45: Kraftwagenproduktion deutscher Hersteller in der Bundesrepublik (Angaben in Mio.), 1971–1981.44

Die Produktionszahlen in Tabelle 45 zeigen deutlich die Auswirkungen der beiden Ölpreiskrisen auf die deutsche Automobilindustrie, in deren Zuge sich der Benzinpreis pro Liter mit 0,57 DM (1971) auf 1,40 DM (1981) mehr als verdoppelte, auch der Dieselpreis nahm einen ähnlichen Verlauf.45 Im Kon­ text der ersten Ölpreiskrise kann durchaus von einem Schock gesprochen werden, dem die Bevölkerung vor dem Hintergrund von Ölknappheit, Ben­ zinverteuerung, Sonntagsfahrverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen verfiel. Alleine in den Monaten November 1973 bis Januar 1974 zogen 170 000 Käufer ihre von den deutschen Autohändlern fest eingeplanten Kaufabsichten zurück. Kurzarbeit für knapp 90 000 Arbeiter in der Automobilindustrie wa­ ren die Folge, ebenfalls Produktionsausfälle von über 100 000 Einheiten sowie Pleiten und Entlassungen bei Händlern und Zulieferern.46 Das Produktions­ niveau des Jahres 1973 wurde erst wieder 1977 erreicht, jedoch durch die zweite Ölpreiskrise 1979 erneut zurückgeworfen, wodurch es auf das Ferti­ gungsvolumen des Jahres 1976 zurückfiel, das wiederum unter dem bereits 1971 erzielten Niveau lag; zwischen 1971 und 1976 die westdeutsche Auto­ mobilbranche also einen rückläufigen Trend durchlief. In­mitten dieser beiden Ölpreiskrisen rief BMW Verwunderung in den Medien hervor, da 1973 der neue Bauabschnitt im Werk Dingolfing eröffnet wurde, der das Fertigungs­ volumen deutlich ausbaute. Des Weiteren wurden just im Herbst 1979 erneut Meldungen laut, das Münchner Unternehmen sei aufgrund von Kapazi­ tätsengpässen in den bestehenden Werken abermals auf der Suche nach einem neuen Produktionsstandort.47 Die in Tabelle 45 angeführte inländische Pro­ duktion wurde nicht durch eine überdurchschnittliche Er­höhung der Ferti­ gungskapazitäten im Ausland ausgeglichen, da es sich bei den beiden Ölpreis­ krisen um Krisen internationalen Formates handelte, also auch die Fahrzeug­ nachfrage im Ausland, mit Ausnahme Japans, sank. Die Zahlen unterstreichen, 44  Vgl.

VDA (Hg.): Jahresbericht 1973/74, Frankfurt/M. 1974, S. 10; Ders. (Hg.): Jah­ resbericht 1977/78, Frankfurt/M. 1978, S. 57; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1980/81, S. 67; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1981/82, Frankfurt/M. 1982, S. 79. 45 Vgl. Bundesminister für Verkehr (Hg.): Verkehr in Zahlen, Jg. 15, Bonn 1986, S. 270f. 46  Vgl. [o. V.] (1974): „Dann sind wir tot“, in: Der SPIEGEL, Jg. 28, Nr. 10 vom 04. 03.  1974, S. 42–55. 47 Vgl. ebd.; Bößenecker, Hermann (1979): Ein neues BMW-Werk. Rüsten für den nächsten Boom, in: DIE ZEIT, Jg. 34, Nr. 45 vom 02. 11. 1979.

408

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

wie schwerwiegend die Ölpreiskrisen für die Automobilindustrie waren. Die abflauende Konjunktur tangierte diesen Industrie­zweig deutlich; in der Regel reagierte die Ersatznachfrage empfindlicher, da ein Ersatzkauf länger heraus­ gezögert werden konnte, als etwa die generelle Erstanschaffung eines Fahr­ zeugs.48 Die Automobilindustrie der Europäischen Gemeinschaft musste 1980 ein Minus von sieben Prozent in der Produktion hinnehmen und er­ reichte einen Ausstoß von 10,55 Mio. PKW, ­woran die westdeutschen Her­ steller mit einer Kapazität von 36,8 Prozent beteiligt waren. Der größte ­Verlierer war 1980 die US-amerikanische PKW-Fertigung mit 6,38 Mio. Ein­ heiten, die somit den Vorjahreswert ihrer weltweiten Produktion um 24,4 Prozent unterschritt. Hierdurch verlor sie die Spitzenposition in der Welt­ rangliste der automobilproduzierenden Länder an die japanische Konkurrenz, die ihre Produktion im Vergleich zum Vorjahr im Inland um rund 14,0 Pro­ zent auf 7,04 Mio. PKW erhöhen konnte. Anhand der nachfolgenden Abbil­ dung 29, die das inländische Produktionsvolumen der einzelnen Nationen berücksichtigt, lässt sich diese Entwicklung deutlich nachvollziehen und die Auswirkungen der beiden Ölpreiskrisen nachzeichnen.49 Auf der Sekundär­ achse, durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnet, ist die gesamte PKWProduktion weltweit dargestellt. In den 1970er Jahren war die Bundesrepu­ blik nach den USA und Japan die bedeutendste Automobilnation, gleichwohl sie ein deutlich geringeres Fabrikationsvolumen aufwies. Andere europäische Länder wie Großbritannien hatten ihren ehemals führenden Status endgültig eingebüßt und einen tiefen Fall hinnehmen müssen. Nicht nur das Produktionsvolumen wurde nachhaltig von den Krisen der 1970er Jahre beeinflusst, sondern ebenfalls der hiermit einhergehende Fahr­ zeugexport. Dieser wurde nicht nur von den durch die Ölpreiskrisen verän­ derten Rahmenbedingungen beeinflusst, sondern ebenfalls mittels des oben bereits ausgeführten Zusammenbruchs des Währungssystems von Bretton Woods, der zu einer Anpassung der Wechselkurse an die realen nationalöko­ ­ ngleichung nomischen Verhältnisse führte. Hiermit einher ging also auch die A der Unterbewertung der Deutschen Mark, was sich wiederum negativ auf den Außenhandel der Bundesrepublik auszuwirken drohte.50 Die deutsche 48  Für

weitere Details zum Gebrauchtwagenmarkt, vgl. Kopper, Christopher (2010): Der Durchbruch des PKW zum Massenkonsumgut 1950–1964, in: Jahrbuch für Wirt­ schaftsgeschichte / Economic History Yearbook, Jg. 51, Nr. 1, S. 19–36. 49  Berücksichtigt man auch die weltweite Produktion, also zusätzlich das Fertigungs­ volumen außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen, wird der Rückgang der US-Auto­ mobilindustrie und der Aufstieg der japanischen Hersteller noch deutlicher: 1980 lag die US-amerikanische PKW-Fertigung mit weltweit 8,0 Mio. Einheiten um ganze 30,0 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die japanische Konkurrenz konnte ihre Produk­ tion über die eigenen Landesgrenzen hinweg im Vergleich zum Vorjahr um 15 Pro­ zent auf 11,04 Mio. PKW ausbauen, vgl. VDA (Hg.): Jahresbericht 1980/81, S. 17. 50 Dies lässt sich anschaulich anhand des Wechselkurses von DM und US-Dollar nachzeichnen: Der US-Dollar war 1968 auf 4,00 DM fixiert worden, fiel allerdings 1972 auf 3,22 DM, 1973 auf 2,87 DM und erreichte bis 1978 nur noch einen Kurs von

12.000.000

35.000.000

10.000.000

30.000.000 25.000.000

8.000.000

20.000.000

6.000.000

15.000.000

4.000.000

10.000.000

2.000.000

5.000.000

0

USA Frankreich DDR Welt

409

Weltweite PKW-Produktion

PKW-Produktion (nach Ländern)

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

0

BRD Italien Kanada

Großbritannien Schweden Japan

Abbildung 29: PKW-Produktion verschiedener Nationen inkl. Kombinationskraftwagen, 1970–1981.51

Wirtschaft hatte in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten von einem strukturellen Vorteil profitiert, den sie aufgrund des für den Export günstige­ ren Wechselkurses im Ausland hatte. Vor dem Hintergrund der in Europa ­geäußerten Kritik war in den 1960er Jahren die deutsche Währung mehrfach aufgewertet worden (vgl. Kapitel 3.1). Der Preisvorteil war vor allem auf dem wichtigen Absatzmarkt USA zur Geltung gekommen und der Zusammen­ bruch des Weltwährungssystems von Bretton Woods ließen „den gewohnten währungsbedingten Rückenwind für die deutschen Exporteure deutlich ab­ flau­en“.52 De facto stieg jedoch der Anteil der gesamten Ausfuhr am west­ deutschen Bruttoinlandsprodukt auch in den 1970er Jahren weiter an.53 Die Produktion als auch der Export der führenden Automobilnationen wurde empfindlich durch die beiden Ölpreiskrisen beeinflusst. Einzige Aus1,73 DM, vgl. Grunow-Osswald, Elfriede: Wirtschaftskrisen – Wendepunkte für den Konzern? Daimler-Benz 1960–1985, in: Tilly, Stephanie / Triebel, Florian (Hg.), Auto­ mobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, Mün­ chen 2013, S. 77–110, hier S. 92. 51  Die Werte für die weltweite sowie die US-Produktion sind auf der Sekundärachse gestrichelt dargestellt. In dieser Aufstellung wurde nur die jeweils inländische Pro­ duktion berücksichtigt, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1970/71, S. 296; Ders. (Hg.): TuZ 1971/ 1972, S. 302; Ders. (Hg.): TuZ 1974/75, S. 327; Ders. (Hg.): TuZ 1978, S. 345; Ders. (Hg.): TuZ 1979, S. 353; Ders. (Hg.): TuZ 1981/82, S. 373. 52  Tilly/Triebel, Automobilwirtschaft nach 1945. Eine Einführung, S. 8. 53  Vgl. Schröter, Teilung zur Wiedervereinigung, S. 405, Abbildung Einfuhr und Aus­ fuhr.

410

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

4.000.000 3.500.000 3.000.000 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000

0 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 USA Frankreich Kanada

BRD Italien Japan

Großbritannien Schweden

Abbildung 30: Export von PKW inkl. Kombinationskraftwagen verschiedener Länder, 1970–1981.54

nahme hiervon stellte Japan dar, das in den 1970er Jahren einen einzigartigen Aufstieg an die Weltspitze schaffte; nicht nur als produzierende Automobil­ nation, sondern auch als Exporteur von Fahrzeugen. In Abbildung 30 ist der Verlauf der exportierten PKW-Einheiten der wichtigsten Länder dargestellt. Sie zeigt, dass Deutschland und Frankreich innerhalb von Europa die füh­ renden Exportländer im Automobilsektor waren. Während die USA vor­ nehmlich für den Eigenbedarf produzierten, konzentrierte sich ihr Nach­ barland Kanada, in dem wiederum die großen US-Hersteller einige Werke betrieben, auf die Ausfuhr von PKW-Einheiten.55 Erst 1979 überstieg der US-Export die kanadische Ausfuhr. Die hier aufgeführten Zahlen zeigen ­zugleich, dass die beiden Ölpreiskrisen, vor allem der erste Ölschock, einen ausgeprägten negativen Einfluss auf den Export der verschiedenen Länder nahmen. Einzig Japan konnte als neue führende Automobilnationen seine Ausfuhr während der 1970er Jahre trotz der Vielzahl an nicht-tarifären Han­ delshemmnissen, die den japanischen Herstellern im Ausland entgegenstan­ 54  Vgl.

VDA. (Hg.): TuZ 1970/71, S. 297; Ders. (Hg.): TuZ 1971/1972, S. 303; Ders. (Hg.): TuZ 1974/75, S. 329; Ders. (Hg.): TuZ 1978, S. 346; Ders. (Hg.): TuZ 1979, S. 355; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1980/81, S. 67; Ders. (Hg.): Jahresbericht 1981/82, S. 79; Ders. (Hg.): TuZ 1981/82, S. 375. 55  Die sogenannten „Big Four“ aus den USA, mitunter auch nur auf die „Big Three“ reduziert, stellten den größten Anteil der Automobilproduktion in Kanada: General Motors, Ford, Chrysler und als vierter, mitunter exkludierter Hersteller, AMC, vgl. Holmes, Canadian Automobile Industry, S. 255; Thomas, Capital Mobility and Trade Policy, S. 128.

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

411

den, überdurchschnittlich steigern bzw. mehr als verfünffachen. Der deutsche Export von Automobilen hingegen wurde durch die erste Ölpreiskrise beson­ ders empfindlich getroffen, was, im Zusammenspiel mit dem für die deutsche Wirtschaft schwierigsten Jahr 1975, in diesem Jahr in der schlechtesten Aus­ fuhrquote seit der Nachkriegszeit kumulierte, von der sich der PKW-Export der Bundesrepublik nur allmählich erholte. Der binnen kurzer Zeit vollzogene wirtschaftliche Aufstieg Japans stieß in den westlichen Industriestaaten eine Diskussion über die eigenen Methoden an, sowohl im Bereich der Produktion als auch im Management und der Un­ ternehmensführung im Allgemeinen. Das Paradigma der „Lean Production“, also der schlanken Produktion, war in aller Munde, die während der 1980er Jahre eine doppelt so hohe Produktivität von Nissan und Toyota gegenüber führenden US-Automobilherstellern wie Ford oder GM ermöglichte.56 Das japanische Produktionsparadigma zeigte, dass die Zeit der vor allem von den US-Herstellern geprägten Massenproduktion vorbei war und löste eine „zweite Revolution“ in der Automobilindustrie aus.57 Diese Entwicklung wurde auch von populärwissenschaftlichen Autoren aufgegriffen, die in den frühen 1970er Jahren nun vor der japanischen Herausforderung warnten, nachdem sie kurz zuvor noch wegen der amerikanischen Herausforderung Alarm geschlagen hatten.58 Der Begriff der Schlanken Produktion wurde von John Krafcik geprägt, und umschrieb die wesentlich schlankeren Strukturen gegenüber der Massenproduktion, da sie von allem weniger gebrauchte: we­ niger Personal in der Fabrik, die Hälfte der bisherigen Produktionsflächen, niedrigere Investitionen im Bereich der Werkzeugbeschaffung und auch ­kürzere Entwicklungszeiten bei neuen Produktionen. Lean Production kom­ binierte die Vorteile der „handwerklichen und der Massenfertigung, während es die hohen Kosten der ersteren und die Starrheit der letzteren“ vermied.59 Ebenso wurden die sich aus der neuen japanischen Überlegenheit erge­ benden Herausforderungen im Allgemeinen diskutiert. Hieraus folgten Überlegungen, wie die westliche Welt von dem japanischen Aufstieg lernen konnte, etwa durch die Übernahme von japanischen Managementmethoden, wie etwa des „Kaizen“-Prinzips.60 Aus dem japanischen Erfolg ergab sich Wannöffel zufolge ein „Sachzwang“, der die restliche industrialisierte Welt 56 

Vgl. Dassbach, Social Organization of Production, S. 503. Vgl. Womack et al.: Die zweite Revolution. 58  Vgl. Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 355. 59  Womack et al.: Die zweite Revolution, S. 18f. 60  Bereits 1981 wurde das viel zitierte Werk von Ouchi publiziert, das hier als nur ­eines von vielen Beispielen der zeitgenössischen Literatur dienen soll, vgl. Ouchi, ­William: Theory Z. How American business can meet the Japanese challenge, Addi­ son-Wesley 1981. Für Details über das Prinzip des Kaizen im Kontext der Lean Pro­ duction, vgl. Hentze, Joachim / Kammel, Andreas (1992): Lean Production. Personal­ wirtschaftliche Aspekte der „schlanken“ Unternehmung, in: Die Unternehmung, Jg. 46, Nr. 5, S. 319–331. 57 

412

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

unter Zugzwang brachte.61 Zugleich zeigte sich allerdings auch, dass sich das japanische System und somit die Ausgangssituation am Markt sehr von der westlichen Welt unterschied, da in Japan beispielsweise die Zaibatsu bzw. das sich hieraus geformte System der Keiretsu dominierten, das heißt das System großer Finanzcliquen und Handelsgruppen, die sich gegenseitig ein Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage zusicherten.62 Ende der 1960er Jahre waren die ersten Bücher über japanische Managementmetho­ den im deutschsprachigen Raum erschienen, denen zunächst jedoch ver­ gleichsweise geringe Aufmerksamkeit geschenkt wurde, was sich zu Beginn der darauffolgenden Dekade änderte. Immer mehr deutsche Unternehmen entsandten leitende Mitarbeiter nach Japan, um die dortigen Praktiken vor Ort zu beurteilen, so wie es in den 1950er Jahren im Hinblick auf die USA gängige Praxis gewesen war.63 Auch die BMW-Geschäftsführung wollte sich von dem japanischen Vorbild inspirieren lassen und entsandte zum Jahres­ wechsel 1975/76 eine BMW-Delegation nach Japan, bestehend aus leitenden Angestellten der Bereiche Technik, Produktion und Entwicklung, um dort vor Ort einige Unternehmen, wie etwa Honda, und deren Fertigungsstätten zu besuchen. Hierbei wollten sie vor allem im Hinblick auf die dort vor­ herrschende Fertigungsqualität und die genauen Produktionsabläufe dazu­ lernen. Selbst die BMW-Vorstände Radermacher und Koch begleiteten diese BMW-Exkursion und fertigten einen ausführlichen Bericht für die in ­München verbliebenen Vorstandskollegen an.64 Wie Kleinschmidt aufzeigt, löste der Aufstieg Japans und seine Dominanz einen „Japanschock“ in der Automobilindustrie aus, der 1980 mit der Exportoffensive aus Fernost end­ gültig zutage trat, als japanische Fabrikate einen Anteil von 13,0 Prozent auf dem westdeutschen Automobilmarkt erzielten.65 Deutsche Unternehmen suchten sich noch weiter an japanischen Management- und Fertigungs­ methoden zu orientieren, wie zahlreiche Schriften belegen.66 Dabei konnte allerdings nicht von einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit den japa­ nischen Methoden gesprochen werden, wie Kleinschmidt in seiner Habilita­ tionsarbeit aufzeigt: „Solange bestimmte Formen der Informationssammlung und -verarbeitung wie et­ wa die der Imitation bei japanischen Unternehmen despektierlich abgetan wurden, 61 Vgl.

Wannöffel, Manfred: Sachzwang Japan. Zum Arbeitsorganisatorischen Um­ bruch in der internationalen Automobilindustrie, Münster 1991. 62  Vgl. Schneidewind, Dieter: Markt und Marketing in Japan. Shin Hatsubai, Mün­ chen 1998, S. 34. 63  Vgl. Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 356–359. 64  Vgl. Protokoll Nr. 1/76 der Vorstandssitzung vom 13. 01. 1976, in: BMW UA 1446/1. 65  Vgl. Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 366. 66  Vgl. Gaugler, Eduard / Keller, Reinhard / Zander, Ernst (Hg.): Haben uns die Japa­ ner überholt?, Heidelberg 1981; Battelle-Institut e. V. (Hg.): Innovationsprozesse und Innovationspolitik in Japan. Untersuchung zur Wirksamkeit eines alternativen För­ derkonzepts und seiner Bedeutung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, For­ schungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Bonn 1983.

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

413

1981 1980 1979 1978 1977 1976

EFTA

1975

EWG

1974 1973 1972 1971 1970 -

500.000

1.000.000

1.500.000

Abbildung 31: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die EFTA und EWG inkl. Teilesätze, 1970-1981.67 solange der Faktor ‚Information‘ damit auch nicht in allen seinen Schattierungen in den Unternehmen anerkannt war, […] solange nicht nur Fremdwahrnehmung, son­ dern auch Selbstreflexion als Wert anerkannt und in den Unternehmen systemati­ siert und institutionalisiert war, solange konnte in deutschen Unternehmen nur von unvollständigen Lernprozessen die Rede sein, die sich damit auch der Möglichkeit einer flexibleren Anpassung an die sich verändernden Umwelteinflüsse beraubten.“68

In diesem Abschnitt ist bereits die Entwicklung innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes nachgezeichnet und expliziert worden, wie sich die Ri­ valität der EWG und EFTA während der späten 1960er und der nach­ folgenden Dekade auflöste. In diesem Kontext stellt sich die Frage, wie sich die regio­nale Exportstruktur von Kraftfahrzeugen der Bundesrepublik in dieser Zeit wandelte. In Abbildung 31 ist die Aufteilung der westdeutschen Automobilausfuhr auf die EFTA und EWG festgehalten. Hier wird ersicht­ lich, dass sich die bereits in den 1960er Jahren zu beobachtende Entwick­ lung des zunehmenden Binnenhandels innerhalb der EWG, trotz der oben beschriebenen Desintegrationstendenzen, während der 1970er Jahre weiter fort­setzte. Ein besonders deutlicher Anstieg ist im Jahre 1973 zu verzeichnen, in ­welchem die EWG um Irland sowie die ehemaligen EFTA-Mitgliedstaaten Großbritannien und Dänemark erweitert wurde, womit sich zugleich die 67 In

dieser Aufstellung wurden nur die Vollmitglieder der EFTA berücksichtigt, dem­zufolge also beispielsweise nicht das seit 1961 mit der EFTA assoziierte Finnland. Eigene Berechnungen, vgl. VDA (Hg.): TuZ 1972/73, S. 106; Ders. (Hg.): TuZ 1974/75, S. 108; Ders. (Hg.): TuZ 1980/81, S. 110; Ders. (Hg.): TuZ 1981/82, S. 110. 68  Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 371.

414

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000

1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 Frankreich Niederlande Schweden Österreich Irland

Italien GB Dänemark Portugal Griechenland

Belgien/Lux. Norwegen Schweiz Island

Abbildung 32: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die einzelnen Länder der EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1970–1981.69

Ausfuhr in die EFTA-Länder deutlich verringerte, während der Absatz in das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft parallel deutlich zunahm. Wäh­ rend also der Handel mit der EWG über die Jahre deutlich ausgebaut werden konnte und sich zwischen 1971 und 1981 mit einer Zunahme um 91,2 Pro­ zent nahezu verdoppelte, verringerte sich der Absatz in die EFTA-Staaten in demselben Zeitraum um 22,2 Prozent. Abbildung 32 bietet weiteren Auf­ schluss zu dem regionalen Muster des bundesdeutschen Fahrzeugexportes innerhalb der EWG und EFTA. Bei dem Ausbau der Handelsbeziehungen innerhalb der EWG spielte Großbritannien eine besondere Rolle, dessen ­heimische Industrie in einer schweren Krise steckte, von der die bundes­ deutschen Hersteller wiederum profitierten. Neben Großbritannien waren überdies der französische und italienische Markt von besonders großer Be­ deutung. Innerhalb der EFTA behielt die Schweiz – bei einer vergleichsweise kleinen Marktgröße, jedoch hoher Motorisierung – ihre tragende Rolle, auch wenn sie von der Ausfuhr nach Österreich vor der zweiten Ölpreiskrise deutlich überholt wurde. Das regionale Exportmuster der BMW AG wird detailliert in Abschnitt 4.5.3 thematisiert. 69  Vgl.

VDA (Hg.): TuZ 1970, S. 112; Ders. (Hg.): TuZ 1972/73, S. 106; Ders. (Hg.): TuZ 1974/75, S. 108; Ders. (Hg.): TuZ 1980/81, S. 110; Ders. (Hg.): TuZ 1981/82, S. 110.

1.800.000

80

1.600.000

70

1.400.000

60

1.200.000

50

1.000.000

40

800.000

30

600.000 400.000

20

200.000

10

-

415

Exportanteil der PKWInlandsproduktion (in%)

Exportierte PKW-Einheiten

4.1.  Allgemeine wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

0

Daimler-Benz

VW

BMW

Exportquote DB

Exportquote VW

Exportquote BMW

Abbildung 33: PKW-Export in Stückzahlen und prozentualer Exportanteil an der PKW-Gesamtproduktion der Daimler-Benz AG, Volkswagen AG und BMW AG, 1971–1981.70

Die Angaben in Abbildung 33 zeigen, dass insbesondere die erste Ölpreis­ krise eine signifikante Auswirkung auf VW und Daimler-Benz hatte, deren Absatzzahlen im Ausland als auch das Gesamtfertigungsvolumen deutlich zurückgingen. BMW konnte hingegen diese beiden Kenngrößen ungeachtet der Ölpreiskrisen steigern. Während der VW-Konzern seinen weltweiten Produktionsausstoß aufgrund der allgemeinen Weltwirtschafslage zwischen 1971 und 1981 sogar um 4,6 Prozent drosseln musste, konnte BMW die Produktion um 113,4 Prozent steigern. Verglichen mit einem Gesamtvolu­ men von 2 245 611 Einheiten bei VW im Jahre 1981 war die BMW-Fertigung allerdings mit einer Stückzahl von nur 351 545 verhältnismäßig gering, wo­ durch Schwankungen deutlicher zutage traten. Während allerdings sowohl der Wolfsburger als auch der Stuttgarter Hersteller im Laufe der 1970er Jah­ re die Exportquoten senkte, baute BMW den Absatz im Ausland kontinu­ ierlich aus und verkaufte 1974 erstmals im Ausland mehr Automobile als im Inland. Darüber hinaus erreichten die Exportzahlen der BMW AG, absolut betrachtet, gegen Ende der dritten Internationalisierungsphase, mit exem­ 70  Die

Angaben für die VW AG beziehen sich auf die konzernweite Produktion so­ wie den konzernweiten Absatz im Ausland, da keine näheren Informationen zu der inländischen VW-Produktion vorlagen, vgl. Lupa, Volkswagen Chronik, S. 89–117; Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 295, 317; Geschäftsberichte der BMW AG, 1971–1981; VDA (Hg.): TuZ 1971/72, S. 98f.; Ders. (Hg.): TuZ 1973/74, S. 86f.; Ders. (Hg.): TuZ 1978/79, S. 86f; Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1979, 1980, in: BMW UI 3654/1.

416

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

plarisch 164 131 Einheiten im Jahre 1978, in etwa die Größenordnung der Exporte der Daimler-Benz AG, die im selben Jahr bei 176 622 Automobilen lagen. Abbildung 33 zeigt darüber hinaus anschaulich, dass die BMW-Export­ quote, gemessen an der Gesamtproduktion des Münchner Unternehmens, während der 1970er Jahre beständig über der Quote des Auslandsgeschäftes der Daimler-Benz AG lag. Unter Berücksichtigung des großen Unterschie­ des, der noch während der ersten und zweiten Internationalisierungsphase zwischen dem Münchner und dem Stuttgarter Automobilhersteller bestand, ist dies ein durchaus interessanter bzw. bemerkenswerter Fakt. Nicht außer Acht gelassen werden darf allerdings die Tatsache, dass sich die Internationa­ lisierung eines Unternehmens über die Exportzahlen hinaus definiert. So ver­ fügte Daimler-Benz über ein weitreichendes Netz an Direktinvestitionen im Ausland: BMW verfügte dort 1970 noch über keine hundertprozentige Toch­ tergesellschaft, lediglich über drei Minderheitsbeteiligungen in Italien, Aust­ ralien und Südafrika. Hingegen zählte die Organisation des Stuttgarter Mit­ bewerbers bereits 25 ausländische Beteiligungen und erwirtschaftete 44,6 Prozent des Umsatzes im Ausland, bei BMW waren es 36,1 Prozent.71

4.2. Personalpolitik 4.2.1.  Die BMW-Geschäftsleitung in den 1970er Jahren Im Gegensatz zu der ersten Internationalisierungsphase hatten sich die 1960er Jahre durch eine neue Kontinuität in der Geschäftsleitung der BMW AG ausgezeichnet, die sich auch in der anschließenden Dekade fortsetzte und weiter ausprägte. Hiervon abgesehen, unterschied sich die dritte Phase der Internationalisierung auch im Hinblick auf das Personalwesen in vielen Punkten von der zweiten. Während der 1960er Jahre hatte vor allem Ver­ triebsvorstand Hahnemann die Geschicke des Unternehmens beeinflusst und somit in der Öffentlichkeit den Spitznamen „Mr. BMW“ erworben, während der Aktionsradius des Amtes des damaligen Vorsitzenden der Geschäftslei­ tung Wilcke hierdurch eingeschränkt wurde (vgl. Kapitel 3.2.1). Dies änderte sich grundlegend mit dem Führungswechsel an der Spitze des Münchner Unternehmens zum 1. Januar 1970, als Eberhard von Kuenheim Wilcke ab­ löste und mit 42 Jahren der damals jüngste Vorstandsvorsitzende der deutschen Großindustrie wurde. Sowohl Hahnemann als auch von Kuenheim zählten zum Vertrauenskreis des BMW-Großaktionärs Quandt. Von Kuenheim war bereits seit 1964 in der „Stabsabteilung“ der Bad Homburger Industriellen­ dynastie tätig gewesen. Der SPIEGEL berichtete über die hoch­gesteckten

71 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 358f.

4.2. Personalpolitik

417

Ziele, die dem designierten Vorstandsvorsitzenden mit auf dem Weg gege­ ben worden waren: In weniger als sechs Jahren sollte der Tages­ausstoß bei BMW von 600 auf 1 000 Wagen angehoben und der Umsatz von knapp 1,1 Mrd. DM (1968) auf fast 3,0 Mrd. DM erhöht werden, so die Erwartungs­ haltung in Bad Homburg.72 Um die dritte Internationalisierungsphase besser nachvollziehen zu kön­ nen, die die deutliche Handschrift des neuen Vorstandsvorsitzenden trug, sollen von Kuenheim und Hahnemann an dieser Stelle kurz gegenüberge­ stellt werden, da sie von Grund auf unterschiedlichen Managementtypen an­ gehörten. Die ZEIT skizzierte das Verhältnis der beiden passend wie folgt: „Die beiden nach Temperament und Habitus grundverschiedenen Männer waren kaum dazu geschaffen, miteinander zu harmonieren.“73

Diese Verschiedenheit spiegelte sich ebenfalls in der Unternehmensorganisa­ tion wider, auf die im späteren Verlauf weiter eingegangen werden soll: Von Kuenheim kam, wie man es allgemein hin formuliert, „aus gutem Hause“ und hatte das elitäre Internat in Salem besucht. Ferner wies er ein ausgespro­ chen ruhiges Naturell auf. Der studierte Maschinenbauingenieur folgte ei­ nem modernen Führungsstil und einer grundlegend strukturierten Arbeits­ weise. Er war bis zu seiner Tätigkeit bei BMW allerdings nicht in der Auto­ mobilindustrie tätig gewesen. Dem gegenüber war Hahnemann nicht nur als Marketingfachmann in der Automobilbranche bekannt, sondern darüber ­hinaus auch als „ruppig“ und „forsch“,74 wurde als „barocker Polterer“75 und „lautstarke[r] BMW-Verkaufsstar“76 oder gar als „enfant terrible der deutschen Automobilindustrie“77 charakterisiert. Er inszenierte sich gerne und gekonnt selbst – nicht zuletzt in den Medien – und bevorzugte einen prag­ matischen Ansatz, wobei er auch gewillt war, die Struktur zu opfern, inso­ fern dies einem steigenden Konzernwachstum diente. Bereits kurz nachdem von Kuenheim sein neues Amt in München angetreten hatte, wurde hinter verschlossenen Türen deutlich, dass zwischen Hahnemann und dem neuen Vorstandsvorsitzenden ein Konflikt schwelte. Hahnemann wies auf die bis­ herige Unerfahrenheit in der Automobilindustrie seines neuen Chefs hin und 72 

Vgl. [o. V.] (1969): Mal ins Kreuz, in: Der SPIEGEL, Jg. 23, Nr. 38 vom 15. 09. 1969, S. 62f. 73  Bößenecker, Hermann (1971): Nur noch einer am Steuer von BMW. Wie Eberhard von Kuenheim seinen Rivalen Paul Hahnemann ausbootete, in: DIE ZEIT, Jg. 26, Nr. 45 vom 05. 11. 1971. 74  Burg, Martin (1970): Hahnemann – zu forsch voran, in: DIE ZEIT, Jg. 25, Nr. 43 vom 23. 10. 1970. 75  [o. V.] (1972): Out is out, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 22 vom 22. 05. 1972, S. 80. 76  [o. V.] (1972): Bob macht die Sache, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 7 vom 07. 02. 1972, S. 41. 77 Frenkel, Rainer (1976): BMW jagt Daimler. Der Münchner Autokonzern expor­ tiert in Europa bereits mehr als sein Vorbild, in: DIE ZEIT, Jg. 31, Nr. 26 vom 18. 06. 1976.

418

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

bezeichnete ihn in den Medien, auch aufgrund seines jungen Alters, despek­ tierlich als „Unser Lehrling“.78 Von Kuenheim übte öffentlich keine Kritik, stellte jedoch bei Amtsantritt die gesamte Unternehmensstruktur auf den Prüfstand und somit auch das Ressort Hahnemanns. Hierbei legte er im Ver­ triebsvorstand Fehlstände offen, die zwar ein unstrukturiertes Wachstum er­ möglicht hatten, jedoch nicht in dem gleichen Maße Gewinnsteigerungen ­erbrachten, sondern sinkende Margen zur Folge hatten. Die unternehmensin­ terne Revision deckte bei einer Untersuchung des Marketingetats ferner auf, dass es im Vertriebsressort unter Hahnemann zu finanziellen Unregelmäßig­ keiten in Millionenhöhe gekommen war. Laut betriebsinternem Bericht soll­ te der Vertriebschef, unter Mithilfe seines Marketingleiters und einiger Liefe­ ranten, mehrere Millionen veruntreut haben.79 Diese Vorwürfe wurden aller­ dings nicht öffentlich gemacht – hier kann angenommen werden, dass von Kuenheim das seit Kurzem von ihm geführte Unternehmen nicht in negative Schlagzeilen bringen wollte. Darüber hinaus erfreute sich Hahnemann einer hohen Sympathie in der Belegschaft, speziell in den Werken.80 Die Unstim­ migkeiten zwischen den beiden Führungspersönlichkeiten traten erst nach außen zutage, als der seit Herbst 1961 bei BMW agierende Vertriebsvorstand Hahnemann nach zehn Jahren, begleitet von einer kurzen öffentlich ausge­ tragenen Eruption, das Münchner Unternehmen im Herbst 1971 verließ.81 Quandt wandte sich im Zuge der internen Querelen von seinem ehemaligen Protegé Hahnemann ab und stellte sich somit klar hinter von Kuenheim. Erst in der Aufarbeitung von Hahnemanns Amtszeit, die man im Rahmen der noch aufzuzeigenden umfassenden Umstrukturierung der Konzernorga­ nisation durchführte, wurden in den Medien im Frühsommer 1972 Gerüchte zu den unlauteren Finanzgeschäften öffentlich.82 Von Kuenheim äußerte sich öffentlich nicht zu den Vorwürfen. Der BMW-Aufsichtsratsvorsitzende Karoli stellte sich vor Hahnemann und wurde in der ZEIT wie folgt zitiert: 78 

[o. V.] (1972): Bob macht die Sache, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 7 vom 07. 02. 1972, S. 41. 79  Vgl. Revisionsbericht Marketing Etat 1970, 1972, in: BMW UR 6272/1. Erstmals machte Hahnemanns Nachfolger „Bob“ Lutz die Vorwürfe Jahrzehnte später in ei­ nem Buch öffentlich, vgl. Lutz, Idole und Idioten, S. 51–73. 80 Vgl. Bößenecker, Hermann (1971): Nur noch einer am Steuer von BMW. Wie Eberhard von Kuenheim seinen Rivalen Paul Hahnemann ausbootete, in: DIE ZEIT, Jg. 26, Nr. 45 vom 05. 11. 1971. 81  Vgl. [o. V.] (1972): Out is out, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 22 vom 22. 05. 1972, S. 80; 82  So war es unter anderem zu außergewöhnlich hohen Zahlungen an diverse Nutz­ nießer wie etwa Werbeagenturen, Importeure oder auch den Hafis-Verlag gekommen. Dieser zeichnete Verantwortung für die Mitarbeiterzeitung BMW Journal und wurde von einer Hahnemann nahestehenden Dame geführt. Ex post wurden Zahlungen auf­ gedeckt, die 70 Prozent über der vereinbarten und vertretbaren Summe lagen, vgl. Re­ visionsbericht Marketing Etat 1970, 1972, in: BMW UR 6272/1; Bößenecker, Her­ mann (1972): Hahnemanns Geschichten, in: DIE ZEIT, Jg. 27, Nr. 24 vom 16. 06. 1972; Lutz, Idole und Idioten, S. 53f.

4.2. Personalpolitik

419

„‚Es ist unbestritten, das [sic!] er maßgeblich am Aufstieg von BMW beteiligt war. Ich weiß nicht, wie das Unternehmen heute dastünde, wenn es Hahnemann nicht gegeben hätte.‘ Die jetzige Kritik an Hahnemanns angeblichen Finanz-Eskapaden empfindet er als ungerecht. Karoli: ‚Das ist maßlos übertrieben und aufgebauscht.‘“83

Der interne Revisionsbericht der BMW AG zeigt jedoch auf, dass diese Vor­ behalte keinesfalls an der Wahrheit vorbeizielten oder aufgebauscht wurden, waren doch mindestens 4,41 Mio. DM veruntreut worden. Es konnte sogar von einer noch höheren Summe ausgegangen werden, da Hahnemann einige Lieferanten, wie beispielsweise die Werbeagentur Werbe-Gramm, bereits 1969 angewiesen hatte, die bei ihr auf sein Geheiß geführten Sonderkonten nicht mit der BMW AG abzustimmen; weitere Vorgaben dieser Art machten es der Revisionsabteilung unmöglich, die Veruntreuung vollumfänglich nach­ zuvollziehen.84 Das BMW-Management hegte jedoch kein Interesse – ver­ mutlich nicht zuletzt aufgrund der befürchteten negativen Publicity für das Unternehmen – den Konflikt öffentlich auszutragen. Der Konflikt mit Hahnemann hielt jedoch bis in den Sommer 1974 an, wobei es auch zur ­gerichtlichen Auseinandersetzung kam, da der BMW-Vorstand Hahnemann regresspflichtig machen wollte.85 Letztlich kam man jedoch zu einer außer­ gerichtlichen Übereinkunft.86 Mit dem Antritt des neuen Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim wurde eine neue Ära eingeleitet, die mit dem Rücktritt Hahnemanns 1971 zugleich den Beginn der dritten Internationalisierungsphase markierte. Von ­Kuenheim verfolgte einen modernen Führungs- und sachlichen Managementstil, der konträr zum Tatenmensch Hahnemann und seinen „saloppen Führungs­ methoden“87 stand. Von Kuenheim fasste den notwendigen Wandel und die Ausgangssituation der BMW AG zu Beginn der 1970er Jahre gegenüber der ZEIT wie folgt treffend zusammen: „Das Unternehmen muss endlich aus dem Stadium der genialen Improvisation heraus. Jetzt geht es um den Übergang vom Feldkommando auf den Generalstab.“88

Von Kuenheim stand für eine neue Generation von Managern in der Bundes­ republik und sorgte für eine grundlegende Verjüngung des Managements der BMW AG: Durch die Berufung von Dr. Hans Koch als Technik- und Pro­ duktionsvorstand im September 1971 sowie den Abschied Hahnemanns und 83 Bößenecker,

Hermann (1972): Hahnemanns Geschichten, in: DIE ZEIT, Jg. 27, Nr. 24 vom 16. 06. 1972. 84  Vgl. Revisionsbericht Marketing Etat 1970, 1972, in: BMW UR 6272/1. 85  Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen 1973, in: BMW UA 851/1; Protokolle der Vorstandssitzungen 1974, in: BMW UA 852/1 86  Details zu dieser Vereinbarungen wurden leider nicht protokolliert, vgl. Protokoll Nr. 25/74 der Vorstandssitzung vom 02. 07. 1974, in: ebd. 87  Bößenecker, Hermann (1971): Nur noch einer am Steuer von BMW. Wie Eberhard von Kuenheim seinen Rivalen Paul Hahnemann ausbootete, in: DIE ZEIT, Jg. 26, Nr. 45 vom 05. 11. 1971. 88 Ebd.

420

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung 1971

1972

1973

1974

1975

1976

Vorstandsvorsitz

von Kuenheim (01.01.1970 – 13.05.1993)

Einkauf

Monz (04.10.1963 – 30.09.1975)

Finanzen Entwicklung Technik/Produktion Vertrieb Personal

1977

1978

1979

1980

1981

Schäfer (01.10.1975 – 31.01.1993)

Haiber (01.01.1974 – 08.04.1981) Osswald (01.01.1965 – 31.12.1975)

Radermacher (01.01.1976 – 31.12.1983)

Koch (01.09.1971 – 31.08.1990) Lutz (01.01.1972 – 31.07.1974)

Schönbeck (01.09.1974 – 05.07.1984) Sarfert (01.10.1976 – 31.12.1983)

Abbildung 34: Kontinuität in den BMW-Vorstandsressorts während der dritten Internationalisierungsphase.89

das spätere Engagement des 39 Jahre jungen Vertriebsfachmann Robert „Bob“ Anthony Lutz verjüngte sich das Durchschnittsalter des BMW-Vor­ stands von 56 auf 48 Jahre.90 Darüber hinaus vertiefte von Kuenheim die Kontinuität in der Geschäftsleitung, die lediglich in den frühen 1970er Jahren innerhalb des Vertriebsressorts durch die Wechsel von Hahnemann 1971 und von Lutz 1974 unterbrochen wurde. Abbildung 34 zeigt die hohe Beständig­ keit im BMW-Vorstand während der dritten Internationalisierungsphase un­ ter von Kuenheim, die noch ausgeprägter als in der vorangegangenen Dekade war. Mit zweieinhalb Jahren hatte Lutz die kürzeste Amtszeit in dem für die Internationalisierung so wichtigen Vertriebsbereich. In der Regel zeichneten sich die BMW-Vorstände ab den 1970er Jahren jedoch durch eine ausgespro­ chen lange Dienstzeit aus. Von Kuenheim etwa blieb bis Mai 1993 Vorsitzen­ der, bevor er in den BMW-Aufsichtsrat wechselte und somit dem Konzern verbunden blieb. 1978 wurde von Kuenheim vom Industriemagazin erstmals zum „Manager des Jahres“ gekürt.91 Betrachtet man die Geschäftsleitung der BMW AG vor dem Hintergrund ihrer internationalen Expertise sowie Erfahrung im Automobilbereich, so kann bestätigt werden, dass sich das leitende Management auch in dieser Hinsicht in der dritten Phase zunehmend professionalisierte. Besonders her­ vorgehoben werden soll an dieser Stelle der zwischen Januar 1972 und Juli 1974 für BMW tätige Vertriebschef Lutz, da seine Vita ausgesprochen inter­ national geprägt war und er als Vertriebsfachmann maßgeblichen Einfluss auf die Internationalisierung des Unternehmens nahm. Lutz selbst war Schwei­ zer mit einem US-amerikanischen Pass und multilingual aufgewachsen, so dass er Deutsch, Englisch und Französisch fließend sprach. Nach seinem 89 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 498. Vgl. [o. V.] (1972): Bob macht die Sache, in: Der SPIEGEL, Jg. 26, Nr. 7 vom 07. 02.  1972, S. 41. 91  Vgl. Bößenecker, Hermann (1978): Der Ritt in die roten Zahlen. Die Zweiräder ans Bayern sind im Ausland zu teuer und gelten als veraltet, in: DIE ZEIT, Jg. 33, Nr. 41 vom 15. 12. 1978. 90 

4.2. Personalpolitik

421

­Militärdienst 1954 bis 1959 bei den US-Marine-Corps als Düsenjägerpilot studierte er an der renommierten Universität in Berkeley, Kalifornien, im Hauptfach Produktionsmanagement und Marketing und schloss 1962 mit ­einem MBA in Betriebswirtschaft sein Studium erfolgreich ab. Seinen Be­ rufsweg trat er 1963 als Chef-Analytiker bei General Motors (GM) an und wurde dort später als Managing Director der Adam Opel AG in Rüsselsheim berufen. Kurz darauf verließ er Deutschland und zeichnete ab 1966 bei der französischen GM-Tochtergesellschaft als Vertriebsdirektor Verantwortung für Verkauf und Kundendienst der GM-Fahrzeuge in Frankreich. 1969 wechselte er zu GM nach Deutschland, wo er zum 1. Januar 1970 als Ver­ kaufsdirektor in den Vorstand von Opel berufen wurde. In dieser Funktion war er bis Ende 1971 tätig, bevor er nach München zu BMW als Vertriebs­ vorstand wechselte.92 Bei dem noch vergleichsweise kleinen bayerischen Unter­nehmen lernte Lutz schnell die schlanke Organisations- und Entschei­ dungsstruktur kennen und schätzen, die sich deutlich von Opel abhob.93 Lutz galt zu diesem Zeitpunkt bereits als Vertriebsspezialist in der Automo­ bilindustrie und zeichnete sich – vor allem auch im Vergleich zu anderen lei­ tenden Managern – durch eine äußerst international ausgerichtete Biographie aus, in der seine Sprachkenntnisse deutlich von Vorteil waren und Impulse für die weitere internationale Ausrichtung des Unternehmens gaben.94 Lutz zeichnete sich durch ein forsches Temperament mit Selbstbewusstsein aus, das er jedoch im Gegensatz zu Hahnemann besser zu zügeln vermochte, so dass von Kuenheim nach dem Wechsel im Vertriebsressort gegenüber den Medien angab, einem Vorstand vorzusitzen, der sich durch eine für die Großindustrie „ganz seltene Harmonie“95 auszeichnete. Trotzdem wechselte Lutz Mitte 1974 frühzeitig zu Ford, wo ihn die Tätigkeit als Vorstandsvorsit­ zender lockte und hinterließ somit die Frage, wie harmonisch es im Vorstand tatsächlich zugegangen war.96 92 

Vgl. Lebenslauf von Robert Anthony Lutz, in: BMW UN 488/1. äußerte sich rückblickend zu den organisatorischen Unterschieden zwischen BMW und GM bzw. Opel wie folgt: „Außerdem war ich dem Vorstandsvorsitzenden eines kleinen, aber prestigeträchtigen und wachstumsstarken unabhängigen Autobau­ ers unterstellt, nicht dem CEO einer Tochtergesellschaft, die an eine andere Tochter­ gesellschaft berichtete, die wiederum an einen Regionalleiter berichtete, der seinerseits an den Chef von GM Overseas Operations berichtete, den noch mehrere weitere Hie­ rarchiestufen vom CEO von GM trennten.“, vgl. Lutz, Idole und Idioten, S. 54f. 94  Die Gründung der ersten hundertprozentigen Vertriebsgesellschaft der BMW AG im europäischen Ausland erfolgte in Frankreich, was zum einen auf einen auslaufen­ den Vertrag mit dem dortigen Importeur zurückzuführen war, aber auch darüber hi­ naus auf die Frankreichexpertise sowie Sprachkenntnisse von Lutz, hierzu Interview von Kuenheim, 07. 11. 2012. 95  Frenkel, Rainer (1974): Wie lange darf er bleiben? BMW-Vertriebschef Lutz über­ nimmt den Vorstandsvorsitz bei Ford, in: DIE ZEIT, Jg. 29, Nr. 30 vom 19. 07. 1974. 96  Lutz resümiert anekdotisch über seine kurze Zeit bei der BMW AG und seine Be­ ziehung zu von Kuenheim, die trotz aller Reibereien von gegenseitigem Respekt ge­ prägt gewesen sein soll, vgl. Lutz, Idole und Idioten, S. 51–73. 93  Lutz

422

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Lutz’ Nachfolger im Vertriebsbereich war Hans-Erdmann Schönbeck, der zum 1. September 1974 den Gesamtvertrieb der BMW AG übernahm. Schön­ becks Vita war deutlich weniger international ausgerichtet als die seines Vor­ gängers, dessen Erfahrungen auf dem internationalen Parkett sowie im ­Hinblick auf dessen Sprachenkenntnisse zu diesem Zeitpunkt jedoch in der deutschen Großindustrie die Ausnahme darstellten. Hinsichtlich des Er­ fahrungshorizontes innerhalb der Automobilindustrie stand Schönbeck Lutz allerdings in nichts nach: Nach seinem technischen Studium begann er 1950 seinen Berufsweg bei dem VW-Großhändler MAHAG, wo er binnen kurzer Zeit vom Volontär bis zum Direktor aufstieg. 1968 wurde er von der Auto Union als Verkaufschef abgeworben, wo er 1969 nach der Fusion in den Vor­ stand der Audi NSU Auto Union AG zunächst als Inlandsvertriebsleiter wechselte und von 1970 bis 1974 dort den Gesamtvertrieb verantwortete.97 Schönbeck genoss bei seinem neuen Chef von Kuenheim ein hohes Ansehen, der ihn als „prima Kerl“98 bezeichnete oder auch wie folgt zitiert wurde: „Er ist das, was man einen Herrn nennt.“99 Durch das gute Zusammenspiel des Vorstandsvorsitzenden und des neuen Vertriebsleiters reduzierte sich das ­unter den beiden Vorgängern im Vertriebsressort hohe Spannungspotential erheblich im BMW-Vorstand, was auch durch die lange Amtszeit Schönbecks bestätigt wurde. Im Juli 1984 wechselte er in den Aufsichtsrat der BMW AG, etwa zeitgleich übernahm er für vier Jahre die Präsidentschaft des VDA und war ferner mehrere Jahre Präsident des europäischen Automobilhersteller­ verbandes, was seiner ausgeprägten Vernetzung innerhalb der deutschen, aber auch europäischen Fahrzeugindustrie Ausdruck verlieh.100 Die weiteren Vorstandsressorts waren überwiegend mit in der Automobil­ industrie versierten Führungskräften besetzt. Dr. Hans Koch, der seit 1971 die Geschicke des Technik- und Produktionsressorts leitete, war zuvor bei der Ford AG tätig gewesen.101 Auch wenn Koch keine international geprägte Laufbahn wie etwa Hahnemann oder Lutz aufwies, wurde unter seiner Ägi­ de das BMW-Produktionsnetzwerk weiter auf- sowie ausgebaut. Im Hin­ blick auf die sogenannten Vollwerke, also Standorte mit vollumfänglichen Produktionsanlagen und -kapazitäten, lag der Schwerpunkt zunächst vor ­allem auf der inländischen Expansion. Neben der Erweiterung des Werks in Dingolfing, das inmitten der Ölpreiskrise 1973 eröffnet wurde, folgten wei­ tere Fertigungsstandorte in Regensburg (1986), der Ausbau bereits bestehen­ 97  Vgl. Pressemitteilung „Schönbeck neuer BMW Vertriebschef.“ vom 29. 08. 1974, in: BMW UP 247/10. 98  Frenkel, Rainer (1974): Wie lange darf er bleiben? BMW-Vertriebschef Lutz über­ nimmt den Vorstandsvorsitz bei Ford, in: DIE ZEIT, Jg. 29, Nr. 30 vom 19. 07. 1974. 99  [o. V.] (1974): Ideale Figur, in: Der SPIEGEL, Jg. 28, Nr. 29 vom 15. 07. 1974, S. 30; Lebenslauf von Hans-Erdmann Schönbeck, in: BMW UN 492/1. 100  Vgl. [o. V.] (1985): Sensibel reagiert, in: Der SPIEGEL, Jg. 39, Nr. 21 vom 20. 05.  1985, S. 53f. 101  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 517.

4.2. Personalpolitik

423

der Standorte wie Berlin sowie neue Zulieferwerke, die keine kompletten Fahrzeuge, jedoch Komponenten fertigten, wie Wackersdorf (1989).102 Über die eigenen Landesgrenzen hinweg agierte die BMW AG hinsichtlich ihrer Produktion in den 1970er Jahren noch zögerlich mit Direktinvestitionen. Im österreichischen Werk in Steyr, das bereits 1979 in Zusammenarbeit mit der Steyr-Daimler-Puch AG in Betrieb ging, von BMW jedoch seit dem Austritt des Kooperationspartners 1982 allein verantwortet wird, fertigt BMW-Moto­ ren. Wie bereits in den vorangegangen Jahrzehnten konzentrierte sich das noch immer vergleichsweise kleine Münchner Unternehmen im Ausland auf die Montagefertigung, wenn auch die Investitionen in diesem Bereich wäh­ rend der dritten Phase der Internationalisierung stärker zunahmen als in den vorherigen beiden Phasen. Koch legte im Hinblick auf die Expansion des Fertigungsnetzwerks großen Wert auf die Erschließung neuer Märkte und blickte hierbei verstärkt nach Südostasien. Dort wurden auf seine Initiative hin neue Montagefertigungen in Zusammenarbeit mit einheimischen Part­ nern in Thailand (1973), Indonesien (1976) und Malaysia (1979) aufgebaut, die noch heute von BMW oder in Kooperation betrieben werden. Darüber hinaus entschied sich BMW unter von Kuenheim und Koch, das Engagement in Südafrika weiter auszubauen, nachdem sich 1971 erste ernst zu nehmende Finanzprobleme bei dem lokalen Montagepartner abgezeichnet hatten. Koch blieb jedoch viele Jahre skeptisch gegenüber dem südafrikanischen Montage­ werk, wie in Kapitel 5.4.4 aufgezeigt wird. Bereits im folgenden Jahr gründe­ tet BMW mit der BMW SA eine eigene Tochtergesellschaft in Südafrika und übernahm die Hauptverantwortung für das Werk in Rosslyn, das jedoch erst 1996 zum Vollwerk wurde (vgl. Kapitel 5). Vollumfängliche Produktionss­ tandorte wurden von BMW erst in den 1990er Jahren im Ausland aufgebaut. BMW bezeichnete dieses Vorgehen im Hinblick auf die Ausweitung der ­Produktion auf der Hauptversammlung 1978 gegenüber den Aktionären wie folgt: „Bei BMW keine generelle ‚Verlagerungsstrategie‘, sondern fallweise Prüfung, was in dem betreffenden Land zweckmäßig ist.“103 Auf den Aus­ bau des Montagenetzwerks soll weiterhin kurz in Abschnitt 4.5.2.1 einge­ gangen werden. Auf die Bemühungen des Technikvorstands Koch sowie des vor Ort agierenden Geschäftsleiters während der 1970er Jahre, zwischen 1974 und 1976 Graf von der Schulenburg sowie ab Januar 1977 Dr. Eberhard von Koerber, war es zurückzuführen, dass die Fertigungsqualität der in Süd­ afrika montierten Fahrzeuge sukzessive anstieg. Sowohl über Know-how innerhalb der Automobilindustrie als auch im ­internationalen Arbeitsumfeld verfügte der seit April 1974 bei BMW als Ge­ neralbevollmächtigter agierende und ab Oktober 1975 als stellvertretender sowie ab September 1976 ordentlicher Vorstand des Ressorts Einkauf und Logistik wirkende Dr. Helmut Schäfer. Dieser war im Anschluss an seine 102  103 

Vgl. ebd., S. 192. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1.

424

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Promotion im Bereich der Betriebs- und Volkswirtschaft seit 1962 bei der Volkswagen AG im Ressort für Finanzen, EDV, Einkauf und Materialwirt­ schaft tätig gewesen. Nur zwei Jahre später wurde er von der Wolfsburger Geschäftsleitung mit dem Auftrag ins Ausland entsandt, eine Einkaufsorga­ nisation bei der Tochtergesellschaft in Mexiko aufzubauen. 1965 kehrte er als Vorstandsassistent im Ressort Einkauf und Materialwirtschaft nach Deutsch­ land zurück und zeichnete fortan in diesem Bereich für die VW-Tochterge­ sellschaften Verantwortung. 1968 kehrte er erneut nach Mexiko zurück, dies­ mal als Vorstandsmitglied für Einkauf und Materialwirtschaft der mexikani­ schen VW-Tochter. Als Bereichsleiter für Produktionsmaterialeinkauf der gesamten VW AG ging er vier Jahre später wieder nach Wolfsburg zurück, bevor er im Frühjahr 1972 zur BMW AG in die Zentrale wechselte. Schäfer war also neben Hahnemann und Lutz eines der wenigen BMW-Vorstands­ mitglieder, die nicht nur Arbeitserfahrungen in der deutschen Automobil­ industrie aufwiesen, sondern ferner über dezidierte Branchenkenntnisse im internationalen Raum verfügten.104 Obwohl hierüber keine genauen Auf­ zeichnungen vorliegen, ist anzunehmen, dass Schäfer aufgrund seiner Aus­ landserfahrungen neben Englisch auch Spanisch sprach und somit zu den wenigen multilingualen Managern der Automobilindustrie in den 1970er Jahren zählte. BMW beschäftigte während der dritten Internationalisierungs­ phase zeitweise also zwei Vorstände, die mehrere Sprachen fließend be­ herrschten. Schäfer hatte während seiner Amtszeit als BMW-Vorstand des Ressorts Einkauf und Logistik der zunehmenden Internationalisierung der Zuliefer­ industrie im gesamtunternehmerischen Sinne Rechnung zu tragen.105 Inner­ halb der deutschen Zulieferindustrie kamen die Auswirkungen der Interna­ tionalisierung deutlich zum Tragen. Der Wettbewerbsdruck nahm in den 1970er Jahren besonders stark zu, insbesondere in der zweiten Hälfte hatten sich bei BMW die Bezüge aus dem Ausland überproportional erhöht. 1979 setzte sich das Lieferantennetzwerk von BMW aus über 7 000 Zulieferern zu­ sammen, knapp zehn Prozent des Einkaufsvolumens wurde aus dem Ausland 104 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 519. hat mehrere äußerst lesenswerte Studien über die Zulieferindustrie verfasst, in denen sowohl ihr Verhältnis zur deutschen Automobilindustrie thematisiert wird als auch ihre eigene Internationalisierung. Für weiterführende Details vgl. Tilly, Stephanie: Das Zulieferproblem aus institutionenökonomischer Sicht. Die west­ ­ deutsche Automobil-Zulieferindustrie zwischen Produktions- und Marktorientierung (1960–1980), in: Ders. / Triebel, Florian (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013, S. 137–160; Ders. (2009): „Jeder siebte lebt vom Auto“. Ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Automobil­ wirtschaft (1945–1979), in: Akkumulation. Informationen des Arbeitskreises für kriti­ sche Unternehmens- und Industriegeschichte, Nr. 27, S. 1–11; Ders., Die guten Zeiten sind vorbei. Eine weitere Untersuchung zur Globalisierung mit einem vermehrt sozi­ logischen Fokus auf die 1990er Jahre bietet Pries, vgl. Pries, Restrukturierung und Globalisierung. 105  Tilly

4.2. Personalpolitik

425

bezogen; Frankreich und Österreich lagen hierbei weit vorn. In dem­selben Jahr widmete BMW unter dem Titel „Leistung[,] die von draußen kommt“106 mehrere stark bebilderte Doppelseiten der Zulieferindustrie, um ihre Leistung zu honorieren – inmitten einer Zeit, in der der seit den frühen 1950er Jahren schwelende sogenannte „Ersatzteilstreit“ zwischen den Automobilherstellern und der Zulieferindustrie seinen Höhepunkt erreicht hatte.107 Zugleich wurde hierdurch jedoch auch gegenüber der deutschen Industrie auf subtile, aber un­ missverständliche Weise deutlich gemacht, dass die einheimischen Spannun­ gen den ausländischen Anbietern Chancen eröffneten, sich als verlässlicher Lieferant unter Beweis zu stellen.108 Als Maßnahme teilten sich beispielsweise oftmals in- und ausländische Zulieferer gemeinsam einen Auftrag, um das Ri­ siko von Ausfällen zu minimieren.109 Des Weiteren wandte Schäfer in seinem Bereich das dem Vertrieb entlehnte Prinzip der Marktnähe an, indem er im Ausland mehrere Einkaufsbüros errichten ließ: 1980 existierten bereits acht solcher Stützpunkte in wichtigen Ländern.110 BMW prägte unter Schäfer im Jahre 1979 die Aussage „Wirtschaft ist keine Einbahnstraße“ und meinte da­ mit das Verhältnis zwischen Einkauf und Vertriebswege: „Die BMW AG liefert in weit über hundert Staaten. Sie kauft jetzt in mehr als zwei Dutzend Ländern. Diese Relation wird sich bald weiter ändern.“111

Obgleich Entwicklungsvorstand Dr. Karlheinz Radermacher vor seinem Eintritt in die BMW AG über Erfahrungen in der Fahrzeugindustrie verfüg­ te, wiesen er sowie Finanzvorstand Prof. Dr. Erich Haiber keine nennens­ werte internationale Expertise auf. Dessen ungeachtet, internationalisierte sich auch die Finanzstruktur der BMW AG mit der Gründung mehrerer Holdinggesellschaften unter Haiber im Laufe der 1970er Jahre zusehends. Diese Neustrukturierung der BMW-Gesellschaftsstruktur war für die neue Vertriebsstrategie des Unternehmens, die durch die Gründung eigener Toch­ tergesellschaften im Ausland zum Ausdruck kam, dringend erforderlich ge­ worden (vgl. Kapitel 4.5.2.3). Die dritte Internationalisierungsphase kann zudem als wichtige Zäsur inner­halb des Personalwesens gelten, da zu dieser Zeit der Vorstand um ein weiteres Ressort erweitert wurde, um den sich ändernden Gegebenheiten und den wachsenden Ansprüchen an das Personal- und Sozialwesen Rech­ 106 Bericht

der Bayerischen Motoren Werke über das BMW UU 220/10. 107  Vgl. Tilly, Das Zulieferproblem, S. 150. 108  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über in: BMW UU 224/10. 109  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über in: BMW UU 224/10. 110  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über in: BMW UU 226/10. 111 Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das BMW UU 224/10, S. 32.

Geschäftsjahr 1978, 1979, in: das Geschäftsjahr 1979, 1980, das Geschäftsjahr 1979, 1980, das Geschäftsjahr 1980, 1981, Geschäftsjahr 1979, 1980, in:

426

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

nung zu tragen. Auf diese sich wandelnden Anforderungen, die insbesondere durch die zunehmende Internationalisierung des Unternehmens hervorge­ rufen wurden, wird ausführlich in dem sich anschließenden Abschnitt 4.2.2 eingegangen. Der neue Vorstandsbereich Personal- und Sozialwesen wurde zum Oktober 1976 eingerichtet und Dr. Eberhardt Sarfert zum Leiter be­ rufen. Dieser hatte bereits ab März 1974 als Generalbevollmächtigter das Personal- und Sozialwesen geführt, wo er seit 1966 – zunächst als Sachbear­ beiter, später in leitender Funktion – im Anschluss an sein Jurastudium tätig gewesen war und seine Promotion abgelegt hatte. Als Vorstandsmitglied nahm er in den 1970er Jahren maßgeblichen Einfluss darauf, das Personalund Sozialwesen international auszurichten bzw. an die, über mehrere Toch­ tergesellschaften im In- und Ausland, expandierende Unternehmensorgani­ sation anzupassen. 1979 übernahm Sarfert zudem die Geschäftsführung der 1976 für das Zweiradgeschäft gegründeten BMW Motorrad GmbH. Bis zum Jahresende 1983 behielt er diese Doppelfunktion, bis er sein Vorstandsman­ dat niederlegte, um sich voll und ganz auf seine Tätigkeit als Generalbevoll­ mächtigter der Motorradtochter zu konzentrieren. Zu Beginn des Jahres 1985 schied Sarfert aus dem Unternehmen aus; die näheren Hintergründe hierzu sind nicht bekannt.112 Im Vergleich zu den 1960er Jahren zeichnete sich der Vorstand der BMW AG in der folgenden Dekade durch eine noch höhere Kontinuität aus mit Amtszeiten, die bisweilen weit über die 1970er Jahre hinausgingen. Darüber hinaus war die dritte Internationalisierungsphase von einem hohen Profes­ sionalisierungsgrad geprägt, der sowohl in der Expertise innerhalb der Auto­ mobilindustrie zum Ausdruck kam als auch – und dies war gegenüber den 1960er Jahren abgesehen von Vertriebsvorstand Hahnemann in Gänze neu – durch eine stärker ausgeprägte internationale Ausrichtung. Mit Lutz und Schä­ fer, in den Ressorts Vertrieb und Einkauf, verfügte die BMW AG über zwei Vorstände mit dezidierten Auslandserfahrungen in der Automobilin­dustrie. Darüber hinaus konnten auch ihre Vorstandskollegen den mit der zunehmen­ den Internationalisierung des Unternehmens neuen Herausforderungen begeg­ nen und die BMW AG für eine international ausgerichtete ­Geschäftspolitik erfolgreich aufstellen, die sämtliche Unternehmensbereiche durchzog. 4.2.2.  Personelle Entwicklungen im Hinblick auf die Internationalisierung In dem vorangegangen Abschnitt 4.2.1 ist über die Einrichtung eines Personalund Sozialwesens bei BMW im Jahre 1976 berichtet worden. Diese Maßnahme bedeutet keineswegs, dass es zuvor kein Personalwesen bei BMW gegeben hat­ te. Seit 1974 hatte Sarfert, der spätere Vorstand dieses Ressorts, bereits als Ge­ neralbevollmächtigter diesen Bereich geleitet. Mitte der 1970er Jahre erfuhr das

112 

Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 520.

4.2. Personalpolitik

427

Personalwesen, infolge der zunehmenden strukturellen Veränderungen und wachsenden Anforderungen, eine Aufwertung zum eigenständigen Vorstands­ ressort. Vor 1976 fiel das Sozial- und Personalwesen in den Zuständigkeitsbe­ reich des Vorstandsvorsitzenden, während es von dem Generalbevollmächtig­ ten faktisch geleitet wurde. Der strukturelle Wandel des Personalwesens wird bereits bei der Betrachtung des Mitarbeiterzuwachses deutlich, deren Zahl zwischen 1970 und 1980 von 22 913 auf 37 246 anstieg.113 Parallel hierzu er­ stellte BMW 1976 ein Anforderungsprofil an die eigenen Führungskräfte, in­ dem die sogenannten Führungsleitsätze formuliert wurden, die die Unterneh­ mens- und Führungskultur innerhalb der BMW AG festhielten. Diese Leitsät­ ze werden seither auf Arbeitstagungen, die in unregelmäßigen Abständen stattfinden, durch die oberen BMW-Führungskräfte ergänzt und fortgesetzt. Weitere Anforderungen ergaben sich in den 1970er Jahren aus der Tatsache heraus, dass viele Beschäftigte nicht mehr in München oder Deutschland ar­ beiteten, sondern über mehrere Standorte im In- und Ausland verteilt waren. Hiermit verbunden waren nicht nur der rein administrative Aufwand im ­Sinne einer effizienten Personalverwaltung, sondern auch die durch die Un­ terschiede in Kultur und Gesetzgebung resultierenden Herausforderungen, die mit den internationalen Arbeitsaufenthalten einhergingen und auf die die Mitarbeiter vorbereitet werden mussten. Genaue Angaben über die Zahl der im Ausland beschäftigten Belegschaftsangehörigen liegen leider nicht voll­ umfänglich vor. Da allerdings die BMW AG erst 1972 mit der Gründung ei­ gener Tochtergesellschaften im Ausland begann, worauf detailliert in Kapitel 4.5.2.1 eingegangen wird, erscheint eine entsprechende Betrachtung erst ab etwa Mitte der 1970er Jahre sinnvoll. Demgemäß begann BMW 1975, in den Geschäftsberichten zwischen dem im In- und Ausland erwirtschafteten Um­ satz zu differenzieren sowie die Mitarbeiterzahlen aufzugliedern. Hierbei ging man jedoch leider nicht konsistent vor, so dass sich keine über die Jahre durchgängige Darstellung ergibt, wie Tabelle 46 zeigt. Tabelle 46 spiegelt den Expansionskurs der BMW AG während der 1970er Jahre wider und zeigt, dass die Belegschaft konzernweit während der zwei­ ten Jahrzehnthälfte um 43,5 Prozent auf 44 648 Mitarbeiter anstieg. Hierbei nahm die Mitarbeiterschaft der ausländischen Töchter proportional stärker zu als bei den inländischen BMW-Gesellschaften, da im Vergleich mehr Aus­ landsgesellschaften gegründet wurden.114 Der Anteil der ausländischen Ar113  Damit

lag das Unternehmen gemessen an seiner Belegschaft noch immer deutlich unter den früheren Beschäftigtenzahlen des Zweiten Weltkrieges, die im Jahre 1943 ihr Maximum erreichte bei 56 807 Beschäftigten. Dieser Zuwachs war jedoch auch der Fertigung als Rüstungsbetrieb geschuldet, in der BMW auch von der Arbeit unter Zwang profitierte. Werner hat in ihrer Promotion die Verwicklungen der BMW AG in die Fremd- und Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs untersucht, vgl. Werner, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit. 114  Bis 1981 wurde die Motorrad GmbH als eigenständige Sparte bzw. als inländische Tochtergesellschaft geführt. 1981 wurden die Mitarbeiter in den Geschäftsberichten

428

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung 1975

BMW Konzern BMW Tochtergesellschaften (In- und Ausland) BMW Tochtergesellschaften (Inland) BMW Tochtergesellschaften (Ausland) Anteil ausländischer Arbeit­ nehmer (in %)

1976

1977

1978

1979

1980

1981

31 107 34 030 37 581 39 817 41 926 43 241 44 648 3 487 3 838 4 183 4 646 k. A. 5 995 6 958 2 017

2 252

2 286

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

1 470

1 586

1 897

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

26,7

27,0

k. A.

k. A.

23,1

k. A.

k. A.

Tabelle 46: Mitarbeiterzahlen der BMW AG im In- und Ausland, 1975–1981.115

beitnehmer inkludiert sowohl die Arbeitsmigranten, die im Zuge der Gast­ arbeiteranwerbung nach Deutschland gekommen und vor allem im Münch­ ner Stammwerk tätig waren, als auch die Mitarbeiter in den ausländischen Tochtergesellschaften. Der prozentuale Anteil ausländischer Arbeitnehmer stellt demzufolge keinen verlässlichen Indikator für die Expansion im Aus­ land dar. Mit der Gründung firmeneigener Tochtergesellschaften im Ausland und der hiermit einhergehenden wachsenden Mitarbeiterschaft über die eigenen Landesgrenzen hinweg sah sich die Zentrale in München vielfältigen Frage­ stellungen gegenüber, die an dieser Stelle zunächst auf den Bereich des Perso­ nalwesens beschränkt und im Verlauf der nachfolgenden Kapitel erweitert wird. Bei der Frage, wie die Gesellschaften organisatorisch in die Personal­ verwaltung integriert werden sollten, entschied sich die Geschäftsleitung für einem pragmatischen Ansatz und folgte dem Prinzip der dezentralen Orga­ nisation: Jede Tochtergesellschaft war zunächst primär für ihr erwirtschafte­ tes Ergebnis selbst verantwortlich und musste die hiermit zusammenhängen­ den Maßnahmen selbst in die Wege leiten. Im Hinblick auf ihre Beschäftigten stieß jedoch dieses Prinzip aufgrund der engen Verbindung mit dem Stamm­ sitz an seine Grenzen, da die Belegschaftsgröße zu groß war: „[…] als dass wir die BMW-Tochtergesellschaften auf personellem Sektor sich kon­ zeptionslos selbst entwickeln lassen könnten. Die Dezentralisation findet also dort ihre Grenzen, wo sich Personalmaßnahmen einer Tochtergesellschaft präjudizierend auf andere Gesellschaften, das Stammhaus, kurz den ganzen Konzern auswirken. […] Bei den ausländischen Tochtergesellschaften zeigt gerade der überregionale Wechsel z. B. von Führungskräften, wie sich eine zunächst intern gedachte Personalmaßnahme weltweit auswirken kann. Innerhalb dieser Grenzen streben wir jedoch eine größt­ mögliche Selbständigkeit unserer Tochtergesellschaften auch auf dem Gebiet der Per­ sonalführung an. Dies hinsichtlich unserer ausländischen Tochtergesellschaften schon

erstmals der Belegschaft der AG zugerechnet. Um für das Jahr 1981 aussagekräftige Werte zu erhalten, wurde die Mitarbeiterschaft von 2 087 Mitarbeitern der Sparte Mo­ torrad in Tabelle 46 also noch als inländische Tochter ausgewiesen. 115  Geschäftsberichte der BMW AG, 1975–1981.

4.2. Personalpolitik

429

allein deshalb, weil die Personalführung es mit Menschen zu tun hat, die in unter­ schiedlichen Gemeinschaften leben, denken und arbeiten. Die Personalführung muss auf diese Menschen eingehen, auf ihre lokal und national gewachsenen Sitten, Ge­ wohnheiten, Erfahrungen und Ansprüche. Sie muss hinsichtlich ausländischer Toch­ tergesellschaften deshalb vorwiegend dezentral sein, selbst wenn die Geschäftspolitik auf anderen Unternehmensgebieten ganz zentralistisch wäre.“116

Das hier angeführte Zitat verdeutlicht, dass sich bei BMW bzw. den leiten­ den Mitarbeitern in den 1970er Jahren eine interkulturelle Kompetenz aufge­ baut hatte, die in einer wachsenden Sensibilisierung gegenüber den Anforde­ rungen im Kontext der Internationalisierung und den verschiedenen Kultu­ ren zum Ausdruck kam. Hier treffen wir auf zwei unterschiedliche Facetten bei der Internationalisierung eines Unternehmens und seiner Belegschaft: Zum einen wandte die BMW AG eine gewisse Koordination durch Sozialisa­ tion aus, wie es Bartlett/Ghoshal nannten. Die Leitung von Tochtergesell­ schaften wurde vorrangig in die Hände von Führungskräften gelegt, die in der Münchner Zentrale durch eine längere Beschäftigung sozialisiert wurden, also mit der BMW-Unternehmenskultur und den hiesigen Prozessen vertraut waren. Hierdurch sollte eine Loyalität geschaffen werden, die insbesondere in den geographisch und kulturell entlegeneren Regionen wichtig war (vgl. Kapitel 5).117 Zum anderen kommt in dem oben angeführten Auszug aus der BMW-Richtlinie zum Ausdruck, dass sich das Personalwesen darüber im Klaren war, dass eine ausländische Tochtergesellschaft bei der Ausgestaltung der lokalen Personalpolitik über einen gewissen Handlungsspielraum ver­ fügen musste. Nur auf diese Weise konnte man als internationales Unter­ nehmen den soziokulturellen, aber auch rechtlichen Unterschieden gerecht werden, was an die von Mattelart aufgegriffene Idee des „Cross-CulturalManagers“ erinnert: „[…] der den Habitus seines Landes mit dem national nicht gebundenen Schemata der Managementwissenschaft zu verbinden weiß (zielorientiertes Management, Qualitäts­ management, Reengineering). Die zweigleisige Arbeit aus Dekontextualisierung und Rekontextualisierung hat zum Resultat, dass die Verbreitung allgemeiner Organisations­ formen nicht in eine bloße Kopie des allgemeinen Modells mündet. Ein und dieselbe Managementpraxis kann in unterschiedlichen Kulturen Unterschiedliches bedeuten.“118

In diesem Sinne wurde die BMW-Unternehmenskultur und Management­ praxis in die Auslandstöchter getragen, wo sich neue Hybridformen bilden konnten, die jedoch über die dem Stammhaus nahen Führungskräfte koordi­ niert und somit ebenfalls kontrolliert wurden. Andererseits wurden auch in München Maßnahmen ergriffen, um die ­ausländischen Belegschaftsmitglieder zu integrieren, wie etwa die Errichtung 116 Ausarbeitung von Christian von Eckartsberg, Leiter BMW-Personalbetreuung Beteiligungen/Niederlassungen, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Toch­ tergesellschaften“, 1977, in: BMW UA 1865/1. 117  Vgl. Bartlett/Ghoshal, Internationale Unternehmensführung, S. 208–210. 118  Mattelart, Kultur und Globalisierung, S. 89.

430

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

e­iner Moschee auf BMW-Gelände oder die Etablierung der sogenannten BMW-Lernstatt, in der die bei BMW arbeitenden Migranten sprachliche und weitere Fertigkeiten erwerben konnten, was auf ihre weitere Integration so­ wie ihren beruflichen Fortschritt zielte. Darüber hinaus enthielten die Aus­ gaben der BMW-Werkszeitungen, die seit 1973 wieder monatlich erschienen, Übersetzungen der wichtigsten Beiträge in türkischer, griechischer, serbo­ kroatischer und italienischer Sprache.119 Des Weiteren zeigt das Zitat des Leiters der BMW-Personalbetreuung aus dem Jahre 1977, dass die ausländischen Töchter vor allem in dem Bereich des Personalwesens über eine größere Autarkie verfügten, als es etwa in anderen Geschäftsbereichen der Fall war. Zwar ist hier die Rede von dem „Prinzip der dezentralen Organisation“, allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass BMW ein ausgesprochen zentral organisierter Konzern war – und auch noch heute ist – was im Rahmen des aktuellen Kapitels 4 noch dargelegt wird. Die Tochtergesellschaften weisen untereinander einen geringen Vernet­ zungsgrad auf, hingegen eine starke Fokussierung auf die Muttergesellschaft. Zwar trugen die BMW-Tochtergesellschaften Verantwortung für ihr Ergeb­ nis und die eigenständig von ihnen umgesetzten Maßnahmen, jedoch musste ihre Geschäftsleitung monatlich detailliert Bericht an die zentrale Koordina­ tionsstelle in München erstatten, worauf näher in Abschnitt 4.5.1 eingegan­ gen wird.120 Davon abgesehen, stellte die Zentrale in München sicher, dass die gemeinsame Zielsetzungen, die BMW-Produkt- und Unternehmensphi­ losophie einheitlich interpretiert und ein einheitliches, abgestimmtes Marke­ tingkonzept verfolgt wurden.121 Im Personalwesen war demgegenüber der Handlungsspielraum der Töchter größer, da hier viele operative Themen mit lediglich lokaler Reichweite zum Tragen kamen, die das Stammhaus nur in­ direkt betrafen. Dennoch sollte auch die Organisation der Töchter nach den gleichen Grundprinzipien aufgebaut sein, wie die „der Muttergesellschaft und in ihnen ‚zumindest dem Grundgedanken nach der gleiche Führungsstil herrschen‘,122 wobei das bereits erwähnte, seit 1976 formulierte Führungs­ leitbild auch im Ausland tradiert werden sollte. Die oberen Führungskräfte sollten sich als Teil eines übergeordneten Ganzen fühlen, also als Teil des BMW-Konzerns im Ganzen und sich nicht einzig der Tochtergesellschaft verpflichtet fühlen. An dieser Stelle wurden hohe Erwartungen an das ge­ samtunternehmerische Denken und Handeln der Mitarbeiter gesetzt. Wie eng die Bindung der einzelnen Dependancen tatsächlich an die Zentrale war, 119  Vgl. BMW Werkszeitungen „bayernmotor“ der Jahre 1973 und 1974; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1974, 1975, in: BMW UU 202/10. 120  Vgl. Ausarbeitung, von Eckartsberg, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesellschaften“, 1977, in: BMW UA 1865/1. 121 Vgl. Fragen, Leitfaden, Sonderagenda zur Hauptversammlung 1980, 1980, in: BMW UA 1824/1. 122 Ausarbeitung, von Eckartsberg, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesellschaften“, 1977, in: BMW UA 1865/1.

4.2. Personalpolitik

431

wird durch das sogenannte „Grundprinzip des zweiten Mannes“ deutlich, dass Jahrzehnte lang bei BMW Bestand hatte: „Bei der Stellenbesetzung von Führungskräften in den ausländischen Tochtergesell­ schaften fühlen wir uns nationalitätenmäßig nicht gebunden. Es herrscht jedoch der Grundsatz, dass der erste Mann jeweils aus dem jeweiligen Land stammen sollte. Der zweite Mann – in der Regel handelt es sich um den Finanzmann – besetzten wir indes­ sen möglichst aus dem Stammhaus. Im übrigen stehen wir auf dem Standpunkt, dass in erster Linie persönliche Integrität und innere Identifikation mit dem Hause BMW Bestimmungsfaktoren für die Einstellung der ersten Führungsebene sein müssen, während fachliche Qualifikationsmängel auf dem einen oder anderen Gebiet sich durchaus durch entsprechende Fördermaßnahmen ausgleichen lassen. Es handelt sich in dieser Ebene immerhin um Repräsentanten unseres Hauses und in gewisser Hin­ sicht sogar Deutschlands im jeweiligen Ausland, und es ist u. E. unabdingbar, dass ­diese Herren von entsprechendem persönlichen Format sind.“123

Das Zitat zeigt, dass an die oberen Führungskräfte hohe Erwartungen ge­ stellt wurden und ihnen repräsentative Funktionen zukamen, die über die Unternehmensgrenzen hinausgingen. Ferner sicherte sich die Zentrale über das Prinzip des zweiten Mannes die enge Anbindung der Tochter an Mün­ chen, da insbesondere das Finanzwesen neben dem Hauptgeschäftsführer die zentrale Stelle in der Dependance darstellte. In der Realität wurde jedoch auch oft die Position des „ersten Mannes“, also des Managing Director, mit einer Führungskraft aus Deutschland besetzt. Die Richtlinie war demnach als Orientierungsgröße zu interpretieren und nicht als unüberwindbare Ge­ setzmäßigkeit. Die Besetzung der offenen Stellen in den Tochtergesellschaften mit Mitar­ beitern aus dem Stammhaus stellte das Personalwesen in den 1970er Jahren vor verschiedene Probleme: Während im Ausland einheimische Mitarbeiter überwiegend über Beratungsfirmen angeworben wurden, insofern zuvor nicht die gesamte Belegschaft bei einer Übernahme des verkaufsbereiten Im­ porteurs mit übernommen wurde, wie es in den 1970er und 1980er Jahren oftmals der Falls war, gestaltete sich die Akquise von Beschäftigten aus dem Stammhaus weitaus schwieriger. Dies galt zwar auch für den überschaubaren Kreis der oberen Führungskräfte, umso mehr jedoch im mittleren Manage­ ment und auf der Sacharbeiterebene. 1977 war das BMW-Personalwesen noch immer auf der Suche nach einem geeigneten Verfahrensinstrument, um sowohl geeignete Kandidaten ausfindig zu machen als auch für sie und ihre Angehörigen entsprechende Anreize für einen Auslandsaufenthalt zu schaf­ fen. Während auf diesen Ebenen die Anwerbung für einen Einsatz in einer der ausländischen Tochtergesellschaft per se schwierig war, stellte sich beim oberen Management ein anderes Problem: Gerade die im gesamtdeutschen Vergleich kleine Unternehmensgröße der BMW AG machte es schwierig, den im Ausland arbeitenden Führungskräften bei ihrer Rückkehr adäquate Stellen in der Münchner Zentrale zur Verfügung zu stellen, da laut von 123 Ebd.

432

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

­ ckartsberg, dem Leiter der BMW-Personalbetreuung für Beteiligungen und E Niederlassungen, 1977 nur etwa 250 Positionen auf dieser Ebene bei BMW existierten. Hier bestand die Gefahr, dass ein hochversierter, leitender Mana­ ger aufgrund mangelnder Aufstiegsmöglichkeit nach seinem Auslandsaufent­ halt das Unternehmen verließ. In diesem Kontext bedurfte in den in- und ausländischen Tochtergesellschaften jede Beförderung in das oder innerhalb des oberen und mittleren Managements der zentralen Zustimmung aus ­München, da diese Entscheidungen konzernweit, aufgrund des übersicht­ liches Kontingents an vakanten Stellen, langfristige Auswirkungen hatten. Dies war neben der kulturellen Sensibilität einer der Gründe, warum der Hauptgeschäftsführer sowie weitere Führungskräfte der Dependance laut BMW-Personalbetreuung möglichst mit lokalen Managern besetzt werden sollten. Darüber hinaus mussten noch weitere allgemeine Fragen der Personalver­ waltung beantwortet werden, denen man sich gegen Ende der 1970er Jahre weiter annäherte. Hierzu zählten etwa die Vergütung und die vertragliche ­Integration der vom Stammhaus entsandten Mitarbeiter, aber auch Rückfüh­ rungs­zusagen,124 ihre tarifliche Leistungsbeurteilung usf. Bei Nichtbeach­ tung dieser Spezifika konnte es zu erheblichen Gehaltsdifferenzen kommen: zwischen den entsandten und den lokalen Kollegen der ausländischen Toch­ ter einerseits als auch zwischen Führungskräften des Stammhauses im In- so­ wie denjenigen im Ausland. Um den firmeninternen Arbeitsmarkt standort­ übergreifend transparenter zu gestalten, verschickte die BMW-Personalab­ teilung im Jahre 1977 an sämtliche außertarifliche – also leitende – Mitarbeiter einen Fragebogen. Dieser sollte zum einen die Bereitschaft ermitteln, für ei­ nige Jahre in eine der BMW-Tochtergesellschaften zu gehen. Darüber hinaus sollten durch die Befragung aber auch Mitarbeiterprofile über Qualifikatio­ nen wie Sprachkenntnisse, Interessengebiete, bisherige Berufserfahrungen sowie weitere Faktoren, die für einen erfolgreichen Auslandseinsatz von Re­ levanz waren, erstellt werden. Das Ergebnis dieser Umfrage waren circa 260 positive Zuschriften aus einem Personenkreis von insgesamt 1 000 ange­ schriebenen Mitarbeitern.125 Interkulturelle Kompetenzen und Sprachkenntnisse waren Schlüsselquali­ fikationen für die Arbeit in einer der ausländischen BMW-Tochtergesell­ schaften, aber auch im Umgang mit ihr und ihren Angestellten. Aus diesem Grunde legte BMW im Zuge der dritten Internationalisierungsphase großen Wert auf den kommunikativen Austausch zwischen der Zentrale und den 124  Vgl. Schreiben von PZ-B an PZ „Rückführungszusagen für Mitarbeiter, die in die Dienste der BMW MOTORRAD GMBH Berlin übertreten“ vom 13. 12. 1976, in: ebd.; Schreiben von PZ-2, von Eckartsberg, an PZ-B vom 01. 03. 1977, in: ebd.; Ak­ tennotiz „Richtlinie, Entsendung und Versetzung von BMW AG-Mitarbeitern in das Ausland‘“ vom 28. 02. 1977, in: BMW UA 1865/1. 125  Vgl. Ausarbeitung, von Eckartsberg, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesellschaften“, 1977, in: ebd.

4.2. Personalpolitik

433

Dependancen. Um die Kommunikation zu verbessern und ein konzernweites Verständnis für das Unternehmen BMW zu formen, wurde auf eine gewisse Personalfluktuation zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft geachtet: „Bei unseren ausländischen Tochtergesellschaften stehen wir langfristig vor dem Pro­ blem einer besseren Kommunikation zwischen den Tochtergesellschaften und der Muttergesellschaft. Hierbei spielt auch das Selbstverständnis der Mitarbeiter in den Tochtergesellschaften eine wesentliche Rolle. Dieses ‚eine gemeinsame Sprache spre­ chen‘ glauben wir nur erreichen zu können, indem wir einerseits die ausländischen Tochtergesellschaften mit Stammhaus-Personal durchsetzen und anderseits Mitarbei­ ter aus den ausländischen Tochtergesellschaften für eine gewisse Zeit hier in der Mut­ tergesellschaft arbeiten lassen. Nur so scheint es uns sichergestellt zu sein, dass die Belegschaft der ausländischen Tochtergesellschaften die innere Struktur, Organisation und Denkungsweise des Stammhauses aus eigener Anschauung her kennt und daher weiß, wie Empfehlungen des Hauses zustande kommen, was überhaupt mit ihnen be­ zweckt wird und wie Richtlinien im Sinne des Hauses zu interpretieren sind.“126

In den vorangegangenen Kapiteln über die personelle Entwicklung ist, im Hinblick auf die Internationalisierung der BMW AG während der ersten und zweiten Phase, detailliert auf die Sprachkompetenzen der Mitarbeiter eingegangen worden. Mit der sich intensivierenden weltweiten Expansion und Gründungen zahlreicher Tochtergesellschaften gewannen Sprachkennt­ nisse immer weiter an Bedeutung. Dieser Entwicklung zum Trotz blieb Deutsch, als Muttersprache der Zentrale, auch weiterhin die zentrale Sprache im Konzern und so hieß es in der Rahmenbestimmung zur Regelung der Be­ ziehung zwischen der BMW AG und den Tochter- und Beteiligungsgesell­ schaften von 1976 noch immer: „Die jeweilige Sprache für Pläne, Berichte und Schriftverkehr ist im allgemeinen Deutsch, wenn nicht eine andere Sprache in Ausnahmefällen gesondert festgelegt wird (für USA und Südafrika gilt Englisch als Zweitsprache).“127

Das Festhalten an der deutschen Muttersprache als erste Sprache im Konzern spiegelt das Selbstverständnis der BMW AG als deutsches Unternehmen wi­ der. Ein weiterer Grund könnte darin zu suchen sein, dass der Großteil der Belegschaft zu dieser Zeit noch nicht auf die Anwendung von Fremdspra­ chen im beruflichen Alltag eingestellt war. Bereits zu Beginn der 1970er Jahre war deutlich geworden, dass es speziell in der Kommunikation mit den Importeuren und Montagepartnern zu erheblichen Mehraufwänden und ­ Missverständnissen kam, da von München verschickte Informationen, Rund­ schreiben und Briefe zum Teil nicht in englischer, sondern in deutscher ­Sprache verfasst waren, die dann von den Handelspartnern oder Tochterge­ sellschaften zeit- und kostenintensiv vor Ort übersetzt werden mussten.128 126 Ebd.

127 Rahmenbestimmung

zur Regelung der Beziehung zwischen der BMW AG und den Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1976, in: ebd. 128  Vgl. Internes Schreiben der BMW-Exportabteilung VE-52 an die BMW-Exportab­ teilungen VE-V und VE-50 vom 18. 01. 1973, in: BMW UA 1983/1.

434

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Ähnliche Erfahrungen machte der Leiter der BMW-Exportabteilung Winkler bei seinem Besuch in Thailand 1974: „Es geht wirklich nicht, dass die Korrespondenz mit unseren Partnern in Deutsch ge­ führt wird. Es gibt wohl keine deutsche Firma, die mit einem ausländischen Partner in Deutsch korrespondiert. Wir müssen – sei es auf der kaufmännischen oder techni­ schen Seite – unserem Importeur entgegenkommen.“129

Diese Kritik führte jedoch zu keiner allgemeingültigen Änderung, die wäh­ rend der 1970er Jahre in den Rahmenbedingungen zu der Beziehung zwischen den Tochtergesellschaften und der Münchner Zentrale Niederschlag gefunden hätte. Dennoch muss festgehalten werden, dass während der dritten Internati­ onalisierungsphase die überwiegende Geschäftskorrespondenz zwischen dem Stammhaus und den ausländischen Partnern, zumindest der Vertriebsabtei­ lungen, bereits vornehmlich englisch war. Des Weiteren wurde mit zahl­ reichen Geschäftspartnern in Afrika auf Französisch korrespondiert sowie in Lateinamerika auf Spanisch. Während man mit den asiatischen Partnern vor­ nehmlich auf Englisch kommunizierte, war in Europa neben Englisch auch Deutsch die dominierende Korrespondenzsprache.130 Nicht zuletzt für die Kommunikation in verschiedenen Sprachen standen den Mitarbeitern der ent­ sprechenden Abteilungen Fremdsprachenstenotypistinnen zur Verfügung.131 In den Münchner Exportabteilungen wurden detaillierte Aufstellungen ge­ führt, mit welchen Importeuren in welcher Sprache korrespondiert wurde.132 Auch im mittleren Management gab es in dieser Phase zunehmend Manager, die über dezidierte Fremdsprachenkenntnisse verfügten.133 Darüber hinaus hatte man 1971 in Erwägung gezogen, in englischen Zeitungen Inserate zu schalten, um englischsprachige Facharbeiter der Automobilbranche, insbe­ sondere Karosserieschlosser, Motorenschlosser, Kfz-Mechaniker und Auto­

129  Kurzbericht

über Besuch in Thailand von Winkler, BMW-Exportleiter (VE), vom 18.–22. 11. 1974, in: BMW UA 1827/1. 130  Vgl. Importeurslisten, 1971–1975, in: BMW UA 1587/1. 131  Vgl. Internes Schreiben der BMW-Vertriebsabteilungen „Aufgliederung der Mon­ tage- und Nachbauabteilung“ vom 03. 05. 1971, in: BMW UA 1609/1. 132  Vgl. Importeurslisten, 1971–1975, in: BMW UA 1587/1 133  Helten war beispielsweise bereits ein erfahrener Vertriebsmann, als er zu BMW kam: Er war mehrfach in den USA tätig gewesen, unter anderem als ehemaliger DKWVerkaufsleiter in den USA. Helten besuchte die Management-Akademie INSEAD in Fontainebleau, Paris und war vor 1972 unter anderem für BMW als Delegierter in Großbritannien tätig. 1972 erhielt er für die BMW AG Prokura, vgl. Aktennotiz „Prokura für die Herren Hoegg und Helten“ von Dr. Baranek, zentrales Marketing (VM), an von Kuenheim (A), Vorstandsvorsitzender der BMW AG, vom 03. 02. 1972, in: BMW UA 1609/1. Während seiner Laufbahn bei der BMW AG betreute er wichti­ ge verschiedene Regionen als Abteilungsleiter in der Verkaufsabteilung Export (VE), so übernahm er etwa zum 01. 01. 1983 die Vertriebsleitung für Nordeuropa (VE-R-2), nachdem er zuvor mehrere Jahre die BMW-Vertriebsaktivitäten in Fernost geleitet hatte, vgl. BMW intern Nr. 17/82 vom 21. 10. 1982, in: BMW UU 676/10.

4.2. Personalpolitik

435

elektroniker anzuwerben.134 Inwieweit dieses Vorhaben realisiert wurde, ist nicht bekannt, allerdings ist im Kontext der bisherigen Erkenntnisse zu be­ zweifeln, dass BMW bereits 1971 solch eine Akquise eingeleitet hat. Bekannt ist hingegen, dass sich die Belegschaftsstruktur bei BMW seit den 1970er Jahren stark im Wandel befand. So sank beispielsweise, aufgrund des steigenden Automatisierungsrades in der Produktion, der Anteil der Lohn­ empfänger, während der Anteil der höherqualifizierten Arbeitsplätze weiter anstieg. Hier wuchs nicht nur die Beschäftigtenzahl in der Verwaltung, ­sondern insbesondere in den Bereichen Forschung und Entwicklung. Diese Tendenz hielt auch in den 1980er Jahren an und so verfügte 1986 bereits jeder dritte BMW-Mitarbeiter über einen Fachhochschul- oder Hochschulab­ schluss.135 Auch die interne Weiter- und Fortbildung wurde bei BMW ­weiterentwickelt und institutionalisiert. Wichtiger Meilenstein bildete hier die Gründung der noch heute bestehenden Bildungsakademie im Jahre 1973, die zeitgleich mit der bereits erwähnten BMW-Lernstatt entstand. Während das Angebot der Lernstatt speziell auf die Belegschaftsmitglieder mit Migra­ tionshintergrund abgestimmt war, bot die Bildungsakademie ein weites ­Spektrum an Kursen und Seminaren zu vielfältigen Themenbereichen an: von der Kommunikation, über die Datenverarbeitung bis hin zu Kenntnissen über die Anforderungen, die an die Entscheidungs- und Verantwortungs­ träger von morgen gestellt wurden.136 Die Institutionalisierung interner Bildungs­ einrichtungen vollzog sich nicht nur in der Münchner Zentrale, ­sondern griff sukzessive auf weitere Standorte im In- und Ausland über. Am südafrikanischen Standort Rosslyn wurde sehr früh nach der vollständigen Übernahme durch BMW die Notwendigkeit betriebsinterner Weiterbildungs­ maßnahmen erkannt. Aufgrund der politischen Repressionen des Apart­ heidregimes gegenüber der schwarzafrikanischen Bevölkerung waren 1979 knapp ein Viertel der schwarzen Lohnempfänger bei der südafrikanischen Tochtergesellschaft Analphabeten. Aus diesem Grunde wurde bereits 1977 ein unternehmensinternes Bildungsprogramm aufgesetzt, das von Lese- und Schreibkursen bis hin zu mehrjährigen Seminaren reichte, die den Teilneh­ mern einen staatlich anerkannten Abschluss ermöglichte.137 Das Schulungs­ zentrum bot 1979 bereits etwa 1 250 weißen und schwarzen Mitarbeitern Gelegenheit zur Fortbildung.138 Auf die Bildungspolitik der BMW-Gesell­ schaft in Südafrika wird detailliert in Kapitel 5.4.2 eingegangen. 134  Vgl. Aktennotiz der Exportabteilung (VE), Dr. Baranek, an VE-12, Helten, vom 18. 08. 1971, in: BMW UA 1609/1. 135  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 121. 136  Vgl. ebd., S. 114. 137  Vgl. Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Deutsche Firmen in Südafrika. Stellungnahme zu einer Studie der Arbeitsge­ meinschaft „Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt“, Karlsruhe 1979, S. 15f. 138  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10.

436

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Die ausführlichen Explikationen in Kapitel 4.2 haben gezeigt, wie weit sich die Personalpolitik der BMW AG während der 1970er Jahre im Zuge der fort­ schreitenden Internationalisierung und weltweiten Expansion gewandelt hat. Die Expertise und interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiter, vor allem im oberen Management, stiegen im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Dekaden überdurchschnittlich stark an. Zugleich machten die Veränderungen jedoch ebenfalls deutlich, dass es auf institutioneller Ebene struktureller An­ passungen bedurfte. In diesem Zusammenhang waren mit der Gründung der ersten Auslandstochtergesellschaften Fehlstände zutage getreten, die auf Vor­ standsebene thematisiert wurden. Unverzüglich leitete dieser Schritte ein, ent­ sprechende Richtlinien auszuarbeiten oder bereits bestehenden Rahmenbe­ stimmungen der Realität anzupassen, um die Abläufe zwischen der Zentrale und den Töchtern zu strukturieren.139 Diese Prozesse institutionalisierten sich somit während der dritten Phase der Internationalisierung der BMW AG. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde auf diesen gesetzten Grundstein aufge­ baut und die entsprechenden Richtlinien weiter verfeinert.140

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung Bei der BMW AG markiert das Jahr 1969 eine Wende in ihrer Motorradpoli­ tik, die sich ebenfalls in den Produktionszahlen widerspiegelt und auf die ausführlich in Kapitel 3.3 eingegangen wurde. BMW hatte sich in diesem Jahr zu dem Motorradgeschäft bekannt und dies international öffentlich­ keitswirksam kommuniziert.141 Mit der parallel hierzu erscheinenden von Grund auf neuen /5-Baureihe wurde ein deutliches Zeichen gesetzt, da es sich um eine komplette Neukonstruktion handelte, die die Richtung einer moderneren Motorradgeneration des Münchener Unternehmens vorgab. Ein weiteres Novum war die Produktionsverlagerung der Motorräder in das ­Berliner Werk Spandau, um der Automobilfertigung im Stammwerk Mün­ chen mehr Raum zu geben.142 Das Bekenntnis zum Motorrad, wie es die 139 Vgl. Protokoll Nr. 30/73 der Vorstandssitzung vom 21. 11. 1973, in: BMW UA 851/1; Protokoll Nr. 5/75 der Vorstandssitzung vom 19. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1; Schreiben des Vertriebsvorstandmitglieds Schönbeck an die Vorstandskollegen A, F, T und z.K.: E, L, A/P, AJ) vom 01. 09. 1976, in: BMW UA 1865/1. 140  Vgl. VA-Z Protokoll Nr. 2/81 vom 30. 01. 1981, in: BMW UR 2583/1. 141  Der Prospekt zu der neuen /5-Baureihe, dem Produkt begleitend zu dem Bekennt­ nis, wurde demgemäß unter dem Namen „BMW bekennt sich zum Motorrad“ in meh­ reren Sprachen publiziert, vgl. Prospekt „BMW bekennt sich zum Motorrad“, 08. 1969, BMW MK 374/10; Englischer Prospekt „BMW are still faithfull to their first love – motor cycles“, 09. 1969, in: BMW MK 374/20; Französischer Prospekt „BMW donne un nouvel essor à la moto“, 09. 1969, in: BMW MK 374/30; Spanischer Prospekt „BMW demuestra su entusiasmo por la motocicleta“, 09. 1969, in: BMW MK 374/55. 142  Vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 125.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 437

BMW AG auch selbst inszenierte, wurde durch den Vorstandsbeschluss im November 1975 bekräftigt, der zu Beginn des Folgejahres die Gründung ­einer BMW-Tochtergesellschaft eigens für das Zweiradgeschäft mit Sitz in Berlin anvisierte. In dieser BMW Vertriebs GmbH, später umbenannt in BMW Motorrad GmbH, wurden sämtliche Aufgaben des Motorradgeschäf­ tes gebündelt, wobei einige Funktionen, wie etwas das Marketing für das Zweiradprogramm mitsamt der Werbung, indes weiterhin zentral von Mün­ chen aus gesteuert wurden.143 Durch diesen Schritt sollten die Aufgaben klar zwischen den Standorten Berlin und München aufgeteilt werden und durch klare Zuordnungen Reibungsverluste im täglichen Arbeitsablauf vermieden werden. Des Weiteren wurde mit der Gründung der Motorradgesellschaft dem steigenden Wettbewerbsdruck, vor allem durch die japanische Konkur­ renz, und die erneut zunehmende Bedeutung des Motorrads im In- und Aus­ land Rechnung getragen.144 Die 1970er Jahre leiteten sowohl bei BMW als auch in der Wahrnehmung des Motorrads im Allgemeinen eine Wende ein, die zu einer gravierenden Neujustierung führte, durch die das Image des Motorrads einen grundlegen­ den Wandel durchmachte. In den USA war diese Entwicklung bereits früher zu beobachten, wo Filme wie Easy Rider symbolisch die Wende markierten und ein neues Lebensgefühl transportierten, das auch Europa und die Bun­ desrepublik erreichte.145 Motorradfahren war dabei, nicht nur ein Hobby zu sein, sondern zu einer Lebensphilosophie zu werden.146 Mit diesem Wandel – teilweise auch aufgrund einschlägiger Filme – wurde das Zweirad allerdings zugleich mit dem Negativimage des Krachmachers und Gefährts für Halb­ starke in Verbindung gesetzt. BMW suchte sich hiervon stets abzugrenzen, indem beispielsweise in der Werbung der 1970er und 1980er Jahre vermehrt Themen wie Sicherheit, technische Zuverlässigkeit und Versiertheit oder auch der distinguierte Geschmack der BMW-Motorradfahrer hervorgehoben wurde, durch den er sich von der Masse abgrenzte. Ein BMW-Motorradfah­ rer wurde demnach kommunikativ deutlich von dem sich in der Bevölkerung gegenüber Zweirädern formenden Negativimage abgegrenzt und als anderen Fahrern überlegen positioniert – so wie es die Maschinen laut Werbung tech­ nisch ebenfalls gegenüber der Konkurrenz waren.147

143 Vgl. Protokoll Nr. 31/75 der Vorstandssitzung vom 11. 11. 1975, in: BMW UA 1333/1. 144 Vgl. „Organisationsuntersuchung BMW Motorrad“ von PA Management Con­ sultants, 09. 1973, BMW UA 1481/1. 145  Der Film Easy Rider, von und mit Dennis Hopper, war im Jahre 1969 der offiziel­ le Beitrag der USA zum Filmfestival in Cannes, vgl. The Internet Movie Database (2008): Easy Rider. URL: http://www.imdb.com/title/tt0064276/ (Stand: 25. 12. 2015) 146  Vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 126. 147  Für weiterführende Details zur BMW Motorrad Werbegeschichte im Kontext der Zeitgeschichte, vgl. ebd., S. 131–143.

438

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

PKW Krafträder Einwohner je Kraftwagen

1970

1975

1980

1985

13 042 200 228 604 4,6

17 356 300 249 832 3,6

22 613 500 571 930 2,7

25 377 600 993 108 2,4

Tabelle 47: Bestand an Kraftfahrzeugen inkl. Kombinationskraftwagen und Kraft­ rädern mit Fahrberechtigung im Bundesgebiet, 1970–1985.148

Tabelle 47 zeigt deutlich auf, wie der Kraftfahrzeugbestand in der Bundes­ republik weiter anstieg und darüber hinaus das Motorrad einen Wiederauf­ schwung erlebte, den in den 1960er Jahren niemand vorhersah, da der Kraft­ radbestand im Bundesgebiet rapide abgenommen hatte. Alleine zwischen 1965 und 1970 waren die Krafträder mit Fahrberechtigung um circa die Hälf­ te auf 228 604 Einheiten zurückgegangen. Der sich hieran anschließende Aufstieg des Zweirads vollzog sich zunächst langsam und nahm bis 1975 nur geringfügig um 9,3 Prozent zu. In der ersten Hälfte der 1970er Jahre spielte somit der Export von Motorrädern für BMW eine wichtige Rolle, da die Auslandsnachfrage deutlich die des Heimatmarktes übertraf (vgl. Tabelle 48). Ab Mitte der Dekade nahm jedoch auch im Inland der Absatz an Krafträ­ dern wieder deutlich zu und erreichte 1980 einen Bestand von rund 572 000 Einheiten, was einer Zuwachsrate von 128,9 Prozent gegenüber 1975 ent­ sprach. Dieser positive Kurs setzte sich auch in den kommenden fünf Jahren fort und so wuchs der Bestand – trotz des zweiten Ölpreisschocks – um 73,6 Prozent auf 993 108 Zweiräder an. Auch die Zahl der zugelassenen Kraftwa­ gen nahm während der 1970er Jahre deutlich um 73,4 Prozent zu und er­ reichte 1980 im Bundesgebiet ein Volumen von 22 613 500 Einheiten. Wäh­ rend also 1970 noch 4,6 Einwohner auf einen Wagen kamen, besaß 1980 be­ reits mehr als jeder Dritte ein Automobil. Die Motorisierung hatte ihren Siegeszug während der 1970er Jahre in der Bundesrepublik fortgesetzt und auch vor dem Zweiradbereich keinen Halt gemacht, was in den 1960er Jah­ ren noch nicht vorherzusehen war. Das Hauptgeschäftsfeld der BMW AG lag dennoch in dieser Dekade ­weiterhin in der Automobilfertigung. Während der 1970er Jahre lag der er­ wirtschaftete Anteil aus dem Automobilsegment am Gesamtumsatz konstant um etwa 80,0 Prozent, während der Umsatz aus der Motorradsparte in der Regel unter der Fünf-Prozentmarke lag.149 Auch die Fertigungszahlen bestä­ tigen diese Priorisierung der Geschäftsfelder, wie Abbildung 35 veranschau­ licht. Da sich das Produktionsvolumen beider Sparten quantitativ deutlich unterscheidet, sind die Fertigungszahlen der Motorräder auf der Primärachse 148 

Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1971/72, S. 206; Ders. (Hg.): TuZ 1974/75, S. 384, 387; Ders. (Hg.): TuZ 1977/78, S. 28f.; Ders. (Hg.): TuZ 1979/80, S. 427, 430; Ders. (Hg.): TuZ 1984/85, S. 438, 441; Ders. (Hg.): TuZ 1985/86, S. 28f. 149  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 439

abgebildet, während die Sekundärachse die gefertigten PKW-Einheiten wie­ dergibt. 35.000

400.000

30.000

350.000 300.000

25.000

250.000

20.000

200.000

15.000

150.000

10.000

100.000

5.000

50.000

0

0

Motorräder

PKW

Abbildung 35: Produktion von Motorrädern und Kraftwagen der BMW AG, 1970– 1981.150

Die Zweiradproduktion der BMW AG verdoppelte sich im Laufe der drit­ ten Internationalisierungsphase und wurde von der ersten Ölpreiskrise nicht signifikant beeinflusst; ab 1973 wurden sogar bis 1977 deutliche Zuwächse verzeichnet. 1976 wurde der bisherige Produktionsrekord von Zweirädern des Jahres 1954 gebrochen. Dies überraschte umso mehr, als dass das Zwei­ rad zu dieser Zeit bereits mehr ein Lifestyle-Objekt denn ein reines Fortbe­ wegungsmittel war und sein Absatz, ähnlich der PKW-Zweitanschaffung, in der Regel empfindlicher auf negative Markteinflüsse reagierte, als es etwa bei der Erstanschaffung eines Automobils der Fall war. Noch vor der zweiten Ölpreiskrise sank die Zweiradproduktion bei BMW 1978 gegenüber dem Vorjahr um 6,1 Prozent. Der zweite Ölpreisschock traf die Motorradsparte dann empfindlich, als dessen Folge BMW 1979 gegenüber 1978 nochmals rund 5 000 Einheiten weniger fertigte. Selbst die neuen Zweiradmodelle, die gegen Ende der 1970er Jahre auf den Markt gebracht wurden, konnten diesen zwischenzeitlichen Einbruch nicht verhindern. Hierbei handelte es sich aller­ dings nur um einen kurzen Rückgang der Zahlen, bereits 1981 wurde ein neuer Fertigungsrekord im Motorradbereich der BMW AG erzielt, nachdem das Geschäftsjahr 1980 in etwa das Niveau des Jahres 1978 aufgewiesen hatte. Den Tiefpunkt in der Historie hatte die BMW-Motorradsparte allerdings be­ reits 1963 mit einem Fertigungsvolumen von lediglich 5 753 Einheiten er­ reicht. Am Ende des Betrachtungszeitraums hatte BMW beinahe das Sechs­ 150  Vgl. Biss, BMW Motorrad, S. 117; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10.

440

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

fache (1981) an Zweiradvolumen produziert und damit bewiesen, dass das 1969 ausgesprochene Bekenntnis zum Motorrad richtig gewesen war. Auf den PKW-Bereich soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da dieser bereits im Kontext von Abbildung 33 thematisiert wurde und in den sich ­anschließenden Abschnitten noch weiter detailliert besprochen wird. BMW konnte die Motorradproduktion in den 1970er Jahren erheblich ausbauen, dennoch verzeichnete das Unternehmen in der Bundesrepublik sinkende Marktanteile in der Klasse der schweren Motorräder, also mit ei­ nem Hubraum über 500 ccm. Während es auf dem Inlandsmarkt in diesem Segment 1966 mit 90,4 Prozent noch klarer Marktführer gewesen war, sank der Anteil bis 1972 auf 52,3 Prozent und lag 1976 nur noch bei 31,1 Pro­ zent.151 Das Interesse am Motorrad, vor allem an schweren Maschinen, war also in den 1970er Jahren signifikant gestiegen, während BMW allerdings im Wettbewerbsvergleich nur bedingt an diesem Aufschwung partizipieren konnte. Dies war der Diversifizierung des Mitbewerberangebotes geschuldet, hier allen voran der während der dritten Internationalisierungsphase stark zunehmenden japanischen Konkurrenz. Der BMW-Aufsichtsrat fasste die ­Situation im Dezember 1972 wie folgt zusammen: „Beim Motorrad ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass die japanische Kon­ kurrenz sehr stark und gerade die Jugend und die jung gebliebenen Kunden anspricht, da die japanischen Maschinen ein attraktives Styling und eine hervorragende Technik haben. Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit des Vertriebs vermehrt auf Fragen der Produktplanung. Im September 1973 wird BMW ein Motorrad-Programm vor­ stellen, mit dem es gelingen müsste, einen wesentlichen Teil des einstigen Glanzes für die BMW-Maschinen zurückzuerobern.“152

Das Paradestück des neuen Modellprogramms sollte die BMW R 90 S sein, die im Vergleich zu anderen BMW-Maschinen dieser Zeit, und auch der Ver­ gangenheit, ungewohnt freizügig mit leicht bekleideten Damen beworben wurden, die auf den Motorrädern posierten.153 Der Wettbewerbsdruck führ­ te zu einem Kräftemessen und Ringen um stetig höhere Leistungen der Mo­ toren, was wiederum zu einer größeren Modellvarianz bei den verschiedenen Herstellern führte. Wichtige Zäsur bildete hier die Vorstellung der Honda CB 750 im Jahre 1968, die im Folgejahr eingeführt wurde und eine bis dato nicht gekannte Leistung in die Serie brachte, womit sie den Trend zu den ­sogenannten Superbikes einleitete.154 Die BMW-Geschäftsleitung entschied 151  Vgl. Statistische Motorradanalyse Inland 1960–1976, BMW UA 930/1. 152  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 14. 12. 1972, in: BMW UA 808/2. 153  Vgl. Pressemappe „Die neue BMW Motorrad-Serie. BMW R60/6, BMW

R75/6, BMW R90/6, BMW R90 S“, 1975, in: BMW MP 16/10. Andere Zweiradhersteller hat­ ten bereits um einiges früher begonnen, mit aufreizenden Damen ihre Produkte zu bewerben, vgl. Werbemotiv der Firma ZÜNDAPP „Zündapp. Das ist sie, unsere ­heißeste Maschine, die neue ZÜNDAPP Super Sport.“, in: Das MOTORRAD, Jg. 20, Nr. 6 vom 23. 03. 1968, Titelrückseite. 154 Vgl. Adolph, Norbert (1987): Fahrwerk – Bindeglied zur Straße, in: Bartsch, Christian (Hg.), Ein Jahrhundert Motorradtechnik, Düsseldorf, S. 180–223, hier S. 207; Biss, BMW Motorrad, S. 129.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 441

jedoch, sich nicht auf ein solches Kräftemessen in Form einer überhasteten Modelldiversifizierung einzulassen. Stattdessen berief sich das Unternehmen auf das firmeneigene Motto: „Wichtig ist nicht die Leistung des Motors, sondern die Leistung, die auf die Straße gebracht wird.“155 und wählte somit den wirtschaftlicheren Weg. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass BMW der einzige deutsche Zweiradhersteller war, der sich gegenüber der japanischen Offensive noch immer im hubraumstarken Segment behaup­ ten konnte, während etwa die britische Motorrad­industrie mit großen Na­ men wie BSA, Triumph oder Norton empfindlich getroffen wurde und in den 1970er Jahren nicht nur endgültig ihren Glanz verlor, sondern darüber hinaus ihre ökonomische Grundlage.156 Der Wettbewerbsdruck stieg ab ­Mitte der 1970er Jahre weiter an und war auch bei BMW deutlich spürbar. Die japanischen Hersteller hatten zudem Konkurrenzmodelle in der großen Klasse der Touren-Motorräder herausgebracht, einem bis dahin vor allem von BMW dominierten Segment. Der Aufsichtsrat, der gemeinsam mit dem Vorstand immer häufiger die sich durch die ­japanische Offensive zuspitzende Situation diskutierte, musste im Herbst 1975 konstatieren: „Vor allem Honda hat mit der neuen 1 000 ccm-­Maschine praktisch eine Weiterentwicklung des BMW-Konzeptes auf den Markt gebracht.“157 Die neuen großen TourenMaschinen wurden von BMW erst 1976 bzw. 1978 mit der R 100 RS und der R 100 RT in Serie gebracht, wodurch in der Zwischenzeit weitere Marktan­ teile verloren gingen.158 Trotz des starken Wettbewerbsdrucks und der er­ schwerten Lage hielt die BMW-Geschäftsleitung weiterhin an der Motorrad­ sparte fest und machte die langfristige Planung des Zweiradgeschäftes im Dezember 1976 zum zentralen Thema der Aufsichtsratssitzung, die der Vor­ standsvorsitzende von Kuenheim mit folgenden Worten eröffnete, was als abermaliges Bekenntnis zum Motorrad und zugleich als selbstkritische Aus­ einandersetzung gewertet werden kann: „Die Entwicklung der jüngsten Vergangenheit hat gezeigt, dass die Phase des ersten Erfolges nach Wiederaufnahme des BMW Motorradgeschäftes zu Ende geht, wenn nicht unverzüglich umfassende Maßnahmen zur Erneuerung der Produkte und zur Erweiterung und Sanierung der Kapazitäten eingeleitet und damit die Lücken ge­ schlossen werden, die in der Vergangenheit durch eine zu vorsichtige Investitionspoli­ tik entstanden sind. Nachdem das Motorrad schon aus Imagegründen nicht aus dem Gesamtbild von BMW wegzudenken ist, sieht der Vorstand es als die Verpflichtung von BMW an, sich dem schärfer werdenden Wettbewerb offensiv zu stellen und ent­ sprechende Maßnahmen einzuleiten.“159

Mit den sinkenden Produktionszahlen geriet die Münchner Geschäftsleitung unter Zugzwang und musste ein Zeichen setzen, woraufhin sie einen kom­ pletten Wechsel der Führungsmannschaft bei der BMW Motorrad GmbH 155 

Jakobs, BMW Motorrad. Die ersten 75 Jahre, S. 10. Vgl. Knittel, Die britische Motorradindustrie. 157  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 10. 1975, in: BMW UA 1462/2. 158  Vgl. BMW AG, Alle Motorräder, S. 26f. 159  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 12. 1976, in: BMW UA 1508/2. 156 

442

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

veranlasste. Zeitgleich wurde ein gänzlich neues Entwicklungsprojekt initi­ iert, das eine vollkommen neue Marktnische etablieren sollte: Im September 1980 stellte BMW mit der R 80 G/S die weltweit erste schwere Reiseenduro vor. Dieses neue Geländesportmodell zielte auf das komfortable Fahren auch auf längeren Strecken in unwegsamen Gelände.160 Zugleich wurde an ihm auch die Zukunft des Boxermotorkonzeptes festgemacht. Durch die Ver­ kaufserfolge und das positive Presseecho wurde deutlich, dass die R 80 G/S den Boxermotor bestätigte, ein neues Segment eröffnete und dort neue Maß­ stäbe setzte. Das Nischenmodell verjüngte überdies das eher gesetzte Image der Motorräder der Marke BMW und sicherte der Zweiradsparte internatio­ nal wichtige Marktanteile.161 Zum Jahresbeginn 1981 vollzogen sich dann ei­ nige organisatorische Änderungen in der BMW-Motorradsparte: Die bis da­ hin eigenständig geführte Tochtergesellschaft BMW Motorrad GmbH wurde in die Muttergesellschaft zurückgegliedert, während parallel die Vertriebs­ aktivitäten in die BMW Motorrad GmbH + Co. ausgegliedert wurden. Da­ rüber hinausgehende Aktivitäten der bisherigen BMW Motorrad GmbH wurden als eigenständige Sparte innerhalb der BMW AG weitergeführt.162 In den 1950er und 1960er Jahren lebte der BMW-Zweiradbereich vorran­ gig vom Exportgeschäft. Auch in der Folgedekade hielt diese Absatzstruktur an, wie Tabelle 48 zu entnehmen ist, die die Exportzahlen sowie die Export­ quote gemessen an dem Gesamtabsatz des jeweiligen Geschäftsjahres enthält. Hierbei werden leider nur die Zahlen bis einschließlich 1979 angeführt, da kein Quellenmaterial für die Jahre 1980 und 1981 vorliegt. 1970 Export ­Motorräder Exportquote (in %)

1971

1972

1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

9 422 14 174 15 573 13 550 20 618 20 196 20 131 24 563 18 263 18 581 76,3

75,0

74,0

68,0

81,9

79,0

71,5

78,6

68,7

68,0

Tabelle 48: Export und Exportquote von BMW-Motorrädern gemessen am Absatz, 1970–1979.163 160  Das „G“ stand für Gelände, das „S“ für Straße, wodurch das breite Einsatzgebiet des neuen Motorrads bereits durch die Typenbezeichnung kenntlich gemacht werden sollte, vgl. Schneider, Hans-Jürgen / Koenigsbeck, Wolfgang: Faszination BMW GS, 5. Auflage, Zwickau 2007, S. 22–34. 161  So Karl Gerlinger in einem Interview, damaliger Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing der BMW Motorrad GmbH, vgl. Gespräch mit Karl H. Gerlinger und Diet­ mar Beinhauer, in: Schwietzer, Andy: BMW Boxer. BMW-Zweiventiler von 1980 bis 1996, Bd. 2, Alle Modelle mit Einarmschwinge, Wallmoden 2008, S. 26–31, hier S. 29. 162 Vgl. Protokoll Nr. 31/75 der Vorstandssitzung vom 14. 11. 1975, in: BMW UA 1333/1; Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 03. 12. 1975, in: BMW UA 1462/2; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 163  Eigene Berechnungen, vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1970–1975; MF-Be­ richt Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 443

Das Jahr 1973 war bei der BMW-Motorradsparte weniger von den Ein­ flüssen der ersten Ölpreiskrise bestimmt, als von der außergewöhnlich hohen Nach­frage im Inland, die sich auf das Ausfuhrgeschäft negativ auswirkte. Die Aufstellung der Produktionszahlen aus Abbildung 35 hatte gezeigt, dass die erste Ölpreiskrise keinen nachhaltigen Einfluss auf das Gesamtvolumen der BMW-Zweiradfertigung hatte und auch keine nennenswerten Lagerbestände aufgebaut worden waren. Die Erklärung ist darin zu finden, dass die Nach­ frage im In- und Ausland nach Wagen und Motorrädern der Marke BMW in den ersten zehn Monaten des Jahres 1973 so groß war, dass es in dieser Zeit teilweise zu erheblichen Lieferfristen kam. Da aufgrund höherer Margen dem Inlandsabsatz Vorrang gegeben wurde, führte dies auf verschiedenen ­expandierenden Auslandsmärkten zu einer nicht ausreichenden Belieferung, wodurch Marktanteile im Ausland verloren gingen, die später – dann nicht zuletzt auch wegen der wirtschaftlichen Lage – nicht mehr einzuholen ­war.164 Aus diesem Grund sank die Exportquote 1973 auf den seit 1961 schlechtesten Wert im BMW-Zweiradsegment von 68 Prozent. Im Anschluss hieran stieg die Ausfuhr jedoch wieder überproportional auf 79 bis knapp 82 Prozent an. Die Zahlen aus Tabelle 48 zeigen, dass die zweite Ölpreiskrise ähnliche Auswirkungen auf den Export von BMW-Motorrädern hatte wie bereits die erste Krise, denn auch Ende der 1970er Jahre ging die Exportquote auf 68,0 Prozent zurück. Im Gegensatz zu der ersten Krise sanken parallel jedoch auch die Absatzzahlen im Allgemeinen und so wurden 1978 gegen­ über dem Vorjahr knapp 15 Prozent weniger Krafträder verkauft. Erst 1981 wurden die Verkaufszahlen von 1977 wieder erreicht bzw. um rund 1 000 Ein­ heiten überstiegen. Ähnlich verhielt es sich mit der Ausfuhr von deutschen Motorrädern im Allgemeinen, an der die Motorräder der Marke BMW einen überdurch­ schnittlichen Anteil hatten, der noch immer bei über 70 Prozent lag. Die deutsche Motorradindustrie war auch in den 1970er Jahren stark export­ orientiert. Fast drei Viertel der Motorradproduktion der höheren Hubraum­ klassen ging in den Export. 1979 lag die Exportquote der deutschen Zwei­ radhersteller sogar bei 83 Prozent.165 Diese Entwicklung zunehmender ­Exporte war keine Selbstverständlichkeit, denn im Laufe der 1970er Jahre wurde die Einfuhr in einige Länder deutlich erschwert. Hierunter waren auch die USA, der weltweit wichtigste Motorradmarkt, wo der Druck durch die japanische Konkurrenz besonders hoch war. Diese Beschränkungen tra­ fen auch die BMW AG, die alleine im Jahr 1973 das erwartete US-Export­ kontingent an Zweirädern von ursprünglich 8 500 Einheiten auf 3 470 Ein­ heiten reduzieren musste, wobei die überschüssigen Maschinen auf den 164 Vgl.

Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1973, 1974, in: BMW UU 199/10. 165  Vgl. MF-Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1.

444

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

­ brigen Auslandsmärkten abzusetzen waren, was allerdings nur zu einem ü Teil gelang. Mitverantwortlich für diese Negativbilanz wurde damals auch der US-Motorradimporteur Butler & Smith gemacht166 mit dem BMW be­ reits seit Mitte der 1950er Jahre zusammenarbeitete, und dies laut eigener Einschätzung in der Regel sehr erfolgreich.167 Die rückläufigen Zahlen im Motorradexport ab 1977 waren also nicht nur auf die Ölpreiskrise zurückzu­ führen, die erst 1979 einsetzte, sondern waren ebenfalls bedingt durch den erhöhten japanischen Konkurrenzdruck – unter anderem in den USA. Der wachsende japanische Wettbewerb machte sich auch in zahlreichen anderen Ländern bemerkbar, nicht zuletzt auf dem deutschen Heimatmarkt. 1977 hatten die Hersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne bereits einen An­ teil von 86,5 Prozent an den Motorradimporten nach Deutschland erzielt, der bis 1979 sogar auf 91,9 Prozent anstieg. Hierbei war das japanische Pro­ duktportfolio in allen Hubraumklassen dominierend. Auf dem zweiten Platz blieben 1979 die Importe aus Italien hingegen mit 2,5 Prozent äußerst über­ schaubar, ebenso aus Großbritannien mit nur 1,9 Prozent. Während die Her­ steller Honda (35,0 Prozent), Yamaha (23,9 Prozent), Suzuki (13,7 Prozent) und Kawasaki (9,8 Prozent) gemeinsam 1979 in der Bundesrepublik einen Marktanteil von 82,4 Prozent erreichten, verfügte BMW auf dem Heimatmarkt nur noch über einen Anteil von 9,5 Prozent, was die ausgeprägte Wettbewerbs­ situation nachhaltig vor Augen führt. Andere deutsche Fabrikate wie Hercules und Zündapp erzielten noch nicht einmal mehr einen Marktanteil von einem Prozentpunkt.168 Diese Zahlen gaben der BMW-Geschäftsleitung Anlass zur Besorgnis, denn eine unternehmensinterne Marktuntersuchung hatte aufge­ deckt, dass insbesondere die für die Zukunft wichtigen jungen Leute bessere Zukunftsaussichten für die japanischen Marken als für BMW sahen. Hinzu kam, dass noch immer ein Großteil der Bevölkerung zwar das Motorrad tole­ rierte, laut einer Befragung jedoch noch immer etwa 20,0 Prozent der Befrag­ ten das Motorradfahren strikt ablehnten und dagegen offen opponierten. ­Dagegen stellte die BMW-Marktforschungsabteilung fest, dass BMW im In­ land über das positivste Image unter allen Motorradmarken verfügte.169 Laut BMW-Öffentlichkeitsabteilung spielte die wieder zunehmende Bedeutung des Motor­rads, die seine Wiederbelebung vor allem der neuen Freizeitnutzung zu verdanken hatte, eine entscheidende Rolle bei der Steigerung des Ab­ satzes. Lediglich in den USA, dem wichtigsten Motorradmarkt, dessen An­ teil an den weltweiten Motorradimporten zuvor über 90 Prozent betragen hatte, gingen die Zweiradzulassungen (ohne Mofas) parallel zu dem bereits 166 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 02. 1973, in: BMW UA 856/2. Importeursverträge zwischen der BMW AG und der Fa. Leo Adams sowie Butler & Smith, 1954, in: BMW UA 699/1. 168  Vgl. MF-Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1. 169  Vgl. MF-Bericht Nr. 7/79 „Einstellung der Bevölkerung zum Motorrad unter be­ sonderer Berücksichtigung von BMW“, in: BMW UA 1869/1. 167  Vgl.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 445

100% 90%

80% 70%

Ozeanien

60%

Asien

50%

Afrika

40%

Lateinamerika Nordamerika

30%

Europa

20% 10% 0% 1977

1978

1979

1980

Abbildung 36: Export von BMW-Motorrädern nach Verkaufsregionen, 1977–1980.170

erwähnten wachsenden Konkurrenzdruck um 11 Prozent zurück. BMW war hiervon ebenfalls betroffen, jedoch waren die Auswirkungen für die japani­ schen Hersteller noch verheerender, da sie über 30 Prozent ihrer Produktion in die USA exportierten. BMW konnte im Gegenzug die für die USA ge­ planten Lieferungen stattdessen nach Italien, in die Niederlande und nach Großbritannien verkaufen.171 Ein Marktforschungsbericht aus dem Jahr 1980 gibt Auskunft über das ­regionale Muster des Motorradverkaufs der BMW AG. Die Angaben aus diesem Bericht sind in Abbildung 36 dargestellt und spiegeln die bereits ­erwähnte Umstrukturierung der Absatzverteilung wider. In diesem Kontext muss vorab darauf hingewiesen werden, dass die Exporte in die einzelnen Länder häufig erheblichen Schwankungen unterlagen, die zum Teil mit ­Behördenaufträgen zusammenhingen. Dies unterstreicht abermals die hohe Bedeutung, die diesem Geschäftszweig für das internationale BMW-Motor­ radengagement zukam.172 Somit bot auch während der dritten Phase der ­Internationalisierung das sogenannte Behördengeschäft im Ausland gute Ab­ satzmöglichkeiten. Im Geschäftsjahr 1977 wurden insgesamt 20 Prozent der Auslandslieferungen an diesen Käuferkreis verkauft.173 170 Die

Angaben des Jahres 1980 enthalten aufgrund der Quellenlage lediglich die Monate Januar bis November, vgl. MF-Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Ana­ lyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1. 171  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10. 172  Vgl. MF-Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1. 173  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10.

446

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Abbildung 36 zeigt gegenüber dem regionalen Muster des Zweiradabsat­ zes einen deutlichen Wandel (vgl. Kapitel 3.3). In den 1960er Jahren waren die USA zur wichtigsten Verkaufsregion für Motorräder der Marke BMW geworden. 1965 ging jedes zweite exportierte Motorrad in die USA. Mit der Renaissance des Motorrads wandelte sich die Absatzstruktur des Ausfuhrge­ schäftes; nicht nur die Bedeutung des Heimatmarktes, sondern auch Europas nahm zu. Das regionale Muster begann, sich ab 1977 deutlich zugunsten der europäischen Märkte zu wandeln: Wurden 1977 noch 33,2 Prozent des Zwei­ radabsatzes in die USA verschifft, erreichte der US-Verkauf 1979 mit 3 074 Einheiten bzw. 16,5 Prozent den vorläufigen Tiefpunkt. Der Europaexport stieg in derselben Zeit von 48,7 (1977) auf 69,6 (1979) Prozent. Erst 1980 setzte allmählich eine Entspannung auf dem US-Markt für BMW-Zweiräder ein, so dass BMW seinen Verkauf dort wieder leicht steigern konnte. Mit dem oben bereits detailliert geschilderten wachsenden Wettbewerbs­ druck auf dem US-Markt verlagerte sich der Schwerpunkt des BMW-Zwei­ radexports gegen Ende der 1970er Jahre zunehmend in den europäischen Raum, hier vor allem auf die Länder der EWG, wie durch die weiter unten folgende Tabelle 49 ersichtlich wird. Neben Europa und Nordamerika hatte sich Afrika bereits seit 1952 zu einer wichtigen Region für BMW-Motorräder entwickelt (vgl. Kapitel 2.3.2). Diese Entwicklung setzte sich auch in den 1960er und 1970er Jahren fort, mit Ausnahme der Jahre 1978 und 1979, in denen der Absatz temporär auf ein Drittel des gewohnten Volumens schrumpfte, sich 1980 jedoch wieder zu erholen begann.174 Besonders wich­ tig war hier der südafrikanische Markt, in welchem 1972 in Kooperation mit lokalen Partnern eine BMW-Tochtergesellschaft gegründet wurde. Bis 1975 war jedoch noch der langjährige Motorradimporteur Club Motors Ltd. fe­ derführend für den Motorradvertrieb zuständig, während die BMW-Tochter die Montage und den Vertrieb der Automobile steuerte, bis auch das Motor­ radsegment in ihren Aufgabenbereich überging (vgl. Kapitel 5). Auf dem afrikanischen Kontinent existierte in Südafrika die betriebsstärkste Ver­ ­ triebsorganisation mit einem Händlernetzwerk im zweistelligen Bereich. Die Relevanz der afrikanischen Absatzregion ist umso beachtlicher, als dass in zahlreichen Ländern der Verkauf von BMW-Erzeugnissen nur über ein bis drei Händlerbetriebe abgewickelt wurde, die wiederum mit dem Generalim­ porteur assoziiert waren.175 Auch dies spricht für einen erhöhten Anteil von Behördenaufträgen in Afrika, die zum Teil direkt über die Zentrale liefen. Ebenfalls wichtig, jedoch weniger konstant im Hinblick auf die Verkaufszah­ len, waren die asiatischen Märkte. Bereits in den ersten beiden Phasen der Internationalisierung hatte sich gezeigt, dass auch hier der Absatz in größe­ 174  Möglicherweise wirkte sich auch hier das Behördengeschäft nachhaltig aus, das in diesem Fall für zwei Jahre eine reduzierte Auftragslage aufwies. Anhand der Quellen­ lage ist dies jedoch nicht abschließend zu bestätigen. 175  Vgl. Importeurslisten, 1971–1975, in: BMW UA 1587/1.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 447

ren Volumina vor allem von einmaligen Aufträgen einzelner Behörden und Institutionen protegiert wurde. Dies erklärt auch den von Jahr zu Jahr bis­ weilen stark variierenden Exportanteil in diese Region. Im Vergleich zu ­Europa, Nordamerika und Afrika spielte Asien jedoch im Motorradsegment während der dritten Internationalisierungsphase eine nur untergeordnete Rolle. Ferner konnten nach Ozeanien und Lateinamerika ebenfalls nur ge­ ringe Kontingente an Zweirädern abgesetzt werden, da dort hubraumstärke­ re Maschinen, wie BMW sie anbot, weniger nachgefragt wurden, womit die­ se Märkte bis in die 1980er Jahre hinein für das BMW-Motorradsegment na­ hezu bedeutungslos waren. Dennoch achtete der BMW-Vertrieb darauf, diese Märkte auch weiterhin zu beliefern und eruierte auch künftig Potentiale in diesen Gebieten. Exemplarisch wurde dies deutlich durch das seit den 1960er Jahren bestehende Engagement von BMW über eine Minderheitsbeteiligung in Australien, die 1979 in eine hundertprozentige BMW-Tochter gewandelt wurde (vgl. Kapitel 3.5.2.3). In Asien wurde 1985 mit der BMW South East Asia Pte. Ltd. in Singapur ein sogenanntes Regionalbüro eröffnet, das zur Erschließung und weiteren Bearbeitung der südostasiatischen Märkte dienen sollte, und das noch heute aktiv ist.176 Da die Gründung des Regionalbüros nicht Gegenstand des Untersuchungszeitraums ist, soll an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden. Eine wissenschaftliche Auseinanderset­ zung mit der BMW South East Asia Pte. Ltd. bietet allerdings Potential für künftige Studien, da sie als Prototyp für nachfolgende BMW-Regionalbüros gelten kann, die in den 1990er Jahren in anderen Absatzregionen zur Markt­ erschließung und -bearbeitung gegründet wurden. In den vorangegangenen Explikationen ist deutlich gemacht worden, dass der Motorradabsatz in Europa während der 1970er Jahre stark zugenommen hat und zur wichtigsten Absatzregion des BMW-Zweiradsegmentes wurde. Wie in den Kapiteln über die erste und zweite Internationalisierungsphase soll kurz auf die innereuropäische Verteilung des Zweiradvertriebs innerhalb 176 Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1985, in: BMW UU 236/10. Von Singapur aus wurden zeitweise bis zu 24 Länder betreut sowie in den 1990er Jahren von dort aus der chinesische Markt entwickelt, bis in China ein eigenes Büro und später ein Joint-Venture gegründet wurden. Der Fokus lag hierbei allerdings vor allem auf dem PKW-Geschäft. Binnen der ersten sechs Jahre konnte der PKW-Absatz in der Region Südostasien zwischen 1985 und 1990 von circa 7 000 auf 13 500 Einheiten knapp verdoppelt werden, vgl. Bericht über das Geschäftsjahr 1990, 1991, in: BMW UU 244/10; Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 143. Genauere Angaben zum Absatz von BMW-Motorrädern liegen leider nicht vor. Das Regionalbüro zeichnete in der Regel so lange Verantwortung für einen Markt, bis die­ ser genügend Potential entwickelt hatte, um eine firmeneigene Tochtergesellschaft vor Ort rentabel erscheinen zu lassen. So wurde mit der BMW Korea Co., Ltd. 1995 die zweite Vertriebsgesellschaft in Asien gegründet, die als erste Tochter aus der Obhut des südostasiatischen Regionalbüros in Singapur hervorgegangen war, vgl. Pressemit­ teilung „BMW Tochtergesellschaft in Südkorea gegründet.“ vom 16. 02. 1995, in: BMW UP 1608/10.

448

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

von Europa eingegangen werden, die in der nachfolgenden Tabelle aufge­ führt ist.  177  1977 EWG Restliches Europa Europa gesamt

1978

1980177

1979

Stück

in % Stück

in % Stück

9 752 2 211 11 963

81,5 10 174 18,5 2 580 12 754

79,8 10 046 20,2 2 879 12 925

in % Stück 77,7 22,3

8 259 2 259 10 518

in % 78,5 21,5

Tabelle 49: Export von BMW-Motorrädern in das europäische Ausland, 1977–1980.178

Durch Tabelle 49 wird deutlich, dass das sich in Abbildung 36 abzeichnen­ de Ausmaß des Europaverkaufs der Jahre 1978/79, relativ betrachtet, größer ausfällt als die absoluten Zahlen. Tatsächlich hat sich der innereuropäische Absatz nur geringfügig um einige Hundert Einheiten gesteigert, die jedoch anteilig umso mehr ins Gewicht fielen, als insbesondere die Ausfuhr in die USA abnahm. Innerhalb von Europa war gegen Ende der 1970er Jahre der EWG-Handel am stärksten ausgeprägt, was somit die Annahmen und Expli­ kationen aus Abschnitt 4.1 auch für das Motorradgeschäft bestätigt. Für den Zweiradhandel der BMW AG war die EFTA nahezu in die Bedeutungslosig­ keit abgesunken, was vor allem durch den Beitritt Großbritanniens in die EWG 1973 verstärkt wurde. Demgemäß geben die Quellen für die zweite Hälfte der 1970er Jahre keine Auskunft über das Verkaufsgebiet der EFTA. Stattdessen wurden alle europäischen Nichtmitgliedsstaaten der EWG von der Verkaufs- und Marktforschungsabteilung unter „Resteuropa“ zusammen­ gefasst.179 BMW konnte den Motorradabsatz in der EWG im Vergleich zu der zwei­ ten Internationalisierungsphase deutlich ausbauen, in welcher der Handel in­ nerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraumes 1963 noch bei lediglich 55,8 bzw. 1965 bei 68,0 Prozent gelegen hatte. Besonders wichtige Länder waren Ende der 1970er Jahre Frankreich, aber auch große Motorradnationen wie Großbritannien und ab 1978 ebenso Italien. Bis 1979 waren auch die Nieder­

177 Die Angaben des Jahres 1980 enthalten nur die Monate Januar bis November. Dies ist der fragmentarischen Quellenlage geschuldet. Hierdurch kommt es zu einer leichten Verzerrung, da insbesondere in dem Monat Dezember bisweilen überdurch­ schnittlich viele Einheiten abgesetzt werden, falls der Hersteller die Absatzzahlen ­eines Jahres statistisch aufzubessern sucht. Da keine weiteren Quellen zum Motor­ radexport des Jahres 1980 vorliegen, wurden diese Zahlen dennoch in die Analyse ein­ bezogen. 178  Die Angaben des Jahres 1980 enthalten lediglich die Monate Januar bis November, vgl. MF-Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1. 179  Vgl. MF-Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1.

4.3.  Kurzer Exkurs: Beitrag der Motorradsparte zur Internationalisierung 449

lande und die Benelux-Staaten wichtige Abnehmer von Motorrädern der Marke BMW, was sich jedoch gegen Ende der dritten Internationalisierungs­ phase erneut zu ändern begann. Dort war die zweite Ölpreiskrise deutlicher im Segment hubraumstarker Maschinen zu spüren als in anderen Märkten. Außerhalb der EWG fiel der Zweiradverkauf in Europa nach Spanien beson­ ders hoch aus, der kontinuierlich ausgebaut werden konnte. Die ehemals wichtigen Märkte Österreich und Schweiz lagen zwar außerhalb der EWG noch immer auf dem zweiten und dritten Platz, verloren jedoch zusehends an Relevanz.180 Diese Entwicklung steht in einem ausgeprägten Kontrast zu den 1950er Jahren, in denen vor allem die Schweiz der wichtigste Markt für BMW-Motorräder war, für den sogar Sondereditionen hinsichtlich der La­ ckierung aufgelegt wurden (vgl. Kapitel 2.3.2). Zugleich spiegelte sich hierin die wachsende Bedeutung des gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraums EWG für Europa wider, der auf das Motorradgeschäft der BMW AG einen wesentlichen Einfluss hatte. Mit dem zunehmenden Automobilexport in nahezu sämtliche Regionen der Welt nahm die Bedeutung des BMW-Motoradsegmentes für die Interna­ tionalisierung des Unternehmens sukzessive ab. Den hubraumstarken Zwei­ rädern war in den 1950er und 1960er Jahren eine essentielle Rolle im Aus­ fuhrgeschäft zugekommen, da sie die Marke BMW weltweit vertraten und das Image, das bis in die Zwischenkriegszeit zurückreichte, in der Abwesen­ heit bzw. während des zunächst zögerlich betriebenen Ausbaus des Wagen­ exports aufrechterhielten. Insbesondere in den Regionen, in denen der PKWAbsatz noch immer gering ausfiel – wie etwa in Lateinamerika – kam BMWZweirädern auch in den 1970er Jahren die Aufgabe eines „Türöffners“ zu, der die BMW-Markenwerte in entlegene oder durch Handelshemmnisse nicht zugängliche Absatzmärkte tragen sollte. Imageseitig war allerdings das Motorrad für BMW auch in den absatzstarken Regionen, in denen die BMW AG vor allem über ihr Automobilprogramm vertreten war, während der 1970er Jahre nicht wegzudenken, wie das wiederholte Bekenntnis zum Zweiradgeschäft des BMW-Vorstands aufgezeigt hatte. Mit dem steigenden internationalen Wettbewerbsdruck hatte sich jedoch auch die Motorradspar­ te, vor allem gegenüber der japanischen Konkurrenz, neu zu positionieren, was beispielsweise durch die Markteinführung der BMW R 80 G/S im Jahre 1980 und der hiermit einhergehenden Etablierung einer neuen Nische zum Ausdruck kam. Nachdem die Umsätze aus dem Motorradgeschäft deutlich unter denen des Automobilsegmentes lagen, war auch in den 1970er Jahren die Relevanz des BMW-Motorrads nicht aus einem primär wirtschaftlich motivierten Interesse abzuleiten. Die Bedeutung des Zweirads für BMW hing noch immer stark mit dem positiven Image zusammen, das es seit 1923 mit dem Einstieg in den Motorradbau für das Unternehmen transportierte.

180 

Vgl. ebd.

450

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

4.4.  Modell- und Preispolitik Die Kapitel über die Modellpolitik während der ersten und zweiten Interna­ tionalisierungsphase haben gezeigt, wie wichtig das Produktportfolio für den Unternehmenserfolg war. Bereits in den ausgehenden 1950er Jahren war spä­ testens deutlich geworden, dass ein Fahrzeughersteller ohne eine internatio­ nale Ausrichtung nicht bestehen konnte. Die etlichen Insolvenzen ehemals erfolgreicher Automobil- als auch Zweiradhersteller hatten dies schmerzlich vor Augen geführt, worauf bereits detailliert im Rahmen der Abhandlungen über die erste und zweite Phase der Internationalisierung eingegangen wor­ den ist. Unter der Ägide des seit Jahresbeginn 1970 als Vorstandsvorsitzender der BMW AG agierenden von Kuenheim wurden alle Ressorts des Unterneh­ mens auf den Prüfstand gestellt. Im Fokus standen hierbei zunächst ineffi­ ziente und dadurch kostspielige Prozesse. Auch im Bereich der Fahrzeug­ entwicklung wurden die Abläufe strukturiert und angepasst. Eine wichtige Zäsur bildete die Einführung der noch heute gültigen Nomenklatur der BMW-Baureihen bei den Automobilbezeichnungen, die dem Kunden gegen­ über das Produktportfolio deutlich transparenter machte und somit ebenfalls als eine durchschlagende kommunikative Maßnahme zu werten ist. Auf sie und die näheren Hintergründe dieses Schrittes wird in Abschnitt 4.4.1 einge­ gangen. Bei der internationalen Expansion eines Unternehmens stellt sich die Fra­ ge, inwiefern das Angebot angepasst werden muss, um den marktspezifi­ schen Kundenwünschen Rechnung zu tragen. In der Regel beinhaltet hier eine hohe Diversifizierung, insbesondere bei einem komplexen Fertigungs­ grad, hohe Kosten und birgt zudem das Risiko, dass Markenwerte bzw. das Markenimage im Allgemeinen durch ein zu ausgedehntes Produktspektrum diffundieren. Diese Problematik ist in der Fahrzeugindustrie noch zutreffen­ der als etwa in der Lebensmittelindustrie oder bei anderen Verbrauchsgütern des täglichen Bedarfs, wo länderspezifische Variationen kostengünstiger um­ zusetzen sind. Die Automobilfertigung kann allerdings in der Produktion vom sogenannten Baukastensystem profitieren, das beispielsweise bei Daim­ ler-Benz bereits 1953 etabliert wurde, so dass ihre Modelle weltweit kosten­ günstiger gefertigt werden konnten.181 Bei BMW fand dieses Prinzip hinge­ gen wesentlich später Anwendung und setzte sich erst in den 1970er Jahren mehr und mehr durch. 1974 wurden dann bereits zahlreiche BMW-Modellund auch Motorenvarianten nach dem Baukastensystem aus vorhandenen Modellen kombiniert, so dass eine wirtschaftlichere und zugleich flexiblere Fertigung ermöglicht wurde.182

181 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 219. Protokoll Nr. 46/74 der Vorstandssitzung vom 19. 11. 1974, in: BMW UA 852/2. 182 Vgl.

4.4.  Modell- und Preispolitik

451

Im Herbst 1974 hatte bei BMW der Vorstand an den Fachbereich, der für die Erarbeitung der Unternehmensstrategie verantwortlich war, den Prüfungs­ auftrag erteilt, inwiefern die bestehende automobile Modellpallette reduziert werden konnte, die im Januar 1975 insgesamt 65 Modellvarianten umfasste. Diese Zahl war im Vergleich zu den Mitbewerbern allerdings gering, da bei­ spielsweise Daimler-Benz, bei nur zwei Grundtypen plus Coupé, 114 Modell­ varianten fertigte. Mit der Einführung der neuen Produktgeneration der BMW 5er Reihe visierte die Geschäftsleitung bis zum zweiten Halbjahr 1977 eine Reduzierung des Modellangebots auf 54 Varianten an. Eine darüber hin­ aus gehende Verringerung des Spektrums wurde indessen abgelehnt, da sich ein solcher Schritt nicht mit den Ansprüchen des Kundenkreises deckte: „Am Beispiel von Daimler Benz […] wird deutlich, dass gerade der exklusive Kun­ denkreis, den auch wir ansprechen wollen, auf die Erfüllung individueller Wünsche Wert legt.“183

Die Prüfung zur Reduzierung der Modellvarianten führt im Zusammenspiel mit dem obigen Zitat vor Augen, zwischen welchen Parametern sich die Modell­politik bewegte, die zugleich den wirtschaftlichen Anforderungen als auch den diversifizierenden Kundenansprüchen zu entsprechen hatte. Im Kontext der internationalen Ausrichtung, und somit auch der Internationa­ lisierung des Produktportfolios, wurde das Austarieren beider Pole umso wichtiger, als dass die Kundenwünsche, global betrachtet, noch weiter dif­ fundierten.184 Hinzu kamen notwendige landesspezifische Anpassungen, die durch gesetzliche Auflagen – beispielsweise aufgrund von unterschiedlicher Besteuerung, Sicherheits- oder Umweltaspekten – umgesetzt werden mussten, um überhaupt als Anbieter Zugang zu bestimmten Märkten zu erhalten oder um sich dort günstig positionieren zu können. Die Modellpolitik der BMW AG ging hier in den 1970er Jahren einen Mittelweg: Tarifären und nichttari­fären Bestimmungen wurden in der Entwicklung und dem Modellangebot Rechnung getragen. Die USA, hier vor allem der Bundesstaat Kalifornien, sowie Japan formulierten im Hinblick auf Sicherheit und Umwelt besonders hohe Auflagen, die somit aufgrund der hohen Relevanz dieser Märkte welt­ weit Standards für die Modellentwicklung setzten. Überdies sollten auch die landesspezifischen Kundenwünsche berücksichtigt werden, wobei diese 183 

Protokoll Nr. 46/74 der Vorstandssitzung vom 19. 11. 1974, in: ebd. Im Gegensatz hierzu steht die von VW lange Zeit verfolgte Ein-Produkt-Strategie, die mit dem VW Käfer weltweit große Erfolge erzielte. Ein solches Vorgehen ent­ sprach allerdings mehr einem Volumenhersteller wie VW als etwa einem Hersteller exklusiver Fahrzeuge. Dies wurde im Laufe der 1960er Jahre deutlich und so musste auch VW sein Produktangebot weiter ausbauen, vgl. Kleinschmidt, Der produktive Blick, S. 158; Kleinschmidt, Volkswagengemeinschaft, S. 23. Eine aktuelle betriebs­ wirtschaftliche empirische Studie über das Entwicklungsmanagement der deutschen Automobilindustrie bietet Becker, vgl. Becker, Wolfgang / Stock, Claudia: Strategi­ sches Entwicklungsmanagement. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in der deutschen Automobilwirtschaft, Bamberg 2004. 184 

452

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

umso mehr Gewicht erhielten, je mehr Potential dem Markt attestiert wur­ de. Demzufolge kam es bei BMW durchaus zu marktspezifischen Anpas­ sungen, die jedoch der zentralen Zustimmung des BMW-Vorstands bedurf­ ten. Die Entscheidungen für Modellmodifikationen wurden unter der Prä­ misse der Kosteneffizienz bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Gewinns für die Marke BMW getroffen: Produktanpassungen mussten mit dem welt­ weiten Image übereinstimmen und durften nicht signifikant abweichen. Diese Entscheidungsfindungen in der Modellpolitik lassen sich anhand des Fallbeispiels der südafrikanischen BMW-Tochter veranschaulichen und wer­ den in diesem Kontext genauer expliziert (vgl. Kapitel 5.4.3). Lokal be­ grenzte Modelle für einzelne Märkte wurden der gesamtunternehmerischen Produktstrategie der BMW AG folgend nicht gefertigt. Eine Ausnahme bil­ dete hier ­Südafrika, wo Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre ­eigene Modelle gefertigt wurden. Hierbei handelte es sich allerdings vielmehr um einen Kompromiss, der weniger auf die Marktbedürfnisse abzielte, sondern vielmehr eine Übergangslösung nach dem Kauf der Hans Glas GmbH dar­ stellte, die primär produktionstechnischen Aspekten geschuldet war und weniger den lokalen Kundenwünschen. Auch auf diesen Punkt wird detail­ liert in den Abschnitten 5.2 und 5.4.3 eingegangen. Darüber hinaus wurde 1986 mit dem BMW 333185 ein Sondermodell in geringer Stückzahl im Werk Rosslyn produziert, bei dem es sich jedoch um ein sogenanntes „U-BootProjekt“ handelte, also um ein Fahrzeug, das im südafrikanischen Werk ohne die ­explizite Genehmigung des BMW-Vorstands auf Initiative der lokalen Geschäftsleitung gefertigt wurde. In den folgenden Abschnitten soll die ­ Modellpolitik der BMW AG skizziert und die Bedeutung im Rahmen ihrer Internationalisierung unter­sucht werden. Der Fokus liegt hierbei auf dem Automobilprogramm, nachdem im Abschnitt 4.3 bereits einleitend die ­Motorradsparte und ihre Rolle für die Internationalisierung der BMW AG besprochen wurde. 4.4.1.  Das Automobilmodellprogramm Das PKW-Modellangebot der BMW AG hatte sich seit der Nachkriegszeit stark gewandelt, wie in den Kapiteln über die erste und zweite Internationa­ lisierungsphase bereits ausführlich berichtet wurde. Die Geschäftsleitung legte in den 1970er Jahren großen Wert darauf, das Produktspektrum gegen­ über dem Kunden so transparent und in sich konsistent wie möglich zu ge­ stalten. Während der 1960er Jahre hatte man sich von der Fertigung einer Kompaktklasse bzw. kleinerer Modelle verabschiedet und ließ das Modell­ programm nach unten mit der 02er Reihe abschließen. Zwar diskutierte der Vorstand 1974 die Idee, das Produktprogramm unterhalb der BMW 02er bzw.

185 

Vgl. Prospekt „BMW 333“, 01. 1986, in: BMW AK 1950/24.

4.4.  Modell- und Preispolitik

453

später der 3er Reihe zu ergänzen, verneinte letztlich jedoch ein solches Vor­ haben, da die erforderlichen Mittel die Finanzierungskräfte der Firma ent­ schieden überstiegen hätten. Des Weiteren bestand mit einer Kleinwagenklasse die Gefahr, „sich der direkten Konkurrenz der bekannten Massenhersteller auszusetzen.“186 Also hielt der Vorstand auch in den 1970er Jahren und nach­ folgenden Dekaden an diesem Entschluss fest. Erst 2004 brachte das Unter­ nehmen mit dem BMW 1er erneut einen Kleinwagen auf den Markt.187 Wäh­ rend der zweiten Internationalisierungsphase setzte man aber die automobile Produktpolitik der Mittel- und Oberklasse fort und ergänzte sie durch sport­ liche Highlights, wie etwa mit dem Hochleistungs-Coupé M1, das 1978 ­vorgestellt wurde.188 Fernerhin wurden auch während der dritten Internatio­ nalisierungsphase bestehende Kooperationen in der Fahrzeugentwicklung fortgesetzt oder Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit neuen internatio­ nalen Partnern eruiert. Ein Beispiel hierfür stellte das erwähnte Sportcoupé M1 dar, das vom Vorstand als Sondermodell mit einem Mittelmotor im ­Fe­bruar 1972 beschlossen und ein entsprechender Auftrag zur Entwicklung an die Firma Michelotti erteilt wurde, die bereits seit den 1950er Jahren für BMW tätig war.189 Der Wagen wurde zunächst als Sicherheitsstudie bzw. erste offizielle BMW-Designstudie zur Eröffnung des BMW-Museums aus­ gestellt und unter dem Namen „Turbo“ vermarktet.190 Das tatsächliche Ent­ wicklungsprojekt für den Serienwagen wurde indessen aufgrund der Öl­ preiskrise erst später wieder aufgenommen und ab 1975 zunächst in Zusam­ menarbeit mit Lamborghini geplant.191 Hier war ursprünglich vorgesehen, mit diesem Projekt so wenige Kapazitäten wie möglich bei der BMW AG zu binden, sowohl in der Entwicklung als auch in der Fertigung.192 Bereits 1971 hatten sich allerdings im Kontext der Studie BMW Turbo Schwierigkeiten hinsichtlich einer möglichen Kooperation mit Lamborghini ergeben, so dass der Auftrag an Michelotti ging. Im Dezember 1976 zeichneten sich abermals Probleme ab, da sich Lamborghini in einer finanziellen Schieflage befand,193 aufgrund derer die Zusammenarbeit erneut scheiterte. Das Projekt wurde letztlich unter der Ägide der BMW AG bzw. der unternehmenseigenen Toch­ 186 

Protokoll Nr. 6/74 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1974, in: BMW UA 852/1. Vgl. BMW AG, Alle Automobile, S. 40f. 188  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 348. 189 Vgl. Protokoll Nr. 5/72 der Vorstandssitzung vom 08. 02. 1972, in: BMW UA 801/1. 190  Vgl. Protokoll Nr. 15/72 der Vorstandssitzung vom 02. 05. 1972, in: ebd.; Proto­ koll Nr. 22/72 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1972, in: ebd. 191 Vgl. Protokoll Nr. 26/75 der Vorstandssitzung vom 30. 09. 1975, in: BMW UA 1333/1. 192 Vgl. Protokoll Nr. 36/76 der Vorstandssitzung vom 27. 10. 1976, in: BMW UA 1446/1. 193 Vgl. Protokoll Nr. 30/71 der Vorstandssitzung vom 09. 11. 1971, in: BMW UA 801/1; Protokoll Nr. 1/76 der Vorstandssitzung vom 13. 01. 1976, in: BMW UA 1446/1; Protokoll Nr. 41/76 der Vorstandssitzung vom 14. 12. 1976, in: ebd. 187 

454

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

tergesellschaft BMW Motorsport GmbH fortgeführt und mit dem langjähri­ gen Kooperationspartner Baur in Stuttgart zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.194 Die Projektversuche zeigten allerdings, dass BMW, wie in den vorangegangenen beiden Internationalisierungsphasen, noch immer in der Fahrzeugentwicklung ein starkes Interesse an Koopera­tionen internationalen Formats hatte, wobei die italienischen Designer besonders hervorzuheben waren (vgl. Kapitel 2.4.1). Von Kuenheim, der im Januar 1970 das Amt des BMW-Vorstandsvorsit­ zenden angetreten hatte, hinterfragte die Verkaufsbezeichnungen des Auto­ mobilprogramms im Vorfeld des für 1972 geplanten Anlaufs des Nachfolger­ modells der Neuen Klasse. Hierbei schwebte ihm eine intuitivere Lösung der Baureihenbezeichnungen vor und beauftragte das leitende Management, nach einer Alternative zu dem bisherigen Vorgehen zu suchen. Die bis dato ver­ wendeten Benennungen waren in sich zu inkonsistent und die Logik der 1960er Jahre bot kaum attraktive Möglichkeiten, die Typenbezeichnung von kleineren Modellen mit höherer Motorisierung nachvollziehbar umzusetzen. Dies wurde mit den neuen, für die 1970er Jahre geplanten Automobilmodel­ len zu einem aktuellen Problem. Im Zuge der Diskussionen um das neue Vorgehen kam es unternehmensintern auf Führungsebene, laut Aussagen des damaligen Vertriebsvorstands Lutz, zu hitzigen Auseinandersetzungen, ins­ besondere zwischen ihm und dem Großaktionär Quandt, der seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen suchte. Letztlich stimmten die Führungsgre­ mien jedoch Lutz’ Vorschlag zu, der wiederum auf den Anregungen des da­ maligen Inlandsvertriebsleiters Oskar Kolk basierte:195 „Alle neuen Modell[e] erhalten grundsätzlich dreistellige Zahlen-Kennzeichen. Die erste Kennziffer bezeichnet dabei die Modellreihe, die folgenden beiden Ziffern den Hubraum. Die E 21-Reihe erhält demnächst die Vorziffer 3, die E 12-Reihe die Vor­ ziffer 5 und die E 3-Nachfolger-Reihe entgegen der Anlage die Vorziffer 7, um auch hier eine Zwischenzahl frei zu haben. Das System ist unter allen Aspekten geprüft und ist nach einstimmiger Meinung des Vorstands als optimal anzusehen.“196

Somit wurde im Jahr 1972 die Baureihen-Nomenklatur beschlossen und mit dem Anlauf der BMW 5er Reihe (E 12), dem Nachfolger der Neuen Klasse, zeitnah eingeführt. Die neue Typenbezeichnung war nicht nur transparent, sondern international einfach nachzuvollziehen. Durch das simple Num­ mernsystem umging BMW ferner die Schwierigkeiten, mit denen sich andere Hersteller bei der Wahl eines Modellnamens konfrontiert sahen. Bekanntes Beispiel, das in den Medien große Wellen schlug, war die Benennung des Mitsubishi-Wagens Pajero, da der Begriff im Spanischen einem Schimpfwort

194 Vgl. Protokoll Nr. 33/77 der Vorstandssitzung vom 26. 10. 1977, in: BMW UA 1456/1; Protokoll Nr. 13/78 der Vorstandssitzung vom 18. 04. 1978, in: BMW UA 1448/1; Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 348. 195  Vgl. Lutz, Idole und Idioten, S. 58–62. 196  Protokoll Nr. 5/72 der Vorstandssitzung vom 08. 02. 1972, in: BMW UA 801/1.

4.4.  Modell- und Preispolitik

455

entsprach. Der Produktname trägt also wesentlich zum Erfolg – oder eben Misserfolg – eines Produktes in einem Markt bei, wie zahlreiche Beispiele in der Konsumgeschichte belegen.197 Durch die Einführung der Baureihen­ nomenklatur umging die BMW AG somit im internationalen Raum etwaigen sprachlichen sowie kulturellen Stolpersteinen. Unter dem Eindruck der ersten Ölpreiskrise diskutierte der Vorstand des Weiteren im Dezember 1973 Maßnahmen, den sich ändernden wirtschaft­ lichen Rahmenbedingungen nicht nur im Hinblick auf die geplanten Produk­ tionsvolumina Rechnung zu tragen, sondern stellte darüber hinaus auch Überlegungen an, das Produktprogramm im Sinne einer Modellreduzierung anzupassen.198 Nach erneuter Prüfung der Sachlage entschied er sich jedoch im Februar 1974 gegen Änderungen im BMW-Produktprogramm, das auch weiterhin aus drei Grundmodellen sowie einem Coupé bestehen sollte, so lange keine nachhaltige Einengung des Finanzierungsspielraumes eintrat, was in der Folge nicht geschah.199 Im September 1975 merkte der Vorstand im Kontext der nun wieder angestrebten weiteren Expansion innerhalb des Mo­ dellprogramms positiv an, dass das BMW-Produktspektrum genügend Raum für weiteres Wachstum ließ. Dies war bereits bei der Einführung der neuen Typenbezeichnungen bedacht worden, indem genügend Raum zwischen den einzelnen Baureihen gelassen wurde: „Die Untersuchungen zur bisherigen und künftigen Entwicklung führen zu dem Er­ gebnis, dass BMW – vor allem aufgrund des besonderen Produktprogramms – auch langfristig Wachstumsmöglichkeiten hat, wie sie für die Mehrzahl der Konkurrenten nicht mehr gegeben sind. Das Schwergewicht der Expansion wird im Export liegen.“200

Dieses Zitat führt abermals die zentrale Rolle des Auslandsgeschäfts vor ­Augen, das während der dritten Internationalisierungsphase für BMW noch weiter an Bedeutung zunahm. Demgemäß wurde aufgrund der guten Absatzlage im Oktober 1978 von der Geschäftsführung diskutiert, dass ­ Produktprogramm auf zusätzliche, stückzahlmäßig erfolgversprechende ­ Marktsegmente auszuweiten, hierbei allerdings unter allen Umständen die BMW-Identität zu wahren, wie es etwa mit der BMW 6er Reihe (E 24) oder aber auch dem M1 Coupé (E 26) der Fall war. Eine Ergänzung des Angebo­ tes in den unteren Klassen kam also noch immer nicht in Betracht, aufgrund des Charakters der Massenherstellung, der ihr anhaftete.201 Im Rahmen der 197  Vgl.

[o. V.] (1993): Frisch und kühl, in: Der SPIEGEL, Jg. 47, Nr. 32 vom 09. 08.  1993, S. 156f. 198 Vgl. Protokoll Nr. 33/73 der Vorstandssitzung vom 11. 12. 1973, in: BMW UA 851/1. 199 Vgl. Protokoll Nr. 6/74 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1974, in: BMW UA 852/1. 200  Protokoll Nr. 25/75 der Vorstandssitzung vom 23. 09. 1975, in: BMW UA 1333/1. 201 Vgl. Protokoll Nr. 34/78 der Vorstandssitzung vom 17. 10. 1978, in: BMW UA 1458/1.

456

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

langfristigen Unternehmensentwicklung der BMW AG diskutierte der Vor­ stand im Juni 1981 abermals eine Ausweitung des Produktprogramms im Kontext einer offensiven Strategie zur Erschließung neuer Märkte durch progressive Projekte. Hierfür würden allerdings laut BMW-Vorstand neue Ressourcen mobilisiert werden müssen: „Die technische Progressivität muss sich in unserem Produktprogramm wieder stär­ ker durchsetzen[,] als das heute der Fall ist. Wenn wir auf diesem Gebiet von den Massenherstellern überholt werden, ist das gesamte ‚BMW Image-Gebäude‘ in Gefahr.“202

Die Produktpolitik hatte also stets das Image von BMW widerzuspiegeln, wo­ rauf bei der Fahrzeugentwicklung akribisch geachtet wurde. Die 1950er Jahre hatten gezeigt, wie negativ sich eine von den ursprünglichen Markenwerten abwendende Modellpolitik auswirken konnte. Die in dem Zitat angeführte Progressivität, die zugleich die BMW-Identität wahren sollte, konnte nicht einzig durch das Erschließen neuer Segmente erreicht werden, denn auch im Rahmen des bestehenden Modellspektrums war es möglich, innovative Lö­ sungen anzubieten. Dies bewies der Münchner Hersteller beispielsweise 1987, als er den BMW 7er mit einem V12-Motor in Serie brachte; über 50 Jahre hatte es in Deutschland keinen solchen Motor gegeben, wodurch ein progres­ sives Projekt im Rahmen der existierenden Baureihen zum Abschluss kam.203 Im September 1981 und damit am Ende des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Arbeit führte der Vorstand eine Grundsatzdiskussion zur BMW-Produktpolitik und formulierte folgende Prioritäten, die bei der künfti­ gen Ausgestaltung des Portfolios Vorrang haben sollten: 1. Es sollten so schnell wie möglich moderne, verbrauchsgünstige Benzinmotoren in Serie gebracht werden. Hierfür schien damals der eta-Motor als das geeignetste Konzept.204 Darüber hinaus sollte 2. BMW in das Dieselmotorengeschäft einsteigen, das nach Auffassung der Experten in den kommenden Jahren sich beträchtlich ausweiten würde. Als 3. Punkt sah der Vorstand die Schaffung preisgünstiger Einstiegsmodelle für das BMW-Programm vor, da viele potentielle Käufer nicht zur Marke BMW fanden, da der Einstiegspreis noch zu hoch war. Um auch künftig das BMW-Image in Bezug auf Sportlichkeit deutlich unterstrei­ chen zu können, sollten als 4. Maßnahme für jede Baureihe Hochleistungs­ 202 

Protokoll Nr. 21/81 der Vorstandssitzung vom 30. 06. 1981, in: BMW UA 1435/1. Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 350. 204  Der Name leitete sich von dem griechischen Buchstaben ab, mit dem von Ingeni­ euren der Wirkungsgrad bezeichnet wurde. Dieses Motorenkonzept wurde unter der Maxime entwickelt, dass das Gemisch im Brennraum sehr hoch verdichtet wird und zusätzlich möglichst reibungsarm laufen sollte, was niedrige Drehzahlen erforderte. Um dennoch die BMW entsprechende hohe Leistung zu erzielen, wurde der Motor von Anbeginn für ein größeres Hubvolumen konzipiert. Der eta-Motor wurde mit einem Hubraum von 2,7 Litern realisiert, der laut Grunert etwa zehn bis 15 Prozent geringere Verbrauchswerte aufwies als beim Serien-Zweilitermotor, vgl. Grunert/Trie­ bel, Das Unternehmen BMW, S. 238. 203 

4.4.  Modell- und Preispolitik

457

varianten entwickelt werden. Des Weiteren diskutierte der Vorstand 5. einen Zweistufenplan für die Absicherung der BMW 7er Reihe. Um überdies den BMW-Absatz in denjenigen Ländern mit schlechten Kraftstoffmischungen weiterhin gewährleisten zu können, sollte 6. hierfür motorseitig eine Lösung gefunden werden, da die aktuellen Motoren aufgrund des anvisierten stetig sinkenden Kraftstoffverbrauchs immer höher verdichteten, was bei einem Kraftstoff von niederer Qualität zu Problemen führte.205 Hier drohte der Ver­ lust derjenigen Länder, in denen Kraftstoffe minderer Qualität dominierten, wobei es sich gerade hier oftmals um Märkte mit großem Wachstumspotential handelte. 7. Sollte das Grundvariantenprogramm des Modellspektrums um Cabrio-Varianten erweitert werden und somit das Produktportfolio als Gan­ zes doch erweitert werden. Als 8. Punkt wurde eine Zusatzvariante für die BMW 3er Reihe diskutiert, die als BMW 4er vermarktet werden sollte; ein Vorhaben, das tatsächlich erst 2013 realisiert wurde, allerdings brachte der Münchner Hersteller bereits 1994 mit dem BMW 3er Compact (E 36) eine neue Modellvariante auf den Markt.206 Als letzten Punkt visierte der Vorstand für die Zukunft eine stärkere Berücksichtigung von Teilmärkten an, wie etwa Fahrzeuge für den Gasbetrieb, Fahrschulpakete, Allradantrieb usf. Das hier angeführte Acht-Punkte-Programm stellte eine Prioritätenliste für die Serien­ entwicklung dar, die von verschiedenen Abteilungen unter der Ägide des Vor­ stands diskutiert und nach 1981 umgesetzt werden sollte.207 Tabelle 50 zeigt, dass sich die in den 1960er Jahren gebildete Absatzstruk­ tur innerhalb des Modellprogramms in dem darauffolgenden Jahrzehnt fort­ setze. Auch hier stieg der Gewinn pro Fahrzeug mit seiner Exklusivität, die Margen waren also bei der 02er Reihe bzw. später der 3er Reihe geringer als bei den Großwagen bzw. dem BMW 7er. Mit der Eröffnung der neuen ­Produktionsanlagen und Gebäudekomplexe im Werk Dingolfing, die in die Zeit der ersten Ölpreis­krise fiel und somit in den Medien mit kritischer Ver­ wunderung diskutiert wurde,208 stiegen die dort produzierten Volumina stetig an. Bereits 1976 wurden knapp unter 100 000 Einheiten in Ostbayern gefertigt und 1982 überstiegen die Kontingente erstmals die des Münchner Stammwer­ kes.209 205  Laut

einer Statistik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) blieb der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch von Otto-Motoren zwischen 1971 und 1981 etwa gleich, allerdings nahm ihre durchschnittliche Motorleistung parallel in demselben Zeitraum um 13 kW zu, womit der Verbrauch faktisch pro kW sank. Ge­ messen wurden die Fahrleistungen deutscher und ausländischer Fahrzeuge auf dem Straßennetz der Bundesrepublik Deutschland, vgl. Bundesminister für Verkehr, Ver­ kehr in Zahlen, S. 271. 206  Vgl. BMW AG, Alle Automobile, S. 51. 207  Vgl. Aktennotiz „Grundsatzdiskussion im Vorstand zur BMW Produktpolitik am 28. 09. 1981“ vom 25. 09. 1981, in: BMW UA 1444/1. 208 Vgl. [o. V.] (1974): „Dann sind wir tot“, in: Der SPIEGEL, Jg. 28, Nr. 10 vom 04. 03. 1974, S. 42–55. 209  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

458 1971 02er ­Reihe Neue Klasse Groß– wagen 3er Reihe 5er Reihe 6er Reihe 7er Reihe M1 PKW ­gesamt

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung 1972

1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

1980

1981

110 769 125 122 105 790 115 918

79 458

32 115

9 243









19 122

1 231

1 492

756















34 811

43 610

41 757

18 820

17 706

17 874

2 185









– – – – 43 349 130 821 166 758 183 377 188 809 206 326 228 832 – 12 895 48 407 53 471 82 948 89 277 86 314 96 133 106 321 92 869 87 126 – – – – 17 4 916 5 781 5 597 6 729 6 628 5 652 – – – – – 19 19 956 35 745 35 122 35 070 29 841 – – – – – – 29 115 251 55 – 164 702 182 858 197 446 188 965 223 478 275 022 290 237 320 881 337 096 341 144 351 506

Tabelle 50: PKW-Produktionszahlen inkl. Teilesätze der BMW AG nach Fahrzeugsegmenten, 1971–1981.210

  210  Die Zahlen aus Tabelle 50 zeigen, dass die Automobilproduktion der BMW AG 1974 mit einem Rückgang des Gesamtproduktionsvolumens um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig von der ersten Ölpreis­ krise negativ beeinflusst wurde. Bereits 1975 stieg das PKW-Volumen auf den neuen Rekord von 223 478 Einheiten an. Von dem zweiten Ölpreis­ schock ging sogar gar kein quantitativ messbarer Einfluss aus, stattdessen nahm die Produktion 1980 gegenüber dem Vorjahr leicht um 1,2 Prozent zu. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass das Fertigungsvolu­ men lediglich eine Kenngröße darstellt, denn wie bereits besprochen wurde, machte sich die erste Ölpreiskrise, gemessen am Absatz, durchaus bemerk­ bar, der 1974 fünf Prozent unter den Vorjahreswerten lag. Auch die Lagerbe­ stände im Werk sowie bei den Importeuren und Händlern wuchsen als Folge an. Zur Jahresmitte 1974 schätzte der BMW-Vorstand diese bereits auf 50 000 Einheiten, der die Mehrzahl der Handelsbetriebe in Liquiditätsschwierigkei­ ten zu bringen drohte, wenn sich diese Entwicklung fortsetzte. Ferner wurde auch in den Werkslagern München-Freimann und Dingolfing gegen Jahres­ ende der Platz knapp. Dennoch waren die Auswirkungen, die die wirtschafts­ politischen Ereignisse 1973/74 auf die BMW AG hatten, wesentlich geringer als bei anderen deutschen Automobilherstellern.211 210  Vgl. ebd. Die Zahlenangaben für die Jahre 1978 bis 1981 weichen leicht von den Produktionszahlen ab, die ansonsten in dieser Arbeit verwendeten werden, da der BMW M1 in Kooperation mit der Firma Baur teilweise in Stuttgart gefertigt wurde. Eine weitere Abweichung von 2 180 Einheiten ist für das Jahr 1975 zu verzeichnen, die unterschiedlichen Aussagen der Quellen geschuldet ist. Um einen Überblick zu den Stückzahlen der einzelnen BMW-Baureihen zu erhalten, wurde in dieser Auf­ stellung die Abweichung toleriert, da sie lediglich das Jahr 1975 betreffen und sich in einem tolerierbaren Ausmaß bewegen. 211  Vgl. Triebel, BMW während Rezession 1966/67 und Ölkrise 1973/74, S. 132.

4.4.  Modell- und Preispolitik

459

Abbildung 37: Auswirkungen der ersten Ölpreiskrise, 1974 212

Die beiden Ölpreiskrisen lösten überdies, wie bereits expliziert wurde, weltweit ein Umdenken aus und zwangen die Automobilindustrie dazu, sich benzinsparenden und, sich hieran zeitverzögernd anschließend, ebenso um­ weltschonenderen Verfahren zuzuwenden, die in den späten 1970er und vor allem 1980er Jahren in der Fahrzeugentwicklung Niederschlag fanden, auch bei der BMW AG. Die hier abgebildete Karikatur aus einem Leitartikel des Nachrichtenmagazins Der SPIEGEL greift dieses Umdenken auf und deutet den Trend zu kleineren, spritsparenden Wagen an. Bei BMW als Anbieter von Premiumfahrzeugen kam diese Tendenz allerdings nicht durch eine strukturelle Umverteilung des Modellprogramms zum Ausdruck: Die untere Mittelklasse war bereits vor den beiden Energiekrisen die Klasse mit den meisten Stückzahlen und auch die obere Mittelklasse verkaufte sich weiter­ hin gut. Selbst die Nachfrage nach den Großwagen konnte weiter ausgebaut werden, wobei die Vermutung naheliegt, dass sich die Käufer dieser Fahrzeu­ ge weitaus weniger von den Krisen tangiert sahen als die Käuferschichten, die ihre Nachfrage vermehrt bei den Volumenherstellern befriedigten. Die Automobilbranche fürchtete allerdings aufgrund der gestiegenen Unterhalts­ kosten, dass die Zweitanschaffung eines Fahrzeugs hinausgezögert und hier­ durch der Absatz von Neufahrzeugen gedrosselt werden würde.213 Die Gesamtproduktion von BMW-Wagen konnte während der 1970er Jahre entscheidend ausgebaut werden. Wie schon in der zweiten Internatio­ nalisierungsphase stellte die untere Mittelklasse, also die 02er und später die 212  [o. V.]

(1974): „Dann sind wir tot“, in: Der SPIEGEL, Jg. 28, Nr. 10 vom 04. 03.  1974, S. 42–55, hier S. 55. 213  Vgl. ebd., hier S. 55.

460

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

3er Reihe, das größte Produktionsvolumen, das zwischenzeitlich etwa ­doppelt so hoch wie das der oberen Mittelklasse, der 5er Reihe, war. Relativ ­betrachtet, sank der Anteil der Großwagen an der Gesamtstückzahl, jedoch stiegen zugleich die durch sie erwirtschafteten Gewinne. Gegen Mitte der Dekade löste BMW sukzessive die in den 1960er Jahren entstandenen ­Coupés und Limousinen der Oberklasse durch modernere Nachfolger ab und bildete hierfür eine eigene Baureihe. Während die Coupés der Oberklasse in der zweiten Phase der Internationalisierung unter den Großwagen subsumiert wurden, stellten sie in der dritten Phase eine eigene Subklasse mit entspre­ chender Bezeichnung – BMW 6er Reihe (E 24) – dar, was die Transparenz gegenüber dem Kunden im In- und Ausland weiter erhöhte. Für die Bestü­ ckung der Montage im Ausland wurde vorrangig der BMW 5er als Teilesatz gefertigt und geliefert, wie in Kapitel 4.5.2.1 erläutert und in der dort enthal­ tenen Tabelle 53 ersichtlich wird. Nach der BMW 5er Baureihe bestand nicht nur eine hohe Nachfrage, sondern hier lag auch die Fahrzeugrendite höher, als es bei der BMW 3er Reihe der Fall war, worauf ebenfalls näher in dem Abschnitt über die Montage der BMW AG während der dritten Internatio­ nalisierungsphase eingegangen wird (vgl. Kapitel 4.5.2.1). Alle BMW-Modellreihen waren an der günstigen Entwicklung im Export­ geschäft der BMW AG in den 1970er Jahren beteiligt. Gegen Jahrzehntende steigerte die BMW 5er Reihe ihren Klassenanteil gegenüber anderen Herstel­ lerprodukten überproportional in den wichtigsten Exportländern, ähnlich verhielten sich auch die Anteile der BMW 6er und 7er Reihe, die seit 1978, also kurz nach ihrer Einführung, die in Europa meistgekauften Fahrzeuge ihrer Klassen waren.214 Je nach Exportland konnte dies natürlich variieren, nicht zuletzt aufgrund nicht-tarifärer Handelshemmnisse. So dominierte etwa in Italien, das zum Ende der dritten Internationalisierungsphase nach den USA der wichtigste Auslandsmarkt für BMW-Automobile war,215 aus steuerlichen Gründen die 3er Reihe gegenüber den größeren BMW-Baurei­ hen.216 In dem folgenden Abschnitt 4.4.1.1 soll erläutert werden, inwiefern das Produktportfolio für das Exportgeschäft angepasst wurde, um den lan­ desspezifischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und das Ausfuhrgeschäft noch weiter auszubauen. 4.4.1.1.  Marktspezifische Modellmodifikationen als wichtiges Instrument Einleitend wurde zu der Modellpolitik in Abschnitt 4.4 bereits darauf hinge­ wiesen, dass sich Automobilhersteller in der Fahrzeugentwicklung nicht nur 214  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 215  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10. 216  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1978, 1979, in: BMW UU 220/10.

4.4.  Modell- und Preispolitik

461

nach den Kundenwünschen zu richten, sondern ebenso länderspezifische Vorgaben zu beachten hatten. Dies alles musste unter der Prämisse der Wirt­ schaftlichkeit erfolgen, da eine Vielzahl unterschiedlicher Modellvarianten, zwischen denen möglicherweise kaum Synergieeffekte bestanden, sehr teuer sowohl in der Entwicklung, Fertigung als auch hinsichtlich des administra­ tiven Aufwands waren. Bereits 1970 gab BMW-Entwicklungsvorstand Oss­ wald gegenüber dem Aufsichtsrat zu bedenken, dass die Erfüllung von Si­ cherheitsvorschriften und ähnlicher Auflagen einen laufend steigenden Kos­ tenaufwand in der Fahrzeugentwicklung verursachte.217 Wie einleitend zur Modellpolitik erörtert, hatte der BMW-Vorstand im Herbst 1974 unterneh­ mensintern prüfen lassen, inwiefern eine Reduzierung der Modellvarianten möglich und zweckmäßig sei. Letztlich wurde im Hinblick auf den exklu­ siven BMW-Käuferkreis entschieden, keine überplanmäßigen Reduzierungen des Produktspektrums vorzunehmen. In Bezug auf die länderspezifische Modellvielfalt, die sich aus den Kundenwünschen, vor allem aber aus den ­tarifären und nicht-tarifären Marktanforderungen ergaben, diskutierte der Vorstand im Mai 1976 erneut eine Verschlankung des Angebots unter beson­ derer Berücksichtigung der Länderausführungen Japan, Australien, Schwe­ den sowie Südafrika. Nach Abstimmungsgesprächen mit dem Vertrieb, der Entwicklung und den Importeuren wurde in der unternehmensinternen Stra­ tegieabteilung eine Empfehlung für das Modellprogramm in den genannten Märkten ausgearbeitet. Auf dieser Grundlage wurde festgelegt, dass zwi­ schen Ende 1975 und dem Jahresende 1976 eine Reduzierung der Länderaus­ führungen von 50 auf 25 Modelle erzielt werden sollte. Ferner entschied der Vorstand, dass diese Modellpalette in das Modellhandbuch aufgenommen werden sollte.218 Im Frühjahr 1978 wurde ferner ein neues aerodynamisches Forschungs- und Entwicklungszentrum in München in Betrieb genommen, das nicht nur für die Optimierung der Fahrzeugaerodynamik wichtig war, sondern auch bei der Abstimmung von Heizungs-, Lüftungs- und Klima­ aggregaten auf die unterschiedlichsten Anforderungen der Exportmärkte.219 Marktspezifische Modifikationen hatten darüber hinaus Auswirkungen auf die Zulieferindustrie, die durch die Just-in-time-Produktion besonders hohe Anforderungen an die Logistik stellten: „Zu sich ändernden Marktgegebenheiten treten die Forderung nachsteigender Typenund Ausstattungsvielfalt sowie zahllose länderspezifische Auflagen. Dem haben Liefe­ ranten und Fertigung Rechnung zu tragen. Dies gelingt in steigendem Maße durch den Einsatz komplexer logistischer Systeme auf den Gebieten der Materialdisposition sowie der Kundenauftrags- und Fertigungssteuerung. Bei BMW wurde der Material­

217 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 04. 09. 1970, in: BMW UA 806/2. Protokoll Nr. 20/76 der Vorstandssitzung vom 25. 05. 1976, in: BMW UA 1446/1. 219  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10. 218 Vgl.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

fluss im Berichtsjahr weiter optimiert; das betraf Verfahren der Materialbereitstellung und der Automatisierung von Lager- und Transportsystemen.“220

Je höher also die Anpassungen des Modellangebots für die ausländischen Märkte war, desto höher lag auch der hiermit verbundene Kostenaufwand: sowohl in der Entwicklung, Logistik, Produktion als auch im Vertrieb und Verwaltungsaufwand. Als Schlussfolgerung hieraus stellte die Geschäftslei­ tung fest, dass mit diesen Modifikationen zurückhaltend verfahren werden musste und sie nur dort eingesetzt werden sollten, wo sich die Kosten amorti­ sierten oder aber sie im Rahmen der langfristigen Vertriebsstrategie der wach­ senden Bedeutung eines Marktes und seiner Erschließung Rechnung trugen. Wie bereits in den Ausführungen über die erste Internationalisierungspha­ se expliziert wurde, stellte in der Regel das Fehlen von Rechtslenkermodellen in Märkten mit Linksverkehr ein entscheidendes Hindernis bei dem Ausbau des dortigen Ausfuhrgeschäftes dar. Die BMW Isetta war damals das erste Baumuster von BMW gewesen, von dem in nennenswerten Stückzahlen Rechtslenkervarianten – insbesondere für die Montage im Ausland – gefer­ tigt worden waren. Mit wachsendem Kapitalvolumen stiegen auch die Mög­ lichkeiten der BMW AG, Investitionen zum Ausbau solcher Modellvariatio­ nen zu tätigen. 1964 waren erstmals Rechtslenker in Japan verfügbar gewesen,221 doch von einer großflächigen Umstellung konnte noch nicht die Rede sein. Das mangelnde Angebot von Rechtslenkern behinderte somit nachhaltig den Absatz in den Märkten mit Linksverkehr, auch wenn in den 1970er Jahren die Fertigung von Rechtslenkern gegenüber der zweiten Inter­ nationalisierungsphase deutlich zunahm.222 Im Beispiel von Japan wurde erst mit der Gründung der dortigen Vertriebsgesellschaft 1981 das Modellspekt­ rum um Rechtslenkervarianten ergänzt, doch erst im Februar 1985 wurden tatsächlich sämtliche Modelle dort mit Rechtslenkung angeboten.223 Obgleich die oben angeführten Bemühungen der Geschäftsführung vermu­ ten lassen, dass das Modellprogramm stetig reduziert wurde, kam es im Ge­ gensatz aufgrund der beständig wachsenden Bedeutung des Exportgeschäftes zu einer immer stärker ausgeprägten Variabilität des Modellprogramms. Im Jahre 1976 wurden 87 verschiedene Modelle in insgesamt 125 Länder weltweit geliefert. Hierunter waren 60 spezielle Exportausführungen, die „durch divergierende nationale Zulassungsvorschriften erzwungen waren.“224 Die Tona­ 220 Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 221 Vgl. Aktennotiz „Besprechung mit Herrn Yamada, Balcom Trading, in Tokyo“ vom 29. 04. 1964, in: BMW UA 514/1. 222  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 223  Vgl. Becker, Helmut (1985): Mit „echter deutscher Motorkraft“. Graue Autoim­ porte machen deutschen Firmen das Leben schwer, in: DIE ZEIT, Jg. 40, Nr. 51 vom 13. 12. 1985. 224 Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10.

4.4.  Modell- und Preispolitik

463

lität des Geschäftsberichtes zeigt hier deutlich, dass diese mit dem Export einhergehenden Anforderungen an das Modellprogramm durchaus als unter­ nehmerische Belastung wahrgenommen wurden. Insbesondere nicht-tarifäre Bestimmungen beeinflussten in den 1970er Jahren das PKW-Produktportfo­ lio maßgeblich, hierunter die Abgasgesetzgebung in besonderem Maße. Nach Aussagen des damaligen Leiters der Exportabteilung Winkler wurde 1975 beispielsweise die „wirtschaftlich mögliche Japan-Modellpalette […] nahezu ausschließlich von der Abgasgesetzgebung bestimmt“.225 Ähnlich verhielt es sich mit der Fahrzeugentwicklung in den USA, wo ebenfalls strenge Um­ weltvorschriften vorherrschten. Im Geschäftsjahr 1974 war in den USA bei­ spielsweise, speziell nach den US-amerikanischen Vorgaben, der Sechszylin­ dermotor des BMW 530i entwickelt worden. Aufgrund neuer Bestimmungen wurden für diesen allerdings in demselben Jahr technische Zusatzeinrichtun­ gen notwendig, die nicht ohne Auswirkungen auf die Motorleistung blieben, und somit das Aggregat nur noch mit der Leistung des auf den übrigen Märkten vorgestellten BMW 528 zu vergleichen war.226 Über die notwen­ digen Anpassungen an die verschiedenen nicht-tarifären Markterfordernisse, vor allem in den Bereichen Umwelt und Sicherheit, wurde demgemäß be­ ständig während der 1970er Jahre in den Geschäftsberichten der BMW AG geschrieben. Auch die detaillierten Ausführungen der Jahresberichte des VDA spiegelten diese Entwicklungen wider und wurden nicht müde, hierbei insbesondere die Belastungen von tarifären sowie nicht-tarifären Hemmnis­ sen für die Hersteller hervorzuheben. Darüber hinaus förderten insbesondere strenge Umweltauflagen die Absatzmöglichkeiten von sogenannten Grau­ importen, das heißt derjenigen importierten Fahrzeuge, die nicht über das lokale Händlernetzwerk bzw. den Importeur verkauft wurden. Grauimporte waren also für die lokale Handelsorganisation geschäftsschädigend. In den 1980er Jahren stellten sie etwa in Japan die Automobilimporteure herstel­ lerübergreifend zunehmend vor Probleme, da dort von staatlicher Seite im Laufe der 1970er Jahre das System autorisierter und exklusiver ­Importeure abgeschafft wurde und somit die inoffiziellen Importe quasi legal waren.227 Die an ihnen vorbei eingeführten Grauimporte verfügten oftmals über eine höhere Motorleistung, als es die gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen von ­Ab­gasvorgaben bei den offiziell eingeführten Fahrzeugen erlaubten. Auch Daimler-Benz und BMW waren von den Einflüssen des sogenannten „grauen Marktes“ betroffen. 1981 handelte es sich bei jedem fünften zugelassenen 225  Besprechungsprotokoll

zwischen leitenden Angestellten des Vertriebsressorts der BMW AG und dem Geschäftsführer des japanischen BMW-Generalimporteurs Bal­ com Trading, Fernandes, vom 12. 09. 75, in: BMW UA 1812/1. 226  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1974, 1975, in: BMW UU 202/10. 227  Vgl. Becker, Helmut (1985): Mit „echter deutscher Motorkraft“. Graue Autoim­ porte machen deutschen Firmen das Leben schwer, in: DIE ZEIT, Jg. 40, Nr. 51 vom 13. 12. 1985.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

BMW-Wagen in Japan um einen solchen Grauimport.228 Diese konnten dem Image einer Marke Schaden zufügen, da für sie nicht derselbe Service und Qualitätsstandard galt, wie bei regulär eingeführten Fahrzeugen. Dies galt ebenso für die BMW-Grauimporte, wie der Geschäftsführer der BMW Japan Corp. Paysen in einem Interview 1984 schilderte: „Many grey importers are likely to be incapable of maintaining the performance of the cars they bring in and we are worried if that may lead to the down-grading of the BMW image.“229

BMW reagierte in Japan mit einer verstärkten Modelloffensive, die das Pro­ duktangebot attraktiver machen und dadurch den Wettbewerbsvorteil der inoffiziellen Importfirmen nivellieren sollte. Des Weiteren wurde die Lob­ byarbeit verstärkt, um eine staatliche Regulierung der Grauimporte zu er­ wirken.230 BMW versuchte, wie andere Automobilhersteller auch, in der Fahrzeug­ entwicklung im Hinblick auf die nicht-tarifären Bestimmungen Synergien innerhalb des Modellspektrums zu bilden. Als Beispiel können bei dem Münchner Hersteller vor allem die Märkte USA, Schweden und Japan gelten, die während des Untersuchungszeitraums international die strengsten Aufla­ gen erhoben. Da die USA weltweit lange Zeit die höchsten Anforderungen formulierte, denen nachzukommen war, insofern die ausländischen Herstel­ ler nicht den Zugang zu dem wichtigsten Automobilmarkt der Welt verlieren wollten, waren die US-Modelle innerhalb des Angebotsspektrums zumeist die technologisch am weitesten nach diesen Vorgaben ausgerichteten Varian­ ten. Laut Vorstand und Aufsichtsrat der BMW AG konnte manch kurzfris­ tige staatliche Vorgabe nur „mit einem erheblichen Entwicklungsaufwand“ termingerecht umgesetzt werden.231 Diese strengen US-Vorschriften bzw. diese an den USA ausgerichtete Modellpolitik führte dazu, dass die meisten Hersteller ihre US-Modelle ebenfalls in andere Länder der Welt exportierten, die ähnlich hohe Standards hinsichtlich Umwelt oder Sicherheit forderten. Durch diese Synergieeffekte versuchten die Hersteller, ihre Entwicklungs­ kosten zu reduzieren. Dies führte dazu, dass bis Mitte der 1970er Jahre die Automobilproduzenten, hierunter auch BMW, nach Japan vornehmlich Au­ tos mit US-Ausstattung bzw. für den US-Markt abgestimmte Modelle im­ portierten.232 Sondermodelle, die einzig für einen einzelnen Markt entwickelt und nur dort verkauft wurden, gab es in der Regel bei BMW nicht und blie­ ben die Ausnahme; wie etwa der BMW 333 aus den Jahren 1985/1986, der 228 

Vgl. Market and Dealer Network Study, 1981–1982, in: BMW UA 1826/1. Pressespiegel Japan 1984, in: BMW UA 1813/1. 230  Vgl. Becker, Helmut (1985): Mit „echter deutscher Motorkraft“. Graue Autoim­ porte machen deutschen Firmen das Leben schwer, in: DIE ZEIT, Jg. 40, Nr. 51 vom 13. 12. 1985. 231  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 07. 03. 1974, in: BMW UA 1271/2. 232 Vgl. Besprechungsnotiz zur Besprechung der Entwicklungsabteilung (EP) der BMW AG vom 18. 06. 1975, in: BMW UA 1812/1. 229 

4.4.  Modell- und Preispolitik

465

nur in Südafrika gefertigt und eingeführt wurde.233 Neben den US- wurden überdies auch einige Schweden-Versionen nach Japan geliefert.234 Dies funk­ tionierte allerdings nur solange, wie Japan nicht nur die USA als führende Automobilnation ablöste, sondern auch weltweit führend wurde hinsichtlich der ambitioniertesten Umweltauflagen und dadurch die strengste Gesetzge­ bung in diesem Bereich aufwies. „Die ersten sehr unvollständigen japanischen Abgasgesetze erreichten uns im Mai 1974. Zudem wurde der NOx-Standard seit dieser Zeit zweimal geändert. Die Abgas­ entwicklung hatte sich nun mit einem Mal nicht mehr wie all die Jahre zuvor an USA [sic!] zu orientieren[,] sondern musste sich völlig unvorbereitet auf Japan als Welt Vorreiter [sic!] auf dem Abgasgebiet einstellen. Selbst von den überaus hart drängen­ den Amerikanern wird in einer Zeit des politischen Hochs für alle Aktivitäten auf dem Umweltschutzsektor eine Mindestentwicklungszeit von 3–4 Jahren zugestanden. In Japan stehen uns knapp 1 bzw. 2 Jahre zur Verfügung.“235

Zwar gab es auch hier seitens der japanischen Regierung gewisse Aufschübe von Fristen, jedoch machte sie gegenüber den Herstellern deutlich, dass das Geflecht nicht-tarifärer Handelshemmnisse dichter wurde.236 Neben Japan, den USA und Schweden stellte auch Australien hohe Anforderungen im Hinblick auf die Sicherheit der Fahrzeuge, die eigene Länderversionen erfor­ derlich machten bzw. das automobile Programm auf einige wenige Modelle eingrenzte. Dies stellte das Unternehmen vor die Entscheidung, inwiefern bei kleinen Märkten, gemessen am Absatzvolumen, die vergleichsweise hohen Kostenaufwände für Spezialentwicklungen in Kauf genommen werden soll­ ten, um den Zugang zu diesen Ländern nicht zu verlieren.237 Nach Einschät­ zung der Geschäftsleitung war Australien für BMW zu diesem Zeitpunkt ein Markt mit vergleichsweise begrenzten Absatzmöglichkeiten (vgl. Kapitel 4.5.3), obgleich Australien ein Land mit hoher Kraft­wagendichte war, das an sich gute Chancen für eine Steigerung des Verkaufs geboten hätte. Zwischen 1975 und 1982 stieg dort die PKW-Dichte rasant von 32,0 auf 2,5 Einwohner pro Kraftwagen.238 Dieser hohen Dichte zum Trotz teilten auch weitere deutsche Automobilhersteller die Einschätzung, dass die Kosten für den aus­ tralischen Markt sehr hoch waren und so ließ sich beobachten, dass 1980 von der deutschen Automobilindustrie keine PKW-Montagefertigung in Austra­ 233 Vgl.

Prospekt „BMW 333“, 01. 1986, in: BMW AK 1950/24. Sondermodelle im Sinne einer Limited Edition, spezieller Sonderausstattungen oder Lackierungen sind hiervon natürlich ausgenommen, die durchaus vorkommen konnten. 234 Vgl. Protokoll Nr. 21/75 der Vorstandssitzung vom 22. 07. 1975, in: BMW UA 1333/1; Japan-Modelle 1975/76, 1975, in: BMW UA 1827/1. 235  Aktennotiz „Auswirkungen der japanischen Abgasgesetzgebung auf BMW“ vom 19. 02. 1975, in: ebd. 236  Vgl. Protokoll „Japan-Situation – Modellplanung“ vom 11. 03. 1975, in: ebd. 237  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 07. 1971, in: BMW UA 807/2; Be­ richt der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 238  Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1974/1975, S. 386; Ders. (Hg.): TuZ 1981/82, S. 428.

466

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

lien betrieben wurde. Lediglich für LKW und Omnibusse unterhielten Daimler-Benz, MAN und Auwärter (Neoplan) Produktions- und Montage­ werke in Australien.239 Bei all den hier geschilderten Bemühungen der BMW-Geschäftsführung, die marktspezifischen Anforderungen und gesetzlichen Regulierungen inner­ halb des Produktportfolios umzusetzen, darf das zuvor in diesem Abschnitt an­gemerkte generelle Bestreben, die Modellvielfalt unter der Maxime der Wirt­ schaftlichkeit zu reduzieren, nicht außer Acht gelassen werden. Dies führte dazu, dass die mehrfach angeführten gesetzlichen Vorgaben, vor allem derje­ nigen Märkte mit einem hohen Absatz- und Entwicklungspotenzial, inner­ halb des Produktprogramms zwar umgesetzt wurden, diese Modelle dann jedoch möglichst ebenfalls in weiteren Ländern verkauft wurden. Die hohen Umweltstandards der USA, hier vor allem Kaliforniens, und später auch ­Japans, führten somit indirekt zu einer weltweiten Anhebung der Umweltbzw. Abgasstandards im Hinblick auf die Motorenentwicklung der unter­ schiedlichen Automobilhersteller. Darüber hinaus ergaben sich für BMW als Fabrikant von Wagen und Motorrädern gewisse Synergieeffekte, was die Übertragung von Erkenntnissen der Entwicklung für Wagen auf den Zwei­ radbereich anbelangte. Diese Auswirkungen waren allerdings begrenzt und kamen vornehmlich erst in den späten 1980er und 1990er Jahren zum Tragen, als BMW beispielsweise als erster Motorradhersteller alle Zweiradmodelle serienmäßig mit Katalysatoren ausstattete oder auch für diese ein Antiblo­ ckiersystem (ABS) einführte. In dem sich anschließenden Kapitel soll die Preispolitik der BMW AG un­ tersucht und hierbei vor allem das Augenmerk darauf gerichtet werden, wie sie als wichtiger Bestandteil des klassischen Marketing-Mix nach McCarthy (vgl. Kapitel 1.3) während der 1970er Jahre einen Beitrag im Rahmen der zu­ nehmenden Internationalisierung des Unternehmens leistete. 4.4.1.2. Preispolitik In den 1970er Jahren sah sich die BMW AG, wie die gesamte Automobil­ industrie, mit vielfältigen Problemen konfrontiert. Vor allem die beiden Öl­ preiskrisen sowie die Irritationen im Zusammenspiel mit dem Zusammen­ bruch des Bretton-Woods-Währungssystems oder auch dem wachsenden Wettbewerbsdruck aus Japan stellten große Herausforderungen dar. Zugleich ergaben sich allerdings auch Chancen aus der Liberalisierung der Märkte ­innerhalb Europas, die sich trotz der beklagten „Eurosklerose“ in der EWG weiterhin fortsetzte (vgl. Kapitel 4.1). Die Preispolitik bildete eine wichtige Stellgröße bei der Erschließung neuer Märkte, aber auch bei der Erhaltung und dem Ausbau des Marktanteils in bereits etablierten Absatzregionen. Zu­ gleich war sie bei der Betreuung des Exportgeschäftes über Importeure nur 239  Vgl. Ders. (Hg.): Montage- und Produktionsstätten der deutschen Automobilher­ steller im Ausland, Frankfurt/M. 1980, S. 23.

4.4.  Modell- und Preispolitik

467

bedingt beeinflussbar, da die Gestaltung der Preispolitik sowie der Markt­ pflege vornehmlich in ihrem Aufgabenbereich lag. Während die BMW-­ Geschäftsleitung gemeinsam mit dem Verkaufsressort die Preise ab Werk ­definierten, konnte also nur bedingt Einfluss auf die Preisgestaltung der Im­ porteure im jeweiligen Land genommen werden.240 Durch die Gründung von Vertriebsgesellschaften in den einzelnen Märkten sollte die Preispolitik wieder vollkommen selbstständig von BMW geführt werden, wodurch eben­ so positive Effekte auf das im Ausland erwirtschaftete Ergebnis erwartet wurden.241 Die Ölpreiskrise hatte nicht nur spürbare Auswirkungen für die Endkun­ den, die mehr Geld für Benzin aufzuwenden hatten, was sich wiederum in ihrem Verbrauchs- und Kaufverhalten niederschlug, auch die Produktions­ kosten für die Hersteller stiegen mit zunehmenden Rohölpreisen. Durch die Aufwertung der DM und die durch Tarifauseinandersetzungen bedingten steigenden Personalaufwände stiegen die Materialkosten pro verkauftem Fahrzeug für die deutschen Produzenten zwischen 1968 und 1973 um 20 Prozent, die Lohnkosten sogar um 40 Prozent.242 Unter zusätzlicher Be­ rücksichtigung der nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems entstandenen Dollarparität wurden im Dezember 1975 von dem BMW-Auf­ sichtsrat je nach Marktlage Preissteigerungen von bis zu 20 Prozent in der verarbeitenden Industrie sowie bei den Folgeprodukten in der Petrochemie erwartet. Die gesamten Preissteigerungen auf dem Roh- und Heizölmarkt wirkten sich also in der Stahlindustrie, aber auch bei den Schmieden und Gießereien kostenerhöhend aus, wovon selbstredend auch die weiterverar­ beitende Automobilindustrie betroffen war.243 Die Anhebung der Kaufpreise 1976/77 in der Bundesrepublik resultierte darüber hinaus unter anderem aus einer Tariferhöhung um 6,9 Prozent, die die Herstellungskosten weiterhin erhöhten und laut Geschäftsleitung eine anteilige Weitergabe im Verkaufs­ preis unumgänglich machte.244 Laut BMW-Geschäftsleitung hatte sich der Rohölpreis im März 1980 gegenüber Dezember 1979 um 50 Prozent erhöht, gegenüber Februar 1979 sogar verdoppelt. Seit Anfang des Jahres 1980 soll­ ten die Preise für Industrierohstoffe – errechnet auf Dollarbasis – bereits um 7 Prozent zugenommen haben, die Kosten für Aluminium und Kupfer im gleichen Zeitraum sogar um 10 bzw. 20 Prozent.245 In Zeiten des gezügelten Konsums und einer stagnierenden Wirtschaftsentwicklung in Europa konn­ 240 

Vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 21. Protokoll Nr. 11/73 der Vorstandssitzung vom 25. 04. 1973, in: BMW UA 851/1. 242  Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 120. 243  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 10. 1975, in: BMW UA 1462/2. 244  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1977, 1977, in: BMW UR 36/1. 245 Vgl. Protokoll Nr. 13/80 der Vorstandssitzung vom 25. 03. 1980, in: BMW UA 1460/1. 241 Vgl.

468

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

ten die Preissteigerungen jedoch nicht ungehindert an die Verbraucher wei­ tergegeben werden, die aufgrund der Ölpreiskrisen und des gedämpften Wirtschaftsklimas ihr Konsumverhalten änderten. Die Automobilhersteller mussten moderat mit diesen Preiserhöhungen umgehen und unter Umstän­ den kurzfristig geringere Margen je Fahrzeugtyp in Kauf nehmen. Die Preispolitik als wichtiger Teil der Marketingstrategie spielte also in diesen Zeiten eine zentrale Rolle. Generell ließ sich feststellen, dass bei BMW die Deckungsbeiträge im Export pro Fahrzeug niedriger waren als im Inland, worauf bereits mehrfach im Verlauf der vorliegenden Arbeit hingewiesen wurde. Zum Teil resultierte diese Differenz aus den zwischengeschalteten Importeuren, die ebenfalls eine Marge bezogen, hier zum Teil sogar zwei­ fach: als Importeur und als Händler. Die Importeure sollten allerdings in den 1970er Jahren durch die sukzessiven Gründungen eigener BMW-Tochter­ gesellschaften ausgeschaltet werden. Im Rahmen der zweiten Internationali­ sierungsphase ist bereits detailliert auf die Margen eingegangen worden, die von den Importeuren bezogen wurden (vgl. Kapitel 3.4). Der Gegenwert bzw. die Wichtigkeit des Exportgeschäftes wurde jedoch in den 1960er und 1970er Jahren von der BMW-Geschäftsleitung nicht mehr in Frage gestellt, wie es zuvor in der Nachkriegszeit und der ersten Internationalisierungsphase der Fall gewesen war. Auch gegenüber den BMW-Aktionären wurde der „Wert“ des Exports über die Deckungsbeiträge hinaus definiert und hier vor allem auf die Streuung des Marktrisikos, auf die langfristige Absatzsicherung sowie die Gewährleistung eines kostengünstigen Produktionsvolumens für BMW verwiesen.246 Zu Beginn des Jahres 1972 wurde ein umfassender Vergleich von BMWund Konkurrenzpreisen in der Bundesrepublik sowie in wichtigen Export­ ländern, namentlich Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Schweden, Schweiz, Großbritannien, Österreich und USA, durch die Münchner Ver­ kaufsabteilung durchgeführt. Neben Mercedes umfasste sie nahezu alle wich­ tigen und bekannten Marken von Audi, Ford, Porsche über Citroën, Alfa Romeo bis Toyota und Datsun.247 Derlei unternehmensinterne Untersuchun­ gen waren bereits während der 1960er Jahre von der Verkaufs- und der Marktforschungsabteilung angefertigt worden, nahmen jedoch in der Folge­ dekade weiter an Umfang und Häufigkeit zu. Tabelle 51 listet die Konkur­ renzpreise einiger ausgewählter BMW-Modelle im Vergleich zu ihren Ver­ gleichsklassen auf, die zwecks besserer Vergleichbarkeit in DM umgerechnet wurden. Hierbei sind lediglich wichtige europäische Märkte angeführt, An­ gaben zu den USA sind in dieser Aufstellung leider nicht enthalten. Die Zah­ len zeigen, dass die für ausländische Kraftfahrzeuge traditionell teuren Märkte 246  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1977, 1977, in: BMW UR 36/1. 247  Vgl. Aktenvermerk „Konkurrenzpreise der BMW-Vergleichsklasse in den USA“ vom 21. 02. 1972, in: BMW UA 1590/1.

469

4.4.  Modell- und Preispolitik

Frankreich und Großbritannien auch während der 1970er Jahre für Import­ wagen zum Teil ungünstige Voraussetzungen boten, die die Fahrzeuge im hochpreisigen Segment positionierten. In Frankreich entfiel 1971 auf einen BMW, je nach Fahrzeugklasse, ein Aufpreis zwischen 18 und 31 Prozent, in Großbritannien waren es sogar zwischen 36 und 76 Prozent. Diese Verteue­ rung brachte den Münchner Hersteller nahezu außer Konkurrenz. Als Kon­ sequenz lag der BMW-Marktanteil in Frankreich und Großbritannien sehr niedrig und erreichte 1971 nur 0,5 bzw. 0,4 Prozent.248 Marke/Typ BMW 2800 Mercedes 280 SE Opel Diplomat E BMW 2000 Mercedes 200 V BMW 1600 Audi 100 Ford Taunus GXL BMW 2800 CS Mercedes 280 SL Porsche 911 S

Tür

Hub.

BRD

BG

NL

F

I

CH

GB

S

4 4 4 4 4 2 4 4 2 2 2

2769 2748 2743 1990 1971 1563 1749 1576 2769 2778 2195

18 981 21 590 20 352 12 876 13 376 9 990 10 190 9 790 24 975 26 640 29 980

21 228 24 156 24 824 13 908 15 006 9 763 10 971 10 340 29 738 31 842 37 058

23 510 26 723 25 064 15 003 17 268 10 743 11 910 10 458 32 101 33 970 37 514

24 713 24 647 21 846 15 816 15 552 11 796 11 170 9 648 32 621 31 303 38 881

21 712 22 715 22 184 13 570 14 603 9 794 9 971 9 511 28 615 28 025 31 270

21 595 23 436 22 578 14 062 15 903 10 839 11 844 10 483 28 291 k. A. 32 643

30 278 32 448 k. A. 17 542 k. A. 13 598 k. A. k. A. 43 894 39 229 45 773

28 558 30 998 30 814 18 738 19 615 14 458 14 999 k. A. 38 944 39 334 39 861

Tabelle 51: Konkurrenzpreise der BMW-Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wichtigen Exportländern (Angaben in DM), 1971.249

Die beiden Modelle BMW 1600 und BMW 2000 legten preislich im Inland zwischen 1967 und 1971 nur moderat um 15,5 und 12,2 Prozent zu, andere Hersteller erhöhten ihre Preise noch mehr: Laut Köhler wurden die Inlands­ preise zwischen 1968 und 1973 in mehreren Etappen in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent erhöht.250 Im Ausland entwickelten sich die Preise hingegen bei BMW unterschiedlich: Während in Großbritannien bisweilen sogar eine Vergünstigung festzustellen war, die auch mit dem allmählichen Auslaufen der Modelle zusammenhing, waren die Verkaufspreise in Belgien am deutlichsten gestiegen. Dort musste ein Kunde 1971 knapp 20 Prozent mehr für einen BMW 2000 zahlen als noch 1967. Belgien war jedoch nicht nur für BMW-Fabrikate ein teurer Markt, sondern auch für andere Marken. Hierbei galt die Regel, dass die Preisdifferenz zwischen dem westdeutschen und den ausländischen Märkten mit der Zunahme des Hubraums ebenfalls anstieg. 1971 verzeichnete jedoch nicht Belgien die deutlichsten Teuerungen 248  Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10. 249 Vgl. Vergleich Konkurrenzpreise der BMW Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wichtigen Exportländern, 02. 1971, in: BMW UA 1590/1. 250  Köhler, Small Car Blues, S. 120.

470

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

bei Wagen aus der Bundesrepublik, sondern vor allem Groß­britannien, Frank­ reich und die Niederlande. Die Vielzahl der europäischen Märkte hatte in den 1970er Jahren mit einer ausgeprägten Inflation zu kämpfen, wie bereits in Kapitel 4.1 erläutert wurde. Hieraus folgte ein mitunter restriktiver Kurs der einzelnen Regierungen zur Inflationsbekämpfung, der den Absatz von Fahrzeugen aus dem gehobenen Segment erschwerte. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse behinderten den Han­ del für ausländische Fabrikate weiterhin, so wirkte sich beispielsweise 1975 in Italien die zwischenzeitlich aufgehobene und dann erneut eingeführte Ver­ pflichtung zur unverzinslichen Hinterlegung von 50 Prozent des Einfuhr­ wertes für verschiedene Importwaren, hierunter auch Fahrzeuge, bei der ­italienischen Notenbank negativ aus.251 Auch im Folgejahr bestand die Bar­ depotpflicht fort, zusätzlich wurde eine Devisenkaufsteuer eingeführt und die Mehrwertsteuer erhöht.252 Diese Maßnahmen schlugen sich auf den Preis nieder bzw. schmälerten den Deckungsbeitrag eines Fahrzeugs, insofern die Teuerungen nicht an den Verbraucher weitergereicht wurden. Da BMW den Marktanteil von 1,9 Prozent weiter auszubauen suchte, wurden niedrigere Gewinnmargen in Kauf genommen.253 Ab 1979 war für BMW Italien, nach den USA, der wichtigste Auslandsmarkt. Die Niederlande wiesen im welt­ weiten Vergleich zwar eine geringe Inflationsrate von zwischenzeitlich nur 4,2 Prozent (1979) auf, allerdings hatte hier die Regierung eine Luxus­steuer auf Automobile eingeführt, die 1979 für Wagen in der Klasse bis 22 000 Nie­ derländischen Gulden (hfl) bei 19 Prozent und im Segment über 22 000 hfl bei 21,5 Prozent lag.254 Die landesspezifischen Regularien und nicht-tarifären Bestimmungen sind zu vielfältig, um sie an dieser Stelle umfassend anzuführen. Die hier genannten Beispiele sollen allerdings zeigen, dass der Verkaufspreis deutlich den regierungsseitigen Vorgaben der Märkte unterlag, der somit ­unmittelbar von diesen abhing, insofern ein Teil der Kosten an den End­ verbraucher weitergegeben wurde. Die BMW-Verkaufsabteilung nahm diese Weitergabe an den Kunden jedoch nur bedingt vor, da insbesondere in den 1970er Jahren der Ausbau der Marktanteile stark forciert und somit eine zwischenzeitliche Senkung der Deckungsbeiträge akzeptiert wurde. De facto lag diesen Umstand zum Trotz die Profitabilität der BMW-Fahrzeuge in der dritten Internationalisierungsphase noch immer deutlich über den Fahr­zeug­ ren­di­ten der 1960er Jahre. Dies war zum einen auf die Gründung firmen­ eigener Vertriebsgesellschaften im Ausland zurückzuführen, die eine Aus­ 251  Vgl. Bericht der Bayerischen in: BMW UU 205/10. 252  Vgl. Bericht der Bayerischen in: BMW UU 209/10. 253  Vgl. Bericht der Bayerischen in: BMW UU 205/10. 254  Vgl. Bericht der Bayerischen in: BMW UU 224/10.

Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980,

4.4.  Modell- und Preispolitik

471

schaltung der Importeursebene mit ihren hohen Margen zur Folge hatte, als auch mit der Professionalisierung der Vertriebsprozesse, die unter dem vorhe­ rigen Vertriebsvorstand Hahnemann nicht immer den Compliance-Vorgaben entsprachen. Im Frühjahr 1975 stieß der BMW-Vorstand erneut eine Diskussion über die bisherige Preispolitik innerhalb des Exportgeschäftes an, da bei einigen Modellen der Deckungsbeitrag signifikant unter dem des Inlandswertes lag: Der BMW 1602, dessen Produktion noch in demselben Jahr auslief, was in der Regel zu einer Preissenkung führte, erwirtschaftete beispielsweise ledig­ lich 76 Prozent seines Inlandswertes.255 Die Preispolitik während der ersten Ölpreiskrise wurde retrospektiv dennoch von der Geschäftsführung als ange­ messen bewertet: „Der Vorstand ist sich darüber einig, dass die Preisstrategie des Unternehmens wäh­ rend und nach der Ölkrise ein richtiges Mittel war, um die Kapazitäten auszulasten, die Beschäftigung aufrecht zu erhalten und die Marktposition auszubauen, dass es jetzt aber darauf ankommt, die gewonnene Position zu halten und dabei mit der rich­ tigen Preispolitik befriedigende Ergebnisse zu erwirtschaften. Der Vorstand stimmt darin überein, dass BMW grundsätzlich an der Hochpreispolitik festhalten muss. Über das Ausmaß der – gemessen an den Produkten der Massenhersteller – ver­ gleichsweise höheren Preise von BMW bis hin zu einer Orientierung an Daimler-Benz ist zu gegebener Zeit noch zu sprechen.“256

Dieses Zitat unterstreicht die Relevanz der Preispolitik als Einflussgröße der Marketingstrategie und zeigt, wie die preisliche Positionierung unmittel­baren Einfluss auf das Image der Marke bzw. ihrer Produkte nimmt. Im Vergleich zu anderen Herstellern erhöhte BMW im In- und Ausland die PKW-Preise zu Beginn der zweiten Hälfte der 1970er Jahre nur geringfügig stärker. Zwi­ schen 1975 und 1977 wurde der Verkaufspreis im Inland für einen BMW im Schnitt um 20,8 Prozent erhöht, bei Daimler-Benz waren es 18,9 Prozent, bei Audi 19,4 Prozent und bei VW lediglich 17,7 Prozent. Im Ausland, hier vor allem in Europa, waren die Preiszunahmen noch ausgeprägter und erreichten bei BMW-Fahrzeugen 35,4 Prozent, während Daimler-Benz die Preise um 26,7 Prozent erhöhte sowie die restliche Konkurrenz in den BMW-Ver­ gleichsklassen durchschnittlich um 31,8 Prozent.257 Die Werksabgabepreise im Export lagen bei BMW im Dezember 1975 allerdings um ganze 15,0 bis 20,0 Prozent unter denen des Inlands. Dieser bis dahin defensiv ausgerichte­ ten Preispolitik war es unter anderem zu verdanken, dass die Marktposition von BMW in wichtigen Exportmärkten stark verbessert und auch während der Krise die Arbeitsplätze in den BMW-Werken gesichert werden konnten. Ende 1975 sahen der Vorstand und Aufsichtsrat allerdings den Abschluss 255 Vgl.

Protokoll Nr. 9/75 der Vorstandssitzung vom 17. 03. 1975, in: BMW UA 1333/1. 256  Protokoll Nr. 11/75 der Vorstandssitzung vom 08. 04. 1975, in: ebd. 257  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1977, 1977, in: BMW UR 36/1.

472

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

dieser Phase gekommen und votierten für die oben genannte Erhöhung der Werksab­gabepreise im Exportgeschäft. Hierdurch sollte ein weiterer Erlös von rund 50,0 Mio. DM erzielt werden.258 Weitere Preiserhöhungen zwischen 1978 und 1980 fielen bei BMW deutlich moderater aus und lagen im Inland bei 15,1 Prozent sowie im Ausland bei 22,0 Prozent.259 Die Preissteigerungen zeigen, dass die zunehmenden Herstellungskosten und Währungsrisiken gegen Ende der 1970er Jahre wieder – zumindest ­teilweise – an die Kunden weitergegeben wurden. Die BMW AG suchte Währungsrisiken während der dritten Phase der Internationalisierung zu minimieren, indem ihre Warenlieferungen in DM fakturiert wurden. Das Stammhaus empfahl seinen Töchtern darüber hinaus, zur Absicherung ge­ genüber Verlusten, die sich aus veränderten Währungsrelationen ergaben, im Bedarfsfall Termingeschäfte abzuschließen. In den wichtigsten Export­ märkten wurde allerdings eine maßvolle BMW-Preispolitik anvisiert, um die jeweils errungene Marktposition zu erhalten oder aber weiter auszubauen. Dort musste behutsam vorgegangen werden, da BMW nach wie vor in diesen Märkten eine Außenseiterposition einnahm, die durch das relativ geringe BMW-Volumen in den meisten Ländern und durch das Operieren in relativ kleinen Hochpreissegmenten bedingt war. Laut Marketingplan des Jahres 1977 war die Preisposition von BMW gegenüber dem Hauptkonkurrenten Daimler-Benz, trotz der Preiserhöhungen auf den Exportmärkten, etwas besser als im Inland: „Sie dürfte damit ziemlich genau den Preis-Gegenwertvorstellungen der BMW-Käufer im Ausland entsprechen.“260 Der trotz beider Ölpreis­krisen stetig steigende PKW-Export der BMW AG in den 1970er Jahren, während die gesamtdeutsche Wagenausfuhr zwischenzeitlich zurück­ ging, gibt dieser Einschätzung Recht. Im außereuropäischen Ausland waren die Preise in der Regel um einiges höher als der Inlandspreis. 1981 und somit zum Ende des Betrachtungszeit­ raums lag einem BMW 318i beispielsweise ein Basiswert von 18 865 DM im Inland zugrunde. Der Verkaufspreis in Japan lag hingegen bei umgerechnet 31 571 DM und wies damit eine deutliche Differenz von 12 706 DM auf, die für den Import nach Japan, inklusive aller Regularien und nicht-tarifärer Be­ stimmungen, mit 67,4 Prozent gegenüber dem Ausgangspreis zu Buche schlug.261 Später, zum Jahresbeginn 1989 und somit außerhalb des Untersu­ chungszeitraums, sollte eine Steuerreform in Japan einen Teil dieser Belastung deutlich reduzieren, da etwa die Luxussteuer in Höhe von 23,0 Prozent aus­

258 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 03. 12. 1975, in: BMW UA 1462/2. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1. 260  BMW Marketingplan 1977, 1976–1977, in: BMW UA 1861/1. 261  Vgl. Aktennotiz „Japan-Zulassung von Kraftfahrzeugen“ von Pohl (ET-101) an E, ET, ET-1, AU-16, EP-3, VE-50 vom 11. 05. 1981, in: BMW UA 1814/1. 259  Vgl.

4.4.  Modell- und Preispolitik

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gesetzt wurde, was von dem damaligen Geschäftsführer der BMW Japan Corp. Paysen wie folgt kommentiert wurde: „Vom 1. April an bleibt hier buchstäblich nichts mehr übrig vom einst gefürchteten Gestrüpp der nichttarifären Handelshemmnisse. […] Jetzt kann jeder ausländische Anbieter hier zeigen, was er kann.“262

1989 erzielte BMW mit 33 100 Einheiten in Japan ein Absatzplus von 23,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr.263 Diese beeindruckende Verkaufssteigerung verdeutlicht abermals den Einfluss nicht-tarifärer Regularien auf die Preis­ politik eines Unternehmens und letztlich auch auf die Deckungsbeiträge im Ausland. Wie in dem vorangegangenen Abschnitt 4.4.1.1 aufgezeigt wurde, ließ der Vorstand im Hinblick auf das automobile Modellprogramm regelmäßig prü­ fen, inwiefern Kostenersparnisse durch ein schlankeres Angebot erzielt wer­ den konnten. Hierbei spielte der Deckungsbeitrag eine wichtige Messgröße und so wurde im Mai 1981 wie folgt protokolliert: „Im Zusammenhang mit den voraussichtlich über die bereits beschlossenen Streichun­ gen zusätzlich notwendig werdenden Reduzierungen behandelt der Vorstand einge­ hend Chancen und Risiken des Wegfalls von Länderausführungen, Sonderausstat­ tungen und der Streichung von solchen Projekten, bei denen der zu erwirtschaftende Deckungsbeitrag in keinem Verhältnis zu dem betreffenden Bedarf an Entwicklungs­ kapazität steht.“264

Der erhöhte Kostendruck steigerte das Rentabilitätsdenken der Hersteller, das sich auch in der Angebotspolitik niederschlug. 265 BMW bildete hier kei­ ne Ausnahme, wie das obige Zitat zeigt. Das Unternehmen bewegte sich also beständig zwischen den maßgeblichen Einflussfaktoren aus tarifären und nicht-tarifären Regierungsvorgaben, den hieraus resultierenden Gewinn­ margen einerseits und den Maßnahmen zur Markterschließung und -siche­ rung andererseits, vor deren Hintergrund ein geringer Deckungsbeitrag ­lediglich temporär in Kauf genommen wurde. Die Entscheidung, inwiefern Länderausführungen eines Modells aufgelegt werden sollten, wurde ebenfalls in diesem Spannungsfeld getroffen. Die Preispolitik war, wie mehrfach im Rahmen dieses Abschnittes aufgezeigt wurde, ebenfalls zentral bei der Imagegestaltung sowie Positionierung der Marke. Auch im weiteren Verlauf der Diskussion wurde in den 1970er Jahren die sich an den Mitbewerbern wie Daimler-Benz orientierende Hochpreispolitik wiederholt vom BMWVorstand bestätigt.266

262 

Pressespiegel Japan 1989, in: BMW UA 1813/1. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1989, 1990, in: BMW UU 243/10. 264  Protokoll Nr. 18/81 der Vorstandsitzung vom 26. 05. 1981, in: BMW UA 1435/1. 265  Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 120. 266 Vgl. Protokoll Nr. 30/80 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1980, in: BMW UA 1455/1. 263  Vgl.

474

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

4.4.1.3.  Kurze Bewertung des automobilen Modellprogramms und sein Beitrag zur Internationalisierung Da in Abschnitt 4.4.1.1 bereits die marktspezifischen Modellmodifikationen als wichtiges Instrument während der dritten Internationalisierungsphase vorgestellt und ihre Relevanz hervorgehoben wurden, soll dieses Kapitel eine kurz gefasste abschließende Betrachtung über die Bedeutung der Modellpoli­ tik und der dahinter stehenden Strategie der BMW AG in diesem Zeitraum bieten. In den 1970er Jahren wandelten sich nicht nur die wirtschaftspoliti­ schen Rahmenbedingungen, sondern ebenso begann sich allmählich das Um­ weltbewusstsein der Gesellschaft zu verändern, wie etwa der Bericht des Club of Rome deutlich machte und in Kapitel 4.1 expliziert wurde. Diese externen Faktoren hatten in der Automobilindustrie unmittelbaren Einfluss auf die Nachfragestruktur der Kunden und somit auf den PKW-Absatz so­ wie in letzter Konsequenz ebenso auf die Fahrzeugentwicklung, die den sich wandelnden Gegebenheiten Rechnung zu tragen suchte, jedoch erst mit den 1980er Jahren in der Politik vollumfänglich zum Tragen kam.267 Köhler hat eindrucksvoll aufgezeigt, wie umfassend sich die Veränderungen in den USA in der Segmentierung des Automobilmarktes manifestierten, die bis 1980 die führende Automobilnation in der Welt waren: Während 1970 noch 68 Pro­ zent der dort verkauften Wagen der Fahrzeugklasse der US Standard / ­Fullsize oder US Intermediate angehörten, hatte sich die Gewichtung 1978 bereits deutlich zugunsten der kleinen Fahrzeuge und der Kompaktklasse gewan­ delt, die nun zusammen 50 Prozent des Absatzes ausmachten. Bis 1985 hatte sich dieses Verhältnis soweit geändert, dass nunmehr 76 Prozent der verkauf­ ten PKW den unteren Klassen angehörten und nur noch 24 Prozent den – gemessen am Radstand, nicht am Hubraum – größeren Fahrzeugklassen. Die Absatzstruktur des US-Automobilmarktes hatte sich also binnen 15 Jahren tiefgreifend gewandelt; eine Entwicklung, die das amerikanische Produk­ tionsparadigma und die bisherigen Erfolgsmodelle der US-Hersteller in eine Krise brachte.268 Der VW-Käfer ist eines der populärsten Fahrzeuge, das von dieser Entwicklung profitierte und seinen Erfolgszug weltweit antrat. In der Bundesrepublik war indessen eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Während hier in den 1950er und 1960er Jahren vor allem der Bereich von Kleinst- und Kleinwagen dominiert hatte, gewannen mit zunehmender Au­ tomobilisierung und ansteigendem Wohlstand der Bevölkerung die automo­ bile Mittel- und auch Oberklasse an Bedeutung. 1970 überstiegen in West­ deutschland erstmals die Zulassungen von Mitteklassewagen alle weiteren Segmente. Die Modellstrategien der deutschen Hersteller trugen dieser Ent­ wicklung Rechnung, auch BMW verkaufte vor allem Automobile der Mittel­ klasse, wie in Tabelle 50 aufgezeigt wurde. Darüber hinaus betonten immer

267  268 

Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 134. Vgl. ebd., S. 112.

4.4.  Modell- und Preispolitik

475

mehr in- und ausländische Automobilfabrikanten in der Kommunikation ei­ nerseits ihre sportliche Seite als auch den Fahrkomfort und die Fahrfreude andererseits, wodurch das BMW-Marketing die Nische der eigenen Fabri­ kate und das Markenimage in deutlich zunehmender Konkurrenz sah.269 Mit den beiden Ölpreiskrisen und dem wachsenden ökologischen Bewusstsein, das auf Regierungsebene durch strengere Umweltauflagen und eine höhere Besteuerung von hubraumstarken Modellen zum Ausdruck kam, wurde auch die Zulassungsstruktur in der Bundesrepublik erneut beeinflusst. Köh­ ler merkt jedoch folgerichtig an, dass eine umweltorientierte Verkehrspolitik erst in den 1980er Jahren vollends zum Greifen kam,270 die sich auch in der Technologie und Etablierung von Katalysatoren, der Weiterentwicklung von Dieselmotoren oder der Einführung neuer Motorenkonzepte, bei BMW bei­ spielsweise des eta-Motors, der bei gleicher Leistung einen niedrigeren Kraft­ stoffverbrauch hatte, manifestierte.271 In Kapitel 4.4.1 ist bereits detailliert auf die unterschiedlichen Fahrzeug­ klassen der BMW AG und ihre Verteilung innerhalb der Produktionsstatistik eingegangen worden. An dieser Stelle soll sich also auf die Bedeutung des Modellspektrums für die Internationalisierung des Unternehmens konzent­ riert werden. Hierbei lässt sich während der 1970er Jahre eine höhere Diver­ sifizierung der Modelle in Form von Länderversionen konstatieren. Noch immer wurden allerdings in weiter entfernten Ländern mit Linksverkehr zu zaghaft Rechtslenkermodelle in höheren Stückzahlen angeboten, die den Ab­ satz positiv beeinflusst hätten. Wie in Abschnitt 4.4.1.1 am Beispiel von Ja­ pan aufgezeigt worden ist, waren dort erst mit Gründung der firmeneigenen Vertriebsgesellschaft BMW Japan Corp. im Jahre 1981 Rechtslenker erhält­ lich und ab Februar 1985 wurde das gesamte Modellspektrum als Rechtslen­ ker angeboten.272 Im Allgemeinen zeichnete sich das BMW-Programm nicht etwa durch Ländermodelle aus, die speziell für einen Markt konstruiert worden waren, sondern vielmehr durch eine marktspezifische Anpassung einzelner Modelle, die vor allem im Hinblick auf nicht-tarifäre Vorgaben und der Absatzsteige­ rung in einem Markt mit Potential konstruiert wurden. Aufgrund der hohen Konkurrenz konnte es sich ein Hersteller nicht leisten, durch das Fehlen sol­ cher Varianten wertvolle Marktanteile einzubüßen. Andererseits mussten die Unternehmen die Deckungsbeiträge ihrer Fahrzeuge im Blick behalten, die in der Regel umso niedriger waren, je höher die Gesamtzahl der Modell­ modifikationen war, die die Entwicklungs- und Produktionskosten erhöhte. 269 

Vgl. ebd., S. 118–120. Vgl. ebd., S. 134. 271  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 238. 272  Vgl. Becker, Helmut (1985): Mit „echter deutscher Motorkraft“. Graue Autoim­ porte machen deutschen Firmen das Leben schwer, in: DIE ZEIT, Jg. 40, Nr. 51 vom 13. 12. 1985. 270 

476

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Gegen Ende der 1970er Jahre entwickelten sich im Exportgeschäft die gro­ ßen BMW-Modellreihen des BMW 6er und 7er besonders erfreulich und überstiegen 1978 ihren Absatz im Export gegenüber dem Vorjahr um 50 Pro­ zent. Dies hatte besonders positive Auswirkungen auf den Umsatz, da die Deckungsbeiträge in den oberen Klassen höher lagen. Auf den wichtigsten europäischen Märkten zählten somit die großen BMW-Automobile zu den meistgekauften Fahrzeugen ihrer Klasse.273 Vor dem Hintergrund der Deckungsbeiträge bot BMW Mitte der 1970er Jahre 50 verschiedene Länderausführungen an, die jedoch aufgrund des Kos­ tendrucks bis Ende 1976 auf 25 Modelle reduziert werden sollten.274 Wäh­ rend der dritten Internationalisierungsphase prüfte der BMW-Vorstand wie­ derkehrend die Rentabilität des aufgrund von Ländervarianten diversifizier­ ten Produktspektrums. Bei dieser Prüfung wurden für gewöhnlich die involvierten Abteilungen miteinbezogen, wie der Vertrieb, die Entwicklung, aber auch die Unternehmensstrategen. Um den unterschiedlichen Anforde­ rungen der Exportmärkte bei der länderspezifischen Modellkonzeption ge­ recht zu werden, wurden auch unternehmensintern die Weichen gestellt und langfristige Investitionen getätigt, wie etwa der Bau eines neuen aerodynami­ sches Forschungs- und Entwicklungszentrum umgesetzt.275 Das Modell­ angebot war der Schlüssel zu den einzelnen Märkten und somit wichtige Stellgröße bei der Internationalisierung der BMW AG. Nicht selten führte das Münchner Unternehmen mittlerweile einige der Modelle zuerst in wichti­ gen Exportmärkten ein, bevor sie im Inland in das Angebot integriert wurden. Als Beispiel hierfür dient etwa der eta-Motor, der bereits ab 1981 in den USA als Alternative zu den konventionellen Aggregaten erhältlich war und erst 1983 nach ­Europa kam.276 BMW hatte sich während der dritten Phase der Internationalisierung mit allen Modellen des BMW-Portfolios an dem Markenimage orientiert, dem alle Produkte ausnahmslos entsprachen. Zu Abweichungen wie in den 1950er Jahren, wie in Form des V8-Barockengels oder der BMW Isetta, kam es so­ mit nicht mehr. Das Unternehmen hatte aus den Fehlern dieser Zeit gelernt und wiederholte sie nicht. BMW legte sowohl in der Produktgestaltung als auch in der Kommunikation hohen Wert auf Sportlichkeit, die der Münchner Hersteller in der gehobenen Mittel- und der Oberklasse kultivierte. Das Marketing hob diesen Wesenszug der Marke, insbesondere im Vergleich zum Mitbewerber Mercedes, in der Außendarstellung hervor. Eine umfassende Marktstudie hatte überdies gezeigt, dass BMW vor allem die sogenannten 273  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1978, 1979, in: BMW UU 220/10. 274 Vgl. Protokoll Nr. 20/76 der Vorstandssitzung vom 25. 05. 1976, in: BMW UA 1446/1. 275  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10. 276  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 238.

4.5. Vertriebspolitik

477

„Aufsteiger“ in der Bevölkerung für sich als Kunden gewinnen konnte, die sich nicht mit dem etablierten Image von Daimler-Benz identifizierten, von welchem sie sich also gezielt abzusetzen suchten. BMW war damit auch dem Image entsprechend für jüngere Kunden attraktiv, die sich selbst als Aufstei­ ger sahen.277

4.5. Vertriebspolitik 1973 lieferte BMW erstmals mehr Automobile ins Ausland als an die deut­ schen Händler und erzielte somit, gemessen am Absatz, eine Exportquote von 50,7 Prozent. Das Exportgeschäft erreichte in demselben Jahr einen An­ teil am Gesamtumsatz von 46,2 Prozent, womit seine Rentabilität deutlich gestiegen war und nur noch wenige Prozentpunkte unter der des Inlands­ handels lag.278 Im Vergleich hierzu hatte die deutsche Automobilwirtschaft bereits seit 1963 mit 50,4 Prozent knapp mehr als die Hälfte ihrer Jahrespro­ duktion im Ausland verkauft und konnte diesen Wert im Laufe der Dekade stetig steigern. Die Ölpreiskrisen machten im Zusammenspiel mit den er­ schwerten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen den Verkauf außer­ halb des Binnenmarktes zusehends schwieriger, so dass 1975 die Exportquote der deutschen Automobilwirtschaft, gemessen an ihrer Gesamtproduktion, auf den Wert von 1963 zurückfiel und 1978 diesen sogar mit nur 49,5 Pro­ zent für ein Jahr unterschritt.279 Auch die Exportquote der BMW AG nahm zwischen 1975 und 1978 ab, es wurden also wieder mehr Fahrzeuge im In­ land verkauft als im Ausland, jedoch unterlag ihr Ausfuhrgeschäft aufgrund der Pfadabhängigkeit der unternehmenseigenen Geschichte nicht denselben starken Schwankungen wie das der restlichen deutschen Automobilindustrie, die bereits weitaus exportorientierter war. Gegen Ende der dritten Internati­ onalisierungsphase lag die Exportquote von BMW sogar deutlich über dem Ausfuhrgeschäft der Daimler-Benz AG (vgl. Kapitel 4.1, Abbildung 33) und überstieg sie mit 6,3 Prozent (1978) bis 14,5 Prozent (1981). Absolut betrach­ tet, übertraf erst 1980 der Export des Münchner Unternehmens mit 198 460 Einheiten die Ausfuhr des Stuttgarter Herstellers, die bei 187 973 Einheiten lag. Da Daimler-Benz ebenfalls ein Anbieter aus dem Hochpreissegment ist, heute gerne auch als Premium bezeichnet, bietet sich hier ein Vergleich be­ 277  Vgl.

Marktpsychologisches Gutachten zur Entwicklung der Image-Situation der Bayerische Motoren Werke AG von 1964 bis 1972, 26. 07. 1972, in: BMW UA 590/1; Marktpsychologische Gutachten „Gründe des Aufstieges von BMW seit 1960“, 1967, in: BMW UA 713/1; Marktpsychologische Gutachten „Kontinuierliche Image-Beob­ achtung“, 1974, in: ebd. 278 Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1973, 1974, in: BMW UU 199/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Ge­ schäftsjahr 1974, 1975, in: BMW UU 202/10. 279  Vgl. VDA (Hg.): TuZ 1974/75, S. 26f.; Ders. (Hg.): TuZ 1983/84, S. 26f.

478

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

sonders an, da sich beispielsweise VW als Volumenhersteller deutlich von den beiden anderen Unternehmen unterscheidet. 1980 produzierte VW welt­ weit 2 573 871 Fahrzeuge, wovon 1 707 156 Einheiten, also 66,3 Prozent der Gesamtproduktion, außerhalb der Bundesrepublik verkauft wurden.280 Die isolierte Betrachtung der Exportzahlen der späten 1970er Jahre bietet aller­ dings als einziges Kriterium für den Internationalisierungsgrad nur eine ein­ geschränkte Aussagekraft, da Daimler-Benz bis Mitte der 1980er Jahre be­ reits 20 Produktionsstandorte für die beiden Segmente Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge im Ausland aufgebaut hatte. Sein Exportanteil an dem Gesamtumsatz des Konzerns lag 1974 bereits bei 57,2 Prozent.281 Wie bereits mehrfach im Verlauf der vorliegenden Arbeit betont und insbesondere in dem einleitenden Kapitel 1 spezifiziert worden ist, ist der Export lediglich eine Determinante für den Internationalisierungsgrad eines Unternehmens. Weitere Faktoren müssen in Betracht gezogen werden, um belastbare Aus­ sagen treffen zu können. So hatte BMW zwar am Ende der dritten Interna­ tionalisierungsphase, gemessen an den Stückzahlen, das Exportvolumen des Stuttgarter Mitbewerbers erreicht bzw. 1980 sogar überstiegen, jedoch hielt das Münchner Unternehmen wesentlich weniger Auslandsdirektinvestitionen. 1970 verfügte Daimler-Benz bereits in 163 Ländern über eine Vertriebs­ organisation,282 BMW immerhin über 135 Importeure, die teilweise mehrere Märkte betreuten.283 Allerdings spiegelte sich in den Gesellschaftsstrukturen ein gravierender Unterschied wider, denn die Daimler-Benz AG hatte in den vorangegangenen Jahrzehnten bereits Direktinvestitionen in großem Umfang getätigt und zählte 1970 insgesamt 25 nennenswerte Auslandsgesellschaften, an denen sie beteiligt war.284 BMW hingegen hatte erst während der zweiten Internationalisierungsphase begonnen, zaghafte Investitionen im Ausland zu leisten und verfügte 1970 über nur zwei Minderheitsbeteiligungen in Italien und Australien. Die Bundesrepublik hatte ihre Wettbewerbsfähigkeit in den 1950er Jahren und zu Beginn der Folgedekade noch durch niedrige Lohnkosten stärken können, doch mit den steigenden Löhnen stiegen auch die Fertigungskosten im Inland. Die Firmen versuchten, durch Erhöhung des Produktionsvolu­ mens Skaleneffekte zu erreichen. Darüber hinaus bauten Firmen wie DaimlerBenz, die eine entsprechende Finanzkraft besaßen, ihr Produktionsnetzwerk im Ausland weiter aus.285 Unter den bis 1985 aufgebauten 45 ausländischen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften des Stuttgarter Herstellers von Per­ 280 

Vgl. Lupa, Volkswagen Chronik, S. 115. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 312f., Tabelle E.6 und S. 357. 282  Vgl. ebd., S. 358f., Tabelle E.16. 283 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 55. Geschäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10. 284  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 358f. 285  Vgl. ebd., S. 298. 281 Vgl.

4.5. Vertriebspolitik

479

sonenkraft- und Nutzfahrzeugen waren 20 Produktions- und 13 Vertriebs­ gesellschaften.286 In diesem Punkt unterschied sich die Strategie von BMW und Daimler-Benz wesentlich, da der Münchner Hersteller vor allem auf die Reduzierung von Transaktionskosten durch Internalisierung der Vertriebstä­ tigkeiten im Ausland setzte, weniger auf den Aufbau firmeneigener Produk­ tionsstandorte; BMW etablierte bis Anfang der 1990er Jahre mit Südafrika und Österreich lediglich zwei aus­ländische Werke. Hintergrund war sicher auch die geringere Kapitalkraft, die bei BMW für Investitionen in diesem Be­ reich, bis in die späten 1980er Jahre hinein, zur Verfügung stand, denn Ferti­ gungsanlagen waren stets kosten­intensiver aufzubauen als Vertriebsstandorte. BMW-Vorstandsvorsitzender von Kuenheim, der zwischen 1970 und 1993 die Geschicke des Konzerns maßgeblich prägte, legte großen Wert darauf, dass das Unternehmen aus eigener Kraft wuchs, also vornehmlich durch eigene Finanzkraft.287 Die dritte Internationalisierungsphase markiert den zentralen Wandel in der Auslandsstrategie der BMW AG, die ihre Vertriebspolitik von Grund auf neu ausrichtete. Während bis dato das Auslandsgeschäft ausschließlich über Importeure abgewickelt wurde, wodurch sowohl die Profitabilität des ­Exports als auch der Aufbau eines homogenen Markenimages im Ausland eingeschränkt wurden, konzentrierte sich die BMW-Geschäftsleitung ab 1972/73 auf die Umstrukturierung der Außenhandelsorganisation, indem sie begann, im Sinne einer Minimierung der Transaktionskosten eigene Ver­ triebsgesellschaften im Ausland zu gründen. Im Fokus dieser Umstrukturie­ rung stand innerhalb der Wertschöpfungskette zunächst der Vertrieb, nicht die Produktion oder die Entwicklung. Produktionsstandorte folgten mit dem Ausbau des Standorts in Südafrika und dem Aufbau der BMW-STEYR-Mo­ toren GmbH in Österreich.288 Mit dem zunehmenden Direktinvestitionsvo­ lumen wurde auch die Gesellschaftsstruktur von Grund auf neu organisiert, indem Holdinggesellschaften gebildet wurden, auf die in Abschnitt 4.5.2.3 genauer eingegangen wird. Die Vertriebsgesellschaften und die hinter ihnen stehende Strategie der Internalisierung werden im Rahmen des aktuellen Ka­ pitels 4.5 vorgestellt und analysiert. Erst in den 1980er Jahren begann das Unternehmen, mit den Vertriebs­ töchtern assoziierte Finanzgesellschaften im Ausland aufzubauen, die den Verkauf im Ausland unterstützen sollten, indem beispielsweise durch sie ­attraktive Leasing-Programme eingeführt und von den Finanztöchtern ab­ gewickelt wurden. Im Gegensatz zu den übergeordneten BMW-Holdings­ 286 

Vgl. ebd., S. 357. Sawallisch, Walter: Die Strategie eines deutschen Automobilunternehmens auf dem japanischen Markt. Das Erfolgsbeispiel BMW, in: Schneidewind, Die­ ter / Töpfer, Armin (Hg.), Der asiatisch-pazifische Raum. Strategien und Gegenstrate­ gien von Unternehmen, Landsberg/Lech 1991, S. 353–378, hier S. 378. 288  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur HV 1980, in: BMW UA 1824/1. 287 Vgl.

480

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

gesellschaften waren diese überwiegend keine hundertprozentigen Tochter­ gesellschaften der BMW AG, sondern gehörten mehrheitlich der BMW-Ver­ triebsgesellschaft vor Ort sowie zu gewissen Anteilen einem oder weiteren Kreditgebern und -häusern im jeweiligen Land. Der japanische Markt zeigte in besonderem Maße den Erfolg eines solchen Vorgehens: BMW entwarf dort eigene Finanzkonzepte, um Anreize zu setzen, wie etwa das „BMW Auto­mobile Loan Program“, dass das Leasinggeschäft der Automobilwirt­ schaft laut damaligen Presseberichten in Japan revolutionierte und den ­Absatz entscheidend verbesserte. BMW bot eine Fahrzeugfinanzierung an, die die marktüblichen Sätze um 30 Prozent unterbot und darüber hinaus Sonderkonditionen einschloss, wie etwa eine Versicherung im Todesfall.289 Paysen, ab 1981 Geschäftsführer und später Präsident der BMW Japan Corp., äußerte sich gegenüber der Presse 1983 hierzu wie folgt: “In Germany and in other overseas markets, BMW sales have been substantially boosted through introduction of a finance plan in the form of leasing. After a full in­ vestigation of the Japanese market, we realized that the concept of car leasing is quite underdeveloped in Japan and that none of the leasing programs available meets our requirements. Therefore, we have recently introduced to the Japanese market a com­ pletely new approach toward leasing, primarily aimed at corporate customers, that includes financing and maintenance at highly competitive monthly rates. The first of its kind in Japan, the plan is being offered in corporation with a top Japanese leasing company and is available at BMW’s retail outlets nationwide.”290

Um den Absatz über das Finanzgeschäft noch weiter auszubauen, wurde im Januar 1989 eine lokale Finanztochtergesellschaft gegründet, die BMW J­ apan Financing Corp., um Teilzahlungskäufe sowie das Leasinggeschäft ­ besser bzw. unternehmensintern abzuwickeln. Die Finanzierungsgesellschaft sollte zunächst das BMW-Händlernetz mit Krediten versorgen und später auch das Kundenkreditgeschäft übernehmen.291 Das Fallbeispiel Japan zeigt den posi­ tiven und weitgehenden Einfluss, den Finanztochtergesellschaften im Aus­ land haben konnten, die mit der dortigen Vertriebsgesellschaft assoziiert ­waren bzw. ihnen zumindest anteilig gehörten und in der Regel mit einhei­ mischen Banken vor Ort kooperierten. Dieser Bereich stellt einen äußerst interessanten Aspekt der Internationalisierung dar, da er allerdings außerhalb des Betrachtungszeitraums der vorliegenden Arbeit liegt, kann er nicht näher in die Untersuchung mit einbezogen werden. Ausnahme bildet hier die BMW (South Africa) (Investments) (Pty) Ltd., die im Rahmen des Fall­ beispiels Südafrika in Kapitel 5 thematisiert wird. Sie diente jedoch als Finan­ 289 

Vgl. [o. V.]: Geduld und kühles Image, in: Wirtschaftswoche vom Februar 1984, in: BMW UA 1813/1. 290  Paysen, Lüder: Crashing the Foreign Car Imports Roadblock. BMW Japan Gears Up to Crack Local Market, in: Journal of Japanese Trade & Industry, Nr. 5, 1983, in: BMW UA 1813/1. 291  Vgl. Unterlagen zur Gründung der BMW Japan Financing Corp., 1989, in: BMW UA 1813/1.

4.5. Vertriebspolitik

481

zierungsgesellschaft der monetären Wegbereitung der BMW-Geschäftstätig­ keiten, also der Gründung einer eigenen Vertriebsgesellschaft, und nicht wie in Japan der Absatzförderung. Für künftige Forschungsprojekte b ­ ietet das Untersuchungsgebiet der Finanz- und Finanzierungsgesellschaften einen fruchtbaren Boden für eine detaillierte Auseinandersetzung. Wie einleitend zu diesem Abschnitt angemerkt, vollzog sich zu Beginn der dritten Internationalisierungsphase ein entscheidender Wandel innerhalb der BMW-Vertriebspolitik. Eingeleitet und in der Anfangszeit vorangetrieben wurde diese Umstellung durch den Nachfolger Hahnemanns, Vertriebsvor­ stand Lutz, der selbst eine äußerst und insbesondere für diese Zeit internatio­ nale Vita aufwies, wie in Kapitel 4.2.1 aufgezeigt wurde. Der biographische Hintergrund von Lutz, der als Schweizer mit US-amerikanischen Pass selbst multilingual aufgewachsen war und somit fließend Deutsch, Englisch und Französisch sprach, bildete den idealen Ausgangspunkt, um BMW interna­ tionaler auszurichten und das BMW-Geschäft im Ausland von der starken Bindung gegenüber den Importeuren zu emanzipieren. Zwar war Lutz nur bis Sommer 1974 bei BMW als Vertriebschef tätig, doch brachte er gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim einen Stein ins Rollen, den sein Nachfolger Schönbeck von 1974 bis 1984 weiter in Bewegung hielt. Im Rahmen des Kapitels 4.5 soll der Wandel der Vertriebspolitik nachge­ zeichnet und aufgezeigt werden, wie sich dieser in den Unternehmensstruk­ turen institutionalisierte. Solche Umstrukturierungen stellen einen Konzern vor diverse Herausforderungen, die im Folgenden vorgestellt und analysiert werden. Neben dem Ausbau der Handelsorganisation wird überdies eben­ falls die weitere Erschließung neuer Regionen über eine Montagefertigung vor Ort untersucht, die während der 1970er Jahre ein unverzichtbares Mittel zur Marktpenetration in vielen Märkten Asiens war. Wie bereits in den Aus­ führungen über die erste und zweite Internationalisierungsphase der BMW AG soll fernerhin auch hier das Auslandsgeschäft näher beleuchtet und ein regionales Muster des Exports herausgearbeitet werden. 4.5.1.  Organisationaler Wandel der Unternehmensstruktur Der organisationale Wandel wurde zu Beginn der 1970er Jahre durch den neuen Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim und das von ihm neu einge­ setzte Management angestoßen sowie bei BMW etabliert. Dieses verjüngte Management stand für eine modernere, aber auch strukturiertere Führung. Sämtliche Unternehmensprozesse der BMW AG wurden somit zu Beginn der dritten Phase der Internationalisierung von Grund auf geprüft, sowohl hinsichtlich Optimierung, Effizienz als auch Compliance. Hierbei traten vor allem im Vertriebsressort große Missstände zutage, so dass in diesem Bereich eine umfangreichere Umstrukturierung angezeigt erschien. Es war beispiels­ weise offengelegt worden, dass unter dem ehemaligen Vertriebschef Hahne­ mann keine schriftlichen Verträge zu einigen noch laufenden CKD-Koope­

482

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

rationen mit ausländischen Partnern fixiert worden waren, sondern diese ­lediglich auf mündlichen Absprachen beruhten (vgl. Kapitel 3.2.1).292 Laut BMW-Justitiar Schow hatte Hahnemann darüber hinaus in vielen Fällen Ver­ einbarungen getroffen, ohne vorher juristischen Rat einzuholen. In der gän­ gigen Praxis wurden somit Juristen häufig auf die Rolle eines „beglaubigten Notars“ reduziert.293 Diese primär pragmatisch ausgerichtete Handlungs­ weise war einer der Gründe, weshalb Hahnemann letztlich im Oktober 1970 von seinem Amt zurücktrat und aus der BMW AG ausschied. Die Zeitung Die WELT resümierte zu seinem Rücktritt treffend: „Die Anforderungen an das Unternehmen wurden diffiziler und verlangten in stei­ gendem Maße moderne ‚technokratische‘ Lösungsmethoden. Es war an der Zeit, den ‚kategorischen Verkaufsimperativ‘ aus der Pionierzeit abzulösen und durch eine lang­ fristige Strategie zu ersetzen. […] Hahnemann kann ganz sicher unternehmerisches Versagen nicht vorgeworfen werden; ihn traf die Tragik vieler bedeutender Männer, die irgendwann durch die von ihnen selbst initiierte Dynamik überrollt werden.“294

Mit diesem Zitat sollen die Ausführungen zur Person Hahnemann an dieser Stelle abschließen und der Fokus auf den strukturellen Wandel in dem von ihm hinterlassenen Verkaufsressort gerichtet werden. Es verdeutlich jedoch, dass die Unternehmensorganisation eine neue Struktur benötigte, die der während der zweiten Internationalisierungsphase initiierten Dynamik Rech­ nung trug. Wie bereits mehrfach angesprochen, wurde die Vertriebspolitik der BMW AG zu Beginn der dritten Internationalisierungsphase von Grund auf um­ gestellt, indem der Vertrieb internalisiert und somit die Transaktionskosten gesenkt wurden. Während in Kapitel 4.5.2.2 auf das genaue Vorgehen, die Umstände und die dahinterstehende Vertriebspolitik der Gründung eigener Auslandstochtergesellschaften eingegangen wird, sollen in diesem Abschnitt die organisatorischen Implikationen thematisiert werden, die mit einem sich ausdehnenden Netzwerk an in- und ausländischen Tochtergesellschaften ein­ hergingen. Einleitend soll auf allgemeine Änderungen der Unternehmens­ organisation verwiesen werden, der Fokus liegt jedoch auf dem Vertriebsres­ sort. Auf die Umstrukturierungen im Zusammenhang der Etablierung einer Presseabteilung innerhalb des Aufgabenbereichs des Vorstandsvorsitzenden, die eine entscheidende Änderung gegenüber der Unternehmensorganisation der vorangegangenen Jahrzehnte darstellte, wird genauer in Kapitel 4.6 ein­ gegangen. Hier wurde für die externe Kommunikation – vor allem gegenüber der Presse – eine eigene Hauptabteilung eingerichtet, die somit aus dem 292 Vgl. Revisionsbericht Nr. 6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwick­ lung“, 1972, in: BMW UR 6271/1. 293  Aktennotiz „Butler & Smith, Gespräch mit Herrn Schow“ vom 13. 03. 1979, in: BMW UR 3137/1. 294  Fischer, Horst (1971): Das moderne Management war der Fallstrick für Hahne­ mann. Nach dem Ausscheiden des BMW-Verkaufschefs, in: Die WELT, Jg. 26, Nr. 253 vom 30. 10. 1971, in: BMW UA 859/1.

4.5. Vertriebspolitik

483

Funktionsbereich des Vertriebsressorts bzw. des Zentralmarketings heraus­ gelöst wurde (vgl. Kapitel 3.5.1). Sie unterstand fortan dem Ressort des Vor­ standsvorsitzenden und zeichnete Verantwortung für jedwede Nachricht ­redaktionellen Charakters, die das Haus BMW verließ. Hintergrund war die angestrebte Professionalisierung der externen Kommunikation im Rahmen eines homogenen Markenimages, die mit klaren Botschaften kommunizieren sollte.295 Es dauerte einige Zeit, bis die Umstrukturierung in allen Bereichen der Verkaufsabteilungen gelebt wurde und die Pressearbeit ausschließlich über die neue Abteilung abgewickelt wurde. Die BMW-Geschäftsleitung ­legte allerdings großen Wert auf die Beachtung der neuen Funktionszuwei­ sungen und ließ sie mittels der regelmäßig erscheinenden betriebsinternen Rundschreiben der Organisationsabteilung innerhalb des Unternehmens tra­ dieren.296 Darüber hinaus musste auch die Kommunikation mit den Partnern im Ausland koordiniert werden, was sowohl die Importeure als auch die ­eigenen Tochtergesellschaften einschloss, worauf, wie bereits angekündigt, dezidiert unter Kapitel 4.6 eingegangen wird. Umfassende Umstrukturierungen standen nicht selten in Verbindung mit personellen Veränderungen auf der Führungsebene. Doch noch bevor Hahnemann von Lutz als Vertriebsvorstand zum Jahreswechsel 1971/72 ab­ gelöst wurde, leitete die BMW-Geschäftsführung im Frühjahr 1971 eine um­ fassende Reorganisation ein, die über das Vorstandsressort hinausreichte. Ziel war es, dem rapiden Wachstum des Unternehmens Rechnung zu tragen und es international konkurrenzfähig zu machen. Dies bedeutete auch, die Strukturen für die weitere internationale Ausrichtung vorzubereiten und die BMW AG „konzernfähig“ zu machen: „In den nächsten Monaten wird die Strukturorganisation von BMW neu gestaltet. Das Ziel ist, die BMW-Organisation der Unternehmensgröße anzupassen, mit anderen Worten: BMW konzernfähig zu machen. Wesentliche Züge dieser Reorganisation sind: Verkürzung der Kontroll-Spannen, weitgehende Verselbständigung der Werke, Verlagerung der Kosten- und Gewinnverantwortlichkeit vom Vorstand auf Bereichsund Abteilungsleiter, Einsetzung von Werks-Controllern, zunehmende Delegation von Aufgaben und Verantwortung, Verjüngung der Führungsebene.“297

Diese Organisationsstrukturen wurden im Frühjahr 1972 umgesetzt und über die Ausgabe von Richtlinien an die Belegschaft kommuniziert.298 Um den betriebswirtschaftlichen und finanzpolitischen Aufgaben, die sich der Geschäftsleitung mit der Gründung in- und ausländischer Beteiligungen stellten, besser begegnen zu können, wurden diese beiden Bereiche getrennt 295  Vgl.

Aktennotiz „Presseinformationen“ des Exportleiters Dr. Baranek vom 12. 11.  1971, in: BMW UA 1609/1. 296  Vgl. Rundschreiben der Organisations-Abteilung Nr. 4/72 „Presseabteilung“ vom 07. 03. 1972, in: BMW UA 1615/1. 297  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 09. 03. 1971, in: BMW UA 807/2. 298  Vgl. BMW-Richtlinie Nr. 5/78 „Strukturorganisation der BMW-Gruppe“, 04. 04.  1978, in: BMW UA 2043/2.

484

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

und neben dem Finanzressort ein neuer Bereich für Betriebswirtschaft etab­ liert. Während von Kuenheim für einige Monate bis zur Benennung Haibers als Finanzvorstand die Verantwortung über die Finanzen übernahm, bestätig­ te der Vorstand den nur 35-jährigen Horst Urban in der Leitung des neuen „Ressorts B“ (Betriebswirtschaft), der fortan als Generalbevollmächtigter299 der BMW AG tätig war.300 Der Bereich Betriebswirtschaft, der, ähnlich wie zu dieser Zeit das Personal- und Sozialwesen,301 kein eigenständiger Vor­ standsbereich im eigentlichen Sinne war, umfasste die Hauptabteilungen Finanzbuchhaltung und Bilanzen, Kostenerfassung, Kostenplanung und ­ -analyse sowie Steuern, Versicherungen und Beteiligungen, Datenverarbei­ tung und Organisationssysteme.302 Der Verantwortungsbereich des neuen B-Ressorts spiegelte deutlich die Ausrichtung der Unternehmenspolitik wi­ der, die den weiteren Ausbau der BMW AG zu einem international ausgerich­ teten Konzern anvisierte. Diese Hauptabteilung für betriebswirtschaftliche Belange stellte jedoch nur eine kurzfristige Übergangslösung dar und sollte langfristig wieder in dem Finanzbereich aufgehen. Dies geschah bereits zum Jahresbeginn 1974 mit der Schaffung des neuen Finanzressorts unter Haiber.303 Von der zunehmenden Internationalisierung und der Gründung eigener Tochtergesellschaften ab 1973 war primär das Vertriebsressort betroffen, da­ rüber hinaus aber auch das Personalwesen, wie in Abschnitt 4.2.2 aufgezeigt wurde. Im November 1973 bekräftigte der Vorstand, dass er es für dringend erforderlich hielt, eine für alle Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ver­ bindliche Geschäftsordnung auszuarbeiten.304 Hierbei sollte sich in der ­Organisation eine gewisse Flexibilität bewahrt werden, die bislang laut Ge­ schäftsleitung einer der Gründe für den bis dato erzielten Erfolg des Unter­ nehmens war. Der Übergang zum Konzern barg nun die Gefahr, dass sich bürokratische Strukturen etablierten, die einen effizienten Prozess lähmten. Solch einer Entwicklung entgegenzutreten, sah der BMW-Vorstand als eine der vordringlichsten Aufgaben des Jahres 1973 und zu Beginn der ersten In­ ternationalisierungsphase an.305 299 Ein Generalbevollmächtigter der BMW AG war disziplinarisch jeweils einem Mitglied des Vorstands zugeordnet und galt als seine Stellvertretung im Innenverhält­ nis. Generalbevollmächtigte mit Ressortverantwortung nahmen an erweiterten Vor­ standssitzungen der BMW AG teil, vgl. Protokoll Nr. 10/74 der Vorstandssitzung vom 01. 03. 1974, in: BMW UA 852/1. 300 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10. 301  Erst im Oktober 1976 wurde das Sozial- und Personalwesen bei BMW zu einem eigenen Vorstandsressort aufgewertet, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 73. 302  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 09. 03. 1971, in: BMW UA 807/2. 303  Vgl. Protokoll Nr. 1/74 der Vorstandssitzung vom 09. 01. 1974, in: BMW UA 852/1. 304 Vgl. Protokoll Nr. 30/73 der Vorstandssitzung vom 21. 11. 1973, in: BMW UA 851/1. 305  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 02. 1973, in: BMW UA 856/2.

4.5. Vertriebspolitik

485

Zwischen 1972 und 1983 gründete BMW etwa eine neue Vertriebsgesell­ schaft im Ausland pro Jahr, die auf alle Kontinente verteilt waren, weitere Inlandsbeteiligungen kamen ebenfalls hinzu. Anfangs behandelten die Ver­ kaufsabteilungen in der Münchner Zentrale die ausländischen Töchter in den betriebsinternen Abläufen wie Importeure, was allerdings zu Problemen führte und die Vorteile der Internalisierung des Vertriebs zu nivellieren droh­ te. Im Februar 1975 wurde eine erste vom Vorstand bestätigte Richtlinie ­ausgegeben, die das Verhältnis zwischen der BMW AG und ihren Tochter­ gesellschaften und Beteiligungen im In- und Ausland regelte.306 Mit dem Ausbau der Vertriebsorganisation, der zunehmenden Bedeutung der Beteili­ gungen und der steigenden Komplexität der Koordination gab der Vorstand im September 1976 dann erneut den Auftrag, ein Konzept zur Neuregelung auszuarbeiten. Die Bereiche307 für langfristige Unternehmensplanung (AU) und juristische Belange (AJ) erarbeiteten daraufhin ein Papier zur Beteili­ gungsorganisation, das im April 1977 dem Vorstand vorgelegt wurde. In die­ sem wurde aufgezeigt, dass noch immer eine zentrale Stelle zur Koordina­ tion, aber auch als zentraler Anlaufpunkt der Töchter für Rücksprachen mit dem Stammhaus, fehlte. Die Kommunikation sollte also in beide Richtungen deutlich verbessert werden. Des Weiteren war ein unzureichender Informa­ tionsfluss zwischen der BMW AG und ihren Beteiligungen festzustellen, mangelhafte Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten sowie Doppelarbeiten, die aufgrund einer nicht der Entwicklung angepassten Organisationsstruktur in der Zentrale sowie in den Tochtergesellschaften anfielen und somit auf beiden Seiten erledigt wurden. Nachdem das bisherige Prinzip der zentralen Führung der Gesellschaften weiterhin aufrechterhalten werden sollte, war die Einrichtung einer zentralen Informations- und Koordinationsstelle in München unerlässlich.308 Das vorgeschlagene Konzept wurde von dem BMW-Vorstand in seiner Sitzung vom 19. April 1977 grundsätzlich ange­ nommen und zum 27. September 1977 ein solches Gremium konstituiert, das fortan als „Vorstandsausschuss für Beteiligungen“ unter dem Kurzzeichen VA-Z firmierte und alle vier bis sechs Wochen tagen sollte. Gegenüber den 306 Vgl.

Protokoll Nr. 5/75 der Vorstandssitzung vom 19. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1. 307  Bereiche sind organisatorisch Funktionen Erster Zuordnung und werden in Orga­ nigrammen durch zwei Buchstaben abgebildet. Die BMW AG folgt in ihrer Organisa­ tion folgendem hierarchischen Linienprinzip: 1. Ressort, 2. Bereich, 3. Hauptabtei­ lung, 4. Abteilung, 5. Unterabteilungen, vgl. BMW-Richtlinie Nr. 5/78 „Strukturorga­ nisation der BMW-Gruppe“, 04. 04. 1978, in: BMW UA 2043/2; Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978–1982, in: BMW UR 4843/1. 308  Ursprünglich sah das Konzept der Unternehmensstrategie (AU) und der Rechts­ abteilung (AJ) eine etwas abweichende inhaltliche und disziplinarische Aufhängung der Zentralstelle vor, die als „BZ“ inhaltlich und eingeschränkt auch disziplinarisch fungieren sollte. Dieser Vorschlag wurde jedoch vom Vorstand leicht abgewandelt, vgl. Vorlage zur Vorstandssitzung „Beteiligungsorganisation“ vom 14. 04. 1977, in: BMW UR 2538/1.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Tochtergesellschaften nahm die Stelle VA-Z Gesellschafterkompetenz wahr.309 Darüber hinaus gab es noch die Zentralstelle Beteiligungen, die als AZ dem operativen Bereich des A-Ressorts des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, also von Kuenheim, zugeordnet war.310 Parallel wurde ein Pendant im ­Vertriebsressort unter dem Abteilungskürzel VZ eingerichtet, das über eine ­Matrixbeziehung mit der steuernden Einheit AZ verbunden war.311 Hier­ durch gab es nun erneut mit dem Vorstandsausschuss VA-Z und den Stellen AZ und VZ drei unterschiedliche Einheiten, die sich mit den B ­ elangen der Beteiligungen auseinandersetzten. Um die hierdurch abermals anfallende Mehrarbeit durch Überschneidungen zu reduzieren, beschloss der Vorstand bereits im April 1980 – im Sinne eines durchgeführten Trial-and-Error-Vor­ gehens – die Auflösung der Stelle VZ und die Verteilung ihrer Kompetenzen und Aufgaben auf andere Stellen. Diese wurden hauptsächlich übernommen von dem Vertriebsressort, der zentralen Fachstelle AZ und darüber hinaus von FZ, der zentralen Steuerung im Finanzressort namens „Beteiligungen ­Finanzen“ (vgl. Kapitel 4.5.2.3).312 Ferner wurde im April 1978 eine neue BMW-Richtlinie über die „Strukturorganisation der BMW-Gruppe“313 veröffentlicht, die somit eine bis dahin geltende Richtlinie aus dem April 1972 ablöste. Auch in ihr wurde die Not­ wendigkeit formuliert, flexibel auf die sich ändernden Anforderungen zu re­ agieren, worauf eine Unternehmensorganisation Bezug zu nehmen hatte. Im Kern der Richtlinie wurde folgende Prämisse verankert: „Grundsätzlich gilt, dass die Strukturorganisation soweit wie möglich dezentral und soweit dies wirtschaftlich und/oder unternehmenspolitisch notwendig ist, zentral aus­ gerichtet wird. Wachstum und Diversifikation im In- und Ausland erfordern diese Dezentralisierung der Aufgabenerfüllung unter Beibehaltung der Verantwortung für die zentrale Steuerung und Überwachung durch den Vorstand der BMW-AG [sic!]. Die Linien-Organisation wird teilweise ergänzt durch zusätzliche fachliche Weisungs­ rechte im Sinne einer Matrix-Organisation und fallweise ergänzt durch eine ProjektOrganisation. Matrix- und Projekt-Beziehungen werden jedoch nur gebildet, wenn sie zu besseren Ergebnissen führen als die reine Linien-Organisation.“314

Dieser einleitende Grundsatz zeigt, dass die Geschäftsleitung gegen Ende der dritten Internationalisierungsphase von ihrer primär zentral ausgerichteten Organisation abwich und dezentrale Strukturen dort zuließ, wo sie die Pro­ 309 Vgl. Protokoll Nr. 29/77 der Vorstandssitzung vom 04. 10. 1977, in: BMW UA 1456/1. 310 Vgl. Aktennotiz „Postzeichen für Beteiligungszentrale“ vom 02.  08. 1977, in: BMW UA 818/3; Mitteilung des Vorstands „Organisation und Führung des BMWKonzerns“ vom 23. 07. 1979, in: BMW UA 2043/2. 311  Vgl. Organigramm der BMW AG, 1979, in: BMW 818/3. 312 Vgl. Protokoll Nr. 17/80 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1980, in: BMW UA 1460/1. 313  BMW-Richtlinie Nr. 5/78 „Strukturorganisation der BMW-Gruppe“, 04. 04. 1978, in: BMW UA 2043/2. 314 Ebd.

4.5. Vertriebspolitik

487

zesse effizienter machten. Dessen ungeachtet war die BMW AG auch gegen Ende des Untersuchungszeitraums ein multinationaler Konzern, der sich vor allem durch eine zentral auf das Stammhaus ausgerichtete Organisation aus­ zeichnete. Zwar erhielten die Töchter sukzessive mehr Kompetenzen, ver­ fügten jedoch über einen geringen Vernetzungsgrad untereinander. Es han­ delte sich also um ein Netz aus Gesellschaften, in dessen Mitte das Stamm­ haus in München zentral die wesentlichen Belange des Konzerns steuerte. In diesem Punkt unterschied sich die BMW AG deutlich von anderen Konzer­ nen, die einen hohen Vernetzungsgrad zwischen den einzelnen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften aufwiesen (vgl. Kapitel 1.2.1).315 Laut GrunowOsswald musste auch bei Daimler-Benz eine umfassende Reorganisation im Zuge der wachsenden internationalen Ausrichtung durchgeführt werden, die allerdings seit Mitte der 1960er Jahre auf sich warten ließ. Es mangelte dem Daimler-Benz-Konzern an modernen Führungsinstrumenten, um seine Töch­ ter sowohl in die Planung als auch in die operativen Geschäfte ausreichend einzubinden und auf die lokalen Marktverhältnisse spezifisch reagieren zu können. In der funktionalen Organisation der Stuttgarter Zentrale mangelte es an eindeutigen Verantwortlichkeiten, worunter die Effizienz litt. Die Neu­ ordnung der Geschäftsfelder, einschließlich der Vorstandsbereiche, erfolgte bei Daimler-Benz erst gegen Ende der 1970er Jahre.316 BMW hatte zwar deutlich weniger Gesellschaften im Ausland, leitete jedoch früher eine um­ fassende Reorganisation der Konzernstrukturen ein. Dies fiel dem Münchner Konzern aufgrund seiner vergleichsweise kleinen Unternehmensgröße leichter als dem Stuttgarter Haus, das einen höheren Internationalisierungsgrad mit zahlreichen Auslandsdirektinvestitionen aufwies – wodurch manche Prakti­ ken eingefahrener und schwerer aufzubrechen waren. Laut der neuen Richtlinie bei BMW entsprachen Tochter- und Beteili­ gungsgesellschaften aus organisatorischer Sicht Bereichen oder Hauptabtei­ lungen, ihre Struktur konnte sich jedoch von der allgemeinen Struktur der BMW AG unterscheiden.317 Eine Untersuchung der Organigramme der ein­ zelnen Tochtergesellschaften zeigt, dass sich ihr organisatorischer Aufbau 315  Vgl. Bartlett, Christopher / Ghoshal, Sumantra (1990): The Multinational Corpora­ tion as an Interorganizational Network, in: The Academy of Management Review, Vol. 15, No. 4, pp. 603–625, hier p. 613f. Konzerne wie Procter & Gambles (P&G) wie­ sen in den 1980er Jahren eine äußerst dezentral ausgerichtete Struktur auf, die den euro­ päischen Niederlassungen einen hohen Grad an Selbstständigkeit einräumte, bis hin zu lokalen Produktentwicklungs- und Produktionsstandorten, die vergleichsweise autark gegenüber der Zentrale agierten. Zugleich konnte bei P&G, oder auch beispielsweise bei Unilever, ein hoher Informationsaustausch im Bereich Forschung und Entwicklung zwischen den einzelnen Standorten untereinander, aber auch der Muttergesellschaft, ­registriert werden, der laut Bartlett/Ghoshal Ausdruck einer transna­tionalen Organisa­ tion ist, vgl. Bartlett/Ghoshal, Internationale Unternehmensführung, S. 121–124. 316  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 279 und S. 346–352. 317  Vgl. BMW-Richtlinie Nr. 5/78 „Strukturorganisation der BMW-Gruppe“, 04. 04.  1978, in: BMW UA 2043/2.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

tatsächlich in Teilen von dem des Stammhauses abhob. Während die südafri­ kanische Tochter BMW SA, die sowohl Funktionen einer Produktions- als auch als Vertriebsgesellschaft in sich vereinte, mit Ausnahme des Motorrad­ geschäftes einen nahezu identischen Aufbau wie die Zentralfunktionen in München aufwies, kam es in anderen Gesellschaften, wie etwa der BMW Austria GmbH und BMW Australia Ltd., zu Beginn der 1980er Jahre mitun­ ter noch zu erheblichen Abweichungen.318 Die Zentrale legte jedoch zu­ nächst vor allem Wert auf eine funktionale Organisation und passte diese Ungleichheiten im Verlauf der Zeit an, anstatt alle Töchter noch während der dritten Internationalisierungsphase umzustrukturieren, was einen e­ rheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet hätte. Da die einzelnen Gesellschaften eng an die Zentrale gebunden waren, bedeutete dies keineswegs einen Kontrollver­ lust für das Münchner Stammhaus. Dudley spricht bei diesem Vorgehen von einer Nachahmung der Organisationsstruktur der Muttergesellschaft auf re­ gionaler Ebene.319 Perlitz zufolge ist eine funktionale Organisation vorran­ gig für Unternehmen mit einer geringen Produktdifferenzierung und Aus­ landsaktivität charakteristisch, in denen sich also die ausländischen Tochter­ gesellschaften einem einzigen Funktionsbereich zuordnen lassen.320 Im Falle der BMW AG ist dies während der dritten Internationalisierungsphase aller­ dings nur eingeschränkt zutreffend, da sich das Produktportfolio allmählich weiter diversifizierte und sich die Auslandsaktivitäten zwar vor allem auf den Vertriebsbereich konzentrierten, sich jedoch nicht hierauf beschränkten. Die ausländischen Töchter berichteten über das Vertriebsressort hinaus an den koordinierenden Vorstandsausschuss VA-Z und stimmten ferner ihre Pres­ searbeit mit der neu etablierten Fachstelle für Presse- und Öffentlichkeitsar­ beit des A-Ressorts ab, dem der Vorstandsvorsitzende von Kuenheim vorsaß. Personalangelegenheiten wurden, je nach globaler Reichweite der Entschei­ dung, ebenso mit dem zentralen Personal- und Sozialwesen abgestimmt.321 Die Internationalisierung erfasste also alle Bereiche des Unternehmens, nicht nur die Vertriebsabteilungen. In der Regel wurde die Geschäftsleitung der hundertprozentigen BMWTochtergesellschaften mit mindestens zwei Geschäftsführern besetzt: Wäh­ rend der Hauptgeschäftsführer, also der „erste Mann“, vorzugsweise aus dem jeweiligen Land rekrutiert werden sollte, wurde angestrebt, den „zweiten Mann“ – oftmals Leiter des Finanzbereichs – aus dem Stammhaus zu entsen­ den. Mitunter kam noch ein weiterer Geschäftsführer für den Vertriebsbe­ 318 Vgl.

Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978– 1982, in: BMW UR 4843/1. 319  Vgl. Dudley, James: 1992 – strategies for the single market, London 1989, S. 328– 349. 320  Vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 483. 321  Vgl. Aktennotiz „Personalpolitik in den Beteiligungsgesellschaften“ von Christian von Eckartsberg, Leiter BMW-Personalbetreuung Beteiligungen/Niederlassungen, vom 09. 02. 1977, in: BMW UA 1865/1.

4.5. Vertriebspolitik

489

reich hinzu, der ebenfalls dem Hauptgeschäftsführer unterstellt war.322 In der Realität kam es durchaus zu Abweichungen: Während bei der japanischen Tochtergesellschaft seit ihrer Gründung 1981 viele Jahre an dieser Regelung festgehalten wurde, bis Paysen Ende der 1980er Jahre vom zweiten zum ersten Geschäftsführer wechselte, stellte in anderen Gesellschaften, wie etwa in Süd­ afrika, das Münchner Stammhaus stets auch den Managing Director. Laut einer Rahmenbestimmung zur Regelung der Beziehung zwischen der BMW AG und den Tochter- und Beteiligungsgesellschaften von 1976 waren die beiden ­ orstandsvorsitzenden und Geschäftsführer der Töchter disziplinarisch dem V dem funktional zuständigen Vorstandsmitglied gemeinsam unterstellt. Letz­ terer konnte „in Ausübung seiner funktionalen Zuständigkeit eine Kontaktstelle in der nächsten Ebene seiner Organisation benennen.“323 Eine Untersu­ chung von Bischoff aus dem Jahr 1985 zeigte, dass bei den ausländischen BMW-Tochtergesellschaften bis 1983 ein Großteil der Hauptgeschäftsführer aus dem jeweiligen Domizilland rekrutiert worden war.324 Lediglich in Bel­ gien, Großbritannien, Österreich, Süd­afrika und den USA war eine größere Einflussnahme durch von dem Stammsitz entsandte Geschäftsführer zu ver­ zeichnen.325 Diese Beobachtung von Bischoff darf jedoch nicht zu dem Schluss führen, dass die Töchter sich via eines einheimischen Managing Director allzu selbstständig gegenüber der Zentrale bewegen konnten, da dieser potentielle Spielraum durch die „Politik des zweiten Mannes“ aus München eingegrenzt bzw. die Tochter hierdurch wieder stärker in die Unternehmenspolitik der Zentrale eingebunden wurde. Die Praxis der japanischen Tochtergesellschaft, mit der Aufgabenteilung in der Geschäftsleitung zwischen Hamawaki und Paysen, ist hier ein anschau­liches Exempel. Bevor in den folgenden Abschnitten auf die Vertriebspolitik der BMW AG im Zusammenspiel mit ihren Töchtern und Importeuren eingegangen wird, soll, wie bereits in den Ausführungen zu der ersten und zweiten Phase der Internationalisierung, noch kursorisch auf die Organisation des Ver­ triebsressorts eingegangen werden. Zwei der entscheidenden Änderungen gegenüber den 1960er Jahren sind bereits angesprochen worden: Die Heraus­ lösung der Öffentlichkeits- und Pressearbeit aus dem Vertriebsressort und die Etablierung einer eigenen, dem Vorstandsvorsitzenden unterstellten Hauptabteilung war ein wichtiger Schritt hin zur Professionalisierung der BMW-Kommunikationspolitik in den 1970er Jahren. Des Weiteren handelte 322  Vgl. Ausarbeitung, von Eckartsberg, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesellschaften“, 1977, in: ebd. 323 Rahmenbestimmung zur Regelung der Beziehung zwischen der BMW AG und den Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1976, in: ebd. 324 Hierbei handelte es sich um die BMW-Vertriebsgesellschaften in Italien, Frank­ reich, der Schweiz, den Niederlanden, Australien, Japan und Spanien sowie den Fi­ nanzierungs- und Holdinggesellschaften, vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 47, Abbildung 6. 325  Vgl. ebd., S. 47.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

es sich bei der Einrichtung der zentralen Koordinations- und Überwa­ chungsstelle, die zugleich als zentraler Anlaufpunkt für alle Beteiligungen dienen sollte, um eine weitere wichtige Maßnahme, um die Unternehmensor­ ganisation konzernfähig und den Ablauf zur Abstimmung, Abwicklung und auch Kontrolle im internationalen Geschäft effizienter zu gestalten. Durch diesen dem Vorstand unterstellten Ausschuss, der als VA-Z Kontrollfunktion ausübte, sollte zugleich vermieden werden, dass in mehreren Teilen des Kon­ zerns ein- und dieselben Aufgaben doppelt erledigt wurden. Die untenstehende Abbildung 38 gibt Einblick in den organisationalen Aufbau des BMW-Vertriebsressorts zum Ende der dritten Phase der Interna­ tionalisierung.326 Dargestellt sind nur die Hierarchieebenen bis einschließlich Hauptabteilungen sowie die disziplinarischen Abhängigkeiten zwischen ih­ nen, nicht hingegen die inhaltlichen Weisungsrechte. Jeder der hier aufge­ führten Bereiche, die sich durch zwei Buchstaben auszeichneten, hatte ferner mindestens eine weitere, ihm unterstehende Hauptabteilung, deren Kürzel sich aus den beiden Buchstaben ihres Bereichs sowie einer Zahl zusammen­ setzte. Diesen waren in der Regel weitere Abteilungen unterstellt, deren ­Zugehörigkeit durch eine zweistellige Zahl zum Ausdruck kam.327 In dieser Linien-Struktur mit mehreren Unterebenen, die bis heute in der BMW AG Bestand hat, spiegelt sich ein deutlicher Unterschied zu den Organisations­ formen der 1950er und 1960er Jahre wider, in denen BMW lediglich über drei Ebenen strukturiert war: Ressorts (ein Buchstabe), Hauptabteilungen (zwei Buchstaben) und Abteilungen (drei Buchstaben), auf die detailliert in den Kapiteln 2.5.1 und 3.5.1 eingegangen wurde. An dieser Stelle soll lediglich auf die wesentlichen Unterschiede in der Or­ ganisation des Vertriebsressorts gegenüber den 1960er Jahren eingegangen sowie ein kurzer Vergleich zu den Mitbewerbern Daimler-Benz und VW ge­ zogen werden. Das alltägliche Geschäft wurde also vom Vertriebsressort ab­ gewickelt, während der Vorstandsausschuss VA-Z bzw. VZ koordinierende und strategische Aufgaben übernahm und somit der BMW-Geschäftsleitung direkt unterstellt war. Bald zeigte sich allerdings in der Praxis, dass viele Auf326 Die Dokumentation der Organisationsstrukturen der BMW AG gestaltete sich äußerst schwierig, da entsprechende Organigramme nur fragmentarisch überliefert sind. Für den Zeitraum der 1970er Jahre liegen im BMW Group Archiv leider kaum Organigramme vor. Je nach Ressort sind einige wenige Organigramme ab den späten 1970er überliefert. Die künftige Erschließung neuer Bestände wird diese Leerstelle hoffentlich schließen können. 327  Während man bei Bereichen von Funktionen Erster Zuordnung (VS) sprach, han­ delte es sich bei den ihnen unterstellten Hauptabteilungen um Funktionen Zweiter Zuordnung (VS-1), bei weiteren diesen zugeordneten Abteilungen um Funktionen Dritter Zuordnung (VS-10) usf. Im Bereich VS schlossen sich Unterabteilungen an, bei denen es sich um Funktionen Vierter Zuordnung (VS-100) handelte, vgl. BMWRichtlinie Nr. 5/78 „Strukturorganisation der BMW-Gruppe“, 04. 04. 1978, in: BMW UA 2043/2; Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978– 1982, in: BMW UR 4843/1.

Region 2, Südwest (VI-R-2)

Region 3, Mitte (VI-R-3)

Region 4, West (VI-R-4)

Region 5, Nord (VI-R-5)

Afrika Osteuropa (V1-R-5)

Nord-/Lateinamerika (V1-R-4)

Niederlassungen Filialen (VI-X)

Niederlassungen Zentral (VI-5)

Region 1, Süd (VI-R-1)

Nah-/Fernost Australien (V1-R-3)

NordEuropa (V1-R-2)

Großkunden & Behörden (VI-4)

Betriebsw. Händlerberatung (VI-3)

Marketing Training (VM-4)

Marketing Kommunikat. (VM-3)

Süd-und Westeuropa (V1-R-1)

Export-Orga. & Planung (VE-1)

Verkaufsplanung (VI-2)

VertriebsOrga/Planung (VI-1)

Vertrieb Export (VE)

VertriebswegeSysteme (VK-2)

Marketing Planung (VM-2)

Vertrieb Inland (VI)

Koordination Konzernvertrieb (VK-1)

Kundendienst (VS-2)

(VS-3)

Distribution

Handelsbedarf/Teile (VS-1)

Vertrieb Service (VS)

RessortSystemstelle (VK-3)

Zentr. Servicesysteme/Plan. (VS-S)

Konzernvertrieb, Vertriebssysteme (VK)

Marktinformation (VM-1)

Vertrieb Marketing (VM)

Controller V-Ressort (V-C)

Vorstand Vertrieb (V)

4.5. Vertriebspolitik

491

Abbildung 38: Organigramm des Vertriebsressorts der BMW AG unter Schönbeck, 1981.328

328  Vgl. Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978–1982, in: BMW UR 4843/1.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

gaben doppelt erledigt wurden: Sowohl im Bereich VE als auch in der Koor­ dinierungsstelle VA-Z, was in den frühen 1980er Jahren zur Auflösung der Stelle VA-Z und Eingliederung in die Bereiche Export (VE) und zentrales Marketing (VM) führte.329 Um die Kosten der einzelnen Ressorts besser im Blick zu behalten, wurde im Rahmen der Matrix-Organisation bei BMW im Laufe der 1970er Jahre für jedes Ressort ein eigenes Controlling eingesetzt, das direkt an den jeweiligen Vorstand des Ressorts berichtete. Dieses sogenannte „Ressort-Controlling“ sollte eine bessere Kostenkontrolle ermöglichen und das Controlling be­ reichsübergreifend strukturieren. Auf diese Weise wurde die 1965 einger­­ich­ tete Abteilung VME zur Etatüberwachung innerhalb des Verkaufsbereichs ­abgelöst, die sich ohnehin unter der Ägide Hahnemanns als vergleichsweise zahnlos erwiesen hatte (vgl. Kapitel 3.5.1). Durch das neue Ressort-Control­ ling wurde die Funktion der Kostenüberwachung in eine konzerntaugliche Struktur eingegliedert. Unterstützt wurde diese Fachstelle fernerhin von der Etatverwaltung, die dem zentralen Marketing (VM) unterstand.330 Andere grundsätzliche Organisationsprinzipien des Vertriebsressorts, de­ ren Beginn auf die späten 1960er Jahre zurückreichten, blieben hingegen be­ stehen und so teilte sich der Verkaufsbereich auch während der dritten Inter­ nationalisierungsphase im Wesentlichen auf in ein zentrales Marketing (VM), die Bereiche Verkauf Inland (VI) sowie Verkauf Export (VE) und die unter Vertrieb Service (VS) subsumierten Dienstleistungen, wie etwa die Ersatzteil­ organisation, der Kundendienst, aber auch die Distribution, worunter ebenso Logistikaufgaben, wie die Regelung des Überseeverkehrs, fielen. Weiterhin zeichnete das zentrale Marketing Verantwortung für die Marktforschung und Erstellung von Marktinformationen sowie von ausführlichen Vertriebs­ berichten. Nachdem die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aus dem Bereich VM herausgelöst und dem A-Ressort des Vorstandsvorsitzenden zugeordnet worden war, konzentrierte sich das Zentralmarketing auf die Marketingkom­ munikation, womit vor allem die strategische Ausrichtung der verkaufs­ fördernden Kommunikationsstrategie, einschließlich ihrer internationalen Koordination, zählte, aber auch die Gestaltung der Werbung sowie der ­Corporate Identity, für die 1977 eine eigene Abteilung im zentralen Marke­ ting eingerichtet wurde, worauf dezidierter in Abschnitt 4.6.1 eingegangen wird.331 Weitere wichtige klassische Aspekte des Marketings, wie die Pla­ nung des Produktprogramms und die Preisbildung, waren ebenfalls im zen­ tralen Marketing verortet. Separate, diesen Aufgaben entsprechende Stellen bestanden im Hinblick auf Preis- und Volumenplanung ebenfalls in den Be­ 329 

Vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 58. Vgl. Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978–1982, in: BMW UR 4843/1. 331 Vgl. BMW AG (Hg.): Weltweite Markenpräsenz – ein Weg mit Konsequenzen, Sonderdruck aus Corporate Identity, 4. Auflage, Landsberg/Lech 1989, S. 1. 330 

4.5. Vertriebspolitik

493

reichen des Inlandsverkaufs (VI) und Exports (VE), die, ebenso wie das zen­ trale Marketing, direkt an den Vertriebsvorstand berichteten.332 Im Ausland wurde die 1972/73 eingeleitete Politik der Übernahme wichtiger Importeurs­ funktionen in eigener Regie fortgesetzt. Die bestehenden Volumenmärkte sollten weiter ausgebaut und neue, Erfolg versprechende Märkte erschlossen werden. Dieses Vorgehen warf allerdings im konzerninternen Umgang und in der Abwicklung immer neue Fragen auf. Um seiner Absatzplanung und Marktverantwortung zur Durchsetzung der Aufgaben gerecht zu werden, beantragte Vertriebschef Schönbeck 1979 bei seinen Vorstandskollegen für den Leiter des Exports (VE) ein unmittelbares fachliches Weisungsrecht ge­ genüber den ausländischen Vertriebstöchtern. Ferner forderte er, dass im Rahmen der Diskussion über Organisation und Führung des BMW-Kon­ zerns die Frage des Weisungsrechtes der Fachstellen innerhalb der BMW AG sowie der Handlungsspielraum und die Selbstständigkeit der Tochtergesell­ schaften erneut geprüft werden sollten.333 Diese Diskussionen verdeutlichen, dass die Konzernorganisation den sich rasch vollziehenden Entwicklungen der 1970er Jahre Rechnung zu tragen hatte. Sie musste also gegen Ende der dritten Internationalisierungsphase an die sich wandelnden Anforderungen, die sich im Zuge der internationalen Konzernausrichtung ergaben, erneut ­angepasst werden. Diese Beobachtung stützt die von Chandler formulierte Annahme, dass sich die Struktur eines Unternehmens seiner Strategie anpasst: „structure follows strategy“.334 Ein Vergleich zwischen Daimler-Benz und BMW zeigt, dass der gravie­ rendste organisationale Unterschied in der Integration des Exports lag. Wäh­ rend Daimler-Benz seit den 1950er Jahren für das Auslandsgeschäft einen ­eigenen Vorstandsbereich ernannt hatte, waren In- und Auslandshandel bei BMW seit Anbeginn gemeinsam unter dem Dach des Gesamtvertriebs inte­ griert und dort seit der zweiten Internationalisierungsphase in die Bereiche Verkauf Inland (VI) und Verkauf Ausland (VE) gegliedert.335 Bei dem Mit­ bewerber in Stuttgart fielen zahlreiche Arbeiten doppelt an, da Abteilungen wie Ersatzteile, Kundendienst, Absatzplanung, Verkaufsorganisation und Marketingkonzeption redundant für die Bereiche In- und Ausland geführt wurden.336 Bei VW hatte sich 1971 eine ähnliche Entwicklung vollzogen, 332 Vgl. Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978– 1982, in: BMW UR 4843/1. 333 Vgl. Protokoll Nr. 24/79 der Vorstandssitzung vom 31. 07. 1979, in: BMW UA 1447/1. 334  Vgl. weiterführend Chandler, Visible Hand. 335  Später sollte sich diese Struktur für kurze Zeit ändern, denn zwischen Mai 1986 und September 1989 wurde das Vertriebsressort für einige Jahre auf Vorstandsebene in Inland und Ausland aufgeteilt. Nach knapp 3,5 Jahre wurde es wieder in eine Einheit zusammengeführt und von Robert Büchelhofer übernommen, der zuvor das Ressort Verkauf Inland geleitet hatte, vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 498f. 336  Vgl. Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 225.

494

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

i­ndem das Marketing nach In- und Auslandsgeschäft aufgeteilt wurde und somit dort ebenfalls Aufgaben doppelt je nach Bereich erledigt wurden, ­ wenn auch innerhalb eines für den gesamten Vertrieb Verantwortung zeich­ nenden Ressorts. Die BMW-Geschäftsleitung hatte sich aktiv gegen einen solchen Vertriebsaufbau ausgesprochen, der bei VW durch eine erneute Um­ strukturierung ebenfalls im Sinne eines zentralen Marketings umstrukturiert wurde.337 Erst Anfang der 1980er Jahre zeichnete sich hingegen bei DaimlerBenz eine „stabile, integrierte Form der Kooperation zwischen Marketing, Marktforschung Produktplanung und Design“ auf organisatorischer Ebene ab.338 Eine Entwicklung, die sich bei BMW bereits zu Beginn der 1960er Jah­ re vollzogen hatte. 1984 wurden In- und Auslandsgeschäft bei Daimler-Benz in einem Ressort für den Gesamtvertrieb zusammengefasst.339 Bei BMW stellte die nun vorgenommene Regionalisierung der Organisa­ tion im Vertriebsressort, sowohl im In- als auch im Ausland, eine wesentliche Neuerung gegenüber dem seit Ende der 1960er Jahre etablierten Vertriebs­ aufbau dar. Den beiden Geschäftsbereichen wurden auf Hauptabteilungsebene jeweils fünf Regionen unterstellt, die den Verkauf von Automobilen abwickel­ ten und ­jeweils an die Leitung von VI und VE berichteten. Motorräder wur­ den seit 1976 gesondert vom automobilen Geschäft behandelt, da der Vor­ stand am 11. November 1975 eine umfassende Umstrukturierung des Zweirad­ bereichs beschlossen hatte, indem alle diesen Zweig betreffenden Bereiche in einer eigenen Motorradgesellschaft gebündelt wurden. Auch der BMW-Auf­ sichtsrat stimmte dem Organisationskonzept und insbesondere der Einbrin­ gung des Berliner Werkes und „der bei der AG wahrgenommenen Motorradfunktionen in eine eigene Motorradgesellschaft, und zwar die erweiterte BMW Motorrad GmbH, zu.“340 Für die rechtliche Umwandlung wurde der 1. Januar 1976 festgelegt. Der Vertrieb der BMW AG konzentrierte sich also primär auf das Wagengeschäft, wo die operativen Tätigkeiten nach Regionen strukturiert waren, während sich das zentrale Marketing vor allem strate­ gischen und übergreifenden Aufgaben widmete. Im Inland wurden die Ver­ kaufsbereiche nach Süd, Südwest, Mitte, West und Nord aufgeteilt, was zu­ gleich verdeutlicht, dass der bundesdeutsche Absatz von BMW auch noch in den 1970er Jahren im Süd- und Südwestteil des Landes stärker ausgeprägt war. Der Export war ebenfalls in fünf Regionen unterteilt, wie in Abbildung 38 ersichtlich wird: Süd- und Westeuropa (Region 1), Nordeuropa (Region 2), Nahost, Fernost, Australien (Region 3), Nord- und Lateinamerika (Region 4) sowie Afrika und Osteuropa (Region 5). Diese Aufteilung spiegelt zugleich die Gewichtung der einzelnen Verkaufsregionen wider; so bestätigt etwa die Zuordnung des osteuropäischen Handels zu Afrika, wie gering die Ausfuhr 337 

Vgl. ebd., S. 236f. Ebd., S. 230f. 339  Vgl. ebd., S. 231, Abbildung 4. 340  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 03. 12. 1975, in: BMW UA 1462/2. 338 

4.5. Vertriebspolitik

495

in die osteuropäischen Länder war. Auf diesen Punkt wird kursorisch in Ab­ schnitt 4.5.3 eingegangen. An dem Prinzip der Regionalisierung des Vertriebs im Ausland hält die BMW AG bis heute fest, auch wenn sich die Kategorisie­ rung der einzelnen Ländergruppen natürlich mehrfach mit der sich ändernden Absatzstruktur gewandelt hat. Eine weitere Neuerung gegenüber den 1960er Jahren war die Einrichtung einer strategisch ausgerichteten Planabteilung namens Konzernvertrieb & Ver­ triebssysteme (VK), der die anderen Verkaufsabteilungen disziplinarisch nicht unterstellt waren, die sich jedoch mit sämtlichen übergeordneten Vertriebsfra­ gen auseinandersetzte und direkt an den Vertriebsvorstand Schönbeck berich­ tete. An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass die s­trategische Pla­ nung und Implementierung der durch die strategischen Abteilungen erarbeite­ ten Maßnahmen kein Procedere ist, das einzig top-down gesteuert verläuft. Vielmehr ist die Planung in ihrer Durchführung durch eine Vielzahl von Querverbindungen gekennzeichnet, da Planungsänderungen aus den unter­ schiedlichen hierarchischen Ebenen der Unternehmensorganisation notwen­ dig werden können. In diesem Sinne bilden Planung, Implementierung, Orga­ nisation und Kontrolle einen Regelkreis des Instrumentenkanons der Unter­ nehmensführung.341 Dieser Regelkreis findet sich auch in der Organisation des Vertriebsressorts der BMW AG gegen Ende der dritten Internationalisie­ rungsphase, wo sich die Planungsarbeiten auf mehreren Ebenen – sowohl auf Bereichs-, Hauptabteilungs- und Abteilungsebene – institutionalisierten. Des Weiteren wurde der zunehmenden internationalen Ausrichtung des Unternehmens – die zwischen 1972 und 1981 elf firmeneigene ausländische Vertriebsgesellschaften hervorbrachte, darunter auch eine produzierende Tochtergesellschaft in Südafrika, sowie ferner zwei Holding- und eine Finan­ zierungsgesellschaft im Ausland – in verschiedenen Bereichen innerhalb des Vertriebsressorts Rechnung getragen: Das in Kapitel 3.5.2.1 beschriebene Delegiertenprinzip der BMW AG, das in den 1960er Jahren seine Blütezeit erlebt hatte, bestand zwar noch immer zu Beginn der 1970er Jahre, wurde jedoch sukzessive abgebaut. Die sogenannte Delegiertenzentrale verfügte 1972 noch über etwa 30 Mitarbeiter und ein eigenes, der Exportabteilung zu­ geordnetes Kurzzeichen.342 Mit der strukturierten Erschließung neuer Märk­ te und Betreuung bestehender Importmärkte verloren die Delegierten jedoch im Zuge der dritten Internationalisierungsphase stetig an Bedeutung, da die Regionen fortan direkt von der Zentrale bzw. vom Werk aus betreut wurden. Bestehende Verträge mit Delegierten ließ die Geschäftsleitung auslaufen.343 Um des Weiteren den sich seit Anfang der 1970er Jahre intensivierenden 341 

Vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 32–34. Schreiben der Exportabteilung VE-52, BMW AG, an den südafrikanischen BMW-Generalimporteur ERAD vom 22. 06. 1972, in: BMW UA 1983/1. 343  Vgl. Änderungen zum Importeurverzeichnis (Nr. 26) vom 18. 12. 1972, in: BMW UA 736/1. 342  Vgl.

496

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Auslandsaktivitäten die nötige Durchsetzungskraft zu verleihen, wurde 1976 eine Abteilung zur Marketingkoordination (VM-30) als internationale Divi­ sion geschaffen. Karl-Heinz Kalbfell, zwischen 1984 und 1988 Leiter der ­internationalen BMW-Marketingkommunikation, skizzierte in einem Inter­ view gegenüber Bischoff die Aufgaben seiner Abteilung wie folgt: „Die Marketingkoordination sieht sich als Mittler zwischen Zentralisation und Dezentralisation, da sie einerseits auf länderspezifische Anforderungen, die durch ­ ­internationale Medien bedingt werden, nicht eingehen kann, andererseits aber das strategische Vorgehen der Marketingkommunikation der BMW AG in die Auslands­ organisation zu tragen hat.“344

Der Fachstelle Marketingkoordination wurde aufgrund ihres internationalen Charakters ebenfalls die Leitung internationaler Ausstellungen angegliedert. Wie bereits erwähnt wurde, konzentrierte sich das Verkaufsressort auf die Marketingkommunikation und somit auf die Werbeaktivitäten, die man ab Mitte der 1970er Jahre in einem internationalen Kontext noch weiter zu koor­ dinieren suchte. Bald war deutlich geworden, dass für die gezielte weltweite Kundenansprache eine eigene Unterabteilung für die ausländischen Marktfor­ schungsaktivitäten benötigt wurde, die ebenso 1976 namens VM-101 als Un­ terabteilung der Marktforschungsabteilung (VM-10) eingerichtet wurde. 345 Auch die Marktuntersuchungen der BMW AG professionalisierten und internationalisierten sich in den 1970er Jahren zusehends. Bereits 1974, also kurz nach der EWG-Erweiterung des Vorjahres, war sehr erfolgreich erst­ mals ein Image-Survey über die BMW AG in acht europäischen Ländern, – namentlich in der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden – durch­ geführt worden. Diese Untersuchung war die bis dato umfassendste interna­ tionale Marktforschungsstudie der BMW AG, die von der BMW-Marktfor­ schung koordiniert und von dem EMNID-Institut durchgeführt wurde.346 Diese Studie wurde fortan in einem Fünf-Jahres-Zyklus wiederholt und um­ fasste 1984 bereits 16 Länder. Die Tochtergesellschaften waren grundsätzlich zu der Unterstützung dieser Marktstudie verpflichtet. Im Allgemeinen legte man bei BMW Anfang der 1980er Jahre darauf Wert, dass die Töchter im Ausland ausreichend bei Marktforschungen mit einbezogen wurden, um ­somit auf methodischer Ebene die Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewähr­ leisten zu können. Hierbei kam es jedoch immer wieder zu eigenverantwort­ lichen Aktivitäten der Töchter, die ohne Zustimmung bzw. Kenntnis der Zentrale durchgeführt wurden und die die Verwertbarkeit der Studien bis­ weilen einschränkten.347 Dieses abweichende Verhalten der Gesellschaften, in diesem Fall gemäß der Prinzipal-Agenten-Theorie als Agenten zu bezeich­ 344 

Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 57. Vgl. ebd., S. 55. 346  Vgl. “International BMW-Image-Survey in Eight European Countries”, 1974, in: BMW UR 6158/1. 347  Vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 53–56. 345 

4.5. Vertriebspolitik

497

nen, verursachte höhere Transaktionskosten und zeigte, dass die organisato­ rischen Abläufe und Abstimmungen des Konzerns noch immer zu optimie­ ren waren. Die sich ändernde Organisation des Vertriebs spiegelte das Ver­ hältnis zwischen Prinzipal und Agenten wider, das sich in einer delikaten Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung auszutarieren such­ te. Während die Geschäftsleitung der BMW AG in der dritten Phase der In­ ternationalisierung vor allem versuchte, die Beteiligungen durch eine primär zentralisierte Ausrichtung der Vertriebsorganisation an das Stammhaus zu binden und einen Großteil der Entscheidungen über München zu strukturie­ ren oder zumindest zu beeinflussen – deutlicher Ausdruck war hier das bei der personellen Besetzung der Führungspositionen der ausländischen Töch­ ter praktizierte „Prinzip des zweiten Mannes“, das in Kapitel 4.2.2 vorge­ stellt wurde – kam in den 1980er Jahren ein allmähliches Umdenken zum Tragen, das in einer erneuten Reorganisation des Vertriebsressorts 1985 mün­ dete. Als solche liegt sie außerhalb des Untersuchungszeitraums der vorlie­ genden Arbeit, allerdings zeigt sich hier, dass das Ende der dritten Interna­ tionalisierungsphase nicht nur begründet wird durch die Sperrfristenregelung von 30 Jahren der Quellenbestände, sondern auch inhaltlich legitimiert ist. Die sich an den Analysezeitraum anschließende Entwicklung soll im Rah­ men eines kurzen Ausblicks knapp skizziert werden: In der ersten Hälfte der 1980er Jahre – BMW verfügte 1985 im Ausland über 13 Vertriebsgesellschaf­ ten, zwei firmeneigene Komponenten- bzw. CKD-Werke, vier Holding- und Finanzierungsgesellschaften sowie ein Regionalbüro, das als Vertriebszentra­ le für bis zu 24 Märkte agierte, – vollzog sich ein Wandel mit deutlichen De­ zentralisierungstendenzen, die den Töchtern mehr Eigenverantwortung bei operativen Aufgaben einräumte. In diesem Kontext fand eine Aufgabenver­ schiebung im Vertriebsressort statt vom operativen hin zum strategischen Bereich, der durch den Übergang von einem primär verkaufsorientierten Export-Marketing zu einem internationalen Marketing geprägt war. Es orien­ tierte sich noch mehr am Kunden als am Primat der Absatzförderung, was Konsequenzen für die Organisation des internationalen Vertriebs hatte: „Dies erfordert eine weitgehende Autonomie der Beteiligungsgesellschaften bei ope­ rativen Aufgaben (Aufgaben der Geschäftsführung) im Rahmen zentral verabschiede­ ter strategischer Zielsetzungen und der entsprechenden vertrieblichen Fachaufsicht. Zur Berücksichtigung der spezifischen Erfordernisse des jeweiligen Marktes werden die Beteiligungsgesellschaften vor Verabschiedung der Zielsetzungen in den strategi­ schen Willensbildungsprozess eingebunden.“348

Die neue Vertriebsorganisation unterschied nun ferner strikt zwischen den von Importeuren und von BMW-Vertriebsgesellschaften betreuten Märkten, was in den 1970er Jahren noch nicht der Fall gewesen war. Der Exportbe­ reich VE zeichnete fortan ausschließlich Verantwortung für die Importeurs­ 348  Strategiepapier der BMW Konzernorganisation „Reorganisation des Vertriebsres­ sorts“, 04. 1985, in: BMW UA 2103/1.

498

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

märkte, während der neu geschaffenen Bereich VB für die Betreuung der Vertriebsgesellschaften und Beteiligungen zuständig war. Das Regionalma­ nagement wurde also fortan durch VI, VE und die jeweilige Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft geführt, während VB die Kontaktstelle zwischen der Zentrale und den Außenstellen war. Der grundsätzliche Wandel des Ressorts wurde des Weiteren durch eine Namensänderung des Ressorts Vertrieb deut­ lich, das 1985 in „Vertrieb und Marketing“ umbenannt wurde.349 Ein an den USA orientiertes Verständnis von Marketing hatte sich bereits vergleichswei­ se früh bei BMW etabliert, was sich ebenfalls in der Organisation des Unter­ nehmens widerspiegelte und somit die auf Chandler zurückgehende Auffas­ sung – zumindest in dieser Phase – bestätigt, dass die Struktur der Strategie folgt.350 Ein sich stetig weiter professionalisierendes Marketingverständnis verbarg sich hinter den Reorganisationsmaßnahmen der späten 1970er und vor allem der 1980er Jahre und institutionalisierte sich in der BMW-Organi­ sation des Vertriebsressorts und der sich anschließenden Vertriebsorganisa­ tion im Ausland. Hierin spiegelt sich auch die von Köhler bei DaimlerBenz und VW analysierte zunehmende Signifikanz von konsumorientierten ­Managementmodellen in der Automobilindustrie wider.351 4.5.2.  Der Ausbau des Vertriebsnetzwerks Die 1970er Jahre waren bei der BMW AG durch umfassende Umstrukturie­ rung der Vertriebsorganisation im In- und Ausland gekennzeichnet. Im Ex­ port bedeutete dies die Abkehr von einem rein durch Importeure abgewi­ ckelten Vertrieb, also die sukzessive Gründung eigener Tochtergesellschaften und somit im Sinne des Transaktionskostenansatzes die Internalisierung die­ ser Prozesse in die eigenen Unternehmensstrukturen, was in Abschnitt 4.5.2.2 detailliert wird. Auch im Inland sah der damalige Vertriebschef Lutz die Notwendigkeit zum Handeln und resümierte 1972 gegenüber dem BMW-Aufsichtsrat über das von Hahnemann eingeführte Großhändlersys­ tem kritisch: „Bedingt durch die historische Entwicklung, hat BMW zur Zeit ein Großhändler-Sys­ tem, das eine Verteuerung des Produktes zur Folge hat und den Großhändlern im übrigen längerfristig zu viel Macht gegenüber dem Werk sowie den anderen Händlern geben könnte. Deshalb wird zur Zeit erwogen, das Vertriebssystem neu zu gestalten. Nach dem heutigen Stand der Überlegungen ist eine Vertriebsorganisation vorge­ sehen, die aus einer Stufe mit etwa 400 Direkthändlern und einer nächsten Stufe mit etwa 600 Partnern besteht, die jeweils von einem Direkthändler ihre Fahrzeuge bezie­ hen. Dadurch wird eine größere Fairneß gegenüber allen Partnern erreicht. Gravieren­ de Unterschiede in der Größenordnung lassen sich durch eine Mengenbonus-Staffel ausgleichen.“352 349 

Vgl. ebd. Vgl. Chandler, Visible Hand. 351  Vgl. Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell, S. 238f. 352  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15. 03. 1972, in: BMW UA 808/2. 350 

4.5. Vertriebspolitik

499

Sowohl im In- als auch im Ausland führte das bestehende Vertriebssystem zu einer Verteuerung des Produktes, wodurch eine Umstrukturierung unaus­ weichlich war, wollte man die erzielbaren Gewinne maximieren. Die Umstel­ lung der inländischen Vertriebsorganisation für Automobile von einem ge­ mischten Direkt- und Großhandelssystem auf ein ausschließlich aus Direkt­ händlern bestehendes System wurde noch im selben Jahr eingeleitet und konnte 1973 abgeschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die BMW AG über sechs werkseigene Niederlassungen im Inland, zwei ausländische Tochtergesellschaften und weltweit 1 005 Händler, von denen 742 exklusiv BMW vertraten.353 Während Hahnemann als damaliger Vertriebsvorstand in der zweiten Phase der Internationalisierung den Fokus vorerst auf den quantitativen Ausbau der Handelsorganisation, dann auf die Repräsentativität sowie auf die A ­ kquise neuer Importeure legte, wandelte sich der von BMW formulierte A ­ nspruch gegenüber den Handelspartnern nochmals weiter im Hinblick auf ihre Quali­ tät in der Folgedekade. Zwar hatte Hahnemann bereits im Zuge der Aufwer­ tung der Marke, die sich mit dem Verkauf der Neuen Klasse, der oberen Fahr­ zeugklasse sowie der hiermit einhergehenden steigenden Absatzzahlen voll­ zog, versucht, immer mehr Händler exklusiv an BMW zu binden, jedoch gestaltete es sich als vergleichsweise kleiner Automobilhersteller in den 1960er Jahren noch schwierig, diesen Alleinvertretungsanspruch bei den Partnern umzusetzen. Der Aufstieg des Unternehmens einschließlich der Marke BMW während der dritten Internationalisierungsphase bot nun die Möglichkeit, weitere Händlerbetriebe exklusiv an sich zu binden und ein noch größeres Augenmerk auf ihre Repräsentativität zu legen. Wichtiger Meilenstein stellte hier die Einführung der Corporate Identity (CI) Ende der 1970er Jahre dar, die etwa zeitgleich zu der Produkteinführung des ersten BMW 7er erstellt wurde. Wer als Händler dieses Modell der oberen Klasse, das das BMW-Pro­ duktportfolio nach oben abrundete, verkaufen wollte, musste dem Kunden gegenüber mit der neuen CI der BMW AG auftreten. Dies beinhaltete meh­ rere bauliche Maßnahmen, die auch schrittwiese umgesetzt werden konnten, um dem Betrieb das „Gesicht“ der Marke BMW zu verleihen: „Der neue Auftritt sollte die Persönlichkeit, also das Wesen des Unternehmens, sicht­ bar machen. In dieser Festlegung lag zugleich auch ein zweites Ziel, nämlich: Das Unter­nehmen soll sich als Persönlichkeit von anderen gleichartigen unterscheiden. Die optischen Qualitäten des gesamten Vertriebsnetzes sind auch als wesentlicher ­Beitrag zur positiven Einschätzung der Marke zu verstehen; im besonderen für Ziel­ gruppen, die keinen direkten Kontakt mit der Marke pflegen.“354

Unter Abschnitt 4.6.1 wird noch näher auf das 1977 initiierte umfangreiche CI-Programm der BMW AG eingegangen. Abbildung 39 zeigt die Entwick353 Vgl.

Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1973, 1974, in: BMW UU 199/10. 354  BMW AG, Weltweite Markenpräsenz, S. 4.

500

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

1981

1.155

3.161

1980

1.169

3.203

1979

1.169

3.181

1978

1.170

3.162

1977

1.181

3.137

1976

1.155

3.155

1975

1.135

3.141

1974

1.119

1973

1.141

3.106

1972

1.172

3.057

1971

1.184

2.924

-

1.000

Inland Ausland

3.023

2.000

3.000

4.000

5.000

Abbildung 39: Vertragspartner des BMW-Vertriebs im In- und Ausland, 1971–1981.355

lung des Vertriebsnetzwerks im In- und Ausland und enthält alle mit BMW assoziierten Importeure, Tochtergesellschaften, Großhändler, Händler und Werkstätten für die Bereiche PKW und Motorrad. Hierbei spiegelt sich die oben genannte Fokussierung auf Repräsentativität und Exklusivität wider, denn im Inland nahm die Zahl der Händler zwischen 1971 und 1974 – also unter der Ägide des neuen Vertriebschefs Lutz – sogar sukzessive ab. In der ersten Hälfte der Dekade handelte es sich also vielmehr vor allem im Inland um einen quantitativen Rückbau und einer qualitativen Professionalisierung der Handelsorganisation, denn um einen rein quantitativen Ausbau. Anders verhielt es sich bei der Handelsstruktur im Ausland, die einen fun­ damentalen Wandel durchlief, indem die BMW AG ab 1973 immer mehr Im­ porteure übernahm und somit ihren Aufgabenbereich durch die Gründung eigener Vertriebsgesellschaften vor Ort internalisierte. Unter dem Einfluss der ersten Ölpreiskrise, die die Automobilindustrie einschließlich der Händ­ lerbetriebe hart traf, verringerte sich die Zahl der mit BMW assoziierten Be­ triebe um 83 Partner. Bereits im Folgejahr konnten allerdings über hundert neue Partner im Ausland gewonnen werden. Zwischen 1977 und 1981 pen­ delte sich die Organisation auf eine Größe zwischen 3 137 und 3 203 Betrie­ ben außerhalb der Bundesrepublik ein. Eine Analyse ihrer regionalen Vertei­ lung ist in Abbildung 40 dargestellt. Sie zeigt, dass die relationale Verteilung auf die verschiedenen Kontinente der Handelsorganisation über die Dekade hinweg konstant blieb. Absolut betrachtet, variierte der Wert insbesondere in den Jahren 1976 bis 1978. Diese Schwankungen hingen für gewöhnlich mit externen Faktoren, wie etwa gesetzlichen Auflagen, zusammen, die den Han355  Vgl. Entwicklung der Vertriebsorganisation der BMW AG und der BMW Motor­ rad GmbH, 31. 12. 1981, in: BMW UA 1677/1.

4.5. Vertriebspolitik

501

100% 90% 80% 70%

Ozeanien

60%

Asien

50%

Afrika

40%

Amerika

30%

Europa

20% 10% 0% 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 Abbildung 40: Regionale Verteilung der ausländischen Vertriebspartner der BMW AG und der BMW Motorrad GmbH, 1971–1981.356

del in diversen Ländern erschweren konnten, oder aber mit internen Ent­ wicklungen, wie etwa die Übernahme des Vertriebs von den Importeuren in manchen Märkten, die in der Kündigung des Vertragsverhältnisses mit einigen der bisherigen Handelsbetriebe mündete. Wann in welchen Ländern eigene BMW-Tochtergesellschaften während der dritten Internationalisierungsphase gegründet wurden, ist Tabelle 54 (vgl. Kapitel 4.5.2.2) zu entnehmen. Abbildung 40 vermittelt einen ersten Eindruck, wo die Schwerpunkte des BMW-Handels während der dritten Phase der Internationalisierung lagen, die in Abschnitt 4.5.3 detailliert besprochen werden. Auch weiterhin stellte Europa das wichtigste Absatzgebiet dar und wies somit die stärkste Handels­ organisation auf.357 Im Vergleich zu den 1960er Jahren erhöhte sich aller­ dings der außereuropäische Anteil der Händlerschaft überproportional stark. Während 1967 noch knapp über 70 Prozent der Organisation in Europa ver­ ortet waren, lag ihr Anteil 1971 nur noch bei circa 58 Prozent. Insbesondere der amerikanische Markt konnte zu Beginn der dritten Internationalisierungs­ phase stark ausgebaut werden. Hier machten sich vor allem die Bemühungen auf dem US-Markt bemerkbar, wo BMW zum 8. Juni 1973 eine Beobach­ tungsgesellschaft gegründet hatte,358 aus juristischen Gründen jedoch erst 356  Vgl. Entwicklung der Vertriebsorganisation der BMW AG und der BMW Motor­ rad GmbH, 31. 12. 1981, in: BMW UA 1677/1. 357  Wie bereits in der Abbildung zur regionalen Verteilung der Vertriebsorganisation in dem Kapitel über die zweite Internationalisierungsphase sind auch hier bei den An­ gaben zu Europa nicht die Zahlen der Bundesrepublik enthalten. Diese sind in Ab­ bildung 39 dem Punkt „Inland“ zu entnehmen. 358  Vgl. Pressemitteilung „BMW übernimmt US-Vertrieb“ vom 26. 09. 1974, in: BMW UP 250/10.

502

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

1975 den Vertrieb der eigenen Automobile von dem bis dahin agierenden Importeur HMC übernehmen konnte, Motorräder folgten 1980.359 In den USA bestand bis dahin eine nur unzureichende Handelsorganisation, die auf das mangelnde Engagement von HMC zurückging.360 Details zu dem USGeschäft werden in dem Abschnitt 4.5.2.2 kursorisch Erwähnung finden. An dieser Stelle soll allerdings darauf hingewiesen werden, dass sich der USMarkt für BMW mit der Übernahme des Vertriebs ab 1975 positiv entwi­ ckelte und sich dies ebenfalls in den absoluten Zahlen zur Händlerorganisa­ tion widerspiegelte. Lateinamerika spielte hingegen auch in den 1970er Jah­ ren im Vergleich zu den nordamerikanischen Staaten eine untergeordnete Rolle, da BMW dort bereits in den 1950er und 1960er Jahren wichtige Marktanteile an die Mitbewerber verloren hatte. Dieser Rückstand war auch in der Folgedekade schwierig aufzuschließen und so bereitete es dem Münch­ ner Unternehmen große Probleme, dort bei einer ausgeprägten Konkurrenz­ situation und den hohen Handelshemmnissen Fuß zu fassen. Große Fort­ schritte konnte BMW hingegen bei dem Ausbau des Vertriebsnetzwerks in Asien und Ozeanien verzeichnen, wo die Zahl der unter Vertrag stehenden Partner von 122 (1970) auf 141 (1980) bzw. von 72 (1970) auf 136 (1980) an­ stieg. In Asien hing diese Erweiterung mit der Aufnahme von Montageferti­ gungen in Thailand, Malaysia und Indonesien und dem damit einhergehenden Ausbau der Verkaufsorganisation zusammen, auf die in dem sich anschließen­ den ­Kapitel 4.5.2.1 näher eingegangen wird. Auf der Hauptversammlung 1978 bezeichnete der BMW-Vorstand den Ausbau der Händlerorganisation als „weitgehend abgeschlossen, qualitative Verbesserungen des Vertriebsnetzes“361 würden allerdings weiterhin laufend vorgenommen werden. Eine Analyse der BMW-Vertriebskanäle aus dem Jah­ re 1981 zeigte, wie sehr sich der Vertriebsapparat im Vergleich zu der zweiten Phase der Internationalisierung gewandelt hatte, in der der Export aus­ schließlich über Importeure abgewickelt worden war.362 Das Inlandsgeschäft wurde mittlerweile überwiegend von den seit den 1960er Jahren gegründeten BMW-Niederlassungen getragen, deren Zahl bis 1981 auf neun gestiegen war, sowie den 557 Direkthändlern mit ihren 439 angeschlossenen Betrieben. Die 359 In den USA waren die Vertriebsrechte nach Produktgruppen – BMW Kleinstund Kleinwagen, restliche Wagenklassen, Motorräder – vergeben worden und so agierten zeitweise in den 1960er Jahren bis zu drei unterschiedliche Generalimporteu­ re in den USA für BMW. Der seit 1954 für BMW-Zweiräder zuständige Importeur Butler & Smith behielt das Vertriebsrecht für Motorräder bis zum Jahr 1980, vgl. Un­ terlagen zu dem Prozess Butler & Smith vs. BMW AG sowie diverse Kommunikation zwischen den beiden Vertragspartnern, 1954–1979, in: BMW UR 3137/1. 360 Vgl. Schreiben des BMW-Gesamtbetriebsrats an den BMW-Vorstandsvorsitzen­ den von Kuenheim vom 16. 01. 1975, in: BMW UA 1371/1. 361  Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1. 362 Die beiden Minderheitsbeteiligungen an der italienischen und der australischen Importeursgesellschaft bleiben hier aufgrund ihrer damals geringen Relevanz außer Betracht.

4.5. Vertriebspolitik

503

Außenhandelsorganisation setzte sich 1981 aus elf ausländischen BMW-eige­ nen Vertriebsgesellschaften und 91 freien Importeuren zusammen. Die Töch­ ter setzten allerdings mit 84,0 Prozent den größten Anteil des Exportvolu­ mens um.363 Diese Zahlen sprechen klar für die Internalisierungsvorteile, die die Durchführung der Vertriebsaktivitäten im Ausland in eigener Regie hatte. Bei der Übernahme von bestehenden Importeuren achtete die BMW AG auf gute Beziehungen zu den jeweils assoziierten Händlern. Um diese sowie neu akquirierte Partner näher an die Marke zu binden, wurden sie oftmals nach München eingeladen, um BMW sowohl als Unternehmen als auch als Marke besser kennenzulernen. 1974 reisten beispielsweise 250 italienische Händler mit ihren Gattinnen nach Deutschland, um dort die Werke in München und Dingolfing zu besichtigen und vor Ort gemeinsam die Restriktionsmaßnah­ men der italienischen Regierung zu erörterten, die den Automobilexport hart trafen,364 und die in den Kapiteln 4.1 und 4.4.1.2 thema­tisiert wurden. Dieser Besuch wurde damals sogar als Pressemeldung aus­gegeben, denn BMW war sich über das bestehende Potential Italiens für den Wagenexport bewusst: Italien stieg 1979 nach den USA zum zweitwichtigsten Automobilmarkt für die BMW AG auf. Auch im Hinblick auf die qualitative Aufwertung der Handelsorganisa­ tion konnte das Vertriebsressort unter Lutz und Schönbeck in den 1970er Jahren deutliche Fortschritte verzeichnen, was sich anschaulich am Beispiel der mehrfach explizierten Händlerexklusivität nachzeichnen lässt. 1971 hatte der Exportleiter der BMW AG eine Überprüfung des Status quo im Hin­ blick auf den Exklusivitätsgrad der ausländischen Handelspartner in Auftrag gegeben, für die im Gegensatz zum Inlandsvertrieb bis dahin keine voll­ ständigen Zahlen vorlagen. Hierbei wurden aus Kostengründen zunächst nur Schweden, Belgien, Holland, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Italien, Ös­ terreich und Großbritannien betrachtet. Diese Untersuchung sollte zudem aufführen, welche Fremdfabrikate die anderen Händler anboten.365 Eine sich anschließende Analyse zeigte, dass 1973 bereits 71 Prozent der Händler die Produkte der Marke BMW exklusiv vertraten und diese 76 Prozent des Ge­ samtvolumens absetzten. Der positive Effekt, den somit die Alleinvertretung eines Herstellers hatte, trat hierdurch deutlich zutage. Der Exklusivitätsgrad konnte im Zuge der dritten Phase noch weiter angehoben werden und stieg 1981 auf 86 Prozent, die wiederum 95 Prozent des Gesamtvolumens umsetz­ ten. Diese Zahlen machten deutlich, wie durchsetzungsfähig das Vertriebs­ 363  Vgl.

Schwerpunkte der Ausführungen „BMW weltweit“ von Schönbeck, BMWVertriebsvorstand, gegenüber dem BMW-Aufsichtsrat vom 25. 02. 1982, in: BMW UR 1533/1. 364  Vgl. Pressemitteilung „250 italienische BMW Händler in München“ vom 17. 05.  1974, in: BMW UP 228/10. 365  Vgl. Aktennotiz von Dr. Baranek, Exportleiter der BMW AG (VE), an den VEVerteiler vom 04. 08. 1971, in: BMW UA 1609/1. Die Ergebnisse dieser Untersuchung von 1971 liegen leider nicht vor.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

modell exklusiver Händler tatsächlich war und bekräftigte die Geschäfts­ leitung darin, dieses noch weiter auszubauen und auch im Ausland stetig zu erhöhen, wo der Faktor der Alleinvertretung gegenüber dem Inland niedriger war. Der Exklusivitätsgrad und das Absatzvolumen eines Marktes korrelier­ ten und so war der Fahrzeugverkauf umso höher, je ausgeprägter der Grad der Alleinvertretung in der Handelsorganisation war. Mit der Umstrukturierung der Vertriebskanäle weltweit gingen auch ein Ausbau sowie eine Aufwertung der Service-Organisation einher. Es genügte nicht, nur die Dichte der Verkaufsbetriebe zu erhöhen, sondern auch ein dichtes Netz an Werkstätten musste existieren, also parallel die AftersalesOrganisation ausgebaut werden, um die Kunden dauerhaft an die Marke BMW zu binden. Breit gefächerte Schulungsmaßnahmen im Kundendienst wurden ausgearbeitet und den Servicepartnern angeboten.366 In Flächenstaa­ ten, wo die Wege für die Kundschaft zum nächsten BMW-Servicepunkt zu lang waren, wurde ein ausreichendes Servicenetz durch Kooperationen mit anderen Herstellern erarbeitet und somit eine möglichst flächendeckende Be­ treuung sichergestellt.367 Selbst in manchen Ländern, in denen die Deckungs­ beiträge pro Fahrzeug beispielsweise aufgrund von staatlichen Regulierungen unterdurchschnittlich ausfielen, wie dies etwa Ende der 1970er Jahre in wei­ ten Teilen Nordeuropas der Fall war, baute BMW auch dort in der ­Regel die Verkaufs- und Serviceorganisation aus. Eigenen Angaben zufolge wurde sie vor allem für die deutschen Touristen aufrechterhalten, die dorthin mit ihrem BMW-Wagen verreisten.368 Bis 1981 wurde ein weltweites Servicenetz von etwa 3 000 Betrieben in 106 Ländern errichtet, in denen jährliche Schulungen in 1 600 Lehrgängen organisiert wurden. In den Servicebetrieben wurden circa 38 000 Mitarbeiter beschäftigt, um den immer größer werdenden Bestand an BMW-Automobilen zu betreuen, der 1981 weltweit bereits bei knapp 2,5 Mio. Fahrzeugen lag.369 Den geschilderten Bemühungen zum Trotz gab es in manchen Teilen der Welt noch immer eine nur gering ausgeprägte Dichte an BMW-eigenen Werkstätten: 1981 existierten in Afrika lediglich zehn Betriebe, die neben den 144 BMW-Händlern die Betreuung sicherstellen mussten. In Asien betrug das Verhältnis immerhin 20 Werkstätten zu 120 Händlern, in Amerika allerdings nur 23 zu 714 Händlern.370 Darüber hinaus sollten Teilelager und Vertriebszentren die Versorgung mit Ersatzteilen weltweit sicherstellen. Neue Zentren wurden beständig im Laufe 366  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10. 367  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 368  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1. 369 Vgl. Schwerpunkte der Ausführungen „BMW weltweit“ von Schönbeck gegen­ über dem BMW-Aufsichtsrat vom 25. 02. 1982, in: BMW UR 1533/1. 370  Vgl. Vertriebsorganisation Export nach Kontinenten der BMW AG und Motorrad GmbH, 1978–1982, in: BMW UA 1677/1.

4.5. Vertriebspolitik

505

der 1970er Jahre in aller Welt eröffnet und 1981 belief sich die Teilelager­ fläche bereits auf 700 000 m2.371 Das BMW-Vertriebsressort erkannte unter Schönbeck das enorme finanzielle Potential, das im Teilehandel ruhte und so beschloss der Vorstand im Juli 1975 die Forcierung des Teilehandels auf der Grundlage neuer Datenverarbeitungstechniken, da die bis dato genutzten EDV-Technologien zur Teiledisposition veraltet waren.372 Eine Konsequenz war die Einrichtung eines neuen Geschäftszweigs „Handels- und Werk­ stättenbedarf“ im Frühjahr 1976, der sich mit dem „Vertrieb und der Vermittlung von Betriebseinrichtungen, Hilfs- und Betriebsmitteln, Accessoires und allgemeinem Autozubehör“ befasste und dessen Aktivitäten 1977 auch auf das Ausland ausgeweitet werden sollte.373 Bereits 1975 hatte die BMWinterne Mitarbeiterzeitung bayernmotor über die Bedeutung des weltweiten Teilehandels berichtet und getitelt: „Jede zehnte Mark bei BMW verdient der Teiledienst“.374 Wie Tilly in ihrer Untersuchung über die Automobilzuliefer­ industrie zudem aufgezeigt hat, wiesen bis Mitte der 1970er Jahre mehr als zwei Drittel der etwa 30 000 bundesdeutschen Reparaturwerkstätten eine Herstellerbindung auf, denn seit Beginn des Automobilbooms hatten sich Vertragshändler und -werkstätten in der Regel zu verpflichten, ihr gesamtes Sortiment an Zubehör und Ersatzteilen ausschließlich über den Automobil­ produzenten zu beziehen, den sie vertraten. Vor diesem Hintergrund schwel­ te seit den frühen 1950er Jahren der sogenannte „Ersatzteilstreit“, der seinen Höhepunkt Ende der 1970er Jahre erreichte.375 Vor diesem Hintergrund suchte auch die BMW AG ihren Gewinn im Teile­vertrieb zu erhöhen, was ihr gelang, wie Abbildung 41 zeigt. Zwischen 1973 und 1981 konnte BMW den Umsatz in diesem Bereich von 251,2 auf knapp 830,0 Mio. DM mehr als verdreifachen. Im Jahre 1966 hatte der Um­ satz des Teilevertriebs noch bei lediglich 74,7 Mio. DM gelegen.376 Diese Entwicklung spiegelte den allgemeinen Trend in der deutschen Automobilin­ dustrie wider, denn in den 1970er Jahren verlangten immer mehr Automobil­ hersteller, dass die Zulieferer auf ihr Markenzeichen auf den Ersatzteilen ver­ zichteten, so dass stattdessen das Markenzeichen des Fahrzeugherstellers aufgeprägt und als dessen Originalersatzteil vertrieben werden konnte. Dies

371 

Allein in den USA wurden neue Teilezentren in Dallas/Texas (1977), Carson/Kali­ fornien (1979) sowie in New Jersey (1984) eingerichtet. Aufgrund ihrer Vielzahl sollen sie an dieser Stelle nicht vollumfänglich aufgeführt werden. Einen guten Überblick bieten die Geschäftsberichte der BMW AG, die oftmals über die Eröffnungen neuer Zentren berichteten, vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1971–1981. 372  Vgl. Protokoll Nr. 21/75 der Vorstandssitzung vom 22. 07. 1975, in: BMW UA 1333/1. 373 Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10. 374  BMW AG (Hg.): bayernmotor, Jg. 3, Nr. 6, 05. 1975, in: BMW UI 2023/7. 375  Vgl. Tilly, Das Zulieferproblem, S. 151. 376  Vgl. Teileumsatzplanung von Vertrieb Services (VS-11) der BMW AG, 1966–1982, in: BMW UA 1421/1.

506

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

900 800

700 in Mio. DM

600 500 400 300 200 100 0 1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

1980

1981

Abbildung 41: Teileumsatz gesamt (PKW, Motorrad, Händler- und Werkstättenbedarf) der BMW AG, 1973–1981.377

machte zugleich für den Endkunden den Markt undurchsichtiger, vergrößer­ te jedoch den Gewinn der Fahrzeughersteller.378 An dieser Stelle wird nicht weiter in die Tiefe dieses Themenspektrums eingegangen, allerdings sollte deutlich geworden sein, wie sich der Teilevertrieb im Verlauf der dritten tionalisierungsphase zu einem wichtigen Standbein des weltweiten Interna­ Gesamtvertriebs bei BMW entwickelte. Diese Evolution spiegelt sich auch in der Reorganisation des Vertriebsressorts wider (vgl. Abbildung 38), durch die der Teilebereich in dem Bereich Vertrieb-Services (VS) einen größeren Stellen­ wert eingeräumt bekam. Nachdem detailliert aufgezeigt worden ist, wie sich das Vertriebsressort in der dritten Internationalisierungsphase verändert hat, soll in den sich an­ schließenden Abschnitten auf die Vertriebsstrategie näher eingegangen wer­ den, in deren Fokus vornehmlich die Gründungen eigener Vertriebs- und Finanzierungs­gesellschaften im Ausland standen. Hierbei erhalten die Inter­ nalisierung der Vertriebsprozesse im Ausland sowie ihre Finanzierung und Organisation innerhalb des Konzerns besondere Beachtung. Hieran schließt sich eine Analyse des regionalen Musters des Verkaufs der BMW AG in den 1970er Jahren an. Eingangs soll zunächst die Rolle der Montage vor allem im Hinblick auf die Südostasienstrategie in aller Kürze erörtert werden. 377  Vgl. Teileumsatzplanung von Vertrieb Services (VS-11) der BMW AG, 1966–1982, in: BMW UA 1421/1; Schwerpunkte der Ausführungen „BMW weltweit“ von Schön­ beck gegenüber dem BMW-Aufsichtsrat vom 25. 02. 1982, in: BMW UR 1533/1. 378  Vgl. Tilly, Das Zulieferproblem, S. 152.

4.5. Vertriebspolitik

507

4.5.2.1.  Der Ausbau der Montage als Mittel zur Marktpenetration BMW hatte seit dem Anlauf der ersten Auslandsmontage im Jahre 1957 di­ verse Erfahrungen im Bereich der Montagefertigung gesammelt. Unterneh­ mensintern bedurfte es allerdings noch einiger Legitimierungsarbeit, wie in einem internen Informationsschreiben an die BMW-Führungskräfte aus dem Jahre 1982 deutlich wird, in welchem das überdurchschnittliche Marktpoten­ tial einiger Märkte in Asien, Lateinamerika und Afrika thematisiert und zu­ gleich hervorgehoben wird, dass eine „nennenswerte Erschließung dieser Märkte […] nur über CKD-Montage möglich“ sei.379 Weiter heißt es in dem Rundschreiben: „Aus freien Stücken begibt sich keiner der Automobilhersteller auf das schwierige und aufwendige Gebiet der CKD-Montage. Doch lassen sich viele Märkte, insbeson­ dere die der meisten Schwellen- und Entwicklungsländer[,] nicht anders erschließen. In diesen Ländern ist entweder die Einfuhr von Fertigfahrzeugen generell untersagt oder sehr beschränkt. Häufig wird über die Montage hinaus zusätzlich eine hohe lo­ kale Teilefertigung zur Auflage gemacht.“380

Während BMW 1980 weltweit mit sechs Montagestandorten vertreten war, hiervon wurden fünf über lokale Lizenznehmer betrieben und eine durch BMW selbst gehalten, verfügte Daimler-Benz als Hersteller von Personenund Lastkraftwagen bereits über 32 Montagewerke, die auf sämtlichen Kon­ tinenten verteilt waren, sowie Volkswagen über insgesamt 18 Standorte.381 Bei einer solchen Gegenüberstellung darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass BMW vergleichsweise spät als Automobilhersteller auf die Märkte zurückgekehrt war und zudem bis Anfang der 1960er Jahre dem In­ landsverkauf gegenüber dem Export aufgrund höherer Gewinnmargen den Vorzug gegeben hatte, wodurch es im Automobilsegment zu einer Verzöge­ rung der Internationalisierung gekommen war. Unter Hahnemann waren in den 1960er Jahren einige neue CKD-Projekte aufgenommen worden, bei de­ nen es sich allerdings – mit Ausnahme von Portugal und Uruguay – um kei­ ne länger angelegten Investitionen handelte. In der dritten Internationalisie­ rungsphase wurden indessen die Montageprojekte im Kontext einer langfris­ tig ausgelegten Strategie zur Erschließung Südostasiens geplant und umgesetzt. Dieses Engagement wurde im Vorfeld im Auftrag des BMW-Vor­ stands genauestens von den einzelnen Fachstellen im Unternehmen geprüft und erst im Anschluss an diese Untersuchung von allen Vorstandsmitglie­ dern genehmigt. Hierin bestand ein essentieller Unterschied zu den während der zweiten Internationalisierungsphase initiierten Montage­kooperationen, die mehr situativ, auf Initiative des Vertriebsvorstands Hahnemann, geschlos­ sen wurden, als dass sie auf langfristigen Planungszielen und unternehmens­ 379 

BMW intern Nr. 12/82 vom 08. 07. 1982, in: BMW UU 671/10

380 Ebd.

381  Vgl. VDA (Hg.): Montage- und Produktionsstätten der deutschen Automobilher­ steller im Ausland, Frankfurt/M. 1980, S. 24f.

508

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

weiten Prüfungen ruhten. Tabelle 52 enthält alle während der dritten Inter­ nationalisierungsphase von der BMW AG unterhaltenen Mon­tagefertigungen im Ausland, deren Initiierung teilweise in eine andere Phase z­ urückreichte. Die Nennung der Baumuster ist auf ihre Produktionszeit während der dritten Internationalisierungsphase begrenzt.  382  Partner

Baumuster382

Land

Zeitraum

Belgien

1959–1973 Ets. Moorkens SA

BMW 1800, BMW 2000

Uruguay

1967–1976 Convex SA

BMW 1600, BMW 1602, BMW 2002

1977–1991 Camur SA

BMW 3er (E 21), BMW 5er (E 12)

Portugal

1968–1981 Russo & Irmao, vs. BMW 02er Reihe, BMW 3er Soc. Com.e Ind. De Automoveis (E 21), BMW 5er (E 12)

Südafrika

1968–1972 Euro-Republic Automobile Dis­ BMW 1800 GL, BMW 2000 tributors (Pty) Ltd. bzw. Praetor GL, BMW 1800 SA, BMW Assemblers (Pty) Ltd. 2000 SA, BMW 2800 SA, BMW 1804, BMW 2004 1972–1996 BMW (South Africa) (Pty) Ltd. bzw. BMW AG

Thailand383 1973–2000 Yontrakit Motor Co., Ltd. Indonesien 1976 – heute

BMW 5er (E 12), BMW 5er (E 12/8), BMW 7er (E 23), BMW 3er (E 21), BMW 5er (E 12)

Pemasang Motor-Motor ­Pahang BMW 5er (E 12) Sdn.Bhd.

Malaysia 1979 – Sarawak Motor Industries Sdn. BMW 3er (E 21) heute Bhd.   383  Tabelle 52: CKD- und SKD-Montageprojekte der BMW AG während der dritten Internationalisierungsphase.384

Die Angaben zeigen, dass die BMW-Geschäftsführung vor allem die Er­ schließung Asiens über die Fahrzeugmontage forcierte. Hinter dem langen 382 Aufgrund des ausgedehnten Zeitraums der Montage an einigen Standorten, wie beispielsweise in Thailand und Südafrika, finden in dieser Aufstellung vor allem die Baumuster Erwähnung, die während der dritten Internationalisierungsphase montiert wurden. Aus demselben Grund bleiben in dieser Übersicht auch gegenüber den Ta­ bellen zu der ersten und zweiten Internationalisierungsphase die Stückzahlen uner­ wähnt, da diese für einen solch langen Zeitraum auf Grundlage der vorliegenden Quellen leider nicht zu ermitteln sind. 383 Seit 2000 betreibt die BMW AG ein eigenes Montagewerk in Thailand, in wel­ chem die Baumuster BMW 5er, BMW 3er, BMW 7er und BMW X3 gefertigt werden, vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 2000–2009. 384  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2; Fra­ gen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1; CKD-Montage-Projekte Indonesien und Malaysia, 17. 02. 1975, in: BMW UA 1827/1; Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

4.5. Vertriebspolitik

509

Engagement in Uruguay hingegen verbargen sich keineswegs große Ferti­ gungsvolumina: Zwischen 1967 und 1991 ist lediglich von insgesamt 4 200 dort montierten Einheiten auszugehen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Rentabilität dieses Projektes als durchaus fragwürdig. Hinzu kam, dass die Montage aufgrund von politischen Bestimmungen zeitweise für einige Jahre ausgesetzt werden musste, so etwa zwischen 1974 und 1976, da in diesen Jah­ ren wegen der Devisensituation die Einfuhr von Teilesätzen untersagt war. In dieser Zeit kündigte BMW den Vertrag mit Convex SA und ging eine Koope­ ration mit einem neuen Partner ein. Der Grund für die Aufrechterhaltung der uruguayischen Kooperation trotz niedriger Stückzahlen und der unter der Rentabilitätsgrenze liegenden Fertigung begründete Vertriebschef Schönbeck mit dem Hinweis, dass es wünschenswert war, dass „BMW wenigstens in ­einem südamerikanischen Land mit einer Montage vertreten“ sei.385 Auch in den Folgejahren genehmigte der Vorstand die Montage von geringen Volumi­ na in Uruguay, beispielsweise 200 bis 300 Einheiten des BMW 520 (E 12), da die Deckungsbeiträge zufriedenstellend waren und vor allem der einzige la­ teinamerikanische Standort ohne diese kleineren Projekte nicht hätte aufrecht erhalten werden können.386 1979/80 wurde das Engagement erneut diskutiert, da eine entsprechende Regierungsentscheidung eine CKD-Fertigung in Uru­ guay bis auf weiteres verhinderte. Schönbeck berichtete im Februar 1980 den Vorstandskollegen, dass alle Bemühungen unternommen würden, diese Ent­ scheidung rückgängig zu machen,387 zunächst musste jedoch die Montage abermals ruhen.388 Die BMW-Geschäftsleitung hielt dennoch während der 1970er – und offensichtlich auch in den zwei Folgejahrzehnten, die außerhalb des Betrachtungszeitraums liegen, – an der Montage in Uruguay fest, um das Fenster nach Lateinamerika offen zu h ­ alten. Imagegründe mochten hier eben­ falls eingeflossen sein, da BMW den Montagestandort in Lateinamerika kom­ munizieren konnte. Neben BMW unterhielten auch andere deutsche Herstel­ ler Montagefertigungen in Uru­guay: Daimler-Benz montierte LKW, VW und Opel PKW, wobei der Wolfsburger Mitbewerber darüber hinaus vor Ort auch Kleinbusse, Kombis und Transporter fertigen ließ.389 Dass die Montage an manchen Standorten phasenweise ruhte, war keine Seltenheit. Auch in Portugal musste 1977 eine einjährige Pause eingelegt wer­ den.390 Dennoch wurden dort zwischen 1968 und 1981 circa 15 000 Einheiten 385 

Protokoll Nr. 38/76 der Vorstandssitzung vom 16. 11. 1976, in: BMW UA 1446/1. Vgl. Protokoll Nr. 7/78 der Vorstandssitzung vom 27. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 387  Vgl. Protokoll Nr. 8/80 der Vorstandssitzung vom 26. 02. 1980, in: BMW UA 1460/1. 388  In den Jahresberichten des VDA, der ebenfalls über staatliche Regulierungen be­ richtete, finden sich zu dieser Entscheidung der uruguayischen Regierung keine Hin­ weise, vgl. Verband der Automobilindustrie e. V. (Hg.): Jahresbericht 1979/80, Frank­ furt/M. 1980; Verband der Automobilindustrie e. V. (Hg.): Jahresbericht 1980/81. 389  Vgl. VDA (Hg.): Montage- und Produktionsstätten der deutschen Automobilher­ steller im Ausland, Frankfurt/M. 1980, S. 16. 390  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1. 386 

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

montiert, auch wenn aus politischen Gründen – Erhöhung von Einfuhrzöllen, eine Luxussteuer und ein befürchteter Staatsbankrott – das Volumen geringer ausfiel, als ursprünglich geplant. Der portugiesische Importeur hatte vor die­ sem Hintergrund, auf der Basis des BMW 1502, einen „Station Waggon“ ent­ wickelt, der anstatt mit 60 nur mit 14 Prozent besteuert wurde und so den Absatz wieder erhöhen sollte. 391 Zwischenzeitlich diskutierte der BMW-Vor­ stand, aufgrund einer Aufforderung der portugiesischen Regierung sowie der dortigen Local-Content-Bestimmungen, sogar die Gründung einer Gesell­ schaft mit einer Mehrheitsbeteiligung des portugiesischen Partners. Letztlich entschied er sich jedoch aufgrund des zu hohen Risikos und des als zu gering erachteten Absatzes dagegen.392 Die Probleme, mit denen eine Montageferti­ gung im Ausland konfrontiert wurde, waren vielfältig. Mitunter konnte auch eine erschwerte Devisenbeschaffung für Schwierigkeiten bei dem Kauf der Werkzeuge sorgen, wie etwa 1977 ebenfalls in Portugal.393 An anderen Stand­ orten kamen noch komplexere Herausforderungen hinzu, wie etwa in Südafri­ ka vor dem Hintergrund des Apartheidregimes. Auf das dortige Engagement der BMW AG soll im Rahmen eines gesonderten Kapitels eingegangen wer­ den, weshalb die südafrikanische Montagefertigung an dieser Stelle nicht näher in die Betrachtung mit einbezogen wird (vgl. Kapitel 5). Andere BMW-Mon­ tagestandorte verloren wiederum mit der Zeit an Bedeutung, wie etwa zu ­Beginn der 1970er Jahre die Fertigung in Belgien. Der Vorstand beschloss zwar am 18. Juli 1973 die Gründung der Vertriebsgesellschaft BMW Belgium SA/NV (BMW Belgium) mit Sitz in Antwerpen, die zum Jahresbeginn 1974 den Import und Verkauf von BMW-Produkten übernahm, beendete jedoch die dortige Montage.394 Hierbei wurde der ehemalige Importeur Moorkens nicht übernommen, sondern lediglich die Betriebsan­lagen von ihm bis 1978 gemietet.395 Die Münchner Geschäftsführung zeigte allerdings kein Interesse an der Fortführung einer Montage in Belgien, sondern richtete die neue belgi­ sche Tochter ausschließlich auf den Import und Vertrieb von BMW-Erzeug­ nissen aus. Die Zeiten des belgischen, durch den lokalen Partner betriebenen Werks als zentraler Montagedreh- und Angelpunkt waren endgültig vorbei. Wie bereits erwähnt wurde, standen hingegen die während der dritten ­Internationalisierungsphase initiierten Montageprojekte in Verbindung mit einer langfristig angelegten Strategie zur Erschließung der Länder Südost­ asiens. Diese Strategie nahm allerdings erst aus dem Betrieb der Montage­ projekte in Thailand, Indonesien und Malaysia heraus weitere Kontur an, lag 391 Vgl.

Protokoll Nr. 4/75 der Vorstandssitzung vom 11. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1. Protokoll Nr. 29/75 der Vorstandssitzung vom 27. 10. 1975, in: ebd. 392  Vgl. Protokoll Nr. 26/76 der Vorstandssitzung vom 13. 07. 1976, in: BMW UA 1446/1. 393  Vgl. Protokoll Nr. 36/77 der Vorstandssitzung vom 29. 11. 1977, in: BMW UA 1456/1. 394  Vgl. Protokoll Nr. 18/73 der Vorstandssitzung vom 10. 07. 1973, in: BMW UA 851/1. 395 Vgl. Protokoll Nr. 35/76 der Vorstandssitzung vom 12. 10. 1976, in: BMW UA 1446/1; Auskunft über NV BMW Belgium SA, Beteiligungen Finanzen, 09. 1977, in: BMW UR 2531/1.

4.5. Vertriebspolitik

511

ihnen also zu Beginn der 1970er Jahre noch nicht initial zu Grunde. Dies ist eine interessante Feststellung, denn nicht immer ist das, was retrospektiv als Strategie erscheint, auch von Anbeginn an als solche formuliert worden.396 Als der BMW-Vorstand also 1973 eine CKD-Kooperation in Thailand mit einem lokalen selbstständigen Partner beschloss, hatte dieser noch nicht die Etablierung weiterer Standorte in Asien im Blick; diese Idee entwickelte sich erst aus dem weiteren Vorgehen, dem Betrieb des CKD-Werks in Thailand, und ebnete den Weg für die Folgeprojekte in Fernost. Die Fertigungen in Indonesien und Malaysia gingen auf Projektvorschläge des Exportleiters vom Dezember 1974 zurück.397 Die Gründe, die für ein Engagement über den Weg der CKD-Fertigung sprachen, waren hierbei deckungsgleich mit denen eines nahezu jeden Montagestandortes. Folgendes Zitat steht demnach stellvertretend für alle Entscheidungen, die in diesem Kontext in den 1970er Jahren bei BMW gefällt wurden: „Die CKD-Montage bietet die einzige Möglichkeit, am wachsenden Automobilmarkt dieser Länder rechtzeitig zu partizipieren und damit eine Basis für eine eventuelle Fer­ tigung mit größerer Tiefe zu einem späteren Zeitpunkt zu schaffen. An die Montage­ zusage sollte BMW deshalb die Bedingung knüpfen, später selbst eine Beteiligung an den Unternehmungen erwerben zu können.“398

Noch immer suchte das Unternehmen für gewöhnlich, das finanzielle und un­ ternehmerische Risiko zu Projektbeginn so gering wie möglich zu halten, indem die Montage von einem einheimischen Partner betrieben wurde, ohne das BMW-eigene Direktinvestitionen notwendig wurden. Durch ein Options­ recht im Vertrag hielt sich die Geschäftsführung jedoch die Möglichkeit offen, zu einem späteren Zeitpunkt das Engagement auszubauen. Die geringen Marktanteile in Lateinamerika führten vor Augen, wie sich verpasste Mög­ lichkeiten zur Markterschließung über das Mittel der Montage auch langfris­ tig, im Sinne der Pfadabhängigkeit, negativ auswirken konnten. Die Projekte in Asien ließen sich relativ kurzfristig umsetzten und erforderten keine werks­ seitigen Kapazitätserweiterungen. Die asiatischen CKD-Stand­orte hatten also positive Auswirkungen, insbesondere auch produktionsseitig im Kontext so­ genannter Skaleneffekte, und senkten somit die Herstellungskosten über ein größeres Volumen, ohne das nennenswerte Investitionen notwendig waren. Darüber hinaus achtete die BMW-Geschäftsleitung da­rauf, dass das Verkaufs­ risiko von den lokalen Partnern zu tragen war und begrenzte damit bewusst das finanzielle Risiko der BMW AG weiterhin.399 Selbstredend barg jedes 396 Für

diesen generellen Hinweis, hinsichtlich des Strategie-Begriffs und seiner ­ nwendung auf die Geschäftspolitik der BMW AG in den 1970er Jahren, danke ich A Dr. Eberhard von Kuenheim, dem ehemaligen BMW-Vorstandsvorsitzenden, hierzu Interview von Kuenheim, 07. 11. 2012. 397  Vgl. Stellungnahme zu den Projektvorschlägen der CKD-Montagen in Indonesien und Malaysia, Schreiben der Strategischen Konzernplanung (AU) an den Vorstands­ vorsitzenden von Kuenheim vom 28. 01. 1975, in: BMW UA 1552/1. 398 Ebd. 399  Vgl. ebd.

512

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Montageprojekt dennoch ein gewisses Restrisiko sowie Aufwände für ein Unternehmen, denn die lokalen Partner mussten technisch befähigt werden, die Montage vor Ort nach BMW-Standards durch­zuführen und den qualitati­ ven Ansprüchen gerecht zu werden. Wie hoch das finanzielle Risiko tatsäch­ lich sein konnte, zeigte sich bei dem CKD-Werk in Südafrika, das als unab­ hängige Auftragsmontage 1968 begonnen hatte und im Zuge der finanziellen Schwierigkeiten des südafrikanischen I­mporteurs und Montagebetriebs im­ mer weitere Investitionen aus München notwendig machte (vgl. Kapitel 5). Die asiatischen Montageprojekte konnten im Zuge der dritten Internationali­ sierungsphase indes als Erfolg gewertet werden und setzten den Ausgangs­ punkt einer hieran anschließenden groß­angelegten Südostasienstrategie, die tatsächlich als solche auf lange Sicht konzipiert war. Sie fokussierte zunächst die Märkte Hong Kong, Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand, Taiwan und Südkorea, die durch ein 1985 in Singapur eröffnetes BMW-Regionalbüro, das erste seiner Art, erschlossen und bearbeitet werden sollten.400 Japan wurde von diesem strategischen Ansatz bewusst ausgeklam­ mert, da dort seit 1981 bereits eine BMW-Vertriebsgesellschaft bestand, die diesen vielversprechenden Markt gesondert betreute. Die japanische Tochter wird in den nachfolgenden Abschnitten häufiger Erwähnung finden, da sie als gutes Beispiel für Marktnähe und interkulturelles Feingefühl eines Unterneh­ mens dient, das im Zuge seiner vorangegangenen Internationalisierung dazu­ gelernt hatte. Da die spätere Südostasienstrategie, die die Bezeichnung Strate­ gie zurecht trug, als solche außerhalb des Betrachtungszeitraums liegt, kann sie leider nicht in die vorliegende Analyse mit einbezogen werden. Für nach­ folgende Untersuchungen ist sie allerdings ein vielversprechendes Sujet. Der Umsatz aus dem CKD-Geschäft verdoppelte sich zwischen 1980 und 1982 auf rund 200 Mio. DM und machte, gemessen an den Stückzahlen, etwa 7,0 Prozent des Gesamtexports der BMW AG aus. Zusätzliche betriebswirt­ schaftliche Anreize schaffte überdies das sogenannte Teile-Folgegeschäft in den CKD-Montageländern, das weltweit zu einem lukrativen Geschäftsfeld geworden war.401 Vor diesem Hintergrund hielt eine interne, an die BMWFührungskräfte gerichtete Information 1983 fest: „Da die länderspezifischen Forderungen nach Erhöhung des im Lande gefertigten Teileumfanges (local content) zunehmen werden, wird der BMW-Lieferumfang immer mehr aus Teilen bestehen, die mit hohen Investitionen und Qualitätsansprüchen ver­ bunden sind, also schwerpunktmäßig aus Motor, Aggregaten, Elektrik/Elektronik und Ausstattungsteilen. Das Geschäft bleibt dennoch interessant, denn jeder zusätz­ lich verkaufte CKD-Teilesatz senkt direkt unsere Herstellkosten je Einheit.“402

Des Weiteren startete die BMW-Zentrale in den 1970er Jahren den Versuch, Synergieeffekte bzw. eine kostengünstigere Vernetzung zwischen den einzel­ 400 

Vgl. Entwurf der Exportabteilung Region Nah- und Fernost, Australien (VE-R-3) „Strategie für Südostasien Teil II: Anlagen“ vom 14. 11. 1984, in: BMW UA 1815/1. 401  Vgl. BMW intern Nr. 3/83 vom 23. 02. 1983, in: BMW UU 685/10. 402 Ebd.

4.5. Vertriebspolitik

513

nen Fertigungsstandorten herzustellen. Neben den von unabhängigen Part­ nern betriebenen CKD-Werken – mit Ausnahme Südafrikas – verfügte BMW bis 1981 nur über deutsche Produktionsstandorte in München, Berlin und Dingolfing. Die Fertigung von Teilesätzen fand in den 1970er Jahren je nach Modell sowohl im Münchner Stammwerk statt als auch im Werk Dingol­ fing.403 Der CKD-Tätigkeitsbereich wurde gegen Ende des Jahres 1976 vor­ nehmlich dem Technik- und Produktions-Ressort zugeordnet, während alle marktspezifischen Fragen weiterhin vom Vertriebsvorstand geklärt wur­ den.404 1976 ließ die BMW-Geschäftsleitung von der Technischen Zentrale (TZ) untersuchen, inwiefern ein Export von LC-Teilen, also von im Ausland gemäß Local-Content-Bestimmungen gefertigten Teilesätzen, aus der Ferti­ gung in Rosslyn an die Montagebetriebe in Thailand und Indonesien mög­ lich war. Zu diesem Zeitpunkt erreichte Rosslyn einen LC-Anteil von etwa 70,0 Prozent, die restlichen Teile wie Motor, Getriebe, Normteile usf. wur­ den aus München zugeliefert und dann vor Ort montiert. Sollten also CKDTeilesätze aus Südafrika ausgeführt werden, mussten diese noch mit den rest­ lichen aus Deutschland versandten Teilesätze zusammengeführt werden. Für die Zusammenführung kamen vier Möglichkeiten in Betracht: Entweder bei dem jeweiligen asiatischen Montagepartner, in Südafrika, in Deutschland oder aber an einem neutralen Sammelplatz, wobei die beiden letzten Möglichkeiten als unwahrscheinlich eingestuft wurden. An dieser Stelle sollen die Gedan­ kenspiele der Technischen Zentrale nicht weiter vertieft werden. Die angeführ­ ten Überlegungen zeigen jedoch auf, was für komplexe Formen ein interna­ tionales, sich verdichtendes Produktionsnetzwerk annahm. Ein Unternehmen wie BMW, das erst ab Mitte der 1970er Jahre begann, Konzernstrukturen aufzubauen, um diesen Herausforderungen zu begegnen, hatte in der dritten Internationalisierungsphase oftmals noch Schwierigkeiten, diese Pläne umzu­ setzen. In diesem konkreten Fall wurde die Idee, LC-Teile aus Südafrika an andere Montagewerke zu senden, in Gänze ad acta gelegt, da der Logistik­ aufwand – auch im Hinblick auf die Koordination an den unterschiedlichen Standorten – nicht gerechtfertigt erschien und die Kosten durch die getrennte Zulieferung von zwei Teilesätzen pro Fahrzeug zu hoch waren. Darüber ­hinaus standen die ausländischen Partner der Fertigungsqualität von in Süd­ afri­ka produzierten Teilen und Fahrzeugen im Allgemeinen skeptisch gegen­ über, wie in Kapitel 5 noch aufgezeigt wird.405 Die Montageorganisation der BMW AG war betriebsintern wiederholt Ge­ genstand der Prüfung,406 um sie weiter zu verbessern, so dass mehrere Re­ 403 

Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. Protokoll Nr. 37/76 der Vorstandssitzung vom 03. 11. 1976, in: BMW UA 1446/1. 405 Vgl. Stellungnahme der Technischen Zentrale (TZ) „Export von LC-Teilen aus ZA“ , 1976, in: BMW UA 1552/1. 406  Vgl. BMW-internes Schreiben „Abwicklung des normalen Lieferprogramms“ vom 28. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1. 404 Vgl.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

visionsberichte vorliegen.407 Auch die ausländischen Partner forderten Opti­ mierungen und eine gesonderte Rücksichtnahme auf länderspezifische Details, so etwa 1974 der thailändische Montagepartner Yontrakit Motor Co., Ltd.: „Es wird gebeten, dass bei Teilen, die in Thailand produziert werden, Bedingungen für die Prüfung zu Grunde gelegt werden, die thailändischen Verhältnissen entspre­ chen. Z. B. wurde unsererseits eine Batterie abgelehnt, weil sie den Arktis-Test nicht bestand. Thailand hat tropisches Klima, so dass dieser Test wirklich illusorisch ist.“408

Dieses Zitat des BMW-Exportleiters verdeutlicht, dass das Unternehmen mit der voranschreitenden Internationalisierung beständig hinzulernen und dies im Sinne des organisationalen Lernens auch über die einzelnen Abteilungen hinweg geschehen musste. Nur so konnten die Prozesse angepasst und be­ ständig optimiert werden. Abschließend soll im Hinblick auf die Ausweitung der BMW-Produktion während der dritten Phase der Internationalisierung noch ein kurzer Hin­ weis gegeben werden, dass noch weitere Fertigungsstandorte diskutiert, je­ doch nicht realisiert wurden. Zum Jahreswechsel 1979/80 war beispielsweise ein Joint-Venture in Japan im Gespräch, um endlich ein breit gefächertes, auf den japanischen Markt abgestimmtes Modellprogramm anbieten zu können, das annähernd zeitgleich mit neuen Modellen für den europäischen Markt bereitgestellt werden konnte und den qualitativ hohen Ansprüchen des japa­ nischen Kunden genügte.409 Die Voraussetzungen für eine Montage in Japan waren jedoch nicht günstig und so wurde stattdessen der Gründung einer hundertprozentigen BMW-Vertriebsgesellschaft den Vorzug gegeben. Ein Weg, der sich später als richtig herausstellen sollte. Auch Fertigungsmöglich­ keiten in Spanien (1973)410 und Marokko – 1971 als SKD-Projekt,411 1974 als CKD-Montage412 – wurden diskutiert, letztlich aber negativ beschieden. Der BMW-Vorstand legte in den 1970er Jahren trotz aller Expansionsbestrebun­ gen Wert auf ein gesundes Wachstum, also auf eine Investitionspolitik aus eigener Kraft. Neue Investitionen im Ausland wurden daher genauestens ge­ prüft und das finanzielle sowie unternehmerische Risiko detailliert abgewo­ gen, wie es während der zweiten Phase der Internationalisierung nicht der Fall gewesen war. Bei einem Besuch in Südafrika bezog der BMW-Vorstands­ 407 Vgl. Revisionsbericht Nr. 6/72 „CKD/SKD-Geschäfte. Kaufmännische Abwick­ lung“, 1972, in: BMW UR 6271/1; Revisionsbericht Nr. 32/83 „CKD-Organisation. Organisation und Effizienz der Auslandslieferung insbesondere im Hinblick auf ZA“ vom 09. 09. 1983, in: BMW UA 1993/1. 408  Kurzbericht von Winkler, Leiter der BMW-Exportabteilung (VE), über Besuch in Thailand vom 18.–22. 11. 1974, 1974, in: BMW UA 1827/1. 409 Vgl. Strategie-Konzept Japan, Joint Venture / Übernahme vom 14. 12. 1978, in: BMW UA 1820/1. 410 Vgl. Schreiben von BMW Española SA an Lutz, BMW-Vertriebsvorstand, vom 13. 11. 1973, in: BMW UA 1827/1. 411  Vgl. Protokoll Nr. 12/71 der Vorstandssitzung vom 11. 05. 1971, in: BMW UA 801/1. 412 Vgl. BMW-Internes Schreiben „Fertigungsmittelkosten für CKD-Projekte (Ma­ rokko)[…]“ von der Technischen Zentrale (TZ-321) an die Exportabteilung (VE-61) vom 11. 04. 1974, in: BMW UA 1552/1.

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4.5. Vertriebspolitik

vorsitzende 1976 zur Eröffnung neuer Standorte Stellung und merkte an, dass es keine konkreten Absichten gäbe, „[…] auch woanders zu produzieren; aber der Gedanke ist für uns nicht mehr undenkbar.“413 Als die Firma British Leyland zu Beginn des Jahres 1980 mit einem Koopera­tionsangebot für den belgischen Standort an BMW herantrat,414 hielt der Vorstand in einer Sitzung hinsichtlich der Gründung neuer Produktions­standorte oder der Übernahme bestehender Werke resümierend fest: „Entscheidend fällt aber folgendes ins Gewicht: Ein neues Werk – sei es ein Kompo­ nentenwerk oder eine Automobilfabrik – kann für BMW nur dann Sinn haben, wenn es sich aufgrund der räumlichen Nähe zu den übrigen Werken problemlos in die übri­ ge Werksstruktur eingliedern läßt und z. B. auch Personaltransfers möglich sind. Ein in größerer Entfernung von den übrigen Produktionsstandorten zu errichtendes Werk kann nur dort lohnen, wo entweder erheblich kostengünstiger als in Deutschland pro­ duziert wird (z. B. Portugal) oder dort, wo sich große Absatzmöglichkeiten eröffnen und eine Erweiterung der unternehmerischen Aktivitäten möglich erscheint (z. B. USA). Keine der genannten Voraussetzungen ist in dem Hochlohn-Land Belgien, das einen nur sehr engen Markt bietet und wo im übrigen zusätzliche Arbeitskampf-Pro­ bleme in Kauf zu nehmen wären, vorhanden.“415

Dieser Beschluss hatte fortan Bestand, doch erst 1994 wurde ein zweites aus­ ländisches BMW-Vollwerk, also eine von Grund auf selbstständige Produkti­ onsstätte, in den USA eröffnet. Auch weitere Fertigungskooperationen im Sinne einer Montage oder eines Joint Ventures wurden im Ausland, mit Aus­ nahme des österreichischen Motorenwerks in Steyr im Jahre 1982, bis in die 1990er Jahre nicht eingegangen. Abschließend soll Tabelle 53 einen Über­ blick bieten, welche Baureihen während der dritten Internationalisierungs­ phase als Teilesätze, überwiegend CKD anstelle von SKD, ins Ausland zu den Montagepartnern geliefert wurden. Hierdurch lässt sich ermitteln, wel­ che Baumuster für die Auslandsmontage besonders wichtig waren. 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 02er Reihe 6 200 5 369 2 570 3 048 396 504 360 Neue Klasse 868 210 1 032 372 0 0 0 Großwagen 695 987 693 216 204 696 252 3er Reihe 0 0 0 0 0 0 540 5er Reihe 0 0 754 4 662 4 140 8 040 6 612 7er Reihe 0 0 0 0 0 0 912 Gesamt 7 763 6 566 5 049 8 298 4 740 9 240 8 676 Anteil am 9,9 7,3 5,1 8,4 4,5 6,6 6,0 Gesamtex­ port (in %)

0 0 0 1 164 8 448 1 752 11 364 6,9

1979

1980

1981 Gesamt

0 0 0 18 447 0 0 0 2 482 0 0 0 3 743 1 836 1 968 1 872 7 380 8 484 10 332 7 692 59 164 1 248 1 632 3 000 8 544 11 568 13 932 12 564 99 760 6,7 7,0 6,0 6,6

Tabelle 53: Für den Export produzierte Teilesätze nach BMW-Baumustern, 1971–1981.416 413 

Redeskizze für einen Vortrag des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim bei einem Besuch in Südafrika, 03. 11. 1976, in: BMW UA 1995/1. 414  Vgl. Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA 1455/1. 415  Protokoll Nr. 26/80 der Vorstandssitzung vom 07. 07. 1980, in: ebd. 416  Vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Die Angaben aus Tabelle 53 zeigen, wie sich das Montagegeschäft gegen Ende der dritten Internationalisierungsphase zusehends etablierte und mit der Aufnahme der Fertigung in Asien, vor allem mit Indonesien und Malay­ sia, ausgebaut werden konnte. Parallel blieb der Anteil von Teilesätzen am Gesamtexport ab 1976 stabil zwischen 6,0 und 7,0 Prozent, nachdem er zu­ vor stärkeren Schwankungen unterlag. Der zwischenzeitlich geringe Export von CKD-Sätzen ist vor allem auf politische Regularien bzw. Handelshemm­ nisse zurückzuführen, die bereits in diesem Abschnitt angeführt wurden und die die Montage in den jeweiligen Ländern stark erschwerten oder gar ganz zum Erliegen brachten. Im Vergleich zu den 1950er und 1960er Jahren war der Anteil von Teilesätzen wesentlich geringer, es wurden also in den 1970er Jahren erheblich mehr Komplettfahrzeuge ausgeführt. Der Export dieser so­ genannten CBU-Einheiten nahm relational weitaus stärker zu als die Ausfuhr der für die Montage bestimmten Fahrzeuge. Dies lag auch an der Umstellung der Vertriebspolitik ab 1972/73, die durch die Übernahme des Vertriebs und Gründung eigener Tochtergesellschaften in zahlreichen Märkten gekenn­ zeichnet war. Hierdurch konnte der Absatz im Ausland signifikant gesteigert werden, vor allem im Bereich der Komplettfahrzeuge. Auf den Strategiewech­ sel im Außenhandel wird detailliert in dem sich anschließenden Abschnitt 4.5.2.2 eingegangen. Ein weiterer Unterschied zu den beiden vorangegangen Dekaden ist in der Struktur der Baureihen zu finden, die als Teilesätze ausgeführt wurden. Wäh­ rend in den 1950er Jahren ausschließlich Kleinst- und Kleinwagen montiert wurden, nahm in der Folgedekade der Anteil anderer Fahrzeuge sukzessive zu, also der 02er Reihe, der 3er Baureihe sowie der oberen Mittelklasse bzw. der Neuen Klasse. In der dritten Phase der Internationalisierung setzte sich dieser Trend nach oben fort und somit wurden wesentlich mehr Fahrzeuge der BMW 5er Klasse im Ausland montiert als Wagen der BMW 3er bzw. 02er Reihe. Die obere Mittelklasse erfreute sich insbesondere in Asien als Statussymbol höherer Beliebtheit. Auch der CKD-Anteil der oberen Klasse, also der BMW 7er Baureihe, nahm deutlich zu, obwohl sie im Ausland wäh­ rend der dritten Internationalisierungsphase ausschließlich im südafrikani­ schen Werk Rosslyn montiert wurde. 4.5.2.2.  Der Strategiewechsel: Vertriebsgesellschaften statt Importeure Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, wandelte sich die BMW AG im Laufe der 1970er Jahre zu einem international agierenden Unter­nehmen mit Konzernstrukturen, die Ausdruck einer sich ändernden Unternehmenspolitik waren, was innerhalb des Vertriebsbereichs am deut­ lichsten zutage trat. Hier griff die BMW-Geschäftsleitung tief in die ­Geschäftsprozesse ein, indem sie in den Jahren 1972/73 eine umfassende Umstrukturierung des Vertriebsnetzwerks einleitete. Diese sah die Ablösung der Importeure in wichtigen Ländern durch die Gründung firmeneigener Vertriebsgesellschaften vor. Den Ausschlag für diesen Wandel gaben im We­

4.5. Vertriebspolitik

517

sentlichen zwei Faktoren: Externer Natur war die Änderung der wirtschafts­ politischen Rahmenbedingungen innerhalb der EWG durch Vorgaben der Europäischen Kommission. Diese hatte die bestehenden Ausschließlichkeits­ verträge zwischen der BMW AG und ihren Importeuren als widerrechtlich erklärt. In der Kritik stand vorrangig der hierin festgeschriebene Gebiets­ schutz, der das Vertriebsgebiet der Importeure festlegte und den Import so­ wie Export anderer Partner in diese Gebiete oder aus ihnen untersagte. Ende 1972 erhielten mehrere Automobilhersteller einen Bescheid der Europäi­ schen Kommission – unter anderem BMW, Citroën und weitere Hersteller – wonach es ihnen verboten wurde, innerhalb der EWG mit Importeursfirmen Ausschließlichkeitsverträge mit Gebietsschutz abzuschließen.417 Sie forderte die Möglichkeit von Paralleleinfuhren, die mehr Wettbewerb zulassen sollte. Im Vorfeld hatte BMW in fast zweijährigen Verhandlungen die bestehenden Verträge verteidigt. Diese Gespräche waren allerding fruchtlos geblieben und so musste sich die BMW AG, wie alle anderen Automobilhersteller, diesen neuen Rahmenbedingungen beugen.418 Die Liberalisierung des Handels in­ nerhalb der EWG in den 1970er Jahren wirkte also zugleich als Katalysator für die Internalisierung der Vertriebsprozesse der BMW AG. Zu den exter­ nen Bedingungen gesellten sich ferner interne Gründe, die für eine Übernah­ me des Vertriebs in wichtigen Märkten sprach, denn eine Analyse des Ver­ triebs aus dem Jahr 1971 über die im Export erwirtschafteten Erträge zeigte, dass die Gewinne der EWG-Importeure über denen der BMW AG im Aus­ fuhrgeschäft lagen.419 Dies war auf die hohen Margen zurückzuführen, die den Importeuren vertraglich zustanden, sowie auf den Umstand, dass sie in zahlreichen Märkten, in denen der Importeur zugleich als Händler fungierte, die Marge doppelt bezogen. In Frankreich verbuchte BMW beispielsweise we­ gen des Rabattes für Importeure von 14,7 Prozent pro Einheit bei dem Mo­ dell BMW 2002 einen Verlust von 259 DM, während der Importeur dank der besagten Marge einen Gewinn von 1 360 DM erwirtschaftete. Hinzu kamen dann über den Händlerrabatt weitere 12,4 Prozent, insofern der Importeure zugleich als Händler agierte.420 Ähnlich wie bei der in Kapitel 4.5.2 geschil­ derten Umstrukturierung des Vertriebs im Inland konnte auch hier die Ge­ winnmarge von BMW durch die Internalisierung der Zwischenvertriebsstufe des Importeurs angehoben werden. Der damalige Vertriebsvorstand Lutz be­ richtete dem Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang wie folgt: „Die Ertragslage im Exportgeschäft ist unbefriedigend. Die Ursache ist vor allem dar­ in zu sehen, dass auf dem Absatzweg vom Werk zum Händler eine weitere Handels­ stufe, nämlich die des Importeurs, eingeschaltet ist. Diese Funktion muss BMW zur 417  Vgl.

Protokoll Nr. 35/71 der Vorstandssitzung vom 14. 12. 1971, in: BMW UA 801/1. Schreiben der BMW-Verkaufsabteilung an den niederländischen Importeur Alimpo NV vom 28. 03. 1972, in: BMW UA 1827/1. 419  Vgl. Anschreiben der BMW AG an das Schiedsgericht im Fall T. Thodorof, 1976, in: BMW UR 1347/1. 420  Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 17. 418 Vgl.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Verbesserung der Ertragssituation selbst übernehmen, das heißt auf den wichtigsten Märkten sind die Importeurzentren durch werkseigene Vertretungen zu ersetzen. Die Konkurrenz hat diesen Weg bereits fast ohne Ausnahme beschritten. Es ist vorge­ sehen, die ersten Verhandlungen in dieser Richtung mit dem BMW-Importeur in Frankreich zu führen. Die erwähnte Strategie fällt zeitlich mit einem von der EWGKommission gegen BMW eingeleiteten Verfahren zusammen, in dem die in den Im­ porteurverträgen enthaltenen Exportverbote beanstandet werden. Nach Meinung der EWG-Kommission hat das innerhalb der EWG von BMW eingeführte System der Exportverbote zu einer Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs im EWGRaum geführt. Damit ist ein zusätzlicher Grund gegeben, die BMW-Importeure in der EWG durch werkseigene Vertretungen zu ersetzen.“421

Der Aufsichtsrat stimmte dem skizzierten Vorgehen zu und so leitete der Vorstand die notwendigen Schritte zur Realisierung umgehend in die Wege. Bei der Auswahl der Importeure und Märkte, die zuerst in Frage kamen, richtete man sich nach sehr pragmatischen Gesichtspunkten. Zum einen rückten eingangs die wichtigsten Märkte in den Fokus, also diejenigen mit hohem Absatz oder aussichtsreichem Potential.422 Bei der Planung zur Gründung eigener Vertriebsgesellschaften im Ausland wurde berücksichtigt, ob sich der Verkauf in den zentralen Märkten gemäß den Vorstellungen der BMW-Zentrale entwickelte oder inwiefern – etwa wegen unzureichender ­Investitionskraft des Importeurs, unzureichender Marktausschöpfung, Ma­ nagementproblemen oder auch opportunistischen Verhaltens des von BMW beauftragten Agenten – das Engagement in einem Markt auch aufgrund des Importeurs unter seinen Möglichkeiten für BMW blieb. Darüber hinaus spielte auch die Dauer der laufenden Verträge eine maßgebliche Rolle beim systematischen Ausbau der Vertriebsorganisation.423 1972 nahm BMW Ver­ handlungen mit den BMW-Importeuren in Frankreich, Belgien, Holland und Italien auf,424 zum Teil lief ihre vertragliche Bindung aus. Die Reaktionen der Partner waren sehr unterschiedlich und reichten von kooperativem Verhalten bis hin zu juristischem Widerstand. Die erste firmeneigene BMW-Vertriebs­ gesellschaft im Rahmen der neuen Vertriebsstrategie wurde in Frankreich ge­ gründet, die zum 1. Januar 1973 den Import und Vertrieb von BMW-Fahr­ zeugen übernahm. Die Hintergründe hierzu waren allerdings aufgrund der Auseinandersetzungen mit dem dortigen langjährigen Importeur Thodorof juristisch verwickelt, dessen Vertragsverhältnis mit mehreren Verlängerungen auf das Jahr 1953 zurückging, jedoch Ende 1972 auslaufen sollte.425 Wegen des bevorstehenden regulären Vertragsendes rückte Frankreich somit als wichtiger EWG-Markt in den Vordergrund. Die fließenden Französisch­ 421 

Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15. 03. 1972, in: BMW UA 808/2. Redeskizze für einen Vortrag des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuen­ heim bei einem Besuch in Südafrika, 03. 11. 1976, in: BMW UA 1995/1. 423  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1. 424  Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 18. 425 Vgl. Anklageschriftsatz der SFAM France SA gegen die BMW AG, 1976, in: BMW UA 2045/1. 422 Vgl.

4.5. Vertriebspolitik

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kenntnisse des Vertriebsvorstands Lutz gaben weiteren Ausschlag, den Wechsel der Vertriebsstrategie über die Gründung einer eigenen Tochter in Frankreich zu beginnen.426 Zum Jahresende 1972 gründete die BMW AG in Frankreich eine Firma namens PARIT SA, die zunächst als Firmenmantel diente. Sie übernahm nach dem Auslaufen des Vertrages mit Thodorof den BMW-Vertrieb in Frankreich. In diesem Kontext wurde auf einer außeror­ dentlichen Generalversammlung am 8. Januar 1973 die Umfirmierung der PARIT SA in BMW Import SA beschlossen sowie die Übernahme der Ge­ schäftstätigkeit des bisherigen Importeurs vollzogen. Erst zwei Jahre später – zum 11. Juli 1975 – konnte die konzerneigene Vertriebsgesellschaft in BMW France SA umbenannt werden.427 Dies Umbenennung hatte sich schwierig gestaltet, da BMW dem französischen Importeur Thodorof im Ap­ ril 1964 mit einem Vorstandsbeschluss gestattet hatte, seine Firma Impérial Garage in BMW France SA umzubenennen.428 Aufgrund der gerichtlichen Auseinandersetzungen war es als Konsequenz später zunächst nicht möglich, den ursprünglich anvisierten Namen „BMW France“ für die französische Tochter zu verwenden. Wie in den Kapiteln über die erste und zweite Phase der Internationalisierung ausgeführt worden ist, war es äußerst selten, dass ein Importeur den Firmennamen BMW für die Benennung seines Betriebs nutzen durfte; Frankreich und Italien stellten hier eine ungewohnte Aus­ nahme dar. Diese Negativerfahrungen führten in den 1970er Jahren zu einer ­erneuten Bekräftigung der alten Regelung, nach der „[…] jede Entscheidung über die Verwendung von Firmenbezeichnungen, Firmenzeichen, Modell­ bezeichnungen, Schriftzügen und ähnliches der Zustimmung des Vorstands […]“ bedurfte.429 Die juristischen Auseinandersetzungen zwischen BMW und dem ehemaligen französischen Importeur setzten sich auch nach der ge­ genseitigen Unterzeichnung eines Einverständnisprotokolls vom 21. Dezem­ ber 1972 fort. Hierin hatten sich beide Parteien darauf verständigt, dass die französische BMW-Gesellschaft den nun als SFAM SA firmierenden ehema­ ligen Importeur mit mehreren Betrieben ab dem 1. Januar 1973 als Vertrags­ händler einsetzen sollte. Nachdem SFAM jedoch ohne die Zustimmung von BMW die Exklusivitätsklausel verletzte und den Import von Fahrzeugen der Marke Saab übernahm, wurden die Vertragshändlerverträge zum 20. Juni 1974 von BMW gekündigt. Im Anschluss hieran kam es zu beidseitigen An­ klagen, unter anderem seitens der BMW AG gegen Thodorof wegen Beleidi­ gung, was aufzeigt, wie kontrovers die Übernahme des Vertriebsgeschäftes in Frankreich verlief.430 Eine weitere Detaillierung der gerichtlichen Auseinan­ dersetzung führte an dieser Stelle zu weit, am Beispiel Frankreichs sollte 426 

Vgl. Interview von Kuenheim, 07. 11. 2012. Vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 46. 428  Vgl. Protokoll Nr. 9/64 der Vorstandssitzung vom 29. 04. 1964, in: BMW UA 409/1. 429  Protokoll Nr. 5/78 der Vorstandssitzung vom 14. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 430  Vgl. Schreiben der juristischen Abteilung der BMW AG „Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen BMW Importeuren“ vom 12. 06. 1975, in: BMW UA 1939/1. 427 

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

j­edoch aufgezeigt werden, mit welchen Schwierigkeiten ein Unternehmen – hier die BMW AG – bei der Gründung eigener Vertriebsgesellschaften im Ausland konfrontiert werden konnte. Ebenfalls juristische Konfrontationen gab es mit dem ehemaligen belgischen Importeur Ets. Moorkens SA, der nach der Übernahme des Vertriebs durch BMW in Belgien als Moorkens Frères du Import SA – ähnlich wie Thodorf in Frankreich – mit mehreren Händlerbetrieben am Vertrieb von BMW-Fahrzeugen beteiligt wurde, je­ doch 1974 ohne Zustimmung der BMW AG den Verkauf von Produkten der Marke Mitsubishi begann, worauf die neue Vertriebstochter BMW Belgium alle Verträge im November 1974 aufkündigte. Diese juristischen Auseinan­ dersetzungen zogen finanzielle Aufwendungen nach sich und machten Rück­ stellungen bei BMW notwendig. Es mussten, vor dem Hintergrund der ­Kritik durch die Europäischen Kommissionen am Gebietsschutz und dem Alleinvertretungsanspruch der alten Verträge, die neuen vertraglichen Rah­ menbedingungen erst eruiert werden. Ende 1975 wurde beispielsweise BMW Belgium mit einem – allerdings geringen – Bußgeld belegt, da sie ihren Händ­ lern in einem Rundschreiben jeglichen Export ins Ausland verboten hatte.431 Die Liberalisierungspolitik der EWG und ihrer Organe setzte sich also letzt­ lich in der europäischen Konzernlandschaft durch. Da sich die Verhandlungen mit den Importeuren, von denen Einfuhr und Verkauf in den jeweiligen Märkten übernommen werden sollten, unter­ schiedlich gestalteten, ließ sich die Planung über die Gründungen der Ver­ triebsgesellschaften nach Aussagen des BMW-Personal- und Sozialwesens schwer planen und abwickeln. „Den richtigen Zeitpunkt können wir aber nur sehr schwer vorherplanen, da die Übernahme von Tochtergesellschaften je nach den persönlichen Verhältnissen des ver­ kaufsbereiten Importeurs oft unvorhergesehen aktuell wird.“432

Insbesondere aber die Umstände der Vertriebsübernahme waren für die Per­ sonalabteilung wichtig, da von ihr abhing, ob sie sich bei einer kompletten Neugründung um die Akquise einer ganzen Belegschaft für eine neue Toch­ ter engagieren musste oder es sich aber um eine Gründung durch die Über­ nahme eines Importeurs mitsamt seinen Mitarbeitern handelte, was beachtli­ che Vorteile im Hinblick auf Personal und einer bestehenden Logistik bot. Tabelle 54 listet sämtliche hundertprozentigen Vertriebsgesellschaften der BMW AG auf, die während der dritten Internationalisierungsphase gegrün­ det wurden und gibt an, inwiefern es sich hierbei um eine Neugründung han­ delte (mit N gekennzeichnet), oder ob die Gründung der Tochter durch eine Übernahme des bestehenden Importeurs erfolgte (mit Ü gekennzeichnet). Es wurde der jeweils zeitgenössische Name der Gesellschaft gewählt, der 431  Vgl. Zusammenfassungen der juristischen Abteilung (AJ) zu Rechtsstreitigkeiten der BMW AG und ihrer Tochtergesellschaften, 1977, in: ebd. 432 Ausarbeitung, von Eckartsberg, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesellschaften“, 1977, in: BMW UA 1865/1.

4.5. Vertriebspolitik

521

­ ährend der dritten Phase der Internationalisierung Bestand hatte; etwaige w Umbenennungen zu einem späteren Zeitpunkt sind hier also nicht berück­ sichtigt. Als Zäsur wurde darüber hinaus nicht das Gründungsdatum einer Gesellschaft gewählt, sondern der Zeitpunkt, der die Übernahme des Ver­ triebsgeschäftes markierte. Dieses ist – wie die Ausführungen etwa zu der Entstehung der französischen Tochter BMW France SA gezeigt haben – in den überwiegenden Fällen aussagekräftiger als das Datum der Gründung. Auch in den USA bestand beispielsweise seit 1973 eine Tochter für Markt­ beobachtungszwecke, die allerdings noch keinen Einfluss auf die dortige ­Geschäftstätigkeit nahm und erst im März 1975 den Vertrieb internalisierte. In anderen Märkten wurden wiederum bei der Übernahme bestehender Im­ porteursbetriebe nicht auf Anhieb alle Anteile transferiert, sondern ein mehr­ stufiges Übertragungsmodell gewählt; dies konnte sowohl aus steuerlichen, rechtlichen, aber auch aufgrund von Sicherheitsbedenken oder einer einge­ schränkten Investitionsabsicht geschehen. Die Übernahme des japanischen Importeurs Balcom Trading Company, der seit 1952 BMW-Generalimpor­ teur war, erfolgte beispielsweise in zwei Schritten: Zum 1. April 1981 wurden 80 Prozent der Anteile übernommen – zunächst durch eine Holdinggesell­ schaft der BMW AG – und zum 1. Oktober 1981 dann die restlichen Anteile, die ebenfalls auf die BMW (US) Holding Corp. übertragen wurden, die ih­ rerseits ebenfalls eine hundertprozentige Tochter der BMW AG war, auf die näher in Abschnitt 4.5.2.3 eingegangen wird.433 Am 28. September 1981 er­ folgte die Eintragung der Tochtergesellschaft unter dem japanischen Namen BMW KK in das Handelsregister, der in englischer Sprache als BMW Japan Corp. ausgedrückt wird. Die operative Geschäftsaufnahme der BMW Japan Corp. erfolgte dann zum 1. Oktober 1981.434 Da während der dritten Inter­ nationalisierungsphase elf Vertriebsgesellschaften von der BMW AG im Aus­ land gegründet wurden, ist es leider im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich und zielführend, die Gründungsgeschichten aller Töchter an­ zuführen. Aus diesem Grunde soll an dieser Stelle Tabelle 54 einen besseren Überblick bieten. 433 Die

vertraglichen Regularien zur Übernahme des japanischen Importeurs sind mehrfach – auch sehr kurzfristig – geändert worden. Es waren unterschiedliche Szena­ rien vom BMW-Finanzressort entwickelt worden. Die Ausgangssituation war recht­ lich vertrackt, da die Balcom Trading Corp. ihren Sitz in Panama hatte, einer der Ge­ schäftsführer jedoch in den USA lebte. Hier bedurfte es langer Verhandlungen, um juristisch und steuerlich eine akzeptable Lösung für alle Beteiligten zu finden. Die Übernahme des japanischen Importeurs zeichnete sich allerdings durch ein ausgespro­ chen kooperatives Verhalten auf allen Seiten aus, vgl. VA-Z-Protokoll Nr. 2/80 vom 12. 02. 1980, in: BMW UA 1820/1; Übernahme Japan, Telefonnotiz Anruf von FZ am 10. 12. 1980, in: ebd.; Reisebericht und Ergebnisvermerk vom 18. 12. 1980, in: ebd. 434 Vgl. Schreiben von Fernandes und Child, Geschäftsführer der Balcom Trading Comp., an Banque de l’Indochine et de Suez mit Sitz in Lausanne vom 16. 03. 1981, in: ebd.; Schreiben von Dr. Schmitz, juristische BMW-Abteilung (AJ-14), an die Vorstän­ de der Ressorts A, F und V vom 07. 10. 1981, in: ebd.

522 4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung   435  436  437  Markt

Vertriebsgesellschaft

Frankreich Belgien Italien Südafrika435

BMW France SA BMW Belgium SA/NV BMW Italia SpA BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

USA Schweiz Österreich Niederlande Australien436 Großbritannien437 Japan

Übernahme Vertrieb

01. 01. 1973 01. 01. 1974 07. 01. 1974 16. 08. 1972 /  24. 03. 1975 BMW of North America, LLC 14. 03. 1975 BMW (Schweiz) AG 31. 01. 1976 BMW Austria Gesellschaft mbH 01. 01. 1978 BMW Nederland BV 01. 01. 1979 BMW Australia Ltd. 21. 09. 1966 /  01. 01. 1979 BMW (GB) Ltd. 01. 01. 1980 BMW Japan Corp. 01. 10. 1981

Übernahme (Ü) / Neugründung (N) N N N Ü N Ü N Ü Ü N Ü

    

Tabelle 54: Hundertprozentige Vertriebsgesellschaften der BMW AG während der dritten Internationalisierungsphase.438 435  In dieser Darstellung stellt die südafrikanische Tochtergesellschaft einen Sonder­ fall dar. Zum einen war die BMW SA keine reine Vertriebstochter, sondern darüber hinaus mit dem Werk Rosslyn auch eine Produktionsgesellschaft. Die BMW SA wurde am 16. August 1972 durch die Übernahme der südafrikanischen Partnerbetriebe – für Import, Montage und Vertrieb – gegründet, war jedoch noch keine hundertprozentige Tochter der BMW AG, sondern eine Minderheitsbeteiligung. Erst zum 24. März 1975 erwarb die BMW AG über ihre Holdingstruktur die restlichen Anteile an der BMW SA, wodurch diese zu einer hundertprozentigen BMW-Tochter wurde, vgl. Kapitel 5. 436 Auch bei der australischen BMW-Tochter handelte es sich um ein mehrstufiges Vorgehen, denn zunächst hielt BMW während der zweiten Internationalisierungs­ phase lediglich eine Minderheitsbeteiligung an der Vertriebsgesellschaft, die gemein­ sam mit dem lokalen Importeur gegründet worden war. Erst zum 01. 01. 1979 über­ nahm die BMW AG die restlichen Anteile der australischen Beteiligung sowie alle Vertriebsaktivitäten (vgl. Kapitel 3.5.2.3). 437  Bei der BMW (GB) Ltd. handelte es sich nicht um eine komplette Neugründung, sondern um eine Umbenennung der bereits am 11. Juli 1978 gegründeten und ur­ sprünglich für den Vertrieb von BMW Bootsmotoren vorgesehenen BMW Marine Engines Ltd. Die Umbenennung erfolgte zum 2. Juli 1979, die Übernahme des Ver­ triebs von dem bisherigen Importeur BMW Concessionaires Ltd. zum 1. Januar 1980, vgl. Steiner, BMW Auslandsvertriebsgesellschaften, S. 78. 438  Vgl. Schwerpunkte der Ausführungen „BMW weltweit“ von Schönbeck gegenüber dem BMW-Aufsichtsrat vom 25. 02. 1982, in: BMW UR 1533/1; Fragen- und Antwort­ katalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1; Protokoll Nr. 42/78 der Vorstandssitzung vom 12. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10; BMW Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10; Bericht der Bayeri­ schen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1982, 1983, in: BMW UU 230/10.

4.5. Vertriebspolitik

523

Die BMW AG gründete während der dritten Phase ihrer Internationalisie­ rung elf Vertriebsgesellschaften im Ausland, wovon die südafrikanische Tochter zugleich Produktionstochter war, der das Werk Rosslyn zu 100 Pro­ zent zugeordnet war. Hinzugerechnet werden kann die vollständige Über­ nahme aller Anteile an der in den 1966 gegründeten australischen Impor­ teursfirma, an der BMW lange Zeit eine Minderheitsbeteiligung hielt (vgl. Kapitel 3.5.2.3). Die Übernahme des Vertriebs in Australien kann also als elfte Vertriebsgesellschaft während der dritten Phase der Internationalisie­ rung gewertet werden. Überlegungen Ende der 1970er Jahre, die Eigentü­ merstrukturen zu ändern und das südafrikanische Werk in den Produk­ tionsverbund der BMW AG zu übereignen, wurden nach eingehender Prü­ fung durch den BMW-Vorstand sowie der entsprechenden Fachstellen letztlich negativ beschieden (vgl. Kapitel 5). Wie einleitend zu diesem Kapitel angeführt wurde, hatte die Mahnung der Europäischen Kommission gegen­ über den Automobilherstellern eine katalytische Wirkung bei der Übernah­ me des Vertriebs von Importeuren innerhalb der EWG. So war auch knapp die Hälfte der elf bis einschließlich 1981 gegründeten BMW-Vertriebstöchter in der EWG angesiedelt. Dass die sich im Hinblick auf die Importeursverträ­ ge ändernde wirtschaftspolitische Lage nicht der einzige Grund für die Inter­ nalisierung des Vertriebs in mehreren Märkten war, wurde bereits angeführt und durch die Gründung weiterer Vertriebstöchter außerhalb Europas sowie in zwei Mitgliedsstaaten der EFTA belegt. Hierbei wurde der Vertrieb zu­ nächst in denjenigen Märkten internalisiert, die von zentraler Bedeutung ­waren, ein hohes Absatzpotential boten oder in denen die Betreuung durch den jewei­ligen Importeur nicht im Sinne der BMW AG verlief. Um juristi­ sche Aus­einandersetzungen zu vermeiden, wurde hierbei in der Regel das Auslaufen des Importeursvertrages genutzt, was demgemäß Einfluss auf den Zeitpunkt der Gründung nahm, oder eine beidseitig zufriedenstellende Über­ nahme vor Vertragsende in die Wege geleitet. Nahezu jährlich wurde mindestens eine neue Gesellschaft gegründet, um das Geschäft des bisherigen Importeurs zu übernehmen, wobei eingangs ­unter dem Druck der Europäischen Kommission der Fokus zunächst auf den EWG-Staaten lag. Bei fünf der Vertriebstöchter handelte es sich um eine vollständige Übernahme des Importeurs einschließlich seiner Mitarbeiter und Infrastruktur. Die US-Tochter stellte hier eine Mischform dar, da es sich streng genommen um eine Neugründung handelte, jedoch wurde mit der In­ ternalisierung des US-Vertriebs von BMW-Automobilen das gesamte Perso­ nal von HMC übernommen und von Hoffman auch die Importeurszentren in Montvale und Los Angeles inklusive Vorkaufsrecht angemietet.439 Eine vollständige Übernahme des Importeurs hingegen bot in Ländern wie bei­ spielsweise Japan einen enormen Vorteil, da für ausländische Firmen die Ak­ quise japanischen Personals besonders schwierig war: Die Gesetzmäßigkei­ 439 

Vgl. Protokoll Nr. 4/75 der Vorstandssitzung vom 11. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1.

524

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

ten des Arbeitsmarktes in Japan sowie die Bindung zwischen dem Unter­ nehmen und seinen Mitarbeitern unterschied sich fundamental von den deutschen bzw. westlichen Prinzipien. Dahinter verbargen sich „Firmenfa­ milien“, in denen ein Mitarbeiter für gewöhnlich sein ganzes Berufsleben verbrachte; Wechsel zwischen Firmen bildeten im traditionellen Japan die Ausnahme in einer Arbeitsbiographie. Aus diesem Grund standen viele Japa­ ner einer Tätigkeit bei einem ausländischen Unternehmen, das sich erst noch in Fernost behaupten musste, skeptisch gegenüber. Nicht zuletzt brachte die­ ses Arbeitsverhältnis weniger Sicherheit mit sich, dafür aber ein erhöhtes ­Potential für interkulturelle Missverständnisse. Im Falle der Übernahme der Balcom Trading Company im Jahre 1981 wechselten 212 Mitarbeiter zur BMW Japan Corp., die im weiteren Verlauf noch 50 zusätzliche Mitarbeiter rekrutierte. Hierunter befanden sich lediglich zwei ausländische Manager aus Deutschland: Geschäftsfüher Lüder Paysen und Marketingchef Walter Sa­ wallisch. Dieses Vorgehen wurde als „Local Managament Policy“440 bezeich­ net, die in den BMW-Töchtern weltweit umgesetzt wurde. Auf dieses Prin­ zip ist bereits in Kapitel 4.2.2 eingegangen worden und soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Während in Japan tatsächlich der Anteil einhei­ mischer Mitarbeiter bei nahezu 100 Prozent lag, war der personelle Austausch zwischen München und dem Management­apparat der südafrikanischen Toch­ ter weitaus intensiver, dort jedoch auch die Gesamtbelegschaft wesentlich größer.441 Mit der weltweiten Gründung neuer Töchter in diversen Ländern hatte sich BMW stets auf die lokale Kultur einzustellen; sowohl im Wirken nach außen, im Sinne einer marktspezifischen Kundenansprache, als auch nach innen, beispielsweise bei der Rekrutierung des Personals.442 Um den Einfluss der Aufnahme des Vertriebs durch die BMW AG auf die Entwicklung des jeweiligen Marktes besser bewerten zu können, zeigt Tabel­ le 55 den Verlauf des BMW-Marktanteils in diesen Märkten während der dritten Internationalisierungsphase. Grün eingefärbt sind hierbei die Jahre bzw. Felder, in denen der Vertrieb durch die lokale BMW-Tochter abgewi­ ckelt wurde. Ein Vorher-Nachher-Vergleich des Marktanteils bietet gegen­ über Export- und Absatzzahlen den Vorteil, dass zum einen die tatsächlich in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge betrachtet werden, also nicht nur die ein­ geführten Einheiten in dieses Land, und zudem externe Einflüsse berück­ sichtigt werden, wie etwa die beiden Ölpreiskrisen, die in der Regel den Ge­ samtmarkt tangierten, die Zulassungszahlen also durchaus sinken konnten, der Marktanteil allerdings stabil bleiben konnte. 440  Paysen, Lüder: Crashing the Foreign Car Imports Roadblock. BMW Japan Gears Up to Crack Local Market, in: Journal of Japanese Trade & Industry, Nr. 5, 1983, in: BMW UA 1813/1. 441 Auch Japan sandte regelmäßig Mitarbeiter nach München, um die BMW-Kultur besser kennenzulernen. Talentierte Nachwuchsmitarbeiter wurden sogar bis zu 1,5 Jah­ re nach München geschickt, vgl. Pressespiegel vom 15. 04. 1989, in: BMW UA 1813/1. 442  Für das Vorgehen der BMW AG in Japan, vgl. Sawallisch, Erfolgsbeispiel BMW.

4.5. Vertriebspolitik

525

1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 Belgien 2,4 2,1 1,9 1,6 2,3 2,0 2,2 2,7 2,7 3,0 3,0 Frankreich 0,5 0,5 0,6 0,6 0,8 0,7 0,8 0,8 0,8 0,9 1,3 Großbritannien 0,4 0,5 0,6 0,5 0,6 0,7 0,6 0,7 0,8 0,9 1,1 Italien 0,7 0,8 0,7 0,9 1,5 1,4 1,3 1,5 1,5 1,9 2,0 Japan k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 Niederlande 1,5 1,5 1,4 1,7 2,0 2,0 1,8 2,3 2,1 2,4 2,9 Österreich 1,4 1,5 1,4 2,1 3,2 2,8 2,6 3,9 3,3 3,3 3,5 Schweiz 2,3 2,4 2,4 3,2 4,4 4,3 4,0 4,2 4,0 4,1 4,1 Südafrika 1,2 1,2 0,9 1,3 2,3 3,0 3,7 3,4 3,9 4,0 4,5 USA 0,12 0,14 0,12 0,17 0,22 0,26 0,26 0,28 0,32 0,41 0,49 Tabelle 55: BMW-Marktanteile in wichtigen Märkten, 1971–1981.443

Eine Analyse der Entwicklung der Marktanteile zeigt, dass die Übernah­ me der Vertriebsaktivitäten langfristig deutlich positiven Einfluss nahm und die Anteile am jeweiligen Markt in der Regel dauerhaft ausgebaut werden konnten. Hinter geringen prozentualen Veränderungen konnten sich höhere absolute Umschläge verbergen, wie Tabelle 57 in Abschnitt 4.5.3 zeigt, die nähere Angaben zu den absoluten Exportzahlen für ausgewählte Länder ent­ hält. Einzig die Zulassungen in den beiden EFTA-Staaten Schweiz und Ös­ terreich folgten seit der Gründung der lokalen BMW-Tochter einem rückläu­ figen Trend, auch wenn in der Schweiz die BMW-Zulassungen absolut be­ trachtet anstiegen, der Absatz in Österreich hingegen ebenfalls real abnahm. Deutliche Zugewinne konnte das Münchner Unternehmen mit der Etablie­ rung einer lokalen BMW-Gesellschaft indessen in den USA, Südafrika, Belgi­ en und Italien verzeichnen sowie die Präsenz in allen anderen aufgeführten Märkten weiter ausbauen. In den wachsenden Marktanteilen spiegelte sich somit der Erfolg wider, der mit dem Strategiewechsel der Vertriebspolitik der 1970er Jahre einherging. Diese bilden jedoch lediglich einen Indikator für die positiven Effekte, die der Beginn der Gründung eigener Vertriebsgesellschaf­ ten hatte, denn anhand des Umsatzes bzw. des Gewinns lässt sich fernerhin nachvollziehen, inwiefern tatsächlich die Internalisierung des Auslandsver­ triebs die Transaktionskosten senkte und den Gewinn erhöhte. Beide Werte sind im Rahmen des Zwischenfazits mit weiteren wichtigen Finanzeckdaten in Kapitel 4.7 in Tabelle 58 aufgeführt und werden dort ausführlich bespro­ chen. An dieser Stelle sei allerdings vorab schon auf die Gewinnsteigerung der BMW AG von 350 Prozent während der dritten Internationalisierungs­ phase hingewiesen, der Umsatz stieg um 310 Prozent. Dies bedeutet also, 443  Grün

eingefärbt sind die Jahre, in denen der Vertrieb durch eine hundertprozenti­ ge BMW-Tochter betreut wurde. Für die Zahlenangaben, vgl. Fragen- und Antwort­ katalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1; sowie eigene Berech­ nungen, vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Ge­ schäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10.

526

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

dass die Gewinnmarge, trotz des hohen Investitionsvolumens, während der 1970er Jahre stärker anstieg und somit die BMW AG profitabler wirtschaftete. Die Internalisierung des Vertriebsgeschäftes hatte also tatsächlich die erwar­ teten positiven Effekte, die sich auch quantitativ beziffern lassen. Auch im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie wirkte sich die Internalisie­ rung positiv aus, da hierdurch das bei einigen Importeuren stark ausgeprägte opportunistische Verhalten reduziert bzw. ausgeschaltet werden konnte. Eine Tochtergesellschaft agierte zwar gegenüber der Zentrale ebenfalls als Agent, jedoch konnte eine unternehmenseigene Tochtergesellschaft aufgrund der starken Anbindung sowie der organisationalen Strukturen des BMW Kon­ zerns enger an die Vorgaben des Stammhauses gehalten und die Umsetzung besser kontrolliert werden, wie etwa die Besetzung der lokalen Geschäftslei­ tung gemäß dem „Prinzip des zweiten Mannes“ zeigte (vgl. Kapitel 4.2.2). Die Reduzierung des opportunistischen Verhaltens des Agenten lässt sich be­ sonders anschaulich anhand der Übernahme des Vertriebs in den USA zei­ gen, wo der langjährige Importeur HMC in zahlreichen Fällen gegen die In­ teressen der BMW AG, also des Prinzipals, verstoßen hatte. Hierdurch hatte sie Nachteile hinnehmen müssen, die sich entweder finanziell äußerten oder mittels negativer Imageeinflüsse. So kritisierte sie an HMC beispielsweise, keine finanzstarke Händlerorganisation mitsamt Servicestruktur für den ­Aftersales-Bereich aufgebaut zu haben, so dass die Absätze in den USA be­ reits aufgrund dieser defizitären Organisation, auf die der Importeur über Jahre hinweg immer wieder mit der Aufforderung zur Besserung hingewiesen worden war, deutlich unter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben waren.444 Ferner war HMC nicht der vertraglichen Vorgabe nachgekommen, Nach­ weise finanzieller oder inhaltlicher Art über die in den USA durchgeführten Werbemaßnahmen an die BMW-Zentrale zu berichten, die wiederum mone­ täre Werbezuschüsse geleistet hatte. Es wurde HMC unkooperatives Ver­ halten in vielen Punkten vorgeworfen, wie bei der Verwendung des Firmen­ akronyms, das durch den US-Importeur zum Beispiel selbstständig als ­„Bavarian Motor Works“ in den USA beworben wurde und somit maß­ geblich in die gängige internationale BMW-Strategie eingriff, den deutschen Unternehmensnamen als Marke weltweit zu führen bzw. dieses Prinzip un­ terwanderte.445 An dieser Stelle sollen die Streitpunkte zwischen der BMW AG und ihrem US-Importeur HMC nicht vollumfänglich angeführt werden, sondern lediglich anhand der oben genannten Vertragsverstöße die Bandbrei­ te der Dissonanz zwischen Agent und Prinzipal aufgezeigt werden.446 Durch die Gründung der firmeneigenen Tochtergesellschaft in den USA und der 444  Vgl. Schreiben des Vorstands der BMW AG an den US-Importeur Hoffman Mo­ tors Corp. vom 07. 05. 1974, in: BMW UA 1371/1. 445 Vgl. Aktennotiz „HMC – Vertragsverstösse“ von Dr. Holzapfel, juristische BMW-Abteilung (AJ-12), vom 24. 06. 1974, in: ebd. 446  Derzeit beschäftigt sich eine universitäre Abschlussarbeiten mit dem Außenhandel der BMW AG am Beispiel der Beziehungen zu HMC, vgl. Schindler, Sascha: Max E.

4.5. Vertriebspolitik

527

Übernahme des Vertriebs im Jahre 1975 konnte das Geschäft in Übersee maßgeblich positiv beeinflusst und im Sinne der BMW AG gestaltet sowie ausgebaut werden. Im April 1974 umfasste die Vertriebsorganisation des USImporteurs etwa 230 Händler, von denen allerdings ein Teil „sicherlich nicht mehr den heutigen Anforderungen“ entsprach und ausgewechselt werden sollte.447 Bis zum Jahre 1979 baute die Tochter BMW of North America, Inc. in Eigenregie das Händlernetz in den USA auf 360 Betriebe aus, die den n ­ euen qualitativen Maßstäben gerecht wurden.448 Auch die Werbeaktivitäten in Nordamerika erfuhren eine Angleichung an die weltweite Kommunikations­ strategie des Konzerns, die künftig durch die US-Tochter in Rücksprache mit der Zentrale gestaltet wurden. Bei der Formulierung der lokalen Unternehmenspolitik bewegten sich die Töchter im Rahmen der Richtlinien und Vorgaben der BMW AG. Sie hatten im Monatsturnus Berichte nach München zu senden sowie zu jedem Ge­ schäftsjahr eine ausführliche Jahresübersicht. In der Rahmenbestimmung zur Regelung der Beziehungen zwischen der BMW AG und ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften hieß es Ende der 1970er Jahre: „Die Grundsätze der Geschäftspolitik werden von der Geschäftsführung der Gesell­ schaften in Abstimmung mit der BMW AG im Rahmen der langfristigen Konzernpo­ litik festgelegt. […] Die Gesellschaften führen die Geschäfte innerhalb der gegebenen Grundsätze in eigener Verantwortung durch. Sie treffen in diesem Rahmen sämtliche Maßnahmen zur Erreichung der gestellten Ziele.“449

Innerhalb ihres Handlungsspielraums konnten sie zur Erreichung der ausge­ gebenen Ziele eigenständige Entscheidungen treffen. Auf die weiteren orga­ nisatorischen Rahmenbedingungen der Abstimmungen zwischen der Zentrale und ihren Gesellschaften ist bereits in Abschnitt 4.5.1 eingegangen worden und sollen an dieser Stelle nicht weiter detailliert werden. BMW hatte im Sinne des organisationalen Lernens durch die früheren Auslandsaktivitäten Erfah­ rungen gesammelt, die während der zweiten Hälfte der 1970er Jahre nun in Gänze zum Tragen kamen. Im Zuge der beginnenden Internationalisierung hatte sich gezeigt, dass sich ein zurückhaltendes Engagement im Ausland ­negativ auf den erzielbaren Erfolg auswirken konnte. So hatte sich BMW in Südafrika aufgrund des finanziellen Risikos erst zurückhaltend in das Geschäft eingebracht und feststellen müssen, dass über die Minderheitsbeteiligung viele Ziele hinter den Erwartungen geblieben waren. Die Geschäftsleitung hatte ge­ lernt, dass sie in der Investitionspolitik nicht zu restriktiv agieren durfte, wenn Hoffman und der nordamerikanische Automobilmarkt. Strategien im US-Geschäft von BMW und Daimler-Benz (1950er bis 1970er Jahre), Masterarbeit, Bonn 2015. 447 Aktennotiz „Verbesserungsvorschläge für die HMC-Organisation“, Verfasser in der BMW AG unbekannt, vom 22. 04. 1974, in: BMW UA 1371/1. 448  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10. 449 Rahmenbestimmungen zur Regelung der Beziehungen zwischen der BMW AG und den Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1976–1977, in: BMW UA 1865/1.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

sie im Ausland mittels ihrer Tochtergesellschaften Erfolge verbuchen wollte. Demgemäß hieß es in einem Strategiepapier der BMW AG im Jahre 1979 zum anvisierten Ausbau des Engagements auf dem japanischen Markt, der bestän­ dig weiter wuchs und dessen Automobilproduktion 1980 erstmals den Aus­ stoß der USA übertraf (vgl. Kapitel 4.1, Abbildung 29), wie folgt: „Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es bei einem ‚Joint Venture‘ und an­ schließender Tochter und bei einer dabei notwendigen Teil- und Vollausschüttung nicht möglich sein wird, das Unternehmen mit einem Minimum an Kapital zu fahren. Eine adäquate Eigenkapitalausstattung, deren Größenordnung hier nicht umrissen werden soll, wird unbedingt notwendig sein; auch für Händler-Finanzierung sowie für Investiti­ onen in sehr teure Gebäude und Boden werden erhebliche Mittel erforderlich sein.“450

Sollte also die Geschäftstätigkeit im Rahmen unternehmenseigener Direktin­ vestitionen im Ausland von Erfolg gekrönt sein, war eine gewisse Mindestka­ pitalausstattung vonnöten. Die Tochtergesellschaften sollten im Anschluss an die initiale Unterstützung seitens des Konzerns aus eigener Kraft wachsen und das lokale Marktrisiko baldmöglichst selbst tragen können.451 Ende der 1970er Jahre zielte die BMW AG bereits auf den weiteren Ausbau der bestehenden Volumenmärkte sowie die Erschließung neuer erfolgversprechender Märkte.452 In dem vorliegenden Abschnitt liegt der Fokus auf der Internationalisie­ rung des Vertriebsgeschäftes der BMW AG, nicht auf der Internationalisie­ rung der Produktion. Wie bereits mehrfach aufgezeigt wurde, weitete das Münchner Unternehmen neben dem südafrikanischen Werk seine Produk­ tion erst 1982 mit einem Joint-Venture in der Motorenfertigung in Österreich und letztlich 1994 mit einem neuen Vollwerk in den USA auf das Ausland aus. Aus diesem Grund wird die Internationalisierung im Hinblick auf die Fertigung primär im Rahmen der Analyse des Südafrikaengagements thema­ tisiert (vgl. Kapitel 5). An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass BMW bereits seit 1979 den Aufbau eines weiteren Produktionsstandortes diskutierte. Man zeigte sich hier offen gegenüber Optionen sowohl im In- als auch im Aus­ land. Zu Beginn dachte der Vorstand an Produktionsstandorte in Afrika, ­Lateinamerika oder Australien/Neuseeland, wandte sich jedoch nach Unter­ suchungen bald anderen, geographisch überwiegend näheren Ländern zu und berücksichtigte hierbei primär die bestehenden Vertriebsregionen und -schwer­ punkte.453 In der engeren Auswahl waren Anfang 1981 Bayern, Öster­reich, Spanien, Portugal und die USA, nachdem die oberen Alternativen in Übersee sowie Belgien und Frankreich durch eine weitere Unter­suchung bereits aus­ geschlossen worden waren.454 450  Strategie-Konzept Japan, Joint Venture / Übernahme vom 14. 12. 1978, in: BMW UA 1820/1. 451 Vgl. Redeskizze für einen Vortrag des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuen­ heim bei einem Besuch in Südafrika, 03. 11. 1976, in: BMW UA 1995/1. 452  Vgl. Protokoll Nr. 24/79 der Vorstandssitzung vom 31. 07. 1979, in: BMW UA 1447/1. 453  Vgl. Protokoll Nr. 44/78 der Vorstandssitzung vom 21. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1. 454  Vgl. Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA 1460/1.

4.5. Vertriebspolitik Standort Bayern

Vorteil

Enger Verbund mit bestehenden Werken, hohe Flexibilität, bekannt hoher Qualitätsstandard, beherrsch­ barer Logistikaufwand, hohe Sub­ ventionen (Neuregelung zu Förder­ gebieten!) Österreich Niedriges Lohnniveau, höhere An­ zahl von Arbeitstagen, geringere Energiekosten USA Produktion im größten Markt der Welt, schnelle Reaktionsmöglichkeit auf Kundenwünsche, Ausschaltung des Wechselkursrisikos, Risi­ kostreuung, hohe Anzahl von Ar­ beitstagen, geringere Energiekosten Portugal/ geringes Lohnniveau, geringeres In­ Spanien vestment durch leichtere Bau­weise, höhere Anzahl von Arbeitstagen, Exportsubventionen möglich

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Nachteil Vergleichsweise hohe Lohnkosten, ­geringe Anzahl an Arbeitstagen

Zusätzlicher Logistikaufwand, ­angespannter Arbeitsmarkt sehr hoher Logistikaufwand, bei geringer Stückzahl keine optionalen Strukturen, keine Stufenlösung möglich, Zuliefermarkt muß erst aufgebaut werden, erhöhtes Streikrisiko, hohe Anlaufverluste Hoher Logistikaufwand, Qualitäts­ probleme, verminderte Produktivität, fehlende Infrastruktur, fehlende ­Zu­lieferindustrie, Kundenakzeptanz ­eines BMW aus Spanien, hohe ­Auflaufverluste

Tabelle 56: Standortvergleich für eine neue Produktionsstätte, 1981.455

­ ie hier aufgelisteten Vor- und Nachteile spiegeln die Entscheidungsmatrix D wider, in der sich ein produzierendes Unternehmen bei der Standortwahl be­ wegte. Tatsächlich fiel die Entscheidung letztlich für die bayerische Op­tion. Die Grundsteinlegung in Regensburg erfolgte 1984, die Einweihung des neu­ en Werks im Mai 1987.456 Da diese Entscheidungsfindung allerdings außer­ halb des Betrachtungszeitraums liegt, soll sie hier nicht näher thematisiert werden. Es sollte dennoch Erwähnung finden, dass am Ende der 1970er Jah­ re der Vorstand der BMW AG nach der Internationalisierung der Vertriebs­ wege und der organisationalen Konzernstrukturen nun die weitere interna­ tionale Ausrichtung des Produktionsnetzwerks fokussierte und forcierte. Hier entspricht das Vorgehen der BMW AG, zunächst den Schwerpunkt der Internationalisierung auf den Export (1950er) sowie die Lizenzvergabe (1960er) zu setzen, um dann nach dem Ausbau der Vertriebswege über ­Direktinvestitionen (1970er) zur Gründung eigener Produktionsstandorte im Ausland (1980er) überzugehen, dem klassischen Uppsala-Modell, das in ­Kapitel 1.2.2 vorgestellt wurde.457 Auch im Sinne der dort konturierten late­ 455 

Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1. Vgl. BMW Werk Regensburg Standortbroschüre, 1998, in: BMW UU 3304/10. 457 Hieran schlossen sich in den nachfolgenden Dekaden die Etablierung weiterer Standorte im Ausland mit den Schwerpunkten Forschung und Entwicklung an. Die­ ses Vorgehen zeigt, dass sich die Internationalisierung der BMW AG quasi entgegen­ gesetzt zur Wertschöpfungskette vollzog, die in Kapitel 1.2.1 angesprochen wurde. 456 

530

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

ralen Rigidität bevorzugte BMW zunächst Standorte mit geringer geographi­ scher und kultureller Distanz. Der Vertriebs- und Produktionsstandort in Südafrika bildete hier eine Ausnahme, die dieses Prinzip der skandinavischen Denkschule Anfang der 1970er Jahre durchbrach. Die weitere Internationali­ sierung folgte dann allerdings dem klassischen Verlauf über den Fokus auf dem Vertrieb, dann den Fertigungsstätten und hieran anschließend dem Be­ reich Forschung und Entwicklung. In dem sich anschließenden Kapitel soll aufgezeigt werden, wie sich fernerhin die Finanzstrukturen der sich zu einem Konzern wandelnden BMW AG in den 1970er Jahren änderten, in denen mehrere Finanzierungs- und Holdinggesellschaften gegründet wurden. Diese waren wichtiger Teil des Internationalisierungskonzeptes, da sie die Finanz­ ströme des Konzerns strukturierten und das Unternehmen international konzernfähig machten. 4.5.2.3.  Wachsende Komplexität: Die Gründung von Holding- und Finanzierungsgesellschaften Der Wandel von einem Unternehmen, dessen Absatzschwerpunkt lange Zeit auf dem Binnenmarkt ruhte, zu einem international ausgerichteten und agie­ renden Konzern ging mit der Gründung zahlreicher Tochtergesellschaften im In- und Ausland einher, auf die in den vorangegangenen Abschnitten bereits eingegangen worden ist. Der wachsenden Komplexität trug man organisato­ risch Rechnung, die auch eine Neuordnung der Beteiligungen erforderlich machte, die ebenso die Finanzstrukturen berücksichtigte. Hierfür wurde ein Konzept aus Holdinggesellschaften anvisiert, das für global operierende deut­ sche Konzerne mit ausländischen Beteiligungen gängig war.458 Erstmals ­wurde ein solches Holdingkonzept im Vorstand der BMW AG im Zuge der angestrebten Neuordnung der bestehenden Beteiligungen im November 1970 durch von Kuenheim angesprochen.459 Dies war sehr früh für ein Unterneh­ men, das zu diesem Zeitpunkt noch keine Auslandsdirektinvestitionen, mit Ausnahme zweier Minderheitsbeteiligungen, hielt. Erst ab 1972/73 begann BMW vor dem Hintergrund der neuen Vertriebsstrategie eigene Vertriebs­ gesellschaften im Ausland zu bilden. Durch den Aufbau von ausländischen Holdinggesellschaften sollten zudem die Vorteile von Doppelbesteuerungs­ abkommen genutzt werden. Ferner versprach sich die Geschäftsleitung eine bessere Ergebniskontinuität bei der BMW AG, da die Holdinggesellschaften als zwischengeschaltete Puffer fungieren sollten für den Ausgleich von Chan­ cen und Risiken des Auslandsgeschäftes.460 Konkrete Schritte wurden aller­ Dieser Verlauf ist für ein produzierendes Industrieunternehmen mit einem anspruchs­ vollen Produktportfolio durchaus gängig. 458  Vgl. Deutsche Bundesbank (Hg.): Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Mai 1983, Frankfurt/Main 1983, S. 41. 459  Vgl. Protokoll Nr. 35/70 der Vorstandssitzung vom 17. 11. 1970, in: BMW UA 800/1. 460  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1.

4.5. Vertriebspolitik

531

dings erst zum Jahresende 1975 im Zuge der Gründung der Vertriebsgesell­ schaft in der Schweiz eingeleitet, auf die an dieser Stelle aufgrund ihrer mehr­ stufigen Entwicklung nicht detailliert eingegangen werden soll. Aus der Intax AG, einer hundertprozentigen Tochter der BMW AG mit Sitz in der Schweiz, die am 13. Dezember 1974 gegründet worden war, ging durch Umfirmierung am 27. November 1975 die BMW Holding AG hervor. Sie war die erste Hol­ dinggesellschaft ihrer Art und hatte nach Satzung folgenden Tätigkeitsbereich: „Zweck der Gesellschaft ist die Beteiligung an in- und ausländischen Unternehmun­ gen, die dauernde Verwaltung der Beteiligungen sowie die finanzielle und technische Kontrolle der Unternehmungen, an welchen die Gesellschaft beteiligt ist. Auch kann die Gesellschaft die Durchführung von Beratungs- und Dienstleistungsaufträgen aller Art übernehmen und Geschäftsführungsfunktionen bei Unternehmen, an denen sie nicht beteiligt ist, ausüben. Außerdem können Immobiliengeschäfte im In- und Aus­ land getätigt werden. Die Gesellschaft ist zudem berechtigt, alle Geschäfte vorzuneh­ men und alle Maßnahmen zu ergreifen, die mit dem Gegenstand des Unternehmens zusammenhängen und ihm unmittelbar oder mittelbar förderlich erscheinen.“461

Bereits im Dezember 1975 wurden der BMW Holding AG 51,1 Prozent der Anteile an der BMW SA von der Muttergesellschaft übertragen. Im Januar 1976 folgte die Übernahme des Aktienpakets der BMW Motag AG, aus der im Dezember 1976 die schweizerische BMW-Vertriebsgesellschaft hervor­ ging, sowie der belgischen Vertriebstochter 1977.462 In derselben Zeit wurde eine weitere Holding mit Sitz in den USA ins Leben gerufen, deren Entste­ hungsgeschichte ebenfalls verwickelt ist und im Kontext der Gründung der US-Vertriebstochter der BMW AG stand: Am 2. Dezember 1976 wurde die BMW (US) Holding Corp. gegründet und ihr am 31. Januar 1977 alle Aktiva und Passiva der BMW of North America Inc. übertragen. Kurz darauf er­ folgte am 1. Februar ihre Umfirmierung in BMW of North America Inc. [neu], während die bisherige BMW of North America Inc. [alt] in die neue BMW (US) Holding Corp. gewandelt wurde und somit die früher aktive US-Ver­ triebsgesellschaft als Holdinggesellschaft weiterbestand und vice versa.463 Der neuen US-Holding wurden Anteile an der BMW of North America Inc. [neu], BMW France SA, BMW Italia SpA und der BMW Distributors ­Eastern Canada Ltd. übertragen.464 In den kommenden Jahren wurden meh­ rere Umstrukturierungen vorgenommen. Die unten folgende Abbildung 42 zeigt die Eigentümerstruktur der BMW AG und ihrer ausländischen Toch­ ter-, Holding- und Finanzierungsgesellschaften am Ende der dritten Inter­ nationalisierungsphase. Eine grundsätzliche Vorschrift sah Mitte der 1970er 461  Auskunft über BMW Holding AG, Beteiligungen Finanzen, 09. 1977, in: BMW UR 2531/1. 462  Vgl. ebd. 463  Protokoll Nr. 25/76 der Vorstandssitzung vom 06. 07. 1976, in: BMW UA 1446/1; Auskunft über BMW Holding AG, Beteiligungen Finanzen, 09. 1977, in: BMW UR 2531/1. 464  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10.

532

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Jahre vor, dass 75 Prozent der Aktiva einer Holding in Beteiligungen be­ stehen mussten.465 Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Existenz der ­Holdinggesellschaften nicht den direkten Kontakt der Vertriebstöchter zur BMW AG tangierte.466 Sie griffen nicht in das Tagesgeschäft oder in die ­Abstimmungsprozesse zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften ein. Die beiden Holdinggesellschaften in der Schweiz und den USA dienten zur ­Koordination der Auslandstöchter.467 Sie sorgten für eine klare Verteilung der Eigentümerstrukturen und konnten Doppelbesteuerungsabkommen sowie andere Vorteile der Besteuerung ihres jeweiligen Standortes nutzen. Im Juni 1976 wurde des Weiteren aus Kostengründen eine Finanzierungs­ gesellschaft auf Curaçao, also den Niederländischen Antillen, gegründet, wo bereits andere namhafte deutsche Unternehmen entsprechende Gesellschaf­ ten gebildet hatten. Ziel der neuen Finanzierungsgesellschaft BMW Overseas Enterprises NV war die Förderung der Auslandsaktivitäten der BMW AG und ihrer Töchter, deren Zahl bis zur ersten Hälfte desselben Jahres bereits auf sieben angewachsen war und die einen Umsatz von 1,24 Mrd. DM er­ wirtschafteten. Die BMW Overseas Enterprises NV sollte alle mit ihnen ­zusammenhängenden Aufgaben finanzieller Natur wahrnehmen. Die erste Finanzierungsgesellschaft ihrer Art war eine hundertprozentige Tochter der BMW AG und nahm mit ihrer Gründung einen längerfristigen Kredit in Höhe von 100 Mio. sfr in der Schweiz auf. Die Etablierung einer solchen Tochter, außerhalb von Deutschland, sollte den Zugang zu den internationa­ len Finanzmärkten erleichtern und darüber hinaus die Finanzierung neuer Fertigungsstätten oder den Erwerb neuer Unternehmen, im Sinne einer ­Diversifizierung, gewährleisten.468 Zum Teil wurden die Erträge eines Ge­ schäftsjahres bei den BMW-Tochter- bzw. den Holdinggesellschaften thesau­ riert, damit die Töchter, trotz der Ausweitung des Geschäftsvolumens, in der Lage waren, ihr lokales Risiko – beispielsweise eine unter Plan liegende Aus­ lastung der Organisation, die Finanzierung erhöhter Bestände, Gewährleis­ tungsfälle, Währungsrisiken usf. – selbst zu tragen. Die Holdinggesellschaf­ ten verwendeten in diesem Sinne auch die ihnen zufließenden Gewinne für den Ausbau der Auslandsorganisation. Ein Vergleich der BMW-Gesellschaf­ ten untereinander gestaltete sich indes schwierig, da sie unterschiedlichen Geschäftsjahren folgten.469 Die BMW Overseas Enterprises NV sollte also die internationale Tätigkeit des BMW-Konzerns mit all seinen Beteiligungen fördern, insbesondere bei der Aufnahme und Vergabe von Krediten und An465 

Vgl. Aktennotiz von F-S vom 30. 06. 1976, in: BMW UA 1987/1. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1. 467 Vgl. Rede des BMW-Vorstandsvorsitzenden Eberhard von Kuenheim anlässlich der 57. ordentlichen Hauptversammlung am 07. 07. 1977, in: BMW UA 1939/1. 468 Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1977, in: BMW UR 36/1. 469  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: ebd. 466 Vgl.

533

4.5. Vertriebspolitik BMW AG 20%

100% BMW Holding AG, Zürich Schweiz 100%

100%

BMW Austria GmbH Salzburg, Österreich BMW Belgium SA/NV Kontich, Belgien

100%

100% 80%

100%

BMW (US) Holding Corp., Wilmington, USA

BMW France SA Bois D’Arcy, Frankreich

100%

100%

BMW Australia Ltd. Melbourne, Australien 100%

BMW (Schweiz) AG Dielsdorf, Schweiz

100% BMW Overseas Enterprises NV, Willemstad, Curaçao BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Pretoria, Südafrika BMW-STEYR Motoren GmbH Steyr, Österreich

BMW (GB) Ltd. Bracknell, GB 100% BMW lberica SA Madrid, Spanien 100% BMW Japan Corp. Tokio, Japan 100% BMW Nederland BV ’s-Gravenhage, NL 100% BMW of North America Montcale, USA 100% BMW Italia SpA Mailand, Italien 20%

BMW Distributors Eastern Canada Ltd. Scarborough, Kanada

Abbildung 42: Beteiligungsstruktur der BMW AG, 1981.470

leihen.471 Sie sollte überschüssige Mittel von Tochtergesellschaften an den Kapitalmärkten anlegen, zinsgünstige Geldquellen eruieren und hierdurch Zinskosten verringern. Ihre Aktivitäten an den internationalen Geldmärkten beschränkten sich bis Mitte der 1980er Jahre jedoch auf die Begebung einer langfristigen Anleihe in Schweizer Franken und einer langfristigen EuroDollar-Anleihe über den Euro-Dollar-Markt.472 Abbildung 42 gibt die Beteiligungsstruktur zum Ende des Geschäftsjahres 1981 wider und zeigt die Aufteilung der wichtigsten ausländischen Beteili­ gungen der BMW AG, die im Wesentlichen auf eine Finanzierungs- sowie 470  Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 471 Vgl. Auskunft über BMW Overseas Enterprises NV, Beteiligungen Finanzen, 01. 12. 1976, in: BMW UR 2531/1. 472  Vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 52.

534

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

zwei Holdinggesellschaften verteilt waren. Diese wurden wiederum primär über die innerhalb des Finanzressorts verortete Fachstelle „Beteiligungen Fi­ nanzen“ (FZ) gesteuert, die über eine Matrixorganisation mit AZ und bis 1980 auch VZ verbunden war (vgl. Kapitel 4.5.1).473 Lokale, den Tochter­ gesellschaften zugeordnete Finanzierungsgesellschaften, wie etwa die BMW (South Africa) (Investments) (Pty) Ltd. oder auch die BMW Italia Leasing SpA, sind in dieser Darstellung nicht berücksichtig worden, da ein solcher Detaillierungsrad keinen Mehrwert für die aktuelle Analyse generiert. Abbildung 42 zeigt, dass im Hinblick auf ihre Anteilsstruktur die BMW AG zum Ende des Betrachtungszeitraums überwiegend über ihre beiden Holdings an ihren Töchtern beteiligt war. Lediglich an der BMW France SA war die Muttergesellschaft mit 20 Prozent direkt beteiligt, während die BMW (US) Holding Corp. die restlichen 80 Prozent der Anteile hielt. Darüber hin­ aus engagierte sich der Konzern mittlerweile nahezu ausschließlich mittels hundertprozentiger Gesellschaften anstelle von Minderheitsbeteiligungen. Ausnahmen bildete hier die Minderheitsbeteiligung an dem kanadischen Im­ porteur BMW Distributors Eastern Canada Ltd., an der die BMW AG seit 1976 beteiligt war und 1981 20 Prozent hielt. Hintergrund dieser geringen Be­ teiligung waren die bis dahin unzureichenden Geschäftsaktivitäten und -erfol­ ge des kanadischen Importeurs, mit dessen Engagement der Vorstand nicht zufrieden war. Um hier größeren Einfluss ausüben zu können, wurden in en­ ger Kooperation mit dem kanadischen BMW-Importeur BMW Distributors Western Corp., der den Westteil Kanadas betreute, gemeinsam Anteile an dem ostkanadischen Importeur erworben, so dass sie zusammen eine Mehrheit hielten und somit die Geschäftspolitik maßgeblich beeinflussen konnten.474 Um die Schwierigkeiten zu minimieren, die sich aus dem Prinzipal-AgentenVerhältnis zwischen Importeur und Hersteller ergaben, hatte BMW in den 1970er Jahren begonnen, den Import und Vertrieb im Ausland zu internalisie­ ren und opportunistisches Verhalten durch hundertprozentige Töchter zu umgehen. Im Vergleich zur Daimler-Benz AG, die bis zu diesem Zeitpunkt wesentlich höhere Direktinvestitionen im Ausland geleistet hatte und in den 1970er Jahren über etwa das Vierfache an ausländischen Gesellschaften verfügte, war die BMW AG, im Hinblick auf die durchgeführten Umstruk­ turierungen des Unternehmens hin zu einem weltweit agierenden Konzern, sehr fortschrittlich. Der Stuttgarter Mitbewerber gründete erst 1982 mit der ­Daimler-Benz of North America Holding Company lnc. mit Sitz in den USA seine erste Holdinggesellschaft und ergänzte diese schrittweise um weitere Firmen dieser Art in Europa. Zwar gründete er überdies 1977 die erste Finan­ zierungsgesellschaft, diese konzentrierte sich jedoch auf die lokale Absatz­ 473  Vgl. 474  Vgl.

Organigramm der BMW AG, 1979, in: BMW 818/3. Fragen- und Antwortkatalog zu den Hauptversammlungen 1975 bis 1977, in: BMW UA 1939/1; Protokoll Nr. 22/76 der Vorstandssitzung vom 15. 06. 1976, in: BMW UA 1446/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10.

4.5. Vertriebspolitik

535

förderung im Sinne von Leasingfinanzierungen u.ä.,475 während die BMW Overseas Enterprises NV einen über Ländergrenzen hinaus gehenden Finan­ zierungsauftrag erfüllte. Des Weiteren gründete der Münchner Hersteller auch nationale Finanzgesellschaften mit lokalem Fokus. Im Gegensatz zu BMW legte Daimler-Benz allerdings bereits 1978 eine erste Weltbilanz vor, also ­einen Konzernabschluss, der sämtliche in- und ausländischen Töchter bilanz­ seitig berücksichtigte.476 BMW sah sich hierzu auch noch 1980 aufgrund der unterschiedlichen Bilanzstichtage und Bewertungsgrundsätze der einzelnen Gesellschaften nicht in der Lage und beabsichtigte, die Erstellung einer Welt­ bilanz so lange aufzuschieben, bis sie durch die EG vorgeschrieben würde.477 Das deutsche Recht sah einen Weltabschluss nicht vor; Konzernunternehmen mit Sitz im Ausland konnten also im Konzernabschluss einbezogen werden, mussten es aber nicht.478 Die Einbeziehung von Einzelabschlüssen auslän­ discher Tochtergesellschaften in eine konsolidierte Welt­bilanz konnte ohne Anpassung an die für die Muttergesellschaft maßgebliche Rechnungslegung sogar zu einer Verfälschung des Bilanzbildes führen, anstelle zu einer Klärung beizutragen und stellte Unternehmen vor eine Herausforderung, die DaimlerBenz bereits früh bewältigte.479 In dem sich nun anschließenden Abschnitt 4.5.3 soll auf das regionale Mus­ ter des Auslandsverkaufs der BMW AG eingegangen und analysiert werden, wie sich die Übernahme des Vertriebsgeschäftes auf ihren Absatz auswirkte. Ferner wird aufgezeigt, wie sich die regionale Absatzverteilung während der dritten Phase der Internationalisierung wandelte. 4.5.3.  Schwerpunkte der Auslandsaktivitäten: Regionales Muster des Exports BMW baute das Exportgeschäft während der dritten Phase der Internationa­ lisierung entscheidend aus und nahm eine weitreichende Umstrukturierung des Unternehmens vor, um es nach eigenen Aussagen des BMW-Vorstands konzernfähig zu machen (vgl. Kapitel 4.5.1). Ein Vergleich mit dem Mitbe­ werber Daimler-Benz hatte gezeigt, dass trotz des geringeren Umfangs der Auslandsdirektinvestitionen die Strukturen der BMW AG bereits sehr früh­ zeitig modern ausgerichtet waren, wie die Gründungen diverser Holdingund Finanzierungsgesellschaften gezeigt hatten. Trotz einer durch wirtschaft­ liche Rahmenbedingungen erheblichen Verteuerung von BMW-Produkten in 475 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 345f. Vgl. Ebd., S. 450. 477  Vgl. Leitfaden zur Hauptversammlung der BMW AG 1980, 1981, in: BMW UA 1824/1. 478 Vgl. Grossfeld, Bernhard (1985): Konzernpublizität im deutschen und europäi­ schen Recht, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, 49. Jg., Nr. 2, Deutsches und japanisches Wirtschaftsrecht, S. 257–276, hier S. 271. 479 Vgl. Grünärml, Frohmund (1975): Kritische Anmerkungen zu einer merkmal­ spezifischen Typologie multinationaler Unternehmen, in: Jahrbuch für Sozialwissen­ schaft, Jg. 26, Nr. 3, S. 228–243, hier S. 239f. 476 

536

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

wichtigen Märkten wie den USA und Italien konnte der Absatz im Ausland, nach einer bisweilen zunächst zögerlichen Haltung der Kunden, weiter ge­ steigert werden.480 1973 lieferte BMW erstmals mehr Fahrzeuge ins Ausland als an deutsche Händler. Im Folgejahr war der exportierte Anteil mit 53,5 Prozent am Gesamtabsatz noch höher, da im Zuge der ersten Ölpreiskrise das Ausfuhrgeschäft stabil blieb, während der Binnenmarkt mit etwa 8 500 weniger produzierten Einheiten leicht nachließ. Die gesamte deutsche Auto­ mobilwirtschaft war von der ersten Ölpreiskrise allerdings weitaus stärker beeinflusst, als es das Münchner Unternehmen war, wie in Kapitel 4.1 ein­ leitend analysiert worden war. Dennoch gingen in einigen Märkten Markt­ anteile verloren, da die Belieferung mancher Importeure nicht ausreichte und somit dort die Nachfrage temporär nicht befriedigt werden konnte;481 eine Situation, die bereits zu Beginn der 1970er Jahre aufgetreten war.482 Die BMW-Geschäftsleitung sah sich einer steigenden Volatilität des Binnenmark­ tes gegenüber und erkannte in dem Export ein ideales Instrument, diesen Schwankungen entgegenzutreten und bei Bedarf einen zurückgehenden In­ landsabsatz durch eine Exportsteigerung auszugleichen. Da einige Auslands­ märkte noch keine so hohe Bestandsdichte wie der westdeutsche Markt auf­ wiesen, lag in diesen langfristig „noch ein erhebliches Absatzpotential“ für BMW.483 Dank der Internalisierung des Vertriebs in zahlreichen Ländern stieg auch die Gewinnmarge und somit der im Ausland erwirtschaftete Ge­ winn der BMW AG. Dieser Wandel ging mit der Priorisierung des Ausfuhrgegenüber dem Inlandsgeschäft einher, die der unternehmenspolitischen Zielsetzung folgte, „die Stellung von BMW auf den wichtigsten europäischen und überseeischen Märkten nachhaltig zu stärken und weiter auszubauen“.484 Den neu gegründeten Vertriebsgesellschaften kam hierbei eine Schlüsselposi­ tion zu, da sie halfen, den Marktanteil in wichtigen Ländern weiter auszu­ bauen (vgl. Tabelle 55). Insgesamt wurden 1979 bereits rund 84 Prozent des Gesamtexports über die BMW- Tochtergesellschaften abgewickelt.485 Im Folgenden soll das regionale Muster des BMW-Auslandsgeschäftes nachgezeichnet werden, auf das bereits einleitend mittels des vorgestellten Strategiewechsels zu Beginn der 1970er Jahre, der die Übernahme der Ver­ triebsaktivitäten durch die Gründung eigener Vertriebsgesellschaften in zahl­ reichen Märkten vorsah, in Abschnitt 4.5.2.2 verwiesen wurde. Aufgrund des 480 

Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. 02. 1973, in: BMW UA 856/2. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1973, 1974, in: BMW UU 199/10. 482  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 16./17. 12. 1971, in: BMW UA 807/2. 483  Rede des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, Eberhard von Kuenheim, anläss­ lich der 56. ordentlichen Hauptversammlung am 27. 07. 1976, in: BMW UA 1939/1. 484 Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10. 485 Vgl. Pressemitteilung „BMW eröffnet eigenes Importzentrum in England“ vom 20. 03. 1980, in: BMW UP 564/10. 481 Vgl.

4.5. Vertriebspolitik

537

Abbildung 43: Regionale PKW-Absatzstruktur der BMW AG, 1971.486

Quellenmaterials aus den 1970er Jahren zu den Exportzahlen lässt sich hier­ für leider keine einheitliche Darstellung ableiten: Während bis 1976 detail­ lierte Daten über die Absatzzahlen in einzelnen Länder vorliegen, basieren die Werte der sich anschließenden Jahre auf den tatsächlichen Zulassungen in einem Markt, wobei hier lediglich die Angaben für die wichtigsten Märkte vorliegen. Absatz- und Zulassungszahlen können allerdings deutlich variie­ ren, die Differenz ist hierbei als Lagerbestand der Importeure und Händler zu werten. Eine einheitliche Darstellung der Exportstruktur ist auf der Basis der vorliegenden Quellen für die 1970er Jahre daher leider nicht zu leisten. Die Belieferung der unterschiedlichen Absatzregionen in Abbildung 44, die in diesem Abschnitt enthalten ist, beschränkt sich daher auf den Zeitraum 1972 bis 1976. Für den Außenhandel mit ausgewählten wichtigen Ländern zwischen 1972 und 1980, der in der weiter unten folgenden Tabelle 57 quan­ titativ aufgeführt ist, wurde eine gesonderte Lösung verfolgt, die im Rahmen der sich anschließenden Analyse dieser Zahlen näher erläutert wird. Eingangs soll Abbildung 43 die Ausgangssituation der automobilen Ab­ satzstruktur vor Augen führen, wie sie sich zu Beginn der dritten Interna­ tionalisierungsphase 1971 bei der BMW AG darstellte. Hierbei wird auch die Aufteilung zwischen EWG und EFTA berücksichtigt, die im Hinblick auf die deutsche Automobilindustrie bereits in Kapitel 4.1 diskutiert wurde und deren Auswirkung nun am Beispiel BMW aufgezeigt wird. Die Gliederung nach Abnahme­regionen zeigt auf, dass der Fokus 1971 noch auf dem Binnen­ 486 Bayerische

Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10.

538

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

markt lag, der 52,9 Prozent des BMW-Absatzes aufnahm, gleichwohl dieser Anteil im Vergleich zu den vorangegangenen beiden Jahrzehnten deutlich ge­ sunken war. Der Handel mit den USA hatte sich weiter intensiviert und machte nun mit 13 560 Einheiten 8,1 Prozent des Außenhandelsvolumens aus. Die BMW-Lieferungen innerhalb von ­Europa wiesen eine ganz ähnliche Ver­ teilung zwischen EWG und EFTA auf wie beim deutschen Automobilexport im Allgemeinen in diesem Jahr. Im Zusammenspiel mit Abbildung 44 zeigt sich, dass bei BMW 1974 gegenüber 1972 der Handel mit Europa um knapp 3,0 Prozent und somit leicht zurückging. Leicht rück­läufig war ebenso der Export nach Nordamerika, während die Ausfuhr nach Lateinamerika und Afrika stabil blieb. Ausbauen konnte BMW indes den Handel mit Märkten in Ozeanien und Asien, wobei vor allem die Region Asien von dem Aufbau einer Montagefertigung in Thailand sowie einer ­Intensivierung der Verkaufs­ bemühungen in Japan profitierte. Ab Mitte der 1970er Jahre wirkten sich die Gründungen firmeneigener Tochtergesellschaften deutlich positiv auf den Absatz in Nordamerika bzw. in den USA, Afrika – hier in erster Linie Süd­ afrika – sowie Europa aus. Zwischen 1974 und 1976 stieg der Absatz in Nord­ amerika um 79,4 Prozent und in Afrika um 70,2 Prozent, woran die beiden Töchter in den USA und in Südafrika maßgeblichen Einfluss hatten. In Süd­ afrika konnte durch die Internalisierung der zuvor von dem Importeur und Montagepartner abgewickelten Prozesse nicht nur die Vertriebsstruktur ent­ schieden verbessert werden, sondern auch die Qualität und Produktivität im Werk Rosslyn, gleichwohl hier auch weiterhin Optimierungspotential be­ stand, wie in Kapitel 5 aufgezeigt wird. Der Handel mit den lateinamerikani­ schen Staaten blieb nach wie vor vergleichsweise unbedeutend: Hier hatte die BMW AG durch ihre zögerliche Haltung während der 1950er Jahre wichtige Markt­anteile verloren, die sie bis in die 1980er Jahre hinein nicht aufzuholen vermochte. Daimler-Benz hingegen setzte bereits 1972 18,0 Prozent seines Auslandsumsatzes in Lateinamerika um, wobei diese Region bis Mitte der 1980er Jahre an Bedeutung einbüßte und der Anteil auf 9,0 Prozent (1985) zurückging.487 Hingegen verfügte Volkswagen – auch wegen der Werke in Brasilien und Mexiko – in den lateinamerikanischen Märkten eine deutliche Vormachtstellung. Dort fertigte der Wolfsburger Mitbewerber mehr Wagen als die BMW AG in all ihren Werken weltweit zusammen.488 In den gerin­ geren Produktionskontingenten liegt allerdings auch ein wesentlicher Un­ terschied der Grundcharakteristika von Volumen- und Premiumherstellern, der zwischen VW einerseits und BMW sowie Daimler-Benz andererseits be­ stand. Wie Abbildung 44 zu entnehmen ist, blieb das innereuropäische Geschäft auch während der dritten Internationalisierungsphase der wichtigste Export487 

Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 312f. Deutscher PKW-Export nach Fabrikaten und Abnehmerländern, 1971–1976, in: BMW UA 2041/1. 488  Vgl.

539

4.5. Vertriebspolitik

100.000 91.256

25.000

90.000 80.000 70.000

20.000 63.193 15.000

60.000

61.367

50.000 40.000

10.000

30.000

Absatz Europa

Absatz weltweit exkl. Europa

30.000

20.000

5.000

10.000 0 Nordamerika

1972 Lateinamerika

1974 Afrika

1976 Asien Ozeanien

Europa

Abbildung 44: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten inkl. Teilesätze der BMW AG in verschiedene Absatzregionen, 1972–1976.489

zweig für die BMW AG. Nach einer kurzen rückläufigen Periode stieg die Ausfuhr auch hier zwischen 1974 und 1976 um 48,7 Prozent signifikant an. Das europäische Geschäft konnte also deutlich ausgebaut werden, obwohl laut BMW­Aufsichtsrat in der europäischen Automobilindustrie bereits er­ hebliche Überkapazitäten zu verzeichnen waren. Er ging davon aus, dass sich bei einem weiteren Anstieg der Kapazitäten die Sättigungstendenzen im eu­ ropäischen Markt weiter verstärkten und sich somit der Kampf um Markt­ anteile deutlich verstärken würde. Das Wachstum eines einzelnen Unter­ nehmens konnte in Europa zwangsläufig nur noch zu Lasten der anderen Hersteller erfolgen.490 Im Juli 1974 berichtete Vertriebsvorstand Lutz, dass im Export die Absatzlage nach wie vor wenig erfreulich war und lediglich in den kleineren europäischen Märkten wie Schweden, Holland, Schweiz und Österreich der Verkauf zufriedenstellend verlief.491 Diese Entwicklung spiegelt Tabelle 57 wider, die aufzeigt, dass 1974 lediglich der Absatz in der EFTA ausgebaut werden konnte und indes sich vor allem der Export in die EWG­Staaten abschwächte. Eine Entwicklung, von der die gesamte deutsche Automobilindustrie betroffen war, wie Abbildung 32 zeigte. In Frankreich 489

Vgl. ebd. Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 12. 1976, in: BMW UA 1508/2. 491 Vgl. Protokoll Nr. 30/74 der Vorstandssitzung vom 30. 07. 1974, in: BMW UA 852/2. 490

540

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

gestaltete sich das Geschäft nach der Übernahme des Vertriebs durch die BMW-Tochter im Jahre 1973 aufgrund der allgemeinen wirtschaftspoliti­ schen Rahmenbedingungen zunächst schwierig. Der Gesamtmarkt ging 1975 um 3,0 Prozent zurück, was die BMW-Geschäftsleitung primär auf die rest­ riktiven Maßnahmen der Regierung zurückführte.492 In den Niederlanden litt der Automobilmarkt unter der konjunkturellen Abschwächung, die unter anderem einen Anstieg der Arbeitslosenquote zur Folge hatte. Weiterhin be­ lastete eine Luxussteuer für Fahrzeuge mit einem Verkaufspreis von mehr als 22 000 Niederländischen Gulden (hfl) den Verkauf von hochpreisigen deut­ schen Wagen der Marken BMW, Mercedes oder auch Porsche. Die Zulassun­ gen lagen auf dem niederländischen Gesamtautomobilmarkt 1980 20,0 Pro­ zent unter dem Vorjahreswert, auch BMW setzte deutlich weniger Fahrzeuge ab.493 In Großbritannien sank der Marktanteil deutscher Fahrzeuge auf 4,6 Prozent, der Absatz von BMW-Erzeugnissen brach sogar um mehr als die Hälfte ein. Zwischen 1972 und 1974 nahm der BMW-Verkauf in die EWGStaaten zwar um 11,2 Prozent zu, allerdings wurde dieser Zuwachs lediglich durch den EWG-Beitritt von Großbritannien, Dänemark und Irland zum 1. Januar 1973 erreicht. Berücksichtig man diese Veränderungen und zieht das Jahr 1973 als Vergleichsgröße heran, sank der BMW-Export in die EWG 1974 um 25,3 Prozent auf 39 928 Einheiten. Im selben Zeitraum nahm der Verkauf in die Mitgliedsstaaten der EFTA um 22,7 Prozent auf 20 206 Ein­ heiten zu. Die Absatzlage entspannte sich bis 1976 wieder und sorgte für erhöhte Verkäufe in beide Wirtschaftsräume. Der Export in europäische ­ Länder, exklusive der Bundesrepublik, erreichte 1976 einen Anteil von 65,4 Prozent am BMW-Gesamtexport und ähnelte damit dem Anteil von 1970, der bei 68,4 Prozent gelegen hatte. Weltweit konnte der Absatz in nahezu allen Märkten ausgebaut werden, teilweise sogar deutlich – wie etwa in den USA, wo der Verkauf von BMWWagen zwischen 1972 und 1976 um 72,4 Prozent zunahm. Tabelle 57 führt die wichtigsten Exportkennzahlen für die dritte Phase der Internationalisie­ rung der BMW AG auf. Aufgrund der oben bereits angesprochenen hetero­ genen Quellenlage mussten für den Zeitraum zwischen 1972 und 1976 einer­ seits und zwischen 1978 und 1980 andererseits unterschiedliche Referenzgrö­ ßen gewählt werden: Bis 1976 zeigt die Tabelle die Absatzzahlen, während ab 1978 die Zulassungen von BMW-Wagen in den einzelnen Märkten berück­ sichtigt wurden. Hierdurch wird ein quantitativer Vergleich zwischen beiden Zeiträumen erschwert, aufgrund der Quellenlage war allerdings keine ein­ heitliche Darstellungsform möglich. Eine allgemeine Entwicklungstendenz kann anhand der analysierten Daten dennoch aufgezeigt werden. 1980 hatte 492  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10. 493  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10.

541

4.5. Vertriebspolitik

die BMW AG ihren Export soweit internationalisiert, dass sie in weit über hundert Länder der Welt Wagen ausführte, wobei nahezu 90 Prozent des Auslandsabsatzes in nur fünfzehn Ländern umgesetzt wurden.494 Die Märkte, in denen BMW über eigene Vertriebsgesellschaften verfügte, wickelten 1981 und somit zum Ende des Untersuchungszeitraums mit 84,0 Prozent den Großteil des Gesamtexports ab.495 1972

1974

1976

Exportabsatz Europa

Amerika

Asien

Afrika Ozeanien Weltweit

Belgien Frankreich Großbritannien Italien Niederlande Österreich Portugal Schweden Schweiz USA Kanada Kolumbien Uruguay Hong Kong Iran Israel Japan Malaysia Singapur Thailand Südafrika Australien Gesamt

7 419 10 614 10 043 12 074 5 505 2 891 2 180 3 336 5 500 15 113 1 636 86 109 435 600 424 658 5 141 511 2 258 772 89 406

5 667 9 607 4 440 11 613 7 358 3 836 3 496 5 369 6 507 19 637 2 124 238 34 232 1 037 309 1 485 148 267 1 024 4 974 1 905 98 689

9 264 14 488 9 261 17 205 11 264 6 255 507 5 943 8 877 26 059 1 815 184 65 336 1 503 527 1 334 157 134 824 8 109 1 461 139 602

1978

1980

Zulassungen 11 267 15 275 10 506 20 500 13 147 6 132 k. A. k. A. 11 392 31 439 k. A. k. A. k. A. 559 k. A. k. A. k. A. 278 197 1 536 7 027 k. A. 164 131

11 803 17 239 13 451 32 300 10 669 7 550 420 k. A. 11 382 37 017 k. A. k. A. k. A. 764 k. A. k. A. k. A. 999 487 547 11 218 k. A. 198 460

Tabelle 57: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten der BMW AG inkl. Teilesätze nach Absatzregionen und ausgewählten Ländern, 1972–1980.496

Eine Analyse des Exportabsatzes nach Abnahmeländern zeigt, dass die höchsten Steigerungsraten in sogenannten Volumenmärkten erzielt wurden. Des Weiteren gelang es BMW in den 1970er Jahren, die Marktrisiken zu streuen und somit die Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu reduzieren, 494  Vgl. 495 Vgl.

ebd. Schwerpunkte der Ausführungen „BMW weltweit“ von Schönbeck gegen­ über dem BMW-Aufsichtsrat vom 25. 02. 1982, in: BMW UR 1533/1. 496  Vgl. Deutscher PKW-Export nach Fabrikaten und Abnehmerländern, 1971–1976, in: BMW UA 2041/1; Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1; Entwurf der Exportabteilung Region Nah- und Fernost, Australien (VE-R-3) „Strategie für Südostasien Teil II: Anlagen“ vom 14. 11. 1984, in: BMW UA 1815/1.

542

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

wenn auch stets eine gewisse Restabhängigkeit – gerade gegenüber den Volu­ menmärkten – blieb. Die Absatzsteigerungen nach Afrika gingen auf die ­Aktivitäten der südafrikanischen Tochter zurück.497 In Abschnitt 4.5.2 ist auf den positiven Einfluss hingewiesen worden, den die zunehmende Umwand­ lung zahlreicher Händler zu Exklusivitätsbetrieben hatte, also derjenigen Händler, die ausschließlich die Marke BMW vertraten. Im Ausland lag der Exklusivitätsgrad in der Regel unter den Zahlen des Inlands, in den Volu­ menmärkten bei durchschnittlich 52 Prozent. Ein außergewöhnlich hoher Anteil wurde indessen in Belgien (99 Prozent), den Niederlanden (90 Pro­ zent), Großbritannien (72 Prozent) und Italien (65 Prozent) erreicht.498 Nach den USA wurde Italien im Zuge der 1970er Jahre zum wichtigsten Absatz­ markt für die BMW AG. Betrachtet man die einzelnen Absatzregionen, so blieb Europa – und hier vor allem die EWG – auch während der dritten ­Phase der Internationalisierung das wichtigste Absatzziel für BMW. Darüber hinaus nahm die Bedeutung der USA für BMW stetig zu; das Münchner ­Unternehmen konnte dank der Professionalisierung des Vertriebs und Mar­ ketings vor Ort, die durch die Gründung der eigenen Tochtergesellschaft BMW of North America Inc. erzielt wurde, seinen Marktanteil wesentlich ausbauen. Ähnliche Erfolge, wenn auch in anderen Größenordnungen, konnten durch die südafrikanische BMW-Tochter erreicht werden, die ihre Zulassungszahlen zwischen 1971 und 1980 um rund 445,0 Prozent steigern konnte. Darüber hinaus führte BMW zwischenzeitlich den Export von mon­ tierten Einheiten aus dem Werk Rosslyn in von München weiter entlegene Gebiete, die von Südafrika leichter zu erreichen waren, durch. Diese Stück­ zahlen bewegten sich in sehr geringen Umfängen und sind in der obigen Tabelle 57 nicht enthalten, da sie die Werte verfälschen würden. Nähere ­ ­Details zu der beginnenden Ausfuhr von BMW-Wagen werden in Kapitel 5 behandelt. In anderen Ländern entwickelte sich der Verkauf von BMW-­ Erzeugnissen während der dritten Phase der Internationalisierung stark rückläufig. In Schweden sanken beispielsweise die Abätze zwischen 1973 und 1981um 17,0 Prozent und erreichten somit in etwa ihren Ausgangswert von 1971. Dies entsprach der allgemeinen Entwicklung der Ausfuhr deut­ scher Automobile nach Schweden. Wie in Abschnitt 4.4.1.1 erläutert wurde, stellte Schweden hohe Anforderungen im Hinblick auf die Sicherheit der Fahrzeuge. Zugleich bot der Markt allerdings ein vergleichsweise geringes Absatzpotential. Das Absatzvolumen in verhältnismäßig kleinen Märkten stand in diesem Fall bisweilen nicht in Relation zu den hohen Kostenauf­ wänden für die Spezialentwicklungen und Modellanpassungen.499 Eine Folge 497 Vgl. Schwerpunkte der Ausführungen „BMW weltweit“ von Schönbeck gegen­ über dem BMW-Aufsichtsrat vom 25. 02. 1982, in: BMW UR 1533/1. 498  Vgl. ebd. 499  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 07. 1971, in: BMW UA 807/2; Be­ richt der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10.

4.5. Vertriebspolitik

543

hiervon waren unterdurchschnittliche Deckungsbeiträge pro Fahrzeug, die in Nordeuropa für BMW besonders stark ausgeprägt waren, vor allem in Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen.500 In den 1970er Jahren ent­ wickelte sich indessen Asien – vor allem aufgrund von Japan sowie der Mon­ tageprojekte in Thailand, Malaysia und Indonesien – zur viertwichtigsten Region für BMW. Dieser Entwicklung trug das Unternehmen Rechnung, in­ dem 1981 in Japan die erste asiatische Vertriebsgesellschaft sowie 1985 das erste BMW-Regionalbüro in Singapur gegründet wurde, das für die Weiter­ entwicklung der asiatischen Märkte verantwortlich war. Abschließend soll noch kurz auf die Diskussion eingegangen werden, die zu Beginn der 1970er Jahre in der deutschen Wirtschaft aufkeimte, den Han­ del mit den Ostblockstaaten aufzunehmen bzw. zu intensivieren. Dies war erst durch die weltweit eingeleitete Entspannungspolitik möglich geworden, in deren Rahmen im August 1970 der „Vertrag über Gewaltverzicht und Zu­ sammenarbeit“ zwischen der Bundesregierung und der UdSSR unterzeichnet worden war.501 Auch das Management der deutschen Automobilindustrie wurde von der Bundesregierung ermutigt, Verhandlungen mit Vertretern aus den osteuropäischen Märkten aufzunehmen. Im März 1973 berichtete BMWVorstandsvorsitzender von Kuenheim über ein Gespräch mit Wirtschafts­ minister Friderichs, in welchem dieser den Wunsch geäußerte hatte, mehr Kontakte deutscher Industrieunternehmen zu Ländern des Ostblocks sehen zu wollen.502 Noch im Januar 1973 war der BMW-Vorstand zu der Meinung gelangt, dass hinsichtlich der Nachfragesituation mittelfristig keine Notwen­ digkeit bestand, Ostblockkontakte zu pflegen, langfristig jedoch nicht aus­ zuschließen war, dass sich in Osteuropa interessante Absatzreserven entwi­ ckelten.503 Im März 1973 wurden daraufhin seitens des Vorstands mögliche Projekte diskutiert, die von einer Kooperation auf dem Motorradsektor über die Zusammenarbeit im Motorenbau bzw. einer Lizenzvergabe für den Sechszylindermotor bis hin zu allgemeinen Kooperationsmöglichkeiten auf dem Gebiet der PKW-Produktion reichten. Der Fokus lag allerdings auf ­einem potentiellen Motorradprojekt, dessen Prüfung veranlasst sowie eine Reise des Vertriebsvorstands Lutz nach Moskau beschlossen wurde.504 Für das besagte Zweiradprojekt wurde eine umfassende bilinguale Projektanalyse als Diskussionsgrundlage erstellt.505 Im August desselben Jahres erreichte eine Anfrage über 50 000 PKW-Motoren aus der UdSSR den Vorstand sowie eine Kooperationsanfrage aus Polen im Zweiradsegment, die jedoch beide negativ beschieden wurden. Darüber hinaus arbeitete man weiterhin an groß­ 500 

Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1978, in: BMW UR 36/1. Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 334. 502 Vgl. Protokoll Nr. 7/73 der Vorstandssitzung vom 12. 03. 1973, in: BMW UA 851/1. 503  Vgl. Protokoll Nr. 3/73 der Vorstandssitzung vom 23. 01. 1973, in: ebd. 504  Vgl. Protokoll Nr. 7/73 der Vorstandssitzung vom 12. 03. 1973, in: ebd. 505  Vgl. Planung Motorradfabrik UdSSR, 1973, in: BMW UA 1339/1. 501 

544

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

angelegten Plänen für eine gemeinsame Motorradfabrik in der UdSSR aus, die bis zu 100 000 Einheiten pro Jahr fertigen sollte.506 Hierbei betonte der Vorstand, dass „im Hintergrund aller Aktivitäten der Wunsch von BMW ­stehen muss, den Absatz von BMW-Automobilen und -Motorrädern in der UDSSR [sic!] zu fördern“.507 Als Zeichen des Goodwill sowie einer PR-seiti­ gen positiven Ausleuchtung der Verhandlungsbemühungen nahm BMW noch im selben Jahr an einer Ausstellung in Moskau teil und präsentierte ei­ nem Publikum, das sich vornehmlich aus Ministern und Polizeigenerälen so­ wie Außenhändlern und Ingenieuren zusammensetzte, insgesamt 30 BMWMotorräder und -Autos für den Polizeieinsatz, womit zugleich die weiterhin bestehende Relevanz des Behördengeschäfts deutlich wird.508 Ferner forder­ ten die sowjetischen Gesprächspartner, dass zu einem späteren Zeitpunkt die aus sowjetischer Produktion stammenden BMW-Motorräder ebenfalls über das BMW-Vertriebsnetzwerk im Westen verkauft werden sollten. Dieser Forderung begegnete der Vorstand äußerst kritisch und lehnte sie letztlich ab, da unter anderem qualitative Mängel der diskutierten Ostfertigung be­ fürchtet wurden. Letztlich scheiterte dieses Projekt allerdings an der Frage der Bezahlung sowie an den Kompensationsvorstellungen der UdSSR, so dass im Juni 1975 die Verhandlungen mit Moskau niedergelegt wurden.509 Zwar kam es 1977 nochmals zu einer zaghaften Tuchfühlung mit der UdSSR, indem der Produktionsvorstand im September 1979 für ein Treffen mit dem Automobilbauministerium und dem Staatskomitee für Wissenschaft und Technik nach Moskau reiste, das allerdings ohne Ergebnis blieb.510 Auch Daimler-Benz fokussierte Osteuropa und führte ab 1973 Gespräche mit Moskau. Der Mitbewerber wurde 1978 sogar „Offizieller Lieferant der S­ piele der XXII Olympiade 1980 in Moskau“,511 die allerdings aufgrund des Krie­ ges in Afghanistan und der Haltung der UdSSR international boykottiert wurden. Daimler-Benz erfüllte dennoch die Verpflichtungen im Rahmen des Vertrages, verzichtete allerdings auf die dort festgeschriebenen Rechte. Des­ sen ungeachtet forcierte der Stuttgarter Mitbewerber die Bemühungen auch weiterhin, seinen Absatz in Osteuropa auszubauen.512 Der Absatz von BMW in die Ostblockstaaten bewegte sich nur in gerin­ gen Kontingenten und lag 1976 bei lediglich 560 PKW-Einheiten, die vor­ nehmlich nach Jugoslawien gingen sowie nach Polen, Ungarn und in die 506 

Vgl. Protokoll Nr. 20/73 der Vorstandssitzung vom 13. 08. 1973, in: BMW UA 851/1. Protokoll Nr. 34/73 der Vorstandssitzung vom 20. 12. 1973, in: ebd. 508 Vgl. [o. V.] (1973): Weißblau für Moskau, in: Der SPIEGEL, Jg. 27, Nr. 51 vom 17. 12. 1973, S. 74–76, hier S. 74. 509 Vgl. Protokoll Nr. 12/75 der Vorstandssitzung vom 22. 04. 1975, in: BMW UA 1333/1; Protokoll Nr. 16/75 der Vorstandssitzung vom 03. 06. 1975, in: ebd. 510  Vgl. Rede bzw. Trinkspruch des BMW-Produktionsvorstands Koch anlässlich ei­ ner Reise nach Moskau / Togliattigrad vom 29. 09. 1977, in: BMW UR 4848/1. 511  Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 335. 512  Vgl. ebd., S. 320f., 334–336. 507 

4.6. Kommunikationspolitik

545

Tschechoslowakei. 1971 hatte der Absatz noch bei 638 Einheiten gelegen, war also im Verlauf der ersten Hälfte der 1970er Jahre real gesunken.513 Auch mit der DDR bestanden keine Geschäftsbeziehungen, demgemäß sprach sich der Vorstand auch gegen eine im Juli 1971 andiskutierte Bestellung von Werkzeugen aus der DDR aus, zog jedoch in Erwägung, Maschinen zu or­ dern; dieser Überlegung wurde jedoch, auf der Grundlage der vorliegenden Quellen, nicht mit einem Auftrag nachgegangen.514 Somit konzentrierte sich der Absatz von BMW-Erzeugnissen bis in die 1980er Jahre hinein primär auf die Länder der von Ohmae beschriebenen Triade (vgl. Kapitel 1.2.1).515

4.6. Kommunikationspolitik In dem vorliegenden Kapitel wird die Kommunikationspolitik der BMW AG zwischen 1971 und 1981 fokussiert. Hierbei wird auf die sich ändernden Anforderungen eingegangen, die mit dem Wandel zu einem sich immer stär­ ker am Export orientierenden Konzern einhergingen, wobei die Abstim­ mung zwischen der Münchner Zentrale einerseits und ihren Tochtergesell­ schaften und Importeuren andererseits besondere Berücksichtigung erfahren soll. Als Beispiel hierfür wird sowohl der weltweite Markenauftritt im Sinne einer einheitlichen Corporate Identity besprochen als auch die Kommunika­ tion anhand der Werbung analysiert. Bevor auf diese Aspekte in den sich an­ schließenden Abschnitten 4.6.1 und 4.6.2 eingegangen wird, sollen an dieser Stelle einleitend knapp die allgemeinen Auswirkungen der Internationalisie­ rung auf die Kommunikationsarbeit der BMW AG während der dritten In­ ternationalisierungsphase vorgestellt werden. Die 1970er Jahre waren für BMW eine Zeit, in der sich die Kommunika­ tionspolitik weiter professionalisierte und sich diese Entwicklung ebenfalls organisatorisch manifestierte. Während in der vorangegangenen Dekade die Öffentlichkeitsarbeit noch durch die Verkaufsabteilungen abgewickelt wur­ de, trennte die BMW-Geschäftsleitung zu Beginn der dritten Phase der Inter­ nationalisierung auch organisatorisch klar zwischen der verkaufsfördernden Kommunikation einerseits sowie der auf das Image des Unternehmens und auf die Marke einzahlende Öffentlichkeitsarbeit andererseits.516 Während das Vertriebsressort im Bereich des Zentralmarketings die verkaufsfördern­ den Maßnahmen steuerte, zeichnete die 1971 eingerichtete Presseabteilung im Wesentlichen für alle darüber hinausgehenden kommunikativen Schritte Verantwortung, die bis zu Aufgaben wie der Vergabe von Spendenvorschlä­ 513  Vgl. Deutscher PKW-Export nach Fabrikaten und Abnehmerländern, 1971–1976, in: BMW UA 2041/1. 514  Vgl. Protokoll Nr. 20/71 der Vorstandssitzung vom 23. 07. 1971, in: BMW UA 801/1. 515  Vgl. weiterführend Ohmae, Triad power. 516 Zu den Unterschieden zwischen den einzelnen Kommunikationsfeldern, vgl. Bruhn, Integrierte Unternehmenskommunikation, S. 8.

546

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

gen reichten.517 Zu der Aufteilung und klaren Trennung zwischen Öffentlich­ keitsarbeit und Verkaufsförderung hieß es 1972 in einem Rundschreiben der Organisationsabteilung: „Sämtliche Kontakte mit Nachrichtenagenturen, der Presse, dem Funk und Fernse­ hen, die das Haus BMW betreffen und redaktionellen Charakter haben, sind aus­ schließlich dem Vorstand und der Presseabteilung vorbehalten. Als Kontakte mit den genannten Nachrichten-Medien sind vor allem Erklärungen, Auskünfte, Verlautba­ rungen, Interviews usw. zu verstehen. Werbliche Aussagen sind davon nicht betroffen. Die Presseabteilung ist verpflichtet, das Unternehmen imagegerecht, positiv und pro­ gressiv gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten.“518

Die Kommunikationspolitik wurde während der dritten Phase der Internati­ onalisierung maßgeblich von Dr. Horst Avenarius geprägt, der diesen Be­ reich zwischen 1973 und 1989 leitete. Unter seiner Leitung wurden neue Ele­ mente in die Öffentlichkeitsarbeit integriert, wie etwa die Unterstützung von Kunstprojekten.519 Prominentes Beispiel sind die BMW Art Cars, bei denen es sich um aktive Rennfahrzeuge handelte, die ab 1975 von namhaften Künst­ lern wie Alexander Calder, Frank Stella, Roy Lichtenstein und Andy Warhol medienwirksam gestaltet wurden. Weitere Künstler folgten im Laufe der ­späteren Jahrzehnte.520 Die BMW Art Cars erfuhren eine hohe Resonanz weltweit und dienten somit auch der non-verbalen internationalen Kommu­ nikation der BMW AG. Im Hinblick auf ihre Konzernorganisation unterschied sich die BMW AG deutlich von der Daimler-Benz AG, deren Vorstandsbereiche wesentlich kleinteiliger ausgelegt waren und die vor 1977 zwischen 13 unterschiedlichen Ressorts differenzierte. Aufgaben wie die Öffentlichkeitsarbeit sowie der Verkauf im Inland und Verkauf im Ausland wurden in der Stuttgarter Zen­ trale beispielsweise als eigenständige Vorstandsressorts organisiert, während diese Themen in München Bereiche waren, die den übergeordneten Vor­ standsressorts zugewiesen waren, welche in Abschnitt 4.5.1 detailliert behan­ delt wurden.521 Zunächst firmierte die Presseabteilung als organisatorische 517  Vgl.

Aktennotiz „Presseinformationen“ des Exportleiters Dr. Baranek vom 12. 11.  1971, in: BMW UA 1609/1; Protokoll Nr. 32/73 der Vorstandssitzung vom 31. 10.  1973, in: BMW UA 851/1; 518 Rundschreiben der Organisations-Abteilung Nr.  4/72 „Presseabteilung“ vom 07. 03. 1972, in: BMW UA 1615/1. 519  Laut dem Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) war Avenarius wesentlich für den positiven Imagewandel der BMW AG mitverantwortlich. Neben den bekann­ ten Gebieten der Kommunikationsarbeit integrierte er überdies Kulturaktivitäten, hierunter auch neue, avantgardistische Kultur, in die Öffentlichkeitsarbeit bei BMW, vgl. Deutscher Rat für Public Relations (2015): Dr. Avenarius vollendet 85. ­Lebensjahr. URL: http://drpr-online.de/wp-content/uploads/2015/09/PM_Avenarius_FINAL.pdf (Stand: 26. 12. 2015). 520  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 395. 521  Grunow-Osswald hat die unternehmensinternen Diskussionen in den 1970er und 1980er Jahren um die Reorganisation des Konzerns übersichtlich zusammengefasst, vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 346–352.

4.6. Kommunikationspolitik

547

Einheit mit dem Kürzel A-PR innerhalb des Ressorts des BMW-Vorstands­ vorsitzenden von Kuenheim, die ihrerseits ebenfalls einige Abteilungen leite­ te.522 Zum Jahresbeginn 1975 wurde diese Einheit inklusive Unterebenen in den Bereich „Information und Öffentlichkeitsarbeit“ mit dem Kürzel AK gewandelt, der dem Vorstandsvorsitzenden direkt unterstand und eng mit diesem zusammenarbeitete. Diese Grundzüge der organisatorischen Auftei­ lung haben bis heute im BMW-Konzern bestand. 1979 waren dem Kommu­ nikationsbereich die Abteilungen Presse (AK-1), Public Relations (AK-2), Betriebliche Information (AK-3) und das Büro in Bonn (AK-4) zugeordnet; letzteres konzentrierte sich auf die Kontakte mit der Bundesregierung sowie auf wirtschaftspolitische Inhalte.523 Diese BMW-Organisation kann als mo­ derne Kommunikationsarbeit interpretiert werden, deren primäre Aufgabe es war, die unterschiedlichen imagebildenden Faktoren dahingehend zu beein­ flussen und aufeinander abzustimmen, dass ein bestmögliches Gesamtprofil von BMW entstand. Direkt verantwortlich war der Bereich für alle generel­ len Unternehmensaussagen, die Kontakte zur Öffentlichkeit jenseits der Märkte sowie sämtliche Maßnahmen zur Prägung des innerbetrieblichen Be­ wusstseins von BMW, also auch für die interne Mitarbeiterkommunikation. Im Hinblick auf alle übrigen Kommunikationsarbeiten agierte der Bereich AK gegenüber den verantwortlichen Tätigkeitsfeldern ressortübergreifend als Beratungs- und Koordinationsstelle. Dies galt für alle Fachstellen inner­ halb des Hauses BMW und ebenso für die Aktivitäten sämtlicher BMWTochtergesellschaften. Mit den organisatorischen Maßnahmen zur Strukturierung der BMW-­ Öffentlichkeitsarbeit durchlief diese in den Jahren 1975 bis 1978 einen res­ pek­tablen Wandel, der sich durch mehrere Phasen auszeichnete, die von ver­ schiedenen Schwerpunkten gekennzeichnet waren. Mit der E ­ tablierung des AK-Bereichs stand zunächst die Schaffung einer Basis für die Pressearbeit im Inland im Vordergrund. Hier waren organisatorische ­Aspekte wie der Aufbau einer Fotoabteilung, die Einrichtung eines Telex-Direktverteilers für Unternehmensnachrichten, ab 1977 die Umstellung auf ein EDV-Sys­ tem, die geregelte Erstellung von Presseechos oder der Aufbau eines visuel­ len Erscheinungsbildes der BMW-Pressearbeit, die sich auf den ersten Blick von den Mitbewerbern visuell abheben sollte, und die Etablierung eines effi­ zienten Verteilersystems – zunächst im Inland – besonders wichtig. Es stan­ den also zunächst systematisierende Maßnahmen im Vordergrund, die den rüber hinaus Wirkungsgrad der Öffentlichkeitsarbeit erhöhen sollten. Da­ wurden erste Schritte zur Etablierung eines regelmäßigen Kommunikations­ flusses mit den Presse- und PR-Vertretern der BMW AG im Ausland einge­ 522 Vgl. Protokoll Nr. 26/73 der Vorstandssitzung vom 26. 10. 1973, in: BMW UA 851/1. 523 Vgl. Protokoll Nr. 6/75 der Vorstandssitzung vom 25. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1; Organigramm der BMW AG, 1979, in: BMW 818/3.

548

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

leitet. Dies sah unter anderem einen regelmäßig erscheinenden „PR-Letter“ vor, der die Töchter weltweit über die wichtigsten Geschehnisse im BMWKonzern informieren und zugleich näher an die Münchner Zentrale bringen sollte. Nachdem der Fokus bei der Reorganisation der BMW-Kommuni­ kationsarbeit zu Beginn also vermehrt auf dem Inland lag, wurde die Arbeit mit der zunehmenden Systematisierungen auch auf das Ausland ausge­ dehnt.524 Ab 1976 stand vermehrt die Verbesserung der Öffentlich­keits- und PR-Arbeit sowie die Zusammenarbeit mit den auslän­dischen Kommuni­ katoren im Vordergrund, auf die detailliert in Abschnitt 4.6.1 eingegangen wird. Eine Untersuchung zur Bestimmung des BMW-Images aus dem Jahre 1978 hatte gezeigt, dass BMW im Vergleich zu anderen deutschen PKWHerstellern zwar ein insgesamt günstiges Marken- und Firmenimage aufwies, allerdings zugleich das Unternehmensprofil noch nicht in allen Dimensionen ausgeprägt und ausgeglichen war, in einigen Fällen sogar deutlich hinter dem Image der Mitbewerber zurücklag. Erklärtes Ziel der Öffentlichkeitsarbeit im Bereich AK war es also 1979 und in den nachfolgenden Jahren, das „positive Image des Unternehmens und seiner Produkte weiter zu fördern und in der Öffentlichkeit weniger deutlich wahrgenommene Imagequalitäten nachhaltig zu verstärken“:525 „Dabei kommt es schwerpunktartig darauf an, das Unternehmen noch stärker als ge­ sellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktor zu profilieren. Auch ist die technische Spitzenstellung von BMW noch deutlicher herauszuarbeiten. In seinem Stil sollte BMW selbstbewusst und intelligent, nicht aber übersteigert intellektuell auftreten. […] An diesem Gesamtkonzept orientiert, wird die Pressearbeit vor allem darauf aus­ gerichtet sein, den BMW-Konzern als ganzes [sic!] in das Bewusstsein der Öffentlich­ keit zu rücken und dabei BMW als Weltunternehmen darzustellen. Damit werden ne­ ben die reinen Produktaussagen vermehrt Firmenaussagen treten müssen.“526

Eine wichtige Kernaussage für das vom Vorstand verabschiedete Konzept war also, BMW als ein Unternehmen von „Weltgeltung“527 zu profilieren und den Konzern als Ganzes in den Fokus zu rücken. Die in den 1960er Jah­ ren einsetzende Verschiebung von der reinen Produkt- hin zur Unterneh­ menskommunikation wurde also in den 1970er Jahren deutlich ausgebaut. Die 1978 durchgeführte Analyse des BMW-Images hatte in diesem Zusam­ menhang aufgezeigt, dass sich der Bekanntheitsgrad und somit auch die Wahrnehmung der BMW AG primär auf das Unternehmen BMW mit seinen Produkten bezogen, die Tochtergesellschaften hingegen der Öffentlichkeit im Allgemeinen unbekannt waren, also kein eigentliches Image des BMWKonzerns existierte: 524  Vgl.

Bericht der Presseabteilung über die Pressearbeit bei BMW, Vorstandsvorlage vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1608/1. 525  Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1. 526 Ebd. 527 Ebd.

4.6. Kommunikationspolitik

549

„Eine Reihe von Produkten und Dienstleistungen bietet BMW über Tochtergesell­ schaften an. Diese sind als eigenständige Unternehmungen kaum einer breiteren Öf­ fentlichkeit bekannt. Alle Maßnahmen der Tochtergesellschaften werden daher der BMW AG zugeordnet und beeinflussen das BMW-Gesamt-Image. Sie müssen auf ihre Verträglichkeit mit dem BMW-Image hin geprüft werden. Insgesamt wird BMW heu­ te weniger als ‚Konzern‘ begriffen als dies bei anderen Herstellern dieser Größenord­ nung der Fall ist. In dem Maße jedoch, indem einerseits das Geschäftsvolumen der Tochtergesellschaften wächst und andererseits neue Dienstleistungen bzw. Produkte zu den heutigen Angeboten hinzutreten, wird sich auch ein BMW-Konzern-Image heranbilden.“528

Dieses Zitat aus einem Konzept über die langfristige Imageplanung aus dem Jahre 1978 verdeutlicht, dass mit dem Wandel zu einem Konzern ebenfalls die Implikationen für die Außenwahrnehmung beachtet und zu einem ge­ samthaft harmonischen Auftreten abgestimmt werden mussten. Hierüber waren sich die verantwortlichen Fachstellen der Marktforschung aus dem Vertriebsressort sowie der Öffentlichkeitsarbeit im A-Ressort im Klaren und leiteten Schritte ein, künftig das Image der BMW AG auch als Konzern zu untersuchen und hier gemeinsam mit den Töchtern auf eine im In- und Ausland stimmige Konzeption hinzuwirken.529 Aus Imagegründen wurde auch in den 1970er Jahren, wie bereits in den vorangegangenen Jahrzehn­ ten, das Zweiradgeschäft nicht eingestellt, da laut BMW-Geschäftsführung „[…] das Motorrad schon aus Imagegründen nicht aus dem Gesamtbild von BMW wegzudenken ist“.530 Aus Gründen der Außenwahrnehmung und des Images wurden also durchaus weitreichende Geschäftsentschei­ dungen getroffen, wie etwa die Aufrechterhaltung des Engagements im Motor­radgeschäft, auch wenn dieses nicht maßgeblich zum Jahresgewinn beitrug. Die ausgeprägte und weiter zunehmende Exportorientierung, die einem Konzern mit Weltgeltung entsprach, kam in der Öffentlichkeitsarbeit des Münchner Unternehmens deutlich zum Tragen. Ein immer größer werden­ der Teil der Explikationen des Geschäftsberichtes widmete sich der interna­ tionalen Ausrichtung des Konzerns. Die Geschehnisse in den wichtigsten Automobil- und auch Motorradmärkten wurden immer ausführlicher vor­ gestellt und ein großer Anteil der Berichterstattungen entfiel auf die wirt­ schaftspolitischen Ereignisse. Vor allem tarifäre sowie nicht-tarifäre Handels­ hemmnisse wurden hervorgehoben und die sich hieraus ableitenden Impli­ kationen für BMW erläutert. Dies war umso stärker der Fall, als die Absatzzahlen in den entsprechenden Ländern zurückgingen und die sinken­ den Marktanteile erläutert bzw. ins rechte Licht gerückt werden mussten. Darüber hinaus wurde dem Geschäftsverlauf der Tochtergesellschaften im Ausland viel Raum gegeben, aber ebenso besonderen Aktivitäten der Impor­ 528 

Konzept „Langfristige Imageplanung“, 1978, in: BMW UA 1858/1. Vgl. ebd. 530  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 08. 12. 1976, in: BMW UA 1508/2. 529 

550

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

teure, beispielsweise den Eröffnungen neuer Importeurs- und Vertriebszent­ ren. Auch über die zunehmende Internationalisierung des Einkaufswesens und der Materialwirtschaft, mit einem wachsenden Lieferantennetzwerk aus aller Welt, wurde berichtet und ihnen sogar einige Sonderseiten gewidmet.531 Auch die abgegebenen Erklärungen der BMW-Geschäftsleitung zu Belangen des Exports, weltpolitischen Geschehnissen wie den Ölpreiskrisen und den neu gegründeten Tochtergesellschaften im In- und Ausland nahmen auf den jährlichen Hauptversammlungen der BMW AG deutlich zu.532 Ebenso war die Internationalisierung des Unternehmens in der internen Kommunikation in den 1970er Jahren ein beliebtes und beständig wiederkehrendes Thema. Die Aktivitäten im Ausland wurden in der Zentrale etwa in Form der mehr­ mals im Jahr erscheinenden Managementrundschreiben erläutert, die an die oberen Führungskräfte adressiert waren. Des Weiteren wurde in der seit 1973 monatlich erscheinenden Mitarbeiterzeitschrift bayernmotor detailliert über das BMW-Engagement im Ausland berichtet und hierfür eine eigene einseitige Rubrik „bayernmotor international“ eingerichtet. Diese Berichter­ stattungen sollten den immer globaler agierenden BMW-Konzern gegenüber seinen Mitarbeitern auch im Inland erfahrbar machen und sie an der Interna­ tionalisierung teilhaben lassen. Hierbei wurde oftmals die menschliche Kom­ ponente hervorgehoben, indem etwa Mitarbeiter oder auch Importeure vor­ gestellt wurden, die im Ausland für BMW tätig waren.533 In den sich hier anschließenden Abschnitten soll nun näher auf die Bemühungen des Kon­ zerns eingegangen werden, das Unternehmens- und Markenbild einheitlich in aller Welt zu gestalten. 4.6.1.  Der Auftritt der Marke BMW weltweit „‚Made in Germany‘ kann zur ‚Unterstützung des BMW-Qualitätsimages in allen Ex­ portmärkten genutzt werden. […] Ein gesundes Verhältnis von Traditionsverbunden­ heit und Modernität kennzeichnet BMW in den Augen der Öffentlichkeit als seriösen Hersteller, der Vertrauen erweckt. BMW genießt einen guten Ruf in der Welt.“534

Zu dieser Erkenntnis kam eine Untersuchung aus dem Jahr 1978,535 die so­ mit die Einschätzung bestätigte, die bereits durch die vier Jahre zuvor in acht 531 

Vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1970–1979. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1977 und 1978, in: BMW UR 36/1; Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1. 533  Vgl. Jahrgänge der Mitarbeiterzeitung bayernmotor, 1973–1981. 534  Konzept „Langfristige Imageplanung“, 1978, in: BMW UA 1858/1. 535  Erst im Jahre 2000 wandte sich die BMW Group mit der zunehmenden Interna­ tionalisierung des Produktionsnetzwerks der Bezeichnung „Made by BMW“ anstelle von „Made in Germany“ zu, vgl. Pressemitteilung „‚Made by BMW‘ statt ‚Made in Germany‘“ vom 26. 01. 2000, in: BMW UP 3200/1. Daimler-Benz hatte bereits Ende der 1990er Jahre das neue Qualitätsprädikat „Made by Mercedes“ eingeführt, vgl. Kuhn, Der Global Player-Ansatz im Automobilbau, S. 938. 532 Vgl.

4.6. Kommunikationspolitik

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europäischen Ländern im Auftrag von BMW durchgeführte Image-Survey ermittelt worden war. Gegenüber den BMW-Aktivitäten im Ausland war vor dem Hintergrund des Images als deutscher Hersteller ein außerordentlich positiver Goodwill festzustellen.536 Dieser alleine genügte allerdings nicht, um sich in den Märkten außerhalb der Bundesrepublik zu etablieren. Als ­erster Schritt musste an dem Bekanntheitsgrad der Marke BMW gearbeitet werden, denn zwischen diesem und dem Marktanteil bestand eine positive Korrelation. Wie in den vorangegangenen Kapiteln häufiger verwiesen wur­ de, stieß das Münchner Unternehmen teilweise als ausländischer Hersteller in manchen Ländern auf größere Vorbehalte. In einigen Märkten ging der gewährte, auf dem Faktor „Made in Germany“ basierende, positive Vor­ schuss fernerhin mitunter verloren, da zu Beginn aufgrund mangelnder Be­ kanntheit das Firmenakronym mitunter als „British Motor Works“ aufge­ schlüsselt wurde;537 ein Problem, was vor allem noch in den 1950er Jahren bis in die 1960er Jahre bestand, in der Folgedekade allerdings allmählich ab­ nahm. In anderen Ländern wurde indessen das Akronym aufgrund der defi­ zitären Teileversorgung Anfang der 1970er Jahre stichelnd als „Bring More Worries“ interpretiert, das auf eine in manchen Ländern unzureichende Er­ satzteillogistik zurückzuführen war.538 Diesen Missständen wurde durch eine deutliche Systematisierung und somit Verbesserung der Logistik sowie des Aftersales-Bereichs im Allgemeinen entgegengewirkt. Auf diese Maß­ nahmen ist bereits in Kapitel 4.5 eingegangen worden. Im Folgenden sollen die kommunikativen Prozesse beleuchtet und die Bemühungen der BMW AG analysiert werden, den eigenen Auftritt weltweit einheitlich zu gestalten. Wie in dem vorangegangenen Abschnitt bereits erläutert wurde, traten während der dritten Phase der Internationalisierung auch vermehrt Firmen­ botschaften neben die eigentliche Produktkommunikation, die das Image des Konzerns weiter formen sollten. Nachdem in der ersten Hälfte der 1970er Jahre vor allem die Öffentlichkeits- und PR-Arbeit im Inland deutlich syste­ matisiert wurde, fokussierte der für diese Aufgaben Verantwortung zeich­ nende Bereich AK vor allem die Strukturierung der Kommunikation und ­ihrer ­Prozesse im Ausland. Hierbei legte man besonderes Augenmerk auf eine ­verbesserte Abstimmung zwischen der Zentrale und ihren ausländischen Kommunikatoren. 1976 stand somit die weitreichende Organisation der Auslandspressearbeit im Fokus, die eine Vereinheitlichung des BMW-Auf­ tritts weltweit, unter Berücksichtigung marktspezifischer Besonderheiten, 536  Vgl. “International BMW-Image-Survey in Eight European Countries”, 1974, in: BMW UR 6158/1. 537  Vgl. [o. V.] (1989): Manager und Märkte, in DIE ZEIT, Jg. 44, Nr. 16 vom 14. 04.  1989; MF-Bericht Nr. 27/79 „BMW-Käufer-, -potential- und Werbeanalyse USA 1978“, 1979, in: BMW UA 1869/1. 538  Diesen Hinweis verdanke ich einem Gespräch mit Mary Chan, einer langjährigen Mitarbeiterin des BMW-Regionalbüros in Singapur, die dort seit der Gründung 1985 tätig ist, hierzu Interview Mary Chan, 27. 03. 2015.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

anvisierte. Dies schloss beispielsweise ebenfalls eine länderübergreifende BMW-typische Vorstellungs- und Präsentationsform von Automobilen und Motorrädern ein, sowohl auf internationalen Automobilmessen als auch bei Pressevorstellungen neuer Produkte in den einzelnen Märkten. Hier war die Zentrale in München auf die regionale Unterstützung mitsamt der interkul­ turellen Sensitivität der vor Ort agierenden BMW-Kommunikatoren ange­ wiesen. In Japan etwa zeigte sich, dass die Pressearbeit viel Feingefühl und Landeskenntnisse erforderte, da beispielsweise unterschiedliche Gruppen von Journalisten nicht auf dieselbe Pressekonferenz geladen werden durften, sondern bisweilen mehrere Veranstaltungen für die verschiedenen F ­ raktionen abgehalten werden mussten.539 Die Medien waren in Japan zwar gegenüber BMW äußerst aufgeschlossen und verfassten überwiegend positive Resonan­ zen, allerdings waren sie nicht bereit oder in der Lage, „[…] die ‚Botschaft‘ hinter der übermittelten Information wiederzugeben.“540 Hier bedurfte es, laut des Leiters der Presseabteilung, noch weiterer Bemühungen, um vor Ort eine verbesserte Imagebasis zu schaffen. Für diese regionale Arbeit brauchte es vor allem kulturelles, marktspezifisches Feingefühl, das durch die im Aus­ land sitzenden, oftmals einheimischen BMW-Kommunikatoren eingebracht wurde.541 Das Beispiel Japan zeigt, weshalb die Zentrale in München ab der Mitte der dritten Internationalisierungsphase dazu überging, die Kommuni­ kationspolitik ebenfalls am Prinzip der dezentralen Organisation auszurich­ ten. Der Handlungsspielraum der Dependancen wurde hierbei allerdings wei­ terhin klar begrenzt, denn diese Tendenzen zur Dezentralisierung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Münchner Stammhaus noch immer seine Entscheidungen sehr zentral traf und die Agenten, also die Importeure und Tochtergesellschaften im Ausland, noch immer in einem engen Netz an sich gebunden hielt. Diese enge Bindung kam auch durch das wiederholt in die­ sem Kapitel zur dritten Internationalisierungsphase besprochene „Prinzip des zweiten Mannes“ in den Geschäftsführungen der ausländischen Töchter zum Ausdruck. Ein wichtiges Mittel zur Verbesserung der Abstimmungs- und Kommuni­ kationsprozesse war die Etablierung der sogenannten PR-Konferenzen, die von ihrer Idee den internationalen Marketingtagungen des Vertriebsressorts aus den 1960er Jahren ähnelten (vgl. Kapitel 3.6). Nach der bereits erörterten vorgenommenen Trennung zwischen der Kommunikation zum Zwecke der Verkaufsförderung im Bereich des Zentralmarketings einerseits und der Öffentlichkeits­arbeit im Bereich AK andererseits fanden im Zuständigkeits­ bereich des Marketings auch weiterhin die bereits bekannten Marketing­ 539  Vgl. Konzept für die Pressearbeit in Japan “Press Activities in Japan – A Paper“ vom 29. 10. 1981, in: BMW UA 1814/1. 540 Bericht von Strassl, Leiter der BMW-Pressearbeit (AK-1), „Japan aus Sicht der Presseabteilung“ vom 10. 04. 1981, in: BMW UA 1814/1. 541  Vgl. ebd.

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tagungen statt, während der Kommunikationsbereich die sogenannten PRKonferenzen einführte, zu denen die Kommunikatoren der ausländischen BMW-Standorte geladen wurden. Diese Konferenz zielte darauf ab, eine weltweit identische Aussage für den Konzern sicherzustellen und sollte dazu beitragen, die „Image-Maßnahmen koordiniert durchzuführen und den Erfahrungsaustausch für das Unternehmen nutzbar zu machen“.542 1979 exis­ tierten bereits 24 Außenstellen der PR- und Presseabteilungen im Ausland. Sie waren dringend notwendig, um das Mitte der 1970er Jahre geänderte Kommunikationskonzept der BMW AG umzusetzen: „Das Konzept wurde entwickelt, die ausländische Presse nicht mehr, eher schlecht als recht[,] von München aus mit deutsch- oder englischsprachigen Informationen zu be­ liefern, sondern in jedem Land eine Pressezweigstelle einzurichten, die die erarbeitete Information nach dem im Inland erfolgreichen Prinzip auch in diesen Ländern verteil­ te. Der Vorteil dieses Systems liegt in der problem- und lückenloseren Erreichbarkeit der ganzen Medienbandbreite in der jeweiligen Landessprache. Alle Informationen wurden ab 1976 in 4 Sprachen übersetzt. Nebeneffekt war, dass damit das Erschei­ nungsbild der BMW Information automatisch auch in diesen Ländern genutzt wurde. Die Mehrzahl unserer Auslandstöchter passte darauf auch ihre eigenen Informationen unserem Erscheinungsbild an.“543

BMW war also zur Mitte der dritten Internationalisierungsphase dazu über­ gegangen, die Kommunikation mit den Pressevertretern in den verschiede­ nen Märkten nicht mehr direkt von München aus zu pflegen, sondern die PR- und Öffentlichkeitsarbeit ein Stück weit zu dezentralisieren. Hierbei wurde die Position der Auslandsgesellschaften als Agenten erheblich ge­ stärkt, die als Mittler zwischen der Zentrale und der Presse agierten, dabei allerdings eng mit ihrem Prinzipal zusammenarbeiteten und die Botschaften der BMW AG, unter Berücksichtigung von landesspezifischen Faktoren, ­tradieren sollten. Dieses Vorgehen entsprach dem Prinzip der dezentralen Organisation, das zeitgleich in allen Teilen des Unternehmens bei der Ab­ stimmung mit den Tochtergesellschaften propagiert wurde und sich in den Rahmenbestimmungen und Richtlinien der BMW AG etwa ab Mitte der 1970er Jahre widerspiegelte.544 Der Konzern erprobte, wie viel Autarkie den Agenten – also auch den BMW-Töchtern – zugestanden werden konnte, ohne dass das Gesamtimage und die unternehmensweiten Interessen hiervon negativ berührt wurden. 1977 fand eine schriftliche Regelung der Kommuni­ kation zwischen den BMW-Töchtern und der Muttergesellschaft, inklusive der Festlegung von deren Aufgaben und Rechten, in Form der bereits er­ wähnten Rahmenbestimmungen statt. Die folgenden Jahre sahen eine weitere 542  Bericht der Presseabteilung über die Pressearbeit bei BMW, Vorstandsvorlage vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1608/1. 543 Ebd. 544  Vgl. Rahmenbestimmung zur Regelung der Beziehung zwischen der BMW AG und den Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1976, in: BMW UA 1865/1; Ausar­ beitung, von Eckartsberg, „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesell­ schaften“, 1977, in: ebd.

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Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland vor mit einem möglichst reibungslosen Kommunikationsfluss. Die Zusammenarbeit wurde in der Kommunikation beständig weiterentwickelt und auf ein weltweit ho­ mogenes BMW-Image hingearbeitet. Bis 1981 existierten bei BMW und den Tochtergesellschaften verschiedene PR-Publikationen, die somit ein diffun­ dierendes PR-Gebilde darstellten. Zur Vereinheitlichung ebenso wie zur Ver­ einfachung beschloss VA-Z, der Vorstandausschuss zur Koordination der Beteiligungen, gemäß einer im Oktober 1981 von der Öffentlichkeitsarbeit (AK) und dem Zentralmarketing (VM) ausgearbeiteten Vorlageempfehlung, dass es künftig für BMW-Kunden, Interessenten und angrenzende Zielgrup­ pen weltweit nur noch eine Publikation geben sollte. Zeitschriften, die auf verschiedenen Märkten bestanden oder noch in Planung waren, sollten zum nächstmöglichen Zeitpunkt eingestellt werden. Jede Tochtergesellschaft hatte die auf sie entfallenden Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der ­neuen Zeitschrift zu übernehmen und ab 1982 im Rahmen des Marketingoder PR-Etats zu budgetieren. Die Tochtergesellschaften konnten selbst le­ diglich über Auflagenhöhe und Einsatz der neuen Zeitschrift entscheiden, in anderen Belangen waren sie an die Weisungen der Zentrale gebunden, wenn auch ihre Vertreter an der Gestaltung der Hefte angemessen zu beteiligen waren. Hier zielte man darauf ab, dass die Töchter, die mehr als 20 000 ­Exemplare bezogen, im dem redaktionellen Beirat vertreten sein sollten, der das gesamte Heft betreute.545 Dieses Beispiel soll verdeutlichen, wie die Zu­ sammenarbeit zwischen der BMW-Zentrale und ihren Töchtern im Ausland am Ende des Betrachtungszeitraums gestaltet wurde. Die Impulse kamen in der Regel aus München, bei den Projekten sollten allerdings die ausländi­ schen Dependancen ausreichend beteiligt werden, um die Ansprache in dem jeweiligen Markt so BMW-typisch wie möglich zu gestalten. Neben der klassischen Pressearbeit spielte auch das äußere Erscheinungs­ bild im Kontext der Marke BMW eine wichtige Rolle, das einen hohen Wie­ dererkennungswert generieren sollte. Die Kommunikationsabteilung hatte eine derartige Vereinheitlichung ab Mitte der 1970er weiter verfeinert und international zum Einsatz gebracht; eine Maßnahme, die ausgesprochen gut in den Medien aufgenommen worden war.546 Ein solch einheitliches, mit den Markenwerten einhergehendes Erscheinungsbild lässt sich auch auf nahezu alle anderen Unternehmensbereiche übertragen, an dieser Stelle wird aller­ dings die externe Wahrnehmung fokussiert, wo im Außenauftritt die CI eine zentrale Rolle spielte.547 1977 hatte sich die BMW AG dazu entschlossen, 545 

Vgl. VA-Z Protokoll vom 26. 10. 1981, in: BMW UA 1997/1. Bericht der Presseabteilung über die Pressearbeit bei BMW, Vorstandsvorlage vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1608/1. 547  Unter den Begriff „Corporate Identity“ werden, je nach Definition, verschiedene Teilbereiche eines Unternehmens gefasst. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind vor allem die Bereiche Corporate Design und Corporate Communication, im weites­ ten Sinne partiell auch Corporate Culture, maßgebliche Kategorien, die im Hinblick 546  Vgl.

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ihre Unternehmensdarstellung von Grund auf zu konzeptualisieren und in gewissen Bereichen neu zu positionieren. Bereits in den Jahren 1973/74 hatte BMW für die BMW Motorsport GmbH, einer 1972 gegründeten Tochter­ gesellschaft, in der alle Rennsportaktivitäten gebündelt waren, eine eigene ­weitreichende CI aufgesetzt und somit die Auswirkungen und Konsequen­ zen eines solchen CI-Programmes im kleinen Rahmen erprobt.548 Vor dem Hintergrund des steigenden Exklusivitätsanspruches und der weiter wach­ senden Sättigung der Märkte, in denen eine Zunahme der Marktanteile in der Regel nur durch eine Kannibalisierung der Anteile anderer Hersteller zu leis­ ten war, baute BMW das Angebot und die Eigendarstellung weiter in Rich­ tung Exklusivität aus. Vor dem Hintergrund der Produkteinführung des BMW 7er (E 23), der das automobile BMW-Produktportfolie nach oben hin abrundete und entwicklungsgeschichtlich an die Baureihe E 9 anknüpfte, sollte die Exklusivität der Marke bereits durch das Erscheinungsbild der Händler sowie der gesamten Kommunikation erkenntlich werden. In diesem Kontext wurde gemeinsam mit der Corporate Identity-Agentur Zintzmeyer & Lux eine Rahmenkonzeption für den weltweiten BMW-Auftritt entwi­ ckelt. Aus diesem übergeordneten CI-Programm leiteten sich wiederum Teilprogramme ab, wie etwa die Grundsätze der visuellen Gestaltung und ­ihrer Elemente, Kennzeichnungen, der Baugestaltungen innen und außen, Arbeitsbekleidung, Absatzförderung, Geschäftspapiere, Formulare und An­ weisungen für Betriebsfahrzeuge.549 Zu den unterschiedlichen Aspekten ent­ standen sogenannte Identity-Boxen, die im Laufe der folgenden Jahre weiter ergänzt wurden und laut Grunert/Triebel Maßstäbe in der Automobilbran­ che setzten.550 Die Vorstellung des neuen Konzeptes stieß im Inland bei den Kooperationspartnern der BMW AG auf positive Resonanz. Die Geschäfts­ leitung plante, die innerdeutschen Betriebe ab Juli 1978 mit der Außenkenn­ zeichnung des CI-Programms auszustatten und bis Ende 1981 die Beratung der gesamten Handelsorganisation abzuschließen. Im Juni 1978 hielt der BMW-Vorstand ferner fest, dass sich das definierte visuelle Erscheinungsbild nicht auf die Handelsorganisation beschränken sollte, sondern dass es sich auf sämtliche BMW-Firmen sowie alle Aktivitäten und Bereiche im In- und Ausland bezog. Das CI-Programm wurde den ausländischen Importeuren auf ihre Internationalisierung beleuchtet werden. Für weiterführende Informationen zum Konzept der Corporate Identity, vgl. Tafertshofer, Alois (1982): Corporate Iden­ tity: Magische Formel als Unternehmensideologie, in: Die Unternehmung, Jg. 36, Nr. 1, S. 11–25; Motion, Judy / Leitch, Shirley (2002): The Technologies of Corporate Identity, in: International Studies of Management & Organization, Vol. 32, No. 3, pp. 45–64; Beyrow, Matthias / Kiedaisch, Petra / Daldrop, Norbert (Hg.): Corporate Identity und Corporate Design, Ludwigsburg 2007. 548 Vgl. [Präsentation der BMW Motorsport GmbH], 1973, in: BMW RP 29/10; BMW Motorsport GmbH. Normen zur Grafik und Typografie, 1973–1974, in: BMW UU 1319/99. 549  Vgl. BMW AG, Weltweite Markenpräsenz, S. 1. 550  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 444f.

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und Tochtergesellschaften auf einer Importeurstagung in Salzburg im Juni 1978 vorgestellt. Zwischen Herbst 1978 und Ende des Jahres 1979 wurden in den Volumenmärkten zwölf Musterbetriebe eingerichtet, wodurch die Han­ delsorganisation im jeweiligen Land schneller und überzeugender von dem visuellen Erscheinungsbild überzeugt und für die Umsetzung der CI-Maß­ nahmen gewonnen werden sollte. Damit eine optimale Verwirklichung des Konzeptes sichergestellt werden konnte und das CI-Programm nicht von Anfang an auf größere Widerstände stieß, entschied der Vorstand, dass die Handelsorganisation die finanzielle Last der Umstellungen nicht alleine zu tragen hatte. Stattdessen sollten Mittel für die Händlerberatung, eine Bezu­ schussung der Musterbetriebe im Ausland und für die Entwicklung der Ausund Durchführungshilfen von dem Stammhaus zur Verfügung gestellt wer­ den. Ersten Kalkulationen zufolge belief sich das Gesamtinvestitionsvolumen der Händler auf circa 85,0 Mio. DM, während die Zentrale vorerst lediglich einen Zuschuss von 5,3 Mio. DM zu leisten gedachte.551 De facto war also ein Großteil der finanziellen Aufwände doch von den Tochtergesellschaften, Händlerbetrieben und Importeuren selbst zu leisten. BMW richtete eine eigene Abteilung „Corporate Identity Programm“ (VM-33) ein, die der ­ Hauptabteilung Marketingkommunikation untergeordnet war und bereits seit 1976 bestand (vgl. Abbildung 38).552 Ihr Aufgabenspektrum wurde 1985 wie folgt von ihrem damaligen Leiter Christian Eich zusammengefasst: „Gegenüber der Marketingkoordination [VM-3, Anm. d. Verfasserin], die eine über­ wachende Funktion erfüllt, kann die Arbeit der Abteilung Corporate Identity als ak­ tiv bezeichnet werden. Sie sollte der Erwartungshaltung gerecht werden, die zwischen Produktanspruch und Kommunikation aufgebaut wurde und die eine Diskrepanz zwischen Produkt und Handelsplatz vorfand. Die Aufgabe war, die Kommunikation, die über die Marke stattfindet, zu verbessern, ihre Interpretation zentral zu steuern und durch gesamtheitliche Darstellung die Organisation in der Form des visuellen Auftritts von anderen Wettbewerbern abzugrenzen. CID [Corporate Information De­ sign, Anm. d. Verfasserin] besteht aus drei Segmenten, dem ‚Corporate Behaviour‘, der ‚Communication‘, und dem ‚Design‘.“553

Die Arbeit der CI-Abteilung legte ihren Fokus zwar zunächst auf die Aktivi­ täten des Binnenmarktes, weitete diesen allerdings rasch mit der Ausdehnung des neuen Programms auf die BMW-Partner weltweit aus. Auch hierbei wur­ den die BMW-Geschäftsleitung bzw. die zuständigen Marketing-Abteilun­ gen mit landesspezifischen Besonderheiten konfrontiert, die interkulturelles Feingefühl erforderten. In einigen lateinamerikanischen Ländern baten etwa die Händler bei der Umsetzung des neuen, exklusiveren Erscheinungsbildes um eine möglichst unauffällige Gestaltung. Laut Aussagen der dortigen 551 Vgl. Protokoll Nr. 19/78 der Vorstandssitzung vom 06. 06. 1978, in: BMW UA 1448/1. 552 Vgl. Organigramme der BMW-Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 1978– 1982, in: BMW UR 4843/1; Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 55. 553  Ebd., S. 57.

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Händler stieg für sie bei „[…] jeglicher optischen Aufwertung die Gefahr, entführt zu werden, oder anderen Aktionen der Guerilla zum Opfer zu fallen“.554 BMW musste hier den Mittelweg finden zwischen kultureller ­Sensitivität und unternehmenseigenen Interessen. Wo es möglich war, suchte der Vertrieb das CI-Programm im Rahmen der budgetären Möglichkeiten auch international lückenlos umzusetzen. So wurde beispielsweise 1979 in Hong Kong durch den dortigen BMW-Importeur bereits im Juni ein neues, sehr repräsentatives Ausstellungslokal mit rund 300 m2 eröffnet, in dem das neue Erscheinungs­ bild der Marke BMW nahezu vollumfänglich verwirklicht wurde und dessen Eröffnung ein Repräsentant des Marketings aus München beiwohnte. 1979 setzte BMW in Hong Kong 619 Automobile ab, gegenüber einem Absatz von Daimler-Benz in Höhe von 1 514 Einheiten. Bis 1981 konnten die BMWZulassungen jedoch auf 1 110 ausgeweitet werden, woran die Aufwertung des Händlers ebenfalls einen gewissen Einfluss hatte.555 Als Hilfsmittel waren bei der Gestaltung Bilder eines BMW-Händlers aus Kiel sowie Fotokopien aus der neuen Identity-Box zur Verfügung gestellt worden.556 Dies verdeut­ licht zugleich, dass die Umsetzung der Corporate Iden­tity über die Inlands­ grenzen hinweg stark von dem lokalen Engagement der Tochtergesellschaften, Importeure und Händler abhing. Um die Nähe zwischen den verantwortli­ chen Stellen in München und den Partnern im Ausland weiterhin aufrechtzu­ erhalten bzw. auszuweiten, wurden auch in den 1970er Jahren internationale Treffen wie die Importeurstagungen fortgesetzt. In dem folgenden Abschnitt soll nun der internationale BMW-Auftritt a­ nhand der Werbung vorgestellt und aufgezeigt werden, wie auch in diesem Bereich von der BMW-Zentrale auf einen einheitlichen Markenauftritt hin­gewirkt wurde. 4.6.2.  Internationale Werbung (Markt- und Produktkommunikation) Zu Beginn der dritten Phase der Internationalisierung ergriff die BMW AG unter der Ägide des Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim und des Ver­ triebsvorstands Lutz umfassende Maßnahmen zur Strukturierung und Ver­ einheitlichung der Vertriebsprozesse im In-, aber auch im Ausland. Dies wirkte sich, wie in den vorangegangen Abschnitten aufgezeigt wurde, deut­ lich in allen Bereichen der „4 Ps“ sowie auf die internationale Geschäftstätig­ keit im Allgemeinen aus und sorgte überdies für eine Vereinheitlichung des zuvor zu diffundieren drohenden Markenauftritts. Diese Bestrebungen zur Homogenisierung der Außendarstellung des Unternehmens und der Marke weltweit spiegelten sich ebenfalls in der Internationalisierung des 1965 ein­ 554  Reisebericht Guatemala, Besuch bei der Firma Bavaria Motors am 03. 03. 1983, in: BMW UA 1749/1. 555  Vgl. Entwurf der Exportabteilung Region Nah- und Fernost, Australien (VE-R-3) „Strategie für Südostasien Teil II: Anlagen“ vom 14. 11. 1984, in: BMW UA 1815/1. 556  Vgl. Besuchsbericht Hong Kong vom 4. 6.–7. 6. 1979, Schreiben an den Verteiler VE-30, in: BMW UA 1746/1.

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4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

geführten Firmenslogans „Aus Freude am Fahren“ wider (vgl. Kapitel 3.6), der 1972 auf „Freude am Fahren“ gekürzt wurde und noch heute für BMW steht. Während BMW im deutschsprachigen Raum seit der Etablierung des Slogans im Jahre 1965 mit einem ausgeprägt homogenen Markenbild auftrat, kam es im Ausland durch die verschiedenen Interessen der einzelnen Impor­ teure und ihrem vergleichsweise großen Handlungsspielraum zu unter­ schiedlichen Interpretationen des Claims. Die Divergenz war allerdings im Vergleich zu den 1950er Jahren wesentlich geringer, die Übersetzungen somit näher an dem deutschen Pendant. Die leicht abweichenden Translationen wider­sprachen jedoch der Idee der Vereinheitlichung des Markenauftritts, die zu Beginn der 1970er Jahre im Stammhaus formuliert worden war und so kam es 1974 zu einer einheitlichen Festlegung des Claims und all seiner Übersetzungen weltweit. Hieß es zuvor im englischsprachigen Raum „For sheer driving pleasure“557 wurde nun den kulturellen Unterschieden der ­einzelnen Märkte Rechnung getragen und in den USA der Slogan „The Ultimate Driving Machine“ eingeführt, der sich stärker an dem Rennsportenga­ gement bzw. dem sportlichen Image der Marke orientierte, was durch ent­ sprechende Rennsportmotive in der Werbung unterstrichen wurde.558 In den restlichen englischsprachigen Märkten kürzte man den Claim auf „Sheer Driving Pleasure“ und übernahm diesen für alle englischen Annoncierungen außerhalb der USA. In der französischen Kommunikation heißt es seither „Le plaisir de conduire“, in der spanischen „¿Te gusta conducir?“ usf.559 ­Darüber hinaus zeichnete sich die Bildsprache der Werbemotive, über Lan­ desgrenzen hinweg, durch einen einheitlichen Aufbau aus, was den Wieder­ erkennungswert von BMW-Anzeigen enorm steigerte. Während bis Ende der 1970er Jahre Insertionen dominierten, die zu zwei Drittel aus einem Bild und zu einem Drittel aus Text bestanden, der oftmals Wortspiele umfasste, verschob sich bei den von BMW beauftragten Kampagnen gegen Anfang der 1980er Jahre sowohl im In- als auch im Ausland die Gewichtung zusehends in Richtung Text. Der Fokus wurde vermehrt auf technische Facetten und vernunftbezogene Aspekte wie Sicherheit und Umwelteinflüsse gesetzt.560 557  Englischer Prospekt „BMW 1800/BMW 2000/BMW 2000 tii“, 05. 1971, in: BMW AK 934/20. 558  Vgl. Plakat „1975: How BMW Races in the USA“, 1975, in: BMW RF 10090/3; Plakat “Success story”, 1975, in: BMW RF 10091/3. 559 Vgl. Plakat „Car ils savent ce qu`ils font“, 1975, in: BMW RF 3737/4; Plakat „1975: BMW victorieux aux USA“, 1975, in: BMW RF 3735/1; Spanischer Prospekt „El progama BMW: Se siente la sutil diferencia.“, 02. 1979, in: BMW AK 1243/55. 560  Vgl. exemplarisch Werbemotiv „Wenn Sie Ihre Sicherheit steigern wollen, ­brauchen Sie bessere Technik zwischen sich und den anderen.“, 1982, in: BMW AF 14523/1; Wer­ bemotiv „Erste Klasse heißt heute in den meisten Bereichen der Technik moderne Elek­ tronik.“, 1983, in: BMW AF 14638/1; Werbemotiv „Die Ökonomie eines Diesel mußte man bisher mit zuwenig aktiver Sicherheit bezahlen.“, 1983, in: BMW AF 14950/1; Werbemotiv „Eine Ausnahme von der Regel, daß Sie die Umweltfreundlichkeit und Ökonomie des Diesels mit zu wenig aktiver Sicherheit und mangelnder Fahrkultur be­

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Fernerhin rückte in der deutschen Kommunikation auch vermehrt die weib­ liche Kundschaft in den Blick des Unternehmens, die als Kundinnen über spezielle Motive angesprochen werden sollten, was von Marktforschungs­ untersuchungen begleitet wurde.561 Entsprechende Motive, die eine ähnliche Entwicklung der ausländischen Werbekommunikation nachzeichneten, liegen nicht vor; es kann also angenommen werden, dass es sich hier um eine rein auf die deutschsprachigen Märkte begrenzte Adressierung der weiblichen Kundschaft handelte. Wie die Öffentlichkeitsarbeit im Allgemeinen fußte auch die Werbekon­ zeption von BMW bzw. der beauftragten Werbeagentur Spieß & Ermisch auf den umfangreichen Markt- und Imageanalysen, die in den vorherigen Kapi­ teln schon mehrfach Erwähnung fanden. Seit dem ersten Halbjahr 1974 zeichnete Spieß & Ermisch, die heutige SEA Group, bis in die frühen 1980er Jahre Verantwortung für die Werbung der BMW AG.562 Bei diesem Wechsel handelte es sich um keinen absoluten Neubeginn, da sich hierbei ehemalige Mitarbeiter der zuvor engagierten Agentur Gramm & Grey selbst­ ständig gemacht hatten und nun unter dem Dach der neu gegründeten Agen­ tur für den Münchner Hersteller tätig waren. Der BMW-Vorstand betonte, dass die Anzeigen zur institutionellen Firmenwerbung in ihren wesentlichen Aussagen, insbesondere im Hinblick auf ihren politischen, wirtschaftlichen und unternehmensspezifischen Inhalt, mit dem Ressort des Vorstandsvorsit­ zenden, hier vor allem mit AK als Verantwortlichen für die Kommunikations­ politik der BMW AG, abzustimmen waren.563 Werbung war somit keine ­reine Angelegenheit des Vertriebs, sondern wurde bei Aussagen, die über die Produktsubstanz hinausgingen, ressortübergreifend abgestimmt mit der ­Öffentlichkeitsarbeit.564 Dies war eine wesentliche Veränderung gegenüber den vorangegangen Jahrzehnten bzw. beiden Internationalisierungsphasen. Mit der steigenden Sättigung der Märkte in immer mehr Absatzregionen kam der Werbung sowie der Pressearbeit in der Automobilindustrie eine ­stetig zunehmende Bedeutung als differenzierendes Moment gegenüber den anderen Herstellern zu. In einer Sitzung stellte der BMW-Aufsichtsrat im Frühjahr 1971 fest, dass sich die „Verhärtung des Automobilmarktes“565 auch zahlen müssen: BMW 524td.“, 1984, in: BMW AF 14958/1; Werbemotiv „It’s the per­ fect illustration of how far BMW is ahead in quality.“, 1983, in: BMW AF 15612/1. 561  Vgl. Werbemotiv „Was eine Frau bewegt“, 1981, in: BMW AF 14487/1; Werbemo­ tiv „Technik darf nicht länger Männersache sein.“, 1984, in: BMW 15259/1; MaFoBericht „Frauen beurteilen BMW. Eine Erhebung bei BMW Kundinnen“, 1970, in: BMW UA 1478/1; „Motive und Einflüsse von Frauen auf die PKW-Kaufentscheidung – Untersuchungsvorschlag“, 1982, in: BMW UA 1932/1. 562  Vgl. Protokoll Nr. 33/1973 der Vorstandssitzung vom 11. 12. 1973, in: BMW UA 851/1. 563 Vgl. Anlage zum Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1. 564  Vgl. Protokoll Nr. 2/80 der Vorstandssitzung vom 15. 01. 1980, in: BMW UA 1460/1. 565  Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 09. 03. 1971, in: BMW UA 807/2.

560

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

auf die Automobilwerbung auswirkte und unter anderem durch den Einsatz fünf- bis achtseitiger Farbanzeigen in auflagestarken Illustrierten zum Aus­ druck kam, was zuvor in der Anzeigenkommunikation in dieser Form nicht praktiziert worden war. 1971 betrug das Werbebudget der BMW AG, trotz Marktverhärtung und höherer Umsatzziele, wie im Vorjahr lediglich 29,0 Mio. DM, wovon jedoch bereits in einer ersten Einsparungsrunde im März und somit außergewöhnlich früh 1,5 Mio. DM eingespart werden mussten. BMW hatte also aus finanzieller Sicht nicht die Möglichkeiten, Werbung in dem oben genannten Umfang zu betreiben und musste daher auf andere Maßnahmen ausweichen. Was die Werbeabteilung aufgrund eines begrenzten Budgets nicht erreichen konnte, sollte durch zusätzliche Bemühungen in der Pressearbeit kompensiert werden.566 Darüber hinaus sah BMW in dem Rennsportengage­ment einen wichtigen Beitrag zur Imagearbeit und bündelte 1972 mit der Gründung der BMW Motorsport GmbH sämtliche Rennsport­ aktivitäten in einer Tochter: „Eine erfolgreiche Beteiligung am Motorsport ist für die Zukunft von BMW nach wie vor von größter Wichtigkeit. Um auch künftig eine ‚Image-Prämie‘ verlangen zu kön­ nen, muss BMW wieder die technische Überlegenheit herausstellen. Dazu ist erfor­ derlich, dass ein gut organisiertes, langfristig ausgerichtetes Sportprogramm erarbeitet wird.“ 567

Entsprechende Werbemotive, die die Erfolge von BMW-Rennwagen abbilde­ ten, waren in den Folgejahren oftmals Sujet,568 gleichwohl das Rennsporten­ gagement im Laufe der 1970er Jahre – unter dem Eindruck der beiden Öl­ preiskrisen – auch BMW-intern vermehrt in die Kritik geriet.569 Neben der Sportlichkeit sollte jedoch ebenso weiterhin die technische Überlegenheit der BMW-Erzeugnisse thematisiert werden.570 Vor dem Hintergrund der ersten Ölpreiskrise mahnte der BMW-Aufsichtsrat zudem an, dass alle produktbe­ zogenen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit äußerst behutsam auf die sich ändernde Einstellung der Gesellschaft gegenüber Umweltaspekten abge­ stimmt werden mussten.571 Auf diese sich wandelnden Prioritäten ging BMW auch im Zuge der zweiten Ölpreiskrise ein, indem in den Anzeigen nun auch weitere Gesichtspunkte thematisiert wurden, etwa die Senkung des Kraft­ stoffverbrauchs und die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien 566 

Vgl. ebd. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15. 03. 1972, in: BMW UA 808/2. 568  Vgl. Werbemotiv „Bilanz 1973. Sieg eines Konzeptes“, 1973, in: BMW RF 4507/1; Werbemotiv „Success 1973 Triumph of a Concept“, 1973, in: BMW RF 4507/2; Plakat „Die BMW Landesmeister 1976“, 1976, in: BMW RF 3729/1. 569  Aus dieser Kritik und der sich hieraus ableitenden Diskussionen ging ein neues Motorsportkonzept sowie eine Reorganisation der Rennsportaktivitäten hervor, vgl. Protokoll Nr. 31/81 der Vorstandssitzung vom 06. 10. 1981, in: BMW UA 1444/1. 570  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 15. 03. 1972, in: BMW UA 808/2. 571 Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 07. 03. 1974, in: BMW UA 1271/2; Protokoll Nr. 12/80 der Vorstandssitzung vom 19. 03. 1980, in: BMW UA 1460/1. 567 

4.6. Kommunikationspolitik

561

wie des eta-Motors oder die Einführung des Katalysators.572 Da­rüber hinaus bemühte sich das Unternehmen ab 1974 um eine neue Sach­ lichkeit und ­Seriosität, womit eine leichte Korrektur gegenüber der bis dahin mitunter als „ruppig“ auslegbaren oder mit „Überheblichkeit assoziier­t[en]“573 Tonalität einherging. Neben der Produktfokussierung, die in den 1960er Jahren beson­ ders ausgeprägt war, kam in den 1970er Jahren eine neue Perspektive in der Werbeansprache zum Tragen, indem sich die Werbung vermehrt an der Sicht des Fahrers orientierte.574 Hierbei wurden oftmals die Fahrzeuge „zu einem Teil der Fahrerpersönlichkeit stilisiert, sodass BMW Fahren nun keine Frage des sozialen Prestiges mehr ist, sondern zu einer Frage des Charakters wird.“575 Demgemäß lautete die Überschrift einer Anzeige von 1973 auch „Identity Card“, in der es heißt: „Der BMW 2002 ist ein Automobil, das sich durch dieses eigenständige Konzept vom Durchschnitt abhebt. Und wahrscheinlich auch deshalb so erfolgreich ist, weil auf ­seine Fahrer das gleiche zutrifft.“576

Vor der umfassenden Reorganisation innerhalb des Vertriebsressorts, auf die in Abschnitt 4.5.1 eingegangen wurde, differenzierte man innerhalb des Ver­ triebsressort zwischen In- und Auslandsgeschäft zum einen und im letzteren fernerhin zwischen Exportwerbung (VEW) und Exportverkaufsförderung (VEF), die jeweils eine eigenständige Abteilung bildeten.577 Für die Übertra­ gung der in München aufgesetzten Werbekampagnen ins Ausland bedeutete dies Folgendes: „Exportwerbung übernimmt von der Inlandswerbung die dort hergestellten An­ zeigen, Unterlagen und Ideen. Sofern möglich, werden diese für die verschiedenen Auslandsmärkte übernommen, zuvor jedoch deren Eigenheiten angepasst. Zusätzlich erstellt die Exportwerbung eigene Unterlagen, entwickelt eigene Ideen, um das Aus­ landsgeschäft zu unterstützen. Die Exportwerbung verfügt über einen eigenen Etat. […] Wenn Unterlagen für das Ausland hergestellt werden müssen, wird die Export­ werbung die Inlandswerbung bitten, die Verhandlungen mit Druckereien zu führen und den Druck zu veranlassen. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Agenturen. Sinngemäß gelten die Ausführungen auch für die Verkaufsförderung.“578

Tonalität und Richtung der Auslandswerbung wurden also von den Ver­ kaufsabteilungen in München vorgegeben und hierbei den lokalen Partnern 572 Vgl.

exemplarisch Werbemotiv „Die Vorbild-Verbraucher.“, 1980, in: BMW AF 16363/1; Werbemotiv „BMW beendet den aktuellen Interessenkonflikt beim Auto­ mobilkauf.“, in: BMW AF 14957/1. 573  Protokoll Nr. 6/74 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1974, in: BMW UA 852/1. 574 Vgl. Protokoll Nr. 6/73 der Vorstandssitzung vom 21. 02. 1973, in: BMW UA 851/1. 575  Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 482. 576  Werbemotiv „Identity Card“, 1973, in: BMW AF 7780/1. 577  Vgl. Schreiben der BMW AG an ihre Importeure vom 08. 04. 1971, in: BMW UA 1615/1. 578  Aktennotiz „Abgrenzung der Tätigkeiten der Exportwerbung und Verkaufsförde­ rung“, vom 06. 08. 1971, in: BMW UA 1609/1.

562

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

eine Anpassung der Werbung an die nationalen Gegebenheiten überlassen, falls sich diese nicht unverändert übertragen ließ. Somit versuchte die Zentra­ le zwar mehr Einfluss auf die Werbekommunikation der Partner im Ausland zu erlangen, räumte jedoch zugleich nationalen Spezifika Raum ein. Mitunter wurde dieser allerdings von einigen Importeuren zu weit und nicht im Sinne der BMW-Geschäftsführung interpretiert. Dies war exemplarisch etwa der Fall bei HMC, dem BMW-Wagenimporteur in den USA, der eine besonders ausgeprägte Vormachtstellung gegenüber der BMW AG innehatte. Sein Ein­ fluss war keineswegs auf den Münchner Hersteller begrenzt, denn auch ­andere Firmen wie Daimler-Benz wurden von ihm betreut und waren mit denselben bzw. ganz ähnlichen Problemen konfrontiert.579 Im Hinblick auf die Werbekommunikation gestaltete Hoffman diese in den USA komplett ei­ genständig und stimmte sich hier in der Regel, zum Ärger der Zentrale, nicht mit München ab. Noch zu Beginn der 1970er Jahre enthielten die von HMC geschalteten Anzeigen nicht den konzernweiten BMW-Abbinder, der sich aus dem blau-weißen Firmenlogo und dem landestypisch übersetzen Pen­ dant des Slogans „Freude am Fahren“ zusammensetzte, sondern schlossen mit „BMW – Bavarian Motor Works“, das durch die Firmenangaben von HMC als „Sole US Importer“580 ergänzt wurde. Dies stellte einen Verstoß gegen die üblichen Vorgaben dar, denn BMW ließ seinen Firmennamen nicht übersetzen, sondern trat weltweit als Bayerische Motoren Werke bzw. BMW Motorrad auf.581 Des Weiteren arbeitete HMC auf Bundesebene in den USA mit einer eigenen Werbeagentur namens Rosenfeld, Sirowitz & Lawson zu­ sammen und weigerte sich aus diesem Grund, seinen von BMW geforderten Anteil an der BMW-Werbung zu zahlen. Dieser Standpunkt war wiederholt Anlass für Konfrontationen zwischen Hoffman und der BMW AG, die die Marktkommunikation zu vereinheitlichen suchte und daher dem erneuten Alleingang des US-Importeurs vehement entgegenzutreten suchte. Hoffman gestand zwar ein, dass es ungünstig sei, im gleichen Markt über zwei Agen­ turen an den Konsumenten heranzutreten, jedoch forderte er BMW auf, das Verhältnis zur Werbeagentur James Neal Harvey, Inc. aufzukündigen, die das Münchner Stammhaus zwischenzeitlich für die Ausarbeitung einer Wer­ bekommunikation auf dem US-Markt selbst beauftragt hatte.582 In diesem Kontext beschwerte sich Hoffman gegenüber der BMW-Geschäftsleitung, 579  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 228f. 580  Unterlagen zum Rechtsstreit mit Maxi Hoffman, 1968–1975, in: BMW UA 1376/1. 581  Interessanterweise interpretierten 1978 in einer von BMW durchgeführten Markt­

untersuchung noch 67 Prozent der Befragten das Akronym als „Bavarian Motor Works“. Während nur zwei Prozent der Name „Bayerische Motoren Werke“ bekannt war, schlüsselten noch immer 12 Prozent den Namen als „British Motor Works“ auf, vgl. MF-Bericht Nr. 27/79 „BMW-Käufer-, -potential- und Werbeanalyse USA 1978“, 1979, in: BMW UA 1869/1. 582 Vgl. Aktennotiz von Vertriebsvorstand Lutz an den Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 17. 08. 1973, in: BMW UA 1384/1; Presseecho USA, in: BMW UA 1573/2.

4.6. Kommunikationspolitik

563

dass die von BMW geschaltete Werbung seine Interessen als BMW-General­ importeur verletzten.583 1974/75 belastete ein Plagiatsvorwurf einer USAgentur gegenüber HMC, im Falle einer von ihm geschalteten BMW-Wer­ bung, weiterhin das Verhältnis zwischen Hoffman und München.584 Zum 14. März 1975 übernahm die BMW-Tochter in den USA den PKW-Vertrieb von HMC, wobei Hoffman eine hohe Abfindung erhielt und überdies, auf­ grund der vertraglich ungünstigen Ausgangssituation zulasten der BMW AG, in den ersten Jahren einen Platz als Mitglied im Management Board der BMW of North America LLC zugestanden erhielt.585 Der vorangegangene Konflikt um den US-Markt nahm allerdings eine Sonderstellung ein, da BMW die Übernahme des Geschäftes in den USA bereits seit den frühen 1970er Jahren plante und kein anderer Importeur eine solche Machtstellung gegenüber der BMW AG erlangte. Dabei bestand auf dem US-Werbemarkt großer Handlungsbedarf, da dort die Werbeausgaben von BMW 1972, im Vergleich zu anderen Automobilherstellern, noch eines der geringsten Bud­ gets umfasste, das deutlich von den japanischen Anbietern, aber auch von Daimler-Benz und Volkswagen überstiegen wurde.586 Kleinere Abwandlungen von der in München formulierten Werbestrategie wurden durchaus von der BMW-Zentrale akzeptiert, wie einige Beispiele von Abweichungen bei nationalen Marktkampagnen zeigten. Diese eigenständi­ gen Annoncierungen waren mitunter aus der Not heraus geboren, da die BMW-Zentrale Anfang der 1970er Jahre bei der der Belieferung der auslän­ dischen Partner mit den zentralen Werbe- und Kommunikationsmaterialien teilweise erheblich in Verzug geriet und die Importeure diese in einigen ­Fällen erst sechs Monate nach Produkteinführung erhielten, was einen laut Vertriebschef Lutz untragbarer Zustand war.587 Auch die Kundenansprache des Motorradimporteurs Butler & Smith, der noch bis Oktober 1980 das Vertriebsrecht für Motorräder der Marke BMW innehatte, wich noch 1976 von der in München formulierten Werbesprache inklusive der CI-Vorgaben ab, wie das Beispiel einer Insertion zeigt, das mit einem abfotografierten BMW-Logo und dem Statement „You own the road“ abschloss.588 Derlei Ab­weichungen, die sich in kleineren Maßstäben bewegten, wurden jedoch in

583  Vgl.

Schreiben „Ad in Wall Street Journal“ der BMW AG (AP-1) an den US-Im­ porteur für BMW-Automobile Hoffman, HMC, vom 11. 09. 1973, in: BMW UA 1384/1. 584  Vgl. Schreiben des Zentralmarketings (VM) der BMW AG an Hoffman Motors Corp. vom 17. 01. 1975, in: BMW UA 1372/1. 585 Vgl. Protokoll Nr. 4/75 der Vorstandssitzung vom 11. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1. 586  Vgl. Anlage “New Car Traceable Advertising Expenditures 1972”, 1974, in: BMW UA 1372/1. 587 Vgl. Besuchsbericht USA des Vertriebsvorstands Lutz, 23.–29. 06. 1973, vom 05. 07. 1973, in: BMW UA 1573/1. 588  Werbemotiv „You own the road“, 1976, in: BMW MF 7391/1.

564

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

der BMW-Zentrale nicht weiter problematisiert,589 gleichwohl langfristig eine möglichst große Homogenität im weltweiten Auftritt von BMW erzielt werden sollte. Dass also Importeure eigene Aufträge an nationale Werbeoder PR-Agenturen auf der Grundlage ihres eigenen Budgets verteilten, um die Werbemittel marktspezifisch zu gestalten, insofern das aus München be­ reitgestellte Material nicht ausreichend erschien, war keinesfalls ungewöhn­ lich, wie ein weiteres Beispiel des griechischen Partners zeigte. Im Gegensatz zu HMC stimmte dieser allerdings die Kampagnen im Oktober 1975 mit der BMW-Zentrale ab und informierte sie über alle weiteren Schritte.590 Auch in der Gestaltung der internationalen Werbeansprache bewegte sich BMW bei der Koordination der Partner bzw. Agenten, worunter sowohl Importeure als auch Tochtergesellschaften zu fassen waren, als Prinzipal zwischen Zent­ ralisierung und Dezentralisierung. Durch die Entsendung eigener BMWMitarbeiter in das Management der Vertriebstöchter im Ausland war es dort allerdings gegenüber der Abstimmung mit den Importeuren leichter, die Töchter auf BMW-Linie zu bringen bzw. zu halten. Ab Mitte der 1970er Jahre systematisierte BMW das Vorgehen bei der Schaltung von Werbekampagnen auf internationaler Ebene weiter. Auf der Grundlage des 1974 erstmals in acht europäischen Ländern durchgeführten Image Survey, der nachfolgend in einem fünfjährigen Zyklus durchgeführt und um weitere Märkte ergänzt wurde, ermittelte BMW die Marktspezifika in wichtigen Ländern. Basierend auf diesem Wissen, das um das kulturspezi­ fische Know-how der Tochtergesellschaften und Importeure ergänzt wurde, erstellte BMW Dachkampagnen, sogenannte „umbrella campaigns“,591 die den BMW-Partnern im Ausland als Grundlage der Bearbeitung ihrer Märkte dienten. Die Einführung solcher supranationalen Kampagnen wurde unter­ nehmensintern als wichtig erachtet, um der mehrfach geschilderten nationa­ len Eigenständigkeit der Töchter und Importeure entgegenzuwirken und ­einen einheitlichen Auftritt der Marke sowie des Unternehmens zu gewähr­ leisten: „Das Konzept[,] das ihnen [zugrunde lag, Anm. d. Verfasserin], sollte den gemeinsa­ men Markt in Europa mit einer speziell ausgerichteten, überregionalen Imagewerbung in multinationalen Medien überziehen. Die Beachtung der nationalen Autarkie der Tochtergesellschaften in der Werbung, die aufgrund der Markt- und Mentalitätskennt­ nisse erhalten bleiben sollten, wurde bei den ‚umbrella campaigns‘ als Grundsatz vorgegeben.“592

Nachdem sich der erste Erfolg abzeichnete und diese Strategie zu einer Homogeni­ sierung des BMW-Werbeauftritts führte, setze man die Dach­ kampagnen fort. Einzig der US-Tochter wurde aufgrund ihres divergenten 589 Zumindest lagen in dem analysierten Quellenbestand keine Unterlagen vor, die Rückschlüsse in diese Richtung zuließen. 590  Vgl. Besuchsbericht Griechenland, 07.–09. 10. 1975, in: BMW UA 1827/1. 591  Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 2, 54. 592  Ebd., S. 53f.

4.6. Kommunikationspolitik

565

Abbildung 45: Deutsches und englisches Werbemotiv einer internationalen BMWDachkampagne, 1976.593

Marktgeschehens und ihrer hohen Relevanz als Volumenmarkt ein erhöhter Spielraum eingeräumt. Nachdem die erste Dachkampagne auf Europa be­ grenzt war, wurde sie auf alle von BMW belieferten Regionen in der Welt ausgeweitet. Die Tochtergesellschaften und Importeure mussten die Wer­ bung, nach einer von der Hauptabteilung „Marketingkommunikation“ ver­ antworteten zentralen Vorlage, übernehmen. Das Layout wurde dabei von München geliefert, während die Texte angepasst wurden.594 Ein Beispiel für eine solche Vereinheitlichung der internationalen Werbung bei gleichzeitiger Berücksichtigung marktspezifischer Inhalte ist in Abbildung 45 dargestellt. Wie positiv sich die Homogenisierungsbemühungen in der Kommunika­ tionspolitik auswirkten, zeigte eine Analyse der Werbewirksamkeit in den USA, die seit Anfang 1976 regelmäßig durchgeführt wurde. Trotz des höhe­ ren Handlungsspielraums der US-Tochter zeigte sich 1978 in einer Untersu­ chung, dass der Bekanntheitsgrad der Marke BMW wesentlich seit der Über­ nahme des US-Vertriebs durch die BMW-Tochter gestiegen war und es auch gelang, die BMW-Werbebotschaften genauer zu platzieren, so dass diese den Probanden besser in Erinnerung blieben. Auch die Markenattraktivität war gestiegen und lag nun mit geringerem Abstand hinter der führenden Marke 593  Werbemotiv „Selbst-Darstellung.“, 1974–1976, in: BMW AF 14290/1; Werbemotiv „Settle for more“, 1974–1976, in: BMW AF 14304/1. 594  Vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 54.

566

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Daimler-Benz bzw. Mercedes sowie vor dem US-Fabrikat Cadillac.595 Diese Untersuchung zeigte, dass die gezielte Kommunikationsarbeit der BMW AG deutlich zur Steigerung der Bekanntheit sowie Begehrlichkeit der Marke BMW in den USA beigetragen hatte. Während ferner bis in die frühen 1970er Jahre noch die Produktwerbung dominiert hatte, nahm im weiteren Verlauf der Dekade die Bedeutung der Unternehmenskommunikation immer weiter zu, die auch als institutionelle Werbung bezeichnet wurde. Federführend tru­ gen hier die Öffentlichkeitsarbeit (AK) und das Zentralmarketing (VM) ge­ meinsam Verantwortung, doch auch der BMW-Vorstand ließ sich die geplan­ ten Kampagnen vorstellen und wirkte auf diese insofern ein, als dass er einige Motive auswählte und sogar die Reihenfolge ihrer Schaltung festlegte, wäh­ rend die Texte auf Bereichsebene abgestimmt wurden. Die Vorstandsmitglie­ der behielten sich jedoch vor, in diesem Punkt ebenfalls ihr Mitspracherecht auszuüben, von welchem sie oft Gebrauch machten.596 Der BMW-Vorstand nahm also während der dritten Phase der Internationalisierung maßgeblichen Einfluss auf die internationale Werbeausrichtung und Kommunikationspoli­ tik im Allgemeinen. Damit waren diese Bereiche zu einem unternehmenswei­ ten Aufgabengebiet geworden. Hier lag ein wesentlicher Unterschied zu den 1960er Jahren, in denen unter Vertriebschef Hahnemann diese Aufgaben vor­ nehmlich innerhalb des Vertriebsressort gelöst wurden, ohne sie mit anderen Stellen im Unternehmen abzustimmen. Auch in diesem Punkt hatte sich die BMW AG, unter einem starken Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim, zu einem Konzern mit entsprechenden Strukturen und institutionalisierten Pro­ zessen gewandelt.

4.7. Zwischenfazit In den 1970er Jahren durchlief die BMW AG den deutlichsten strukturellen Wandel seit der Nachkriegszeit. Die in der vorangegangenen Dekade einge­ leitete Internationalisierung des Unternehmens wurde fortgesetzt, nun je­ doch deutlich strukturierter und prozessorientierter vorangetrieben. Externe ­Faktoren, wie die Vorgaben innerhalb der EWG, wirkten gemeinsam mit be­ triebsinternen Aspekten, wie die personellen Veränderungen in der Geschäfts­ führung sowie die hiermit einhergehende Optimierung der Geschäftspro­ zesse, als Katalysatoren für die zunehmende Internationalisierung und ihre Institutionalisierung innerhalb der Unternehmensorganisation. Am deutlichs­ ten lässt sich dieser Wandel anhand des Vertriebsressorts aufzeigen, in wel­ 595 Vgl. MF-Bericht Nr. 27/79 „BMW-Käufer-, -potential- und Werbeanalyse USA 1978“, 1979, in: BMW UA 1869/1. 596 Vgl. Protokoll Nr. 21/73 der Vorstandssitzung vom 04. 09. 1973, in: BMW UA 851/1; Protokoll Nr. 33/73 der Vorstandssitzung vom 11. 12. 1973, in: ebd.; Protokoll Nr. 8/81 der Vorstandssitzung vom 19. 03. 1981, in: BMW UA 1435/1.

4.7. Zwischenfazit

567

chem die Exportorientierung zunahm und ab 1973 der Vertrieb von BMWErzeugnissen im Ausland zunehmend internalisiert wurde. Bis 1981, also ­binnen neun Jahren, gründete BMW elf ausländische Vertriebsgesellschaften, hierunter fungierte eine parallel als Produktionstochter, sowie zwei Holdingund eine Finanzierungsgesellschaft. Die Gründung eigener Vertriebstöchter konzentrierte sich hier zunächst auf Europa, blieb jedoch ­darauf nicht be­ grenzt, wie die Dependancen in Südafrika, den USA und in Japan zeigten. Im Inland wurden ebenfalls zahlreiche Töchter gegründet, die zur Diversifizie­ rung des Aufgabenspektrums vor allem im Dienstleistungsbereich dienten, wie etwa die Gründung der BMW Kredit GmbH im Jahre 1971.597 Da diese allerdings nicht im Fokus dieser Arbeit liegen, wurden sie in den vorangegan­ genen Abschnitten nicht näher berücksichtig. Die Inter­nationalisierung blieb jedoch nicht nur auf den Vertrieb begrenzt, wie die Explikationen über das Personalwesen, die Produktentwicklung und die Kommunikationspolitik un­ terstrichen haben. Bevor der Wandel des Unternehmens, hin zu einer welt­ weit agierenden Organisation mit entsprechender Konzernstruktur, zusam­ mengefasst wird, sollen einleitend die wichtigsten Kennzahlen der BMW AG für die dritte Phase der Internationalisierung in Tabelle 58 vorgestellt werden. Anhand dieser Zahlen lässt sich der Wandel zu einem Konzern quantifizie­ ren. In dieser Aufstellung werden unter BMW Konzern die Angaben der BMW AG einschließlich all ihrer in- und ausländischen Tochtergesellschaften gefasst. Dass sich das ehemals überschaubare Münchner Unternehmen Mitte der 1970er Jahre im Zuge der intensivierenden internationalen Ausrichtung in einem Veränderungsprozess befand, zeigt auch eine Betrachtung der Ge­ ­ schäftsberichte, in denen die Kommunikation in den Jahren zwischen 1975 und 1977 mit drei unterschiedlichen Begrifflichkeiten operierte, um die orga­ nisationalen Strukturen des sich zu einem Konzern wandelnden Unterneh­ mens abzubilden: BMW AG, BMW Gruppe und BMW Konzern. Mit diesen drei Kategorien stiftete die BMW-Kommunika­tion jedoch mehr Verwirrung denn Klarheit und vereinheitlichte bzw. reduzierte recht bald die Bezeichnun­ gen.598 In Tabelle 58 sind diese Begriffe bereits konsolidiert worden. 597 Vgl.

Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10. 598  Während die Angaben zu der BMW AG einzig das Inlandsgeschäft der Aktien­ gesellschaft exklusive ihrer inländischen Töchter enthielten, wurde mit dem Begriff „BMW Konzern“ das Inlandsgeschäft inklusive der inländischen Töchter abgebildet. Hingegen schloss der Begriff „BMW Gruppe“ bis einschließlich 1977 den gesamten Umfang der BMW AG mit all ihren in- und ausländischen Gesellschaften ein. Diese verwirrende dreigliedrige Kategorisierung hatte allerdings nur drei Jahre bestand, dann fasste die Kommunikation unter BMW Konzern all das zusammen, was man zuvor als BMW Gruppe definiert hatte, also die BMW AG inklusive all ihrer Beteiligungen im In- und Ausland, und ließ die Kategorie der BMW Gruppe fallen. Durch diese phasen­ weise inkonsistente Aufteilung der Umsatzangaben ist es allerdings möglich, für die entsprechenden Jahre den Umsatz zu ermitteln, der rein durch die ausländischen Töch­ ter erwirtschaftet wurde, vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1975–1978.

599 

267,2

198,8 32,2

k. A.

Cash-flow

Jahresüberschuss BMW AG

Jahresüberschuss BMW Konzern

Vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1971–1981. 24 750 k. A.

23 307

k. A.

k. A.

92,2

k. A.

27 737

k. A.

93,2

238,7

250,0

46,2

k. A.

2 608,0

1973

k. A.

25 805

k. A.

42,0

192,9

159,4

46,6

k. A.

2 492,3

1974

31 107

28 989

k. A.

74,0

235,7

167,3

40,7

3 580,8

3 254,5

1975

34 030

30 192

127,8

126,0

316,2

320,8

47,3

4 756,1

4 287,0

1976

37 581

33 989

127,7

125,3

410,2

335,1

47,0

5 530,5

4 993,0

1977

39 817

35 171

152,4

150,6

521,8

304,9

47,6

6 557,1

5 959,2

1978

41 926

36 777

177,1

175,0

546,5

472,8

48,0

7 407,4

6 560,3

1979

43 241

37 246

163,3

160,0

553,4

738,9

55,0

8 116,5

6 898,5

1980

44 648

39 777

144,4

145,0

672,5

815,6

55,7

9 545,0

7 822,1

1981

Tabelle 58: Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten (Angaben in Mio. DM), 1971–1981.599

Mitarbeiter BMW Konzern

Mitarbeiter BMW AG

250,3

153,6

Investitionen in Sach­ anlagen

42,9

40,8

k. A.

2 319,3

Exportanteil am Umsatz (in %)

1 907,1

1972

k. A.

  599 

Umsatz BMW Konzern

Umsatz BMW AG

1971

568 4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Die hier aufgeführten Zahlen verdeutlichen, wie stark sich BMW in den 1970er Jahren wandelte. Aus einem bis Mitte der 1960er Jahre finanzschwa­ chen Unternehmen wurde ein Konzern, der seinen Umsatz, auch durch die

4.7. Zwischenfazit

569

Optimierung der firmeneigenen Prozesse, deutlich verbessern konnte. Der Exportanteil am Umsatz stieg demgemäß mit der sukzessiven Internalisie­ rung des Vertriebs im Ausland von 40,8 Prozent (1971) auf 55,7 Prozent (1981). Während der Ausfuhranteil gemessen am Gesamtabsatz bereits 1973 den Inlandsabsatz überstieg, folgte der Umsatzanteil des Exports im Jahre 1980.600 De facto bedeutete dies, dass mit jedem im Ausland verkauften BMW-Produkt der Gewinn pro Einheit während der dritten Phase deutlich stieg. Dies war vor allem möglich durch die Verringerung der Transaktions­ kosten, die durch die Übernahme des Vertriebs in Eigenregie in mehreren Ländern sowie eine verbesserte Koordinierung der externen ausländischen Partner erzielt wurde. Ferner entfielen die hohen Margen der Importeure, die teilweise doppelt – als Importeur und Händler – in den Märkten abge­ rechnet hatten. Der Cashflow, der in den 1960er Jahren noch äußerst gering war, gestattete dem Münchner Unternehmen nun ein angenehmes finanziel­ les Polster, das es zur Finanzierung ihrer Diversifizierung und Auslandsak­ tivitäten nutzte. Auch der erwirtschaftete Gewinn wuchs zwischen 1971 und 1981 deutlich um 350 Prozent, obwohl ebenso ein großer Teil des Jahres­ überschusses in Sachanlagen reinvestiert wurde. Diese Investitionen waren allerdings notwendig, um zum einen die ausländischen Vertriebsstandorte mitsamt der verbundenen Logistik wie Ersatzteillager und Importeurszen­ tren aufzubauen, aber zum anderen auch die Produktionskapazitäten aus­ zubauen, die anhand von Werkserweiterungen, vor allem an den Standorten München, Dingolfing, Berlin und Rosslyn, umgesetzt wurden. Der Vorsit­ zende des Vorstands von Kuenheim resümierte anlässlich einer Ansprache vor leitenden japanischen Unternehmern in Tokyo über das Wachstum der BMW AG wie folgt: „BMW ist groß geworden, weil es auf die eigene Kraft vertraute, und es hat bislang alle zur jetzigen Größe führenden Investitionen auch aus eigener Kraft finanziert. Diese innere Stärke erlaubt eine konsequente Unternehmenspolitik, und auch darin mag eine Ursache unseres Erfolgs begründet sein.“601

Um das Wachstum zu finanzieren, nahm das Unternehmen also nicht in ers­ ter Linie neue Kredite auf, sondern versuchte, die Expansion über eigene Mittel zu gewährleisten. Dies war unter anderem durch den starken Rückhalt möglich, der durch den seit 1959 mit BMW verbundenen Großaktionär Her­ bert Quandt gegeben wurde, mit welchem von Kuenheim ein enges Vertrau­ ensverhältnis verband. Wie in Abschnitt 4.5.2.3 aufgezeigt wurde, gründete die BMW AG im Juni 1976 des Weiteren die erste Finanzierungsgesellschaft im Ausland, um sich Zugang zu den internationalen Finanzmärkten zu ver­ schaffen. Hierbei nahm BMW eine höhere Summe als Anleihe auf, die primär 600  Gemessen

an der Gesamtproduktion überstieg der Exportanteil erst 1974 den In­ landsabsatz, lag jedoch im Vorjahr bereits bei einer Exportquote von 49,8 Prozent und machte somit nahezu die Hälfte des Gesamtabsatzes aus. 601  Von Kuenheim zitiert nach Sawallisch, Erfolgsbeispiel BMW, S. 378.

570

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

für die weiteren Direktinvestitionen im Ausland diente. Um in den einzelnen Märkten nach der Inkorporierung der hundertprozentigen BMW-Vertriebs­ gesellschaften das Geschäft vor Ort weiter auszubauen und die lokale Händ­ lerorganisation zu stärken, gründete BMW in den 1970er und 1980er Jahren mehrere regional begrenzte Finanztöchter in Märkten wie beispielsweise Ita­ lien, Südafrika und Japan, die den Händlern günstige Kredite gewährten und dem Endkunden, anfangs vor allem aber im Geschäftsbereich, die Finanzie­ rung ihres Fahrzeugs über Leasingangebote ermöglichten. Diese finanzielle Förderung durch eigene Töchter, an denen zumeist nationale Banken min­ derheitlich beteiligt waren, BMW also nicht die gesamte Finanzleistung auf­ zubringen hatte, unterstützte den Absatz von BMW-Produkten enorm. In Japan vermochten die neu eingeführten Leasingprogramme in den späten 1980er Jahren den mit der Automobilindustrie assoziierten Finanzmarkt ­sogar zu revolutionieren, da sie die bisherigen Programme der dortigen Fahr­ zeuganbieter deutlich unterboten (vgl. Kapitel 4.5).602 Die BMW-Geschäftsführung reagierte auf die durch die zunehmende In­ ternationalisierung hervorgerufenen Veränderungen rasch mit organisatori­ schen Maßnahmen. Ab Mitte der 1970er Jahre begann sie, die Eigentümer­ strukturen und Finanzströme der BMW-Töchter mit der Gründung von Holdinggesellschaften, die ihren Sitz im Ausland hatten, zu optimieren, und somit in eine Konzernorganisation umzuwandeln. Ferner schaffte sie inner­ halb der bestehenden Unternehmensstruktur der BMW AG zentrale Stellen, die zur Koordination sowie als Anlaufstelle für die Töchter und auch Impor­ teure fungierten. Hiermit vollzog sich der Chandlersche Ansatz „structure follows strategy“ mit nur geringer zeitlicher Verzögerung. In diesem Punkt unterschied sich BMW von dem deutschen Hauptmitbewerber DaimlerBenz, der zwar wesentlich früher über höhere Direktinvestitionen im Aus­ land verfügte und ein größeres Absatzvolumen umsetzte, allerdings ver­ gleichsweise spät begann, die Konzernorganisation auf die sich ändernden Anforderungen umzustellen (vgl. Kapitel 4.5.2.3). Auch in den weiteren Res­ sorts spiegelte sich die Internationalisierung bei BMW rasch wider und wur­ de via Rahmenbestimmungen und Richtlinien, die die Abstimmung zwischen Stammhaus und Töchter strukturieren sollten, adressiert (vgl. Abschnitt 4.5.1). In diesem Kontext waren also Rückkopplungseffekte von den Toch­ tergesellschaften in die Zentrale zu beobachten, durch die der Konzern als Ganzes auf organisatorischer Ebene hinzulernte. Im organisationalen Ablauf versuchte die BMW AG anfangs, möglichst viele Prozesse zentral über München zu organisieren. Aufgrund des hohen Arbeitsaufwands wurde allerdings deutlich, dass eine zu zentrale Ausrich­ tung zum einen zu einer Überlastung des Stammhauses führte und zum an­ deren durch sie nationale Markteigenheiten nur unzulänglich von München 602  Vgl. Unterlagen zur Gründung der BMW Japan Financing Corp., 1989, in: BMW UA 1813/1.

4.7. Zwischenfazit

571

aus angesprochen werden konnten. 1978 erfolgte die Einführung einer neuen EDV durch das sogenannte Informationssystem „Mark III Service“ von Ge­ neral Electric, das für eine erhöhte Transparenz, auch bei den Aktivitäten der Tochtergesellschaften, führte und die Datenverarbeitung erheblich effizienter gestaltete, indem die manuelle Datenübermittlung über Briefe, Telex, Telefon und ihre manuelle Verarbeitung in der Zentrale abgelöst wurden.603 Trotz dieser Entlastung durch neue Technologien war deutlich geworden, dass eine zu starke Zentralisierung die Ressorts und Fachstellen in München mittel­ fristig überlasten würden. In allen Unternehmensbereichen war BMW also bemüht, lokalen Länderspezifika Rechnung zu tragen und bewegte sich hier­ bei organisatorisch zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung. Die zu­ ständigen Abteilungen gaben von München aus die strategische Linie vor, der die Töchter und Importeure im Ausland folgen sollten. Sie ließen den ausländischen Partnern jedoch überall dort Raum zur eigenen Handhabe, wo die Verkaufsförderung und Kommunikation an die markttypischen Gege­ benheiten angepasst werden mussten. So wurde die Pressearbeit ab Mitte der 1970er Jahre von den Außenstellen zunehmend eigenständiger gestaltet, auch die Händlerorganisation wurde möglichst von einheimischen Mitarbeitern betreut. BMW setzte den Rahmen, der auch visuell gesteckt wurde, durch die Etablierung eines professionell erarbeiteten einheitlichen Erscheinungsbildes anhand des umfassenden CI-Programmes, in welchem sich die Partner mit ihren lokalen Adaptionen positionieren konnten. Die Einführung der soge­ nannten Dachkampagnen in der Werbekommunikation stellte hier ein weite­ res anschauliches Beispiel dar. Das strategische Vorgehen wurde also von München in die Auslandsorga­ nisation getragen und durch regelmäßige Berichterstattungen sichergestellt, dass die Vorgaben der Zentrale eingehalten wurden. Neben regelmäßigen Besuchen von leitenden BMW-Mitarbeitern war allerdings vor allem die Entsendung von Managern aus dem Stammhaus in die Tochtergesellschaften ein wichtiger Mechanismus, um eine gewissen Kontrolle auszuüben und die Gesellschaften näher an München anzubinden. Noch wichtiger war aller­ dings hierbei der Faktor der Sozialisation, die laut Bartlett/Ghoshal in der Historie ein traditionelles Mittel der Koordination ausländischer Depen­ dancen von europäischen Firmen darstellte: Die Leitung der Tochtergesell­ schaft wurde an loyale leitende Manager aus der Zentrale übergeben, wobei auf ihr Verständnis des Unternehmens und der gesamtunternehmerischen Ziele des Konzerns vertraut wurde, so dass sie diese Unternehmenskultur in die Tochterorganisation trugen. Dort fand dann mit dem Wirken des ent­ sandten ­Managements eine Sozialisation der Tochter statt, zugleich wurde ein Wissenstransfer ermöglicht, der in beide Richtungen wirkte. Die sorgfäl­ tige Auswahl, Ausbildung und Integration dieser Entscheidungsträger war also maßgeblich für den Erfolg oder Misserfolg dieses Koordinationsmo­ 603 

Vgl. Bischoff, Internationalisierung BMW AG, S. 61f.

572

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

dells.604 Mattelart weist zurecht darauf hin, dass es sich hierbei um einen Prozess der Dekontextualisierung und Rekontextualisierung handelt, die Unternehmenskultur also nicht eins zu eins auf unterschiedliche Länder übertragen werden kann, da es bei dem Transfer durchaus zu einer Hybri­ disierung kommen kann, auf die eingangs in Kapitel 1.2.1 verwiesen wurde. Mattelart hält richtigerweise fest, dass ein und dieselbe Managementpraxis in unterschiedlichen Kulturkreisen Unterschiedliches bedeuten kann.605 Die­ sem Umstand räumte der BMW-Vorstand bei der internationalen Ausrich­ tung des Konzerns Raum ein und schaffte ein organisatorisches Koordina­ tionsmodell, das einerseits ein Maximum an Kontrolle erlaubte, andererseits jedoch genügend Handlungsspielraum für kulturelle Adaptionen zuließ. Ins­ besondere die Gründung der Vertriebsgesellschaft in Japan im Jahre 1981, der ersten japanischen Tochter eines westlichen Automobilherstellers, zeigte auf, wie dieser Mittelweg zwischen Dezentralisierung und Zentralisierung gelingen und der Wissenstransfer im Sinne des organisationalen Lernens durch die Hilfe von Sozialisation gewährleistet werden konnte.606 Unter den Agenten, also zwischen den BMW-Töchtern und den Importeuren, fand hin­ gegen kein Austausch statt. Sämtliche Prozesse wurden zentral über das Münchner Stammhaus ­ geregelt, eine Vernetzung unter den ausländischen Partnern fand nicht statt. Hier kann von einer hohen Zentralisierung der Or­ ganisation mit einem geringen Vernetzungsgrad der Agenten gesprochen werden (vgl. Kapitel 1.2).607 Die Internationalisierung der BMW AG wurde somit wesentlich auch von ihrem Personal getragen, das während der dritten Internationalisierungsphase um rund 71 Prozent auf 39 777 Mitarbeiter anstieg.608 Legt man die Konzern­ zahlen zugrunde, die sämtliche Töchter im In- und Ausland umfassten, wuchs die Belegschaft sogar um rund 92 Prozent auf 44 648 Mitarbeiter und verdop­ pelte sich damit nahezu. Die BMW-Geschäftsleitung erkannte die Schlüssel­ rolle des Personals und begann Anfang der 1970er Jahre, die innerbetriebli­ 604 

Vgl. Bartlett/Ghoshal, Internationale Unternehmensführung, S. 208f. Vgl. Mattelart, Kultur und Globalisierung, S. 89. 606  Die Geschäftspraxis der BMW Japan Corp. liegt wegen ihrer Gründung und der Übernahme des Vertriebs zum Oktober 1981 leider vornehmlich außerhalb des Be­ trachtungszeitraums. Für künftige Studien bietet dieses Thema jedoch eine fruchtbare Auseinandersetzung. 607  Vgl. Bartlett/Ghoshal, The Multinational Corporation, S. 613f. 608 Die Zunahme der Mitarbeiterzahlen im Jahre 1981 ist unter anderem auf die ­Wiedereingliederung des Motorradwerks in Berlin-Spandau in den Werksverbund der BMW AG sowie einiger weiterer Abteilungen des Motorradgeschäftsfeldes zurück­ zuführen: Anfang des Jahres 1981 wurde die bisherige BMW Motorrad GmbH in die BMW AG zurückgegliedert, während gleichzeitig sämtliche das Zweiradgeschäft betref­ fenden Vertriebsaktivitäten in die BMW Motorrad GmbH + Co. ausgegliedert wurden. Die darüber hinaus gehenden Aktivitäten der bisherigen BMW Motorrad GmbH wur­ den als eigenständige Sparte innerhalb der BMW AG fortgeführt, vgl. Bericht der Baye­ rischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 605 

573

4.7. Zwischenfazit

chen Bildungsmaßnahmen und -angebote entschieden auszubauen, nicht nur im Inland mit der BMW-eigenen Bildungsakademie und der so­ genannten BMW Lernstatt, sondern auch im Ausland, wo insbesondere die Bemühun­ gen in Südafrika hervorzuheben sind, die in Kapitel 5 thematisiert werden. Des Weiteren legte man für den oben erwähnten Wissenstransfer zwischen der Zentrale und den Töchtern gesteigerten Wert auf den kontinuierlichen Austausch mit der Zentrale, der sich auch in der Entsendung von Mitarbei­ tern aus und nach München widerspiegelte. Nicht zuletzt ermöglichte ebenso die hohe Konstanz in der BMW-Geschäftsleitung während der 1970er und frühen 1980er Jahre, die in Abbildung 34 (vgl. Kapitel 4.2.1) dargestellt ist, die effiziente Gestaltung der Internationalisierung, die Optimierung sowie Struk­ turierung der Geschäftsprozesse nach langfristigen, gesamtunternehmerischen Gesichtspunkten und Zielsetzungen sowie den hiermit einhergehenden Wan­ del der BMW AG hin zu einem weltweit agierenden Konzern. Nachdem in Tabelle 58 in diesem Abschnitt alle wesentlichen Finanzdaten aufgeführt wurden, sind abschließend in der untenstehenden Tabelle 59 die Exportzahlen von Automobilen und Motorrädern der Marke BMW zusam­ mengefasst dargestellt. Auf den gestiegenen Exportanteil am Umsatz sowie an der PKW-Gesamtproduktion ist bereits eingegangen worden, auch die Motorradkennzahlen sind im Rahmen eines Exkurses in Kapitel 4.3 bespro­ chen worden. Diese Zusammenstellung der Zahlen führt allerdings abschlie­ ßend deutlich vor Augen, wie stark BMW das Exportgeschäft während der dritten Phase der Internationalisierung ausbaute. 1971

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78 350 89 406 98 423 98 689 106 135 139 602 144 486 164 131 172 861 198 460 210 547 Export PKW (Stückzahl) Export 9 422 14 174 15 573 13 550 20 618 20 196 20 131 24 563 18 263 18 581 k. A. ­Motorräder (Stückzahl) Exportanteil 40,8 42,9 46,2 46,6 40,7 47,3 47,0 47,6 48,0 55,0 55,7 in % (Umsatz) Exportanteil 47,6 48,9 49,8 52,2 48,0 50,8 49,8 51,2 51,3 58,2 59,9 in % (PKWProduktion) Exportanteil 76,3 75,0 74,0 68,0 81,9 79,0 71,5 78,6 68,7 68,0 k. A. in % (MotorradProduktion)

Tabelle 59: Exportanteil an der Produktion und dem Gesamtumsatz der BMW AG, 1971–1981.609 609 Eigene Berechnungen, vgl. Geschäftsberichte der BMW AG, 1971–1981; MF-­ Bericht Nr. 59/80 „Statistische Motorrad-Analyse Inland“, 1970–1980, in: BMW UA 1951/1.

574

4.  Phase III: Die Institutionalisierung der internationalen Ausrichtung

Die Ausfuhr von PKW stieg um 169 Prozent und somit nahezu um das Dreifache auf 210 547 Einheiten. Zwischen 1971 und 1980 nahm der Motor­ radexport um 97 Prozent zu, verdoppelte sich also, was besonders beachtlich ist, da der Absatz von BMW-Zweirädern im Ausland zu Beginn der 1970er Jahre schon einen hohen Wert erreicht hatte, denn BMW war führender Ex­ porteur der bereits im Zuge der 1950er Jahren kollabierten deutschen Motor­ radindustrie. In den 1970er Jahren konnte der Münchner Hersteller, der die Zweiradproduktion 1969 nach Berlin verlagerte, um in München mehr ­Kapazitäten für die Fertigung von Automobilen zu schaffen, also weitere Absatzpotentiale in bereits absatzstarken Märkten erschließen sowie die sich eröffnenden Chancen in neuen Märkten nutzen. Während der dritten Phase der Internationalisierung hatte sich das Exportgeschäft also nicht nur zu ­einem zweiten Standbein des BMW-Konzerns entwickelt, sondern es hatte sogar den Inlandsabsatz überholt und machte deutlich, dass ein Unterneh­ men der Automobilindustrie nicht mehr überlebensfähig war ohne die Er­ schließung neuer sowie den Ausbau des Verkaufs in bestehenden Märkten; eine Entwicklung, die im Motorradsektor bereits in den späten 1950er Jahren eingesetzt hatte.

5.  BMW in Südafrika: Vom Markteinstieg zur Etablierung der eigenen Tochtergesellschaft BMW (South Africa) (Pty) Ltd. 5.1. Einleitung Das Engagement der BMW AG in Südafrika ist als wichtige Zäsur ihrer Unter­ nehmenshistorie anzusehen, da es sich um die erste weitergehende Direkt­investition im Sinne eines Produktionsstandortes nicht nur außerhalb Deutschlands, sondern außerhalb Europas handelte. Der Eintritt in diesen Markt forderte nicht nur die Überwindung geographisch beachtlicher Distanzen, sondern aufgrund des gesellschaftspolitischen Systems zugleich eine hohe interkulturelle Sensibilität. Südafrika besaß bereits seit den 1920er Jahren für die internationale Automobilindustrie einen besonderen Stellenwert.1 Seither hatte sich im Laufe der Jahrzehnte ein äußerst wirtschaftskräftiger und durch eine starke Konkurrenz geprägter Markt ausgebildet, in dem BMW in den späten 1960er Jahren als vergleichsweise kleiner Hersteller das reine Importgeschäft mit Kompletteinheiten zu einer CKD-Fertigung vor Ort ausbaute. Dieser Entschluss war vor allem durch ein neues, im Jahre 1964 von der südafrikanischen Regierung eingeführtes Local-Content-Programm begünstigt worden, das einen bestimmten Anteil lokal gefertigter Komponenten für jedes in Südafrika verkaufte Fahrzeug vorschrieb.2 BMW stand also Mitte der 1960er Jahre vor der Entscheidung, sich entweder aus Südafrika zurückzuziehen, da ein rein auf Komplettfahrzeugen beschränkter Handel nicht profitabel war,3 oder aber den Absatz fortzuführen, was jedoch den Ausbau des eigenen Engagements in Form von Direktinvestitionen vor1  Schon in den 1920er Jahren begann die südafrikanische Regierung, im Automobilsegment tarifäre sowie nicht-tarifäre Einfuhrbeschränkungen gegenüber Kompletteinheiten von Fahrzeugen, sogenannten CBU-Einheiten, zu etablieren und somit CKDImporte zu begünstigen. Auf diese Praxis reagierte Ford 1924 und errichtete über ­seine kanadische Tochtergesellschaft ein Montagewerk in Port Elizabeth. Zwei Jahre später folgte General Motors diesem Beispiel. In den folgenden Jahrzehnten baute die südafrikanische Regierung die Importregulierungen weiter aus und ergänzte sie durch ein Programm der lokalen Fertigungstiefe. Ausländische Automobilhersteller mussten diesen regulatorischen Bestimmungen nachkommen und ihre Modelle demgemäß lokal fertigen bzw. fertigen lassen, wenn sie ihre Produkte in Südafrika in entsprechenden Stückzahlen absetzen wollten. Im Jahre 1973 existierten bereits zwölf derartige Montagebetriebe mit rund 34 800 Beschäftigten, vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 53–56. 2  Vgl. ebd., S. 55. 3  Die behördlichen Einfuhrbewilligungen für CBU-Fahrzeuge waren nur in äußerst geringem Umfang erhältlich, vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1.

DOI 10.1515/9783110501292-005

576

5.  BMW in Südafrika

aussetzte. Um die Geschehnisse, die letztlich in diesem Entschluss mündeten, besser nachvollziehen zu können, wird an dieser Stelle zunächst ein kurzer Abriss des BMW-Handels in Südafrika gegeben. Ferner soll eingangs darauf hingewiesen werden, dass die Benennung der einzelnen südafrikanischen Bevölkerungsgruppen in dieser Arbeit vollkommen neutral und wertfrei erfolgt, wie dies bereits andere Autoren passend zusammengefasst haben: „Wer über Südafrikas Bevölkerungsgruppen schreibt, betritt ein vermintes Feld, da durch die rassistischen Konnotationen viele Benennungen historisch belastet sind. Die hier benutzen Begriffe sind ausdrücklich in einem neutralen Sinn und im Hinblick auf Verständlichkeit und gute Lesbarkeit des Textes benutzt worden; Bewertungen sind damit nicht impliziert.“4

Die Anfänge der Verbindung zwischen BMW und Südafrika sind, wenn auch zu Beginn noch in einem bescheidenen Umfang, in den 1930er Jahren zu finden und waren zunächst auf das Motorradgeschäft beschränkt. Ein 1929 immigrierter Dresdner namens Günther Ludwig, der auf der Reise sein Motorrad der Marke BMW mit sich führte – eine Zweizylindermaschine mit 500 ccm Hubraum –, gründete kurze Zeit später die Firma Club Motors (Pty) Ltd.5 (Club Motors) mit Sitz in der Provinz Transvaal,6 die ab 1932 als BMW-Alleinvertretung Zweiräder nach Südafrika einführte. Durch den Zweiten Weltkrieg kam der Import allerdings für einige Jahre vollständig zum Erliegen. Erst später, im Jahre 1951, konnte die Einfuhr wieder aufgenommen werden. Während Club Motors weiterhin ausschließlich BMWMotorräder importierte, versuchte ab 1955 eine andere Firma, H. Polliack & Co (Pty) Ltd. mit Sitz in Johannesburg, Automobile des Münchner Unternehmens in Südafrika zu etablieren. Hierbei beschränkte sie sich auf den Import des Kabinenrollers BMW Isetta, musste jedoch bereits drei Jahre später die Aktivitäten aufgrund mangelnden Erfolgs wieder einstellen. Diese Gelegenheit nutzte Club Motors, das eigene Geschäftsfeld um das Automobil­ segment zu erweitern und nahm die Einfuhr und den Vertrieb von Auto­ mobilen aus München ab 1958 auf. Im Mittelpunkt standen hierbei zunächst die Kleinst- und Kleinwagenmodelle BMW Isetta, der BMW 600 sowie BMW 700.7 Die großen Modelle des Münchner Automobilbauers, wie der BMW 501, BMW 502 und BMW 503, wurden hingegen kaum in die Repu­ blik am Kap eingeführt. Grund hierfür waren die nur geringen Stückzahlen dieser Fahrzeuge im Werk München,8 die Fokussierung des Unternehmens 4  Marx, Südafrika, S. 9. 5  In den Anfangsjahren

war diese Firma auch unter dem Namen „Club Garage“ bekannt. 6  Seit 1994 bildet der Teil um Johannesburg und Pretoria die Provinz Gauteng, die aus dem ehemaligen Transvaal herausgelöst wurde. 7  Vgl. Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1; MF-Bericht Nr. 33/6/60, 2. Standarderhebung „Der Weltexport deutscher Personenkraftwagen aller Hubraumklassen 1958/59“, 1960, in: BMW UA 2039/1. 8  Der BMW 501 wurde im Münchner Stammwerk im Zeitraum von 1952 bis 1958 in einer Stückzahl von 8 941 gefertigt, der BMW 502 von 1954 bis 1963 mit 12 851 Stück

5.1. Einleitung

577

insbesondere auf den Binnenmarkt sowie auf einzelne europäische Länder (vgl. Kapitel 2.5) und nicht zuletzt die seit den 1940er Jahren verstärkten Einfuhrbeschränkungen seitens der südafrikanischen Regierung, die speziell den Import von Komplettfahrzeugen betrafen. Diese Importkontrollen wurden zwar für einen kurzen Zeitraum, zwischen 1957 und 1964, von der Regierung selbst gelockert,9 zu ­diesem Zeitpunkt verfügte BMW allerdings für den südafrikanischen Markt über kein adäquates Produkt im PKW-Segment, das diese flüchtige Episode der Deregulierungspolitik für sich hätte nutzen können. Unberührt von diesen Entwicklungen blieb indessen das Motorradgeschäft, da die südafrikanische Regierung keine Montage oder Eigenfertigung von Motorrädern im Lande anstrebte. Zwar war auch die Zweiradeinfuhr an Einfuhrbewilligungen gebunden, jedoch waren diese wesentlich leichter zu erhalten.10 Im Motorradgeschäft arbeiteten BMW und Club Motors in Süd­afrika erfolgreich zusammen: Insbesondere der Wholesale-Bereich spiegelte den Erfolg dieser Zusammenarbeit wider, so dass im Jahre 1964 knapp 80 Prozent des behördlichen Fuhrparks aus BMW-Motorrädern bestand.11 Das familienbetriebene Importunternehmen Club Motors wirtschaftete vielversprechend und konnte allein im Zeitraum zwischen 1960 und 1965 seinen Umsatz in Höhe von umgerechnet 770 000 DM auf über eine Million DM steigern.12 Aus Angst, ausländische Direktinvestitionen und vor allem Devisen zu verlieren, strebte die südafrikanische Regierung nach der kurzfristigen regulativen Lockerung der Einfuhrkontrollen bereits ab 1960, begleitet durch ­diverse politische Diskussionen, die Schaffung einer lokalen Komponentenund Zulieferindustrie an.13 Diese Pläne erfuhren Realisierung, indem im ­Jahre 1964 ein Local-Content-Programm auf den Weg gebracht wurde, das ausländische Hersteller dazu zwang, einen bestimmten prozentualen Anteil, der am Fahrzeuggewicht bemessen wurde, lokal in Südafrika zu fertigen oder fertigen zu lassen. Diese angestrebte Erhöhung der Autarkie der südafrikaniund der BMW 503 zwischen 1956 und 1960 mit 412 Stück, vgl. BMW AG, Alle Automobile, S. 109. 9  Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 55. 10  Vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 11  Vgl. Standortdokumentation “BMW in South Africa”, 1982, in: BMW UA 1998/1; Pressenachricht “A brief history of BMW in South Africa” vom 09. 11. 1983, in: BMW UA 2001/1. 12  Vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 13  Laut Heidel hing das Local-Content-Programm von Anbeginn an mit dem weiteren Ausbau des seitens des Staates angestrebten Apartheidsystems zusammen. Da jedoch auch andere Länder über die verschiedenen Kontinente verteilt derartige Programme aufsetzten, ist in der Apartheid sicher nicht der einzige Grund zu suchen, sie sollte jedoch berücksichtigt werden, vgl. Heidel, Geschäfte von Daimler-Benz, hier S. 708f., Fußnote 5.

578

5.  BMW in Südafrika

schen Automobilindustrie gegenüber dem Ausland ist auch im Kontext der im Jahre 1961 ausgerufenen Unabhängigkeit der Republik Südafrika und ­somit ihrem Austritt aus dem British Commonwealth of Nations zu sehen. Vorangegangen war 1960 die als Massaker von Sharpeville eingegangene ­Tragödie, in der 69 Schwarzafrikaner, die gegen die diskriminierenden Passgesetzte demonstrierten, durch die Polizei erschossen wurden. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Akt der Gewalt und erließen 1963 ein Waffenembargo, dem – je nach Land allerdings mehr oder weniger bindend – wirtschaftliche und kulturelle Sanktionen folgen sollten.14 Auch vor diesem ­Hintergrund suchte die südafrikanische Regierung den einheimischen Fer­ tigungsgrad zu erhöhen. Der Anteil der lokalen Fertigungstiefe wurde stufenweise über einen zuvor benannten Zeitraum in Jahresintervallen erhöht. Die Hersteller mussten hierbei allerdings stets eine potentielle Abweichung von dem angekündigten Kurs der Regierung antizipieren, da es keine Garantie gab, dass die einzelnen Phasen des Local-Content-Programmes in der jeweiligen Form lange bestehen blieben.15 Die Regierung setzte bis zum Jahre 1971 den lokal zu fertigenden Anteil auf 55 Prozent hoch, 1977 waren es bereits 66 Prozent.16 Ausländische Hersteller wurden seit den 1920er und insbesondere ab den 1960er Jahren durch diese handelspolitischen Bestimmungen implizit vor die Wahl gestellt, sich entweder auf die Einfuhr komplett montierter Fahrzeuge zu beschränken und sich somit de facto auf lange Sicht aus dem Markt zurückzuziehen oder a) einen lokalen Partnerbetrieb mit der Montage zu beauftragen bzw. b) eine eigene Montage oder Produktion vor Ort aufzubauen. Demgemäß fiel 1968, nach Bekanntgabe des neuen LocalContent-Programmes, die Bewertung der in Frage kommenden Optionen für BMW in München wie folgt aus: „Wir haben eine einmalige Gelegenheit, hier unsere Fahrzeuge erfolgreich einzuführen und können es uns nicht erlauben, diesen Markt zu vernachlässigen. Denn sollten wir keinen Erfolg in Süd-Afrika haben[,] würde dies gleichbedeutend sein, dass wir für immer von diesem Markt verdrängt sind.“17

Diese Lehre hatte das Unternehmen aus dem verpassten Einstieg der 1950er Jahre in die lokale Montage in Lateinamerika gezogen. Hierdurch hatte die BMW AG wertvolle Marktanteile an die Konkurrenz verloren, die sie auch in den folgenden Dekaden nicht mehr aufzuholen vermochte (vgl. Kapitel 2.5.3). Dieser Fehler sollte sich am Kap nicht wiederholen. Tabelle 60 gibt die jährlichen Gesamtabsatzzahlen aller Hersteller auf dem südafrikanischen PKW-Markt wider und verdeutlicht das hohe Potential, das dieser Markt in sich barg. Der Fahrzeugverkauf stieg dort zwischen 1962 und 1970 um knapp 14  Vgl. Kreutzfeld: Investitionsschutz, S. 13–15. Für die Folgen, die sich aus dem Massaker von Sharpeville ableiteten, vgl, Dubow, Apartheid, S. 74–98. 15  Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 75. 16  Vgl. ebd., S. 55f. 17  Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1.

579

5.1. Einleitung

150 Prozent trotz einer zwischenzeitlich erschwerten wirtschaftlichen Lage, die in den Jahren 1965 bis 1967 zu einer abgeschwächten Kaufkraft führte.18 Die Gesamtbeschäftigung stieg jedoch im Zeitraum von 1961 bis 1975 jährlich um etwas über 29 Prozent an, woran die Metallindustrie einen hohen Anteil hatte.19 Diese gesamthaft positive Entwicklung, die ebenso von den durchgeführten Analysen bestätigt wurde, veranlasste BMW dazu, Südafrika als einen vielversprechenden Automobilmarkt einzustufen. 1962 PKW

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1969

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81 174 110 468 143 313 127 898 139 076 139 202 151 546 177 945 201 854

Tabelle 60: Entwicklung des PKW-Gesamtabsatzes aller Hersteller in Südafrika, 1962– 1970.20

Bis dato hatte der Münchner Hersteller in Südafrika aufgrund der Importregulierungen nur geringe Stückzahlen abgesetzt, da ohne eine lokale Fertigung ausschließlich CBU-Einheiten eingeführt werden konnten. In diesem Sinne hatte der südafrikanische BMW-Importeur Club Motors Anfang der 1960er Jahre für die Neue Klasse nur circa 30 bis 40 Einfuhrgenehmigungen pro Jahr erhalten.21 Die Permits wurden im Laufe der Jahre zwar hochgesetzt, für 1967 und 1968 rechnete man dennoch aufgrund der erwähnten Beschränkung der Einfuhrlizenzen lediglich mit einem Absatz von 100 BMWFahrzeugen pro Jahr. Die Kalkulation für das Folgejahr fiel noch pessimistischer aus, da man ab Mitte 1969 mit einer signifikanten Erschwerung der Einfuhr von Komplettfahrzeugen seitens der Regierung zum Schutz der sich nun bereits herausgebildeten südafrikanischen Montageindustrie rechnete.22 Parallel diskutierte die Münchner Geschäftsführung seit Ende der 1950er Jahre Möglichkeiten zur weltweiten Absatzförderung und nahm die Etablierung eines „echten Rechtslenkerprogrammes“23 in den Fokus. In diesem Zusammenhang wurden auch die Gespräche mit den Importeuren der in Frage kommenden Märkte in Australien, Malaysia sowie Südafrika intensiviert.24 Das Engagement ausländischer Unternehmen in Südafrika ist untrennbar mit dem Apartheidregime und seinen politischen Rahmenbedingungen verbunden. Um diese Implikationen besser verstehen und ihre unmittelbaren 18 

Vgl. Denemark, Robert / Lehman, Howard (1982): The Political Economy of Repres­ s­ion and Reform in South Africa, in: Africa Today, Vol. 29, No. 3, pp. 5–31, hier p. 23f. 19 Vgl. Adler, Glenn (1993): From the “Liverpool of the Cape” to “the Detroit of South Africa”. The Automobile Industry and Industrial Development in the Port-Elizabeth-Uitenhage-Region, in: Kronos, No. 20, pp. 17–43, hier p. 38f. 20  PKW-Markt Südafrika 1962–1972, in: BMW UA 1548/1. 21  Vgl. Pressenachricht “A brief history of BMW in South Africa” vom 09. 11. 1983, in: BMW UA 2001/1. 22  Vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 23  Protokoll der Vorstandssitzung vom 19. 12. 1958, in: BMW UA 409/1. 24  Vgl. ebd.

580

5.  BMW in Südafrika

Auswirkungen, auch auf die BMW AG, analysieren zu können, wird an ­dieser Stelle ein kurzer Abriss über die politischen Dimensionen des Apart­ heidregimes gegeben. Besondere Beachtung erfährt hierbei die Haltung der Bundesrepublik gegenüber der südafrikanischen Regierung, aber auch die Resonanz der internationalen Staatengemeinschaft einschließlich verschiedener Sanktions- und Boykottmaßnahmen. Denn hierdurch wurden die Rahmenbedingungen für die in Südafrika tätigen Firmen gesetzt, innerhalb derer sie sich wirtschaftlich, aber auch moralisch zu justieren hatten. 5.1.1.  Die Haltung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Südafrika Nachdem die Außenpolitik der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit durch die Hallstein-Doktrin geprägt war,25 wandelte sie sich während der Großen Koalition unter Außenminister Willy Brandt maßgeblich. Dieser prägte mit den von ihm formulierten „Leitlinien der deutschen Außenpolitik“ die künftige Haltung der Bundesregierung, die als grundlegende Trennung von Politik und Handel zusammengefasst werden können. Diese Einstellung ermöglichte der Regierung auch, die vor allem von Brandt als Bundeskanzler getragene Ostpolitik weiter zu forcieren. Zugleich verringerte die Annäherung an Osteuropa auch den Handlungsspielraum der Bundesregierung gegenüber dem Apartheidregime, wollte sie nicht unglaubwürdig wirken: Sie konnte nicht die Menschenrechtsverletzungen im südlichen Afrika vehement anprangern, während sie zugleich die Übertritte in Osteuropa tolerierte. Die von Brandt ausgearbeiteten Leitlinien zur Außenpolitik ermöglichten einen Spagat, setzen jedoch zugleich die bis in die 1970er Jahre hinein festzustellende indif­ ferente bzw. zurückhaltende Position gegenüber Südafrika fort.26 Zugleich muss darauf hingewiesen werden, dass auch innerhalb der Bundesregierung keine einheitliche Haltung gegenüber Südafrika festzustellen war, denn die einzelnen Parteien vertraten unterschiedliche Positionen, worauf später noch genauer eingegangen wird. Dies traf sowohl auf die sozial-liberale als auch insbesondere für die christlich-liberale Koalition ab 1982 zu. Beginnend mit der Großen Koalition bis hin zur späteren Regierung unter Kohl übte zwar die Bundesrepublik Kritik an der Apartheid, allerdings in unterschiedlicher Schärfe und Konsequenz, auch innerhalb der verschiedenen Koalitionen.27 Mit der Übernahme der sozial-liberalen Koalition im Oktober 1969 konnte allerdings eine deutlich kritischere Positionierung konstatiert werden, als es noch in den vorangegangenen Dekaden der Fall gewesen war.28 25  Für

eine Analyse der Afrikapolitik im Schatten der Hallstein-Doktrin, vgl. Engel, Ulf: Die Afrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949–1999. Rollen und Identitäten, Münster 2000, Kapitel 3, S. 117–145. 26  Vgl. Wenzel, Südafrika-Politik, S. 34–36. 27  Vgl. Cron, Deutsche Unternehmen, S. 105. 28  Vgl. Wenzel, Südafrika-Politik, S. 35.

5.1. Einleitung

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Deutschland und Südafrika teilten traditionell enge Bindungen, unter anderem auch, da noch 1976 etwa 28 Prozent der weißen Südafrikaner deutsche Wurzeln hatten.29 Auch die wirtschaftlichen Beziehungen reichten weit zurück: Das erste deutsche Unternehmen siedelte sich bereits Ende des 18. Jahrhundert am Kap an.30 Besonders stark vertreten, gemessen an den bun­ desdeutschen Direktinvestitionen, waren und sind auch heute noch die ­Wirtschaftssektoren der Automobil-, Elektro- und Chemischen Industrie in Südafrika.31 Ebenso wurde der kulturelle Austausch gepflegt, jedoch ausschließlich mit der weißen Minderheit des Landes, wie das Kulturabkommen von 1962 zeigte. Eine politische Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Kontinent oder ein dezidiertes Afrikaprogramm war in den ersten Dekaden der noch jungen Bundesrepublik nicht auszumachen. Erstmals unter Außenminister Brandt wurden Prämissen der deutschen Afrikapolitik formuliert, die sich jedoch in Zurückhaltung übten, um Kritik, vor allem auch gegenüber Südafrika, zu vermeiden. Einige Autoren, hier insbesondere Peter Meyns, unterteilten die Haltung der Bundesrepublik daher bis 1982 in zwei große Phasen, wobei die erste von der Gründung der Bundesrepublik bis zum Jahr 1973 reichte, die als „muddling through“ bezeichnet wurde. Eine Phase also, in der eine deutliche Positionierung und kritische Stellungnahme bewusst vermieden wurde.32 Rode konstatierte, dass die Haltung der einzelnen ­Parteien im Bundestag gegenüber dem südafrikanischen Apartheidregime bis 1972 von einer Hinnahme bis zur Unterstützung reichte. Während die Mitglieder der SPD das System der weißen Minderheitsregierung mittels einer „parteioffizielle[n] Schweigetaktik“33 tolerierten, war in den Reihen der FDP noch eine latente Unterstützung auszumachen. Weitaus deutlicher positionierte sich die CDU/CSU, in denen eine deutliche Mehrheit die südafrikanische Regierung unterstütze.34 Insbesondere Franz Josef Strauß zählte zu den großen Befürwortern des Kap-Regimes, zu dem er enge Kontakte unterhielt. Während er sich nach seiner ersten offiziellen Afrikareise im Jahre 1966 noch sehr deutlich für die Apartheid bzw. ihre Legitimation aussprach,35 setzte im Laufe der 1970er Jahre eine differenziertere Argumentation ein, die jedoch nicht von ihrer grundsätzlichen Unterstützung der weißen Minderheiten ­sowie der Rechtfertigung der Apartheid abrückte. In dieser späteren Diskus29  Vgl. 30  Vgl.

ebd., S. 33. Kreutzfeld: Investitionsschutz, S. 30. Zu der Tradition der deutsch-südafrikanischen Beziehungen, vgl. Rode, Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 11–29. 31 Vgl. Geisler, Wolff / Wellmer, Gottfried: DM-Investitionen in Südafrika, Bonn 1983, S. 12. 32  Vgl. Wenzel, Südafrika-Politik, S. 32–34. 33  Rode, Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 69. 34  Vgl. ebd., S. 63–71. 35  Vgl. Zeitungsartikel „‚Man sollte Südafrika unterstützen‘. Ein Interview mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauss“ vom 15. 11. 1983, SüdafrikaRundschau, in: ACSP NL Strauß Slg Kray I:83/28.

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sion, die nach Meyns die zweite Phase markierte, votierte Strauß hinsichtlich Südafrika weiterhin für einen evolutionären Prozess, anstelle einer Revolu­ tion, die seiner Aussage folgend keiner ethnischen Gruppe zugutekäme.36 In der sukzessiven Abschaffung der sogenannten „kleinen Apartheid“ sah er diese Evolution zu Beginn der 1980er Jahre auf einem guten Wege,37 während vor allem die SPD, Grünen und die FDP unter Hans-Dietrich Genscher verstärkt Kritik an dem Apartheidregime übten. 1973 wird oftmals als Wendepunkt und somit Beginn der zweiten Phase der bundesdeutschen Afrikapolitik identifiziert, von welchem aus die Bedeutung Afrikas für die Außenpolitik deutlich zunahm. Denn mit dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen (UN) – parallel vollzog sich ebenfalls die Aufnahme der Deutschen Demokratischen Repu­ blik (DDR) in die UN – gewann ihre außenpolitische Haltung klar an Gewicht; auch ihre Positionierung in Fragen des Kolonialismus, der Apartheid und dem Umgang mit den Ländern der Dritten Welt stand unter expliziter Beobachtung vor allem afrikanischer Staaten. Mit dem Beitritt der DDR, den Auswirkungen des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des portugie­ sischen Kolonialismus in Angola und Mosambik einerseits sowie den Freiheitsbewegungen in Rhodesien, Namibia und Südafrika andererseits wurde der afrikanische Kontinent überdies zunehmend zur Projektionsfläche einer Ost-West-Dichotomie mitsamt einhergehender Rhetorik des Kalten Krie­ ges:38 Immer weiter wuchs die Sorge westlicher Staaten, dass die Sowjet­union ihren Einflussbereich stetig in Afrika ausbaute, so dass Afrika zum Aus­ tragungsort des Ost-West-Konfliktes wurde.39 In dieser Rhetorik galt das ­südafrikanische Apartheidregime als Bollwerk gegen den Kommunismus in Afrika, während Freiheitsbewegungen und der Zusammenbruch des Kolo­ nialismus als von der Sowjetunion gelenkte Machtübernahme deklariert ­wurden.40 Tatsächlich war die sowjetische Unterstützung der Befreiungsbewegungen laut einiger Autoren beträchtlich, wie etwa die finanziellen Aufwendungen an Mitglieder des African National Congress (ANC) zeigten. Dennoch lassen sich die Befreiungsbewegungen nicht auf diesen Einfluss be­ schränken, lagen die Ursachen doch weitaus tiefer.41 Insbesondere die CDU 36  Vgl.

Grußwort des Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß anlässlich der Einladung der deutsch-südafrikanischen Handelskammer am Montag, den 25. 01. 1988 in Pretoria, in: ACSP NL Strauß Slg Kray RA 88/21d. 37  Vgl. Zeitungsartikel „‚Man sollte Südafrika unterstützen‘. Ein Interview mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauss“ vom 15. 11. 1983, SüdafrikaRundschau, in: ACSP NL Strauß Slg Kray I:83/28. 38  Vgl. Wenzel, Südafrika-Politik, S. 31, 37. 39  Vgl. Aufzeichnungen des Vortragenden Legationsrats I. Klasse Müller, 20. 01. 1977, in: AAPD 1977, Bd. I, Dok. 8; Gespräch des Bundesministers Genscher mit dem amerikanischen Außenminister Vance in Washington, 13. 07. 1977, in: AAPD 1977, Bd. II, Dok. 187. 40  Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 4–6. 41  Vgl. ebd., S. 17.

5.1. Einleitung

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und CSU konzentrierten sich jedoch auf die drohende Gefahr – Verheugen spricht hier auch von einer „eingebildete[n] Gefahr“42 – sowjetischer Einflussnahme und sahen hierin die Notwendigkeit zur weiteren Unterstützung der weißen Minderheitsregierung in Südafrika.43 Ab 1973 mehrten sich in der Bundesrepublik die kritischen Stimmen, wobei die Spannungslinien nicht nur entlang der Bundestagsfraktionen verliefen, sondern auch weitere Protagonisten wesentlich zum Diskurs beitrugen. 1974 konstituierte sich in der Bundesrepublik die Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) vor dem Hintergrund christlicher Initiativen.44 Ähnliche Bewegungen gab es zu diesem Zeitpunkt bereits in den Niederlanden und Großbritannien, ferner engagierten sich vor allem auch die skandinavischen Länder intensiv gegen die Apartheid.45 Weitere wichtige Meinungsbildner waren überdies die katholische und evangelische Kirchengemeinschaften sowie auf Arbeitsebene, im Hinblick auf die Gleichberechtigung schwarzer und farbiger Arbeiter in den Betrieben, die transnationalen Bemühungen der Gewerkschaften.46 Eine Anführung aller an diesem Diskurs Beteiligten kann an dieser Stelle leider nicht abschließend geleistet werden. Mehrere Autoren, wie etwa Rode, Stiers, Siegfried und Verheugen, bieten jedoch einen informativen Überblick hierzu.47 Auf die Aktivitäten der EG im Rahmen des Verhaltenskodex sowie der Wirtschaft, am Beispiel der BMW AG, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit hingegen explizit eingegangen. Mit der zunehmenden Kritik gegenüber der südafrikanischen Republik wurden auch die Rufe lauter, die Sanktionen und Boykottmaßnahmen forderten. Auch hier führten die Spannungslinien der Debatte sowohl quer durch die internationale Staatengemeinschaft als auch durch die Bundesrepublik. Die erste internationale Verurteilung Südafrikas durch die UN erfolgte 1962/1963, als Reaktion auf das Massaker von Sharpeville, in der sie ein Waffenembargo empfahlen. Der Handel zwischen Südafrika und einem Großteil der Nationen blieb jedoch davon unberührt,48 obwohl 1966 die UN Wirt42 Verheugen,

Günter: Apartheid. Südafrika und die deutschen Interessen am Kap, Köln 1986, S. 171. 43 Vgl. Interviews und Presseartikel, 1977, in: ACSP NL Strauß Slg Kray I:77/19; Schriftensammlung, 1978, in: ACSP NL Strauß Fam:1268; Informationsmaterialien des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 1975–1977, in: ACSP NL Strauß MPr 77/10; Schreiben von Strauß an Dr. Kurt Blohm, Chairman des German Committee der South Africa Foundation und Vorsitzender der Volkswagen of South Africa, vom 08. 05. 1978, in: ACSP NL Strauß PV:11133. 44  Vgl. Rode, Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 127f. 45  Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 36. 46 Vgl. Rode, Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 224–234; Stiers, Werner: Perzeptionen der Entwicklung im südlichen Afrika in der Bundesrepublik Deutschland 1960–1979, Frankfurt/M. 1983, S. 304–327. 47  Vgl. Rode, Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland; Siegfried, Internationale Reaktionen; Stiers, Perzeptionen; Verheugen, Apartheid. 48  Vgl. Cron, Deutsche Unternehmen, S. 155.

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schaftssanktionen gegen die Kap-Republik verhing, wobei es sich jedoch um keine bindende Resolution handelte.49 Dennoch bezeichnete die UN-Vollversammlung seit 1968 Apartheid wiederholend als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und verabschiedete 1973 die „Konvention zur Bekämpfung und Ahndung des Verbrechens der Apartheid“, die auch von der Bundes­ republik unterzeichnet wurde.50 Mit dem Aufstand von Soweto im Jahre 1976 und seiner gewaltvollen Niederschlagung wuchs die internationale Kritik gegenüber Südafrika weiter an; auch in der Bundesrepublik.51 In den USA erhielt die Solidarisierung mit der schwarzafrikanischen Bevölkerung durch die US-Bürgerrechtsbewegung entscheidenden Auftrieb, so dass der Einfluss von Sanktionsbefürwortern in den USA auch in der Administration zunahm.52 Dies kumulierte in dem „Comprehensive Anti-Apartheid Act“ von 1986, den der Senat gemeinsam mit dem Repräsentantenhaus in den USA gegen das Veto von Präsident Reagan verabschiedete und der weitgehende ­Folgen hatte, verbot er doch neue Investitionen in und Kreditvergaben nach Südafrika durch US-Firmen. Auch beinhaltete das Gesetz in den USA Import­sperren für südafrikanische Waren sowie Exportverbote für Mineralöl und Ölprodukte.53 Zu einem ähnlich konsequenten Vorgehen konnte sich die Bundesrepublik nicht durchringen, gingen die Meinungen doch zu weit auseinander, wie man der Apartheid begegnen sollte und erfuhr die AAB nicht dieselbe Unterstützung in der Öffentlichkeit. Zwar forderte neben den Grünen auch die SPD 1986 Wirtschaftssanktionen gegenüber Südafrika, diese konnten sich allerdings nicht durchsetzen, da sich die christlich-soziale Bundesregierung, allem voran CDU/CSU, deutlich gegen Boykottmaßnahmen aussprach.54 Eine Analyse von Bundestagsdebatten spiegelt diese Konfliktlinien hervorragend wider.55 Die CSU eröffnete – vor allem auch unter ihrem Vorsitzenden Strauß und seiner aktiven Befürwortung des südafrikanischen Regimes – eine „Nebenaußenpolitik“ zur Linie des Auswärtigen Amtes unter Genscher, der einen konsequenteren Kurs der Anti-Apartheid-Politik verfolgte. Diese Nebenaußenpolitik erschwerte einen einheitlichen Auftritt der Bundesregierung sowie einen härteren Ton gegenüber Südafrika.56 49 

Vgl. Kreutzfeld: Investitionsschutz, S. 15. Saage-Maaß, Miriam (2010): Geschäft ist Geschäft? Zur Haftung von Unternehmen wegen der Förderung staatlicher Menschenrechtsverletzungen, in: Kritische Justiz, Vol. 43, No. 1, pp. 54–61, hier S. 55. 51 Vgl. Schneider-Barthold, Wolfgang (1976): Die deutsche Südafrika-Politik aus wirtschaftlicher Sicht, in: Africa Spectrum, Vol. 11, No. 3, pp. 225–237. 52  Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 22. 53  Vgl. Cron, Deutsche Unternehmen, S. 157. 54  Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 29. 55  Vgl. exemplarisch „Unkorrigiertes Stenographisches Protokoll der Rede des CSUBundestagsabgeordneten Hans Klein, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSUFraktion, in der heutigen Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages“ vom 13. 09. 1985, in: ACSP NL Klein:814. 56  Vgl. Wenzel, Südafrika-Politik, S. 225f. 50  Vgl.

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Die Diskussion über die Notwendigkeit von Wirtschaftssanktionen wurde weltweit über viele Jahre – und dies äußerst hitzig – geführt.57 Die Staaten der EG hatten 1977 den sogenannten Verhaltenskodex verabschiedet, der genaue Verhaltensregeln für europäische Firmen mit Tochtergesellschaften in Südafrika festlegte und den einzelnen Unternehmen eine jährliche Berichterstattung auftrug. 1985 wurde er nachgeschärft, auch unter dem Eindruck des wachsenden internationalen Drucks auf Südafrika.58 Die Bundesregierungen, zunächst die sozial-liberale, dann die christlich-liberale, verneinten stets Boykottmaßnahmen und verwiesen auf den Verhaltenskodex. Erst im Oktober 1986 beschloss der Rat der EG die Aussetzung neuer Direktinvestitionen europäischer Firmen in Südafrika. Dies schloss allerdings nicht die Reinves­ titionen von dort erzielten Gewinnen und Ersatzinvestitionen ein und ließ ­somit den Konzernen eine Hintertür offen.59 Ferner argumentierte ein Großteil der westdeutschen Politiker, dass unter Sanktionen vor allem der bereits benachteiligte schwarzafrikanische Teil der Bevölkerung leiden würde. Die Befürworter von Sanktionen, hierunter der South African Council of Churches (SAAC), argumentierten hingegen, dass die vorübergehenden Nachteile für die schwarzafrikanische Bevölkerung in Kauf genommen werden müssten, um langfristig eine Veränderung erwirken zu können. Bischof Desmond Tutu, der später für seine Bemühungen um die Abschaffung der Apartheid mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, führte als Mitglied des SAAC an: „[…] im Grunde hätten die Schwarzen nichts zu verlieren.“60 Die Befürworter einer sanfteren Linie gegenüber Südafrika argumentierten hingegen, dass es über die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Interaktionen und den EG-Verhaltenskodex indessen möglich sei, zu einem weitreichenden Wandel von innen beizutragen und hierüber zu einem Ausgleich der Gegensätze zu gelangen. Auf diesem Wege sollten Konzerne ihrer moralischen Verantwortung in Südafrika nachkommen.61 Auf die genauen Implikationen des EG-Verhaltenskodex wird noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit unter verschiedenen Gesichtspunkten eingegangen werden (vgl. Kapitel 5.4.1). An dieser Stelle sei jedoch bereits darauf hingewiesen, dass sich ein Großteil der 57 Vgl. Cron, Deutsche Unternehmen, S. 154–171; Hefeker, Carsten / Menck, Karl Wolfgang: Wie wirkungsvoll sind Sanktionen? Das Beispiel Südafrika, Report des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, Hamburg 2002, S. 27–43; Bacia/Leidig, Anti-Apartheid-Bewegung, S. 111–148. 58  Vgl. Cron, Deutsche Unternehmen, S. 154. 59  Vgl. ebd., S. 158. 60  Gespräch mit dem South African Council of Churches (SACC), Reisebericht Auswärtiger Ausschuss „Besuch von Mitgliedern des Auswärtigen Amtes des Deutschen Bundestages im südlichen Afrika, 14. bis 26. Mai 1978“ vom 09. 08. 1978, in: ACSP NL Jaeger R:47/2. 61  Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 46f; Zeitungsartikel „‚Man sollte Südafrika unterstützen‘. Ein Interview mit dem bayerischen Ministerpräsidenten FranzJosef Strauss“ vom 15. 11. 1983, Südafrika-Rundschau, in: ACSP NL Strauß Slg Kray I:83/28.

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5.  BMW in Südafrika

Unternehmen im Kontext der Apartheid einer moralischen Legitimation bediente, mit sehr unterschiedlichen Konsequenzen: Während vor allem europäische Firmen ihr südafrikanisches Engagement aufrechterhielten und zum Teil ausbauten – Daimler-Benz etwa erwarb 1984 die Mehrheitsbeteiligung seiner Tochtergesellschaft am Kap und tätigte im November des Folgejahres Neuinvestitionen in Höhe von 150,0 Mio. DM –62 zogen sich zahlreiche Konzerne anderer Kontinente, vor allem aus Nordamerika, aus Südafrika zurück. Hierunter waren, unter Berücksichtigung der politischen Stimmungs­ lage und des „Comprehensive Anti-Apartheid Act“, vor allem US-Firmen, die ihrerseits wiederum auf ihre moralische Verpflichtung verwiesen, ihr ­Engagement aufgrund des Apartheidregimes nicht länger aufrechterhalten zu können. Hierzu zählten jedoch zahlreiche Akteure, die de facto primär aus ökonomischen Gesichtspunkten ihr Kapital zurückzogen. Denn einige Firmen verzeichneten bereits seit Jahren negative Zahlen in Südafrika, hierunter unter anderem Chrysler, Ford, General Motors, aber auch Fiat und Alfa ­Romeo. Insbesondere US-Unternehmen fürchteten überdies, vor dem Hintergrund der Boykottmaßnahmen der USA, Marktanteile auf dem für sie wichtigen Heimatmarkt durch umstrittene Direktinvestitionen in Südafrika einzubüßen. Die Halbherzigkeit dieser Entscheidung wurde indessen von mehreren Autoren wie Cron diskutiert, die den Rückzug mehrerer Unternehmen aus der Kap-Republik und somit ihre Entscheidung für das Disinvestment analysiert haben: Oftmals blieben die Hersteller über sogenannte Management Buyouts und Lizenzvergaben weiterhin mit ihrem Produktportfolio de facto auf dem südafrikanischen Markt vertreten. Ein Beispiel hierfür war General Motors, die an lokale Anteilseigner verkauften und fortan am Kap unter dem neuen Namen Delta Motor Corporation arbeiteten. Ferner stellte Duncan die Frage, ob ein Rückzug aus Südafrika, vor allem der US-Automobilkonzerne, vorgenommen worden wäre, wenn diese Ende der 1970er und während der 1980er Jahre noch finanziell erfolgreich am Kap agiert hätten, statt Verlustgeschäfte zu verzeichnen. Hier steht zur Diskussion, inwiefern einzelne Unternehmen in diesem Falle, wie eine Vielzahl europäischer Unternehmen, nicht ebenfalls auf ihre moralische Verpflichtung zum Verbleib in Südafrika verwiesen hätten, um zu einem Wandel von innen beizutragen.63 Nukleus beider Argumentationen war jedoch, unabhängig von ihrer medialen Außendarstellung, die Prämisse ökonomisch bzw. unternehmerisch sinnvollen Handelns, während die moralische Verpflichtung tatsächlich in den Hintergrund rückte. Eine Corporate Social Responsibility (CSR) hatte sich noch nicht zu einem eigenen Wert oder einem Handlungsmotiv konstituiert, sondern war untrennbar mit einer ökonomischen Kom62 Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 343; Heidel, Geschäfte von Daimler-Benz, hier S. 716f. 63  Vgl. Duncan, South African Motor Industry, S. 70–74; Cron, Deutsche Unternehmen, S. 154–171.

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ponente verbunden. Da sich die Debatte um Wirtschaftssanktionen im Laufe der 1980er Jahre deutlich intensivierte und diese immer konkreter umgesetzt wurden, können die hier aufgeworfenen Fragen nicht abschließend bewertet werden: Zahlreiche Quellen aus dieser Zeit, die somit außerhalb des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Arbeit liegen, werden für folgende Studien einen wertvollen Beitrag leisten können. Mit Hilfe internationaler Sanktionen konnte in den 1980er und frühen 1990er Jahren Druck gegenüber Südafrika aufgebaut werden, dem sich das Regime unter Berücksichtigung des innenpolitischen Widerstands sowie der enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten – der Einbruch des Goldpreises, die horrenden innenpolitischen Kosten des Sicherheitsapparates sowie die hohe Inflation waren nur einige Aspekte dieser Entwicklungen – beugen musste. Zugleich hat die durch den Verhaltenskodex initiierte Aufwertung der Arbeitsbedingungen nicht-weißer Bevölkerungsgruppen sowie der mitunter zu verzeichnende interkulturelle Austausch in den europäischen Niederlassungen in Südafrika auch dazu beigetragen, dass sich ihre Situation ein Stück weit verbesserte. Eine innenpolitische Wende oder gar einen Umsturz des Apartheidregimes hätte dieser evolutionäre Prozess alleine wohl nicht bewirken können.64 Neben der Rolle der Wirtschaft auf die Entwicklungen in Südafrika bietet auch das Zusammenspiel zwischen Politik und den einzelnen Akteuren der Ökonomie interessante Anhaltspunkte. Hier ist vor allem Strauß zu nennen, der ab 1966 immer wieder nach Südafrika reiste und als prominenter Unterstützer der weißen Minderheitsregierung sowie der Geschäftstätigkeiten deutscher Unternehmen galt.65 Die Beziehung zwischen Strauß und Südafrika sowie Vertretern der deutschen Wirtschaft war eine besondere. So versuchte Strauß bereits früh, Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung deutscher Firmen in Südafrika zu nehmen. Schon 1969 richtete er in seiner Funktion als Bundesminister für Finanzen ein Schreiben an den südafrikanischen Verteidigungsminister und späteren Staatspräsidenten P.W. Botha, um positiv auf eine Kooperation mit der Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm ein­ 64  Eckel zeigt anschaulich auf, dass die Regierung Südafrikas die Wellen internationaler Empörung in der zweiten Hälfte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre auszusitzen versuchte. Sinnbild dieser Haltung war die Rede P.W. Bothas, südafrikanischer Präsident, im Jahre 1985, die als „Rubikon-Rede“ in die Geschichte einging. Anstelle der erwarteten Reformen drohte er der internationalen Staatengemeinschaft: „Treibt uns nicht zu weit!“, vgl. Eckel, Jan (2012): Humanitarisierung der internationalen Beziehungen? Menschenrechtspolitik in den 1970er Jahren, in: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 38, H. 4, Neue Menschenrechtsgeschichte, S. 603–635, hier S. 629. Diese Rubikon-Rede kann als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass letztlich das ­Zusammenspiel des innen- sowie außenpolitischen Drucks zum Fall des Apartheid­ regimes geführt hat. 65  Vgl. Zeitungsartikel „‚Man sollte Südafrika unterstützen‘. Ein Interview mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauss“ vom 15. 11. 1983, SüdafrikaRundschau, in: ACSP NL Strauß Slg Kray I:83/28.

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zuwirken.66 Unabhängig von seinem jeweiligen Amt suchte er auf die Entwicklung weiterer deutscher Unternehmen positiven Einfluss zu nehmen, wie auch seine enge Bindung zu dem Deutschen Komitee der South African Foundation sowie der deutsch-südafrikanischen Handelskammer zeigte.67 Deren Mitglieder luden ihn während seiner Besuche wiederholt auf ihr privates Anwesen oder zur Jagd ein.68 Überdies hegte Strauß enge Kontakte zu BMW im Allgemeinen und im Hinblick auf Südafrika zu dem jeweiligen Geschäftsführer der BMW SA im Speziellen. Diese stellte ihm auf seinen Reisen in die Gegend um Johannesburg und Pretoria BMW-Fahrzeuge zur Verfügung, die ihm durch den Managing Director persönlich überreicht wurden, der ihm bei dieser Gelegenheit umfangreiches Zahlenmaterial zur Verfügung stellte, damit die Interessen der deutschen Automobilindustrie und insbesondere von BMW bei den Gesprächen mit südafrikanischen Regierungsvertretern besser berücksichtigt werden konnten.69 Auch besuchte Strauß wiederholend das BMW-Werk in Rosslyn und lobte das dortige Engagement, der Spaltung der Gesellschaft entgegenzutreten, wobei er vor allem die Abschaffung der „kleinen Apartheid“ hervorhob.70 Strauß wurde überdies wiederholt zum Mittler zwischen verschiedenen Interessenvertretern, indem er die Belange der – oftmals bayerischen – Unternehmen gegenüber der Bundesregierung zu adressieren suchte. Hierfür steht symptomatisch eine Korrespondenz aus dem Jahre 1986 zwischen dem BDI, der BMW AG, dem Auswärtigen Amt und dem bayerischen Ministerpräsidenten Strauß. Ausgangspunkt war ein Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts an den Hauptgeschäftsführer des BDI mit der Bitte, die deutsche Wirtschaft hinsichtlich ihres Engagements in Südafrika noch mehr 66  Diesem Schreiben kommt vor dem Hintergrund des UN-Waffenembargos eine besondere Brisanz zu, auch wenn die Quellen nicht den Ausgang des Schriftwechsels dokumentieren, vgl. Schreiben von Franz Josef Strauß, Bundesminister für Finanzen, an P.W. Botha, Verteidigungsminister Südafrikas, vom 17. 04. 1969, in: ACSP NL Strauß BMF:36. In der von Geisler/Wellmer erstellten Auflistung über DM-Investitionen in Südafrika wird Messerschmitt-Bölkow-Blohm nicht aufgeführt, was einen Handel ohne Direktinvestitionen nicht ausschließt, vgl. Geisler/Wellmer, DM-Investitionen in Südafrika. 67  Vgl. Korrespondenz zwischen Strauß und dem German Committee der South Africa Foundation ACSP NL Strauß PV:6179; Grußwort des Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß anlässlich der Einladung der deutsch-südafrikanischen Handelskammer am Montag, den 25. 01. 1988 in Pretoria, in: ACSP NL Strauß Slg Kray RA 88/21d. 68 Vgl. exemplarisch Afrika-Reise 1978, 10.–26. 03. 1978, in: ACSP NL Strauß MPr 77/10. 69  Vgl. Schreiben des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim an den CSU-Bundestagsabgeordneten Strauß vom 18. 06. 1975, in: ACSP NL Strauß PV:9114; Schreiben von Walter Schöll, Bayernkurier und Strauß-Vertrauter, an André Marais, Posi­ tion unbekannt, vom 16. 04. 1975, in: ACSP NL Strauß MPr 77/8. 70  Vgl. Schreiben des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim an den CSU-Bundestagsabgeordneten Strauß vom 20. 08. 1973, in: ACSP NL Strauß PV:9094.

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zu sensibilisieren, denn das Auswärtige Amt beobachtete mit Sorge die Entwicklungen in der Kap-Republik und das Verhalten manchen deutscher Firmen vor Ort: „Die Niederlassungen der deutschen Industrie in Südafrika hatten bisher traditionell einen guten sozialen Ruf und wurden in Bezug auf die Behandlung ihrer schwarzen Mitarbeiter oft als vorbildlich hingestellt. Inzwischen hat eine Reihe deutscher Unternehmen ernstzunehmende Probleme mit ihren schwarzen Arbeitnehmern und war in Arbeitskämpfe verstrickt. In den Auseinandersetzungen um die in Südafrika dringend notwendigen grundlegenden Reformen werden manche unserer Firmen nicht mehr ihrer bisher eher sozial fortschrittlichen Rolle gerecht und nehmen nur zögernd gegen das System der Apartheid Stellung. Diese neutrale Haltung unserer Firmen stößt bei der nicht-weissen [sic!] Opposition und ihren Führern auf Unverständnis und Mißtrauen. Auch ist in der Vergangenheit der EG-Verhaltenskodex von einigen Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen in Südafrika nicht immer so konsequent angewandt worden, wie dies im Interesse unserer Südafrika-Politik und – wie ich glaube – auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Firmen wünschenswert gewesen wäre.“71

Als Konsequenz lud der BDI deutsche Investoren in Südafrika zu einem Gedankenaustausch über die wirtschaftliche und politische Situation in der südafrikanischen Republik ein, mit der expliziten Bitte um Teilnahme auf Ebene der Unternehmensleitung; hier sollte auch über Aktivitäten zur Verbesserung der Position deutscher Investoren und ihrer Investitionen gesprochen werden.72 Von Kuenheim, Vorstandsvorsitzender der BMW AG, wandte sich als Reaktion hierauf an Strauß und ließ ihm überdies einen Besuchsbericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte bei der BMW SA zukommen, die ein positives Resümee zu den Aktivitäten der BMW SA zog. In seinem Schreiben an Strauß fügte er hinzu: „Ohne daß ich über die Aktivitäten dieser Gesellschaft hier etwas sagen möchte, zeigt allein dieser Bericht, wie einseitig das Auswärtige Amt gewisse Entwicklungen sieht.“73

Strauß sollte also möglichst auf die Bundesregierung sowie die Außenpolitik einwirken und eine differenziertere Darstellung des wirtschaftlichen Engagements der verschiedenen deutschen Konzerne erreichen. Dass eine Zusammenarbeit und solche Bitten unter Umständen durch finanzielle Unterstützungen der CSU durch das Unternehmen begleitet werden konnten, wird in einem Dankesbrief zu einem vorangegangenen Treffen angedeutet, den Strauß an von Kuenheim bereits 1972 richtete, in dem er sich „für das in jeder Hinsicht befriedigende Ergebnis“ bedankt, während in dem ursprünglichen und 71  Schreiben

des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts Jürgen Ruhfus an den Hauptgeschäftsführer des BDI, Dr. Sigfried Mann, vom 05. 05. 1986, in: ACSP NL Strauß Fam:1054. 72 Vgl. Schreiben von Dr. Siegfried Mann, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums des BDI, an den BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 27. Mai 1986, in: ACSP NL Strauß Fam:1054. 73 Schreiben des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim an den Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß vom 30. 06. 1986, in: ACSP NL Strauß Fam:1054.

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5.  BMW in Südafrika

von Strauß persönlich korrigierten Entwurf noch von einem „außerordentlich großzügige[n] Ergebnis“ die Rede war.74 Die Tatsache, dass Dr. Reinhold Kreile, CSU-Mitglied und finanzpolitischer Berater von Strauß, diesem Treffen zwischen CSU-Abgeordneten und von Kuenheim 1972 beiwohnte, unterstützt diese Annahme weiterhin, ohne allerdings weitere Belege hierfür in den Quellen zu finden.75 Des Weiteren unterstützte Strauß BMW auch bei der Erschließung neuer oder Ausweitung des Geschäftes in bestehenden Märkten. Ein Beispiel war die bereits erwähnte Empfehlung an den Präsidenten der Militärdiktatur Togo, zu dem Strauß enge Kontakte hegte (vgl. Kapitel 5.4.1). Überdies hatte Strauß als CSU-Bundestagsabgeordneter der BMW AG angeboten, sie bei einem sogenannten „Persienprojekt“ zu unterstützen. Hierfür wollte Strauß „die Verbindung zu den zuständigen staatlichen Behörden“ aufnehmen.76 Der Absatz im Iran spielte für BMW seit Ende der 1950er Jahre eine zunehmend wichtigere Rolle, wie die bereits vorgestellten Verkaufszahlen verdeutlichten (vgl. Kapitel 3.5.3). Anfang der 1970er Jahre hoffte das Münchner Unternehmen also, auch über die Unterstützung von Strauß, seine Marktanteile dort weiter auszubauen. In der Tat stiegen die Verkäufe im Laufe der 1970er Jahre im Iran deutlich an (vgl. Kapitel 4.5.3), was insbesondere über das Exportprogramm der BMW SA geleistet werden konnte und somit positiven Einfluss auf die südafrikanische Tochtergesellschaft nahm. Hierauf wird noch näher in Abschnitt 5.4.3 eingegangen. Auch die negativen Imagefolgen für den Handel mit dem Iran und ihre Konsequenzen werden berücksichtigt (vgl. Kapitel 5.4.6). Die an dieser Stelle genannten Beispiele sollen indessen unterstreichen, wie eng die Verbindung zwischen Strauß und der BMW AG war. Diese Bindung wurde weiterhin gestärkt über die offi­ziellen Ämter, die sowohl Strauß als Bayerischer Ministerpräsident ab 1978 innehatte als auch von Kuenheim über seine Funktion als Präsident des Landesverbandes der Bayerischen Industrie e. V. zwischen 1977 und 1982 sowie 1984 und 1992.77 74 Schreiben

und Entwürfe von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Strauß an den BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 18. 02. 1972, in: ACSP NL Strauß PV:6366. 75  Im Sommer 2015 hatten Medien aufgrund neuer Aktenfunde über finanzielle Aufwendungen dieser Art an Strauß bzw. an eine Briefkastenfirma namens Eureco-Büros für Wirtschaftsberatung GmbH und Co. KG berichtet, vgl. Latsch, Gunther / Wiegrefe, Klaus (2015): Ein Leben für die Industrie, in: Der SPIEGEL, Jg. 69, Nr. 35 vom 22. 08. 2015; Gipp, Katharina (2015): Franz Josef Strauß soll Schmiergelder kassiert haben, in: stern online, 22. 08. 2015, in: URL: http://www.stern.de/politik/deutschland/ franz-josef-strauss-soll-schmiergelder-kassiert-haben-6413292.html (Stand: 15. 08. 2016). 76  Schreiben des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim an den Bundestagsabgeordneten Strauß vom 20. 08. 1973, in: ACSP NL Strauß PV:9094. 77 Vgl. exemplarisch Schriftwechsel zwischen Strauß und von Kuenheim, 1978, in: ACSP NL Strauß PV:11765; Schriftwechsel zwischen Strauß und von Kuenheim, 1984, in: ACSP NL Strauß PV:14588.

5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika

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Diverse Autoren haben sich bereits mit der Frage beschäftigt, inwiefern die Boykottmaßnahmen und Sanktionen gegen die südafrikanische Regierung dazu beitrugen, die Apartheid zu bewältigen und eine Demokratie im Sinne des „One Man – One Vote“ zu installieren. Siegfried hat in seinem Überblick zum Forschungsstand überzeugend herausgearbeitet, wie dieser Wandel durch das Zusammenspiel von externen und internen Faktoren ermöglicht wurde.78 Insbesondere in den 1980er Jahren wurde durch die internationale Staatengemeinschaft eine außenpolitische Druckkulisse auf­ gebaut, die das südafrikanische Regime unter Zugzwang brachte, der durch die innenpolitischen Schwierigkeiten weiter verstärkt wurde. Die Um­ setzungen der ersten Sanktionsforderungen der UN wurden zunächst nur schleppend umgesetzt und erfuhren erst ab Mitte des Jahrzehnts deutliche Unterstützung, insbesondere durch die USA.79 Somit liegen die Entwicklungen und ihre Quellenstudie einschließlich ihrer Bewertung im Wesent­ lichen außerhalb des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Arbeit. Bis 1981 hat die deutsche Wirtschaft gesamthaft von dem Handel mit Südafrika profitiert, hier vor allem auch die Automobilhersteller. Eine Besserstellung gegenüber beispielsweise den US-Automobilkonzernen, die sich ab 1976 bzw. vor allem ab 1985/86 unter dem Einfluss des „Comprehensive AntiApartheid Act“ aus der Republik am Kap zurückzogen, muss jedoch zurückhaltend bewertet werden, da, wie Cron und Duncan feststellten, die US-Hersteller über Umwege – wie Management Buyouts und Lizenzvergaben – weiterhin auf dem südafrikanischen Markt mit ihren Produkten vertreten blieben.80 In den nachfolgenden Abschnitten wird das Engagement der BMW AG in Südafrika genau analysiert. Einleitend wird zunächst auf den Beginn des Exportgeschäftes sowie die Vergabe von Montagelizenzen eingegangen, um darauffolgend zu erläutern, wie es zur Gründung der BMW-eigenen süd­ afrikanischen Produktions- und Vertriebsgesellschaft kam. Weiterhin werden die Aktivitäten des Unternehmens mit Hilfe des 4+2P-Konzeptes analysiert.

5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika Um das finanzielle Risiko zunächst gering zu halten, kam für BMW vorerst nur eine in Auftrag gegebene Montage in Südafrika in Frage. Rasch wurde deutlich, dass die bestehende Geschäftsbeziehung zu dem Importeur Club Motors, der bis dahin durchaus erfolgreich speziell im Motorradsegment ge78 

Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen. Vgl. Bacia/Leidig, Anti-Apartheid-Bewegung, S. 111–116. 80  Vgl. Duncan, South African Motor Industry, S. 70–74; Cron, Deutsche Unternehmen, S. 154–171. 79 

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arbeitet hatte,81 zur PKW-Montage aufgrund des notwendigen Investitionsumfanges nicht geeignet war. Dennoch schloss man den bisherigen Partner in den diskutierten Folgelösungen aufgrund der vergangenen zufriedenstellenden Kooperation nicht gänzlich aus. Eine Trennung zwischen dem PKWund Motorrad-Import von BMW-Produkten erschien der Geschäftsführung also bereits früh als gangbare Lösung. Ab 1966 gewann die Suche nach einem entsprechenden Kooperationspartner zusehends Kontur. Verantwortlich für die zustande kommenden Kontakte zwischen BMW und den potentiellen Firmen war Baron von Kuhn, der im Rahmen des BMW-Delegiertensystems für die Absatzregion Südafrika zuständig war (vgl. Kapitel 3.5.2.1).82 Von Kuhn, der mit seiner Firma Establishment Sudamerop vor allem in Südamerika und Afrika für BMW vermittelnd tätig war,83 wirkte als maßgeblicher Initiator zur Kontaktaufnahme zu möglichen Partnerunternehmen. Bei den im Anschluss stattfindenden Gesprächen nahm von Kuhn hingegen nicht persönlich teil, so dass diese direkt zwischen der BMW AG und dem in Frage kommenden Partnerbetrieb geführt wurden. Hier wollten die BMW-Verkaufsabteilungen ihren Delegierten keinen allzu großen Handlungsspielraum einräumen und dadurch die eigenen Unternehmensinteressen wahren.84 Das 1964 von der südafrikanischen Regierung bekanntgegebene Local-ContentProgramm, das von den Herstellern forderte, bei einer Montage bereits im Jahre 1966 mindestens 45 Prozent der Komponenten durch die nationale Industrie zu beziehen, hatte hierbei eine katalytische Wirkung.85 Infolge nahm das Vertriebsressort unter der Ägide des damaligen BMW-Vertriebsvorstands Hahnemann die Geschäfte in Südafrika in den Fokus und untersuchte die dortige Lage sowie die Chancen des Marktes für BMW durch die unternehmenseigene Marktforschungsabteilung.86 Die daraufhin erstellten Marktanalysen beschrieben ein hochmotorisiertes Land, dessen Neufahrzeugverkauf fast ausschließlich auf die weiße Bevölkerung zurückging. Aber auch andere Bevölkerungsteile wurden als mögliche Zielgruppen nicht außer Acht gelassen, da sich etwa der Gebrauchtwagenmarkt zu 90 Prozent auf die Kaufkraft der farbigen Bevölkerung stützte. Der Fahrzeugbestand des Landes hatte sich in dem Zeitraum von 1950 bis 1965 um das rund 2,5-Fache auf rund 81  Club Motors vertrat in Südafrika neben BMW-Motorrädern ebenfalls Mopeds der Marke DKW und Suzuki, vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 82 Vgl. Schreiben der BMW AG an Euro-Republic-Automobile Distributors (Pty) Ltd. vom 21. 12. 1967, in: BMW UA 1983/1. 83 Vgl. Delegiertenvertrag zwischen der BMW AG und Establishment Sudamerop vom 20. 03. 1967, in: BMW UA 736/1. 84 Vgl. Gesprächsnotizen der BMW-Verkaufsabteilungen, 1966–1967, in: BMW UA 1544/1. 85  Vgl. Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1. 86 Vgl. exemplarisch Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1; MF-Berichte, 1967–1971, in: BMW UA 516/1.

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134 000 PKW (1966) erhöht und die Exportabteilung hielt bei entsprechender Montage und einem einhergehenden weiteren Vertriebsaufbau einen ­Absatz von 3 500 bis 4 800 BMW-Fahrzeugen pro Jahr für möglich.87 Retrospektiv handelte es sich dabei um eine sehr optimistische Einschätzung, denn erst ab 1975 konnten Zulassungszahlen in dieser Größenordnung erreicht werden.88 Ab 1966 kamen die ersten ernst zu nehmenden Gespräche zwischen der BMW AG und potentiellen Montagepartnern zustande. Hierbei konzentrierte man sich vornehmlich auf den Industrieraum um Pretoria und Johannesburg, wo auch der bisherige Importeur Club Motors ansässig war. Dort hatten sich bereits zahlreiche Montagewerke angesiedelt, die als mögliche Partner für den Einstieg in die in Auftrag zu gebende CKD-Fertigung in Frage kamen.89 Diese räumliche Orientierung wurde vermutlich gefördert durch die seit den späten 1950er Jahren zunehmenden Bestrebungen der ­Regierung, Hersteller vor allem in den sogenannten „border areas“ wie Pretoria/Rosslyn, Durban oder East London anzusiedeln.90 Derartige Maß­ nahmen wurden im Rahmen der sogenannten „Homelandpolitik“ des süd­ afrikanischen Apartheidregimes forciert.91 Die Homelands waren Ausdruck der diskriminierenden Apartheidpolitik und waren für eine weitgehende Trennung zwischen Weißen und Schwarzen verantwortlich. Obwohl diese Homeland-Territorien lediglich 14 Prozent der südafrikanischen Landes­ fläche ausmachten, lebten dort 1980 bereits 35 Prozent der Gesamtbevölkerung.92 Durch die Ansiedlung von Firmen in der Nähe von Homelands, wie 87  Vgl.

Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 88 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, in: BMW UU 205/10; Protokoll Nr. 48/74 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1974, in: BMW UA 852/2. 89  Da die Investitionen für einen eigenen Montagebetrieb sehr hoch waren, beabsichtigte BMW, mit bereits bestehenden Werken vor Ort in eine Kooperation zu treten, vgl. Schreiben der BMW Exportabteilung an Fa. Horst Film GmbH & Co.KG in München vom 14. 04. 1966, in: BMW UA 516/1. 90  Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 66. 91  Vgl. Marx, Südafrika, S. 230–232. 92  Vgl. Addleson, Mark / Tomlinson, Richard (1986): Industrial Decentralisation Policy and the Prospects for the Development of South Africa’s Homelands, in: The Journal of Modern African Studies, Vol. 24, No. 1, pp. 155–163, hier p. 157. Für weiterführende Informationen über die diskriminierende Homelandpolitik Südafrikas, vgl. van Lengerich, Wolf (2001): Das Staatsbürgerschaftsrecht Südafrikas unter besonderer Berücksichtigung der ehemaligen Homelands, in: Verfassung und Recht in Übersee / Law and Politics in Africa, Asia and Latin America, Vol. 34, No. 3, pp. 361–386; Pickles, John / Woods, Jeff (1992): South Africa’s Homelands in the Age of Reform. The Case of QwaQwa, in: Annals of the Association of American Geographers, Vol. 82, No. 4, pp. 629–652; Comaroff, John (1974): Chiefship in a South African Homeland. A Case Study of the Tshidi Chiefdom of Bophuthatswana, in: Journal of Southern African Studies, Vol. 1, No. 1, pp. 36–51.

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etwa Bophuthatswana, standen den Betrieben Wanderarbeiter aus den angrenzenden Gebieten als günstige Arbeitskräfte zur Verfügung. Die niedrigen Löhne der hohen Zahl an ungelernten Arbeitern, die durch die Nähe zu den Homelands und Townships in den Fabriken beschäftigt werden konnten, stellten also durchaus einen Standortanreiz für sich niederlassende Industriebetriebe dar.93 Datsun-Nissan eröffnete im Jahre 1966 eine Produk­ tionsstätte in Rosslyn, im Westen von Pretoria, BMW und Fiat folgten 1968, Alfa-Romeo 1973. Auch Chrysler begann 1968, sein großes Werk nahe Kapstadt nach Silverton, östlich von Pretoria, in die Nachbarshaft des Township Mamelodi zu verlagern.94 Derartige Unternehmenscluster, wie Porter sie in seinem Wettbewerbsmodell nennt, in denen sich ein ganzer Industriezweig mit Zulieferbetrieben geographisch niederlässt, bieten darüber hinaus auch dynamische Entwicklungsvorteile, wie etwa Detroit für die Automobil, ­Maschinen- und Autozulieferindustrie oder auch die Region des Silicon Valley für die IT-Branche gezeigt haben.95 Die Vorteile des Standortes Südafrika lagen also ebenso in den Synergieeffekten dieser Clusterregionen und der geographisch exponierten Lage für den Export.96 Die Umgebung der Hauptstadt Pretoria erfreute sich einer hohen Beliebtheit bei den ausländischen Firmen der Automobilindustrie: “The most favored sites were around Pretoria, in newly laid out industrial zones close to the homelands, where inexpensive land and cheap black labour along with generous government decentralization subsidies, proved irresistible attractions to the new automobile companies and components suppliers.”97

In den analysierten Quellen ließen sich keine Hinweise darauf finden, dass sich die BMW AG explizit aufgrund niedriger Löhne von Wanderarbeitern in einer „boder area“ niederließ. Günstige Personalkosten und Fertigungskostendifferenzen spielen allerdings stets bei Standortentscheidungen gemäß der Standorttheorie nebst weiteren Faktoren, wie etwa marktbezogenen Va93 

Vgl. Yousuf, Hilmi (1986): American Transnational Corporations and the Republic of South Africa, in: Pakistan Horizon, Vol. 39, No. 3, pp. 52–62, hier p. 52. 94  Vgl. Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 37, Fußnote 69. 95  Vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 155–161; Klepper, Steven (2007): Disagreements, Spinoffs, and the Evolution of Detroit as the Capital of the U.S. Automobile Industry, in: Management Science, Vol. 53, No. 4, pp. 616–631; Barkley, David / Henry, Mark (1997): Rural Industrial Development. To Cluster or Not to Cluster?, in: Review of Agricultural Economics, Vol. 19, No. 2, pp. 308–325. Für die Entstehung neuer Cluster in anderen Regionen, vgl. Depner, Heiner / Bathelt, Harald (2005): Exporting the German Model: The Establishment of a New Automobile Industry Cluster in Shanghai, in: Economic Geography, Vol. 81, No. 1, pp. 53–81. 96  Die Möglichkeiten des Exports waren wiederum eingeschränkt bzw. gefährdet vor dem Hintergrund der Apartheidpolitik, die international von mehreren Staaten stark kritisiert wurde. Diese Kritik reichte bis zu Boykott-Aufrufen südafrikanischer Waren, wie etwa 1963 im UN-Sicherheitsrat, der jedoch vom Sicherheitsrat abgelehnt wurde, vgl. [o. V.] (1963): Boykott gegen Südafrika. Die Apartheid treibt Vervoerd in die Isolation, in: DIE ZEIT, Jg. 18, Nr. 33 vom 16. 08. 1963. 97  Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 37.

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riablen und staatlichen Anreizen, eine tragende Rolle (vgl. Kapitel 1.2.2).98 Weiterhin ausschlaggebend waren für BMW zur Ansiedlung in Südafrika vor allem die Vielzahl an dort bereits angesiedelten Montageunternehmen, die als potentielle Partner in Betracht kamen, sowie die bereits bestehenden Kontakte in der Gegend um Johannesburg/Pretoria durch den Importeur Club Motors. Ferner wurde die – bisweilen von der Regierung forcierte – hohe Fluktuation unter den Arbeitern im Werk in den Anfangsjahren der BMW SA als ernst zu nehmendes Problem gewertet, dem die Geschäftsführung der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft frühzeitig entgegenzuwirken suchte.99 Diese Entwicklung, die in den 1960er Jahren einsetzte, beschrieb einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, der die südafrikanische Wirtschaft erfasste und verdeutlichte, dass im Zuge des Modernisierungsprozesses anstatt einer Vielzahl ungelernter Arbeitskräfte zunehmend technisch gebildetes Personal nötig war. Dies betraf die Automobilindustrie in besonderem Maße.100 1966 nahm BMW erste Sondierungsgespräche mit potentiellen südafrikanischen Partnern für eine mögliche Auftragsfertigung auf. Hierzu zählte ­unter anderem eine Firma namens Austral Engineering (Pty) Ltd. mit Sitz in Johannesburg, die bereits eine LKW-Montage für die Marke Henschel betrieb. Diskutiert wurde zunächst der Aufbau des BMW 2000 auf der Basis von in München gefertigten CKD-Teilesätzen.101 Rasch tat sich allerdings in der ersten Sondierungsphase ein anderer Partner hervor, der in besonderem Maße für eine Kooperation geeignet erschien: Johannes Hermanus Pretorius, leitender Direktor und Hauptanteilseigner der Hugh Parker (Pty) Ltd. (Hugh Parker), mit dem BMW seit 1966 in Verbindung stand.102 Pretorius galt in Südafrika als angesehener Geschäftsmann.103 Er hielt den Vorsitz an mehreren Firmen der Hugh Parker Group und pflegte gute Verbindungen zu Regierungskreisen.104 Er verfügte also nicht nur über die notwendigen Kontakte sowie das Kapital, sondern bot überdies noch einen weiteren Vorteil: Vor dem Konkurs der deutschen Firma Borgward hatte Pretorius Lizenzen zur Einfuhr von Automobilen dieses Fabrikats nach Südafrika erworben. Da das Geschäftsverhältnis zwischen Pretorius und dem Bremer Hersteller nach dessen Konkurs gelöst war, verfügte Pretorius somit noch im Jahre 1967 über 98 

Vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 118. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 27. 06. 1975 und 30. 10. 1975, in: BMW UA 2018/1. 100  Vgl. Marx, Südafrika, S. 257f. 101 Vgl. Schreiben der BMW AG an die Fa. Austral Engineering (Pty) Ltd. vom 28. 06. 1967, in: BMW UA 1544/1. 102  Vgl. Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1. 103  Vgl. Vertraulicher Bericht zu Euro-Republic Automobiles Distributors (Pty) Ltd. vom 09. 12. 1968, in: BMW UA 1983/1. 104 Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Hugh Parker (Pty) Ltd., 18. 03. 1971, in: BMW UA 1546/1. 99  Vgl.

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1 800 „freie“ Einfuhrlizenzen für Kraftfahrzeuge.105 Eine Übertragung dieser Lizenzen auf BMW barg die Möglichkeit, den geforderten Local-ContentAnteil von 50 Prozent um einige Monate nach hinten zu verschieben und somit den Einstieg in die CKD-Montage mit Local-Content-Anteil sanfter zu gestalten.106 Zu diesem Zweck wurde am 18. August 1967 unter der Dachorganisation der Hugh Parker Group, mit Pretorius als Persona grata, die Importfirma Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd.107 (ERAD) mit Sitz in Pretoria gegründet.108 An dem neuen Unternehmen hielten mehrere südafrikanische Firmen – namentlich Hugh Parker, Jupiter Motor ­Distributors (Pty) Ltd. (Jupiter Motor),109 Wolmans (Pty) Ltd. und Club Motors – Anteile.110 Die BMW AG beteiligte sich finanziell nicht an dieser Neugründung, sie wurde jedoch von ihr begrüßt und mit der Montage sowie dem Vertrieb von BMW-Wagen beauftragt. Demgemäß waren im Laufe der kommenden Jahre Vertreter aus München häufig zu Gast in den Sitzungen der ERAD-Geschäftsleitung.111 Ferner stellte BMW mit der Gründung der neuen Firma dieser Exklusivverträge in Aussicht, welche kurz darauf am 1. September 1967 abgeschlossen wurden. Hierbei handelte es sich sowohl 105 Grundsätzlich hätten alle Lizenzen, die vor 1966 ausgestellt worden waren, zu diesem Zeitpunkt verfallen müssen. Aufgrund der guten Verbindungen zwischen Pretorius und dem südafrikanischen Industrieminister Kotzenburg und aus Gründen, die schriftlich nicht festgehalten wurden, konnten jedoch diese Lizenzen revalidiert und von Pretorius für BMW angeboten werden, vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 106  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993. 107  Pretorius wollte das Akronym „BMW“ in den neuen Firmennamen mit einbeziehen. Dies war jedoch weltweit allen Importeuren vertraglich zum Schutz des Firmennamens durch die BMW AG untersagt. Zwar kam es gegen Ende der 1960er Jahre zu einer allmählichen Aufweichung dieses Verbots, dem neuen südafrikanischen Partner räumte man jedoch noch nicht dieses Recht ein, da er für die BMW AG ein noch unbeschriebenes Blatt war, vgl. Schreiben der BMW-Rechtsabteilung an J.H. Pretorius vom 29. 03. 1967, in: BMW UA 1983/1. 108 Vgl. Vertrag (Montage) zwischen der Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. und der BMW AG vom 01. 09. 1967, in: ebd. 109  Pretorius war nicht nur Hauptanteilseigner der Hugh Parker Ltd., sondern darüber hinaus auch von Jupiter Motor Distributors (Pty) Ltd., vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd., 28. 11. 1967, in: BMW UA 2008/1; Schreiben der Standard Bank of South Africa Ltd. an Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd. vom 17. 11. 1967, in: BMW UA 2007/1. 110 Vgl. Vertrag (Montage) zwischen der Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. und der BMW AG vom 01. 09. 1967, in: BMW UA 1983/1. Ursprünglich waren in dem Vertrag vom 01. 09. 1967 anstatt Jupiter Motor die Firmen Kaiser Jeep und Lucy Holdings aufgeführt, was BMW jedoch durch ein Schreiben an ERAD vom 26. 07. 1968 durch Pretorius ändern ließ, vgl. Schreiben der BMW AG an Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. vom 26. 07. 1968, in: ebd. Verbindungen zwischen Kaiser Jeep und Jupiter Motor hatte es schon zuvor gegeben, vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd., 28. 06. 1967, in: BMW UA 2007/1. 111  Vgl. Protokolle der Sitzungen des ERAD-Direktoriums 1967–1972, in: BMW UA 2008/1.

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um einen Importeur- als auch um einen Montagevertrag, die zum 1. Januar 1968 in Kraft traten und vorerst bis zum 31. Dezember 1972 terminiert wurden. Beide Verträge waren aneinander gekoppelt und die Kündigung des einen sollte die Auflösung des anderen nach sich ziehen. Mit ihnen wurde ERAD das ausschließliche Verkaufsrecht von Wagen der Marke BMW für die Gebiete der Republik Südafrika, Südwestafrika, des Königreichs Leshoto, der Republik Botswana sowie des Protektorats Swasiland übertragen. Ein­ zige Ausnahme der BMW-Exklusivitätsklausel bildete das Zugeständnis gegenüber ERAD, ebenfalls Mitsubishi-Fahrzeuge vertreiben zu dürfen.112 Club Motors blieb indessen, abgesehen von einer Minderheitsbeteiligung an ERAD, der ausschließliche Importeur für Motorräder der Marke BMW, womit aus Vertriebssicht eine Trennung des PKW- und Motorradsegmentes für das Gebiet Südafrika vollzogen war; eine Vertriebspraxis, die bei BMW bis in die frühen 1980er Jahre häufig anzufinden war (vgl. Kapitel 3.5.2). Parallel zu dem Entschluss, in Südafrika eine lokale Montage in Kooperation aufzubauen, gingen auch Überlegungen darüber einher, welches Fahrzeug aus dem BMW-Programm für eine solche Montage am geeignetsten war. Als Grundlage diente hierfür vor allem eine von der Verkaufsabteilung durchgeführte Analyse des südafrikanischen Marktes. Auf dieser Grundlage wurde in München entschieden, aus Kostengründen zunächst nur ein Modell in Südafrika montieren zu lassen. Der Vorstand hielt zu diesem Zweck den BMW 1800 oder den BMW 2000 am geeignetsten, wobei letzteres Modell favorisierte wurde. Beide Varianten wurden in Südafrika bereits durch Club Motors in geringen Stückzahlen zu einem Preis von 2 953 Rand (BMW 1800) und 3 318 Rand (BMW 2000) angeboten.113 Erst nachdem die engere Wahl zur anvisierten CKD-Fertigung bereits auf diese Fahrzeuge gefallen war, wurde Pretorius in die Gespräche zur weiteren Entscheidung für einen dieser beiden Typen mit einbezogen.114 Mitte 1967 wurden jedoch die Montagepläne des BMW 2000 ad acta gelegt, als sich die Ausgangsbasis der BMW-Modellpallette durch den Erwerb der Hans Glas GmbH veränderte. Die Übernahme der Hans Glas GmbH (Glas) einschließlich des Werkes in Dingolfing wirkte sich in mehrfacher Weise auf die Entscheidungen hinsichtlich der BMW-Aktivitäten in Südafrika aus: Tatsächlich gestaltete sich der Aufbau einer in Kooperation betriebenen Montage schwierig und erhielt überdies im BMW-Vorstand zunächst nicht die Priorisierung, die ein solches Projekt erforderte.115 Grund hierfür war unter anderem die kapazitative Auslastung der Geschäftsführung durch die Glas-Übernahme, vor allem des Vertriebs112 Vgl.

Importeurvertrag zwischen der Euro-Republic Automobile Distributors (Pty.) Ltd. und der BMW AG vom 01. 09. 1967, in: BMW UA 1983/1. 113  Vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 114 Vgl. Schreiben der BMW AG an J.H. Pretorius, Hugh Parker (Pty) Ltd. vom 29. 03. 1967, in: BMW UA 516/1. 115  Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen, 1967, in: BMW UA 411/1.

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sowie des Produktionsressorts. Das niederbayerische Familienunternehmen war infolge seiner Insolvenz durch die BMW AG übernommen worden, was zu einer Erweiterung der Münchner Produktionskapazitäten um das Werk in Dingolfing führte.116 Der Erwerb von Glas hatte auf die Montageplanungen in Südafrika unmittelbaren Einfluss: Nachdem man nun im Jahre 1967 erhebliche Investitionen im Zuge des Firmenkaufs geleistet hatte, suchte die BMW-Geschäftsführung, im Anschluss hieran kosteneffizient zu wirtschaften und möglichst viele Synergieeffekte zwischen Dingolfing und München zu schaffen. Weiterhin gestützt wurden diese Bemühungen durch Vertriebsvorstand Hahnemann, der im Juni 1967 zum Generalbevollmächtigten von Glas ernannt wurde.117 So wurden, wie bereits oben angeführt, die bis dato laufenden Überlegungen zur Montage des BMW 2000 in Südafrika zugunsten eines neuen Modells eingestellt: „Nach reiflicher Überlegung und insbesondere durch die Eindrücke, die unsere Herren in Südafrika gewinnen konnten, haben wir uns inzwischen entschieden, Ihnen für die Durchführung des Projektes ein neues Modell unseres Gesamtprogrammes anzubieten, mit dem die Erreichung des geforderten local-contents aus fertigungstechnischen Gründen leichter und mit geringeren Investitionen möglich ist. Es handelt sich dabei um ein Modell, dass wir ab Herbst 1967 in Deutschland auf den Markt bringen. Das Fahrzeug entspricht im wesentlichen der Ihnen bekannten Glas-Limousine der Typenreihe 1700, wird jedoch mit einem BMW-Motor der Typenreihe BMW 1800 ausgerüstet. Das Fahrzeug läuft unter der Typenbezeichnung BMW.“118

Es sollte ein neuer Wagentypus namens BMW 1800 GL, sozusagen eine Zwitterform aus BMW und Glas, in Südafrika zum Einsatz kommen, wobei die Karosserie von Glas stammte und lediglich ein BMW-Motor sowie Getriebe verbaut wurden. Diese Entscheidung basierte nicht auf einer fundierten Marktbeobachtung oder -analyse, wie es Vertriebsressortchef Hahnemann ursprünglich seit Mitte der 1960er Jahre verstärkt eingefordert und umgesetzt hatte.119 Stattdessen wurde die Entscheidung aus einer reinen Kosten- und Produktionssicht heraus getroffen. Auch das BMW-Technikressort unter Gieschen war Fürsprecher einer Montage auf Grundlage der GlasKarosserie, da ihre technische Konzeption in entscheidendem Maße „aufgrund der spezifischen Glas-Fertigung am ehesten den Möglichkeiten eines breiteren Nachbaues in Ländern mit einer noch nicht hoch entwickelten Fertigungstechnik entsprach“.120 Die BMW-Zentrale änderte also das für Süd­ 116  Für weitere Details zur Übernahme der Hans Glas GmbH und ihrer Bedeutung für die BMW AG, vgl. Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke 1945–1969, Kapitel 5, S. 309–372. 117  Vgl. Protokoll Nr. 22/67 der Vorstandssitzung vom 06. 06. 1967, in: BMW UA 411/1. 118  Schreiben der BMW AG, Technische Abteilung TS, an Herrn Pretorius der Fa. Hugh Parker (Pty) Ltd. vom 28. 06. 1967, in: BMW UA 1544/1. 119  Vgl. Marktpsychologische Gutachten von Prof. Bernt Spiegel für die BMW AG, in: BMW UA 713/1. 120  Aktennotiz „Besprechung bei Vorstand V – Herrn Hahnemann am 23. 6. 67 mit VE und TS über CKD-Projekt Südafrika“, 27. 06. 1967, in: BMW UA 516/1.

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afrika anvisierte CKD-Fertigungsprogramm ohne Rücksprache mit dem dortigen Montagepartner. Pretorius hatte zwar im März 1967 Interesse an einer Montage der Glas 1700 Limousine bekundet, dies jedoch mit der Forderung verknüpft, dieses Fahrzeug nur als Rechtslenker und als Glas-PKW zu verkaufen, also als Produkt einer Tochtergesellschaft von BMW; nicht als BMW-Fahrzeug an sich. Die Verkaufsabteilung in München hielt ein derar­ tiges Vorgehen im März 1967 noch durchaus für möglich, stellte jedoch fest, dass zuvor eine eingehende Analyse des Marktes erfolgen musste, die einige Monate in Anspruch nehmen würde.121 Eine solche Marktanalyse wurde jedoch letztlich – offenbar aus Zeit- und Kostengründen – nie erstellt: Es galt die Maxime des schnellen Handelns.122 Vor diesem primär technokratischen Hintergrund wurden die Rechtslenker-Entwicklung und die Einrichtung einer CKD-Abteilung bei Glas auf BMW-Vorstandsebene vorangetrieben. Im Fokus für diese Produkte stand als Absatzregion nicht länger nur Südafrika, sondern auch weitere Länder wurden diskutiert, wie etwa Griechenland.123 Diese Pläne zur Ausweitung des Verkaufsgebietes verloren sich allerdings letztlich in der Theorie und somit wurde der sogenannte BMW 1800 GL nie außerhalb von Südafrika angeboten. Obgleich zunächst angedacht war, den BMW 1800 GL auch in Deutschland anzubieten, wurde diese Idee nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen wurden 1968 nach dem Auslaufen der Produktion des Glas 1700 in Dingolfing sämtliche Werkzeuge, Maschinen und Pressen für diesen Fahrzeugtyp nach Südafrika verschifft, um dort endlich die CKD-Montage aufnehmen zu können.124 Dies geschah in Rücksprache mit dem neuen PKW-Importeur ERAD, dem diese Werkzeuge und Fertigungsvorrichtungen mit 2,6 Mio. DM in Rechnung gestellt wurden.125 Während die Geschäftsleitung in München eingangs vorsah, lediglich ein Modell in der südafrikanischen Republik montieren zu lassen, wurde im Vertriebsressort seit Mitte 1968 angeregt, noch mindestens ein weiteres Modell an die Seite des BMW 1800 GL zu stellen, um die vorgesehenen Absatzzahlen erreichen und das über ERAD bereits aufgebaute 121  Vgl.

Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 122  Damit folgte BMW, wie zuvor bereits in den 1950er Jahren, abermals nicht den Gesichtspunkten der Nachfrage, sondern suchte den Markt gewissermaßen durch das eigene Angebot zu bestimmen. Ein Vorgehen, von welchem sich die Münchner Geschäftsleitung unter der Ägide Hahnemanns ursprünglich abgewandt hatte, da diese Praxis bereits in den 1950er Jahren mit dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt gescheitert war (vgl. Kapitel 2.4). In diesem Kontext, offenbar auch unter dem Einfluss des hohen Investitions- und Zeitdrucks, fiel das Unternehmen bei der Erschließung des südafrikanischen Marktes temporär in alte Muster zurück. 123 Vgl. Protokoll Nr. 34/67 der Vorstandssitzung vom 24. 08. 1967, in: BMW UA 411/1. 124 Vgl. Verträge zur Übernahme der Werkzeuge und Montagevorrichtungen, in: BMW UA 1547/1. 125  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993.

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Händlernetz optimal nutzen und hinreichend bedienen zu können. Das Programm sollte um die Varianten des BMW 1600 GL sowie des BMW 2000 GL erweitert werden, um höhere Absatzzahlen und Skaleneffekte erzielen zu können, wobei auch hier die Karosserie der Glas 1700 Limousine als Grundlage dienen und um einen BMW-Motor (1,6-Liter bzw. 2,0-Liter) sowie ein BMW-Getriebe ergänzt werden sollte.126 Zu einem späteren Zeitpunkt sollte auch der BMW 2800 SA montiert werden.127 Der in Erwägung gezogene BMW 1600 GL wurde jedoch nach Einwänden des Importeurs zum Ende des Jahres 1968 fallengelassen, da ein Preisunterschied zu den Varianten BMW 1800 GL und BMW 2000 GL in Südafrika nur zu ­Lasten des Ergebnisses von ERAD zu erreichen gewesen wäre.128 Somit war Ende 1968 der Entschluss gefallen, für den südafrikanischen Markt den BMW 1800 GL und BMW 2000 GL vor Ort zu fertigen. Die mit Motoren der Neuen Klasse und Rechtslenkung ausgerüsteten Wagen erfuhren keine weiteren Änderungen an der Karosserie, lediglich die Glas-Logos wurden gegen BMW-Embleme ausgetauscht. Diese für den südafrikanischen Markt leicht veränderten Modelle wurden fortan synonym auch als BMW 1800 SA bzw. BMW 2000 SA bezeichnet. Bei diesen Modellen handelte es sich, ins­besondere aus optischer Sicht, primär um Glas-Fahrzeuge, mit denen BMW den Einstieg in die CKD-Fertigung in Südafrika wagte. Diese Entwicklung sowie das Modelpro­ gramm für Südafrika von 1968 bis 1974 in Form des BMW 1800 GL/SA und BMW 2000 GL/SA verdeutlicht, welchen nachhaltigen Einfluss die Übernahme von Glas auf die Markterschließung einschließlich der Strategie für Südafrika bei BMW hatte. In diesem Sinne erscheint es ferner als fragwür­ diges, wenn nicht sogar fahrlässiges Vorgehen, mit einem lediglich durch Motor, Getriebe und Logo als BMW-Fabrikat gekennzeichneten Produkt ­einen anspruchsvollen Markt durch „Zwittermodelle“ für die bereits bekannte Marke BMW einnehmen zu wollen; also mit Modellen, die keineswegs markentypische BMW-Fahrzeuge waren (vgl. Kapitel 5.4.3). Durch die bereits erwähnten freien auf BMW übertragenen Einfuhrlizenzen aus dem Besitz von Pretorius konnte der Einstieg in die CKD-Montage auf das Jahr 1968 verschoben werden, wobei der hohe Lokalanteil erst ab 1969 zu erbringen war. Demnach wurden die ersten BMW 1800 SA und BMW 2000 SA, die ab August montiert wurden, noch zu 90 Prozent aus in Deutschland produzierten CKD-Teilen gefertigt.129 Während die BMW AG 126 Vgl. Berichterstattung über die Reisen der Herren Winkler und Arnhardt zum Südafrika-Geschäft bei Vorstand V (Hahnemann), 03. 09. 1968, in: BMW UA 516/1. 127  Vgl. Pressefoto „Franz Josef Strauß besucht das BMW-Werk in Pretoria, Südafrika“, 1971, in: BMW AF 32041/1. 128  Vgl. Situationsbericht Südafrika der Vertriebsabteilung VEM vom 12. 12. 1968, in: BMW UA 516/1. Von dem BMW 1600 GL wurden lediglich 300 Stück gefertigt. Dieses Modell konnte sich mit solch niedrigen Stückzahlen unmöglich amortisieren, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 129  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993.

5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika

601

einen Montagevertrag mit ERAD abschloss, war ERAD in Rücksprache mit München dafür verantwortlich, über einen Subkontrakt die Montage als Lohnauftrag an einen adäquaten Betrieb zu vergeben.130 Hierfür standen zwei Firmen in der engeren Auswahl: Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd.131 und der seit 1966 bestehenden Datsun Nissan Company (Pty) Ltd. [DatsunNissan],132 auch bekannt als Rosslyn Motor Assemblers (Pty) Ltd.133 Ursprünglich war bis Juli 1967 angedacht, die Montage bei der Firma Kaiser Jeep durchführen zu lassen, einer Tochtergesellschaft der Kaiser Jeep International Corp. mit Sitz in den USA,134 die bereits über technisches Knowhow auf dem Gebiet der Montage verfügte, da sie Jeeps und LKW in Afrika montierte.135 Im Frühjahr 1968 sollten zwar neue Werksanlagen bei Kaiser Jeep in Betrieb genommen werden, wobei jedoch der nationale Fertigungsanteil durch externe Zulieferer hätte abgesichert werden müssen, da sie über kein eigenes Presswerk verfügten. Indes bestand bereits eine vertragliche Bindung zwischen Kaiser Jeep und Pretorius über dessen Unternehmen Hugh Parker und Jupiter Motor, die Mitsubishi-Fahrzeuge bei Kaiser Jeep fertigen ließen und in Südafrika vertrieben. Der größte Vorteil in einer Kooperation zwischen ERAD und Kaiser Jeep lag also in der bereits bestehenden und bewährten Zusammenarbeit sowohl im Vertrieb als auch in der Montage zwischen den Firmenhauptanteilseignern. Das fehlende Presswerk gab jedoch vermutlich den Ausschlag, sich letztlich im Sommer 1967 für Datsun-Nissan zu entscheiden, die aufgrund vorhandener Anlagen und Einrichtungen am schnellsten in der Lage waren, Montagearbeiten für BMW zu übernehmen. Entgegen der Namensgebung stand Datsun-Nissan nicht unter maßgeblichem Einfluss japanischen Kapitals. BMW fürchtete dennoch, dass aufgrund des bereits gefertigten Modellprogrammes von Datsun-Nissan, dessen Mittelpunkt der Datsun-Bluebird und der Datsun 2000 bildeten und zu welchem auch der amerikanische Rambler und Alfa Romeo zählten, die 130  Vgl.

Bericht über den Besuch bei der Firma Hugh Parker in Zusammenhang mit dem Projekt CKD-Montage in Südafrika vom 22. 06. 1967, in: BMW UA 516/1, 131  Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd. hatte am 22. 12. 1966 die südafrikanische Firma Willys Afrika (Pty) Ltd. übernommen, die am 20. 01. 1960 mit Sitz in Pretoria/Rosslyn gegründet worden war, vgl. Certificate of Incorporation and Certificate of Change of Name, in: BMW UA 2003/1. Willys Afrika (Pty) Ltd. war am 30. 07. 1963 ein Geschäftsverhältnis mit der Kaiser Jeep Corp. eingegangen, das im Dezember 1964 durch einen neuen Vertrag mit deren Tochtergesellschaft Kaiser Jeep Africa Ltd. ersetzt wurde, vgl. Unterlagen zu Kooperationen, 1963–1964, in: BMW UA 2006/1. 132  Vgl. Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 37, Fußnote 69. 133 Die Firmennamen Datsun-Nissan und Rosslyn Motor Assemblers (Pty) Ltd. ­wurden sowohl in Südafrika als auch in München synonym verwendet: „Die Firma Datsun Nissan ist mit der Fa. Rosslyn Motor Assemblers (Pty) Ltd. identisch.“, vgl. Aktennotiz „Montagevertrag Südafrika“ vom 09. 01. 1968, in: BMW UA 1544/1. 134  Vgl. Assignment Kaiser Jeep International Corporation & Kaiser Jeep Corporation vom 15. 12. 1966, in: BMW UA 2007/1. 135  Vgl. Schreiben von J.H. Pretorius, Hugh Parker (Pty) Ltd., an die BMW AG vom 14. 04. 1967, in: BMW UA 516/1.

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5.  BMW in Südafrika

Gefahr bestand, dass der konkurrierende BMW-Typ bei der Fertigung gegenüber den anderen Modellen vernachlässigt werden könnte.136 Entsprechende Bedenken konnten jedoch durch weiterführende Gespräche zerstreut werden. So schloss ERAD, in Rücksprache mit der BMW AG, am 11. Dezember 1967 einen Montagekontrakt mit Rosslyn Motor Assemblers (Pty) Ltd.,137 der zum 1. April 1968 in Kraft trat und zunächst auf 26 Monate begrenzt war.138 Datsun-Nissan war ferner ab 1969 gegenüber BMW verantwortlich für das Pressen, Zusammenschweißen und Montieren der Karosserien.139 Neben BMW-Fahrzeugen montierte der neue Partner in Rosslyn zu diesem Zeitpunkt Produkte der Hersteller Nissan (LKW/Lieferwagen) sowie Datsun, Rambler, Alfa Romeo und Renault (PKW).140 Durch die Einfuhrlizenzen von Pretorius hatte ein Aufschub der Montage erwirkt werden können, die nun in der zweiten Hälfte des Jahres 1968 bei Datsun-Nissan anlief. Das erste BMW-Fahrzeug konnte am 15. August 1968 ERAD übergeben werden141 und die ersten Beurteilungen des auf einer Tagung südafrikanischer BMW-Händler vorgestellten Fahrzeuges fielen positiv aus. Es bestanden – nach Aussagen eines Reiseberichts eigens für die Berichterstattung nach München entsandter BMW-Mitarbeiter – anfangs lediglich geringfügige Montageschwierigkeiten bei Datsun-Nissan, die nicht zuletzt aus der Tatsache resultierten, dass die Fahrzeugtypen BMW 1800 SA und BMW 2000 SA nicht in Deutschland montiert wurden und somit keine Vorkenntnisse in der Montage dieser Typen existierten. Diese Anlaufschwierigkeiten sollten kurzfristig und federführend von der technischen Abteilung (TS) in München, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Entwicklungsstellen, bereinigt werden. Überdies forderte die BMW-Geschäftsleitung die Verschiffung eines in Südafrika montierten Fahrzeuges nach München an, um sich selbst von dem Produkt und seiner Qualität ein Bild machen zu können.142 Dieses Vorgehen verdeutlicht die enge Rücksprache mit den Verantwortlichen in Deutschland und zugleich, wie stark sich die BMW-Zentrale in der Verantwortung gegenüber den südafrikanischen Partnern sah. Zeigte man sich bei BMW bei Anlauf der Montage noch optimistisch ob der Behebung der anfänglichen Probleme und des weiteren Fertigungsverlaufs, sollte sich diese Einschätzung schon bald ändern: Während man mit 136  Vgl. Bericht über den Besuch bei der Firma Hugh Parker in Zusammenhang mit dem Projekt CKD-Montage in Südafrika vom 22. 06. 1967, in: ebd. 137  Vgl. Schreiben der BMW AG an Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. vom 26. 07. 1968, in: BMW UA 1983/1. 138  Vgl. Memorandum of Agreement zwischen Datsun Nissan Company (Pty) Ltd. und Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd., 1968, in: BMW UA 1547/1. 139  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993. 140  Vgl. Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1. 141  Vgl. ebd. 142 Vgl. Berichterstattung über die Reisen der Herren Winkler und Arnhardt zum Südafrika-Geschäft bei Vorstand V (Hahnemann) vom 03. 09. 1968, in: ebd.

5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika

603

den Leistungen von ERAD zunächst zufrieden war, vor allem hinsichtlich des Ausbaus des Händler- und Kundendienstnetzwerks und aufgrund der Bemühungen von Pretorius, BMW in Südafrika gegenüber der Regierung sowie im Rahmen des Local-Content-Programmes zu positionieren,143 wurden Nachhaltigkeit und Schwere der Probleme im Bereich der Montage im Laufe der Monate immer evidenter. Im Frühjahr 1969 konnte DatsunNissan nur die Hälfte der montierten Einheiten an ERAD ausliefern, da aufgrund einer fehlerhaften Fertigung die restlichen 50 Prozent der Nacharbeit bedurften. Ende März 1969 ergab sich für das aktuelle Jahr bereits eine negative Bilanz von 38 Fahrzeugen, die in Summe mit den Rückständen von 150 Einheiten aus dem Vorjahr einen erheblichen Verlust sowohl für BMW als auch für ERAD bedeuteten. Nicht nur die fünfzigprozentige Fehlerquote galt als ­indiskutabel, auch die Tagesproduktivität von nur acht montierten Einheiten sollte gesteigert werden.144 Die Liste der Beanstandungen an den bei Datsun-Nissan gefertigten Fahrzeugen wurde stetig länger, wobei einige der Fehler auch aus der Zusammenarbeit der verschiedenen Partner resultierten.145 So kam es etwa seitens der BMW AG zu Lieferungen unvollständiger CKD-Sätze, die nicht nur eine jeweils temporäre Stilllegung der Montage nach sich zogen, sondern auch erhebliche Mehrkosten verursachten, da die fehlenden Teile oftmals kurzfristig auf dem Luftweg nachgeliefert werden mussten. Darüber hinaus kamen viele Blechteile wegen unsachgemäßer Verpackung verbeult in Rosslyn an; mitunter war bei der Verschiffung sogar Wasser in die Kisten eingedrungen.146 Hier war erheblicher Nachbesserungsbedarf bei den CKD-Abteilungen in Dingolfing zu leisten. Zu diesen Problemen summierten sich die Montagefehler, die von Datsun-Nissan zu verantworten waren. Des Weiteren traten mangelhafte Lackierungsarbeiten auf, die durch das Eindringen von Staub in die Lackier- bzw. Trockenkabinen verursacht wurden und wiederum auf ERAD zurückzuführen waren.147 Die Fehlerquellen, die zu den beanstandenden Fahrzeugen führten, waren insbesondere in der Anfangsphase mannigfaltig. Um profitabel wirtschaften zu können und nachhaltigen Imageschäden aufgrund mangelhafter Qualität entgegenzuwirken, musste – vor allem aus Sicht von BMW und ERAD – rasch Abhilfe geleistet werden. Beiden Partnern, die gemeinsam das Süd­ 143 

Vgl. ebd. Vgl. Reisebericht Südafrika 17.–28. 3. 1969 vom 01. 04. 1969, in: BMW UA 1544/1. 145  Vgl. Berichterstattung über die Reisen der Herren Winkler und Arnhardt zum Südafrika-Geschäft bei Vorstand V (Hahnemann) vom 03. 09. 1968, in: BMW UA 516/1. 146  Der Versandt der CKD-Teile nach Südafrika erfolgte bis in die späten 1970er Jahre in Holzkisten. Aufgrund des hohen Finanzaufwandes für eine Umstellung wurde erst 1979 die Containisierung eingeführt, gleichwohl die Verschiffung in Holzkisten auch zuvor teurer war als in Containern, vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: BMW UA 1447/1. 147 Vgl. Situationsbericht Südafrika der BMW-Exportabteilung VEM vom 12.  12.  1968, in: BMW UA 516/1. 144 

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5.  BMW in Südafrika

afrika-Projekt initiiert h ­ atten, sahen in einer direkteren Einflussnahme auf die Montagearbeiten die beste Lösung, um die Probleme von Grund auf ­angehen zu können. In diesem Kontext erschien es als willkommene Fügung, dass im Frühjahr 1969 der Hauptanteilseigner von Kaiser Jeep, der US-Mutterkonzern Kaiser Jeep International Corp., an Pretorius herantrat, um ihm ein Angebot zum Kauf der hundertprozentigen Tochtergesellschaft Kaiser Jeep in Südafrika zu unterbreiten.148 Dies geschah vor dem Hintergrund, dass Pretorius bereits in enger Verbindung zu Kaiser Jeep stand: Zunächst über seine Firma Jupiter Motor, dann über seine Funktion als Direktor in der Geschäftsführung von Kaiser Jeep, in die er im Herbst 1967 berufen worden war.149 Nach einigen Wochen der Verhandlungen zwischen Pretorius – als Direktor von Kaiser Jeep sowie Geschäftsführer von Hugh Parker – und Kaiser Jeep International Corp. kam es im Juli 1969 zu der Übernahme von Kaiser Jeep durch Hugh Parker.150 Pretorius hielt die BMW AG im Zuge dessen zwar auf dem aktuellen Stand der Gespräche, die Fachstellen in München waren jedoch an ihnen nicht beteiligt; weder initiativ noch finanziell. Am 3. September 1969 benannte Pretorius seine neue Firma Kaiser Jeep in Praetor Assemblers (Pty) Ltd.151 (Praetor Assemblers) um und verfügte damit über eine eigene Montageanlage exklusive eines Presswerkes.152 Das Unternehmen war nun Teil der Hugh Parker Group und nahm seine Geschäfte im November 1969 unter neuer Geschäftsleitung auf, die im Wesentlichen aus den Direktoren von ERAD bestand, die ebenfalls zur Hugh Parker Group zählte. Bereits in der ersten Sitzung von Praetor Assemblers wurde somit einem Montagevertrag mit ERAD zugestimmt, der rückwirkend zum 1. September 1969 in Kraft trat und zunächst auf drei Jahre abgeschlossen wurde. Die Zahl der zu fer­ tigenden Fahrzeuge sollte ein Maximum von 3 000 Einheiten pro Jahr nicht übersteigen, da die Werksanlagen keine darüber hinausgehenden Kapazitäten boten. ERAD war unter anderem für den sicheren Transport der CKD-Sätze vom Hafen in Durban zum Montagewerk verantwortlich, das in Rosslyn in der Frans du Toit Street lag.153 Praetor Assemblers war primär für die BMW 148  Vgl.

Reisebericht Südafrika 17.–28. 3. 1969, Karosseriewerkzeuge für Local Content, 02. 04. 1969, in: BMW UA 1544/1. 149  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd., 07. 11. 1967, in: BMW UA 2007/1, 150  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd., 17. 07. 1969, in: BMW UA 2007/1. 151  Vgl. Certificate of Change of Name, 03. 09. 1969, in: BMW UA 2003/1. 152  In Südafrika war die Firma auch unter ihrem Afrikaans-Namen Praetor Monteerders (Eiendoms) Beperk bekannt, vgl. Certificate of Change of Name, 03. 09. 1969, in: ebd. 153 Noch heute ist die Frans du Toit Street in Rosslyn Sitz des südafrikanischen BMW-Werks. Für weitere Vertragsdetails zwischen ERAD und Praetor Assemblers, vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Praetor Assemblers (Pty) Ltd., 12. 11. 1969, in: BMW UA 2020/1.

5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika

605

AG tätig, montierte allerdings parallel in kleineren Stückzahlen auch Fahrzeuge der Marken Citroën und Jeep.154 Diese Montage weiterer Fabrikate stieß in der BMW-Geschäftsleitung auf wenig Zuspruch. Letztlich erkannte sie jedoch, gestützt vor allem durch Hahnemann, das Recht von Praetor Assemblers an, Einheiten für andere Hersteller montieren zu dürfen, solange diese Fahrzeuge nicht in Konkurrenz zu BMW von der Hugh Parker Group in Südafrika vertrieben wurden.155 Praetor Assemblers stellte allerdings die Montage von Citroën-Wagen bereits zum Jahr 1971 ein.156 Pretorius erhielt durch die Einverleibung des Montagewerkes in die Hugh Parker Group unmittelbaren Einfluss auf die Montagearbeiten. Aufgrund des fehlenden Presswerkes war er jedoch noch immer auf die Kooperation mit Datsun-Nissan angewiesen. Diese sollten ab 1. Oktober 1969 in den drei verbleibenden Monaten des Jahres noch 250 Rohkarossen für die ausstehenden BMW-Modelle bauen und sie zur weiteren Lackierung und Montage an Preaetor Assemblers liefern.157 Es wurde zugleich beabsichtigt, so viele Arbeiten wie möglich in die Frans du Toit Street zu verlagern, so etwa auch die Teilmontage und die fortführenden Arbeiten an den Karosserien. Dies setzte allerdings einen weiteren Ausbau der ehemaligen Kaiser Jeep-Werksanlagen voraus, der zu Beginn des Jahres 1970 eingeleitet wurde.158 Pressteile sollten indes auch in dieser Planung weiterhin von Datsun-Nissan gefertigt und geliefert werden, worüber ein neuer Vertrag zwischen Praetor Assemblers und Datsun-Nissan geschlossen wurde.159 Die Übernahme von Kaiser Jeep und damit der Montagetätigkeiten führte allerdings nicht umgehend zur Beseitigung der oben aufgeführten Probleme. Zum einen mussten sich die Prozesse in dem neuen Unternehmen Praetor Assemblers erst einspielen und die ­Anlagen ausgebaut werden, zum anderen wirkten sich Schwierigkeiten und Verzögerungen bei Datsun-Nissan auch weiterhin negativ auf die Montage der BMW-Fahrzeuge aus, da Datsun-Nissan noch immer ein wichtiger ­Zulieferer und somit ein Flaschenhals im Fertigungsprozess war. Diese fortdauernden Problemlagen sorgten für erste ernste Verstimmungen zwischen Pretorius und den zuständigen BMW-Fachstellen, die ERAD und Praetor Assemblers für die noch immer bestehenden Fehler verantwortlich machten. 154  Im Jahre 1970 wurden 1 849 BMW–, 569 Citroën- und 47 Jeep-Fahrzeuge bei Praetor Assemblers montiert, vgl. Montagebetriebe und PKW-Zulassungen in Südafrika 1970/1971, in: BMW UA 1548/1. 155  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Euro Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd., 30. 09. 1970, in: BMW UA 2008/1. 156  Vgl. Montagebetriebe und PKW-Zulassungen in Südafrika 1970/1971, in: BMW UA 1548/1. 157 Vgl. Reisebericht Südafrika 06.–12.  09. 1969 vom 15. 09. 1969, in: BMW UA 1544/1. 158  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Praetor Assemblers (Pty) Ltd., 18. 02. 1970, in: BMW UA 2020/1. 159  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Praetor Assemblers (Pty) Ltd., 23. 11. 1970, in: ebd.

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5.  BMW in Südafrika

Im Juli 1970 wies Pretorius in einer Vorstandssitzung von ERAD diese Beschwerden entschieden von sich: “Delays in production and the initial slow start were almost entirely due to R.M.A. [Rosslyn Motor Assemblers / Datsun-Nissan, Anm. d. Verfasserin]. We are now, however, for the first time, able to do the complete assembly ourselves and ensure a proper and consistent flow of sub-assemblies and bodies.”160

Einhergehend mit dem eigentlichen Anlauf der Local-Content-Fertigung schloss BMW im Jahre 1969 mit ERAD einen Lizenzvertrag über die in Südafrika hergestellten Teile, der den Montagevertrag vom 1. September 1967 ergänzte und ebenfalls bis zum 31. Dezember 1972 terminiert wurde. Mit dem zunehmenden südafrikanischen Fertigungsanteil sank der Zulieferanteil von BMW, so dass nun der Abschluss eines Lizenzvertrages notwendig geworden war. Dieser sah entsprechend dem Montage- und Lieferplan Lizenzgebühren vor, die je nach nationalem Fertigungsanteil, gemessen am Fahrzeuggewicht, von 40 DM bis 150 DM ansteigen sollten. Die Erlössituation sollte sich hierdurch für BMW mit sinkendem Lieferumfang aus Deutschland und damit wachsender nationaler Eigenfertigung sowie einer steigenden Lizenzgebühr laufend verbessern, da durch die Verminderung der BMW-Lieferungen die Herstellkosten im Werk München gesenkt wurden.161 Hatte man Ende der 1960er Jahre durch die Einfuhrlizenzen von Pretorius noch einen sanften Einstieg in die CKD-Fertigung gewählt, so erreichte man bereits Ende 1970 einen Local-Content-Anteil von 59 Prozent,162 womit der bis 1971 von dem südafrikanischen Industrieministerium geforderte Anteil aus lokaler Fertigung um 4 Prozent höher war, als es die 1964 eingeführte Phase II des Regierungsprogrammes forderte.163 Überschreitungen des geforderten LocalContent-Anteils waren keine Seltenheit in Südafrika, da viele Hersteller einer eventuellen zukünftigen Erhöhung zuvorkommen und sich somit absichern wollten.164 Für einige weitere BMW-Fahrzeuge in geringeren Stückzahlen konnte Pretorius überdies Sonderlizenzen erwirken, die eine Einfuhr von PKW erlaubten, die zu 90 Prozent in CKD-Form aus München geliefert wurden.165 Diese Sonderlizenzen vermochten das BMW-Modellspektrum für Südafrika zu erweitern und sollten den BMW-Absatz zusätzlich steigern.166

160  Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd., 22. 07. 1970, in: BMW UA 2008/1. 161  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 10. 09. 1969, in: BMW UA 548/2. 162  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993. 163  Vgl. Aktennotiz „Besprechung bei Vorstand V – Herrn Hahnemann am 23. 6. 67 mit VE und TS über CKD-Projekt Südafrika“ vom 27. 06. 1967, in: BMW UA 516/1. 164  Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 75. 165  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993. 166 Vgl. Gesamtumsatz und Zulassungszahlen von BMW-Modellen in Südafrika, 1970, in: BMW UA 1550/1.

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5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika Modell

CKD

CBU

BMW 1800 SA BMW 2000 SA BMW 2800 SA BMW 1600 BMW 1800 BMW 2000 BMW 2002 BMW 2500 BMW 2800 BMW 2800 CS Gesamt

960 1 670 612 – – – – – – – 3 242

– – – 7 1 35 85 48 114 10 300

Gesamt

3 542

Tabelle 61: Lieferungen von CKD-Sätzen und CBU-Einheiten der BMW AG nach Südafrika, 1970. 167

Die erhöhte Lieferung von CKD- und CBU-Sätzen nach Südafrika von insgesamt 3 542 Stück im Jahre 1970 – zum Vergleich: 1969 waren 1 180 BMWWagen zugelassen worden168 – führten allerdings nicht zu einer unmittelbaren Absatzförderung. Vielmehr kam es zu einem erheblichen Lagerbestand an CKD-Sätzen beim Montagepartner in Rosslyn, so dass infolge der Nichterfüllung der Produktionspläne im April 1971 noch immer 1 200 Teilesätze auf ihre Montage warteten. Diese Lagerbestände schmälerten als Konsequenz die Teilesatzlieferungen im Jahre 1971, denn um die Rückstände auf einen normalen Bestand zurückzuführen, plante die BMW AG im selben Jahr 610 Montagesätze weniger, als ursprünglich anvisiert zu liefern.169 Dieses Beispiel verdeutlicht, welchen Schwierigkeiten und Planungsunsicherheiten die Prozesspartner in Südafrika und München gegenüberstanden und dass insbesondere in den ersten Jahren der Kooperation viel Lehrgeld zu zahlen war. Sowohl ERAD und Praetor Assemblers einerseits als auch BMW andererseits waren beständig bemüht, die Fertigungsqualität des nun durch Pretorius direkt betriebenen Werkes zu verbessern. BMW schickte für diesen Zweck immer wieder hochqualifizierte Mitarbeiter aus München und Dingolfing, auch direkt aus den dortigen BMW-Werken, um den Montagepartner und Importeur mit Expertise zu unterstützen. Seitens Pretorius’ erforderten die Bemühungen zur Problembeseitigungen sowie Qualitätssicherung einen stetig steigenden Investitionsbedarf, der die Hugh Parker Group als Ganzes sukzessive an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit brachte, da die einzelnen Firmen der Group untereinander, vor allem die Hugh Parker Ltd., gegenüber Dritten eine Vielzahl von Garantien abgegeben hatten.170 Erste 167 

Vgl. Jahresumsatz CKD-/CBU Südafrika 1970, in: ebd. Vgl. Schreiben von VE an V vom 18. 10. 1971, in: BMW UA 1596/1. 169  Vgl. Notiz von V2, Dr. Baranek, vom 05. 04. 1971, in: BMW UA 516/1. 170  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Praetor Assemblers (Pty) Ltd., 29. 04. 1970 und 22. 07. 1970, in: BMW UA 2020/1. 168 

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5.  BMW in Südafrika

Anzeichen von Kapitalknappheit wurden gegenüber BMW jedoch erst 1971 evident und als solche in der Münchner Zentrale erkannt.171 Die Probleme in der Produktion, einschließlich der mitunter defizitären Qualität der Wagen, waren jedoch nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen sich die Prozesspartner in den ersten Jahren der Montagekooperation auseinanderzusetzen hatten. Weiterer Handlungsbedarf bestand auf Vertriebsseite unter anderem bei der Reorganisation sowie dem weiteren Ausbau des bisherigen BMW-Händlernetzwerks, denn mit der Einführung der SA-Modelle musste eine neue Handelsorganisation aufgebaut werden, die sich bis zu diesem Zeitpunkt zum größten Teil aus Klein- sowie Kleinst-Werkstattbetrieben rekrutierten oder primär verkaufsorientiert waren, wobei der Kundendienst bzw. der Aftersales-Bereich im Allgemeinen vernachlässigt worden war. Systematisch betrieben BMW und ERAD in der Vertriebsorganisation den Aufbau und ersetzten die lediglich am Verkauf interessierten Händler durch solidere Servicebetriebe. 1970 hatte man somit zwar noch keine „Elite“ von Händlerbetrieben, jedoch zahlte sich allmählich der beständig ausgeübte Druck auf Verbesserung aus und machte sich sukzessive bemerkbar. Dennoch belief sich die Zahl der Händler im Juni 1970 auf nur 39 Betriebe.172 Auch aus Vermarktungssicht hatte BMW mit zum Teil hausgemachten Problemen zu kämpfen. Seit dem Beginn der CKD-Montage im August 1968 waren binnen zwei Jahren etwa 2 000 Einheiten der SA-Modelle in Südafrika verkauft worden. Diese zwar als BMW vermarkteten, jedoch von der Öffentlichkeit als BMW-Glas-Zwittermodelle wahrgenommenen Fahrzeuge begegneten auf dem Markt einer Reihe von Vorbehalten; viele Kunden hatten, begleitet durch ein entsprechendes Echo in der Fachpresse, den Eindruck, es bei den SA-Modellen nicht mit einem „echten“ BMW zu tun zu haben.173 Als Folge wurde deren Einführung in Südafrika bereits im Juni 1970 von der Münchner Verkaufs- und Exportabteilung als „spürbarer Fehler“174 bezeichnet: „Der Wagen wurde allgemein als BMW-Ersatz angesehen und mit entsprechender Skepsis aufgenommen. Mit Mitteln der Werbung und Händleraktivität ist inzwischen ein Wandel vollzogen worden, so dass man heute das schändliche Wort ‚Glas‘ immer weniger hört. Auf Importeur- und Händlerebene werden weiterhin die Initialen ‚SA‘ herausgestellt und gefördert, weil es ein Nationalgefühl-Appeal hat und weil kein anderes Fabrikat im Lande diesen Zusatz benutzt. Es wäre wünschenswert, wenn eine entsprechende Sprachregelung auch in München in allen Bereichen eingeführt würde.“175 171 

Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993. Lagebericht Südafrika der BMW Exportabteilung VEL vom 03. 06. 1970, in: BMW UA 1568/1. 173  Vgl. Internes Memo „Südafrika Besprechung Pretorius/Frua in Turin am 7. 4. 71 wegen Facelift des BMW 1800/2000 SA (GL)“ von VNP an V2 vom 15. 04. 1971, in: BMW UA 1550/1. 174 Lagebericht Südafrika der Verkaufsabteilung (VEL) vom 03. 06. 1970, in: BMW UA 1568/1. 175 Ebd. 172  Vgl.

5.2.  Der Aufbau einer CKD-Montage von BMW in Südafrika

609

Nun rächte sich also der 1967 voreilig und primär aus produktionstechnischer sowie finanzieller Sicht getroffene Entschluss zur Einführung der GL/SAVarianten bzw. Zwittermodelle zur Erschließung des südafrikanischen Marktes. In diesem Kontext erwiesen sich auch die ausgelassenen, von den Verkaufsabteilungen ursprünglich für nötig befundenen Marktanalysen als selbst zu verantwortendes Versäumnis.176 Im Sommer 1970 versuchte man, Schadensbegrenzung zu üben, indem die aus Kosten- und Fertigungserwägungen heraus getroffene Einführung der SA-Modelle in Südafrika gegenüber den Kunden und Händlern als besonderes Alleinstellungsmerkmal, speziell für den südafrikanischen Markt, umgedeutet wurde. Hierfür mussten die ehemals verwendeten Variantenbezeichnungen GL durch die ausschließliche Verwendung der Kürzel SA ersetzt werden, was sowohl in München als auch in der Republik am Kap zügig umgesetzt wurde. Auch wenn die entsprechenden Fachstellen einige Monate später konstatierten, dass die neue Handhabe positive Effekte im Sinne einer Imagebesserung erbracht hatte,177 gelangte man im Jahre 1972 dennoch endgültig zu dem Schluss, dass „die derzeitigen SAModelle trotz eines offenbar befriedigenden technischen Standards nicht als vollwertige BMW-Modelle akzeptiert“ wurden.178 Es bedurfte dringend eines verkaufsfördernden Eingriffs, um die Absatzzahlen nicht weiter absinken zu lassen. Die PKW-Zulassungszahlen von 1968 bis 1972 der Tabelle 62 zeigen, dass BMW zwar seinen Marktanteil und die Zulassungen über die Jahre sukzessive zu steigern vermochte, die Zahlen jedoch signifikant unter den im ­Jahre 1967 in Aussicht gestellten Schätzungen von jährlich 3 500 bis 4 800 BMW-Fahrzeugen lagen.179 Verantwortlich hierfür war, neben einem unausgeglichenen Modellprogramm und technischen Schwierigkeiten, vor allem eine defizitäre Produktionsanlage, wie in Kapitel 5.4.4 aufgezeigt wird. BMW PKW-Zulassungen Marktanteil (in %)

1968

1969

1970

1971

1972

340 0,2

1 180 0,7

1 860 0,9

2 059 1,2

2 219 1,2

Tabelle 62: Zulassungszahlen sowie Marktanteile von BMW-Automobilen in Süd­ afrika, 1968–1972.180 176  Vgl.

Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 177  Vgl. Reisebericht Südafrika von Huber (VE-33) vom 29. 04. 1971, in: BMW UA 1993/1. 178  Bericht Südafrika vom 18. 05. 1972, in: ebd. 179  Vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1. 180  Vgl. Schreiben von VE an V vom 18. 10. 1971, in: BMW UA 1596/1; Zulassungszahlen nach Provinzen von 1971–1974, 1974, in: BMW UA 1993/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das 55. Geschäftsjahr 1970, 1971, in: BMW UU 56/10; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München Geschäftsbericht 1971, 1972, in: BMW UU 194/10; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1972, 1973, in: BMW UU 196/10.

610

5.  BMW in Südafrika

Die Tabellenangaben zeigen den signifikanten Einfluss, den die Einrichtung der CKD-Montage auf das automobile Geschäft der BMW AG in Südafrika hatte, auch wenn sie zunächst unter den ursprünglichen Erwartungen blieb. Innerhalb weniger Jahre stieg der BMW-Marktanteil auf 1,2 Prozent an, womit der Münchner Hersteller zwar vergleichsweise schwach vertreten war, seine Präsenz jedoch gegenüber 1968 deutlich ausbauen konnte, als lediglich Kompletteinheiten eingeführt wurden. Zugleich unterstreichen die Zahlen die maßgebliche Einflussnahme, den Handelshemmnisse auf den Erfolg sowie auf die Markteintrittsstrategie in einem Land vor allem für produzierende Firmen haben. Mit Aufnahme der lokalen Fertigung verdreifachten sich 1969 die Zulassungen von BMW-Wagen in Südafrika. Im Vergleich hatte damit die geographisch weit entfernte Region bereits die Verkaufsstärke des traditionell für BMW wichtigen Marktes Österreich erlangt und stellte für die Folgedekade noch höhere Absatzpotentiale in Aussicht. Um Fehleinschätzungen des Marktes wie bei der Einführung der SA-Modelle, also der Zwittermodelle aus BMW und Glas, künftig zu vermeiden sowie fernerhin näher an die Entwicklungen des Absatzes und den Wünschen des Kunden zu rücken, ließ BMW in Südafrika im weiteren Verlauf der 1970er Jahre vermehrt Marktuntersuchungen durchführen.181 In dem sich anschließenden Abschnitt werden nun die genauen Umstände erörtert, die zu der Gründung der BMW SA führten. Erstmals, seit dem gescheiterten Versuch 1959 einer Vertriebsgesellschaftsgründung im Ausland, leistete die BMW AG Direktinvestitionen außerhalb von Deutschland und dies nicht nur mit einer Vertriebs-, sondern zugleich mit einer Produktionstochter.

5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Von den ersten Erwägungen im Jahre 1967 über das Für und Wider einer CKD-Montage in Südafrika bis zu ihrer tatsächlichen Umsetzung und Etablierung waren einige Jahre vergangen, bis die in Kooperation mit einem lokalen Partner betriebene Fertigung Fuß gefasst und sich eingespielt hatte. Zahlreiche Reibungsverluste hatten den südafrikanischen Kooperationspartner Pretorius bereits zum Jahreswechsel 1970/71 in eine finanziell desolate Lage manövriert. Pretorius’ Unternehmen unter der Dachorganisation der Hugh Parker Group hatten zahlreiche Garantien untereinander gegenüber Dritten abgegeben,182 so dass die Konzerngruppe als Ganzes in eine beträchtliche monetäre Schieflage geraten war. Die BMW-Geschäftsführung in München begann allerdings erst im Jahre 1971, das wahre Ausmaß der Finanzknapp181 Vgl. exemplarisch BMW-Neuwagenkäuferstudie Südafrika, 1. Quartal 1976, in: BMW UA 1784/1; BMW Käufertypologie Südafrika, 1976, in: BMW UA 1900/1. 182  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Praetor Assemblers (Pty) Ltd., 29. 04. 1970 und 22. 07. 1970, in: BMW UA 2020/1.

5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

611

heit Pretorius’, trotz des verhältnismäßig engen Kontaktes nach Südafrika, zu erfassen.183 Zum Jahresübergang 1971 fanden erste Sondierungsgespräche in Rosslyn im Sinne einer finanziellen Unterstützung durch eine mögliche Beteiligung der BMW AG am südafrikanischen Partner statt. Hierbei dachte man seitens BMW an die Gründung einer Gesellschaft, die einer Holding gleich über mehrere Tochtergesellschaften verfügte, die – ähnlich der strukturellen Aufgabenverteilung binnen der Hugh Parker Group – für die einzelnen Geschäftsbereiche wie Vertrieb, Montage, Ersatzteilvertrieb etc. Verantwortung zeichnete.184 Pretorius selbst hatte bereits viele seiner bisherigen Ämter in den Gremien anderer Firmen niedergelegt, um sich ganz dem BMW-Geschäft widmen zu können und forderte die BMW AG zu einem ebenso beherzten Bekenntnis zu ihrem Südafrika-Engagement auf: “I do value the BMW franchise as the most valuable and had no hesitation in injecting all our permits and rights into this project. With the development of local content, the reorganization of the factory, my time is so taken up by BMW that I have resigned as Director from numerous companies in order to give all my attention to BMW. […] The formation of a company to take up all the shares in ERAD, EROS and Praetor Assemblers, will have the effect that we have a completely self-contained automobile company. It is for that reason that I am so keen that the name of the new company should be ‘BMW South Africa (Pty) Ltd.’ […].”185

Die Gründung einer neuen südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft wurde demnach bereits Ende 1970 diskutiert. Während Pretorius jedoch zunächst von einer primär finanziellen Beteiligung der BMW AG ausging, die die Entscheidungsbefugnisse überwiegend in seinen Händen belassen würde, strebte die Zentrale in München von Anbeginn ein höheres Maß an Mitbestimmung an. Abbildung 46 zeigt die für BMW relevanten Gesellschaften der Hugh Parker Group, die in die neu zu gründende BMW-Holding bzw. Tochter eingehen sollten, einschließlich ihrer Eigentümerstrukturen.186 Im April 1971 fand ein erneutes Treffen zwischen den Vertretern der BMW AG und ERAD statt, dessen Ergebnis ein Teilhabe-Optionsvertrag war. ­Dieser Vertrag sollte BMW ein Recht auf Teilhabe in der neu zu gründenden BMW-Gesellschaft für das Automobilgeschäft in Südafrika einräumen, die 183 

Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993/1. Schreiben der BMW AG „Beteiligung BMW in Südafrika“ an Rechtsanwalt Hr. Gilfillan vom 14. 12. 1970, in: BMW UA 1544/1. 185  Schreiben von ERAD, Managing Director J.H. Pretorius, an die BMW AG vom 10. 12. 1970, in: BMW UA 1544/1. Die Abkürzung EROS wurde für die Firma EuroRepublic Spares (Pty) Ltd. verwandt, die für den BMW-Ersatzteilevertrieb in Südafrika verantwortlich war und ebenso wie ERAD eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Hugh Parker Ltd. war, vgl. Notiz von V2, Dr. Baranek, vom 05. 04. 1971, in: BMW UA 516/1. 186  Die Hugh Parker Group bestand im August 1970 aus insgesamt 13 Gesellschaften, u. a. der Pretorius Furniture (Bepk.), Praetor Industrial Ltd., Yokohama Tire Distributors (Pty) Ltd. etc., vgl. Organisationsplan der Hugh Parker Group, 1970, in: BMW UA 1550/1. 184  Vgl.

612

5.  BMW in Südafrika Club Motors (Pty) Ltd.

Hugh Parker Ltd. 100% Praetor Assemblers (Pty) Ltd.

100% Euro-Republic Spares (Pty) Ltd.

90%

Jupiter Motor Distributors (Pty) Ltd. 10%

Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd.

Abbildung 46: Organisationsplan der Hugh Parker Group, 1970.187

als BMW (South Africa) Ltd. firmieren sollte.188 Letztlich stimmte die Zen­ trale in München am 3. Juni 1971 der Gründung einer solchen BMW-Holding durch Pretorius unter der Bedingung zu, dass diese Firma als Holding für Praetor Assemblers, ERAD und EROS fungierte und somit den von München vorgesehenen Zweck erfüllte, das BMW-Geschäft zusammenzufassen und aus der Hugh Parker Group herauszulösen. Hinsichtlich der weiteren Umsetzung dieses Konzeptes bestanden jedoch weiterhin offene Punkte, die vor allem auf den unterschiedlichen Ansichten zwischen Pretorius und BMW zurückzuführen waren.189 Durch die finanzielle Schieflage der Hugh Parker Group sah sich BMW letztendlich gezwungen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, denn in München war man bereits seit 1970 mit der Arbeit der Partnerfirmen vor Ort nicht mehr in Gänze zufrieden, was der Exportleiter im Oktober 1971 wie folgt ausdrückte: „Unsere Partner sind nicht in der Lage, den Markt für BMW systematisch zu erschließen.“190 Wie einst durch die Einführung des neuen Local-Content-Programmes Mitte der 1960er ­Jahre stand BMW erneut vor der Entscheidung, sein Engagement in der südafrikanischen Republik weiter auszubauen oder Gefahr zu laufen, den Markt am Kap zu verlieren. Da jedoch zum einen Südafrika als eine wichtige Absatzregion mit weiterem Potential für BMW bewertet wurde und zum anderen bereits zahlreiche kostenintensive Investitionen vor Ort getätigt worden waren, die bei einer Insolvenz des Partners ohne das Eingreifen der BMW AG als verloren gelten mussten, waren sich der BMW-Vorstand und Aufsichtsrat im Jahre 1972 darüber einig, das Engagement in Südafrika in Form einer Beteiligung weiter auszubauen. 187 

Vgl. Organisationsplan der Hugh Parker Group, 1970, in: BMW UA 1550/1. Teilhaber-Options-Vertrag vom 29. 04. 1971, in: ebd. Die Namensgebung der anvisierten Gesellschaft spiegelte ferner die Absicht der Münchner Zentrale wider, ihren Einfluss auf das Südafrikageschäft zu verstärken, anstatt die Geschicke vornehmlich bei dem Importeur vor Ort zu belassen, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Die Erlaubnis, das Firmenakronym BMW zu verwenden, ist hierfür ein Indiz. 189  Vgl. Internes Schreiben „Beteiligung Südafrika“ von VE-30 vom 29. 09. 1971, in: ebd. 190 Aktennotiz zu Südafrika von VE, Dr. Baranek, an den Vertriebsvorstand Lutz vom 18. 10. 1971, in: BMW UA 1596/1. 188  Vgl.

5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

613

Abbildung 47: Karikatur des Vertriebsvorstands der BMW AG, Lutz, 1972.191

In München wurden hierfür diverse Varianten von Beteiligungsmöglichkeiten diskutiert und zahlreiche Gespräche mit möglichen Kooperations­ partnern in Südafrika geführt, um das Risiko einer Teilhabe auf mehreren Schultern zu verteilen und somit für BMW möglichst gering zu halten.192 Vertreter der BMW AG leiteten zu diesem Zweck im April 1972 Sondierungsgespräche mit 16 verschiedenen bereits in Südafrika fest etablierten Unter­nehmen ein, zu denen unter anderem die südafrikanische VolkswagenTochter, Wesco Investment, Datsun und Illings zählten.193 Gespräche mit Daimler-Benz wurden rein aus Gründen der freundschaftlichen Kontaktpflege ­geführt, da eine Kooperation mit dem Stuttgarter Fahrzeughersteller am Kap nicht zielführend erschien: Auf der Vertriebsseite hätten nach Ansicht des Vorstands die beiden Hersteller miteinander konkurriert und auf der Mon­ tageseite war eine Zusammenarbeit ebenfalls nicht denkbar, da Daimler-Benz über keine freien Kapazitäten verfügte.194 Besonders intensiv waren hingegen die Beratungen mit der Volkwagen SA, die ein großes Interesse an einer Kooperation in Südafrika mit dem Münchner Unternehmen signalisierte, die sich nicht nur auf die Montage beschränken, sondern sich ebenfalls auf den Vertrieb erstrecken sollte.195 Nach eini191  Schreiben

der Volkswagen SA an die BMW AG vom 21. 08. 1972, in: BMW UA 1549/1. 192  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 07. 1972, in: BMW UA 808/2. 193 Vgl. Gesprächspartner während Südafrika-Reise vom 13.–27. 04. 1972, in: BMW UA 1548/1. 194 Vgl. Protokoll Nr. 18/72 der Vorstandssitzung vom 31. 05. 1972, in: BMW UA 801/1. 195  Vgl. Aktennotiz des BMW-Exportdirektors Winkler vom 12. 08. 1972, in: BMW UA 1549/1.

614

5.  BMW in Südafrika

gen Monaten, in denen mehrere Treffen zwischen BMW und der Volkswagen SA stattgefunden hatten, setzte BMW-Vertriebsvorstand Lutz, der, wie Abbildung 47 anschaulich zeigt, einer solchen Kooperation äußerst kritisch gegenüberstand, den Verhandlungen jedoch ein Ende und brachte somit eine mögliche Zusammenarbeit, mit dem von ihm als übermächtig karikierten Konzern, nicht als eigenständigen Punkt auf die Tagesordnung der entsprechenden BMW-Vorstandssitzung.196 Während in München zwischen den verschiedenen Ressorts eingehend über mögliche Beteiligungsoptionen diskutiert wurde, spitzte sich die finanzielle Lage des südafrikanischen Importeur- und Montagepartners weiter zu. Monate vergingen, ohne dass die deutsche Zentrale zu einem eindeutigen Statement bereit war. Dies führte zu einer deutlichen Verärgerung von Pretorius und der weiteren Direktoren von ERAD, die den Druck auf BMW im Herbst 1971 zu erhöhen suchten, indem sie in Aussicht stellten, die Firmenanteile an weitere Interessenten, wie etwa Datsun, zu veräußern: “The Chairman [Pretorius, Anm. d. Verfasserin] informed the meeting that as there has been talk about BMW participating since 1967 it must now be decided that either BMW comes in or that we look for some other partner. The Chairman further pointed out that Datsun is interested in our factory. Mr. Tabatznik suggested that the persons who were going to Germany for the discussions with BMW be authorised to conclude the agreement on our behalf and this was agreed to. It was stressed that it should now be finalized whether BMW was with us or not.”197

In München reagierte man indessen gelassen auf derartige Drohgebärden, wähnte man sich doch in der stärkeren Position und wollte sich nicht zu einem voreiligen Entschluss drängen lassen. Analog waren bei BMW diverse Abteilungen verschiedener Ressorts – von der Unternehmensstrategie über die Verkaufsabteilungen und die juristischen Fakultäten bis hin zur Finanzstrategie – vom Vorstand mit der Ausarbeitung eines Südafrika-Berichtes beauftragt, anhand dessen sowohl die Lage als auch die unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten bewertet werden sollten.198 Im Juni 1972 war ERAD bereits hoch verschuldet, alleine gegenüber der BMW AG beliefen sich die Außenstände auf 5,2 Mio. DM,199 und es wurde die völlige Zahlungsunfähigkeit erwartet. Die Anzeichen und Auswirkungen der drohenden Insolvenz auf BMW waren hierbei nicht zu übersehen: Die aus Deutschland gelieferten Werkzeuge waren trotz des vertraglich vereinbarten Eigentumsvorbehalts an Datsun-Nissan verpfändet worden und die fertigen Fahrzeuge standen größtenteils auf einem eigens eingezäunten Areal mit Hinweistafeln auf eine anstehende Sicherungsübereignung an die Banken.200 Die zögerliche Haltung 196 

Vgl. Protokolle der Vorstandssitzungen, 1972, in: BMW UA 802/1. of Board of Directors’ Meeting of Euro Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd., 04. 10. 1971, in: BMW UA 2008/1. 198  Vgl. Unternehmensentwicklung BMW ZA, 1974, in: BMW UA 1993. 199  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 06. 07. 1972, in: BMW UA 808/2. 200  Vgl. Bericht Südafrika vom 18. 05. 1972, in: BMW UA 1993/1. 197  Minutes

5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

615

der Münchner Zentrale war hierbei auf deren zwischenzeitlichen Überlegung zurückzuführen, ob ein etwaiger Konkurs des Partners nicht sogar zweckmäßig sei, um anschließend die Anlagen und Einrichtungen günstig übernehmen zu können.201 Dem gegenüber stand jedoch zugleich die Befürchtung, dass man im Falle einer Insolvenz die Kontrolle über die weitere Entwicklung in Gänze verlieren könnte.202 Die Entscheidung, das Engagement in Südafrika auszubauen, da sich BMW nach Ansicht der Geschäftsleitung nicht aus diesem Schlüsselmarkt für Afrika zurückziehen durfte, wurde mehrfach in Vorstandssitzungen bestätigt – lediglich über das Wie der Beteiligungsform wurde weiterhin kontrovers diskutiert. Dass der eigentliche Entschluss für eine Teilhabe bereits gefällt war, wurde unter anderem durch die Vorstandsentscheidungen bestätigt, trotz der desolaten Lage des Importeur- und Montagepartners, das in Kooperation mit dem italienischen Karosseriebauer Pietro Frua203 aufgesetzte Facelift der Modelle BMW 1800 SA und BMW 2000 SA fortzuführen sowie alle Vorkehrungen für die Einführung des BMW 5er (E 12) in Südafrika mit dem anvisierten Termin im Frühjahr 1974 zu treffen.204 In München hatte man also die Weichen gestellt, das BMW-Geschäft in Südafrika in die eigenen Hände zu nehmen. Im Juli 1972 sandte der Vorstand einen leitenden Mitarbeiter nach Rosslyn, um die laufenden Geschäfte des BMW-Importeurs im Interesse der BMW AG vor Ort zu überwachen, bis die bevorstehenden Beteiligungsverhandlungen abgeschlossen waren.205 Während Pretorius BMW lediglich zwei Sitze im Vorstand der neuen Holding zuweisen wollte, bestand München weiterhin auf den Vorsitz im Board, um in allen wesentlichen Fragen die letzte Entscheidung bei sich zu belassen. Darüber hinaus forderte man bis zur Übernahme ein generelles Inspektionsrecht für sämtliche Bereiche des Importeur- und Montagebetriebes.206 Die Ansicht, „daß BMW aus Qualitäts- und Imagegründen in Südafrika selbständig (sowohl in der Montage als auch im Vertrieb) operieren sollte“,207 gab ferner den Anstoß dazu, die bereits aufgenommenen Kooperationsgespräche mit potentiellen Partnern vor Ort zwar zu Ende zu führen, diese jedoch äußerst sorgfältig und kritisch bewerten zu lassen: Demgemäß sollten die bereits eingeleiteten Verhandlungen mit Volkswagen South Africa (Volkswagen

201 Vgl. Protokoll Nr. 10/72 der Vorstandssitzung vom 21. 03. 1972, in: BMW UA 801/1. 202  Vgl. Protokoll Nr. 18/72 der Vorstandssitzung vom 31. 05. 1972, in: ebd. 203  Pietro Frua war vor der Glas-Übernahme Hausdesigner bei der Hans Glas GmbH gewesen. Hierdurch kam der Kontakt nach München zustande, vgl. Kraxenberger, Jürgen / Mader, Ferdinand: Das große GLAS-Buch. Chronik einer ungewöhnlichen Automarke, 2. Auflage, Eichendorf 2003, S. 280. 204 Vgl. Protokoll Nr. 15/72 der Vorstandssitzung vom 02. 05. 1972, in: BMW UA 801/1. 205  Vgl. Protokoll Nr. 23/72 der Vorstandssitzung vom 11. 07. 1972, in: ebd. 206  Vgl. Protokoll Nr. 25/72 der Vorstandssitzung vom 01. 08. 1972, in: ebd. 207  Protokoll Nr. 15/72 der Vorstandssitzung vom 02. 05. 1972, in: ebd.

616

5.  BMW in Südafrika

SA), Toyota und Datsun-Nissan auf der Montageseite sowie Illings auf der Vertriebsseite möglichst bald – jedoch ohne Ergebnis – zum Abschluss gebracht werden.208 Um nachvollziehen zu können, wie BMW bei der Bildung von Auslandsgesellschaften vorging, werden die Schritte zur Gründung der südafrikanischen Tochter als Fallbeispiel vergleichsweise detailliert beschrieben. Hierbei waren diverse Partner involviert, da es sich aufgrund der Werksanlage um ein hohes Investitionsvolumen handelte. Dies machte unter andern die Einbindung lokaler Banken notwendig. Zur finanziellen Wegbereitung der BMW SA209 wurde am 16. August 1972 die BMW (South Africa) (Investments) (Pty) Ltd. (BMW SA Investments) als Finanzholding gegründet. Ihr Direktorium setzte sich von BMW-Seite aus Vertriebsvorstand Lutz und Exportleiter Hermann Winkler zusammen sowie aus Konrad Baudert,210 der als Vertreter von Tozer Kemsley & Millbourn Ltd. (TKM), einem Finanzinstitut mit Hauptsitz in London, eingesetzt wurde, in der er Managing Director war.211 Mit der vorstehenden Konzeption der BMW SA Investments sollte sichergestellt sein, dass bei verhältnismäßig geringem Kapitaleinsatz und Risiko eine weitgehende Kontrolle der Unternehmensgruppe durch die BMW AG erreicht werden konnte.212 Ebenfalls am 16. August 1972 wurde der Vertrag zwischen Hugh Parker und der neu gegründeten BMW SA zum Kauf der Firmen ERAD, EROS sowie Praetor Assemblers für einen Preis von 500 000 Rand unterzeichnet. Als Stichtag für den Transfer der Anteile wurde der 31. August 1972 benannt, während als Bilanzstichtag der BMW SA der 15. Februar 1973 festgelegt wurde.213 Die Eigentümerstruktur der BMW SA war durchaus diffus und verfolgte das zuvor von München definierte Ziel, das Risiko einer Beteiligung auf weitere, möglichst finanzkräftige Schultern zu verteilen, zugleich jedoch die Entscheidungsbefugnis bei der BMW AG zu belassen. Am 15. März 1973 wurde die Firma Praetor Assemblers in BMW Assemblers (Pty) Ltd. (BMW Assemblers) umbenannt.214 Ebenso wurden die Firmen EROS in BMW Spares (Pty) Ltd. sowie Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. in BMW Automobile Distributors (Pty) Ltd. (BMW Automobile Distributors) 208 

Vgl. ebd. gebrauchte man bei der BMW AG für die südafrikanische Tochter überwiegend die Abkürzung BMW ZA, wie durch verschiedene Zitate ersichtlich wird. Manchmal gebrauchte die Zentrale auch die Abkürzung SA. ZA diente später ferner als Kürzel in der Konzernorganisation. 210  Vgl. Gästeliste vom 13. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1. 211  Vgl. Combined Company Register with Minutes of BMW SA Investments (Pty) Ltd., 1972, in: BMW UA 2011/1. 212 Vgl. Protokoll Nr. 26/72 der Vorstandssitzung vom 30. 08. 1972, in: BMW UA 801/1. 213  Vgl. Memorandum of Agreement between Hugh Parker Ltd. and BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 16. 08. 1972, in: BMW UA 1546/1. 214  Vgl. Certificate of Change of Name vom 15. 03. 1973, in: BMW UA 2003/1. 209  Intern

5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

617

umgewandelt.215 An der BMW SA Investments, die ihrerseits mit 52 Prozent an der BMW SA beteiligt war, hielt die BMW AG mit 51 Prozent eine ­knappe Mehrheit, während das Bankinstitut TKM 49 Prozent an der BMW SA Investments besaß. Die anderen 48 Prozent der BMW SA waren im August 1972 zu 20 Prozent auf NEFIC Ltd., eine Tochtergesellschaft der NEDBank, verteilt sowie übergangsweise zu weiteren 20 Prozent von Hugh Parker gezeichnet worden. Die ausstehenden 8 Prozent sollten auf das noch zu benennende Management der BMW SA entfallen.216 In den sich anschließenden Verhandlungen der kommenden Monate übernahm die BMW AG diese noch verbleibenden 8 Prozent des Direktoriums sowie ferner die Anteile von Hugh Parker bzw. Pretorius, der dennoch weiterhin einen Sitz im Board of Directors der BMW SA behielt. Hierdurch besaß die BMW AG bis Ende 1973 28 Prozent der Anteile direkt an der BMW SA sowie 52 Prozent indirekt über die Finanzgesellschaft BMW SA Investments, wie Abbildung 48 veranschaulicht.217 Die BMW SA fungierte zunächst als Holdinggesellschaft für die drei erworbenen Gesellschaften ERAD, EROS und Praetor Assemblers. Die BMW SA Investments wurde indes vorgeschaltet, „um zu erreichen, dass BMW bei einem Kapitaleinsatz von ca. 26% dennoch die Kontrolle über die BMW ­South Africa ausüben kann.“218 Die BMW AG hatte mit allen beteiligten Partnern zuvor abgeklärt, dass die Federführung der Geschicke der BMW SA maßgeblich von München auszugehen hatte: „Mit allen Partnern ist klar abgesprochen worden, daß die Unternehmenspolitik nur von der BMW AG in München aus gesteuert wird. Es ist sichergestellt, daß Herr Praetorius [sic!] keinen aktiven Einfluß auf die Unternehmensleitung mehr hat. Er ist jedoch mit Sitz und Stimme im Board vertreten und wird der Gesellschaft aufgrund seiner bewährten Regierungskontakte gute Dienste leisten können.“219

In den folgenden Monaten begann man mit der weiteren Umstrukturierung der einzelnen südafrikanischen Gesellschaften. Da diese Maßnahmen auch von BMW intern als äußerst komplexe Angelegenheit bewertet wurden, in dessen Zusammenhang mitunter nicht ausschließlich „aus steuerlichen ­Gesichtspunkten apodiktische Empfehlungen“220 ausgesprochen wurden, sollen der Einfachheit halber hier nur die wesentlichen Ereignisse nachgezeichnet werden. So sollte etwa EROS, die für den Teilehandel verantwortliche­ 215 

Vgl. Resolution Board of Directors’, 27. 02. 1973, in: BMW UA 2008/1. Protokoll Nr. 26/72 der Vorstandssitzung vom 30. 08. 1972, in: BMW UA 801/1. 217  Vgl. Eigentümerstruktur der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. vom 21. 11. 1973, in: BMW UA 1987/1. 218  Kurzbericht BMW Südafrika von Knoll (AJ) und Winkler (VE) vom 11. 09. 1972, in: BMW UA 1548/1. 219  Protokoll Nr. 35/72 der Vorstandssitzung vom 23. 11. 1972, in: BMW UA 801/1. 220 Aktennotiz von AJ, BMW-Rechtsabteilung, vom 12.  03. 1974, in: BMW UA 1989/1. 216 Vgl.

618

5.  BMW in Südafrika Tozer Kemsley & Millbourn Ltd. GK 98.000 R = 49% + LF 539.000 R

BMW AG GK 102.000 R = 51% + LF 561.000 R

BMW South Africa Investments (Pty) Ltd. Gesellschaftskapital: 200.000 R 52% = 1.300’R BMW 0,7 Mio R = 28% 48% = 1.200’R NEFIC 0,5 Mio R = 20%

BMW Assemblers (Pty) Ltd.

BMW South Africa (Pty) Ltd. Gesellschaftskapital: 2,5 Mio R 100%

BMW Automobile Distributors (Pty) Ltd. BMW Spares Ltd. Stand : 21. November 73

Abbildung 48: Eigentümerstruktur des BMW-Geschäfts in Südafrika, 21. 11. 1973.221

Tochterfirma der BMW SA, als aktives Unternehmen allmählich einschlafen und ihre Funktion an ERAD übertragen werden.222 Die vertraglichen Bindungen mit ERAD, namentlich der Importeurs-, Montage- sowie Lizenzvertrag, wurden überdies zunächst bis zum 31. Dezember 1973, dann weiterhin bis zum 31. Dezember 1974 verlängert.223 Im ersten Quartal des Jahres 1974 erwarb die BMW AG ferner die restlichen Anteile von TKM an der BMW SA Investments und war somit alleiniger Anteilseigner dieser südafrikanischen BMW-Finanzierungsgesellschaft. Darüber hinaus willigte NEFIC Ltd. 221 

Eigentümerstruktur der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. vom 21. 11. 1973, in: BMW UA 1987/1. 222  Vgl. Internes Memo des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 12. 12.  1972, in: BMW UA 1549/1. 223  Vgl. Schriftwechsel zwischen BMW ZA, Managing Director Huber, und BMW AG, Exportleiter Winkler und Knoll, im Oktober und November 1973, in: BMW UA 1987/1.

5.3.  Die Gründung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

619

ein, zum 1. Februar 1974 ihre Anteile an der BMW SA zu einem Gesamtpreis von 300 000 Rand an BMW zu veräußern.224 Hierdurch war die BMW AG alleiniger Anteilseigner der BMW SA und über zwei Holding-Gesellschaften, der BMW SA und BMW SA Investments, zu 100 Prozent an einer Produktions- und an einer Vertriebsgesellschaft beteiligt, der BMW Assemblers sowie der BMW Automobile Distributors.225 Nachdem die Fremdeigentümer TKM und NEFIC Ltd. ausgeschieden waren, bestand für die BMW AG beispielsweise kein Anlass mehr, für die 004-Typen – dem Facelift der GLund SA-Modelle, das 1973 in Südafrika eingeführt wurde (vgl. Abschnitt 5.4.3) – die bisherigen Lizenzgebühren weiter zu erheben und hatte im Gegenteil vielmehr ein Interesse daran, den Verlustvortrag der BMW SA langsam aufzubrauchen. Aus diesem Grund kam es zu dem Wunsch seitens des BMW-Ressorts für betriebswirtschaftliche Fragen, die BMW SA von dem bisherigen Lizenzabkommen zu entbinden.226 Da nach deutschem Steuergesetz Verluste bei ausländischen Beteiligungsgesellschaften nur dann zu einer steuerlich gewinnmindernden Rücklage führten, wenn eine unmittelbare Beteiligung an den aktiven Gesellschaften vorlag, ließ BMW-Vorstandsvorsitzender von Kuenheim prüfen, inwieweit die Übertragung aller Anteile auf die BMW AG sinnvoll war.227 Doch nicht nur aus steuerlichen Gründen erschien eine Verschmelzung der fünf südafrikanischen Beteiligungen auf eine einzige Gesellschaft wünschenswert, auch der Verwaltungsaufwand, der durch die unterschiedlichen Firmen entstand, war enorm. So mussten etwa Fertigfahrzeuge, wenn sie die Produktion (BMW Assemblers) verließen, einzeln dem Vertrieb (BMW Distributors) in Rechnung gestellt werden. Diese Rechnungslegung konnte jedoch aus steuerlichen Gründen erst dann erfolgen, wenn der Vertrieb seinerseits die Kundenrechnungen erstellt hatte. Somit musste der gesamte Bestand an Fertigfahrzeugen von BMW Assemblers gehalten und finanziert werden. Durch Übertragung der Aktiva und Passiva der anderen vier Gesellschaften auf die BMW Assemblers würden indes keine zusätzlichen Kosten anfallen und die verbleibenden leeren Firmenmäntel konnten dann weiterhin bestehen bleiben oder aus dem Handelsregister gelöscht werden.228 Hier sah sowohl das BMW-Management in München als auch in Südafrika dringenden Handlungsbedarf. Nach eingehender Prüfung wurden diese bereits 1974 ins Auge gefassten Pläne im Jahre 1975 realisiert und sämtliche Aktiva, Passiva und Geschäftsaktivitäten der BMW SA [alt] sowie der weiteren südafrikanischen 224 Vgl.

Schreiben von Mr. Preston, Managing Director der NEFIC Ltd., an den BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 01. 02. 1974, in: BMW UA 1989/1. 225  Vgl. Aktennotiz von AJ vom 12. 03. 1974, in: ebd. 226  Vgl. Aktennotiz von B an AJ-1 vom 06. 02. 1974, in: ebd. 227 Vgl. Aktennotiz „BMW Südafrika, Organisation der Beteiligungsfirmen“ des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 04. 04. 1974, in: ebd. 228 Vgl. Aktennotiz von BMW ZA an Dr. Haiber, Finanzvorstand der BMW AG, vom 26. 07. 1974, in: ebd.

620

5.  BMW in Südafrika

Beteiligungen auf die BMW Assemblers übertragen und diese in einem nächsten Schritt am 24. März 1975229 in BMW SA [neu] umfirmiert.230 Für Finanzierungsgeschäfte sowie etwaige weitere zukünftige Aktivitäten sollte indessen die Finanzgesellschaft BMW SA Investments zunächst bestehen ­bleiben.231 Des Weiteren begann Ende 1975 das neue Holdingkonzept der BMW AG, das zur Koordinierung der internationalen Aktivitäten eingeführt wurde, auch im Kontext der südafrikanischen Geschäftstätigkeiten zu greifen (vgl. Kapitel 4.5.2.3). Ende 1975 war die BMW Holding AG mit Sitz in Basel gegründet worden, die zu 100 Prozent der BMW AG gehörte. Die neue Gesellschaft hielt Ende 1975 51,1 Prozent des bisher von der BMW AG gehaltenen Grundkapitals der BMW SA.232 Die Aktienanteile wurden hierbei an die BMW Holding AG für einen symbolischen Wert von 1 DM übertragen.233 Die restlichen 48,9 Prozent der Anteile an der BMW SA wurden weiterhin von der BMW SA Investments gehalten.234

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft und ihr weiterer Ausbau (1972–1981) Die BMW AG hielt seit 1972 die Mehrheitsbeteiligung an der südafrika­ nischen Montage- und Vertriebsgesellschaft BMW SA, die durch die Übernahme der Gesellschaften des bisherigen Partners, der Hugh Parker Group, gegründet worden war und die ihr den Haupteinfluss auf die Geschicke des südafrikanischen BMW-Geschäftes sicherte. Das Münchner Unternehmen, das bis dahin primär über zahlreiche Importeursbetriebe sowie vereinzelt Montagepartner international tätig gewesen war, hatte sich nun mittels einer eigenen Tochtergesellschaft und Direktinvestitionen im Ausland selbst in unmittel­bare Verantwortung genommen. Vor allem in den ersten Jahren der noch jungen südafrikanischen Tochter musste BMW allerdings Lehrgeld zahlen, sammelte hierdurch aber zugleich wichtige Erfahrungen, die auf die weltweiten Gründungen und Geschäftsaktivitäten der weiteren Tochter­ gesellschaften in den 1970er Jahren übertragen werden konnten. Mit dem Engagement der BMW SA wurde also zugleich ein wichtiger Lernprozess für die Internationalisierung des gesamten Münchner Unternehmens durchlau229  Vgl. Certificate of change of name of company: BMW Assemblers (Pty) Ltd. to BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 24. 03. 1975, in: BMW UA 1988/1. 230  Vgl. Notarial Authentication Certificate vom 22. 05. 1975, in: BMW UA 1987/1. 231 Vgl. Protokoll Nr. 5/75 der Vorstandssitzung vom 19. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1. 232  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, S. 41, in: BMW UU 205/10. 233  Vgl. Securities Transfer Form, 1975, in: BMW UA 1988/1. 234 Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, in: BMW UU 205/10.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

621

fen. Gemäß dem Prinzip der lateralen Rigidität (vgl. Kapitel 1.2.2) hätte die Geschäftsleitung die Bildung einer Tochter in einem geographisch sowie kulturell näheren Markt den Vorzug gegeben, jedoch zwangen die allgemeine ­Geschäftsentwicklung im Zusammenspiel mit den politischen Rahmenbedingungen, hier vor allem die Vorgaben des Local-Content-Programms, das im internationalen Investitionsgeschäft noch unerfahrene Unternehmen zu ­einem weitergehenden Engagement; sowohl finanzieller als auch personeller Art. Die BMW AG sah sich vielfältigen Problemen gegenüber, als sie die Geschäfte in Südafrika übernahm. Dies betraf vor allem die Produktion, den Ausbau des Vertriebsnetzwerks sowie die Personalsituation der Gesellschaft im Allgemeinen, die wiederum negative Rückwirkungen auf die anderen Unter­nehmensbereiche hatten. Im Folgenden sollen, in Anlehnung an das um zwei P ergänzte 4P-Konzept des klassischen Marketing-Mix von McCarthy, das detailliert in Kapitel 1.3 erläutert wurde, die Felder Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation sowie Personal und Produktion der BMW SA analysiert werden. Besonderes Augenmerk wird hier auch auf die Abstimmung zwischen der Münchner Muttergesellschaft und der südafrikanischen Tochter gelegt und somit auch auf die Unternehmenspolitik der BMW AG gegenüber der BMW SA und ihrer organisatorischen Manifestation. 5.4.1.  Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und die allgemeine Geschäftsentwicklung Wie bereits in Kapitel 5.1 geschildert, waren vor allem die Local-ContentBestimmungen der südafrikanischen Regierung für die verstärkte Ansiedlung ausländischer Automobilhersteller vor Ort und damit für die Etablierung der lokalen Fertigungsindustrie in diesem Sektor verantwortlich, die bereits in den 1920er Jahren eingesetzt hatte. Zunächst engagierten sich ­primär die US-Hersteller über hohe Direktinvestitionen in Südafrika, in den 1950er Jahren und vor allem frühen 1960er Jahren stieg der Wettbewerb allerdings durch den Eintritt zahlreicher europäischer Firmen wie Volks­ wagen, Daimler-Benz, BMW und Fiat deutlich an. In einer dritten Welle wurde ab den 1960er Jahren die Konkurrenz durch die zunehmende internationale Ausrichtung der japanischen Automobilproduzenten verstärkt, die in Südafrika von ihrer üblichen Strategie des reinen Exports absahen und Lizenzen an südafrikanische Montagepartner zur lokalen Fertigung vor Ort erteilten. Der Markt­anteil der japanischen Fabrikate stieg am Kap zwischen 1964 und 1971 von 8,1 auf knapp 30,0 Prozent eindrucksvoll an.235 Im Jahre 1968 waren in der südafrikanischen Automobilbranche bereits etwa 29 000 Personen beschäftigt, hiervon ca. 22 500 in Montagewerk-

235 

Vgl. Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 27–34.

622

5.  BMW in Südafrika

stätten und weitere 6 000 bis 7 000 in der Zulieferindustrie.236 Bis 1973 hatte sich die Zahl der Beschäftigten im Automobilsektor auf rund 34 800 erhöht.237 Das Local-Content-Programm der südafrikanischen Regierung war in fünf Phasen untergliedert, die über mehrere Jahrzehnte hinweg implementiert wurden. Die Chronologie dieses Programmes soll in aller ­Kürze skizziert werden, wobei sich die Prozentangaben auf den lokalen Fertigungsanteil am Gesamtgewicht des Fahrzeugs bemisst: 1961 wurde die erste Phase eingeführt und erhöhte den lokal zu fertigenden Anteil für ­Hersteller bis 1964 von 15 auf 40 Prozent. Phase II steigerte ab 1964 binnen eines dreijährigen Abschnitts den lokalen Anteil weiterhin auf 55 Prozent und ging 1971 in Phase III über, die eine weitere Zunahme bis 1976 auf 66 Prozent vorsah. Phase IV bedeutete eine zweijährige Konsolidierungsperiode und erst ab 1980 wurde die fünfte Phase implementiert, die einen lokalen Anteil von mindestens 66 Prozent vorsah.238 Aufgrund dieses Local-Content-Programmes hatte sich die BMW AG Ende der 1960er Jahre für eine Ausweitung der Direktinvestitionen und ein verstärktes Engagement in Südafrika entschieden, wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erörtert worden ist. Die Ausdehnung ihrer Geschäftsaktivitäten fiel also in eine Phase, in der das System der Apartheid in ihrem Zenit stand – auch als „high Apartheid“ bezeichnet – und die internationale Staatengemeinschaft begonnen hatte, öffentlich Kritik an dem süd­ afrikanischen Regime und ihrem repressiven Vorgehen zu üben;239 erste Rufe nach weitergehenden Sanktionen und Boykottmaßnahmen ertönten. Die BMW-Geschäftsführung beobachtete zwar diese Entwicklungen, richtete jedoch das Augenmerkt primär auf die wirtschaftlichen Aspekte und ihre Beeinflussung auf die unternehmerische Tätigkeiten, anstatt politisch Verantwortung zu übernehmen. Diese Haltung wurde verstärkt durch die Tatsache, dass BMW bis 1972 noch keine Direktinvestitionen tätigte, sondern in Südafrika zunächst rein mittels der Vergabe von Montagelizenzen und Krediten gegenüber dem dortigen Geschäftspartner tätig wurde. Darüber hinaus entsprach zu dieser Zeit diese Zurückhaltung der Praxis der bundesrepublikanischen Regierung sowie anderer ausländischer Konzerne (vgl. Kapitel 5.1.1). 1968 hatte der lokale Anteil der Fertigung bei BMW bereits 45 Prozent des Fahrzeuggewichts erreicht.240 Während der dritten Phase des Regierungsprogrammes war dieser Teil vom Management sukzessive auf 65 Prozent er236 

Vgl. Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1. Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 56. 238 Vgl. Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 33; Engineering News (2003): How Local-Content Auto Programme has evolved, URL: http://www.engineeringnews. co.za/print-version/how-localcontent-auto-programme-has-evolved-2003-09-19 (Stand: 26. 12. 15). 239  Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 6, 240  Vgl. Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1. 237 

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

623

höht worden.241 Die Geschäftsleitung hielt 1975 überdies eine weitere Steigerung der lokalen Fertigung auf bis zu 73 Prozent aus technischer Sicht für unproblematisch: “It is expected that BMW will have no serious technical problems attaining up to 73% local content, thereafter heavy engine components such as the cylinder block, fly wheel etc. would have to be introduced as a local content. Presently it would appear that local suppliers cannot meet our requirements and through BMW AG we are trying to encourage overseas principles to manufacture.”242

Die Fertigungsqualität der lokalen Zulieferindustrie war demnach durchaus ein drängendes Problem, das gelöst werden musste. Die ausländischen Firmen waren bemüht, die südafrikanischen Qualitätsstandards anzuheben. Tatsächlich ließen sich überdies viele europäische Betriebe, darunter auch zahlreiche deutsche Firmen, wie etwa Dürr, Laepple oder Bosch, in Südafrika nieder und intensivierten ihre Direktinvestitionen im Zuge des Local-Conten-Programmes.243 Europäische Hersteller, hier vor allem deutsche Unternehmen, kooperierten bei ihrer Fertigung vor Ort vorzugsweise mit Firmen ihres Landes bzw. europäischen Ursprungs, da diese ein hohes Qualitäts­ niveau in Aussicht stellten, das für südafrikanische Zulieferfirmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht selbstverständlich war. Des Weiteren kam auch hier erneut eine laterale Rigidität zum Tragen, die bedeutete, dass Firmen im Ausland vertrauten Aktivitäten bzw. in diesem Zusammenhang vertrauten Partnern den Vorzug gaben. In diesem Kontext bevorzugten die deutschen Kraftfahrzeughersteller, insofern möglich, die Zusammenarbeit mit bereits bekannten deutschen Partnerfirmen der Zulieferindustrie, die bereits mit den eigenen Qualitätsstandards vertraut waren. Die südafrikanischen Regierungskreise forcierten nicht nur den prozentualen Anstieg der lokalen Fertigung im Lande, sondern suchten ferner, das durch die ausländischen Hersteller offerierte Modellangebot zu regulieren. So strebte die Regierung Mitte der 1970er Jahre für einige Monate an, die Vielzahl von Automarken und -typen auf dem südafrikanischen Markt zu reduzieren. Der Wirtschaftsminister hatte in diesem Kontext 1975 verlauten lassen, dass es seiner Ansicht nach im Lande zu viele unterschiedliche PKW241  Vgl.

Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 30. 10. 1975, in: BMW UA 2018/1. 242 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 30. 10. 1975, in: ebd. 243  Duncan fasst diese Entwicklung wie folgt zusammen: “Volkswagen, Daimler-Benz and BMW increased their stakes in plants which had formerly operated as licensees. Directly and indirectly, they encouraged German components manufacturers such as August Laepple and Robert Bosch, to set up multi-million rand production facilities in South Africa.”, vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 62. Darüber hinaus verfügte die Firma Läpple, die unter anderem für den neuen BMW 5er (E 12) die Werkzeuge herstellte, eine Produktionsstätte in unmittelbarer Nähe von dem Werk der BMW SA, vgl. Protokoll Nr. 35/72 der Vorstandssitzung vom 23. 11. 1972, in: BMW UA 801/1.

624

5.  BMW in Südafrika

Modelle gäbe und kündigte an, dieser Situation durch die National Associa­ tion of Automobile Manufacturers of South Africa (Naamsa) untersuchen zu lassen, um letztlich eine Reduzierung der Modellvielfalt zu erwirken. Die Hersteller, hierunter auch BMW, duldeten einen derart weitgehenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit nicht und kündigten an, mit einem Memorandum gegen diese Bestrebungen kollektiv vorzugehen.244 Auch war zu beobachten, dass sich BMW an deutsche Politiker wie Strauß wandte, die gute Kontakte zur südafrikanischen Regierung pflegten, um ihrem Anliegen in der dortigen Administration Nachdruck zu verleihen.245 Einige Hersteller, wie beispielsweise Volvo, hatten sich zu diesem Zeitpunkt vor dem Hintergrund der Apartheidpolitik bereits aus Südafrika zurückgezogen.246 1974/75 waren allerdings noch immer etwa 300 US-amerikanische Firmen, über alle Branchen hinweg, mit einem Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von rund 1,0 Mrd. US-Dollar in Südafrika tätig.247 Erst in den 1980er Jahren setzte eine starke Disinvestmentbewegung insbesondere US-amerikanischer Konzerne ein. Noch Ende der 1970er Jahre kamen jedoch 40 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen der in Südafrika produzierenden Industrie von US-Unternehmen.248 Diese Beispiele verdeutlichen, dass die südafrika­nische Regierung stark regulativ auf die Wirtschaft und ihre Akteure einzuwirken suchte. Zugleich wird erkenntlich, dass zahlreiche Firmen, trotz der Apartheidpolitik und der einsetzenden internationalen Sanktionen gegenüber dem repressiven Regime, ihre Direktinvestitionen in Südafrika aufrechterhielten. Doch nicht nur die ökonomischen Regulierungen durch die Politik oder die international in die Kritik geratene Apartheidpolitik, einschließlich der beginnenden Sanktionen, wirkten sich negativ auf die südafrikanische Wirtschaft und somit auch auf die niedergelassenen Firmen aus. Auch litt die Volkswirtschaft in den 1970er Jahren unter einer mehrjährigen Rezession, die 1977 zu einem Stillstand führte mit einer Stagnation des Bruttosozialproduktes, die das Land spürbar belastete.249 Abbildung 49 zeichnet diese Entwicklung für die Jahre zwischen 1975 und 1977 nach. 244  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 26. 05. 1976, in: BMW UA 2018/1. 245  So hatte sich 1978 Strauß gegenüber dem südafrikanischen Wirtschaftsministerium für die Interessen der BMW SA stark gemacht, um eine erhöhte Steuerlast abzuwenden, die in erster Linie die Klasse von BMW-Fahrzeugen belastet hätte, vgl. Schreiben von Dr. von Koerber, Managing Director der BMW SA, an den CSU-Bundestagsabgeordneten Franz Josef Strauß vom 16. 06. 1978, in: ACSP NL Strauß PV:2877. 246 Volvo hatte hierfür die Begründung angeführt, man könne die südafrikanische Rassenpolitik nicht länger mittragen, vgl. Reisebericht Südafrika des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim 11. 03.–27. 03. 1974, 10. 04. 1974, in: BMW UA 1993/1. 247  Vgl. Easum, Donald (1975): United States Policy toward South Africa, in: Issue. A Journal of Opinion, Vol. 5, No. 3, pp. 66–72, hier p. 67. 248  Vgl. Yousuf, American Transnational Corporations, S. 55. 249  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

625

3,5 3,0 3,1

Prozent

2,5 2,0 1,5 1,0

1,3

0,5 0,0 1975

0,0 1976

1977

Abbildung 49: Reales Wachstum des Bruttosozialproduktes in Südafrika, 1975–1977.250

Diese starke Rezessionsphase war nach Ansicht des BMW-Vorstands hervorgerufen worden durch eine Überforderung der Wirtschaft: Auf dem Höhepunkt des Goldpreises wurden zu viele Investitionen – für Verteidigung, Häfen, Kraftwerke, Hydrierwerke, Aluminiumschmelzwerk etc. – simultan vorgenommen. Die durchschnittliche Wachstumsrate betrug in den vergangenen Jahren 7,0 Prozent, wohingegen 1976 mit einem negativen Wirtschaftswachstum von minus 2,5 Prozent gerechnet wurde. Längerfristig wurde allerdings die wirtschaftliche Entwicklung der südafrikanischen Republik von BMW als günstig eingeschätzt, insofern die Unruhen der Nachbarstaaten nicht von außen in das Land hineingetragen wurden. Gründe für die positive Gesamteinschätzung waren vor allem der Reichtum an Bodenschätzen, das hohe technische Niveau sowie die hohe Zahl an ausgebildeten Fachkräften in der weißen Bevölkerung.251 Parallel zu dem Rückgang des Wirtschaftswachstums kam es in den 1970er Jahren jedoch zu einer deutlichen Abwertung der südafrikanischen Währung, die sich unmittelbar nachteilig auf die Ergebnisrechnungen der Unternehmen niederschlug. Hiervon war auch die BMW SA merklich betroffen. Abbildung 50 zeigt die Abwertung der südafrikanischen Währung Rand gegenüber der DM. Diese Abwertung des Rand führte zu einer Verteuerung ausländischer Produkte im Inland bzw. schmälerte den in Südafrika erwirtschafteten Gewinn deutscher bzw. ausländischer Firmen. 250 

Vgl. Südafrika, politische und wirtschaftliche Fakten, 1981, in: BMW UA 2000/2. Anlage 1 „BMW Engagement in der Republik Südafrika“ zum Protokoll Nr. 40/76 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1976, in: BMW UA 1446/1. 251 Vgl.

626

5.  BMW in Südafrika

4,50

4,25 4,00 3,75

4,00

DM

3,50

3,03

3,00

2,90 2,60

2,50 2,00 1,50 1,00 1972

1973

1974

1975

1976

1977

Wechselkurs 1,0 Rand in DM Abbildung 50: Abwertung der südafrikanischen Währung Rand gegenüber der DM, 1972–1977.252

In der Gründungszeit der BMW SA legte das Management zunächst größeres Augenmerk auf die Produktions- und Absatzzahlen anstatt auf den Gewinn, da bei Übernahme des Importeurs zuerst zahlreiche Investitionen getätigt werden mussten, die sich wiederum negativ auf das Ergebnis auswirkten. Insbesondere betraf dies die Modernisierung und Erweiterung der Werksanlagen, wo der Produktionsablauf dringend verbessert werden musste, um die Produktivität und somit auch den Ertrag zu erhöhen (vgl. Kapitel 5.4.4). Die Wirtschaftlichkeit blieb in den ersten Jahren gemeinsam mit der Finanzierung das vordringlichste Problem der noch jungen Tochter. 1972 wurde der geschätzte Nettoverlust der BMW SA auf 671 000 Rand beziffert.253 Bei der Übernahme bzw. Gründung der BMW SA verfügte die Gesellschaft über eine Kapitalausstattung von 2,5 Mio. Rand, die es ermöglichte, die seit längerem bestehende Illiquidität kurzfristig zu überwinden und 252  Vgl. Ergebnisrechnung 1973–1979, BMW Südafrika, 1972, in: BMW UA 1993/1; Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 13. 12. 1974, in: BMW UA 1987/1; Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 30. 10. 1975, in: BMW UA 2018/1; Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 26. 05. 1976, in: ebd; Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 10. 08. 1977, in: ebd. 253 Vgl. Minutes of a Meeting of Directors’ of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 15. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

627

die Grundlagen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen.254 Eine hiermit einhergehende stetige Abwertung der südafrikanischen Währung belastete die Kalkulationen weiterhin und so rechnete die Geschäftsführung der BMW AG für das Geschäftsjahr 1973 (1. März 1973 bis 28. Februar 1974) mit einem Verlust von 1,2 Mio. Rand, wovon alleine 600 000 bis 700 000 Rand auf Währungsverluste zurückzuführen waren255 sowie auf ­einen unter Plan liegenden Umsatz von lediglich 16,1 Mio. Rand.256 Zuvor hatte die BMW AG die im März vorliegende Budgetplanung der BMW SA für 1973 grundsätzlich verabschiedet, allerdings sollten die Münchner Ressorts für Produktion sowie für betriebswirtschaftliche Belange unter Leitung von Lutz und Urban die Planung mit dem Ziel einer weiteren Kosteneinsparung noch einmal durcharbeiten. Als Ergebnis dieser Überprüfung wurde von der Muttergesellschaft eine Empfehlung an die BMW SA gegeben, entsprechende Kostenreduzierungen vorzunehmen und den Verlust auf 250 000 Rand zu reduzieren,257 was letztlich jedoch nicht von der Tochter zu stemmen war. Diese Bemühungen wurden allerdings durch die Local-ContentBestimmungen erschwert, die in demselben Jahr weitere Investitionen in der Größenordnung zwischen rund 21,0 Mio. DM und 25,0 Mio. DM erforderlich machten, was etwa 5,25 Mio. Rand bis 6,25 Mio. Rand entsprach und zumindest zum Teil durch eine Kapitalerhöhung geleistet werden sollte.258 Um den Liquiditätsproblemen der südafrikanischen Gesellschaft entgegenzusteuern, wurde also das Eigenkapital abermals um 0,5 Mio. Rand erhöht, wobei diesmal das Kapital nicht in Deutschland, sondern auf dem südafrikanischen und auf anderen ausländischen Kapitalmärkten akquiriert wurde.259 Damit belief sich das eingetragene Kapital der BMW SA 1973 nach Voll­ endung des ersten Geschäftsjahres auf 3,0 Mio. Rand.260 Die noch ausstehende Investitionssumme musste durch die Muttergesellschaft und Fremdkapital gedeckt werden. Des Weiteren wurde auch die südafrikanische Ökonomie durch die Energiekrise stark beeinträchtigt und so mussten die Absatzerwartungen für das Jahr 1974 deutlich reduziert werden; auch längerfristig wurde der Automobilmarkt in Südafrika durch die BMW-Geschäftsleitung gegenüber den Vor254 Vgl. Protokoll Nr. 26/72 der Vorstandssitzung vom 30. 08. 1972, in: BMW UA 801/1. 255 Vgl. Protokoll Nr. 20/73 der Vorstandssitzung vom 13. 08. 1973, in: BMW UA 851/1. 256 Vgl. Reisebericht Südafrika des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim 11. 03.–27.–03. 1974, 10. 04. 1974, in: BMW UA 1993/1. 257 Vgl. Protokoll Nr. 7/73 der Vorstandssitzung vom 12. 03. 1973, in: BMW UA 851/1. 258  Vgl. Protokoll Nr. 17/73 der Vorstandssitzung vom 03. 07. 1973, in: ebd; Protokoll Nr. 12/73 der Vorstandssitzung vom 30. 04. 1973, in: ebd. 259  Vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12. 09. 1973, in: BMW UA 856/2. 260 Vgl. Protokoll Nr. 20/73 der Vorstandssitzung vom 13. 08. 1973, in: BMW UA 851/1.

628

5.  BMW in Südafrika

jahren nun zunehmend zurückhaltend beurteilt.261 Die zusehends schwierige Lage der südafrikanischen Tochter löste in München deutliches Unbehagen und mitunter Zweifel an der grundsätzlichen Entscheidung für eine Inten­ sivierung des Engagements vor Ort aus und so berief das Direktorium der BMW AG eine außerordentliche Vorstandssitzung am 29. Juli 1974 ein, in der einzig der weitere Geschäftsverlauf und somit die Zukunft der BMW SA diskutiert wurden. In dieser Sitzung zeigte man sich zwar äußerst kritisch gegenüber den aktuellen Entwicklungen, bestätigte jedoch abermals das BMW-Engagement in Südafrika unter der Bedingung, dieses auch zukünftig einer beständigen Prüfung zu unterziehen.262 Unabhängig von der Verantwortung des Managements der BMW SA für das laufende Geschäft in Süd­ afrika bekräftigte der BMW-Vorstand überdies noch einmal seine Gesamtverantwortung für die Entwicklung der dortigen Tochter.263 Im August 1974 beschloss der Vorstand, die Eigenkapitalausstattung der BMW SA nochmals zu verbessern.264 Wegen der bestehenden Kreditrestriktionen der südafrikanischen Gesellschaft und ihrer allgemein starken Liquiditätsanspannung ­waren allerdings keine zusätzlichen Kredite zu erhalten. Auch eine weitere Fremdverschuldung erschien aufgrund der Verlustsituation als unwahrscheinlich. Zu den in den Monaten September und Oktober 1974 transferierten Mitteln von insgesamt 14,9 Mio. DM wurden im vierten Quartal zusätzliche 14,7 Mio. DM benötigt. Dieser Betrag ging voll zu Lasten der Liqui­ dität der BMW AG, also der Muttergesellschaft.265 Diese Transaktionen verdeutlichen auch die finanzielle Verantwortung, die das Stammhaus gegenüber ihrer Tochtergesellschaft hatte und die vor allem in den ersten Geschäftsjahren monetär belastend zum Tragen kam. Einige Monate später wies die konsolidierte Bilanz der BMW SA dann per 31. Januar 1975 einen kumulierten Verlust in Höhe von 23,6 Mio. DM auf, dem Deckungsbeiträge von rund 14,5 Mio. DM bei der BMW AG gegenüberstanden.266 „Es ist erforderlich, aufgrund des Bilanzverlustes entsprechende Wertberichtigungen in der Bilanz der BMW AG vorzunehmen. Für die gesamte BMW-ZA-Gruppe ist nach den Bestimmungen des deutschen Aktienrechts die Situation der Unterbilanz und der Überschuldung gegeben. Beide Tatbestände zwingen die Geschäftsleitung, unverzüglich Maßnahmen zur Sanierung zu ergreifen. […] Außerdem wird – ebenfalls rückwirkend zum 30. 9. 1974 – eine Reorganisation der BMW-ZA-Gruppe vorgesehen. Die BMW Assemblers soll als aufnehmende Gesellschaft alle Aktiva und Passiva 261 Vgl.

Protokoll Nr. 8/74 der Vorstandssitzung vom 12. 02. 1974, in: BMW UA 852/1. 262 Vgl. Protokoll Nr. 29/74 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1974, in: BMW UA 852/2. 263  Vgl. Protokoll Nr. 30/74 der Vorstandssitzung vom 30. 07. 1974, in: ebd. 264  Vgl. Protokoll Nr. 31/74 der Vorstandssitzung vom 28. 08. 1974, in: ebd. 265  Vgl. Protokoll Nr. 40/74 der Vorstandssitzung vom 22. 10. 1974, in: ebd. 266 Vgl. Protokoll Nr. 5/75 der Vorstandssitzung vom 19. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

629

sowie sämtliche Aktivitäten der BMW Distributors, der BMW Spares und der BMW ZA übernehmen […]. Für die Finanzierung sowie etwaige weitere zukünftige Aktivitäten soll die Holding BMW Investments bestehen bleiben. Der Vorstand entscheidet, daß die Sanierung in der vorgeschlagenen Form vorbereitet, jedoch noch nicht voll­ zogen wird, ehe A [BMW-Vorstandsvorsitzender von Kuenheim, Anm. d. Verfasserin] Anfang März aus Südafrika zurückgekehrt ist.“267

Bei der Rückkehr des Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim berichtete dieser ausgesprochen positiv von den Entwicklungen der BMW SA, gleichwohl sich die Tochter auch weiterhin noch in einer kritischen wirtschaftlichen Phase befand, eine positive Wende jedoch seiner Ansicht nach in einigen Monaten zu erwarten war. Des Weiteren wurde das Kapital der BMW SA zum 1. April 1975 durch Forderungsumwandlung bei der BMW AG, also durch eine Reduzierung der Verbindlichkeiten bei der BMW SA, auf 5,0 Mio. Rand aufgestockt, etwa 15,2 Mio. DM.268 Diese Kapitalerhöhung wurde auch im Hinblick auf die deutsche Steuergesetzgebung durchgeführt, um etwaige Nachteile aus der Verschuldung gegenüber der Zentrale zu vermeiden.269 Durch diese Umwandlung von Darlehen und Forderungen in Eigenkapital und die hierdurch umgesetzte Erhöhung des Grundkapitals galt die Tochtergesellschaft bis auf weiteres als saniert. Im weiteren Verlauf des Jahres 1975 wurde das Gesellschaftskapital der BMW SA noch auf 8,9 Mio. Rand aufgestockt, umgerechnet etwa 27,0 Mio. DM. Nachdem die BMW SA 1974/75 mit einem Verlust von nur noch etwa 1,6 Mio. Rand, was einem Betrag von etwa 5,5 Mio. DM entsprach, abschloss, erwartete der BMW-Vorstand für das Geschäftsjahr 1975 mit 580 000 Rand erstmals ein positives Ergebnis (vor Steuern). Voraussetzung hierfür war ­allerdings, dass die Entwicklung des Wechselkurses nicht unvorhersehbare Schwierigkeiten brachte.270 In seinem Bericht an den Vorstand der BMW AG bestärkte Graf von der Schulenburg, zu diesem Zeitpunkt Managing ­Director der BMW SA, dieses positive Bild und stellte fest, dass die Weltwirtschaftsrezession zwar nicht ohne Auswirkungen auf Südafrika blieb, der Rückgang des Wirtschaftswachstums allerdings geringer als derjenige in ­Europa ausfallen würde.271 Diese Prognose bewahrheitete sich jedoch in den folgenden zwei Jahren nicht, wie Abbildung 49 über die Entwicklung des Bruttosozialproduktes zeigt. Die im September 1975 bekanntgegebene und befürchtete weitere Abwertung des Rand um ganze 17,9 Prozent belastete das Ergebnis der BMW SA ohne eine Weitergabe über die Verkaufspreise mit rund 1,8 Mio. Rand. Da aber die Inflationsrate 1975 in Südafrika mit 12 Pro267 

Protokoll Nr. 5/75 der Vorstandssitzung vom 19. 02. 1975, in: BMW UA 1333/1. Vgl. Protokoll Nr. 8/75 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1975, in: ebd. 269  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 12. 1975, in: BMW UA 2018/1. 270 Vgl. Protokoll Nr. 13/75 der Vorstandssitzung vom 30. 04. 1975, in: BMW UA 1333/1. 271  Vgl. Protokoll Nr. 23/75 der Vorstandssitzung vom 02. 09. 1975, in: ebd. 268 

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5.  BMW in Südafrika

zent etwa doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik Deutschland war, bestand die Aussicht, zumindest einen Teil der Belastung über Preiskorrekturen aufzufangen.272 Im Sommer 1976 resümierte der Vorstand der BMW AG, dass sich sowohl in der Gesamtwirtschaft sowie auf dem Automobilmarkt die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung in Südafrika deutlich verschlechtert hatten. Fast alle Automobilhersteller, mit Ausnahme von BMW, hatten bei den ­Zulassungen im Juni deutliche Rückschläge zu verzeichnen und verschiedene Firmen hatten ihren Werksbetrieb bereits auf Kurzarbeit umgestellt. Die Schätzungen für den Gesamtmarkt mussten für 1976 und auch 1977 um etwa 10 Prozent nach unten korrigiert werden und auch bei der BMW SA mussten aufgrund der veränderten Gesamtlage die Planwerte für die restlichen Monate des Jahres 1976 neu festgelegt werden, da die Zulassungen etwa 5 Prozent hinter den originären Planungen zurücklagen. Als besonders schwierige Entwicklungen wertete die Geschäftsleitung der BMW AG, dass die meisten Lieferanten und auch die Handelsorganisationen größeren wirtschaftlichen Belastungen nicht gewachsen waren. Der Absatz wurde überdies erschwert, da zum einen der PKW-Markt der weißen Bevölkerung weitgehend gesättigt erschien und sich zum anderen die durchschnittliche Lebensdauer der Fahrzeuge aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzung erhöht hatte. Aus diesen Gründen erwirtschafteten bereits im Sommer 1976 viele Hersteller keinen Gewinn mehr.273 Neben dem Local-Content-Programm griff der Staat auch weiterhin stark regulativ in die Ökonomie ein; so wurde beispielsweise 1976 ein neuer Maßnahmenkatalog der Regierung zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs vorgestellt. In demselben Jahr wurde in Süd­ afrika nur noch ein PKW-Gesamtmarkt von 190 000 Einheiten erwartet, was gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 17 Prozent bedeutete und sogar den Wert von 1970 unterschritt (vgl. Kapitel 5.1, Tabelle 60).274 Fernerhin galt auch aus politischer Sicht, vor dem Hintergrund der repressiven Apartheidpolitik, die Situation als zunehmend kritisch, insbesondere nach dem Aufstand in Soweto im Juni 1976.275 Die allgemeine politische und gesellschaft­ liche Unruhe wirkten sich gemeinsam mit der ökonomisch schwierigen Lage negativ auf die Ergebnisentwicklung der BMW SA aus. Für das Geschäftsjahr 1976 ergab sich somit bei einem Umsatz von 43,0 Mio. Rand276 ein Ver272 

Vgl. Protokoll Nr. 25/75 der Vorstandssitzung vom 23. 09. 1975, in: ebd. Protokoll Nr. 28/76 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1976, in: BMW UA 1446/1. 274  Vgl. Protokoll Nr. 35/76 der Vorstandssitzung vom 12. 10. 1976, in: ebd. 275  Die staatlichen Sicherheitskräfte benötigten nach der Soweto-Rebellion schwarzer Bevölkerungsteile mehr als ein Jahr, um die vollständige Kontrolle im Land zurückzugewinnen, da sich Gewalt und Gegengewalt wechselseitig aufgeschaukelt hatten, vgl. Marx, Südafrika, S. 263–265. 276  Vgl. Protokoll Nr. 34/77 der Vorstandssitzung vom 02./03. 11. 1977, in: BMW UA 1456/1. 273 Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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lust von 3,1 Mio. Rand. Die damit einhergehende Budgetüberschreitung von 1,2 Mio. Rand resultierte vor allem aus Wechselkursveränderungen und einem Absatzdefizit von 500 Einheiten gegenüber dem Soll.277 Nicht nur die innenpolitischen Unruhen schwelten in Südafrika, auch der internationale Druck vieler Staaten gegenüber dem Apartheidregime wuchs, die hierdurch ihre Missbilligung der Repressionen gegenüber der schwarzen und farbigen Bevölkerung ausdrückten.278 In einer Sitzung im November 1976 diskutierte der BMW-Vorstand die aktuelle Lage und bekräftigte erneut das eigene Engagement in Südafrika und somit den Standort in Rosslyn. In diesem Kontext sah die BMW AG auch weiterhin vor, den Ausbau der Werksanlagen voranzutreiben, um die höheren Plan- und Produktionszahlen erreichen zu können. Dabei unterstrich der Vorstand auch seine Bereitschaft, grundsätzlich mit jeder Regierung zusammenzuarbeiten, die eine sinnvolle unternehmerische Aktivität zuließ. Hier wird deutlich, dass sich die BMWAktivitäten in Südafrika vorrangig am Primat des unternehmerischen Handelns ausrichteten. BMW übernahm keine politische Verantwortung im Sinne einer moralischen Ökonomie, die über die eigenen Werksgrenzen wesentlich hinausgereicht hätte. In diesem Zusammenhang legte der Vorstand fest, dass in den kommenden Monaten die Lage in Südafrika konstant beobachtet und beständig geprüft werden musste, inwiefern neue, gravierende Gesichtspunkte erkennbar wurden, die einen Rückzug von BMW aus der Kap-Republik erforderlich machten.279 Die BMW-Geschäftsleitung sah zugleich die Chance, in Südafrika „[…] im Laufe der nächsten Jahre zu einem gewissen Ausgleich der Gegensätze zu kommen“,280 was die Diskriminierung der schwarzen sowie farbigen Bevölkerung mit einschloss. Es zeigte sich, dass die Gegebenheiten bei einigen Wirtschaftsakteuren, insbesondere im Mikrokosmos mancher ausländischer Unternehmen, im Kontext der Apartheid eine Auflösung der strengen Gegensätze am Arbeitsplatz eher begünstigten, als es außerhalb der Werkstore der Fall war. Vor allem in ausländischen Firmen tolerierte die südafrikanische Regierung bisweilen ab den 1970er Jahren einen etwas moderateren Umgang mit den Vorgaben der Apartheidpolitik, etwa eine sukzessive Aufweichung der diskriminierenden Rassentrennung auf dem Werksgelände.281 Hierauf wird näher im Kapitel 5.4.2 eingegangen. Ebenfalls genau beobachteten die Geschäftsleitungen der BMW SA und in München die politische Entwicklung in den Nachbarländern, insbesondere im ehemaligen Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, aber auch Angola, ­Mozambique und Sambia, ehemals Nordrhodesien. Zum einen wurden sehr 277 

Vgl. Protokoll Nr. 27/77 der Vorstandssitzung vom 20. 09. 1977, in: ebd. Protokoll Nr. 29/76 der Vorstandssitzung vom 31. 08. 1976, in: BMW UA 1446/1. 279  Vgl. Protokoll Nr. 40/76 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1976, in: ebd. 280  Anlage 1 „BMW Engagement in der Republik Südafrika“ zum Protokoll Nr. 40/76 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1976, in: ebd. 281  Vgl. Interview von Kuenheim, 07. 11. 2012. 278 Vgl.

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5.  BMW in Südafrika

genau die Auswirkungen der politischen Bewegungen und Unruhen auf die südafrikanische Republik bewertet,282 zum anderen ließen die Geschäftsführungen der BMW SA sowie der BMW AG die Option prüfen, auf lange Sicht eine Ausweitung des Absatzes durch Export, unter anderem auch in die afrikanischen Nachbarländer, vorzunehmen, gleichwohl die Möglichkeiten einer Ausfuhr aus Südafrika ab Mitte der 1970er Jahre vorerst als minimal ange­ sehen werden mussten;283 insbesondere auch aufgrund des internationalen politischen Drucks, der vor dem Hintergrund der gewaltvollen Niederschlagung des Aufstandes von Soweto 1976 weiter zunahm. Auch wurden die Bemühungen des Managements der BMW SA erneut von Strauß unterstützt, in den afrikanischen Nachbarländern Fuß zu fassen. So richtete Strauß, der eine enge Bindung zu Gnassingbé Eyadéma unterhielt, dem Präsidenten der Militärdiktatur Togo, exemplarisch an diesen ein Empfehlungsschreiben, das die Aufnahme von Kontakten zwischen der BMW SA bzw. ihrem Managing Director von Koerber und Togo erleichtern sollte.284 Die Geschäftstätigkeit der BMW SA verdeutlichte die politische und gesellschaftliche Brisanz, die einem Engagement in Südafrika insbesondere über Direktinvestitionen immanent war, mit der ausländische Konzerne konfrontiert wurden. Diese Firmen bewegten sich in einem nationalen und doch zugleich internationalen Spannungsfeld, in welchem sie ihr unternehmerisches Handeln und ihre gesamtgesellschaftliche sowie politische Verantwortung vor dem Hintergrund des repressiven Apartheidregimes austarieren mussten. Ab Mitte der 1970er Jahre wuchs demgemäß auch das mediale Interesse an der Haltung internationaler Wirtschaftsakteure in Südafrika, das durch eine zunehmende Berichterstattung – auch in den deutschen Medien – zum Ausdruck kam und letztlich auch in dem 1977 von der Europäischen Kommission verabschiedeten Verhaltenskodex europäischer Firmen in Südafrika mündete. 285 Parallel wurden in den USA 1977 die sogenannten „Sullivan Principles“ formuliert, die auf das schwarze Vorstandsmitglied Leon Sullivan bei General Motors zurückgingen, der die Apartheidregierung vehement kritisierte und US-Konzerne aufforderte, sich aus dem südafrikanischen Markt zurückzuziehen.286 Die auf Sullivan zurückgehenden Prinzipien ähnelten den europäischen Bemühungen des Verhaltenskodex, der zeitglich 282 Vgl. Protokoll Nr. 36/75 der Vorstandssitzung vom 17. 12. 1975, in: BMW UA 1333/1. 283 Vgl. Redeskizze für einen Vortrag des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim bei einem Besuch in Südafrika vom 03. 11. 1976, in: BMW UA 1995/1. 284 Schreiben des CSU-Bundestagsabgeordneten Franz Josef Strauß an Gnassingbé Eyadéma, Präsident von Togo, vom 07. 07. 1978, in: NL Strauß PVs:615. 285  Vgl. exemplarisch Wild, Dieter (1978): „Gott hat uns dieses Land gezeigt“, in: Der SPIEGEL, Jg. 32, Nr. 33 vom 14. 08. 1978, S. 92–95. Des Weiteren wird in Kapitel 5.4.2 ausführlich auf den europäischen Verhaltenskodex eingegangen. 286  Vgl. Paul, Karen (1989): Corporate Social Monitoring in South Africa: A Decade of Achievement, an Uncertain Future, in: Journal of Business Ethics, Vol. 8, No. 6, pp. 463–469, hier p. 464.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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in Kraft trat. Sie sollten den ausländischen Firmen als moralischer Code dienen, um das Engagement in Südafrika halten und gestalten zu können oder, falls es dem moralischen Code widersprach, sich notfalls aus dem Markt zurückzuziehen. Zugleich standen diese Kodizes aber auch in der Kritik, da ihre Wirksamkeit hinterfragt wurde. Während durch die definierten Maßnahmen der „kleinen Apartheid“ – auch „Petty Apartheid“ genannt – auf dem Werksgelände entgegengewirkt werden konnte, blieben die Auswirkungen der „großen Apartheid“ weitgehend unberührt. Auch führten Kritiker des Kodex an, dass seine Evaluierung und Einhaltung nur ungenügend kon­ trolliert wurden. Insbesondere kirchliche Institutionen kritisierten die Umsetzungen der Verhaltensregeln.287 Darüber hinaus nutzte die Wirtschaft den Verhaltenskodex sogar, ihren Verbleib in Südafrika zu legitimieren, indem sie ihre moralische Verpflichtung anführte, im Land bleiben zu müssen, um die Apartheid von innen heraus zu bekämpfen und somit positiven Einfluss auf das große Ganze nehmen zu können; durch die Einhaltung eben dieser Verhaltensregeln.288 Auch BMW machte hier keine Ausnahme und stimmte ab Ende der 1970er Jahre in diese Argumentation ein. Wie in diesem Abschnitt bereits beschrieben wurde, hatte die BMW SA eine schwierige Anfangsphase durchlaufen und stand in den ersten J­ahren vielfältigen Problemlagen gegenüber. Zu diesen vielfach selbst verschuldeten Schwierigkeiten, hier allen voran in der Produktion, addierten sich die diffizilen ökonomischen, politischen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Im Jahre 1977 spitzte sich die Rezession weiter zu, so war etwa das Wachstum des südafrikanischen Bruttosozialproduktes gänzlich zum Erliegen ­gekommen. Die politische Stimmung verschärfte sich nach 1976 im Inland, aber auch in den angrenzenden Nachbarstaaten, zusehends und löste weitere Spannungen binnen des gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozesses mit seinen Ungleichgewichten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus. Innerhalb dieser Entwicklungen versuchten die BMW AG und ihre südafrikanische Tochtergesellschaft sich zu positionieren, diesen Problemen Lösungsansätze entgegenzustellen und zugleich ihre gesellschaftliche Verantwortung mit der Maßgabe des unternehmerischen Handelns auszu­ tarieren. Die Auswirkungen des Soweto-Aufstandes waren auch noch im Jahre 1977 deutlich spürbar. Die innenpolitische Stimmung war ferner durch die Ankündigung von Neuwahlen geprägt, aus der 1978 Pieter Willem Botha mit seiner Partei National Party als Premierminister hervorging. Botha hatte ­ehemals die Apartheidpolitik maßgeblich mitgeprägt, erschien nun aber im Gegensetz zu seinem Vorgänger Balthazar Johannes Vorster als etwas re­ formorientierter. Als ein Beispiel dieser Reformen galt die institutionelle Umformung des bisherigen Zweikammer- zu einem Dreikammersystem, 287  288 

Vgl. Bacia/Leidig, Anti-Apartheid-Bewegung, S. 115. Vgl. Siegfried, Internationale Reaktionen, S. 46f.

634

5.  BMW in Südafrika

wobei jede der Kammern eine der ethnischen Gruppen vertrat und damit „Coloureds“ – also Farbige – und Inder erstmals im Parlament repräsentiert waren; die schwarze Bevölkerung wurde allerdings auch weiterhin im Kontext der Apartheidpolitik von jedweder politischen Partizipation ausgeschlossen.289 In einigen anderen Bereichen vollzog sich hingegen eine punktuelle Aufweichung der Rassenpolitik, wie etwa in der südafrikanischen Armee, in der nach 1978 erstmals Schwarze in einer staatlichen Institution Vorgesetzte von Weißen werden konnten.290 Derartige Schritte erschienen dennoch – insbesondere bei internationalen Beobachtern – als zu zögerlich und zu punktuell. Andere bundesdeutsche Politiker, hierunter namhafte ­Angehörige der CDU und CSU, lobten die Reformbemühungen Bothas und sprachen sich explizit für dessen Kurs aus, so wie dies Strauß in zahlreichen Interviews betonte.291 In den 1970er Jahren nahm die kritische Beurteilung und Auseinandersetzung gegenüber rassistisch initiierter Politik international, vor allem auch in den USA, zu. Das Ausmaß und die Schwere der Rassenpolitik des südafrikanischen Apartheidregimes erfuhr in diesem Kontext starke Ablehnung und grenzüberschreitende Verurteilung, die letztlich einen internationalen Wirtschaftsboykott nach sich zog, der nicht nur Exporte aus der Kap-Republik betraf, sondern auch Importe und Direktinvestitionen vor Ort. In der südafrikanischen Automobilindustrie führte dies, im Zusammenspiel mit dem stetig steigenden lokal zu fertigenden Anteil der Local-Content-Vorgaben, vielfach zu einem Rückzug ausländischer Firmen aus Süd­ afrika.292 Eine große Welle des Rückzugs US-amerikanischer Konzerne aus Südafrika aufgrund der Diskriminierungen der Rassenpolitik erfolgte in den 1980er Jahren, als 143 der insgesamt 250 in Südafrika tätigen Unternehmen ihr finanzielles Engagement am Kap aufkündigten.293 Auch in diesem Kontext zeigte sich, dass die internationalen Konzerne unter dem Deckmantel einer moralischen Verpflichtung ihr Handeln zu legitimieren suchten. Während einige Unternehmen, hierunter auch BMW, ihren Verbleib im Land mit der Einhaltung des EG-Verhaltenskodex bzw. der Sullivan Principles begründeten, führten andere Firmen an, ihr Südafrika-Engagement nicht länger halten zu können und ihre Investitionen zurückziehen zu müssen, da sie diese vor dem Hintergrund der Apartheid nicht länger aufrechterhalten ­ 289  Die Mitbestimmung der schwarzen Bevölkerung war auch weiterhin auf die sogenannten Townships und Homelands beschränkt, in denen sie Räte für ihre Selbstverwaltung wählen konnten und die „Chiefs“ die Geschicke ähnlich wie in Clangemeinschaften lenkten. Diese Zugeständnisse waren jedoch primär kosmetischer als wahrhaft politischer Natur. Für weitere Details vgl. Marx, Südafrika, S. 268–273; Comaroff, Chiefship, S. 36–47. 290  Vgl. Marx, Südafrika, S. 266–268. 291  Vgl. exemplarisch Interview mit Franz Josef Strauß in Welthandel. Wirtschaftsmagazin, Jg. 4. Heft 1, vom 29. 02. 1984, in: NL Strauß Slg Kray I:84/10. 292  Hierzu zählten Hersteller wie Fiat, Leyland, Samcor oder auch Alfa Romeo, vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 68–74. 293  Vgl. Paul, Corporate Social Monitoring in South Africa, S. 469, Fußnote 3.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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konnten. Doch auch bei der Entscheidung über Disinvestment294 übten zumeist ökonomische Gründe den ausschlaggebenden Druck aus, bedauerlicherweise seltener moralische Gesichtspunkte. So verließen mehrere Her­ steller den südafrikanischen Markt aufgrund wirtschaftlichen Misserfolges, hierunter auch 1976 Chrysler und 1980 Fiat.295 Ferner zogen sich in den 1980er Jahre neben Chrysler noch zahlreiche weitere US-Firmen aus Süd­ afrika zurück; dies geschah später auch vor dem Hintergrund des 1986 vom US-Kongress verabschiedeten „Comprehensive Anti-Apartheid Act“.296 Zahlreiche Firmen stellten dennoch sicher, dass ihre Produkte auch weiterhin auf dem südafrikanischen Markt gefertigt und vertrieben wurden, etwa durch Management Buyouts oder Lizenzvergaben.297 In seinen Berichten an den AG-Vorstand zeichnete Dr. Eberhard von ­Koerber, seit Januar 1977 Managing Director der BMW SA, im Spätsommer 1977 ein optimistisches Bild der antizipierten ökonomischen Entwicklungen des Landes: Er rechnete bis 1978 mit einer spürbaren Verbesserung der Zahlungsbilanz, die aus einer Erholung des Goldpreises und einer Belebung des Exports bei gleichzeitig rückläufigen Importen resultieren sollte. Ab 1978, so seine Argumentation gegenüber dem Vorstand in München, werde die ­Talsohle der Rezession durchschritten sein und könne mit einer allgemeinen Belebung der Konjunktur gerechnet werden, die sich ebenfalls positiv auf den Automobilmarkt auswirken würde und somit der Tiefpunkt bald als überwunden gelten könne. Diese optimistische Argumentationskette des Managing Director überraschte im Kontext des parallel gestellten Antrags der BMW SA auf Bereitstellung weiterer Investitionen für den südafrika­ nischen Fertigungsstandort nicht. Allerdings war 1977 noch immer eine erhebliche Unterauslastung der Kapazitäten bei den einzelnen in Südafrika ­fertigenden Automobilfirmen um gesamthaft rund 50 Prozent gegeben, die einen starken Preiskampf nach sich zog.298 Die Konkurrenzsituation wurde verstärkt durch das bestehende Überangebot von insgesamt zwölf Fabriken und 16 Herstellern auf dem südafrikanischen Automobilmarkt, auf dem nach Ansicht des Managing Director der BMW SA ein wahrer Verdrängungswettbewerb stattfand.299 BMW war 1977 der einzige PKW-Hersteller, der gegenüber dem Vorjahr Zuwachsraten ausweisen konnte.300 Dieser Absatzzuwachs schlug sich jedoch nicht eins zu eins auf das Ergebnis nieder, da im Zusam294 

Cron führt in seiner Dissertation hervorragend den Unterschied zwischen Divestment und Disinvestment aus, vgl. Cron, Deutsche Unternehmen, S. 156f. 295  Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 70f. 296  Vgl. ebd., S. 157. 297  Vgl. ebd., S. 70–74; Cron, Deutsche Unternehmen, S. 162. 298 Vgl. Protokoll Nr. 27/77 der Vorstandssitzung vom 20. 09. 1977, in: BMW UA 1456/1. 299 Vgl. Protokoll Nr. 4/78 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 300 Vgl. Protokoll Nr. 26/78 der Vorstandssitzung vom 25. 07. 1978, in: BMW UA 1458/1.

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5.  BMW in Südafrika

menspiel mit der erheblichen Rand-Abwertung Ende 1977 die BMW-Einstandspreise so stark gestiegen waren, dass in den Monaten Oktober/November lediglich ein Deckungsbeitrag von circa 100 Rand pro Einheit erzielt werden konnte.301 Ende der 1970er Jahre waren überdies die Auswirkungen der zweiten Ölpreiskrise auch in Südafrika deutlich spürbar – die Öllieferungen aus dem Iran hatten zuvor 90 Prozent der südafrikanischen Ölimporte ausgemacht302 – und ließen das Wachstum der bis dahin vor allem durch Importe substituierten Ökonomie stagnieren.303 Die Energiekrise hatte ebenfalls signifikante Auswirkungen auf die PKW-Branche, wobei der Markt der großen Fahrzeuge besonders betroffen und daher stark rückläufig war. Wesentlichen Einfluss hatten hier die Benzinpreissteigerungen von rund 30 Prozent, die Geschwindigkeitsbeschränkungen in den städtischen Gebieten auf 70 km/h und die Pläne der Regierung hinsichtlich einer höheren Besteuerung großer Dienstwagen; hiervon war neben Mercedes-Benz insbesondere BMW betroffen.304 Kleinwagen mit geringem Benzinverbrauch erzielten die höchsten Steigerungsraten, während die oberen Automobilklassen 1979 einen Absatzrückgang um rund 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr hinnehmen mussten. Insgesamt entwickelte sich der Markt aber positiv und nahm im Jahre 1979 um 4,2 Prozent zu.305 Die Verschärfung des Wettbewerbes führte jedoch dazu, dass viele Akteure der südafrikanischen Automobilindustrie in umfangreiche Kooperationsgespräche untereinander eintraten, an denen sich auch die BMW SA unter Federführung ihrer Muttergesellschaft beteiligte, wobei es hier vor allem im Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit auf Vertriebsseite mit Volkswagen und Peugeot zu einer temporärem Annäherung kam, diese Dialoge jedoch erneut ohne Übereinkunft endeten.306 Diese Verhandlungsrunden in der Automobilbranche führten allerdings auf dem südafrikanischen PKW-Markt letztlich zu deutlichen Konzentrationstendenzen.307 Die südafrikanische Regierung betrieb auch weiterhin eine durch Regu­ lierung gekennzeichnete Wirtschaftspolitik, die neben der Fortsetzung des ­Local-Content-Programmes auch in der Steuerpolitik zum Ausdruck kam. So plante das Finanzministerium eine höhere Besteuerung von Fahrzeugen des Luxussegmentes sowie der sogenannten „Executive Cars“. BMW wirkte hier 301 Vgl. Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: BMW UA 1448/1. 302 Vgl. Protokoll Nr. 25/79 der Vorstandssitzung vom 05. 09. 1979, in: BMW UA 1447/1. 303  Vgl. Duncan, Foreign and local investment, S. 68. 304 Vgl. Protokoll Nr. 25/79 der Vorstandssitzung vom 05. 09. 1979, in: BMW UA 1447/1. 305  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10. 306 Vgl. Protokoll Nr. 29/78 der Vorstandssitzung vom 05. 09. 1978, in: BMW UA 1458/1. 307  Vgl. Protokoll Nr. 32/78 der Vorstandssitzung vom 26. 09. 1978, in: ebd.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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gemeinsam mit anderen Herstellern der höheren Preisklassen, wie etwa Daimler-Benz, gegen übermäßige staatliche Eingriffe ein und so konnte 1979 eine mündliche Zusage des Finanzministers erreicht werden, eine derartige Steuer doch nicht einzuführen.308 Dennoch befürchtete die Geschäftsleitung der BMW SA, dass künftig das eigene Modellprogramm Ziel höherer Steuer­ belastungen werden könnte: “[…] additional taxation will still erode the ­disposable income of our customers and create a widening gap between international and local remuneration for executives.”309 Auch im Hinblick auf personelle Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten von nicht-weißen Mitarbeitern wirkte der Staat im Sinne der Apartheidpolitik regulierend auf die Betriebe ein und es bedurfte gesonderter unternehmerischer Anstrengungen, diese Diskriminierung innerbetrieblich sukzessive zu nivellieren, die sich immer deutlicher als großes Hindernis des wirtschaftlichen Wachstums in Südafrika herausstellte. Innerbetriebliche Maßnahmen zielten vor allem auf die Etablierung schwarzer Gewerkschaften sowie die interne Weiter­ bildung und Gleichstellung aller Mitarbeiter. Forciert wurde diese Gleich­ behandlung durch einen zunehmenden internationalen Druck, in dessen Kontext unter anderem der Verhaltenskodex für europäische Firmen entstand, die mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika tätig waren. Dieser wurde am 20. September 1977 von den Außenministern der neun EG-Staaten verabschiedet und zielte vorrangig auf Gleichberechtigung und einen sozial fairen Umgang innerhalb der Unternehmen ab.310 Auf diesen Themenkomplex wird im Rahmen der Personal­ politik der BMW SA ab 1977 in Kapitel 5.4.2 näher eingegangen. Selbstverständlich blieb auch die BMW SA nicht von den wirtschaftlichen sowie politischen Turbulenzen unbeeinflusst. Bis in das Frühjahr 1978 wurde mit Verlusten gearbeitet und erst für das folgende Geschäftsjahr mit positiven Ergebnissen gerechnet. Die auch weiterhin ungünstige Entwicklung des an den US-Dollar gekoppelten Rand-Kurses, der somit auch die Rezession in Südafrika spürbar machte, hatte sich auf das Geschäftsjahr 1977 nachteilig ausgewirkt. Ferner belastete ein verhältnismäßig hoher Inflationswert die Ökonomie insbesondere seit 1974, wie Abbildung 51 zeigt. Die Inflation stieg zwischen 1973 und 1976 von 4,9 Prozent auf 17,4 Prozent. Dass diese ungünstigen Verkaufsbedingungenen nicht im selben Umfang an die Kunden weitergegeben wurden, verdeutlicht der ebenfalls abgebildete Preisindex von Neufahrzeugen, der in diesem Zeitraum nur moderat anstieg, wodurch die 308  Ein

Jahr zuvor hatte bereits Strauß mittels seiner Kontakte zur südafrikanischen Regierung darauf eingewirkt, dass die Steuerlast für den bayerischen Hersteller nicht weiter anstieg, vgl. Schreiben von Dr. von Koerber, Managing Director der BMW SA, an den CSU-Bundestagsabgeordneten Franz Josef Strauß vom 16. 06. 1978, in: ACSP NL Strauß PV:2877. 309 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 05. 1979, in: BMW UA 2018/1. 310  Vgl. BDI Informationen, 1977, in: BMW UA 1998/1.

638

5.  BMW in Südafrika

100

25,0

80

20,0

70 60

15,0

50 40

10,0

30 20

5,0

Inflation (in Prozent)

Preisindex Neufahrzeuge (1985 = 100)

90

10 0

0,0

Preisindex Neufahrzeuge

Inflation

Abbildung 51: Preisentwicklung anhand des Preisindex für Neufahrzeuge und die Inflationsrate des Rand, 1970–1985.311

Hersteller eine geringere Fahrzeugrendite erwirtschafteten. Die zweite Inflationswelle der 1980er Jahre schlug sich hingegen deutlich in dem Preisindex nieder. Die Volatilität der Inflationsrate führte in den 1970er und 1980er Jahren zu einer Verunsicherung des Marktes und machte Investitionsaktivitäten, insbesondere von ausländischen Firmen, in Südafrika schwerer kalkulierbar. Das Zusammenspiel all dieser wirtschaftlichen und politischen Rahmen­ bedingungen hatte dazu geführt, dass der Break-even-Point bei der BMW SA Anfang 1978 erheblich gestiegen war auf nunmehr 9 000 Einheiten pro Geschäftsjahr.312 Fünf Jahre zuvor hatte dieser noch bei 5 000 Einheiten jährlich gelegen, was die rapide Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage bzw. Rahmenbedingungen der BMW SA verdeutlicht.313 Fernerhin waren nach der durchgeführten Sanierung der BMW SA-Gruppe die Erwartungen der BMW AG gegenüber ihrer südafrikanischen Tochter erheblich gewachsen. Es wurden nun nennenswerte wirtschaftliche Erfolge gefordert, die sich in positiven Zahlen ausdrücken mussten. Hiermit einher ging ein forciertes Kostenreduzierungsprogramm für alle Bereiche der BMW SA mit einer Senkung der direkten und indirekten Kosten und damit implizit der Gewinn311  Vgl. Econometrix (Pty) Ltd., zitiert nach Duncan, Foreign and local investment, S. 81. 312 Vgl. Protokoll Nr. 4/78 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 313 Vgl. Protokoll Nr. 44/78 der Vorstandssitzung vom 21. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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schwelle.314 Durch diverse Bemühungen konnte diese tatsächlich bis zum Dezember 1978 auf einen Wert von 8 000 Einheiten pro Jahr gesenkt werden.315 Des Weiteren erstattete von Koerber, Managing Director der BMW SA, dem Vorstand der BMW AG regelmäßig in München persönlich Bericht über die aktuelle Geschäftsentwicklung und auch die Vorstandsmitglieder der Zentrale reisten wiederkehrend nach Rosslyn, um die Ergebnisse vor Ort zu bewerten.316 Trotz der sich abzeichnenden positiven Tendenzen wurde im Dezember 1978 unter dem Eindruck der erschwerten Bedingungen auf dem südafrikanischen Markt erneut die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Standortes aufgeworfen: „Er [der BMW-Vorstand, Anm. d. Verfasserin] stellt die Frage, ob angesichts der schwerwiegenden Probleme und unter Berücksichtigung der politisch eher ungünstiger werdenden Lage Südafrikas ein weiteres Engagement auf dem südafrikanischen Markt in der bisherigen Form wirtschaftlich sinnvoll sein kann […]. Es ist deshalb zu prüfen, ob mit dem skizzierten unternehmenspolitischen Konzept eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung auch unter ungünstigen Bedingungen gewährleistet werden kann. […] Unabhängig von den Bestrebungen, das Engagement in Südafrika trotz aller Schwierigkeiten auf eine erfolgversprechende Geschäftsgrundlage zu stellen, wird es konzernpolitisch als notwendig angesehen, alternative Produktionsstandorte in Afrika, Lateinamerika oder Australien/Neuseeland in Erwägung zu ziehen und auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.“317

Diesen Überlegungen zur Beendigung der Direktinvestitionen vor Ort standen jedoch ebenso stichhaltige Argumente gegenüber, die die Geschäftsleitung in München wie folgt formulierte: „Insofern schließt der Vorstand in seine Überlegungen mit ein, daß bei einer dras­ tischen Verschlechterung der Situation auch eine Aufgabe des südafrikanischen En­ gagements ins Auge gefaßt werden müßte. Andererseits zeigt eine überschlägige Schätzung, daß die völlige Aufgabe von ZA bei Liquidationskosten in einer Größenordnung von etwa 100 Mio DM derzeit keine realistische Alternative sein kann. Hinzuzurechnen sind die Nachteile aus dem mit einer derartigen Entscheidung verbundenen Imageverlust.“318

Diese beiden Zitate verdeutlichen, dass das Südafrika-Engagement der BMW AG auch Ende der 1970er Jahre keineswegs unternehmensintern gesetzt und unumstritten war. Seit ihrer Gründung musste sich die BMW SA beständig selbst legitimieren und gegenüber der BMW-Zentrale beweisen, dass das in sie investierte Vertrauen und die finanziellen Aufwendungen gerechtfertigt waren. Letztlich musste man vor allem durch eine positive Ergebnisrechnung 314 Vgl.

Protokoll Nr. 4/78 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 315 Vgl. Protokoll Nr. 44/78 der Vorstandssitzung vom 21. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1. 316  Vgl. exemplarisch Protokolle der Vorstandssitzung von 1978, in: ebd. und BMW UA 1448/1. 317  Protokoll Nr. 44/78 der Vorstandssitzung vom 21. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1. 318  Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1.

640

5.  BMW in Südafrika

zeigen, dass man den erschwerten Herausforderungen gewachsen war. Unter von Koerber vermochte die Geschäftsführung der BMW SA sukzessive positive Ergebnisse vorzuweisen: Für das Geschäftsjahr 1978, das im Februar 1979 endete, rechnete man mit einem positiven Ergebnis vor Steuern von 1,9 Mio. Rand.319 Positive Entwicklungen und Zahlen dieser Art sollten den BMW-Vorstand letztlich davon überzeugen, dass der Standort in der südafrikanischen Republik nicht aufgegeben werden durfte. Dieser Ertrag konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die südafrikanische Tochter bis dahin jährlich eine Ergebnisunterdeckung in der Größenordnung von etwa 5,0 Mio. Rand aufgewiesen hatte, der lediglich ein Kostensenkungspotential von 1,6 bis 1,9 Mio. Rand gegenüberstand. Um die Geschäftstätigkeit in Südafrika langfristig wirtschaftlich absichern zu können, rückte daher notwendigerweise neben dem Inlandsvolumen ab 1977 auch der Export zunehmend in den Fokus.320 Für ein solches Vorhaben boten sich vor allem weiter entfernte Regionen wie Asien und Australien an, die von Südafrika schneller und kostengünstiger zu beliefern waren als von Deutschland aus. „Im Rahmen seiner Grundsatzdiskussion über das weitere Engagement in Südafrika hatte der Vorstand die zuständigen Stellen bei ZA und bei der AG mit der Über­ prüfung aller unternehmenspolitischen Alternativen beauftragt und dabei F [Finanzvorstand, Anm. d. Verfasserin] gebeten, die Kosten einer Liquidation von ZA aufzuzeigen […]. Nach der nunmehr vorliegenden Untersuchung […] ist das Liquidationsrisiko für die AG bei optimistischer Betrachtung z. Zt. auf rd. 76 Mio DM, bei pessimistischer Betrachtung auf ca. 155 Mio DM zu veranschlagen. Entsprechende Gewinne bei der AG vorausgesetzt, würde sich das Liquidationsergebnis n. St. auf +3,9 Mio DM (optimistisch) bzw. –24,8 Mio DM (pessimistisch) stellen. Die weitere Entwicklung von BMW ZA wird entscheidend davon abhängen, daß es gelingt, ein Exportvolumen von jährlich 3 000–5 000 Einheiten (angemessene Deckungsbeiträge vorausgesetzt) langfristig abzusichern. Die nicht unwahrscheinliche Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für das südliche Afrika könnte die Exportbemühungen erheblich erleichtern. Es wird deshalb beschlossen, die Fortsetzung des SüdafrikaEngagements in etwa einem halben Jahr auf der Grundlage genauer Analysen über die Exportmöglichkeiten erneut zu diskutieren.“321

Der Export wurde sozusagen als „Rettungsanker“ angesehen und so wird auf die Ausweitung des Verkaufs auf das Ausland in Kapitel 5.4.5 näher eingegangen. Ein besonders hoher Kostenpunkt waren bei der BMW SA die Materialkosten, die einen Anteil an den Gesamtkosten von 80 Prozent ausmachten, wovon wiederum zwei Drittel auf CKD-Lieferungen und ein Drittel auf im Lande zugekaufte Teile entfiel. Der Frachtkostenanteil war mit 24 Prozent bei den Teilesatzlieferungen ausgesprochen hoch, so dass die Materialkosten einen wesentlichen Punkt im geplanten Kostenreduzierungsprogramm aus319 

Vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: ebd. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: BMW UA 1447/1. 321  Protokoll Nr. 14/79 der Vorstandssitzung vom 22. 05. 1979, in: BMW UA 1447/1. 320 Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

641

machten und dort gesondert adressiert wurden. Demgegenüber waren die „direct labour costs“ mit nur einem Prozent der Gesamtkosten besonders niedrig, obgleich die Löhne bei der BMW SA nach eigener Aussage im Vergleich zu anderen Mitbewerbern über dem Durchschnitt lagen, was in Kapitel 5.4.2 genauer untersucht wird.322 Neben den Materialkosten war jedoch für die BMW SA die Frage nach einer qualitativ und zeitlich zufriedenstellenden sowie finanziell optimierten Materialversorgung das zunächst drängendste Problem, das sich vor allem aus der starken Produktionssteigerung ergab, wie in Kapitel 5.4.4 aufzuzeigen ist. Die größte Schwierigkeit der ­südafrikanischen Automobilzulieferindustrie bestand zu diesem Zeitpunkt darin, dass aufgrund zu geringer Stückzahlen der Automatisierungsgrad sowie die Qualitätssicherung für deutsche Maßstäbe nur unzureichend blieben und damit das erforderliche Qualitätsniveau nicht erreicht werden konnte.323 Fernerhin machte die für den 1. Januar 1980 von der Regierung festgelegte Einführung der Phase V des Local-Content-Programmes mit einem lokal zu fertigenden Anteil von 66 Prozent, bezogen auf das Fahrzeuggewicht, eine Reihe von Maßnahmen erforderlich, die weitere Kosten evozierten und sich somit gewinnschmälernd auf die Ergebnisrechnung auswirkten. Dennoch konnte im Juli 1978 im BMW-Werk Rosslyn bereits ein Prozentsatz der lokalen Fertigung von 63 Prozent erzielt werden.324 Ab 1979 entspannte sich die Situation auf dem südafrikanischen Automobilmarkt allmählich, nachdem 1977 ein besonders schwieriges Jahr war, und die Zulassungszahlen erreichten bis 1981 einen neuen Rekord. Zwar konnten 1979 nicht alle Marken eine positive Absatzentwicklung gegenüber dem Vorjahr aufweisen – manche Hersteller verzeichneten sogar einen signifikanten Absatzrückgang (British Leyland -56 Prozent, Daimler Benz -20 Prozent, General Motors -11 Prozent, Ford -9 Prozent), BMW konnte jedoch ein Absatzplus von 17 Prozent und VW sogar einen Zuwachs von 20 Prozent verzeichnen, während der Gesamtmarkt um insgesamt 7 Prozent zunahm.325 Abbildung 52 zeigt die Zulassungen der BMW SA vor dem Hintergrund der Gesamtzahlen des südafrikanischen PKW-Marktes. Sie verdeutlicht, dass die BMW-Zulassungszahlen zwischen 1977 und 1981 um 116 Prozent zunahmen und sich somit mehr als verdoppelten. Die BMW SA konnte somit wesentlich an der Steigerung des Gesamtmarktes um 81 Prozent partizipieren. Ab 1979 vermochte die BMW-Tochter ihren PKW-Absatz sogar überproportional zu steigern. 322 Vgl. 1448/1. 323 Vgl. 1458/1. 324 Vgl. 1448/1. 325 Vgl. 1460/1.

Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: BMW UA Protokoll Nr. 26/78 der Vorstandssitzung vom 25. 07. 1978, in: BMW UA Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: BMW UA Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA

5.  BMW in Südafrika

350.000

14.000

300.000

12.000

250.000

10.000

200.000

8.000

150.000

6.000

100.000

4.000

50.000

2.000

0 Gesamtmarkt BMW

1977

1978

1979

1980

1981

166.800

204.700

213.300

277.100

301.500

6.218

7.027

8.271

11.218

13.442

Gesamtmarkt

BMW-Zulassungen

PKW-Gesamtmarkt

642

0

BMW

Abbildung 52: Zulassungszahlen des südafrikanischen Automobilmarktes und der BMW SA, 1977–1981.326

1980 wuchs das Bruttosozialprodukt in der südafrikanischen Republik um real 8 Prozent,327 womit die Talsohle der Ökonomie endgültig durch­schritten war, die in Abbildung 49 dargestellt wurde. Im Folgejahr nahm das Brutto­ sozialprodukt Südafrikas um weitere 4,5 Prozent zu.328 Die günstige Entwicklung der Wirtschaft, die sich wiederum positiv auf die Automobilindustrie auswirkte, war vor allem auf das Ansteigen des Goldpreises und die hierdurch entstandenen Zahlungsbilanzüberschüsse zurückzuführen. Allerdings wurde erneut deutlich, dass dieses Wachstum noch immer durch die beschränkte Anzahl qualifizierter Arbeitskräfte auf dem südafrikanischen Markt begrenzt wurde, was vor allem auch auf die repressive Bildungspolitik der Regierung gegenüber der schwarzen Bevölkerung zurückzuführen war (vgl. Kapitel 5.4.2).329 Die stabile wirtschaftliche Entwicklung des Landes wurde fernerhin durch das allgemeine Anwachsen des Exportvolumens – von Gold, Chrom, Vanadium, Platin, Diamanten, aber auch von Nahrungsmitteln – gestützt. Südafrika lieferte überdies große Mengen von Kohle an die EG-Länder. Trotz der bekannten politischen Probleme des Landes war nach Ansicht der BMW-Geschäftsleitung Anfang der 1980er Jahre zunächst 326 

Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 328 Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 329 Vgl. Protokoll Nr. 21/80 der Vorstandssitzung vom 20. 05. 1980, in: BMW UA 1455/1; Marx, Südafrika, S. 232f. 327  Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

643

mit keiner größeren politischen Verwerfung oder Krise internationaler Tragweite zu rechnen, nachdem der Regierungswechsel in den USA 1981 zu einem moderateren Ton gegenüber Südafrika auch in den Vereinten Nationen geführt hatte.330 Wie sich allerdings in den folgenden Jahren zeigen sollte, handelte es sich hierbei um eine Fehleinschätzung. Immer weiter eskalierten die Ausschreitungen in Südafrika, so dass 1985 der Premierminister sogar den Ausnahmezustand verhängte. Es folgten umfassende Boykottmaßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft, allen voran der USA. Da diese Entwicklungen jedoch außerhalb des Beobachtungszeitraums liegen, muss eine genauere Analyse im Kontext dieser weitreichenden Geschehnisse als Desiderat für kommende Studien gewertet werden. Auch die unternehmensinterne Besitzverhältnisstruktur des BMW-Konzerns wandelte sich im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit in Südafrika unter dem Einfluss der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. In Anbetracht der besonderen steuerlichen Situation der BMW SA erschien es der Geschäftsführung im Sommer 1978 zweckmäßig, die gesamte Beteiligung direkt auf die BMW AG zu übertragen. Aus diesem Grunde beschloss der Vorstand im Juni 1978, 51 Prozent der Anteile, die bis dato von der BMW Holding in Zürich gehalten wurden, durch die AG zu einem symbolischen Wert von 1 DM zurück zu erwerben, womit die BMW AG ab dem Geschäftsjahr 1978 direkte, hundertprozentige Eigentümerin der BMW SA wurde.331 Mit der positiven wirtschaftlichen Entwicklung und dem weiteren Wachstum der Automobilbranche kam es auch bei der BMW SA zu stetig, bisweilen stark, steigenden Auftragsbeständen und hierdurch ebenso zu Liefer­fristen. Im Laufe des Geschäftsjahres 1980 wurden daher Maßnahmen eingeleitet, die in mehreren Schritten die Fertigungskapazität des Werkes in Rosslyn verdoppeln sollten. In diesem Zusammenhang wurde zu Jahresbeginn 1980 das Gesellschaftskapital der südafrikanischen Tochter von 8,9 Mio. Rand auf 12,9 Mio. Rand erhöht.332 Im Vorfeld war auch das Gesellschaftskapital der Finanzholding BMW SA Investments 1977 von 0,2 Mio. Rand auf 8,9 Mio. Rand aufgestockt worden.333 Tabelle 63 gibt Auskunft über die Geschäftsentwicklung der südafrikanischen BMW-Tochter in dem Zeitraum 1976 bis 1981.334 Wie bereits geschildert, kann resümierend das Geschäftsjahr 1978 als Wendepunkt in der Geschäftsaktivität der BMW SA gewertet 330 Vgl.

Protokoll Nr. 4/81 der Vorstandssitzung vom 03. 02. 1981, in: BMW UA 1435/1. 331 Vgl. Protokoll Nr. 19/78 der Vorstandssitzung vom 06. 06. 1978, in: BMW UA 1448/1. 332  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 333  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10. 334  Die Geschäftsjahre der BMW SA laufen jeweils vom 01. 03. eines Jahres bis zum 28. 02. des jeweiligen Folgejahres, vgl. Internes Memo des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 12. 12. 1972, in: BMW UA 1549/1.

644

5.  BMW in Südafrika

werden, das somit zu einer allmählichen finanziellen Entspannung und Rentabilität der Gesellschaft führte.   335  336 

Umsatz Ergebnis v. St. Investitionen Wechselkurs (1,0 Rand in DM)

GJ 1976

GJ 1977

GJ 1978

GJ 1979

GJ 1980

42,9 9,4 3,0 2,72

65,3 –5,9 5,0 2,40

80,2 2,7335 21,0 2,18

114,0 14,6 5,0 2,24

178,9 27,2 6,0 2,64

GJ 1981 230,4  24,1336  27,0 2,27

Tabelle 63: Ergebnisentwicklung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Angaben in Mio. Rand), 1976–1981.337

Die Kennzahlen zeichnen die positive Entwicklung nach, die die BMW SA seit 1978 trotz des schwachen Wechselkurses der südafrikanischen Währung nahm. Der Umsatz stieg zwischen 1976 und 1981 wesentlich um mehr als das Fünffache bzw. 437 Prozent an. Im Geschäftsjahr 1976 hatte die Tochter ein positives Ergebnis vor Steuern nur erzielen können, da die BMW-Zentrale Maßnahmen initiierte, ohne die ein negatives Ergebnis von –3,6 Mio. Rand erwirtschaftet worden wäre.338 1978 schaffte die BMW SA ein positives Ergebnis erneut aus eigener Kraft, obgleich im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren mit 21 Mio. Rand ein Vielfaches an Investi­tionsleistungen für den weiteren Ausbau der Produktionsanlagen getätigt wurde.339 Um die Produktivität weiter zu steigern und zugleich die Qualität zu sichern, die für die in Rosslyn ebenfalls montierten Fahrzeuge der o ­ beren Klasse zwingend notwendig war, wurden 1981 erneut 27 Mio. Rand in das Werk investiert. Von Koerber fasste im Jahre 1981 die positive Entwicklung der von ihm seit 1977 geleiteten Tochtergesellschaft BMW SA und ihre Wahrnehmung in der Münchner BMW-Zentrale sowie auf dem südafrikanischen Automobil­ markt gegenüber der Presse retrospektiv wie folgt zusammen: “I don’t think anybody would have believed it at the time we were establishing ourselves. I can tell you that, at the start, nobody at BMW believed it either. This was a problem with which I started in 1977 when I wanted money for product and plant 335  Durch indirekte Investitionen der BMW AG (Zahlungsziele, Wechselkursgarantie, CKD-Preise, Exportfahrzeugerlöse). Dies gilt insbesondere für das Geschäftsjahr 1978, darüber hinaus jedoch ebenfalls für die Berichtsjahre 1977 und 1979, vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 336 Vor Maßnahmen 33,0 Mio. Rand, vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: ebd. 337  Vgl. ebd. 338  Vor den durch die Muttergesellschaft eingeleiteten Maßnahmen lag das Ergebnis vor Steuern nur bei –3,6 Mio. Rand, vgl. ebd. 339 In dem Geschäftsjahr 1975 war es der BMW SA erstmals gelungen, trotz des ­starken Wertverlusts der südafrikanischen Währung Rand ein positives Ergebnis zu erwirtschaften, vgl. Anlage 1 „BMW Engagement in der Republik Südafrika“ zum Protokoll Nr. 40/76 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1976, in: BMW UA 1446/1; ­Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

645

investment. There was a very low confidence level in Munich; there were a few people who had confidence in our future here. This left us in the somewhat fortunate position of being underestimated and not taken too seriously and this kept all other companies fast asleep for quite a time. To this day I am not even certain that competitors have realized what we have established in this country. […] In the meantime we had a recession, we had Soweto, we had various things happening that could not have been anticipated.”340

Aus finanzieller Sicht hatte die BMW SA gezeigt, wie Tabelle 63 zu entnehmen ist, dass sich das BMW-Engagement in Südafrika ab Mitte der 1970er Jahre allmählich selbst zu tragen begann. Dennoch stand die noch junge Gesellschaft unter dezidierter Beobachtung der Münchner Zentrale, so dass ihr Geschäftsverlauf genauestens geprüft wurde. Aufgrund der gesellschafts- sowie wirtschaftspolitisch schwierigen Rahmenbedingungen, denen auslän­ dische Unternehmen mit Dependancen in Südafrika unterlagen, wurde die BMW-Tätigkeit beständig auf ihre Rentabilität, aber auch im Hinblick auf das Risiko und die soziale Verantwortung geprüft, die das politische Klima in sich bargen. Nachdem die allgemeinen Rahmenbedingungen sowie der Geschäftsverlauf der BMW SA vorgestellt worden sind, soll im Folgenden näher auf ihre einzelnen Unternehmensbereiche eingegangen werden, deren Analyse mit Hilfe des methodischen Rahmens des auf McCarthy basierenden und im Kontext dieser Arbeit erweiterten 4+2P-Konzeptes erfolgt (vgl. Kapitel 1.3). Die sich anschließenden Abschnitte folgen dieser analytischen Strukturierung. Anhand der Maßnahmen in den Bereichen Personal, Produktgestaltung und preislichen Positionierung, Produktion, Vertrieb und Kommuni­kationspolitik werden die Entwicklung der BMW SA und ihre Etablierung in Südafrika, aber auch innerhalb des internationalen BMW-Netzwerks vorgestellt und untersucht. Diese Schwerpunktsetzung der Analyse entspricht auch den Kern­ themen, die aus Sicht des Managing Director von Koerber bei Amtsantritt bei der BMW SA 1977 zu priorisieren waren, die er gegenüber dem BMW-Vorstand bei einem Besuch in München wie folgt definierte: Eine qualitative Verbesserung des Personals, einschließlich Reorganisationsmaßnahmen in diesem Bereich, eine Anhebung der Fertigungsqualität, unter ­anderem durch eine Erhöhung des Qualitätsbewusstseins, allgemeine Per­sonalschulungsmaßnahmen und eine verstärkte Beachtung der Qualitätskomponenten bei den Einkaufsverhandlungen sowie fernerhin Modellpflegemaßnahmen und eine Verstärkung der Exportaktivitäten zur Verkaufsförderung. Auch die weitere finan­ zielle Konsolidierung der BMW SA und eine effizientere Abstimmung mit den Fachabteilungen in München sollten laut Koerber unter seiner Ägide weiter fokussiert und stärker adressiert werden.341 340  Interview mit Dr. Eberhard von Koerber, Managing Director der BMW SA, in: Beilagenheft „Executive Car Survey“ der Financial Mail vom 20. 03. 1981, in: BMW UA 2001/1. 341 Vgl. Protokoll Nr. 27/77 der Vorstandssitzung vom 20. 09. 1977, in: BMW UA 1456/1.

646

5.  BMW in Südafrika

5.4.2. Personalpolitik Eines der vorrangigen Probleme bei der Gründung der BMW SA im Sommer 1972 betraf die Personalsituation auf allen Hierarchieebenen, vom einfachen Werksarbeiter bis hin zum Direktorium. Hinsichtlich der Benennung der ersten Führungsinstanz der südafrikanischen Tochter gab es in München ­ Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden, die zum einen über Führungsqualitäten verfügten und zum anderen international einsetzbar waren, zugleich jedoch noch nicht in einer anderweitigen Tätigkeit gebunden waren. Der Vorstand der BMW AG stellte in diesem Kontext fest, dass sie „wahrscheinlich keine Reserven [hatte, Anm. d. Verfasserin], um geeignete Führungskräfte längerfristig für Südafrika abzustellen.“342 Nicht nur wurde ein Managing Director mit möglichst internationaler Erfahrung benötigt, sondern auch ein erfahrener Produktionsleiter, der mit dem BMW-Produktionsnetzwerk vertraut und überdies ein „Kosten- und Finanzierungsfachmann mit Führungsqualitäten“ war.343 Doch auch die allgemeine Personalsituation vor Ort war angespannt, da die meisten qualifizierten und angelernten Mit­ arbeiter bereits vor der Übernahme des Standortes durch die BMW AG das Werk in Rosslyn aufgrund der unsicheren Insolvenzlage der Hugh Parker Group verlassen hatten und damit zusätzlich die Arbeitsmoral der verbliebenen Belegschaft negativ beeinflusst hatten. Da darüber hinaus in der unmittelbaren Nachbarschaft weitere Unternehmen und Konkurrenzbetriebe angesiedelt waren, musste auch die allgemeine Arbeitsmarktsituation als angespannt gelten und eine hohe Fluktuation befürchtet werden, insofern es nicht gelang, der Belegschaft ausreichend Anreize zu bieten.344 Im Juli 1972 hatte der BMW-Vorstand übergangsweise Wolf Reinhardt, einen leitenden BMW-Mitarbeiter aus der Zentrale, als temporären Managing Director nach Südafrika entsandt, der in einer Interimslösung die Geschicke vor Ort bis zu der längerfristigen Besetzung des Amtes verantworten sowie das laufende Geschäft des BMW-Importeurs im Interesse der BMW AG überwachen sollte.345 Nach einigen Monaten der internen Personalsuche fand sich in der Münchner Zentrale eine mögliche Lösung: Haimo Huber, der durch seine bisherige Arbeit in der Exportabteilung (VE-33) eine gewisse Expertise auf dem internationalen Parkett bewiesen hatte, wurde Anfang Oktober 1972 zum neuen Geschäftsführer der BMW SA berufen. Huber war bereits im April 1971 im Auftrag der BMW AG nach Südafrika und Australien gereist, um vor Ort eine neutrale Beurteilung der Märkte zu erstellen.346 Er verfügte über Kenntnisse im internationalen operativen Geschäft, allerdings fehlte es ihm bislang an notwendiger Führungs- sowie unternehmeri342 

Protokoll Nr. 26/72 der Vorstandssitzung vom 30. 08. 1972, in: BMW UA 801/1. Protokoll Nr. 27/72 der Vorstandssitzung vom 05. 09. 1972, in: ebd. 344  Vgl. Protokoll Nr. 31/72 der Vorstandssitzung vom 25. 10. 1972, in: ebd. 345  Vgl. Protokoll Nr. 23/72 der Vorstandssitzung vom 11. 07. 1972, in: ebd. 346  Vgl. Reisebericht Südafrika von Huber, VE-33, vom 29. 04. 1971, in: BMW UA 1993/1. 343 

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

647

scher Erfahrung. Dieses Defizit trat in den folgenden Monaten immer deut­ licher zutage, so dass BMW-Vertriebsvorstand Lutz ihm zwar im Februar 1973 eine weitere sechsmonatige Chance einräumte, um die BMW SA den Vorstellungen gemäß auf Kurs zu bringen,347 doch konnte Huber letztlich auch den BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim, der regelmäßig nach Südafrika reiste, von seiner Arbeit als Managing Director nicht überzeugen, so dass dieser Hubers Ablösung bereits im Sommer 1973 als notwendig ­erachtete.348 Wieder musste sich das Direktorium in München nach einer ­neuen Leitung der BMW SA umsehen, was der BMW AG als noch verhältnismäßig kleines Unternehmen mit geringen Führungsreserven, insbesondere auf dem internationalen Parkett, schwer fiel, denn bis 1972/73 verfügte sie, abgesehen von zwei Minderheitsbeteiligungen, über keine Tochtergesellschaften im Ausland (vgl. Kapitel 3.5.2.3). Während ein qualifizierter Finanzdirektor durch eine Personalberatungsfirma vor Ort gesucht wurde,349 übernahm es von Kuenheim persönlich, einen neuen Geschäftsleiter für die BMW SA anzuwerben. Dies unterstreicht die Wichtigkeit dieser Personalentscheidung, denn die BMW SA bedurfte als noch junger Gesellschaft dringend ­einer erfahrenen Leitung und unternehmerischen Konstanz. Von Kuenheims Wahl fiel auf Rudolf Graf von der Schulenburg und damit auf einen jungen Mann, der vor seinem Eintritt in die BMW AG ein Maschinenbaustudium mit der Fachrichtung Fertigungstechnik abgelegt und ein Jahr lang in den USA als Trainee im Bereich Vertrieb und Marketing bei der Volkswagen of America Inc. gearbeitet hatte. Seit 1967 war er bei der BMW AG und hatte sich dort als Produktionsingenieur sowohl im Bereich der Unternehmens­ planung als auch als Leiter der Produktionstechnik verdient gemacht und konnte somit trotz seines jungen Alters – bei Amtsantritt in Südafrika war er 36 Jahre alt – bereits dezidierte Führungserfahrung aufweisen.350 Überdies sprach von der Schulenburg fließend Englisch und wies damit eine Sprachfertigkeit auf, die für die 1970er Jahre keineswegs eine Selbstverständlichkeit im deutschen Management darstellte.351 Im Januar 1974 löste er Huber als Managing Director ab und leitete drei Jahre lang die BMW-Geschäfte in ­Südafrika. Neuer Finanzdirektor an seiner Seite wurde William Vipond, der von einer lokalen Firma in Südafrika rekrutiert worden war.352 347 Vgl.

Reisebericht Südafrika des Vertriebsvorstands Lutz, 11.–16. 02. 1973, vom 21. 02. 1973, in: ebd. 348  Vgl. Reisebericht Südafrika des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, von Kuenheim, 05.–10. 08. 1973, in: ebd. 349 Vgl. Reisebericht Südafrika des Vertriebsvorstands Lutz, 11.–16. 02. 1973, vom 21. 02. 1973, in: ebd. 350  Vgl. Lebenslauf von Rudolf Graf von der Schulenburg, in: BMW UN 490/1. 351  Vgl. Interview mit Rudolf Graf von der Schulenburg am 08. 01. 2009, in: Dreyer, Anne: Standortwahl, Gründung und erste Jahre der BMW South Africa (Ltd.), Diplomarbeit, Bamberg 2009. 352  Vgl. Schreiben von Vipond, Financial Director der BMW SA, an die Rechtsabteilung der BMW AG, Dr. Holzapfel (AJ-12), vom 13. 03. 1974, in: BMW UA 1989/1.

648

5.  BMW in Südafrika

Doch nicht nur auf der Führungsebene gestaltete sich die personelle Si­ tuation in Südafrika in der Anfangsphase schwierig, auch in anderen Unternehmensbereichen einschließlich des Werks fehlte es bei der BMW SA an ­erfahrenen Mitarbeitern. Dies führte in den ersten Jahren zu vermehrten Abstimmungsproblemen zwischen Rosslyn und München: “[Huber, Anm. d. Verfasserin] expressed the opinion that the difficulties which still existed were not due to a lack of co-operation but rather to the fact that BMW SA had a limited number of experienced staff with the necessary know-how.”353

Diese Missverständnisse spiegelten sich auch in Unklarheiten hinsichtlich der disziplinarischen Zuständigkeiten wider, denen die zeitweise aus München für Südafrika freigestellten Mitarbeiter unterstanden. Aus diesem Grunde legte im Dezember 1972 der Vorstandsvorsitzende in einem Memo an alle Mitarbeiter fest, dass jeder zu BMW SA entsandte Mitarbeiter während ­seines dortigen Aufenthaltes disziplinarisch der Geschäftsführung von BMW SA zugeordnet sei.354 Bis Sommer 1973 war jedoch deutlich geworden, dass es in München eines Referats bedurfte, das für die Betreuung des aus Deutschland nach Südafrika bzw. ins Ausland geschickten Personals verantwortlich war, wie von Kuenheim in einem Reisebricht festhielt: „In den Gesprächen während meines Besuches wurde vereinbart, dass die Besetzung der Positionen der 1. Ebene ausschließlich durch das Board [der BMW AG, Anm. d. Verfasserin] erfolgt. Die Besetzung der 2. Ebene dagegen nimmt das örtliche Management nach Einholung der Genehmigung durch die BMW AG vor, d. h. München behält sich in diesen Fällen ein Veto-Recht vor. Ich halte es für erforderlich, dass bei AP [Personalwesen, Anm. d. Verfasserin] umgehend ein Referat für die Betreuung des von uns ins Ausland entsandten Personals geschaffen wird, und dass dieses Referat zuständig ist für alle personalrechtlichen Fragen, wie besonders die Abstimmung der Verträge, Gehaltspolitik, Auslandszulagen usw. Dieses Referat sollte die Arbeit umgehend aufnehmen und die z. Zt. ungeklärten Fälle in Ordnung bringen.“355

Hier zeigt sich am Beispiel des Personalbereichs deutlich, dass sich die Internationalisierung des Unternehmens in Form von Direktinvestitionen im Ausland, weltweiten Standorten und den hiermit einhergehenden notwen­ digen Abstimmungsprozessen noch am Anfang befand. Das Lernen wurde auch auf organisationaler Ebene durch die Gründung der BMW SA weiter vorangetrieben. Das BMW-Management folgte hier keiner ex ante explizit formulierten Strategie. Vielmehr handelte es sich um situative, aus der Praxis generierte und für notwendig befundene einzelne Arbeitsanweisungen und Lösungsansätze, die im weiteren Verlauf die jeweiligen Prozesse strukturierten, sich im Folgenden allmählich zu institutionalisieren begannen und sich in Summe letztlich ex post zu einer Strategie zusammenfügten. Dieses Vorge353  Memorandum on Meetings held at BMW (South Africa) (Pty) Ltd. in Rosslyn, 13.–14. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1. 354 Vgl. Internes Memo des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 12. 12. 1972, in: ebd. 355  Reisebericht Südafrika des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, von Kuenheim, 05.–10. 08. 1973, in: BMW UA 1993/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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hen, im Sinne des „Trial-and-Error-Prinzips“, spiegelte sich auch in anderen Bereichen wider, wie noch aufgezeigt wird. Eines der ursächlichen Probleme innerhalb der Personalstruktur der BMW SA lag fernerhin in dem unterschiedlich ausgeprägten, bisweilen stark mangelhaften Bildungsstand und Ausbildungsgrad der Belegschaft. So war die lokale Geschäftsleitung von Anbeginn auf allen Ebenen bemüht, einen Personalapparat zu formen, der den Anforderungen und den von München gesteckten Zielen gerecht werden konnte: „Die alte Mannschaft von Führungskräften (Abteilungsleiter, Gruppenleiter) besitzt eine schlechte Moral und einen schlechten Ausbildungsstand. Dies gilt für Administration sowie auch für Fertigung [sic!]. BMW SA will über einen gewissen Zeitraum einen wesentlichen Teil der ‚europäischen‘ Leute ersetzen durch besser qualifizierte und motivierbare Leute. Dies wird sich auf die Gehälter auswirken (in der Planung berücksichtigen).“356

Dieses Zitat verdeutlicht, dass sich die zum Teil mangelnde Ausbildung nicht etwa auf schwarze Arbeiter begrenzte, denen aufgrund von politischen Restriktionen der Zugang zu einer umfassenden Bildung versperrt war, sondern ebenfalls, insbesondere in den ersten Jahren, auch unter den weißen Beschäftigten auftrat. Auch die Abwesenheitsquote, ein nennenswertes Problem der BMW SA, lag unter den weißen Arbeitnehmern mit 5,7 Prozent höher als bei den schwarzen Arbeitern, die nur 3,0 Prozent erreichte.357 Hier kann vermutet werden, dass im Zuge der Insolvenz der Hugh Parker Group Anfang der 1970er Jahre aufgrund der verstärkten Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Übernahme nur eine marode Personalbesetzung zurückgeblieben war, die BMW nun erneut aufbauen und professionalisieren musste. Auch hinsichtlich der Lohnempfänger in der Produktion sah man Handlungsbedarf und begann, zum Jahreswechsel 1972/73 Mitarbeiter abzubauen, um die Fertigung rationaler zu gestalten. Bei den gekündigten Arbeitern handelte es sich vor allem um sogenannte „Bantus“, 358 einem stark benachteilig356  Reisebericht

Südafrika des Vertriebsvorstands Lutz, 11.–16. 02. 1973, vom 21. 02.  1973, in: ebd. 357  Diese Werte wurden im Frühjahr 1976 ermittelt, womit davon auszugehen ist, dass die Rate bei der Gründung der BMW SA 1972/73 noch weitaus höher war, vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 26. 05.  1976, in: BMW UA 2018/1. Die niedrige Abwesenheitsquote bei schwarzen Mitarbeitern wurde unter anderem auf das für Südafrika hohe Lohnniveau bei der BMW SA zurückgeführt, die die Arbeit im BMW-Werk Rosslyn sehr attraktiv gegenüber den anderen Mitbewerbern machte, vgl. Anlage 1 „BMW Engagement in der Republik Südafrika“ zum Protokoll Nr. 40/76 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1976, in: BMW UA 1446/1. 358  Der Begriff „Bantu“ wird in dieser Arbeit bar jeder ideologischen Bewertung gebraucht und spiegelt die Verwendung des Ausdrucks durch BMW in den 1970er und 1980er Jahren wider. Der Begriff Bantu wurde vor allem im Laufe der 1950er Jahre im Kontext der Apartheid verstärkt von der südafrikanischen Regierung verwendet. Er bezeichnete den schwarzen, bantusprachigen Anteil der Bevölkerung in Südafrika, der dort die Mehrheit bildete. Als „Natives“ wurden sie jedoch nicht dem südafrikanischen Staat zugeordnet, sondern den sogenannten „Homelands“, die sie noch weiter

650

5.  BMW in Südafrika

ten Bevölkerungskreis Südafrikas, die über unzureichende Kenntnisse in der Fertigung verfügten. Die Entlassungen führten im Februar 1973 zu ausgeprägten Spannungen, die sich, vor dem Hintergrund weiterer Unruhen in anderen Teilen des Landes, ebenfalls im BMW-Werk Rosslyn in einem Streik entluden. Zwar handelte es sich in diesem Fall lediglich um eine kurzzeitige Arbeitsniederlegung von etwa einer Stunde, doch vermittelte sie der Führung in Südafrika und München ein Gefühl für die immanente Brisanz, die der personellen Struktur ihrer Belegschaft – vor allem im Werk – innewohnte. Die BMW SA sah sich infolge dieses Streiks gezwungen, die Löhne um etwa 10 Prozent anzuheben, was der durchschnittlichen Erhöhung anderer süd­ afrikanischer Fertigungsfirmen entsprach und darauf schließen lässt, dass das vorherige Lohnniveau der Hugh Parker Group, das die BMW SA zunächst fortführte, zu gering war und wenige Anreize geboten hatte.359 Dieser frühzeitige Arbeitskampf zeigte, welch Fingerspitzengefühl im Umgang mit den gesamtgesellschaftlichen Prozessen des Landes vonnöten war. Im Jahre 1973 zählte die Belegschaft der BMW SA circa 100 Beschäftigte, die sich in 40 weiße und 60 schwarze Mitarbeiter aufteilte (vgl. Abbildung 53).360 Um derartige Spannungen einerseits zu kanalisieren und andererseits eine Verbindungsstelle zwischen den schwarzen Lohnempfängern und der Unternehmensleitung zu schaffen, gründete sich im Jahre 1973 ein „Black Liaison Committee“,361 das als Schnittstelle zwischen beiden Parteien fungierte. Dieser Verbindungsausschuss muss im Kontext der allgemeinen politischen Rahmenbedingungen und Geschehnisse in Südafrika interpretiert werden: Erst Ende 1968 wurden Gewerkschaften für weiße Arbeiter durch die Regierung zugelassen, drei Jahre später folgte die Anerkennung für derartige Berufsvertretungen für Farbige. Erst 1980 wurde die erste nicht nach Rassen differenzierende Gewerkschaft „National Automobile and Allied Workers’ Union“ zugelassen, in denen sich nun auch schwarze Arbeiter organisieren durften.362 Da derartige Organisationen für Schwarze also in den 1970er Jahren von Regierungsseite noch nicht zugelassen waren, handelte es sich bei den bereits angeführten Arbeitsniederlegungen des Jahres 1973 um sogenannte „wilde Streiks“, in denen Arbeiter ihre Unzufriedenheit über Lohn und Arbeitsbedingungen zum Ausdruck brachten, hierbei jedoch wegen der fehlenden Anerkennung dieser Streiks vom Staat ein hohes Risiko eingingen. Die in ihren Rechten beschnitten. Der Bantubegriff wurde von der Regierung und von Teilen der Wissenschaft propagiert, weil mit ihm unter Beweis gestellt werden sollte, „dass der Rassentrennung ‚objektive‘ ethnologische Kriterien zugrunde lagen.“, vgl. Marx, Südafrika, S. 222–234. 359 Vgl. Reisebericht Südafrika des Vertriebsvorstands Lutz, 11.–16. 02. 1973, vom 21. 02. 1973, in: BMW UA 1993/1. 360  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 15. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1. 361  Employment Practices – Hourly Personnell, 1979, in: BMW UA 2000/2. 362  Vgl. Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 39f.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

651

Kernzelle dieser Streikbewegung bildete im Land die Hafenstadt Durban und die Bewegung verbreitete sich in ganz Südafrika. Die Regierung, die in der Vergangenheit repressiv und mit ausgesprochener Härte gegen derartige Unruhen vorgegangen war, ließ die Bewegung gewähren und verkündete sogar, über die Legalisierung schwarzer Arbeiterorganisationen nachzudenken. Infolgedessen kam es zur Gründung von Branchengewerkschaften, deren Einfluss anfangs noch stark begrenzt war. Dieser Schritt markierte jedoch erste Anzeichen für einen verhaltenen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, der auf die steigende Notwendig ausgebildeter und qualifizierter Arbeiter zurückzuführen war, die der schwarzen Arbeitnehmerbewegung sukzessive mehr Macht in die Hände legte; auch wenn noch ein langer Weg zurückgelegt werden musste.363 Anfangs gestaltete sich die Arbeit des Black Liaison Committee in Rosslyn noch schwierig und es benötigte Zeit, bis der Verbindungsausschuss sich ­Gehör verschaffen und sein Wirken institutionalisieren konnte. Bis Ende des Jahres 1976 wurde allerdings eine starke Zunahme sowie qualitative Aufwertung der Aktivitäten des Komitees festgestellt, die auch der Geschäftsleitung der BMW SA nicht entgingen: “The activities of the BMW SA Liaison Committee have improved significantly during the year. It is interesting to note that during the recent period of black unrest, of all the motor plants throughout the country, only those in the vicinity of Cape Town had direct experience of disruption in production. The labour force in this area is ­predominantly Coloured.”364

Dieses Zitat gibt ferner Auskunft über die Struktur der Arbeiterschaft in und um den Standort Rosslyn, an dem sich mehrere Automobilhersteller niedergelassen hatten, die sich laut Direktorium vornehmlich aus farbigen Ar­beitern zusammensetzte. Die Personalangaben der BMW SA hingegen differenzierten leidglich zwischen schwarzen und weißen Belegschaftsangehörigen, wie die noch folgende Abbildung 53 und Tabelle 64 zeigen. Das Black ­Liaison Committee war auch aus Sicht der Geschäftsleitung eine wichtige Schnittstelle zur Kommunikation zwischen ihr und dem schwarzen Teil der Arbeiter, die im Kontext der gesellschaftlichen Unruhen und der politischen Turbulenzen der 1970er Jahre unverzichtbar wurde und mitverantwortlich dafür war, dass sich die Streikaktivitäten im Werk Rosslyn in Grenzen hielten. Vor dem Hintergrund des gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozesses, in dem sich Südafrika befand, wurde im Laufe der 1970er Jahre zumindest aus ökonomischer Sicht erkennbar, dass die Bedeutung und damit auch der allmählich wachsende Einfluss der schwarzen Bevölkerung zunahm. Sie war für das wirtschaftliche Wachstum des Landes unverzichtbar, auch wenn sich 363  Vgl.

Marx, Südafrika, S. 258. Vgl. weiterführend Beittel, Mark (1995): Labor Unrest in South Africa, 1870–1990, in: Review (Fernand Braudel Center), Vol. 18, No. 1, Labor Unrest in the World-Economy, 1870–1990, pp. 87–104. 364 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 11. 1976, in: BMW UA 2018/1.

652

5.  BMW in Südafrika

dies, wie schmerzlich bekannt, bis zur Abschaffung der Apartheid im Jahre 1994 nicht in einer breit angelegten politischen oder gesamtgesellschaftlichen Partizipation widerspiegelte. Die Toleranz gegenüber den Branchengewerkschaften aus dem Jahr 1973 und die seither wachsende Stellung der schwarzen Belegschaftsangehörigen innerhalb des ökonomischen Modernisierungsprozesses bildeten allerdings eine wichtige Zäsur des Strukturwandels auf dem Weg hin zur Partizipation aller Bevölkerungsteile im Sinne des „One Man – One Vote“, die in einer freien Demokratie in den 1990er Jahren mündete.365 In diesem Zusammenhang stellte die Ausgrenzung der schwarzen Bevölkerung, die sich unter anderem in einer defizitären Ausbildung im Rahmen der sogenannten „Bantu Education“366 niederschlug, ein ausgeprägtes Hindernis für ökonomisches Wachstum dar. Nicht nur BMW, sondern sämtliche Fertigungsbetriebe, die auf qualifizierte Arbeiter angewiesen waren, stellte dies vor ein ernstes Problem: Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts günstige Wanderarbeiter noch äußerst vorteilhaft für die Unternehmen gewesen, so wirkte sich die große Anzahl ungelernter Arbeiter mit der zunehmenden Technisierung nachteilig auf die Fertigung mitsamt ihrer Qualität aus. Im Umgang mit den modernen Maschinen sowie komplexer werdenden Arbeitsabläufen waren Grundkenntnisse, Fertigkeiten sowie eine gewisse Ausbildungszeit zum Anlernen notwendig geworden.367 Die hohe Fluktuation und der durch den südafrikanischen Staat institutionell niedrig gehaltene Bildungsstand der Schwarzen – und damit eines beachtlichen Teils der Arbeiterschaft im Werk – wirkten sich negativ auf die Arbeitsabläufe aus. Wollte man das große Potential nutzen, dass in diesen Lohnempfängern ruhte, so konnte letztlich kein Weg an einer innerbetrieblichen Weiterbildung vorbeiführen. In einem ersten Schritt konzentrierte sich das Management der BMW SA im Personalressort allerdings auf andere Maßnahmen und war zunächst vorrangig darum bemüht, die hohe Fluktuation der Arbeiter zu senken. Diesem „personnell turnover“,368 speziell unter schwarzen Lohnempfängern, suchte 365  Vgl.

[o. V.] (1986): Editorial: Unmasking Neo-Apartheid, Third World Quarterly, Vol. 8, No. 3, pp. ix–xii, hier p. ix; [o. V.] (1990): Talks about talks, in: Economic and Political Weekly, Vol. 25, No. 10, p. 467. 366  Der Begriff „Bantu Education“ bezeichnet die in den 1950er Jahren von Ministerpräsident Verwoerd durchgesetzte Einführung des neuen Bildungssystems für die schwarzafrikanische Bevölkerung, das zuvor überwiegend von Missionsgesellschaften verantwortet wurde. Dieses neue System klammerte fortan westliches Bildungsgut aus und reduzierte die Bildungsinhalte auf ein Minimum, wie etwa die vier Grundrechenarten, Lesen, Schreiben sowie kulturspezifische Inhalte wie Gesang. Trotz der ohnehin eingeschränkten „Bantu Education“ war vielen Schwarzen der Zugang zur Bildung nicht möglich und damit der Analphabetismus in dieser Gruppe vergleichsweise hoch. Bantu Education war somit diskriminierender Bestandteil der Apartheidpolitik, vgl. Marx, Südafrika, S. 232f. 367  Vgl. ebd., S. 257. 368  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 27. 06. 1975 und 30. 10. 1975, in: BMW UA 2018/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

653

man entgegenzuwirken, indem im Jahre 1975 den zuvor eingeführten Jahresbonuszahlungen halbjährliche Bonuszahlungen hinzugefügt wurden, durch die die Loyalität gegenüber der Firma entlohnt werden sollte.369 Die Personalfluktuation konnte damit innerhalb von einem Jahr auf 48 Prozent gesenkt werden, was eine erhebliche Verbesserung gegenüber der Rate einiger Jahre zuvor darstellte, die noch bei 100 Prozent gelegen hatte. Doch auch wenn die Fluktuationsquote um rund 50 Prozent reduziert werden konnte, blieb sie noch immer ein Problem, das behoben werden musste.370 Die Automobilindustrie Südafrikas durchlief im 20. Jahrhundert verschiedene Phasen, in denen sich nicht nur die Struktur der ausländischen Direkt­ investitionen wandelte, wie in Abschnitt 5.4.1 aufgezeigt wurde, sondern sich auch die ethnische Zusammensetzung der Werksbelegschaften im Laufe der Jahrzehnte stark änderte. Diese Entwicklung wurde verstärkt durch die ­Gesetzgebung, die den Arbeitsmarkt für die schwarzafrikanische Bevölkerung stark einschränkte: Der Job Reservation Act von 1911, auch bekannt als „Colour Bar Legislation“, der 1926 angepasst wurde, schloss schwarze Lohnempfänger von einem Großteil qualifizierter Arbeit gesetzlich aus und verbannte sie somit in den Niedriglohnbereich der ungelernten Arbeit. Diese Maßnahmen wurden im Zuge der Apartheidpolitik ausgedehnt durch wei­ tere Gesetze, wie beispielsweise dem Native Buliding Workers Act von 1951, dem Native Labour (Settlement of Disputes) Act von 1953 und dem In­ dustrial Conciliation Act von 1956. All diese Regulierungen zielten nicht auf ökonomisches Wachstum, sondern auf die Sicherung der „white suprem­ acy“.371 Der südafrikanische Arbeitsmarkt wurde demnach von der Politik stark reglementiert und der Großteil der Einheimischen, hier vor allem die schwarze Bevölkerung, diskriminiert. Das größte Problem der südafrika­ nischen Fertigungsindustrie, in der die Automobilbranche besonders hohe Ansprüche stellte, war auch 1981 noch immer der Mangel an qualifizierten Facharbeitern, so dass die BMW SA in Betracht zog, die Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland zu intensivieren: “The major problem in this area is to attract skilled workers and as this is a general problem in the country BMW will try to recruit skilled people from overseas in line with the needs and the growth of the company.”372

Parallel hierzu intensivierte jedoch das Personalwesen ebenfalls die Weiterbildungsmaßnahmen der eigenen Belegschaft, worauf im späteren Verlauf dieses Kapitels näher eingegangen wird. Die Beschäftigtenstruktur der Auto369 

Vgl. ebd. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 11. 1976, in: ebd. 371  Feinstein, Charles: An Economic History of South Africa. Conquest, Discrimination and Development, Cambridge 2005, S. 157. 372 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 370  Vgl.

654 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 0

5.  BMW in Südafrika

1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

1980

1981

Schwarze

60

460

550

502

680

790

850

1.170

1.420

Weiße

40

240

270

310

390

430

400

450

500

Weiße

Schwarze

Abbildung 53: Belegschaftsstruktur der BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 1973–1981.373

mobilindustrie in Südafrika durchlief während des 20. Jahrhunderts einen deutlichen Wandel: Bis Ende der 1940er Jahre beschäftigte die südafrikanische Automobilindustrie vornehmlich weiße Arbeiter, auch in ihren Produktionsanlagen. 1949 waren dort noch 82 Prozent der Belegschaft weiß, fünf Prozent farbig und 13 Prozent schwarz. Mit dem zunehmenden Bildungs­niveau der weißen Bevölkerung änderte sich die Beschäftigungsstruktur in den Werken grundlegend: 1954 war der Anteil der Weißen auf 54 Prozent gesunken, während der der Farbigen auf 25 Prozent sowie der Schwarzafrikaner auf 21 Prozent gestiegen war. Bis 1961 hatte sich diese Verteilung kaum verändert, dafür wandelte sich die Struktur in den kommenden fünfzehn ­Jahren nochmals entscheidend, so dass 1976 nur noch 34 Prozent der in den Werken der Automobilindustrie arbeitenden Belegschaft weiß waren, hin­gegen 22 Prozent farbig sowie 44 Prozent schwarz­ afrikanischer Abstammung.374 Abbildung 53 zeigt die Mitarbeiterzahlen der BMW SA zwischen 1973 und 1981 nach schwarzen und weißen Mitarbeitern differenziert.375 373 Die Zahlen des Jahres 1973 beziehen sich auf eine Schätzung des Management Boards der BMW SA zum Ende des Jahres 1972, vgl. Minutes of a a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 15. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1; für weitere Zahlen vgl. Standortdokumentation “BMW in South Africa”, 1982, in: BMW UA 1998/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, in: BMW UU 209/10. 374  Vgl. Adler, From the “Liverpool of the Cape”, S. 32 und 39. 375  Die vorliegenden Quellen mit BMW-Bezug unterscheiden lediglich zwischen weißen und schwarzen Lohnempfängern. Es wird vermutet, dass der Anteil der afrikani-

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

655

Während das Zahlenverhältnis der weißen und schwarzen Belegschaft 1973 noch in etwa ausgeglichen war, was auch auf die zuvor angeführte Abwanderung weiter Teile der weißen Arbeiter zurückzuführen war, ging das Verhältnis im Laufe des Beobachtungszeitraums immer weiter auseinander, wobei der schwarzafrikanische Anteil deutlich stärker anstieg und 1981 etwa drei Viertel aller Werksangehörigen ausmachte. Hierin unterschied sich die BMW SA deutlich von der südafrikanischen Daimler-Benz-Tochter, deren Belegschaft sich Mitte der 1980er Jahre nur zu knapp 57 Prozent aus schwarz­afrikanischen Arbeitern zusammensetzte, hingegen der Anteil der farbigen sowie weißen Mitarbeiter dort höher lag. Ein Vergleich mit ausländischen Tochtergesellschaften in Südafrika aus dem Jahre 1984 zeigte jedoch, dass bei ihnen durchschnittlich ungefähr zwei Drittel aller Beschäftigten schwarzafrikanischer Herkunft war; bei den Dependancen US-amerikanischer Unternehmen lag ihr Anteil sogar weitaus höher bei 80 Prozent. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen BMW und Daimler-Benz bestand ­ferner hinsichtlich der bestehenden Personalfluktuation, die einen reibungs­ losen Produktionsablauf erschwerte. Während BMW bereits zu Beginn der 1970er Jahre Maßnahmen über Sonderzahlungen einleitete, um den hohen Personalwechsel insbesondere unter den schwarzen Arbeitern zu verringern, war die Fluktuation bei Daimler-Benz eine Dekade später noch immer hoch und wurde offenbar zum Teil bewusst durch das Management gefördert.376 Auch stellte Heidel eine weitgehende Diskriminierung schwarzer Arbeiter bei der MBSA fest, die durch Gängelungen von Gewerkschaftsmitgliedern und unverhältnismäßigen Sanktionen bei Arbeitsniederlegungen zum Ausdruck kam.377 Eine weitere noch zu leistende Analyse, unter Berücksichtigung der aktuellen Quellenlage, wird festzustellen haben, wie repressiv das Verhalten der südafrikanischen Daimler-Benz-Tochter gegenüber der eigenen Belegschaft im Rahmen des Apartheidregimes de facto war. Die Mitarbeiterzahlen aus Abbildung 53 verdeutlichen überdies, dass sich die BMW SA mitsamt dem Werk von einer kleinen Tochtergesellschaft, die nur über überschaubare Fertigungsanlagen verfügte, bis 1981 zu einem 1 920 Mitarbeiter starken Standort entwickelte. Die Belegschaft verdoppelte sich zwischen 1977 und 1981 nahezu, wobei der Anteil der schwarzen Arbeiterschaft insbesondere ab 1979 überproportional stark wuchs. Diese Zunahme war vor allem auf den weiteren Ausbau des Werkes und der Produktionskaschen Arbeiter durch die Nähe zu dem Homeland Bophuthatswana im Werk Rosslyn hoch war und somit der Anteil der farbigen Arbeiterschaft unterdurchschnittlich ausgeprägt war. Weiterhin kann angenommen werden, dass die wenigen farbigen Arbeiter vom Management der BMW SA in der Kategorie der schwarzen zusammengefasst wurden. Diese Vermutung wird durch die Quellen gestützt, nach denen 1980 lediglich zwei Inder bei der BMW SA beschäftigt waren, vgl. Bericht „Soziale Situation bei der ZA“, 1980, in: BMW UA 2000/3. 376  Vgl. Heidel, Geschäfte von Daimler-Benz, hier S. 721f. 377  Vgl. ebd., S. 726–729.

656

5.  BMW in Südafrika

pazität zurückzuführen, die mit der Ausweitung des in Südafrika gefertigten Modellprogrammes einhergingen, worauf in den Abschnitten 5.4.3 und 5.4.4 näher eingegangen wird. Die sprunghafte Zunahme der Belegschaft ab 1974 ist auf die Einführung des ersten BMW 5er (E 12), also der oberen Mittelklasse, und die damit zusammenhängende Erweiterung des Werkes zurückzuführen. Diese Umbauphase machte überdies deutlich, dass es noch immer an qualifizierten Mitarbeitern, beispielsweise auf Meisterebene, mangelte. Die fehlende Qualifikation bei Teilen der Beschäftigten war mit dafür verantwortlich, dass die Produktionsziele der BMW SA zum Teil nicht eingehalten werden konnten, wodurch sie zugleich zu einem vordringlichen Problem des Managements wurde. So konstatierte etwa der Produktionsvorstand der BMW AG Koch bei seinem Besuch in Rosslyn, dass mindestens noch weitere sieben qualifizierte Arbeiter auf Meisterebene zwingend eingestellt werden mussten. Da diese jedoch vor Ort nicht zu finden waren, forderte er die temporäre Entsendung weiterer hochqualifizierter Mitarbeiter aus Deutschland, um das Problem so rasch wie möglich beheben, bzw. den Fehlstand überbrücken zu können.378 Der Geschäftsleitung in München und Rosslyn wurde immer deutlicher, dass der Bedarf an qualifizierten Arbeitern weder durch den Arbeitsmarkt vor Ort gedeckt werden konnte noch als dauerhafte Lösung in größeren Gruppen Mitarbeiter aus München nach Südafrika abgerufen werden konnten, denen überdies die kulturelle Sensibilität und sprachliche Fertigkeit fehlte. Der einzig vernünftige und nachhaltige Weg, in diesem Punkt Abhilfe zu leisten und dem defizitären Ausbildungsstand entgegen­ zuwirken, bestand folgerichtig in dem Aufbau innerbetrieblicher Weiterbildungsprogramme, die allerdings erst ab 1977 in der Unternehmensorganisa­ tion etabliert wurden. Die Unterschiede zwischen weißen und schwarzen Mitarbeitern manifestierten sich nicht nur in ihrer Qualifikation, sondern spiegelten sich überdies in ihren Löhnen wider. Zwar stiegen die Bezüge der schwarzen Arbeitnehmer in den 1970er Jahren jährlich relational stärker an als die der weißen, dennoch lag der Verdienst der weißen Mitarbeiter noch immer um ein Vielfaches über den durchschnittlichen Bezügen eines schwarzen Lohnempfängers.379 Die Angaben der Tabelle 64 zeigen den Verlauf der Lohnentwicklung von weißen und schwarzen Belegschaftsangehörigen der BMW SA sowohl absolut als auch auf Grundlage der Werte aus dem Jahr 1973 indiziert. 378  Vgl.

Reisebericht des BMW T-Vorstands Koch (Fertigung und Planung, Produk­ tion) über BMW Südafrika vom 14.–20. 07. 1974, in: BMW UA 1993/1. 379 Volkswagen hatte dies als Standortvorteil für eine lokale Fertigung vor Ort ­definiert und sah „[…] keine Probleme, viele ‚Eingeborene‘ zu niedrigen Löhnen ‚nutzbringend‘ einzusetzen.“, vgl. Nieke, Volkswagen am Kap, S. 101. Eine derartige ­Einschätzung oder Äußerung fand sich auf der Grundlage der analysierten Quellen bei der BMW AG bzw. der BMW SA nicht. Es ist jedoch anzunehmen, dass die niedrigen Lohnkosten auch für BMW ein Argument für Direktinvestitionen in Südafrika waren.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft  

657

380 

Schwarze Weiße

1973

1974

1975

1976380

absolut indiziert 60 100 386 100

absolut indiziert 75 125 392 102

absolut indiziert 92 153 455 118

absolut indiziert 113 188 528 137

Tabelle 64: Lohn- und Gehaltszahlungen an schwarze und weiße Arbeiter bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Angaben in Rand, indizierte Werte 1973 = 100), 1973– 1976.381

1973 verdiente ein schwarzer Arbeiter bei der BMW SA, der aufgrund der Apartheid von einem Großteil qualifizierter Beschäftigung ausgeschlossen war, nur knapp ein Sechstel des Lohnes eines weißen Mitarbeiters. Bis 1976 hatte sich dieses Missverhältnis auf etwa ein Viertel reduziert. Dennoch waren die Unterschiede zwischen der Entlohnung schwarzer und weißer Arbeiter immer noch erheblich, auch wenn die Bezüge der schwarzen Arbeiter stärker in dem Beobachtungszeitraum stiegen.382 Im Vergleich zu anderen Unternehmen der Automobilindustrie im Raum Pretoria/Rosslyn lagen die Löhne der schwarzen Arbeiter laut BMW-Direktorium über dem Durchschnitt. Zahlen aus dem kleinsten, 350 Kilometer entfernten südafrikanischen Homeland QwaQwa zeigen, dass dort die schwarzen Arbeiter in den frühen 1980er Jahren in einigen Fabriken einen Lohn von nur 30 bis 56 Rand im Monat erhielten, lediglich fünf Prozent bekamen mehr als 100 Rand ausgezahlt.383 Die Automobilindustrie bot im Vergleich zu anderen Branchen höhere Löhne, die zwischen den einzelnen Herstellern stark variieren konnten. Während Mitte der 1980er Jahre Chrysler in seinem Werk einen monatlichen Durchschnittslohn von 110 US-Dollar auszahlte, deren 4 000 Mann starke Belegschaft sich über die Hälfte aus schwarzen und farbigen Arbeitern zusammensetzte, erhielten schwarze Lohnar­ beiter bei Ford höhere Bezüge; nur acht Prozent von ihnen bezogen einen Stundenlohn von unter einem US-Dollar.384 Auch ein Vergleich mit den Zahlungen der südafrikanischen Daimler-Benz-Tochter stützt die Annahme, dass die von BMW geleisteten Zahlungen, die in den nachfolgenden Tabellen und Abbildungen angeführt werden, bereits in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren über den durchschnittlichen Zahlungen der Branche lagen. 380  Die Angaben beziehen sich auf den 01. 07. 1976, vgl. Situation der Mitarbeiter bei BMW ZA, in: BMW UA 1995/1. 381  Vgl. ebd. 382  Vergleichszahlen von anderen Automobilherstellern liegen aus dieser Zeit leider nicht vor. Nieke schreibt lediglich, dass ein schwarzer Arbeiter im südafrikanischen Volkswagen-Montagewerk 1957 im Schnitt 0,83 DM verdiente, während ein weißer Arbeiter in derselben Zeit 2,70 DM bekam. Auch waren die großzügigen Sozialleistungen, wie drei Wochen bezahlter Urlaub, ein Pensionsfonds und Ausgleichszahlungen bei Krankheit, nur der weißen Belegschaft vorbehalten, vgl. Nieke, Volkswagen am Kap, S. 119. 383  Vgl. Pickles/Woods, South Africa’s Homelands, S. 644. 384  Vgl. Yousuf, American Transnational Corporations, S. 56.

658

5.  BMW in Südafrika

Laut Heidel lag der Lohn schwarzer Arbeiter bei der Mercedes-Benz of South Africa (Pty.) Ltd. (MBSA) mit einem Brutto-Wochenlohn von 80 ­ Rand bzw. einem Stundensatz von rund 1,80 Rand noch im Jahre 1986 unter dem durch den EG-Verhaltenskodex geforderten Existenzminimum. Ein Lohn also, der von der BMW SA bereits 1980/1981 entrichtet wurde, wie Abbildung 55 zeigt, und damals bereits über der durch den Kodex festgelegten Untergrenze lag. Um valide Aussagen treffen und verlässliche Vergleiche durchführen zu können, reicht allerdings bedauerlicherweise das vorliegende Datenmaterial nicht aus. Heidel leitet die Daimler-Benz betreffenden Zahlen von einer Befragung ab, die lediglich eine Stichprobe von 15 Arbeitern umfasste und somit nicht als repräsentativ gelten kann.385 Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass die hier für die BMW SA angeführten Werte nicht unabhängigen Quellen Dritter entnommen werden konnten, sondern das Zahlenmaterial vom Unternehmen selbst zusammengestellt wurde, um unter anderem gegenüber der Europäischen Gemeinschaft Rechenschaft abzulegen. Ein branchenübergreifender Vergleich mit den Angaben des SiemensWerks in Waltloo, Pretoria, aus dem Jahre 1977 zeigt hingegen, dass dort die Bezüge je nach Lohngruppe bereits höher lagen. In den Lohnklassen, in denen insbesondere schwarzafrikanische Arbeiter vertreten waren, lag zu diesem Zeitpunkt der Stundenlohn bereits zwischen 0,70 und 0,92 Rand.386 Dieser Wert wurde bei BMW ab dem Jahr 1979 erreicht, das als Zäsur für die weitere positive Lohnentwicklung gilt (vgl. Abbildung 55). Fernerhin führte die BMW SA im Juli 1976 ein neues Lohngruppensystem ein, bestehend aus einem Mindest-, Durchschnitts- und Maximallohn, das zu einer gerechteren Bewertung und Entlohnung der Beschäftigten beitragen sollte. Das Folgejahr 1977 ist in der Personalpolitik der BMW SA ebenfalls als wichtige Zäsur zu werten, die zu einer schrittweisen Verbesserung der Lebensund Arbeitsumstände der schwarzafrikanischen Belegschaftsangehörigen führte. Unter ihnen war der Anteil der Lohnempfänger besonders hoch, da ihnen, wie bereits geschildert, bis Ende der 1970er Jahre der Aufstieg in weiterführende Positionen aufgrund der repressiven Regulierungen des Apartheid­regimes größtenteils versperrt blieb. Dieser Diskriminierung wurde in den späten 1970er Jahren insbesondere durch zwei Umstände entgegengewirkt: Zum ­einen hatten viele Unternehmen erkannt, dass der Facharbeitermangel, der aus der Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung resultierte, für die Fertigungsindustrie und für das Wachstum der südafrikanischen Ökonomie im Allgemeinen ein ernst zu nehmendes Hindernis darstellte. Zum anderen war am 20. September 1977 von der EG ein Verhaltenskodex für multina­tionale, in Südafrika tätige Unternehmen verabschiedet worden, dem am 21. Juni 1976 bereits eine 385 

Vgl. Heidel, Geschäfte von Daimler-Benz, hier S. 722. Reisebericht Auswärtiger Ausschuss „Besuch von Mitgliedern des Auswärtigen Amtes des Deutschen Bundestages im südlichen Afrika, 14. bis 26. Mai 1978“ vom 09. 08. 1978, in: ACSP NL Jaeger R:47/2. 386  Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

659

OECD-Erklärung über internationale Investitionen vorangegangen war.387 Für US-amerikanische Firmen existierte ein ähnlicher Kodex namens „Sullivan Code“, der jedoch nicht staatlich, sondern privatwirtschaftlich initiiert war.388 Der europäische Verhaltenskodex wurde von allen Mitgliedsstaaten der EG politisch getragen und zielte auf einen sozial fairen Umgang mit allen Belegschaftsangehörigen, unabhängig ihrer Haut­ farbe, ab. Hierdurch sollte die ­Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der schwarzafrikanischen Arbeitnehmerschaft in den Betrieben europäischer Tochtergesellschaften in ­ Südafrika forciert werden und somit zum Abbau der Rassendiskriminierung beitragen. Diese Erklärung hatte lediglich einen empfehlenden Charakter und sah eine jährliche, dezidierte Bericht­ erstattung auf freiwilliger Basis an die ­jeweilige Landesregierung bzw. an ihre jeweiligen Ausschüsse vor.389 Dennoch gelang es über den Verhaltenskodex, die Interessen der schwarzen Arbeiter in die öffentliche Diskussion einzubinden und die europäischen Konzerne an ihre soziale Verantwortung, auch a­ ußerhalb der EG, zu erinnern. Die BMW AG und andere deutsche Unternehmen kamen der Empfehlung des Verhaltenskodex nach und erstatteten der Bundesregierung regelmäßig Bericht über die Aktivitäten ihrer süd­afrikanischen Tochtergesellschaft.390 Einige Firmen hatten bereits vor der Verabschiedung des Kodex vor dem Hintergrund der OECD-Erklärung, zumindest in einigen Bereichen, eine Nivellierung der auf unterschiedlicher Hautfarbe basierenden Trennung im Betrieb vorgenommen. Hierzu zählte auch die BMW SA: „Die ‚petty–apartheid‘ hat BMW überall dort aufgehoben, wo sie nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist. Dort, wo sie gesetzlich vorgeschrieben ist, wird sie im Rahmen tolerierbarer Gesetzesüberschreitungen nach und nach aufgeweicht. Über der Kantine steht beispielsweise nicht mehr ‚Whites only‘. Die Trennwand zwischen der Kantine für die Schwarzen und die Weißen wurde entfernt und durch Pflanzen, Arrangements ersetzt. Die unterschiedlichen Fußböden wurden durch einen gleichen Belag vereinheitlicht und dadurch der Eindruck der optischen Trennung weiter gemindert. Die ursprünglich jeweils für Schwarze und Weiße eingerichteten 2 Telefonzellen wurden durch 1 gemeinsame Telefonzelle für alle Mitarbeiter ersetzt. Die Lächerlichkeit dieser Beispiele zeigt einerseits die Feinfühligkeit, mit der man hier vorgehen muss – und auch Positives erreichen kann – und andererseits die Absurdität der apartheid [sic!], die alle Lebensbereiche prägt und säuberlich in Schwarz und Weiß trennt.“391

Dieser Auszug aus dem Situationsbericht von 1977 führt vor Augen, mit welchen kulturellen bzw. politischen Herausforderungen die Geschäftsfüh387  Vgl.

Stellungnahme der BMW AG zum Fragekatalog des Bundestages, Ausschuss Wirtschaft, aus Anlass der Anhörung am 23. 06. 1980 in Bonn, in: BMW UA 1996/1. 388  Vgl. Barber, James (1980): The EEC Code for South Africa. Capitalism as a Foreign Policy Instrument, in: The World Today, Vol. 36, No. 3, pp. 79–87, hier p. 79. 389  Vgl. Bericht „Zusammenfassung der Berichte von in Südafrika engagierten deutschen Unternehmen […] und deren Bewertung durch die Bundesregierung“ vom 01. 04. 1981, in: BMW UA 1996/1. 390  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 224/10. 391  Situationsbericht Südafrika vom 30. 11. 1977, in: BMW UA 1998/1.

660

5.  BMW in Südafrika

rung in Südafrika konfrontiert war. Den aus München entsandten Mitarbeitern erschienen die repressiven Bestimmungen und Regeln im Kontext des Apartheidregimes oftmals als absurd und schwer nachvollziehbar.392 Einherging der Wandel in der Personalpolitik mit einem Wechsel in der Geschäftsleitung der BMW SA, der somit von dem neuen Managing Director mit getragen wurde. Zum 1. Januar 1977 übernahm Dr. Eberhard von Koerber die Leitung der südafrikanischen BMW-Tochter und löste damit den bisherigen Geschäftsführer Graf von der Schulenburg nach drei Jahren ab, der seinerseits die Leitung der neu gegründeten BMW Motorrad GmbH in Berlin übernahm.393 Von Koerber war mit 39 Jahren ein ebenfalls junger Manager und stand in enger Verbindung zum BMW-Vorstandsvorsitzenden von ­Kuenheim, der ihn 1972 von der Glanzstoff AG zu BMW nach München geholt und dort zu seinem Assistenten ernannt hatte. Des Weiteren wies von Koerber bereits dezidierte Führungserfahrungen im Ausland auf, da er vor der Übernahme der Geschäftsleitung in Südafrika zwei Jahre lang als Vizepräsident im Bereich Finanzen die Geschicke der BMW of North America Inc., der neu gegründeten Vertriebsgesellschaft in den USA, verantwortet hatte.394 Mit dem Amtsantritt von Koerbers, der seine eigene Note in die Geschäftsführung mit einbrachte, änderte sich auch ein Teil der Abläufe der südafrikanischen Tochtergesellschaft wesentlich. Am nachhaltigsten kam dies in dem fortan engeren Kontakt zwischen München und Rosslyn zum Ausdruck, der eine noch häufigere Berichterstattung an die Zentrale einschloss. Des Weiteren wurden die internen Prozesse der BMW SA weitreichender strukturiert und rigoros auf Effizienz geprüft. Dies spiegelte sich vor allem in den Sitzungen des Management Boards der südafrikanischen Tochter wider, in denen nun der Managing Director eingangs einen kurzen Bericht über die aktuelle Geschäftslage gab, ehe die einzelnen General Manager über ihre Geschäftsbereiche informierten und auf die einzelnen Tagesordnungspunkte eingegangen wurde.395 Diese Struktur glich deutlich der Vorgehensweise, die bei den Vorstandssitzungen der BMW AG in München unter dem Vorsitzenden von Kuenheim praktiziert wurde. Dahingehend steht die Amtszeit von Koerbers nicht nur für eine Strukturierung der eigentlichen Geschäftsprozes392  Ein seit 1982 bei der BMW SA tätiger schwarzer Mitarbeiter berichtete in einem Gespräch, dass es mitunter vorkam, dass sich die aus München entsandten BMW-Manager in der Kantine in die Schlange stellten, in der die schwarzen Arbeiter anstanden. Dies war zum Teil auf Unwissenheit zurückzuführen, aber auch auf die kulturelle Prägung außerhalb der Apartheidpolitik. Insofern trug der personelle Austausch mit der Münchener Zentrale dazu bei, den Vorgaben der diskriminierenden Rassentrennung in kleinen Schritten entgegenzuwirken, hierzu Interview Tomba, 18. 06. 2012. 393  Vgl. Pressemeldung „Neuer Chef der BMW Motorrad GmbH.“ vom 09. 11. 1976, in: BMW UP 312/10; Protokoll Nr. 34/76 der Vorstandssitzung vom 04. 10. 1976, in: BMW UA 1446/1. 394  Vgl. Lebenslauf von Dr. Eberhard von Koerber, in: BMW UN 227/1. 395  Vgl. Protokolle der Sitzungen des Management Board der BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 1977, in: BMW UA 2018/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

661

se, sondern überdies auch für eine engere Abstimmung und Harmonisierung der Zusammenarbeit zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft, wie sie für eine Koordination über Sozialisation üblich ist (vgl. Kapitel 4.2). Der neue Managing Director unterstützte überdies eine konsequente, an den europä­ ischen Verhaltenskodex angelehnte Personalpolitik, die die Rassentrennung überall dort einzugrenzen oder aufzuheben versuchte, wo dies gesetzlich bzw. im Rahmen gesetzlicher Übertretungen möglich war. Im Herbst 1978 war bereits der Bau einer größeren, integrierten Kantine in Auftrag gegeben worden, in der nicht länger zwischen Schwarz und Weiß differenziert werden sollte.396 Hierbei darf selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden, dass die schriftlich fixierten Maßnahmen zur Auf­ weichung bzw. Abschaffung der Apartheid zwar die Bemühungen der Geschäftsleitung in diesem Sinne widerspiegelten, diese Schritte im Alltag jedoch zumeist noch einige Zeit benötigten, um gelebte Realität zu werden. So wurde beispielsweise die Rassentrennung in der Kantine der BMW SA frühzeitig aufgehoben und die Gemeinschaftskantine 1980 in Betrieb genom­ men,397 jedoch bevorzugten die Mitarbeiter anfangs zumeist noch weiterhin, entsprechend ihrer bisherigen Aufteilung, also gemäß ihrer Hautfarbe, zu sitzen. W. Pfeifer, damaliger Personalchef der BMW SA und weißer Südafrikaner, war jedoch bemüht, diese Segregation aufzulösen: Pfeifer beobachtete die Entwicklung genau und griff mitunter aktiv in die Sitzplatzwahl ein, indem er gezielt auf einige seiner Mitarbeiter zuging und sie bat, einen Platz in dem zuvor getrennten Bereich zu nehmen.398 Im Personalressort setzte sich die allmähliche Integration von schwarzafrikanischen Mitarbeitern am frühesten durch und so wurde hier bereits 1978 der erste schwarze Mitarbeiter in das Mittelmanagement der BMW SA berufen, der fortan als Personalchef aller schwarzen Lohnempfänger tätig war.399 Um gleichberechtigte Strukturen zu schaffen und um zum einen auch weiteren Mitarbeitern den Zugang zu höheren Positionen zu ermöglichen, aber auch zum anderen dem Fach­ arbeitermangel entgegenzutreten, der das eigene Wachstum aufhielt, wurde 396  Vgl.

Inter-office Memo von Dr. von Koerber, Managing Director der BMW SA, 1978, in: BMW UA 2000/2. 397  Die BMW SA war Ende 1978 eines der ersten Unternehmen in der südafrikanischen Automobilindustrie, das eine solche gemischtrassige Kantine für Gehaltsempfänger einführte, vgl. “BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Labour Relations Objectives”, Personnel Department Labour Relations, 08. 1979, in: ebd. 398  Vgl. Interview Phalatse, 20. 06. 2012. Seth Phalatse begann seine Karriere bei der BMW SA 1980 als Personnel Officer. Später wurde er der erste schwarze Director des Board of Directors der BMW SA. Noch heute ist er Non-Executive Director der BMW SA, aber auch weiterer Firmen, wie etwa bei der Robert Bosch SA und Emerson Network Power. 399  Vgl. Bericht zur Lage der farbigen Arbeitnehmer von BMW Südafrika, 03. 1979, in: BMW UA 1996/1. Die ersten schwarzen Mitarbeiterinnen wurden im April 1980 in der Verwaltung der BMW SA als Stenotypistinnen eingestellt, hierzu Interview Elizabeth Baloyi, 18. 06. 2012.

662

5.  BMW in Südafrika

1977 ein Trainingsleiter eingestellt, um ein innerbetriebliches Trainingszentrum aufzubauen, das allen Mitarbeitern offen stehen sollte.400 Dieses gemischtrassige Training Centre, das nicht nur das gesamte Personal ungeachtet ihrer Hautfarbe schulte, sondern auch schwarzes Lehrpersonal beschäf­ tigte,401 wurde 1978 von dem BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim in Rosslyn eröffnet, der eigens hierfür anreiste und durch seine Anwesenheit dem Stellenwert der Integrationsbemühungen bei BMW weiteres Gewicht verlieh.402 Ziel des Zentrums war “[…] the upgrading and education of black and white labour to enable them to improve their position and take up more responsible jobs.”403 Einher mit diesem neuen Angebot der innerbetrieblichen Weiterbildung ging ein neues Bewertungssystem, das speziell begabte schwarze Arbeitnehmer fördern sollte: “BMW South Africa’s philosophy on manpower development is to make use of the best available human resources, regardless of colour and race, by providing the most modern and up-to-date facilities and opportunities, thus enabling personnel at all levels to progress to the limit of their potential. […] The company has introduced a special merit rating system to identify Black with potential and will offer special training in the areas of Quality Control, Production and Logistic activities. This will commence in October 1979 to enable those with potential advancement to senior positions.”404

Des Weiteren gab es neben dem Training Center in Rosslyn eine kleine Schulungsstätte in der neuen Verwaltung in Isando nahe Johannesburg, wo überwiegend Personal aus den Händlerwerkstätten geschult wurde.405 Darüber hinaus führte die BMW SA als erstes Unternehmen der südafrikanischen Automobilindustrie 1979 eine mobile Trainingseinheit ein, also eine fahrende Kundendienstschule, die primär für Schulungen von Händlerbetrieben in ländlichen Gegenden eingesetzt wurde. In dieser mobilen Einheit wurde auch ein schwarzer Ausbilder beschäftigt, der mit einer mobilen Schulungseinheit im gesamten Land unterwegs war.406 Diese flexible Kundendienstschule erfreute sich auch über Landesgrenzen hinweg eines guten Rufes und 400  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., (informal meeting), 10. 08. 1977, in: BMW UA 2018/1. 401  Vgl. Bericht zur Lage der farbigen Arbeitnehmer von BMW Südafrika, 03. 1979, in: BMW UA 1996/1. 402 Vgl. “BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Labour Relations Objectives”, Personnel Department Labour Relations, 08. 1979, in: BMW UA 2000/2. 403  Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., (informal meeting), 10. 08. 1977, in: BMW UA 2018/1. 404 “BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Labour Relations Objectives”, Personnel Department Labour Relations, 08. 1979, in: BMW UA 2000/2. 405  Vgl. Interview mit Vic Doolan, Marketing Director of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., in: Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. 406 Vgl. “BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Labour Relations Objectives”, Personnel Department Labour Relations, 08. 1979, in: BMW UA 2000/2. Dieses Novum eines schwarzen Ausbilders stieß in manchen Gegenden auf Ablehnung, wurde jedoch von der BMW SA trotz einiger Widerstände weiter durchgesetzt, hierzu Interview Dicker,

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

663

so bat etwa der Importeur aus Simbabwe, dem ehemaligen Rhodesien, in der Münchner Zentrale um Zustimmung, diese mobile Kundendienstschule aus Südafrika auch in Simbabwe einzusetzen, bis der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften im eigenen Land gelöst war.407 Neben dem Verhaltenskodex der EG prägte eine weitere politisch motivierte Initiative 1977 die Geschehnisse: Im Kontext der innenpolitischen Unruhe ernannte die südafrikanische Regierung unter Ministerpräsident Vorster eine unabhängige Kommission, die die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen in Südafrika untersuchen und einen Bericht zum Status Quo sowie zur Besserung der Situation ausarbeiten sollte. Die Leitung dieses Ausschusses wurde Prof. Nicholas Wiehahn übertragen.408 Der hieraufhin im Jahre 1979 veröffentlichte Report der sogenannten Wiehahn-Kommission gilt noch heute als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung schwarzer Arbeitnehmer, insbesondere im Hinblick auf die Legalisierung sowie Etablierung schwarzer Gewerkschaften durch den „Labour Relations Act“ desselben Jahres409 und die Aufhebung des Ausschlusses der farbigen und schwarzen Bevölkerung von besser qualifizierter Arbeit.410 Die erste Fassung dieses Gesetzes sorgte allerdings noch für Unmut, da weder gemischtrassige Gewerkschaften zugelassen waren noch „Migranten“ den neuen schwarzen Gewerkschaften beitreten durften, worunter ebenfalls schwarze Arbeiter aus den Homelands subsumiert wurden. Dies betraf auch viele schwarze Belegschaftsangehörige der BMW SA, da ihre Mehrzahl in dem angrenzenden Homeland Bophuthatswana lebte. In diesem Punkt handelte es sich also weiterhin um eine „versteckte“ Diskriminierung, die noch immer einen großen Teil der schwarzafrikanischen Bevölkerung von einer politischen Partizipa­ tion ausschloss. Bei der BMW SA diente als innerbetriebliches Organ für die schwarze Arbeitnehmerschaft stattdessen weiterhin das 1973 ins Leben ge­ rufene Black Liaison Committee, auf das in diesem Abschnitt bereits einge12. 06. 2012. Dicker begann im Juni 1981 als Automechaniker im Werk Rosslyn und ist heute (2012) Leiter des Technical Training der BMW SA. 407  Vgl. Besuchsbericht Zimbabwe vom 31. 03.–01. 04. 1982, in: BMW UA 1761/1. 408  Vgl. Posel, Deborah (1999): Whiteness and Power in the South African Civil Service. Paradoxes of the Apartheid State, in: Journal of Southern African Studies, Vol. 25, No. 1, pp. 99–119, hier p. 114. 409  Wood fasst diese Geschehnisse übersichtlich zusammen: “The landmark Wiehahn reforms of 1979 had deracialized South Africa’s statutory system of collective bargaining and dispute resolution, and introduced an Industrial Court to adjudicate unfair labour practice claims. To participate in the system, African trade unions had to register in terms of the Labour Relations Act. After initial reservations, most did so. The Wiehahn reforms gave the independent unions legal recognition and protection. Subsequent decisions by the industrial court entrenched the right to strike, and forced employers to bargain in good faith with representative trade unions.”, vgl. Wood, Geoffrey (2001): South African Trade Unions in a Time of Adjustment, in: Labour / Le Travail, Vol. 47, pp. 133–150, hier p. 135. 410 Vgl. [o.  V.] (1979): Größte Peinlichkeit, in: Der SPIEGEL, Jg. 33, Nr. 27 vom 02. 07. 1979, S. 106.

664

5.  BMW in Südafrika

gangen wurde. Dieses vermittelte als Verbindungsauschuss zwischen den schwarzen Arbeitern sowie der Arbeitgeberseite und arbeitete, nach Einschätzung des dortigen BMW-Direktoriums, sehr erfolgreich.411 Das Komitee wurde im Jahre 1980 durch einen integrierten Betriebsrat – einem „integrated Employee Council“ – ersetzt, der aus der Zusammenlegung des weißen und schwarzen Ausschusses aus freien Wahlen hervorging und fortan die ­Interessen aller Mitarbeiter vertreten sollte.412 Fernerhin war angedacht, die Mitglieder dieses Betriebsrates in der zweiten Jahreshälfte 1980 nach München reisen zu lassen, um dort einen Eindruck der Arbeit und des Wirkens des Betriebsrates der BMW AG zu gewinnen.413 Nebst diesen Bemühungen zur weiteren Integration aller Mitarbeiter verabschiedete das Direktorium der BMW SA in demselben Jahr einen Kodex der Arbeitsbeziehungen414 und ernannte einen schwarzen Mitarbeiter aus dem Personalressort offiziell zum Referenten für Arbeitsbeziehungen,415 der vor allem als Vermittler zwischen der Geschäftsleitung, den Gewerkschaften sowie insbesondere der schwarzen Arbeitnehmerschaft agierte. Mit dem Inkrafttreten des „Labour Relations Amendment Act“ wurden 1981 die Beschränkungen für gemischtrassige Gewerkschaften aufgehoben sowie für die Einwohner der Homelands der Weg zur Partizipation an schwarzen Gewerkschaften geebnet.416 Die verhältnismäßig friedliche Kooperation zwischen dem integrierten Betriebsrat und der Geschäftsleitung der BMW SA zeigte sich auch darin, dass es in den Monaten verstärkter Unruhen und Proteste schwarzer Arbeiter im Land 1980/81 zu keinen größeren und insbesondere zu keinen gewalttätigen Arbeitsniederlegungen im Werk Rosslyn kam.417 Einem Streik im südafrikanischen BMW-Werk vom November 1980, der sich von den bisherigen Arbeitsniederlegungen durch einige gewalttätige Übergriffe unterschied, wurde insbesondere durch die Personalführung unter Pfeifer deeskalierend entgegengewirkt und verhältnismäßig friedlich binnen weniger Tage durch Ver411  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 05. 1979, in: BMW UA 2018/1. 412  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 29. 02. 1980, in: ebd. 413  Vgl. Inter-office Memorandum „Industrial Relations at BMW South Africa“ von Pfeifer, Personalchef der BMW SA, an von Koerber, Managing Director der BMW SA, 01. 1980, in: BMW UA 2000/2. 414  Vgl. Bericht zur Lage der schwarzen Arbeitnehmer von BMW Südafrika im Vergleich zu den von der EG aufgestellten Regeln, 04. 1980, in: BMW UA 1996/1. 415  Vgl. Interview Phalatse, 20. 06. 2012. 416 Vgl. Bericht „3. Zusammenfassung der Berichte von in Südafrika engagierten deutschen Unternehmen über die bei Anwendung des Verhaltenskodex für Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika erzielten Fortschritte und deren Bewertung durch die Bundesregierung“ vom 28. 07. 1982, in: BMW UA 1998/1. 417  Vgl. Berger, Iris (1983): Sources of Class Consciousness. South African Women in Recent Labor Struggles, in: The International Journal of African Historical Studies, Vol. 16, No. 1, pp. 49–66, hier p. 54.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

665

handlungen, speziell zwischen dem Management der BMW SA und dem ­Betriebsrat, beigelegt.418 Dies war unter anderem auf die im Vergleich zu ­anderen Unternehmen hohen Standards im Bereich Industrial Relations einschließlich höherer Löhne,419 die über dem Durchschnitt der südafrikanischen Automobilindustrie lagen, zurückzuführen sowie auf das hiermit einhergehende gute Image in Bezug auf die bei der BMW SA vorherrschenden Arbeitsbedingungen und -beziehungen.420 Die Streiks der Jahre 1980/81 trafen die BMW-Tochter dennoch auf indirektem Wege,421 da es durch sie, insbesondere durch die Arbeitsniederlegungen in der Provinz Eastern Cape, zu Lieferausfällen bei einigen Zulieferbetrieben kam, die oftmals aufgrund ihrer monopolistischen Stellung nicht durch andere Firmen ersetzt werden konnten.422 Die BMW SA suchte ein weiteres Zeichen bei ihren Bemühungen zur Nivellierung der Benachteiligung schwarzer Arbeitnehmer zu setzen, indem sie zum Februar 1981 den bereits erwähnten unabhängigen Kommissionsvorsitzenden Wiehahn in ihren Aufsichtsrat berief, wo er fortan vor allem die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen sowie die weitere Integration schwarzer Mitarbeiter überprüfte. Sein erstes Resümee über die bisherige als auch geplante Arbeit bei der BMW SA fiel positiv und zustimmend aus.423 Fernerhin stellte Wiehahn nach einigen Monaten affirmativ fest: „BMW’s employees are of a high standard in comparison with other companies“,424 was vor allem auch auf die umfassenden innerbetrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten seit 1978 zurückzuführen war. Tabelle 65 zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Lohn- und Gehaltszahlungen an weiße und schwarze Mitarbeiter der BMW SA. Hierbei handelt es sich um indizierte Angaben, die somit die Entwicklung gemessen 418  Ein

vertraulicher Bericht der Personalabteilung liefert einen sehr detaillierten Einblick in die Vorgänge dieser Tage, vgl. Status Report: Labour Unrest, Group Personnel Department, 03. 12. 1980, in: BMW UA 2000/2. 419  Vgl. Bericht zur Lage der schwarzen Arbeiter von BMW Südafrika im Vergleich zu den von der EG aufgestellten Regeln (1980) vom 31. 12. 1982, in: Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. 420  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 10. 1981, in: BMW UA 2019/1. 421  In den kommenden Jahren 1982/83 kam es hingegen auch bei der BMW SA zu einem der wenigen größeren Streiks bis Anfang / Mitte der 1980er Jahre, in der unter anderem die Produktion durch kleinere Sabotagen erschwert wurde, hierzu Interview Phalatse, 20. 06. 2012; Interview Dicker, 12. 06. 2012. Da dies jedoch außerhalb des Untersuchungszeitraums liegt, kann in dieser Arbeit hierauf nicht näher eingegangen werden. 422  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 10. 1981, in: BMW UA 2019/1. 423  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 424 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 10. 1981, in: BMW UA 2019/1.

666

5.  BMW in Südafrika

an den Werten des Geschäftsjahres 1977 nachzeichnen.425 Dabei wird deutlich, dass die Bezüge der schwarzen Belegschaftsmitglieder im Vergleich zu denen ihrer weißen Kollegen, wie auch in den Jahren zuvor (vgl. Tabelle 64), überproportional stark anstiegen. Das Nachrichtenmagazin Der SPIEGEL berichtete, dass in Südafrika die Einkommen der Schwarzen vom 1. Juli 1977 bis zum 30. Juni 1978 durchschnittlich fast viermal so schnell wuchsen wie die der Weißen.426 Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass bei der BMW SA das Lohnniveau 1973 bzw. 1977 bereits höher war als bei zahlreichen Mitbewerbern und daher die Bezüge vergleichsweise geringer anstiegen, wie die indizierten Werte veranschaulichen. Darüber hinaus führte die BMW SA seit mindestens 1977 aufgrund der hohen Inflationsrate in Süd­ afrika (vgl. Kapitel 5.4.1) Abbildung 51) halbjährlich eine Gehaltserhöhung durch.427 Fernerhin berichtete die BMW AG Ende der 1970er Jahre nicht ohne Stolz, dass man bei der BMW SA nach dem Grundsatz der von der Wiehahn-Kommission geforderten Maxime „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ entlohne,428 allerdings gestand man zugleich ein, dass sich zu Jahres­ beginn 1979 in den unteren Lohngruppen ausschließlich schwarze Arbeitnehmer befanden.429 Hier wurde abermals deutlich, wie wichtig innerbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen für die Gleichberechtigung aller Mitarbeiter in Südafrika waren.

Schwarze Weiße

GJ 1977

GJ 1978

GJ 1979

GJ 1980

GJ 1981

100 100

116 110

161 124

235 142

275 164

Tabelle 65: Lohn- und Gehaltszahlungen an schwarze und weiße Mitarbeiter bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Indizierte Angaben, Geschäftsjahr 1977 = 100), 1977– 1981.430

Auch Ende der 1970er Jahre stiegen die Bezüge der schwarzen Arbeiter bei der BMW SA im Vergleich zu den weißen Belegschaftsangehörigen über­ proportional stark an und verdreifachten sich nahezu bis einschließlich 1981. 425  Leider liegen für die Jahre zwischen 1977 und 1981 keine absoluten Angaben über die Lohn- und Gehaltszahlungen der BMW SA vor. 426 Vgl. [o.  V.] (1979): Größte Peinlichkeit, in: Der SPIEGEL, Jg. 33, Nr. 27 vom 02. 07. 1979, S. 106. 427 Vgl. Konzept „Betreuung gegenüber in- und ausländischen Tochtergesellschaften“, 1977, in: BMW UA 1865/1. 428 [o.  V.] (1979): Größte Peinlichkeit, in: Der SPIEGEL, Jg.  33, Nr.  27 vom 02. 07. 1979, S. 106; Venzky, Gabriele (1977): Kampfansage an Vorster. Aber wie wirksam ist der Verhaltens-Kodex der Europäer?, in: DIE ZEIT, Jg. 32, Nr. 41 vom 07. 10. 1977. 429 Vgl. Entwurf einer Antwort der BMW AG bezüglich des Verhaltenskodex’ für Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Südafrika der Kommunikationsabteilung AK vom 08. 03. 1979, in: BMW UA 1996/1. 430  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2.

Salary and compared with inflation rate. (1975 = 100) 5.4. wage Die increases Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft % 250

667

Blacks

200 Whites Inflation rate

150

1975

1976

1977

1978

1979

1980

1981

1982

Abbildung 54: Lohn- und Gehaltsentwicklung von schwarzen und weißen Mitarbeitern bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Indizierte Angaben, 1975 = 100), 1975– 1982.431

1978 fiel die Steigerung noch moderat aus, doch in den Jahren 1980/81 konnten die Zulassungen schwarzer bzw. gemischtrassiger Gewerkschaften durch die Regierung und die hiermit einhergehenden Streiks, die das gesamte Land bewegten, überdurchschnittliche Lohnerhöhungen erwirken. Wie Abbildung 54 zeigt, folgten bei der südafrikanischen BMW-Tochter die Lohn­ erhöhungen für die weißen Arbeitnehmer in den 1970er Jahren im Wesentlichen dem Anstieg der Inflationsrate, die in dieser Zeit besonders hoch war. Somit handelte es sich de facto hier für die weißen Mitarbeiter der BMW SA um keine Erhöhung des Reallohns, sondern um eine Sicherung des Lohn­ niveaus. Da die Abbildung die Werte anhand des Jahres 1975 indiziert, wird ersichtlich, dass die Löhne für Schwarze ab 1977 – vor allem auch gegenüber den Löhnen der weißen Mitarbeiter – überproportional stark anstiegen.432 Mitte 1981 bestand die 1 721 personenstarke Belegschaft aus insgesamt 1 246 Lohn- sowie 475 Gehaltsempfängern.433 Abbildung 55 veranschaulicht ­weiterhin den Einfluss, den die politischen Initiativen im Rahmen des Verhaltenskodex der EG (1977) sowie des Labour Relations Act (1979) auf die Lohnentwicklung nahmen. Zwischen 1980 und 1982 konnten 50 schwarz­431 

Vgl. Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. liegen für diesen Zeitraum keine absoluten Zahlen über die Bezüge bei der BMW SA vor. Die verschiedenen Darstellungen führen ferner vor Augen, dass die indizierten Werte je nach Bezugsgröße ein unterschiedliches Bild zeichnen, was bei der Auswertung der Zahlen berücksichtigt werden muss. 433  Vgl. Bericht zur Lage der schwarzen Arbeiter von BMW Südafrika im Vergleich zu den von der EG aufgestellten Regeln (1980) vom 31. 12. 1982, in: Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. 432 Bedauerlicherweise

668

5.  BMW in Südafrika Growth in the minimum wage, 1973-1982 (August) 230

Cents per hour

200

150

100

50 10 1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

1980

1981

1982 08.1982

Abbildung 55: Entwicklung des Mindestlohns bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Angaben in Rand, 1 Rand = 100 Cents), 1973–1982.434

afrikanische Arbeiter bei der BMW SA von einer Lohn- in eine feste Gehaltsanstellung und somit in eine qualifiziertere Position wechseln.435 Mit der politischen Anerkennung und Zulassung von Gewerkschaften für alle Bevölkerungsteile hatten nun auch Schwarze die Möglichkeit, für ihre Arbeitsbedingungen straffrei eintreten zu können. Diese Einflussnahme, die nun dem größten Belegschaftsteil eine kräftige Stimme verlieh, wirkte sich unmittelbar auf den Mindestlohn aus, der ab 1979 überproportional stieg und Anfang der 1980er Jahre bei der BMW SA knapp über 2 Rand pro Stunde lag.436 Der von der EG 1977 verabschiedete Verhaltenskodex forderte von den Unternehmen, dass der Mindestlohn das Mindestniveau, das zur Befriedung der grundlegenden Bedürfnisse eines Mitarbeiters und seiner Familie vonnöten war, um 50 Prozent übersteigen sollte. Diese Empfehlung wurde durch die Zugrundelegung verschiedener Durchschnittswerte von Firmen unterschiedlich interpretiert. Die meisten Betriebe gingen von durchschnittlichen Familiengrößen aus. Einige Firmen hingegen, hierunter auch die BMW SA,437 ermittelten, wie viele Personen ihre Arbeitnehmer tatsächlich im Durchschnitt zu versorgen hatten und richteten ihre Lohnpolitik hiernach aus. Auf Landesebene war ermittelt worden, dass ein schwarzer Arbeitneh434 

Vgl. ebd. Vgl. ebd. 436 Leider geben die Quellen keine Auskunft darüber, wie viel Prozent der BMWBelegschaft tatsächlich den Mindestlohn bezogen. 437  Vgl. exemplarisch Summary „Lebensverhältnisse der Schwarzen“, 1978, in: BMW UA 2000/2. 435 

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

669

mer im Durchschnitt die Verantwortung für einen Fünf-Personen-Haushalt trug.438 Die BMW AG legte bei den Angaben in ihrem Geschäftsbericht ­hingegen eine vierköpfige Familie zugrunde. 1978 lag laut der Muttergesellschaft das Durchschnittseinkommen aller schwarzen Belegschafts­mitglieder bei der BMW SA 56 Prozent über dem für die Region Pretoria errechneten Existenzminimum eines Vier-Personen-Haushalts der schwarzafrikanischen Bevölkerung.439 Dem Büro für Marktforschung an der Universität Südafrika zufolge erhöhte sich dieser Wert ein Jahr später und so lag ihr Mindesteinkommen 1979 bereits um 62,5 Prozent über diesem errechneten Existenz­ minimum.440 Der Geschäftsbericht der BMW AG gab an, dass der Mindeststundenlohn bei der BMW SA Anfang 1981 1,60 Rand betrug, was durch die Abbildung 55, die sich nach den Angaben der BMW SA richtet, nicht bestätigt werden kann. Hier erreichte der Mindestlohn 1981 bereits 1,90 Rand. Diese Differenz kann auch auf einen unterschiedlichen Zeitpunkt der Erfassung im Jahr 1981 zurückzuführen zu sein. In beiden Fällen lag der Mindestlohn damit jedoch nach BMW-Angaben erheblich über dem im EG-Verhal­ tens­kodex geforderten Niveau.441 Neben den Löhnen bildeten die betrieblichen Sozialleistungen einen wichtigen Kern der Bemühungen des Unternehmens zur Gleichberechtigung aller Arbeitnehmer. Auch die Sozialleistungen wurden für den schwarzafrikanischen Teil der Belegschaft verbessert und zumindest partiell den Leistungen für Weiße angepasst: So sollten schwarze Betriebsangehörige ab 1977 ebenfalls Pensionszahlungen beziehen und überdies eine kostenlose Behandlung durch den BMW-Werksarzt in Anspruch nehmen können. Im Vergleich hierzu zahlte die BMW SA darüber hinaus für weiße Mitarbeiter Krankenkassenbeiträge.442 Aus heutiger Sicht sind die Unterschiede in den 1970er Jahren zwischen weißen und schwarzen Arbeitnehmern bei der BMW SA im Hinblick auf Lohn, Arbeitsbedingungen sowie Chancengleichheit eklatant. Für die politischen Rahmenbedingungen der 1970er Jahre sowie in der Gegenüberstellung mit anderen Unternehmen können diese Konditionen bei der BMW SA jedoch als vergleichsweise fortschrittlich bezeichnet werden. Grund hierfür war unter anderem der hohe Bedarf an qualifizierten Facharbeitern, welche auf dem südafrikanischen Markt hart umworben waren. Ein 438 

Vgl. Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Firmen in Südafrika, S. 9–11. Für Angaben zu weiteren in Südafrika durch Tochtergesellschaften vertretenden deutschen Unternehmen wie Siemens oder Hoechst vgl. BMW UA 2000/1. 439  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1978, 1979, in: BMW UU 220/10. 440  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10. 441  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 442  Vgl. Situation der Mitarbeiter bei BMW ZA, in: BMW UA 1995/1.

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technisiertes Unternehmen des Fertigungssektors, das für sich und seine ­Produkte einen hohen Qualitätsstandard einforderte, konnte es sich nicht leisten, einen so großen Teil der Bevölkerung und damit ein beträchtliches Potential zu ignorieren, auch wenn dies beinhaltete, dass das Unternehmen zunächst in der Pflicht war, an der Ausbildung und somit an der Qualifizierung der Belegschaft aktiv mitzuwirken – und dies über die durch die Apartheid gesetzten Grenzen der Hautfarbe hinweg. Die Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften auf dem südafrikanischen Markt führte somit zu einer allmählichen – gewiss langsamen, aber stetig vorangehenden – Integration der schwarzen Arbeiter. Die Zielsetzung unternehmerisch vernünftigen Handelns deckte sich hier mit dem Abbau der Apartheid, der somit im Interesse der Wirtschaft war. In diesem Punkt sollte die Ökonomie, zumindest zu ­einem gewissen Teil und in manchen Firmen, der Politik beachtlich voraus sein. So investierte die BMW SA in dem Bereich der Sozialleistungen 1981 rund 738 000 Rand jährlich.443 Im Prinzip bot die BMW SA die gleichen Sozialleistungen für schwarze und weiße Mitarbeiter an, die auf Lohnstundenbasis beschäftigt waren.444 Hierfür hatte die BMW SA einen eigenen Pensionsfond eingerichtet und bot ferner Unfall-, Lebens- sowie Krankenversicherung und weitere Gesundheitsfürsorge an. Hinzu kamen Kantinen- und Fahrtkostenzuschüsse sowie betriebliche Unterstützungen im Todesfall eines Mitarbeiters.445 Die BMW SA suchte überdies die infrastrukturellen Voraussetzungen für ihre Arbeiter aus dem Homeland zu verbessern.446 Auch das umfangreiche Bildungsangebot war wichtiger Baustein bei der sozial fairen Einbindung aller Arbeitnehmer. Das oben genannte Schulungszentrum der BMW SA bot 1979 circa 1 250 Personen Gelegenheit zur Weiterbildung, worunter sich auch weiße und schwarze Belegschaftsangehörige von BMW-Händlerbetrieben 443 Vgl. “BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Labour Relations Objectives”, Personnel Department Labour Relations, 08. 1979, in: BMW UA 2000/2. Laut Angaben der BMW SA wurden 1981 umgerechnet 51 Rand monatlich für jeden schwarzen Mitarbeiter in dessen Sozialleistungen investiert. Bei 1 420 schwarzen Belegschaftsangehörigen ergäbe sich für das Jahr 1981 hierdurch eine Summe in Höhe von 869 040 Rand, wodurch eine Differenz von rund 131 000 Rand zu den tatsächlich geleisteten Investitionen entsteht, die zugleich nicht die freiwilligen Leistungen für die weißen Mitarbeiter berücksichtigt. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die monatlichen Zahlungen im Rahmen der Sozialleistungen unter 51 Rand pro Monat je schwarzen Arbeitnehmer lagen. Eine unterschiedliche Gewichtung der Zahlungen und Differenzierung zwischen Lohn- und Gehaltsempfängern könnte diesen Widerspruch erklären. Dies kann jedoch nicht auf der Grundlage der vorliegenden Quellen abschließend aufgelöst werden. 444  Vgl. Bericht zur Lage der farbigen Arbeitnehmer von BMW Südafrika, 03. 1979, in: BMW UA 1996/1. 445 Vgl. “BMW (South Africa) (Pty) Ltd. Labour Relations Objectives”, Personnel Department Labour Relations, 08. 1979, in: BMW UA 2000/2. 446 Vgl. Number of Employees per Residential Area, 1980–1981, in: BMW UA 1999/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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befanden.447 Das innerbetriebliche Weiterbildungszentrum umfasste verschiedene Angebote. Da 1979 noch immer knapp ein Viertel der schwarzen Lohnempfänger (250 von 970) bei der BMW SA Analphabeten waren, reichte das Programm von der Vermittlung grundlegenden Wissens in Lese- und Schreibkursen, bis hin zu mehrjährigen Kursen, die die Teilnehmer mit einem staatlich anerkannten Diplom abschlossen, das somit auch außerhalb des Unternehmens Gültigkeit besaß und ihnen den Weg betriebsübergreifend in eine potentiell leitende Position ermöglichte.448 1980 waren über die Hälfte aller Meisterpositionen sowie mehr als 80 Prozent der Stellen in der Qualitätskontrolle bei der BMW SA mit schwarzen Mitarbeitern besetzt. Auch in der technischen Lehrlingsausbildung wurden schwarze Belegschaftsmitglieder aufgenommen, um dem Mangel an technisch qualifiziertem Personal entgegenzutreten.449 Ein zusätzlicher elementarer Baustein innerhalb der weitergehenden Sozialleistungen stellte das sogenannte „Housing Program“ der südafrikanischen BMW-Tochter dar, das 1981 ins Leben gerufen wurde: “As an additional fringe benefit to the company’s employees it has also been decided to establish a housing assistance scheme. The company will stand collateral of up to 20% in order to assist employees who do not own any property to purchase a house. In the case of black employees, where houses are not available, the company has commissioned architects to design and under their supervision build houses for black employees in Bophuthatswana.”450

Dieses durch die BMW SA geförderte Wohnbeschaffungsprogramm sollte einerseits natürlich im Sinne des EG-Verhaltenskodex sowie der moralischen Verantwortung die Lebensumstände der Mitarbeiter, vor allem der schwarzafrikanischen Belegschaft, verbessern und den sich ändernden Lebensumständen Rechnung tragen. Zum anderen sollte diese Möglichkeit zur An­ hebung des allgemeinen Lebensstandards aber auch ein neues Qualitäts­ bewusstsein fördern, das aus Sicht des Managing Director von Koerber zwingend notwendig war, um überhaupt ein qualitativ hochwertiges Produkt wie einen BMW fertigen zu können. Vor diesem Hintergrund stellte er als Geschäftsführer fest: “How can you expect someone without a proper home to build a 7-series car properly? People start appreciate quality when quality is all around them.”451 447  Vgl.

Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10. 448  Vgl. Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Firmen in Südafrika, S. 15f. 449  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 450 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 10. 1981, in: BMW UA 2019/1. 451  In dieser Form ist von Koerber von mehreren damaligen Mitarbeitern in Gesprächen zitiert worden, hierzu Interview Phalatse, 20.  06.  2012; Interview Dicker, 12. 06. 2012.

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Die Einführung des Housing Program hatte neben einem humanistischen also auch einen unternehmerischen Hintergrund, der Rücksicht auf das eigene Fahrzeugprogramm nahm und die Qualitätsstandards in der Fertigung anheben sollte. Auf das automobile Angebot sowie die Modellpolitik der südafrikanischen Tochtergesellschaft wird in dem sich anschließenden Kapitel 5.4.3 eingegangen. 5.4.3.  Modell- und Preispolitik Wie in Abschnitt 5.2 bereits erläutert wurde, führte die Produkteinführung der speziellen BMW-Südafrikamodell GL- bzw. später in SA umbenannten Wagentypen BMW 1800 SA und BMW 2000 SA, die auch als Zwittermodelle zwischen BMW und Glas zu interpretieren sind, in Südafrika seit 1968 zu einem negativ konnotierten Image. Dennoch wurde im Oktober 1971 mit 3 295 Rand (etwa 14 000 DM) für den BMW 1800 SA sowie 3 595 Rand (circa 15 300 DM) für den BMW 2000 SA ein stolzer Preis für beide Modelle verlangt. In Deutschland hatten die Einführungspreise der „echten“ BMW-Modelle BMW 1800 (1963) und BMW 2000 (1966) lediglich bei 9 985 DM bzw. 11 475 DM gelegen.452 Die hohen Preise waren sowohl den Material- inklusive Transportkosten als auch dem Wechselkurs des starken Rand geschuldet. Dennoch verlangte BMW für seine SA-Modelle weniger als die meisten Mitbewerber; selbst Ford, Peugeot und Datsun lagen preislich über dem BMWAngebot. Ein Mercedes 220 D beispielsweise kostete mit 4 380 Rand (etwa 18 615 DM) deutlich mehr,453 wobei der Stuttgarter Hersteller in Südafrika einen exzellenten Ruf genoss und seine Produkte bei allen Bevölkerungsschichten als Statussymbol galten.454 Der vergleichsweise geringere Preis der BMW-Wagen resultierte zum Jahrzehntwechsel daraus, dass die SA-Modelle auf technisch veralteten Konzeptionen basierten und durch eine fehlerhafte Produktion in Rosslyn Qualitätsmängel aufwiesen. Die südafrikanische Öffent­lichkeit nahm die Baumuster überdies mehr als Glas-Produkte wahr denn als BMW-Fahrzeuge und somit stieg der Wunsch nach einem „echten BMW“455 weiter an,456 die bis dato lediglich über Sonderlizenzen in äußerst geringen Stückzahlen als Kompletteinheiten importiert werden konnten.457 452  Vgl. Produktprofil BMW 1800, in: BMW AD 33/1; Produktprofil BMW 2000, in: BMW AD 42/1. 453  Vgl. „Marktanalyse Südafrika“, 11. 01. 1972, in: BMW UA 1554/1. 454  Vgl. Presseecho Südafrika, 09. 02. 1971, in: BMW UA 1550/1. 455 Reisebericht Südafrika des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim 11. 03.– 27. 03. 1974, 10. 04. 1974, in: BMW UA 1993/1. 456  Vgl. Internes Memo „Südafrika Besprechung Pretorius/Frua in Turin am 7. 4. 71 wegen Facelift des BMW 1800/2000 SA (GL)“ von VNP an V2 vom 15. 04. 1971, in: BMW UA 1550/1; Bericht Südafrika vom 18. 05. 1972, in: BMW UA 1993/1. 457  Im Jahre 1970 wurden aufgrund von Sonderlizenzen des Importeurs 300 CBUEinheiten der Marke BMW nach Südafrika importiert, vgl. Jahresumsatz CKD-/CBU Südafrika 1970, in: BMW UA 1550/1.

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Bereits im Juni 1970 wurde die Einführung der SA-Modelle von der BMWVerkaufsabteilung in München als Fehler bezeichnet und dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf das Modellproramm der BMW SA angemahnt.458 Im Juni 1972 hatte im Münchner Werk bereits die Produktion des BMW 5er (E 12) begonnen, der Nachfolgerbaureihe der Neuen Klasse. Ein Anlaufen des BMW 5er war auch in Südafrika anvisiert, jedoch unter anderem aus technischer Sicht vor 1974 nicht realisierbar. Der Vorstand der BMW AG hielt es daher für unvermeidbar, eine überarbeitete Version der bisherigen SA-Modelle auf den südafrikanischen Markt zu bringen, um einen Rückgang des Absatzes bis zur Einführung des E 12 im Frühjahr 1974 zu verhindern. Auch dieses Baumuster sollte auf den Vertrieb in Südafrika beschränkt ­bleiben und in keinem anderen Land verkauft werden. Ein entsprechendes Projekt wurde 1971 in Kooperation zwischen dem südafrikanischen BMWImporteur ERAD und dem italienischen Karosseriebauer Frua initiiert und im Dezember vertraglich fixiert, wobei die italienische Firma ein Facelift vorschlug, dessen Kosten, unter Berücksichtigung der zu fertigenden Stückzahlen, noch tragbar erschienen.459 Aufgrund der finanziellen Probleme von ERAD war es allerdings bereits im Frühjahr 1972 zu Zahlungsrückständen gegenüber dem italienischen Partner und somit zum Stillstand der Arbeiten seitens Frua gekommen.460 Des Weiteren kam es zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen BMW SA und der Zentrale in München hinsichtlich der Frage, wer gegenüber Frua der maßgebliche Ansprechpartner war. Mit steigendem ­Finanzdruck wiesen beide Parteien einander die Zuständigkeiten und Haftung zu, was zu weiteren Irritationen und Verzögerungen in dieser Angelegenheit führte. Die BMW SA war zwar anfangs offizieller Vertragspartner gegenüber Frua, ihre Verantwortung ging jedoch 1972 mit der Übernahme der Hugh Parker-Töchter durch die BMW AG auf diese über.461 Die Faceliftentwicklungen der bestehenden SA-Varianten wurden trotz der monetären Engpässe des Importeurs weiter vorangetrieben – die BMW AG sah sich letztlich gezwungen, gegenüber Frua für die Einhaltung des Vertrages einzustehen462 – und sollten als BMW 1804, 2004 sowie 2004 Automatic schnellstmöglich auf

458 Vgl.

Lagebericht Südafrika der Verkaufsabteilung (VEL) vom 03. 06. 1970, in: BMW UA 1568/1. 459  Vgl. Memorandum of Agreement between Hugh Parker Ltd. and BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 16. 08. 1972, in: BMW UA 1546/1. 460  Vgl. Bericht Südafrika vom 18. 05. 1972, in: BMW UA 1993/1. 461  Vgl. Reisebericht Südafrika des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim, 05.– 10. 08. 1973, in: ebd. 462 Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung Nr. 18/72 vom 31. 05. 1972, in: BMW UA 801/1. Ab 1975 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der BMW AG als juristischer Vertretung der BMW SA einerseits und dem Karosseriebauer Frua andererseits, vgl. Notarial Authentication Certificate, 22. 05. 1975, in: BMW UA 1987/1; Verträge der BMW SA, 1967–1973, in: BMW UA 1546/1.

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den Markt gebracht werden.463 Anvisierter Anlauftermin war ursprünglich der 1. Juli 1973.464 Um die SA-Modelle dem BMW-Design anzugleichen, um eine Aufwertung des Produktes zu erreichen und sich zugleich von dem nega­tiven Image der Glas-Zwittermodelle weg zu bewegen, wurden mehrere Modifikationen vorgenommen, wie etwa die Verwendung der bekannten ­ BMW-Doppelscheinwerfer sowie eines geänderten Kühlergrills in Form der vertrauten BMW-Niere. Ferner entschied der Vorstand, das Heck durch die Rückleuchten des neuen BMW 5er Modells aufzuwerten und im Innenraum mit einem geänderten Interieur aufzuwarten.465 Die Kosten für das Facelift beliefen sich, einer Kalkulation aus dem Januar 1973 zufolge, auf 100 Rand pro geplanter Einheit.466 Letztlich führten die Zahlungsschwierigkeiten seitens ERAD sowie Lieferschwierigkeiten bei Frua aufgrund eines Zulieferstreiks in Italien allerdings zu einer merklich verspäteten Einführung der ­sogenannten 004-Modelle, die somit erst 1973 in der zweiten Jahreshälfte erfolgte,467 und die in vielfacher Weise als missglückt bezeichnet werden musste, wie der Vorstandsvorsitzende der BMW AG zusammenfasste: „Der Beginn der Fertigung des Modells 004 und seine Einführung in den südafrikanischen Markt ist bisher in jeder Weise misslungen. Die Abwicklung des Auftrages, der an Frua noch vor der Übernahme von BMW S.A. erteilt wurde, ist in jeder Weise mangelhaft. Jedenfalls hätte der katastrophale Zustand bei Beginn der Fertigung und Einführung des Modells 004 auf dem südafrikanischen Markt nicht einzutreten brauchen […]. Die Ausführung der jetzt viele Monate zu spät gelieferten Teile von Frua ist in jeder Weise mangelhaft.“468

Durch die verzögerte Einführung verfehlte das Baumuster überdies seinen Charakter als Überbrückungsprodukt, da bereits im ersten Halbjahr 1974 der BMW 5er anlaufen sollte. Die 004-Modelle, die trotz der optischen Retusche noch immer auf einer veralteten Technik beruhten, entsprachen in ihrer Qualität nicht den in München und Dingolfing produzierten BMW-Fahrzeugen und ließen sich nur schwer in Südafrika verkaufen.469 Fernerhin erschienen sie nicht adäquat für die Ansprüche des südafrikanischen Marktes, 463  Vgl. Memorandum on Meetings held at BMW (South Africa) (Pty) Ltd. in Rosslyn, 13.–14. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1. 464 Vgl. Protokoll Nr. 15/73 der Vorstandssitzung vom 01. 06. 1973, in: BMW UA 851/1. 465 Vgl. Protokoll Nr. 39/72 der Vorstandssitzung vom 19. 12. 1972, in: BMW UA 801/1. 466 Vgl. Protokoll Nr. 1/73 der Vorstandssitzung vom 09. 01. 1973, in: BMW UA 851/1. 467  Vgl. Situationsanalyse Südafrika von BMW-Vorstand Koch, Produktionsressort T, Reisebericht 17.–20. 06. 1973 vom 25. 06. 1973, in: BMW UA 1993/1. 468 Reisebericht Südafrika des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim, 05.– 10. 08. 1973, in: BMW UA 1993/1. 469 An einigen Stellen traten an den Fahrzeugen Karosseriedifferenzen von bis zu 14 mm auf, die zu überbrücken waren. Jede Einheit musste mit durchschnittlich 8,5 kg Zinn verschlämmt werden und pro Karosserie wurden circa 11 Schleifscheiben verbraucht, vgl. Studie BMW South Africa, 1974, in: ebd.

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auf dem sie mit vergleichsweise modernen Modellen wie den Alfa Romeo Alfetta, dem Audi 100, dem Ford Granada und darüber hinaus mit preiswerteren japanischen Fabrikaten konkurrieren mussten. BMW-Produktionsvorstand Koch bezeichnete die Fertigung und Einführung der Faceliftmodelle folglich als abermaliges „Desaster“.470 Die „neither fish nor fowl models“,471 so der spätere Managing Director der BMW SA, von Koerber, über die 004-Modelle, ­vermochten demgemäß nicht den gewünschten Verkaufsimpuls für den südafrikanischen Markt zu geben, was sich in den geringen Absatzzahlen widerspiegelte. Umso mehr setzte man große Hoffnungen in die Einführung des ersten BMW 5er in der Republik am Kap, die, sobald die technischen Möglichkeiten gegeben waren, so rasch wie möglich erfolgen sollte. Insgesamt wurden bei der BMW SA seit dem Aufbau der CKD-Montage in Rosslyn zwischen 1968 und 1974 im Wesentlichen fünf verschiedene Modelle mit einer Gesamtstückzahl von 11 215 gefertigt,472 die ausschließlich für den dortigen Markt bestimmt waren. Bei diesen Fahrzeugtypen handelte es sich, wie bereits erörtert, allesamt um Hybride der Marken Glas und BMW, die trotz der verstärkten Marketing- und Konstruktionsbemühungen ab 1971 von der südafrikanischen Öffentlichkeit nie als vollwertige BMW-Fahrzeuge anerkannt wurden.473 Ein Umstand, der für die Erschließung eines Marktes als fatal zu werten war. Die genauen Produktionsdaten sind Tabelle 66 zu entnehmen. Hierbei wurden zunächst lediglich die südafrikanischen BMWSondermodelle berücksichtigt. Der BMW 2800 SA wurde hingegen nur kurzzeitig montiert und ist aufgrund fehlender Angaben nicht weiter be470  Reisebericht

des BMW T-Vorstands Koch (Fertigung und Planung, Produktion) über BMW Südafrika vom 14.–20. 07. 1974, in: BMW UA 1993/1. 471  Interview mit Dr. Eberhard von Koerber, Managing Director of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., in: Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. 472  Die Modellversionen mit Automatikgetriebe wurden jeweils den ihn zugehörigen Modellen zugeordnet und somit nicht als eigenständige Versionen gezählt. 473  Darüber hinaus begann einem Interview mit dem ehemaligen Managing Director der BMW SA Graf von der Schulenburg zufolge die BMW SA Ende der 1960er Jahre damit, weitere Fahrzeuge inoffiziell in einem ehemaligen Ford-Werk in Rhodesien, das erst 1980 zum unabhängigen Simbabwe wurde, montieren zu lassen. Hierzu brachte BMW Glas-Werkzeuge und Zubehör nach Rhodesien und fertigte dort die SA-Modelle unter dem Namen „Cheetah“ auf Grundlage der Glas-Karosserie ohne Verwendung des BMW-Logos. Grund hierfür waren primär ökonomische Überlegungen, um den Nachlass aus der Glas-Übernahme gewinnbringend weiter zu nutzen. Aufgrund der bestehenden UN-Sanktionen gegenüber Rhodesien, das sich 1965 unabhängig erklärt hatte, ohne jedoch international als Staat anerkannt worden zu sein, wurde die Montage des BMW Cheetah nie offiziell kommuniziert, vgl. Interview mit Rudolf Graf von der Schulenburg am 08. 01. 2009, in: Dreyer, Standortwahl. In den Beständen des BMW Group Archivs waren trotz intensiver Quellenstudie hierzu keinerlei Hinweise zu finden. Ein weiterer Anhaltspunkt zu dem Geschäft in Rhodesien findet sich lediglich in Kraxenbergers Abhandlung zu der Marke Glas, der sich auf eine Aussage von Rudi Jütersonke beruft, dem damaligen BMW SA-Produktionsleiter, vgl. Kraxenberger/Mader, Das große GLAS-Buch, S. 298.

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5.  BMW in Südafrika

rücksichtigt.474 Die bisweilen äußerst geringen Stückzahlen beispielsweise des BMW 1600 GL und des BMW 1804 mit nur 300 und 829 Einheiten zeigen, dass sich die Herstellungskosten hier unmöglich amortisieren konnten. Auch die hohen Kosten für das durch Frua entworfene Facelift konnten sich bei einem Gesamtvolumen von nur 2 233 Fahrzeugen nicht rentieren. Modell

Produktionszeitraum

BMW 1600 GL BMW 1800 SA BMW 2000 SA BMW 1804 BMW 2004 Gesamt

04. 1968 – 07. 1968 04. 1968 – 12. 1972 06. 1968 – 01. 1973 06. 1973 – 03. 1974 01. 1973 – 03. 1974

Stückzahl 300 4 072 4 610 829 1 404 11 215

Tabelle 66: BMW-Sondermodelle für Südafrika und ihre Produktionszahlen, 1968– 1974. 475

Wie sich nach der Gründung der BMW SA bereits im Personalbereich (vgl. Kapitel 5.4.2) gezeigt hatte, mussten sich die Abstimmungsprozesse zwischen der südafrikanischen Tochtergesellschaft und der Münchner Zen­ trale in vielerlei Hinsicht erst noch ausprägen. Hierbei handelte es sich, insbesondere in den Anfangsjahren, vor allem um situative Entscheidungen, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt – simultan zu den Gründungen weiterer Tochtergesellschaften der BMW AG im In- und Ausland – strukturierten und institutionalisierten. Auch im Hinblick auf die Modellpolitik kam es vor allem anfangs zu unterschiedlichen Auslegungen hinsichtlich der Zuständigkeiten und somit zu zeitraubenden Missverständnissen. Daraufhin legte der BMW-Vorstand in einer Sitzung im Oktober 1972 offiziell fest, dass die Verantwortung für die technische Entwicklungspflege aller Südafrika-Modelle im Ressort Forschung und Entwicklung und somit bei dem Vorstandsmitglied Osswald in München lag. Dieser sollte für die laufende Arbeit einen geeigneten Verbindungsmann für die Abstimmung zwischen Südafrika und Deutschland benennen. Die weitere Koordination des Geschäftsbereichs der BMW SA sollte bis zu einer endgültigen organisatorischen Neuregelung, die für einen späteren Zeitpunkt anvisiert war, übergangsweise in die Zuständigkeit der Exportabteilung verlegt, also dem Vertriebsressort zugeordnet werden.476 Indessen berichtete der Managing Director der BMW SA direkt an 474  Zu dem BMW 2800 SA liegen leider keine näheren Informationen vor. Bekannt ist lediglich, dass einige Hundert Einheiten in Rosslyn montiert wurden, vgl. Tabelle 61. 475  Der Produktionszeitraum bezieht sich auf die Fertigung der Teilesätze im Werk München, nicht auf den Montagezeitpunkt im südafrikanischen Werk Rosslyn, da diese Daten leider nicht vorliegen, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 476 Vgl. Protokoll Nr. 30/72 der Vorstandssitzung vom 16. 10. 1972, in: BMW UA 801/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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den Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim. Diese unterschiedlichen Zuweisungen unterstreichen, dass die BMW AG Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre noch keine eingespielten Prozesse in der Zusammenarbeit mit firmeneigenen Tochtergesellschaften im Ausland ausgebildet hatte, da sie bis dahin noch keine Direktinvestitionen im Ausland hielt. Da es sich bei der BMW SA nicht nur um eine Vertriebstochter handelte, sondern ebenfalls um einen Produktionsstandort, dem eine lokale BMW-Finanzierungsgesellschaft zur Seite gestellt war, handelte es sich bei dem Südafrika-Engagement um komplexe Abstimmungsprozesse, die nahezu alle Bereiche der BMW AG um­fassten. Bei einem seiner Besuche vor Ort in Südafrika im März 1973 bekräftigte der Vorstandsvorsitzende von Kuenheim abermals die zwingende Notwendigkeit, nun endlich mit der Markteinführung des BMW 5er die vorherigen Südafrikamodelle durch einen „echten“ BMW ersetzen zu müssen. In Anbetracht des Neuheitseffektes der Baureihe hielt er es für möglich, eine gewisse Zeit mit nur einem Grundmodell auszukommen, stellte jedoch zugleich fest, dass sich die BMW SA grundsätzlich nur behaupten konnte, wenn sie über mindestens zwei Grundmodelle verfügte.477 Im Frühjahr 1974 konnte man in Rosslyn endlich mit der Montage des BMW 520 beginnen.478 Die ersten etwa 2 250 CKD-Teilesätze wurden bis Juli 1974 im Werk München her­ gestellt, bevor im Anschluss die Produktion der Montagesätze für Südafrika in Gänze nach Dingolfing verlegt wurde. Weitere Modellausführungen der BMW 5er Baureihe folgten und bis 1978 wurden in Südafrika neben dem BMW 520 ebenfalls der BMW 518, 525 sowie 528 montiert.479 Der BMW 520 SA sollte mit einem Preis von knapp 5 000 Rand (etwa 18 750 DM) eingeführt werden, der nach drei Monaten auf 5 375 Rand (etwa 20 156 DM) erhöht werden sollte und als solcher letztlich festgesetzt wurde.480 Hiermit lag er deutlich über dem deutschen Marktpreis des Vierzylinder-Modells des BMW 520, der 1972 bei 14 490 DM lag.481 Ende 1974 klang überdies die Diskussion im Vorstand an, inwiefern ebenfalls der neue BMW 3er (E 21) in Rosslyn gebaut und somit ein Modell der 477 Vgl.

Reisebericht Südafrika 11. 03.–27. 03. 1974 des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim vom 10. 04. 1974, in: BMW UA 1993/1. 478  Im September 1973 hatte die südafrikanische Regierung der BMW SA eine Ausnahmegenehmigung erteilt, mittels welcher 700 Teilesätze des Modells BMW 520 (SKD und CKD) bereits im Jahre 1973 eingeführt werden durften. Damit wurde zum einen eine Überbrückung bis zum planmäßig vorgesehenen Anlauf des lokal gefertigten Modells BMW 520 im April 1974 erreicht, zum anderen erhoffte man sich hierdurch eine deutliche Verbesserung der Ertragslage, vgl. Protokoll der Aufsichtsrats­ sitzung vom 12. 09. 1973, in: BMW UA 856/2. Die offizielle Produkteinführung in Südafrika erfolgte jedoch erst im Frühjahr 1974. 479  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 480 Vgl. Protokoll Nr. 11/74 der Vorstandssitzung vom 08. 03. 1974, in: BMW UA 852/1; Protokoll Nr. 13/74 der Vorstandssitzung vom 02. 04. 1974, in: ebd. 481  Vgl. Produktprofil BMW 520 4-Zyl. (E 12), in: BMW AD 145/1.

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5.  BMW in Südafrika

unteren Mittelklasse in Südafrika eingeführt werden sollte. Die Entscheidung wurde allerdings aufgrund der zeitgleich geführten Kooperationsgespräche der BMW SA mit potentiellen Partnern aus der Automobilindustrie für eine Zusammenarbeit im Bereich Vertrieb und Montage zurückgestellt (vgl. Ka­ pitel 5.4.1).482 Wie bereits erläutert, wurden diese Gespräche nach einigen ­Monaten erfolglos ohne Vertragsabschluss beendet, da der BMW-Vorstand gemeinsam mit der südafrikanischen Geschäftsleitung der Ansicht war, dass BMW auch zukünftig selbstständig die Geschäfte in Südafrika ohne Partner führen sollte. Einige Monate später wurde die Idee einer Fertigung des BMW 3er am Standort Südafrika zugunsten einer Montage des BMW 7er (E 23) ad acta gelegt, um am Kap in das exklusive Segment der Oberklasse einzutreten, die eine höhere Umsatzrendite pro Einheit in Aussicht stellte.483 Wie in Kapitel 5.4.4 über die Produktion in Rosslyn detailliert aufgezeigt werden wird, war dieser Entschluss vor allem auch der begrenzten Kapazität des Werkes geschuldet, das für die Montage einer weiteren Baureihe zunächst ausgebaut werden musste. Während der BMW 3er bereits 1975 in Deutschland eingeführt wurde, hätten die Werkskapazitäten in Rosslyn nicht rechtzeitig ausgebaut werden können, um dort sowohl die BMW 5er als auch die BMW 3er Baureihe fertigen zu können. Der Anlauf der BMW 7er Reihe hingegen war erst für die zweite Jahreshälfte 1977 anvisiert, so dass genügend Zeit für die Erweiterung des Werkes bleiben sollte. Um ferner eine ähnlich hohe Rendite bei der unteren Mittelklasse erwirtschaften zu können, hätten hier die Stückzahlen deutlich über denen der Oberklasse liegen müssen, was aufgrund der begrenzten Fertigungskapazitäten zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Darüber hinaus hatte man bereits positive Erfahrungen mit dem Verkauf der großen BMW-Limousinen in Südafrika gesammelt: Seit 1974 wurde bereits mit dem BMW 3.0 in kleineren Kontingenten ein Produkt aus dem oberen Preissegment in Rosslyn gefertigt,484 das die Kundschaft ausgesprochen gut aufnahm und die Verkaufsmöglichkeiten aufzeigte, die höherwertige Fahrzeuge des oberen Produktsegmentes für den südafrikanischen Markt besaßen.485 Nach Aussagen von Jessup, dem damaligen Marketing-Manager der BMW SA, war der BMW 3.0 bei seiner Markteinführung mit 9 000 Rand sogar das teuerste in Südafrika erhältliche Fahrzeug.486 Fernerhin vermochten diese Modelle das bis dahin durch die „Zwittermodelle“ in Mitleidenschaft 482  Vgl.

Auszug aus dem Protokoll Nr. 48/74 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1974, in: BMW UA 1997/1. 483  Vgl. Protokoll Nr. 21/76 der Vorstandssitzung vom 01. 06. 1976, in: BMW UA 1446/1. 484  Dieser Wagen war in Südafrika erhältlich in den Modellausführungen BMW 3.0 L (Langversion) und BMW 3.0 S (Variante mit höherer Motorisierung), beide nur als Automatikversion, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 485  Von der BMW-Baureihe der Großen Limousinen (E 3) wurden von 1974 bis 1977 insgesamt 1 296 CKD-Sätze in Südafrika montiert und vertrieben, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 486  Vgl. Standortdokumentation “BMW in South Africa”, 1982, in: BMW UA 1998/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

679

gezogene Image der Marke BMW deutlich aufzubessern und ihm neuen Glanz zu verleihen. Demgemäß wurde im April 1975 die Einführung des BMW 7er in Südafrika für das Geschäftsjahr 1977 von dem Vorstand der BMW AG, unter Rücksprache mit der BMW SA, beschlossen.487 Die Modellpolitik der südafrikanischen Tochtergesellschaft wurde primär durch die Geschäftsführung in München festgelegt, die das Management der BMW SA in dieser Phase lediglich punktuell in ihre Entscheidungen mit einbezog. Die Zahlen hatten im Jahre 1971 erstmalig knapp die Schwelle von 2 000 neu zugelassenen BMW-Fahrzeugen überschritten, lagen aber dennoch noch immer signifikant unter den anfänglichen Erwartungen und ursprüng­ lichen Kalkulationen. Neben den schwierigen politischen, ökonomischen und gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen war dies vor allem dem süd­ afrikanischen Modellprogramm der „Zwittermodelle“ geschuldet. BMW

1972

1973

1974

1975

1976

PKW-Zulassungen Marktanteil (in %)

2 219 1,2

2 077 0,9

2 800 1,3

5 040 2,3

6 040 3,0

Tabelle 67: Neuzulassungen und Marktanteile von BMW-Fahrzeugen in Südafrika, 1972–1976.488

Insbesondere die 004-Modelle, die verspätet im Jahr 1973 eingeführt wurden, konnten auf dem südafrikanischen Markt, der sich durch einen starken Wettbewerb auszeichnete und in welchem die Mitbewerber deutlich modernere Fahrzeuge anboten, nicht bestehen. Als Folge sank der BMW-Markt­ anteil 1973 gegenüber dem Vorjahr von 1,2 auf 0,9 Prozent. Ab 1974 konnten jedoch die großen 3-Liter-Limousinen (E 3) im Zusammenspiel mit der BMW 5er Reihe (E 12) neue als auch alte Kunden und somit wichtige Marktanteile gewinnen. Das neue Modellangebot schlug sich auch in den Zulassungen nieder, so dass sich zwischen 1975 und 1976 die Zahlen binnen nur eines Jahres nahezu verdoppelten und damit erstmals die Verkaufszahlen der Ausgangskalkulation von 1967 erreicht wurden.489 Diese ursprüngliche Absatzprognose hatte die Basis für die Entscheidung gelegt, das BMW-Engagement 487 Vgl. Protokoll Nr. 21/75 der Vorstandssitzung vom 22. 07. 1975, in: BMW UA 1333/1. 488  Vgl. Zulassungszahlen nach Provinzen von 1971–1974, 1974, in: BMW UA 1993/1; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1972, 1973, in: BMW UU 196/10; Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Geschäftsbericht 1973, 1974, in: BMW UU 199/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1974, 1975, in: BMW UU 202/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1976, 1977, in: BMW UU 209/10; Protokoll Nr. 48/74 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1974, in: BMW UA 852/2; Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 489  Vgl. Marktanalyse für Südafrika der Abteilungen des BMW Verkaufsressorts vom 17. 03. 1967, in: BMW UA 1544/1.

680

5.  BMW in Südafrika

in Südafrika durch hohe Direktinvestitionen sowie die Montage vor Ort zu vertiefen. 1975 und zum Teil noch 1976 verzeichnete BMW unter allen Herstellern in Südafrika phasenweise das größte Wachstum, was auf die neue Modellpolitik zurückzuführen war.490 Die Einführung der BMW 5er Reihe im Frühjahr 1974 hatte dazu verholfen, das Image zu verbessern und die Marke nach dem missglückten Verkauf der GL/SA- und 004-Modelle neu zu positionieren.491 Nachdem der BMW 5er gegenüber dem deutschen Markt mit einer Verzögerung von zwei Jahren in Südafrika eingeführt worden war und sich die Absatzzahlen seither vielversprechend entwickelten, erschien es dem Vorstand in München als wichtiges und notwendiges Zeichen, das Facelift des E 12 möglichst rasch nach ­seiner Einführung in Deutschland auch in Südafrika auf den Markt zu bringen. Mit diesem frühen Termin sollte demonstriert werden, so der Vorstand wörtlich, „welche Bedeutung BMW dem südafrikanischen Markt beimisst.“492 Darüber hinaus wurde die Einführung der neuen Baureihe des BMW 7er ­sowohl von den Kunden als auch von der Geschäftsleitung der BMW SA ungeduldig antizipiert. In diesem Kapitelabschnitt ist bereits aufgezeigt worden, wie maßgeblich die Einflussnahme des Vorstands der BMW AG auf die Ausrichtung der südafrikanischen Modellpolitik gewesen ist. Die Entscheidungsbefugnisse sollten trotz internationaler Ausrichtung auch weiterhin in München verbleiben, um einen weltweit homogenen markenkonformen Auftritt zu gewährleisten.493 Wie in vielen anderen Bereichen mussten sich auch hier die Abstimmungsprozesse zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft erst noch formen und etablieren. Im Sommer 1976 erkannte der BMW-Vorstand allerdings, dass zumindest ein Teil der Verantwortung zu übertragen war, da die Betreuung der südafrikanischen Tochter sehr zeitintensiv geworden und das Volumen der zu fällenden Entscheidungen in den Vorstandssitzungen stark angestiegen war: „Es wird festgelegt, daß für die Aufnahme von Sonderausstattungen und Sonder­ zubehör in die Serie von Südafrika-Fahrzeugen keine Vorstandsentscheidungen mehr erforderlich sind, wenn diese Sonderausstattungen für die einzelnen Modelle kons­ truktiv vorhanden sind und eine Weitergabe im Preis erfolgt. Änderungen werden in diesen Fällen vom Produktplanungskreis verabschiedet. Änderungen, die eine kons­ truktive Arbeit voraussetzen, bedürfen weiterhin einer Vorstandsgenehmigung.“494

Dieser Protokollauszug zeigt, dass das Münchner Führungsgremium nur sukzessive Befugnisse an die ihm unterstellten Gremien abtrat. Vor allem 490  Vgl. Protokoll Nr. 23/75 der Vorstandssitzung vom 02. 09. 1975, in: BMW UA 1333/1. 491  Hierzu äußerte sich der Leiter des Technical Training Lochner Dicker in einem

Gespräch wie folgt: „The E 12 established BMW in South Africa as a good brand.“, hierzu Interview Dicker, 12. 06. 2012. 492  Protokoll Nr. 6/76 der Vorstandssitzung vom 17. 02. 1976, in: BMW UA 1446/1. 493  Vgl. Interview von Kuenheim, 07. 11. 2012. 494  Protokoll Nr. 26/76 der Vorstandssitzung vom 13. 07. 1976, in: BMW UA 1446/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

681

Entscheidungen, die hohe Kosten auslösen konnten, wie etwa Entwicklungsund Konstruktionsarbeiten, wurden weiterhin in München vom Vorstand gefällt. In den kommenden Jahren spielte sich die Zusammenarbeit zwischen der südafrikanischen Tochter, dem im Beobachtungszeitraum bis 1981 einzigen Fertigungsstandort außerhalb Deutschlands, und der Muttergesellschaft immer mehr ein. Gestalterische Produktfragen wurden aber auch weiterhin maßgeblich von München bestimmt und entschieden. Alleingänge der Tochter im Hinblick auf das Modellangebot wurden nicht geduldet. Die Einführung des BMW 5er in Südafrika hatte deutliche positive Auswirkungen, da nun das Image der Marke an den traditionellen BMW-Markenwerten ausgerichtet wurde. Das Modellangebot ab 1974 half, BMW stärker in Südafrika als hochwertige Marke zu etablieren. In der Vergangenheit war es aufgrund der mangelnden Erfahrung zwischen der BMW AG und ­ihrer Tochter immer wieder zu ineffizienten Abläufen und Abstimmungsschwierigkeiten gekommen. Die eigentliche Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf Produktfragen blieb, trotz der weiter voranschreitenden internationalen Konzernausrichtung, in München. Im Sommer 1977, ein halbes Jahr nach Übernahme der Geschäftsleitung der BMW SA durch Managing Director von Koerber, kam es zu einer ausgeprägten Dissonanz zwischen der südafrikanischen Tochter und München, da die BMW SA eine Modellanpassung ohne Abstimmung mit dem Vorstand vorgenommen hatte: „Von ES [Hauptabteilung des Entwicklungsressorts in der Zentrale, Anm. d. Verfasserin] wird dem Vorstand ein BMW 530 ZA Sondermodell vorgestellt, das mit schwarz pulverbeschichteten Chromteilen in einer Kleinserie von 96 Einheiten in Südafrika angelaufen ist. Der Vorstand akzeptiert den Alleingang der BMW ZA nicht und stellt ausdrücklich fest, daß stilistische und sonstige wesentlichen Änderungen an BMWFahrzeugen der Genehmigung durch den Vorstand bedürfen, ungeachtet, wo dieses Fahrzeug produziert und ob es von der BMW AG oder durch eine Tochtergesellschaft vertrieben wird. Da die stilistische Gesamterscheinung des 530 mit schwarz pulverbeschichteten Teilen mehr in das Niveau eines Golf GTI oder Ford Taunus abgleitet, legt der Vorstand fest, daß nur die Kleinserie von höchstens 96 Fahrzeugen gefertigt werden darf. Außerdem wird die BMW ZA beauftragt, einen Satz pulverbeschichteter Teile umgehend EZ-5 zur Qualitätsprüfung zu übersenden.“495

Anhand dieses Präzedenzfalles machte der BMW-Vorstand deutlich, dass die Entscheidungshoheit bei ihm lag und er keinerlei Alleingänge von der BMW SA als Fertigungsstandort duldete. Zwar hatte von Koerber im Hinblick auf eine effizientere und engere Zusammenarbeit zwischen Rosslyn und München deutlich positiv eingewirkt, zugleich war er aber auch ein außer­ ordentlich starker Partner, der in seinem Bereich ebenso autarke Entscheidungen treffen wollte. Trotz des ansonsten engen, aus der gemeinsamen Vergangenheit resultierenden, Verhältnisses zu Vorstandvorsitzenden von Kuenheim wurde hier unmissverständlich durch den Gesamtvorstand zu verstehen gegeben, wo die Grenzen dieses eigenständigen Handlungsspielraumes zu liegen 495 

Protokoll Nr. 23/77 der Vorstandssitzung vom 19. 07. 1977, in: BMW UA 1456/1.

682

5.  BMW in Südafrika

hatten. Dennoch kam es auch in der späteren Zusammenarbeit zwischen der BMW SA und der Zentrale gelegentlich zu Unstimmigkeiten aufgrund vermeintlicher Soli der Tochtergesellschaft. So kritisierte der Vorstand beispielsweise die Geschäftsleitung der BMW SA im Februar 1978 erneut: „Da sämtliche Stylingfragen ähnlich wie technische Freigaben, Verwendung von ­Firmenzeichen usw. der Genehmigung des Vorstands bedürfen, wird die Geschäftsführung der BMW ZA nachdrücklich auf die Unzulässigkeit ihrer Vorgehensweise aufmerksam gemacht.“496

Der BMW 530 (180 PS) der ersten Generation, der 1976 eingeführt wurde und aus der Karosserie des BMW 525 sowie einem 3,0-Liter-Motor bestand, erfreute sich in Südafrika hoher Beliebtheit besonders aufgrund seiner Sportlichkeit, die er durch einen Sieg der südafrikanischen Serien- und Tourenwagenmeisterschaft unterstrich. Dort setzte man dieses Modell ein, um sowohl das Image der Marke als auch des Produkts noch weiter in Richtung Sportlichkeit zu stärken. Auf die Werbewirksamkeit von Rennsportveranstal­ tungen ist bereits ausführlich in Kapitel 2.6 eingegangen worden. Laut von ­Koerber galt der BMW 530 bei einem verhältnismäßig günstigen Preis von 12 500 Rand, umgerechnet circa 31 000 DM, als „Porsche Südafrikas“ für einen im Vergleich zu anderen sportlichen Top-Marken erschwinglichen ­ Preis.497 Der BMW 530 (E 12) wurde nur in Südafrika, USA und Japan an­ geboten und ist somit eines der wenigen Modelle in der BMW-Geschichte, das nicht in Deutschland erhältlich war.498 Im Rahmen der Phase III des Local-Content-Programmes musste bis Ende 1976 ein lokaler Anteil von 66 Prozent des Fahrzeuggewichtes in Südafrika gefertigt werden (vgl. Kapitel 5.4.1). Um diesen Auflagen zu entsprechen, hatte der BMW-Vorstand den Aufbau einer Motorenfertigung in Rosslyn in Erwägung gezogen, diese Idee jedoch zugunsten einer Fertigung der Karosserien vor Ort verworfen. Diese Entscheidung stellte sich später als besonders vorteilhaft heraus, denn hierdurch war es möglich, aus der großen Bandbreite der in München produzierten Motoren, die stets auf dem neuesten Stand der Technik waren, zu wählen und in die verschiedenen Modelle einzubauen.499 Mittels der Motorenlieferungen aus Deutschland wurde die 496  Protokoll

Nr. 7/78 der Vorstandssitzung vom 27. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. Anlass hierfür war die Verwendung von Radzierdeckeln, die nicht mit München abgestimmt war. Dieses Beispiel zeigt, bis in welches Detail der AG-Vorstand ein Mitspracherecht einforderte. 497 [o.  V.] (1978): Schwarz-Markt. BMW Südafrika. Wie bayerische Wagen von Schwarzen gebaut werden, in: auto, motor, sport, Jg. 33, Nr. 7, 29. 03. 1978, in: BMW UR 5838/1. 498  In den USA sowie Japan wurde der BMW 530i aufgrund strenger Abgasvorgaben nur mit Einspritzung und Katalysator angeboten, während er in Südafrika nur als BMW 530, also als Vergaserversion, erhältlich war, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10; BMW AG, Alle Automobile, S. 58f. 499  In der Tat gab es auch bei BMW zwischenzeitlich Überlegungen, eine Motorenmontage in Südafrika aufzubauen. Im Hinblick auf die notwendigen Investitionen, die

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

683

neueste Technik, die dem deutschen Qualitätsstandard entsprach und somit das Gütesiegel „Made in Germany“ trug, mit nur geringer Verzögerung nach Südafrika gebracht.500 Diese Fertigungsstrategie sollte der BMW SA auch im Hinblick auf ihr späteres Exportprogramm entgegenkommen. Der BMWVorstand hatte im Spätsommer 1977 den Export des in Rosslyn montierten BMW 518 (E 12) in den Iran genehmigt.501 Da sich dort die Besteuerung auf der Grundlage der Motorleistung bemaß, die Kunden zugleich allerdings hohen Wert auf eine luxuriöse Karosserie und Ausstattung legten, wurde eigens für den iranischen Markt eine neue Kombination aus dem Modell des BMW 518 sowie des Interieurs502 und der Ausstattung des höherwertigen BMW 528 (E 12) zusammengestellt und exportiert. Dieses Modell erhielt, auf Bitte des iranischen Importeurs Vasato Corp.,503 den Schriftzug „de Luxe“.504 Auch die Farbauswahl variierte aufgrund religiöser oder kultureller Gegebenheiten.505 Darüber hinaus stimmte der Vorstand der Bitte der BMW SA zu, das Modellangebot speziell in der BMW 5er Reihe zu straffen, also weniger Grundmodelle anzubieten, um wirtschaftlicher arbeiten zu können. So wurde etwa das unterste Modell der BMW 5er Reihe, der BMW 518, aus dem südafrikanischen Programm genommen bzw. dem Export in den Iran vorbehalten.506 Mit der politischen Krise internationaler Tragweite und der iranischen Revolution 1979 endete auch der Export aus Südafrika.507 Neben dem Sondermodell für den Iran führte die Geschäftsleitung der BMW SA nach Zustimmung der BMW AG eine weitere Anpassung des Modell­angebots durch: Marktforschungsuntersuchungen hatten ergeben, dass hierfür außerordentlich hohen Qualitätsanforderungen und die Vorteile, die sich aus dem Import der stets neuesten Motorentechnik aus Europa für das südafrikanische Werk ergaben, wurden diese Erwägungen 1979 endgültig ad acta gelegt, vgl. Auszug aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. 12. 1979, in: BMW UA 1997/1. Erst in den 1990er Jahren wurde diese Idee wieder aufgenommen und im September 1992 die Montage von Vierzylindermotoren im Werk Rosslyn aufgenommen, vgl. BMW Geschäftsbericht 1992, in: BMW UU 248/10. 500  Vgl. Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. 501  Vgl. Auszug aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 20. 09. 1977, in: BMW UA 1997/1. Auf die politischen sowie unternehmerischen Implikationen dieser Entscheidung wird in Abschnitt 5.4.6 eingegangen. 502  Die englische Entsprechung lautet hier „trim“. 503 Vgl. Importeur- und Kundennummernverzeichnisse der Exportabteilung (VE), 02. 1976, in: BMW UA 1985/1. 504 Der BMW-Vorstand genehmigte diese Anpassungen. In diesem Zusammenhang unterstrich er nochmals explizit, dass derartige Entscheidungen über Modellanpassungen der Zustimmung des Vorstands bedurften, vgl. Protokoll Nr. 5/78 der Vorstandssitzung vom 14. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 505 Vgl. Zeitungsbericht der South African Foreign Trade Organisation (SAFTO) “Exporter of the Month BMW”, 05. 1979, in: BMW UA 2001/1. 506 Vgl. Protokoll Nr. 33/77 der Vorstandssitzung vom 26. 10. 1977, in: BMW UA 1456/1. 507 Vgl. Protokoll Nr. 2/79 der Vorstandssitzung vom 23. 01. 1979, in: BMW UA 1447/1.

684

5.  BMW in Südafrika

eine wachsende Zahl an Kunden in Südafrika eine noch luxuriösere Ausstattung bzw. weiteres Zubehör wünschten, als dies in der Standardversion der BMW 5er Reihe der Fall war; beispielsweise eine Klimaanlage, ein Schiebedach oder Leichtmetallfelgen. Diese Kunden ließen die besagten Extras oftmals nach dem Kauf nachrüsten, was jedoch häufig zu Qualitätsproblemen führte. Auf der Grundlage dieser Marktforschung ließ die Geschäftsführung der BMW SA ermitteln, welche Kombinationen an favorisierter Sonderausstattung am häufigsten bekundet wurden und definierte auf dieser Basis sogenannte „option packages“508 für jedes einzelne BMW-Modell. Die Einzelkomponenten, die bis dato in hoher Qualität nur von Übersee importiert werden konnten, wurden gemeinsam mit der lokalen Fertigungsindustrie in Südafrika entwickelt und produziert, um zugleich den Local-Content-Bestimmungen zu entsprechen. Diese Optionspakte vermochten nicht nur die Absatzzahlen und die Kundenzufriedenheit zu steigern, sondern förderten ebenso die Fertigungsqualität der lokalen Zulieferindustrie.509 Abbildung 52 aus Kapitel 5.4.1 hatte gezeigt, dass die PKW-Zulassungen des Gesamtmarktes in Südafrika von 1977 bis 1981 stark anstiegen, wobei die Zulassungen und somit die Marktanteile von BMW überproportional zunahmen. Dies lag auch in dem Modellprogramm begründet, das neben der BMW 5er Reihe ab 1978 mit dem BMW 7er (E 23) nun auch das „High End Product“ der BMW-Produktpalette anbot. Im Segment der oberen Preisklasse, die ab 12 000 Rand begann,510 umgerechnet circa 31 200 DM,511 konkurrierte dieser unmittelbar mit der S-Klasse von Mercedes. Daimler-Benz war in Südafrika der größte Mitbewerber des Münchner Herstellers, der allerdings BMW bis Mitte der 1970er Jahre deutlich überlegen war, setzte der Stuttgarter Produzent doch am Kap bis zu 10 100 PKW-Einheiten (1975) ab, obwohl er bis 1984 nur eine Minderheitsbeteiligung an der südafrikanischen Partnergesellschaft hielt.512 Vor allem aufgrund der 7er Reihe gelang es BMW allerdings im Jahre 1979 erstmals, einen größeren Marktanteil als Daimler-Benz zu verzeichnen, der 1980 nur noch 8 100 Einheiten abzusetzen vermochte,513 während BMW in demselben Jahr 11 218 Zulassungen registrieren konnte.514 Mit dem BMW 7er wurde ab 1978 ein hochtechnisiertes Modell der Oberklasse 508  Redemanuskript des Managing Directors der BMW SA Dr. von Koerber “Vision and Strategy: A German Company’s Experience in South Africa” vom 30. 04. 1981, in: BMW UA 2000/2. 509  Vgl. ebd. 510 Vgl. Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: BMW UA 1448/1. 511  Zugrunde gelegt wurde der Wechselkurs vom Januar 1978 (1,0 Rand = 2,60 DM), vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 10. 08. 1977, in: BMW UA 2018/1. 512  Vgl. Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 318, 343. 513  Vgl. ebd., S. 318. 514  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog zur Hauptversammlung 1981, 1981, in: BMW UR 155/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

685

angeboten, das positive Auswirkungen auf das gesamte Produktimage von BMW hatte und der Marke ein prestigereicheres Renommee verschaffte.515

BMW Daimler-Benz

1976

1977

1978

1979

1980

1981

3,3 4,1

3,7 4,6

3,4 4,5

3,9 3,5

4,0 3,3

4,5 3,9

Tabelle 68: Marktanteile von Kraftwagen der BMW AG und Daimler-Benz AG in Südafrika (Angaben in Prozent), 1976–1981.516

Der verhältnismäßig hohe Rückgang der Marktanteile bei Daimler-Benz Ende der 1970er Jahre war unter anderem auf die verstärkte Konkurrenzsituation auf dem südafrikanischen Automobilmarkt zurückzuführen, speziell im Segment der sogenannten Executive Cars, in welchem sich neben der EKlasse von Mercedes und dem BMW 5er nun weitere attraktive Produkte anderer Hersteller befanden, wie etwa das Fünfzylinder-Modell von Audi oder der Granada von Ford. Daimler-Benz hatte 1978 in dieser Vergleichsklasse eine tiefgreifende Reduzierung seines Marktanteils von 47 Prozent (1976) auf 20 Prozent hinnehmen müssen, während BMW mit der 5er Reihe den Marktanteil von 39 Prozent (1976) auf 45 Prozent (1978) erhöhen konnte. Auch im Segment der Luxuswagen verlor Mercedes mit der S-Klasse überdurchschnittlich hohe Anteile am Markt und fiel von 44 Prozent (1976) auf 20 Prozent (1978) zurück. Der BMW-Marktanteil war hingegen in demselben Zeitraum in der oberen Vergleichsklasse auf 37 Prozent (1978) angestiegen, während der Anteil 1976 aufgrund des eingeschränkten Produktangebotes des BMW 3.0 (E 3) lediglich bei 6 Prozent gelegen hatte.517 Bei dieser Gegenüberstellung darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass Daimler-Benz zuvor gegenüber dem Münchner Hersteller jahrzehntelang den Markt dominiert hatte. Erst Mitte der 1970er Jahre vermochte BMW durch Etablierung eines attraktiveren Modellprogrammes, Verbesserung der Fertigungsqualität und Ausbau der Produktionskapazitäten sowie des Vertriebsnetzwerks das Potential am Markt besser auszuschöpfen. Ferner konstatierte der BMW-Vorstand, dass im Zusammenhang mit der Marktentwicklung und Konkurrenzsituation „[…] bei einer mittelfristigen Betrachtungsweise nicht außer [Acht, Anm. d. Verfasserin] gelassen werden darf, daß die Nachfrage nach BMW-Modellen in aller Regel erst nach einigen Jahren Laufzeit am größten ist, während bei der Konkurrenz nach dem Novitäteneffekt ein relativ schnelles Absinken der Nachfrage zu beobachten ist.“518

Wie schon in den Jahren der Gründungszeit der BMW SA beeinflusste auch noch Ende der 1970er Jahre die Höhe des erforderlichen Investitionsvolu515 

Vgl. Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 517  Vgl. Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: BMW UA 1448/1. 518  Protokoll Nr. 26/78 der Vorstandssitzung vom 25. 07. 1978, in: BMW UA 1458/1. Auf die Gründe dieses Phänomens geht das Protokoll hingegen nicht ein. 516 

686

5.  BMW in Südafrika

mens, das für die Einführung eines Facelifts, eines neuen Modells oder einer nachfolgenden Generation notwendig war, entscheidend den Charakter des BMW-Modellprogramms in Südafrika. So mussten gegen Ende der Dekade erneut weitreichende Zugeständnisse in der Modellpolitik gemacht werden. Während es dem BMW-Vorstand ein besonderes Anliegen war, den BMW 7er ohne nennenswerte Verzögerungen nach der Markteinführung in Deutsch­land auch in Südafrika anzubieten, um dem Markt in der Republik ein positives Signal zu geben, mussten bei der weiteren Ausrichtung der Produktpalette abermals Einschränkungen vorgenommen werden. Die Einführung der zweiten Generation der BMW 5er Reihe (E 28) sollte für den deutschen Markt schon 1981 erfolgen, während die Aufnahme der Fertigung in Südafrika aus produktionstechnischer Sicht frühestens ab Mai 1982 realisierbar erschien. Eine Verzögerung von einem Jahr hielt der BMW-Vorstand allerdings für indiskutabel, insbesondere unter der seit 1979 angedachten Möglichkeit, Rechtslenker der BMW 5er Reihe auch von Südafrika aus vermehrt in andere Länder zu exportieren.519 Diese Märkte wären demzufolge ebenfalls später beliefert worden. In den nachfolgenden Vorstandsitzungen rückten überdies vermehrt Diskussionen um die Höhe der notwendigen Investitionen für die Einführung der unterschiedlichen Modelle, unter Berücksichtigung ihrer Marktadäquatheit für Südafrika sowie ihrer Einsatzmöglichkeit im Rahmen des anvisierten Exportes, in den Fokus.520 Während zunächst den Modellpflegemaßnahmen für den E 12 bei der BMW SA, die 1980 implementiert werden sollten, im Frühjahr 1979 vom Vorstand in der durch die BMW SA vorgeschlagenen Form zugestimmt worden war,521 stellte die Geschäftsleitung in München im Sommer 1979, unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Punkte, die Fertigung des E 28, dem Nachfolger des BMW 5er (E 12), nun prinzipiell in Frage. Auch vor dem Hintergrund des hohen Investitionsvolumens entschied sich der BMW-Vorstand – gegen den expliziten Willen der südafrikanischen Geschäftsführung – 1979 in Gänze gegen die Einführung der Nachfolgegeneration der BMW 5er Reihe in Südafrika: „Angesichts der erkennbaren Schwierigkeiten, mit dem bisherigen Programm ausreichende Absatzziffern und befriedigende Ergebnisse zu erreichen, gewinnt die Frage, ob durch eine geänderte Modellpolitik ein grundsätzlicher Wandel herbeigeführt werden könnte, entscheidende Bedeutung. Der bisher für Mitte 1982 geplante Anlauf des E 28 in Südafrika kann zu einer positiven Geschäftsentwicklung keinen Beitrag leisten. Insbesondere der notwendige hohe Investitionsaufwand von rd. 40 Mio DM ist bei den zu erwartenden Stückzahlen nicht zu vertreten. […] Nachteilig ist, daß ZA […] einen zusätzlichen Zeitraum […] mit dem E 12 umsatzmäßig überbrücken müßte, während auf den übrigen Märkten bereits der E 28 angeboten wird. Markteinbußen

519 

Vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: BMW UA 1447/1. Protokolle der Vorstandssitzungen des Jahres 1979, in: ebd. und BMW UA 1459/1. 521  Vgl. Protokoll Nr. 7/79 der Vorstandssitzung vom 20. 03. 1979, in: BMW UA 1447/1. 520  Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

687

beim E 12 werden sich daher kaum vermeiden lassen. Ob ZA die Jahre 1982–1984 marktpolitisch und wirtschaftlich durchstehen kann, läßt sich bisher noch nicht beurteilen. Als Ergebnis der Diskussion wird beschlossen, von der Einführung des E 28 in Südafrika abzusehen und stattdessen den E 30/4 [viertürige BMW 3er Limousine, Anm. d. Verfasserin] als Aufgabenstellung zu verfolgen.“522

Durch dieses Zitat wird deutlich, dass die Zukunft der BMW SA während des gesamten Beobachtungszeitraums wiederholt auf den Prüfstand gestellt und in diesem Fall 1979 unmittelbar mit der Frage nach einer rentablen Modellpolitik verknüpft wurde. Auch weiterhin prägten produktionstechnische Gesichtspunkte und die mit ihnen verbundenen Investitionen maßgeblich die Produktstrategie für den südafrikanischen Standort. Obgleich BMW, insbesondere aufgrund seiner Fahrzeuge der oberen Klasse (E 23) sowie der Executive Cars (E 12), Marktanteile hatte gewinnen können, entging der Geschäftsführung nicht der zunehmende Trend zu kleineren Fahrzeugen bzw. Modellen der Kompaktklasse, der durch die zweite Energiekrise sowie die staatliche Regulierung in Form einer höheren Besteuerung auf Wagen des oberen Segmentes begünstigt wurde.523 Aus diesem Grunde strengte der BMW-Vorstand die Überlegung an, inwiefern sich die Auf­nahme der Fertigung des E 30/4, also der viertürigen Limousine der zweiten Generation des BMW 3er, in Südafrika rentieren würde. In diesem Kontext vergab er an die betreffenden Fachstellen in München und Rosslyn mehrere Arbeits­ aufträge: Eine Marktuntersuchung in der südafrikanischen Republik über das Potential des BMW 3er sollte durchgeführt werden, ganz gleich in welcher Modellvariante. Ferner sollte die technische Realisierbarkeit des Projektes untersucht, der frühestmögliche Einsatztermin geklärt, das erforderliche Investitionsvolumen ermittelt und die realisierbaren Stückzahlen, Kosten- und Ergebnisaussichten kalkuliert werden. Darüber hinaus wurde von dem Entwicklungsvorstand angeregt, den BMW 5er der ersten Genera­ tion durch Komponenten des Modells der zweiten Generation aufzuwerten und somit für die Übergangszeit attraktiver zu machen, was ebenfalls untersucht werden sollte.524 Nach eingehender Prüfung entschied der BMW-Vorstand im Mai 1980, am Standort Südafrika statt des E 28, dem Nachfolgemodell der BMW 5er Reihe, den BMW 3er (E 30) für die Montage einzuführen und dies sowohl als zweitürige (E 30/2) als auch viertürige (E 30/4) Version. Als ausschlaggebende Gründe wurden hierfür genannt, dass die Modelle BMW 316 bis 323i (E 30) insgesamt ein größeres Marktsegment abdeckten, als dies mit dem 522 

Protokoll Nr. 24/79 der Vorstandssitzung vom 31. 07. 1979, in: ebd. war der BMW 5er auch 1979 in Südafrika das erfolgreichste Modell aus der BMW-Produktpalette und verzeichnete in diesem Jahr einen Zuwachs von 27 Prozent, vgl. Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA 1460/1. 524 Vgl. Protokoll Nr. 24/79 der Vorstandssitzung vom 31. 07. 1979, in: BMW UA 1447/1. 523  Dennoch

688

5.  BMW in Südafrika

E 28 möglich wäre. Es sollten durch die Etablierung der unteren Mittelklasse des Weiteren neue Käuferschichten erschlossen und somit höhere Absatzzahlen erlangt werden.525 Fernerhin wurde, nach eingehender Abwägung der Münchner Fachabteilungen, die Idee vom Juli 1979 umgesetzt, eine Auf­ wertung des E 12 durch Komponenten des Nachfolgermodells E 28 vorzunehmen. Hier war das Management der BMW AG der Ansicht, dass der südafrikanischen Tochtergesellschaft nur dann die wirtschaftliche Basis gesichert werden konnte, wenn sich die Absatzchancen des E 12 durch eine frühestmögliche Modellaufwertung entscheidend verbesserten. Aus diesem Grunde wurden kurzfristig alle Anstrengungen auf die Produktaufwertung des E 12 unter Ausnutzung der speziell in Südafrika vorhandenen Möglichkeiten konzentriert, also auch handarbeitsintensive Modifikationen, Innenausstattung mit Leder und Holz usf. vorgenommen. Mit dem E 12/8, vereinzelt auch E 12 ZA genannt, wurde abermals nach den SA/GL-Fahrzeugen der späten 1960er Jahre ein speziell für Südafrika modifiziertes Modell lokal auf den Markt gebracht. Erneut war diese Entscheidung primär den Fertigungsvoraussetzungen sowie dem Finanzdruck geschuldet, die im Hinblick auf den hohen Investitionsbedarf die Montage des E 28 als nicht rentabel erschienen ließen. Der Launch des E 12/8 war für Anfang 1982 geplant, wobei bis Juli 1982 die ältere Motorenversion M90 verbaut werden sollte, die man später durch die nachfolgende Motorengeneration M106 ersetzen wollte.526 Optisch war der E 12/8 ein BMW 5er der ersten Generation, wohingegen die Innenausstattung und die Technik dem Stand der nachfolgenden Generation E 28 entsprach.527 Darüber hinaus wurde erstmals im Münchner Entwicklungsressort angeregt, speziell für Südafrika einen Motor zu entwickeln, der noch weiter an die geographischen Gegebenheiten angepasst war. So wurde im Sommer 1981 im Hinblick auf Südafrikas Hochebene, die weite Teile des Landes einnahm, in der Entwicklung eine spezielle Motorenauslegung mit geringerer Luftdichte in größeren Höhen geprüft.528 Diese Technik erfuhr jedoch aufgrund der hohen Kosten keine Realisierung, so dass auch die ­Prüfung bald eingestellt wurde. Der BMW 3er (E 30) kam 1983, ein Jahr nach seiner Einführung in Deutschland, auch in Südafrika auf den Markt und wurde fortan im Werk Rosslyn montiert.529 Als Ergebnis einer eingehenden 525 Vgl. Protokoll Nr. 21/80 der Vorstandssitzung vom 20. 05. 1980, in: BMW UA 1455/1. 526  Vgl. Protokoll Nr. 4/81 der Vorstandssitzung vom 03. 02. 1981, in: BMW UA 1435/1. 527  Sehr aufwandsintensive Maßnahmen bei der Umrüstung, die etwa bei dem Instrumententräger des E 28 vonnöten gewesen wären, wurden vom Vorstand aufgrund der Kosten nicht genehmigt. Diese Komponenten wurden demnach im E 12/8 nicht verbaut, vgl. Protokoll Nr. 38/79 der Vorstandssitzung vom 18. 12. 1979, in: BMW UA 1459/1. 528 Vgl. Protokoll Nr. 25/81 der Vorstandssitzung vom 28. 07. 1981, in: BMW UA 1444/1. 529  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1983, 1984, in: BMW UU 232/10.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

689

Prüfung der Geschäftssituation der BMW SA aus dem Jahre 1979 ließ der Vorstand im März 1980 protokollieren: „Die allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen für die weitere Tätigkeit einer produzierenden Tochtergesellschaft auf dem südafrikanischen Markt werden als günstig angesehen.“530

Hieraus lässt sich ableiten, dass die Geschäftsführung in München Anfang der 1980er Jahre allmählich größeres Vertrauen in den Standort am Kap setzte, als dies noch in den 1970er Jahren der Fall gewesen war. Obgleich der PKW-Verkauf in Südafrika bis 1983 auf die Modelle des oberen Marksegmentes, also auf die BMW 5er und 7er Reihe, beschränkt war, konnte BMW den Export von Montagesätzen nach Rosslyn zwischen 1977 und 1980 nahezu verdoppeln bzw. bis 1981 um 64,7 Prozent steigern.531

BMW 5er (E 12) BMW 7er (E 23) Gesamt

1977

1978

1979

1980

1981

5 448 912 6 360

7 378 1 752 9 130

7 452 1 248 8 700

9 996 1 632 11 628

7 476 3 000 10 476

Tabelle 69: Export von CKD-Teilesätzen nach Südafrika, 1977–1981.532

Damit baute der BMW 5er (E 12) seine führende Stellung im Segment aus, während die BMW 7er Reihe (E 23) ihrerseits 1980 erstmals die zulassungsstärkste Baureihe ihrer Klasse war, somit also auch die Mercedes S-Klasse hinter sich gelassen hatte. Alleine im Jahr 1981 verdoppelte sich der Export der Oberklasse nahezu auf 3 000 Teilesätze. Besonders stark war BMW SA auch weiterhin im öffentlichen Sektor tätig, da mehr als die Hälfte der Fahrzeuge an Firmen und Behörden verkauft wurden. Fernerhin vermochte sich das zunächst begrenzte Modellangebot, das auf die Produkte der oberen Segmente beschränkt war, positiv auf den Umsatz der BMW SA auszuwirken. Dieser erreichte im Geschäftsjahr 1981 230,4 Mio. Rand gegenüber 40,9 Mio. Rand im Jahre 1975. Somit hatte sich der Umsatz innerhalb weniger Jahre mehr als verfünffacht. Zu der positiven Umsatz- und Absatzentwicklung hatten vor allem das Angebot der höherwertigen Modelle, die „Option Packages“ sowie mehrere Preiserhöhungen beigetragen.533 Bereits im Juli ­ 1978 lag der Deckungsbeitrag – auch durch den höheren Anteil der BMW 530 

Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA 1460/1. handelte es sich um den Export von Teilesätzen aus Deutschland nach Südafrika, nicht um die konkreten Absatz- oder Zulassungszahlen. Zwischen Export, Montage und Verkauf konnten je nach Marktlage Zeitverzögerungen von einigen ­Monaten liegen. Ferner berücksichtigt diese Auflistung nicht die Kompletteinheiten, die möglicherweise neben den Teilesätzen in geringeren Umfängen in Südafrika eingeführt wurden. 532  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 533  Vgl. Bericht des Vorstands über die ausländischen BMW-Tochtergesellschaften im Rahmen der Hauptversammlung 1981 der BMW AG vom 25. 06. 1981, in: BMW UR 154/1. 531 Hierbei

690

5.  BMW in Südafrika

7er Reihe – pro Fahrzeug bei 1 000 Rand, also bei etwa 2 400 DM, und sollte bis Jahresende sogar verdoppelt werden, also 2 000 Rand erreichen.534 Erst ab 1981 gestaltete es sich für die BMW SA zunehmend schwieriger, mit dem bestehenden Modellprogramm die hohen Absatzzahlen zu halten, da speziell der BMW 5er (E 12), der 1972 in Deutschland sowie 1974 in Südafrika eingeführt worden war, im internationalen Vergleich als veraltet gelten musste. Diese Wahrnehmung konnte durch die Aufwertung zum E 12/8 nur bedingt zerstreut werden. Mit der Einführung der BMW 3er Reihe (E 30), also der Erweiterung des in Südafrika angebotenen Modellspektrums um ein Produkt aus der unteren Mittelklasse, konnte dieser Entwicklung allerdings ab 1983 entgegengesteuert und neue Käuferschichten adressiert werden. Während die ersten BMW-Wagen, die im Werk Rosslyn montiert wurden, aufgrund ihres Zwittercharakters und der technischen Mängel noch zu einem vergleichsweise günstigen Preis verkauft werden mussten, konnten die später eingeführten „echten“ BMW-Fahrzeuge hochpreisig positioniert werden. 5.4.4. Produktion Der von Pretorius übernommene Produktionsbetrieb präsentierte sich bei der Gründung der südafrikanischen BMW-Tochter in vielen Belangen als mangelhaft. 1972 konstatierte Winkler, damaliger Exportleiter der BMW AG, der eigens zur Beurteilung der Lage vor Ort unmittelbar nach der Übernahme nach Rosslyn gereist war, dass die Produktion vollkommen „unor­ ganisch“535 aufgebaut sei und somit erhebliche, unnötige Herstellungskosten verursachte. Aus diesem Grunde sah man sich gezwungen, die gesamte ­Produktionsstätte zu modernisieren oder zumindest zweckdienlich umzustellen.536 Auch BMW-Vertriebsvorstand Lutz zeigte sich wörtlich „scho­ ckiert“,537 als er im Februar 1973 die BMW SA mitsamt ihrer Fertigung besichtigte. Er erkannte überdies, dass die Fehler nicht einzig von dem Management vor Ort zu verantworten waren, sondern sich manche Missstände auch aus der mangelnden Abstimmung zwischen München und Rosslyn ableiteten. Hauptkritikpunkt bildeten hier die Lieferungen der Teilesätze aus Deutschland: So summierten sich etwa durch unvollständige Sendungen signifikante Fehlmengen im Werk Rosslyn, die die Mitarbeiter vor Ort zwangen, zahlreiche Wagen so lange als „Krüppel“ abzustellen, bis die fehlenden Komponenten eintrafen.538 Vorstandsvorsitzender von Kuenheim bestätigte 534 Vgl. Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: BMW UA 1448/1. 535  Interner Bericht von der BMW Exportabteilung (VE), Hr. Winkler, vom 11. 09. 1972, in: BMW UA 1549/1. 536  Vgl. ebd. 537  Reisebericht Südafrika des Vertriebsvorstands Lutz, 11.–16. 02. 1973, vom 21. 02. 1973, in: BMW UA 1993/1. 538  Gesprächsanalyse Südafrika-Reise des BMW-Vertriebsvorstands Lutz vom 12. 06. 1973, in: ebd.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

691

diese Analyse in einem weiteren Besuch und vermerkte, dass es unbedingt notwendig war, die Zusammenarbeit zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu verbessern. Oftmals führten augenscheinlich profane Fehler zu nachhaltigen Verzögerungen, die wiederum hohe Kosten verursachten. So wiesen beispielsweise die Kisten, in denen die CKD-Teile in Deutschland verpackt wurden, bisweilen eine mangelnde Stabilität auf, so dass diese einbrachen, wenn schwerere Kisten auf ihnen abgestellt wurden. Dies führte zu einer Beschädigung der Komponenten, wie etwa der Dächer der Karosserien oder aber auch der Sitze und anderer Textilien, da diese mitunter gemeinsam mit scharfkantigen Metallteilen verpackt wurden.539 Dies machte deutlich, dass die lokale Geschäftsführung der BMW SA nicht nur eine Revision der Prozesse in Rosslyn vorzunehmen hatte, sondern dass eine Fehleranalyse bereits in München anzusetzen war, die ebenfalls die Abstimmungsprozesse zwischen den Abteilungen in Deutschland und Südafrika zu umfassen hatte. Wenn auch die Ursache der meisten Probleme vorrangig am neuen Standort in der Kap-Republik zu suchen war, bezog die Geschäftsleitung der BMW AG ihre eigenen Bereiche in der Zentrale bei der Fehlersuche mit ein. Die erste Situationsanalyse des für das Produktionsressort zuständigen BMW-Vorstandsmitgliedes Koch, der im Juni 1973 vor Ort das Werk in Südafrika besuchte und bewertete, lässt erahnen, wie schockiert dieser über die dortigen Verhältnisse war. Sein Bericht an den Vorstand fiel demgemäß äußerst kritisch aus und spiegelt die Ausganslage wider, in der sich die BMW SA ein knappes Jahr nach der Übernahme befand: „Der Betrieb in Pretoria wurde bisher dilettantisch geführt. Die Besichtigung der betrieblichen Einrichtungen und die vielen Gespräche mit den zuständigen Herren ergaben einen erschütternden Gesamteindruck. Die Betriebsorganisation ist mangelhaft, d. h. es gibt überhaupt keine Organisation, keine Vorgaben, keine Programmplanung, keine Leute-Ausrechnung etc. Kein Mitarbeiter der derzeitigen Organisation konnte uns exakt sagen, welches Material an welcher Stelle in welcher Menge zu bevorraten ist, d. h. es gibt faktisch keine Fertigungssteuerung. Die Automobile werden in einem wilden Mix, je nach Verfügbarkeit der Teile, in die Fertigung hereingezogen, wobei naturgemäß die gesamte Belegschaft sehr unterschiedlich ausgelastet ist. […] In verfahrenstechnischer Hinsicht werden derart grobe und gefährliche Fehler gemacht, dass man sich eigentlich fragen muss, warum es nicht schon längst zum Erliegen der Fertigung gekommen ist. […] Die Fahrzeuge werden wie in den ersten Pionierzeiten mit einem Besen handphosphatiert. […] Was Sauberkeit angeht, so sind in keiner Betriebsabteilung auch nur annähernd die erforderlichen Qualitätsmaßstäbe erfüllt.“540

Dieser Bericht verdeutlicht, dass das BMW-Management in München und Rosslyn nicht nur an einer, sondern an mehreren Fronten zeitgleich zu kämpfen hatte und noch enorme Anstrengungen bevorstanden, um im südafrikanischen Werk die Fertigungsprozesse zu optimieren und einen Qualitäts539  Vgl. Reisebericht Südafrika des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, von Kuenheim, 05.–10. 08. 1973, in: ebd. 540  Besuchsbericht Südafrika des Vorstands des Produktionsressorts der BMW AG, Koch, 17.–20. 06. 1973, vom 25. 06. 1973, in: ebd.

692

5.  BMW in Südafrika

standard zu schaffen, der der Marke BMW entsprach. Des Weiteren wird ersichtlich, welche Bedeutung der Geschäftsführung der BMW SA sowie der Personalauswahl im Allgemeinen zukam und welche Auswirkungen eine mangelnde Leitung in allen Bereichen hatte. In seiner Situationsanalyse lässt Koch darüber hinaus eine allgemeine Kritik an der Entscheidung anklingen, die Produktion in Südafrika überhaupt internalisiert zu haben: „Zum Schluss sei mir eine rhetorische Frage verziehen, ob es nicht weniger risikoreich gewesen wäre, in Südafrika keine Fertigung in eigener Regie aufzuziehen, sondern unsere Automobile bei qualifizierten Herstellern in Südafrika fertigen zu lassen. Wir müssen uns meines Erachtens den Vorwurf machen, dass wir nicht rechtzeitig eine technische Bestandsaufnahme in Pretoria gemacht haben mit allen Konsequenzen, bevor wir dort eingestiegen sind. […] Da wir bereits in vielerlei Hinsicht in größere Vorleistungen getreten sind und aus Prestige-Gründen uns zum derzeitigem Zeitpunkt sicher keinen Rückzieher leisten können, kommt meines Erachtens nur ‚die Flucht nach vorn‘ in Betracht.“541

Dieser Tadel macht deutlich, dass zwar die grundsätzliche Entscheidung, dass BMW-Engagement in Südafrika zu vertiefen, kritisiert werden mochte, es jedoch nicht zweckmäßig erschien, diesen Entschluss trotz mannigfaltiger Problemlagen zu revidieren. Dennoch flammten immer wieder punktuelle Diskussionen ob der Wirtschaftlichkeit der südafrikanischen Gesellschaft bis Ende der 1970er Jahre auf, wobei insbesondere Produktionsvorstand Koch ein großer Kritiker des Standortes Rosslyn blieb.542 So wurde im Sommer 1974 nach einem weiteren Besuch Kochs in Südafrika erneut im Vorstand diskutiert, ob eine Fortführung des Geschäftes am Kap zweckdienlich und ökonomisch vertretbar sei. Der BMW-Vorstand, in dem vor allem Vertriebsvorstand Lutz für die Fortsetzung des Engagements in Südafrika plädierte, wollte jedoch den Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation und die zu erwartende zukünftige Entwicklung der BMW SA abwarten, bis eine finale Entscheidung getroffen werden sollte. Der Vorstand stellte in diesem Zusammenhang besonders klar heraus, dass der Entschluss zu Gunsten der getätigten Direktinvestitionen in Südafrika seinerzeit vor allem aus vertriebspolitischen Gründen gefallen war.543 Allen voran Lutz und Urban, der bis Februar 1974 in betriebswirtschaftlichen Fragen an den Vorstand sowie Aufsichtsrat der BMW AG berichtete,544 hatten für eine Übernahme des in­ solventen Importeur- und Montagepartners plädiert und die Lage überaus optimistisch bewertet.545 Doch trotz aller Widrigkeiten und Schwierigkeiten, 541 Ebd. 542 

Vgl. Protokoll Nr. 8/75 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1975, in: BMW UA 1333/1. 543 Vgl. Protokoll Nr. 28/74 der Vorstandssitzung vom 23. 07. 1974, in: BMW UA 852/2. 544  Vgl. Protokolle der Aufsichtsratssitzungen 1973, in: BMW UA 856/2; Protokolle der Aufsichtsratssitzungen 1974, in: BMW UA 1271/2. 545 Vgl. Protokoll Nr. 33/74 der Vorstandssitzung vom 10. 09. 1974, in: BMW UA 852/2.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

693

die seit der Gründung der BMW SA hinzugekommen waren, hielt man auch weiterhin einen Rückzug aus Südafrika sowohl aus Imagegründen als auch im Hinblick auf die bereits unternommenen Anstrengungen – insbesondere finanzieller Natur – für unvernünftig. Neben der schwierigen Personalsituation und der schlechten Materialwirtschaft stand vor allem die Produktion im Zentrum der Kritik und galt als eine der schwerwiegendsten Fehlerquellen. Insbesondere die Lackiererei musste völlig neu überarbeitet und aufgestellt werden. Durch die Phosphatierung per Hand und das mangelhafte Abspülen der hierdurch entstehenden Säure gingen die Karosserien völlig unzureichend gereinigt in die Lackier­straße. Für Nachlackierungsarbeiten fehlten oftmals das Know-how sowie die notwendigen Vorrichtungen. Dies führte in Kombination mit der unzulänglichen Sauberkeit dazu, dass immer wieder Schmutz und Staub in die Lackieranlage gelangten.546 Sogenannte Fischaugen und Orangenhaut in den Lackierungen der Fahrzeuge, als Folge dieser Mängel, waren an der Tages­ordnung und konnten nicht den an das BMW-Image gestellten Qualitätsanforderungen gerecht werden.547 Mangelnde Struktur und Koordina­ tion der Abläufe komplettierten den Reigen an Fehlern. Mit der Umstellung des Modellprogrammes durch die Einführung des BMW 5er (E 12) war des Weiteren nun ein Ausbau der Werksanlage notwendig geworden. Die Schätzungen für die erforderlichen Investitionen im Rahmen der durchzuführenden Erweiterung zur Montageaufnahme des BMW 5er bewegten sich zwischen 21,0 und 25,0 Mio. DM.548 Insgesamt sollte 1974 eine Jahresproduk­ tion von 8 000 Einheiten erreicht werden, von denen rund 6 000 auf den BMW 520 sowie rund 2 000 auf den BMW 2004 entfallen sollten.549 Tatsächlich wurde diese Größenordnung in der Produktion im süd­afrikani­ schen Werk erst im Geschäftsjahr 1977 erreicht (vgl. Abbildung 57). Um die Größenordnung der zu leistenden Investitionen besser einordnen zu können, dient hier das Gesellschaftskapital der BMW SA als Reverenz, das im März 1975 auf 5,0 Mio. Rand (etwa 14,75 Mio. DM) erhöht wurde.550 Der Umsatz lag im Geschäftsjahr 1975 bei 40,9 Mio. Rand (etwa 120,65 Mio. DM).551 546  Vgl.

Besuchsbericht Südafrika des Vorstands des Produktionsressorts der BMW AG, Koch, 17.–20. 06. 1973, vom 25. 06. 1973, in: BMW UA 1993/1. 547 Vgl. Gesprächsanalyse Südafrika-Reise des BMW-Vertriebsvorstands Lutz vom 12. 06. 1973, in: ebd. 548 Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung Nr. 12/73 vom 30. 04. 1973, in: BMW UA 851/1; Protokoll Nr. 17/73 der Vorstandssitzung vom 03. 07. 1973, in: ebd. 549  Vgl. Pressemeldung „BMW South Africa erweitert Produktion“ vom 12. 03. 1974, in: UP 224/10. Eine Produktion in dieser Größenordnung stellte sich jedoch als un­ realistisch heraus und konnte erst ab dem Geschäftsjahr 1977 erreicht werden, vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 550  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1974, 1975, in: BMW UU 202/10. 551  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2.

694

5.  BMW in Südafrika

Mit der Übernahme der Leitung der BMW SA durch den Managing Director Graf von der Schulenburg im Januar 1974 ging dieser gegen die obengenannten Problemfelder unverzüglich und konsequent vor. Dies forderte mitunter drastische Schritte, wie etwa die Entlassung des gesamten Werksschutzes und dessen Ersatz durch eine externe Sicherheitsfirma, um der hohen Kriminalität im Werk entgegenzutreten.552 Der Umbau und die Erweiterung der Werksanlagen waren im Frühjahr 1974 noch immer nicht abgeschlossen und erneut sorgte die Lackiererei für Verzögerungen und Probleme. Das bereits zu diesem Zeitpunkt im Sektor der Automobilfertigung inter­ national tätige Stuttgarter Unternehmen Dürr war von BMW beauftragt worden, eine funktionierende Lackiererei in Südafrika aufzubauen. Im April 1974 stellte jedoch der BMW-Gesamtvorstand fest, dass die Firma Dürr in Kooperation mit der BMW SA bislang äußerst unzuverlässig arbeitete, so dass die Inbetriebnahme der neuen Lackiererei abermals auf Mai 1974 verschoben werden musste. Die Fahrzeugkarosserien wurden bis zu der erneuten Aufnahme der Lackierarbeiten bei der benachbarten Firma Peugeot in Rosslyn lackiert.553 Dies stellte eine, in Anbetracht der zeitgleich umgesetzten Einführung des BMW 5er (E 12), besonders ärgerliche Verzögerung dar. Auch hier verlieh Graf von der Schulenburg seinen Forderungen Nachdruck, indem er der Dürr-Geschäftsleitung drohte, einer Auftragsvergabe zum Bau der neuen Lackiererei im deutschen Werk Din­golfing durch Dürr negativ entgegenzuwirken, falls die Lackiererei der BMW SA nicht binnen kürzester Zeit betriebsfähig gemacht werden würde. Mit dem drohenden Verlust eines großen Auftrages sah sich Firmeninhaber Dürr persönlich dafür verantwortlich, vor Ort die Arbeiten zur Inbetriebnahme an der Anlage zu leiten und so konnte die neue Lackiererei in der ersten Jahres­hälfte 1974 in Betrieb genommen werden.554 Um die Fertigung umzustrukturieren und den für BMW adäquaten Qualitätsstandard einzuführen, wurden auch weiterhin regelmäßig Spezialisten der BMW AG aus Deutschland nach Südafrika entsandt. Hierunter waren nicht nur Techniker und Meister, wie es seit 1970 bereits üblich war,555 sondern auch Mitarbeiter aus dem Einkauf, die allem voran der Materialwirtschaft und dem Lagerwesen, im Sinne einer Disposition, Struktur verleihen sollten. Fernerhin sollten Delegierte ein Team aus mehreren Mitarbeitern des Finanz552  Der damalige Managing Director der BMW SA, Graf von der Schulenburg, hatte sich nach eigenen Angaben in einem eigens hierfür angemieteten Wohnwagen, den er auf dem Werksgelände postieren ließ, mit einem Fernglas selbst auf die Suche nach der Sicherheitslücke gemacht. Hierbei machte er die Beobachtung, dass der BMW-Werksschutz in die Diebstahldelikte über illegale Absprachen verwickelt war, vgl. Interview mit Rudolf Graf von der Schulenburg am 08. 01. 2009, in: Dreyer, Standortwahl. 553  Vgl. Protokoll Nr. 13/74 der Vorstandssitzung vom 02. 04. 1974, in: BMW UA 852/1. 554  Vgl. Interview mit Rudolf Graf von der Schulenburg am 08. 01. 2009, in: Dreyer, Standortwahl. 555  Vgl. Protokoll Nr. 26/74 der Vorstandssitzung vom 09. 07. 1974, in: BMW UA 852/2.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

695

ressorts zusammenstellen, um in Südafrika ein übersichtliches Rechnungssowie Berichtswesen einzuführen, Liquiditätsprobleme der Gesellschaft zu eruieren und offene Finanzierungsfragen zu klären.556 Parallel ließ die BMW AG von der BMW-internen Unternehmensplanung in München, die zugleich die Arbeit der einzelnen aus München entsandten Mitarbeiter koordinierte, einen Bericht zum Südafrikageschäft ausarbeiten. Im September 1974 lag dem Vorstand somit ein umfassendes Bild über die aktuelle Lage der BMW SA und darüber hinaus die durch die einzelnen Fachabteilungen in Abstimmung mit der Unternehmensstrategie erarbeiteten Lösungsvorschläge vor, die nun priorisiert und umgehend implementiert wurden.557 Mit der zielgerichteten Entsendung von Mitarbeitern der Zentrale wurde das bei ihnen akkumulierte Know-how an die Tochtergesellschaft weitergegeben. Es kam also, insbesondere in den ersten Jahren der noch jungen BMW-Tochter, zu einem intensiven Wissenstransfer. Die konsequente Umsetzung dieser Programme führte bis zum Frühjahr 1975 zu einer signifikanten Verbesserung der Prozesse, insbesondere in der Produktion. So konstatierte der Vorsitzende des Vorstands von Kuenheim nach seiner Südafrikareise im März desselben Jahres, dass die gröbsten Fehlerquellen als bereinigt gelten konnten: Das Material- und Lagerwesen war gründlich reorganisiert, ein klares Dispositionssystem war eingeführt worden und die Qualität der Fahrzeuge erheblich gestiegen. Dies war zum einen auf die neue Lackiererei zurückzuführen, die nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden nun zu einer der besten Südafrikas zählte,558 als zum anderen auch auf das Auslaufen des 004-Modells im Frühjahr 1975, das noch auf einer veralteten technischen Konzeption basiert hatte und mit veralteten Werkzeugen gefertigt worden war,559 die jedoch nur mit großem Investitions­aufwand durch neue Werkzeuge hätten ersetzt werden können.560 Während die Fertigung der südafrikanischen Tochter vor allem in den Jahren 1973/74 eines der vorrangigen Sorgenkinder des BMW-Managements gewesen war, das das gesamte Engagement in Südafrika bisweilen überschattete, hatte es die BMW-Zentrale in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Geschäftsführung bis zum Frühjahr 1976 geschafft, produktionsseitig überwiegend Remedur zu schaffen und die Prozesse nachhaltig zu strukturieren. Dieses Ergebnis spiegelte sich auch in einem Zwischenfazit des BMW-Gesamtvorstands im Juni 1976 wider: „Seit dem letzten Besuch vor zwei Jahren sind sehr deutliche Fortschritte besonders im Materialfluß, in der Programmkonstanz und Produktivität erzielt worden. Die Investitionen in der Lackiererei haben vor allem zu einer wesentlichen Verbesserung 556  Vgl. Protokoll Nr. 25/74 der Vorstandssitzung vom 02. 07. 1974, in: ebd.; Protokoll Nr. 29/74 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1974, in: ebd. 557  Vgl. Protokoll Nr. 33/74 der Vorstandssitzung vom 10. 09. 1974, in: ebd. 558  Vgl. Protokoll Nr. 8/75 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1975, in: BMW UA 1333/1. 559  Vgl. Protokoll Nr. 13/75 der Vorstandssitzung vom 30. 04. 1975, in: ebd. 560 Vgl. Reisebericht des BMW T-Vorstands Hans Koch (Fertigung und Planung, Produktion) über BMW Südafrika vom 14.–20. 07. 1974, in: BMW UA 1993/1.

696

5.  BMW in Südafrika

35 Einheiten pro Tag

30 25 20 15

Minimum

10

Maximum

5 0

Durchschnitt 03.1969 12.1971 10.1972 02.1974 06.1976

Minimum

4

5

6

8

28

Maximum

8

15

12

20

32

Durchschnitt

4

6

12

15

30

Abbildung 56: Produktivität des BMW-Werks in Rosslyn anhand der gefertigten Einheiten pro Tag, 1969–1976.561 der Lackierqualität geführt. Der allgemeine Fertigungsqualitätsstand entspricht nunmehr dem Niveau der vergleichbaren lokalen Konkurrenz, ist jedoch im Detail noch zu verbessern. Hierzu wurden mehrere Maßnahmen eingeleitet. Der erreichte Stand sollte nicht zur Selbstzufriedenheit verleiten.“562

Insbesondere der abschließende Satz sollte in Erinnerung rufen, dass man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen durfte, hatte man doch an sich erst die Ausgangsbasis für eine funktionierende Produktion geschaffen, so wie es ursprünglich bereits ab 1972 vorgesehen war. Abbildung 56 zeigt die Produktivität des südafrikanischen BMW-Werkes anhand der gefertigten PKWEinheiten pro Tag zwischen 1969 und 1976. Bis 1972 lag die Verantwortung über die Produktion noch bei der Hugh Parker Group, bevor BMW die Montage in Eigenregie durchführte – zunächst mittels einer Minderheits-, dann durch eine Mehrheitsbeteiligung. Die Probleme des Werks spiegeln sich deutlich in den Produktionszahlen wider und vergegenwärtigen, dass der BMW-Fertigungsstandort Rosslyn verhältnismäßig lange nur eine niedrige Produktivität aufwies. Darüber hi­ naus differierte der Ausstoß der täglichen Produktion mitunter beachtlich, da, wie geschildert, die einzelnen Prozessschritte bis 1975 noch ausgespro561  Eigene

Berechnungen, vgl. Reisebericht Südafrika 17.–28. 3. 1969 vom 01. 04. 1969, in: BMW UA 1544/1; Minutes of a Board of Directors’ Meeting of Praetor Assemblers (Pty) Ltd. in Rosslyn, 15. 12. 1971, in: BMW UA 2020/1; Protokoll Nr. 31/72 der Vorstandssitzung vom 25. 10. 1972, in: BMW UA 801/1; Protokoll Nr. 8/74 der Vorstandssitzung vom 12. 02. 1974, in: BMW UA 852/1; Minutes of a Board of ­Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 11. 1976, in: BMW UA 2018/1. 562  Protokoll Nr. 21/76 der Vorstandssitzung vom 01. 06. 1976, in: BMW UA 1446/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

697

chen fehleranfällig waren und zu einer unausgewogenen Auslastung führten. Erst nach der Implementierung des vom BMW-Vorstand initiierten, ressortübergreifenden Maßnahmenkatalogs vom Spätsommer 1974 konnte der Tagesausstoß gesteigert und konstant gehalten werden. Die Missstände in der Fertigung, die man überwiegend auf die Geschäftsführung von Hugh Parker zurückführte, waren verbessert bzw. behoben worden. Es wurde allerdings rasch deutlich, dass neue Anforderungen einen steten Wandel forderten. Im Mai 1976 liefen bereits die Vorbereitungen für den Anlauf des Facelifts des erst ein Jahr zuvor in Südafrika eingeführten BMW 5er (E 12) sowie für die Einführung des BMW 7er (E 23),563 also eines Fahrzeuges, das höchste Qualitätsstandards verlangte und somit zwangs­ läufig neue Herausforderungen an die Produktion stellte. Fernerhin kristallisierte sich bereits im Herbst 1976 die Lackiererei erneut als Nadelöhr der Fertigung heraus, das die Produktion auf 32 Einheiten pro Tag begrenzte.564 Diesmal lagen jedoch nicht etwa mangelhafte Prozesse oder eine fehlerhafte Anlage zugrunde, sondern die Kapazitätsgrenzen der Lackiererei waren ­erreicht. Erneut mussten Investitionen in die Wege geleitet werden, um das Werk weiter auszubauen und gegenüber den neuen Anforderungen – etwa wachsende Qualitätsstandards, ein neues Modellprogramm, höhere Produktionsziele, ein steigender lokaler Anteil im Rahmen des Local-Content-Programmes – zu wappnen. Bei dem Amtsantritt des neuen Managing Director von Koerber im Januar 1977 machte es dieser zu einem der vorrangigsten Aufgaben der Geschäftsleitung der BMW SA, die Fertigungsqualität im Werk Rosslyn noch weiter zu steigern. In diesem Sinne wurden die Prozesse in der Produktion überprüft und ein sogenanntes „Quality Improvement Programme“ eingeführt, „[…] which had as its objectives to upgrade BMW South African standards to the BMW International standards.“565 Dies geschah auch vor dem Hintergrund des anvisierten Exportprogrammes der BMW SA, das die Absatzzahlen steigern sowie das Werk Rosslyn in den Fertigungsverbund der BMW AG weiter einbinden sollte, um zu einem positiven Ergebnis der Gesellschaft beizutragen.566 Die Exportambitionen der BMW SA konnten allerdings in

563 Vgl. Protokoll Nr. 21/76 der Vorstandssitzung vom 01. 06. 1976, in: BMW UA 1446/1. 564  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 11. 1976, in: BMW UA 2018/1. 565  Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., (informal meeting) 10. 08. 1977, in: ebd. 566  Als CKD-Werk verfügte der Standort in Südafrika lange Zeit über keine eigene Werksnummer. Erst mit der Aufnahme der Produktion des E 36, der BMW 3er Reihe der dritten Generation, im Jahre 1996 und der Aufhebung des internationalen Wirtschaftsboykotts gegenüber Südafrika wurde Rosslyn zum vollwertigen Produktions­ standort mit eigener Werksnummer, vgl. BMW Geschäftsbericht 1996, 1997, in BMW UU 260/10; Standortprofil Werk Rosslyn, in: BMW UW 29/1.

698

5.  BMW in Südafrika

dem geplanten Umfang nur dann durchgeführt werden, wenn die Fahrzeuge aus Rosslyn den in den deutschen Werken gefertigten Einheiten im Hinblick auf die Qualität in nichts nachstanden: “[…] the BMW plants in Germany and South Africa should be regarded as equal in terms of quality and range of models produced with supply of world markets determined by multinational marketing principles. As Dr. E. von Koerber, managing director of BMW SA explained: ‘The overseas buyer should not be concerned about where his BMW is produced: he should be confident that all BMW’s are manufactured to a single high standard and that the source of supply is governed merely by factors such as cost and availability of transportation to the market.’”567

Hiermit war also ein internationaler Produktions- und Qualitätsstandard anvisiert, der für alle Fahrzeuge der Marke BMW gelten sollte, unabhängig von seinem Fertigungsstandort. Die in Abschnitt 5.4.2 vorgestellten Maßnahmen zur Weiterbildung der Belegschaft der BMW SA, allem voran das betriebs­ interne Trainingszentrum, das nicht zwischen der Hautfarbe der Mitarbeiter differenzierte, konnten erheblich zur Steigerung der Qualität beitragen.568 In den vorangegangen Jahren hatte die südafrikanische Tochter in der Produktion bereits viel erreichen können, war dieser Bereich doch nach der Übernahme des Importeurs und Montagepartner in den ersten Jahren eines der schwerwiegendsten Problemfelder gewesen. Die vorrangigsten Schwierigkeiten in der Fertigung waren größtenteils bis zum Frühjahr 1975 gelöst und somit die Fertigung im Werk Rosslyn qualitativ merklich verbessert und die Produktivität gesteigert worden. 1977 stand allerdings, mit der in einigen Monaten geplanten Einführung der BMW 7er Baureihe, die Montage der BMW SA vor einer neuen Herausforderung. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, denn der BMW 7er machte als Modell der Oberklasse noch höhere Qualitätsstandards erforderlich, als es zuvor erforderlich gewesen war. Um fernerhin die von der Geschäftsleitung der BMW SA postulierten ambitionierten Absatzziele des Jahres 1978 erreichen zu können, hätte die Produktion um 50 Prozent gesteigert werden müssen: 1978 sollten 8 034 Einheiten auf dem südafrikanischen Markt verkauft werden, hiervon 6 054 BMW 5er und 1 980 BMW 7er. Es wurde ein Marktanteil in Südafrika von 4,4 Prozent angestrebt und 1 650 Einheiten sollten exportiert werden.569 Da sich ­bereits im Herbst 1976 die Lackiererei als Nadelöhr der Fertigung heraus­ gestellt hatte, machte dies einen erneuten Ausbau des Werkes und somit weitere Investitionen erforderlich. Die Schätzungen über die finanziellen ­ Aufwendungen für Grundstücke und Gebäude in Rosslyn sowie für die Verbesserung von Maschinen und Einrichtungen bewegten sich laut Vorstand 567  Zeitungsbericht

der SAFTO “Exporter of the Month BMW”, 05. 1979, in: BMW UA 2001/1. 568  Vgl. ebd. 569  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 23. 01. 1978, in: BMW UA 2018/1. Diese Zahlen konnten 1978 noch nicht erreicht werden, erst ab 1979 waren diese Ziele realisierbar, vgl. Abbildung 57.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

699

der BMW AG zunächst in einer Größenordnung zwischen 4,0 und 5,0 Mio. Rand.570 Parallel wurde von dem BMW-Vorstand sowie der Geschäftsführung der BMW SA ebenfalls ein alternativer Lösungsansatz zur Steigerung der Fertigungskapazität geprüft, der die Übernahme von freien Produktionskapazitäten in einem BMW-fremden Werk in Südafrika vorsah. Hierbei wurde eine Produktionsstätte diskutiert, die in der Hafenstadt Durban lag und somit den idealen Ausgangspunkt für Import sowie Export bildete. Diese gehörte der Motor Assemblies Ltd., die eine Gesellschaft der Wessels-Gruppe war. An diesem Standort, an dem Toyota mit 85 Prozent beteiligt war, sollten die für den Export bestimmten BMW-Fahrzeuge gefertigt werden.571 Die Motor ­Assemblies Ltd. hatte freie Kapazitäten in Höhe von 300 Einheiten pro Tag und eine Belegung durch BMW sollte nur in Teilbereichen des Rohbaus sowie der Lackiererei eine Integration mit der Toyota-Fertigung erforderlich machen, so dass BMW auch weiterhin die uneingeschränkte Kontrolle über die Fertigungsabläufe und damit auch die Fertigungsqualität behalten würde.572 Mit Toyota hatte es im Verlauf der vorangegangenen Jahre immer wieder Gespräche über eine eventuelle Kooperation, insbesondere im Hinblick auf den Vertrieb, gegeben, die zum Herbst 1978, vor dem Hintergrund der starken Konzentrationsbewegungen auf dem südafrikanischen Automobilmarkt, eine neue Ernsthaftigkeit beider Parteien erkennen ließen. Während im Oktober 1978 eine über den Vertrieb hinausgehende Zusammenarbeit aus unternehmenspolitischer Sicht laut des BMW-Vorstands noch als nicht sinnvoll erachtet wurde,573 kam es zum Jahresende erneut zu einer Prüfung dieser Alternative durch die BMW-Fachstellen in München. Im Januar 1979 reiste hierfür eigens eine Kommission von Mitarbeitern der Zentrale – aus den Abteilungen Unternehmensstrategie (AU), Zentraler Einkauf und Logistik (LZ) sowie der zentralen Planstelle für Produktion (TZ) – nach Südafrika, um an Ort und Stelle die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fertigung an den Standorten Rosslyn oder Durban zu analysieren und somit beide Alternativen gegenei­ nander abzuwägen.574 Diese Kommission senkte die Schätzungen der notwendigen Kosten für den Ausbau des BMW-eigenen Werkes in Rosslyn, um die Grundkapazität auf über 55 Einheiten am Tag zu erhöhen, auf circa 2,0 Mio. Rand. Auch wenn dahingegen das Werk der ­Motor Assemblies Ltd. einen ­positiven Eindruck hinterlassen hatte, sollten alleine für eine Verlagerung der 570 Vgl. Protokoll Nr. 37/78 der Vorstandssitzung vom 07. 11. 1978, in: BMW UA 1458/1. 571 Vgl. Gesprächsnotiz von Dr. Avenarius (AK), BMW Öffentlichkeitsarbeit, vom 09. 03. 1979, in: BMW UA 1996/1. 572 Vgl. Protokoll Nr. 37/78 der Vorstandssitzung vom 07. 11. 1978, in: BMW UA 1458/1. 573  Vgl. Protokoll Nr. 34/78 der Vorstandssitzung vom 17. 10. 1978, in: ebd. 574 Vgl. Protokoll Nr. 44/78 der Vorstandssitzung vom 21. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1.

700

5.  BMW in Südafrika

Montage zum Standort Durban Investitionen in Höhe von rund 4,0 Mio. Rand anfallen. Eine Fertigungskooperation mit Motor Assemblies Ltd. war damit ökonomisch nicht vertretbar.575 In einer Vorstandssitzung der BMW AG im April 1979 wurde somit, in Anwesenheit des Managing Director von Koerber, eine zusätzliche Montage in Durban verworfen. Die Diskussionen über die Steigerung der Fertigungskapazitäten waren ­damit allerdings noch nicht abgeschlossen, denn zeitgleich wurde eine neue Alternative zum Ausbau des bereits bestehenden Standortes in Südafrika vorgestellt und im Vorstand diskutiert. Dieser Vorschlag sah eine kombinierte Fertigung in Rosslyn und Swasiland vor: Rohbau und Lackierung von 55 Einheiten am Tag im Zweischicht-Betrieb in Rosslyn, hiervon eine Montage von 35 Einheiten am Tag für den Inlandsmarkt in Südafrika, sowie Transport und Montage von 20 Einheiten am Tag nach und in Swasiland für das Export­ geschäft. Bei dieser Alternative erschien die Umsetzung des für ein positives Ergebnis der BMW SA notwendigen Exportvolumens aufgrund fehlender ­politischer Handelsbeschränkungen sowie einer Begünstigung von Exporten, speziell in die Europäische Gemeinschaft, nach Australien und in die schwarzafrikanischen Staaten, in Swasiland besonders günstig. Hinzu kam, dass die Investitionen und Sachanlagen in Swasiland voraussichtlich über die dortige Regierung bzw. die Deutsche Entwicklungshilfegesellschaft (DEG) mit finanziert und von der südafrikanischen Tochtergesellschaft dann über Leasing hätten übernommen werden können. Die Geschäftsleitung der BMW AG und der BMW SA hegten jedoch starke Bedenken, ob in den Exportmärkten das Angebot von BMW-Fahrzeugen „Made in Swasiland“ aus Marketingsicht vertretbar war und zeigten sich skeptisch, inwiefern eine Ausweitung der Produktion in das benachbarte afrikanische Ausland letztlich nicht dem Standort Rosslyn schaden würde.576 Nach einigen Monaten der Prüfung wurde im Sommer 1979 die Möglichkeit der kombinierten Fertigung in Südafrika und Swasiland von der Geschäftsführung negiert, da sich unter anderem eine Ausfuhr aus Swasiland bei näherer Betrachtung nicht als praktikabel erwies.577 Wenig später, im Herbst 1979, ließ die Geschäftsführung des italienischen Automobilbauers Fiat SpA (Fiat) gegenüber BMW erkennen, sich aus Süd­ afrika zurückziehen zu wollen. Sie beabsichtigte, sowohl die Fertigung als auch den Vertrieb der Fahrzeuge einem anderen Hersteller zu übertragen, wobei sie ein besonderes Interesse an der Zusammenarbeit mit BMW äußerte. Die Fiat-Produktionsstätte lag in unmittelbarer Nähe des BMW-Werkes in Rosslyn und stellte somit ein attraktives Angebot für die BMW SA dar, die noch immer auf der Suche nach einer möglichst kostengünstigen Erweiterung ihrer eigenen Fertigungskapazitäten war. Die geplante Erweiterung des Fiat575 Vgl.

Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1. 576  Vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: ebd. 577  Vgl. Protokoll Nr. 24/79 der Vorstandssitzung vom 31. 07. 1979, in: ebd.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

701

Programms durch das Modell Ritmo erschien dem BMW-Direktorium hierbei als mögliche sinnvolle Ergänzung des eigenen Angebotes in Richtung Kompaktklasse, das somit nicht in Konkurrenz zu dem BMW-Modellspektrum stand.578 In diesem Sinne wurde ein Letter-of-Intent an den italienischen Hersteller verfasst, der das Interesse seitens BMW bekundete. Es wurden Verhandlungen mit Fiat in Südafrika aufgenommen, wobei die Zentrale in München die südafrikanische Geschäftsleitung personell bei den Planungsarbeiten unterstütze,579 womit ebenfalls die Einflussmöglichkeit seitens des Stammhauses gesichert werden sollte. In den folgenden Gesprächen wurde allerdings deutlich, dass Fiat darauf bestand, nicht nur den Vertrieb, sondern auch ihr Werk und somit die gesamthafte Produktionsverantwortung an den Käufer übergeben zu wollen, was in der Geschäftsführung der BMW SA deutliche Skepsis hervorrief. Eine Kooperation mit Fiat war aufgrund der erkennbaren Fertigungs- und Vertriebsprobleme bei der südafrikanischen Fiat-Tochter aus ihrer Sicht mit erheblichen Risiken verbunden und konnte nur dann in Frage kommen, insofern eine vertragliche Übereinkunft keine Investitionen seitens BMW zur Übernahme des Fiat-Werkes erforderte und auch aus längerfristiger Perspektive etwaige Verluste aus dem Fiat-Geschäft nicht auf BMW übertragen werden konnten. Der Vorstand der BMW AG beschloss, aufgrund der hohen Relevanz der potentiellen Zusammenarbeit mit Fiat die Verhandlungen fortan auf Vorstandsebene zwischen der BMW AG, München, sowie Fiat SpA, Turin, fortzusetzen. Die beiden südafrikanischen Tochtergesellschaften wurden also hinsichtlich ihres Mitspracherechts zurückgesetzt. Dieser Schritt des Münchner Managements verdeutlicht abermals das ausgeprägte Bedürfnis der BMW-Zentrale, in den 1970er Jahren möglichst in allen Belangen, insbesondere in Punkten von internationaler Reichweite, über die Entscheidungshoheit zu verfügen und der Tochtergesellschaft, auch in ihrem eigenen Ver­ antwortungsbereich, nur einen begrenzten Handlungsspielraum zuzuweisen. Dieses Verhalten war auch auf die mangelnde Erfahrung zurückzuführen, über die die BMW AG bis dahin im internationalen Geschäft mit Direkt­ investitionen verfügte, denn die BMW SA war in diesem Umfang ihre erste Produktions- und auch Vertriebsgesellschaft im Ausland. Insbesondere auch aus Gründen des Marketings sahen die Geschäfts­ leitungen in München und Rosslyn ein bedachtes Vorgehen bei den weiteren Gesprächen mit Fiat als unbedingt erforderlich.580 Das Image des italienischen Herstellers hatte in den 1970er Jahren aufgrund nachlassender Produktqualität deutlich gelitten, wie in der schalkhaften Auflösung des Akronyms der Firma als „Fix it again Tony“ deutlich wurde.581 Die Gründe für den Ent578 Vgl. Protokoll Nr. 29/79 der Vorstandssitzung vom 09. 10. 1979, in: BMW UA 1459/1. 579  Vgl. Protokoll Nr. 30/79 der Vorstandssitzung vom 16. 10. 1979, in: ebd. 580  Vgl. Protokoll Nr. 38/79 der Vorstandssitzung vom 18. 12. 1979, in: ebd. 581  Duncan, Foreign and local investment, S. 71.

702

5.  BMW in Südafrika

schluss von Fiat, sich aus dem südafrikanischen Markt zurückzuziehen, lagen vor allem in den Schwierigkeiten des Herstellers, der stufenweisen Erhöhung des Local-Content-Anteils, insbesondere in den 1970er Jahren, nachzukommen. Dies führte zu den erwähnten Qualitätsmängeln und beeinflusste die Ergebnisrechnung des Unternehmens nachteilig. Fernerhin fußten die Pro­gnosen der Fiat-Geschäftsführung für den südafrikanischen Auto­mobilmarkt scheinbar auf verkehrten Annahmen und antizipierte nicht den weiteren positiven Verlauf, speziell des Rekordjahrs 1980. Diese negativen Kalkulationen führten letztlich im Januar 1980 zu der offiziellen Bekanntgabe Fiats, den Rückzug aus Südafrika anzutreten.582 Im März 1980 wurde der BMW-Führung durch den Verlauf der Verhandlungsgespräche sowie einen Besuch des Fiat-Werkes in Rosslyn endgültig klar, dass keine erfolgversprechende Basis für eine ­Kooperation von BMW und Fiat in Südafrika gegeben war. Als Gründe galten vor allem, dass die Fiat-Produktionsanlage nicht den notwendigen qualita­ tiven BMW-Standards entsprach und die vorgeschlagenen CKD-Preise der Fiat-Teile erheblich über der bislang angenommenen, marktüblichen Verrechnung lagen. Vor dem Hintergrund dieser neuen Erkenntnisse wurden die Gespräche in demselben Monat offiziell für beendet erklärt.583 Die Liste an Alternativen zu der scheinbar einfachsten Lösung, den Ausbau des BMW-Werkes in Rosslyn zu forcieren, fand mit der Niederlegung der Verhandlungen mit Fiat allerdings noch immer nicht ihr Ende. Anfang 1980 wurden erneut Gespräche aufgenommen; diesmal mit der Industrial Development Corporation (IDC) und der Bophuthatswana National Development Corporation (BNDC),584 in denen die Möglichkeit zur Etablierung einer Produktion in dem nahe Rosslyn gelegenen Homeland Bophuthats­ wana eruiert wurde.585 Die Durchführbarkeit dieses Projektes hing dabei maßgeblich auch von den Vorgaben und den noch in Aussicht zu stellenden Export­anreizen der südafrikanischen Regierung ab.586 Zwischen der BMW 582  Vgl. 583 Vgl.

ebd., S. 71. Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA

1460/1. 584 Für weitere Informationen zu dem Aufgabenspektrum der Bophuthatswana ­National Development Corporation, vgl. Cowley, John / Lemon, Anthony (1986): Bophuthatswana: dependent development in a black “homeland”, in: Geography, Vol. 71, No. 3, pp. 252–255, hier p. 254f.; Butler, Jeffrey / Rotberg, Robert / Adams, John: The Black Homelands of South Africa. The Political and Economic Development of Bophuthatswana and KwaZulu, Berkeley 1978, S. 99f. 585  Im Jahre 1977 war das Homeland Bophuthatswana von der Republik Südafrika für unabhängig erklärt worden, vor dem Hintergrund der Apartheid jedoch nicht international als Staat anerkannt. Diese vermeintliche Unabhängigkeit war vielmehr ein Deckmantel im Rahmen der südafrikanischen Apartheidpolitik als ein wirklich politisch unabhängig agierender Staat. Für weitere Details, vgl. Jones, Peris S. (1999): ‘To Come Together for Progress’: Modernization and Nation-Building in South Africa’s Bantustan Periphery – The Case of Bophuthatswana, in: Journal of Southern African Studies, Vol. 25, No. 4, pp. 579–605. 586  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 29. 02. 1980, in: BMW UA 2018/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

703

SA und dem Präsidenten bzw. Chief Minister of Bophuthatswana Mangope und seinem Kabinett bestand laut von Koerber eine enge Beziehung; etwa 1 400 bei der BMW SA Beschäftigte stammten 1981 aus Bophuthatswana, also knapp 99 Prozent ihrer gesamten schwarzafrikanischen Belegschaftsangehörigen (vgl. Abbildung 53).587 Das Angebot des südafrikanischen Homelands sah in seiner ursprünglichen Form die vollständige Finanzierung einer Fertigungsanlage für die BMW SA vor und setzte somit einen hohen monetären Anreiz.588 Doch auch diese Gespräche führten nicht zu einer Koope­ ration, da sowohl die IDC als auch die BNDC möglichst zeitnah eine definitive Stellungnahme von BMW forderten, die weder München noch Rosslyn zu geben bereit waren. Im Februar 1981 informierte von Koerber jedoch den Aufsichtsrat der BMW SA darüber, dass das Management der BMW SA entschieden habe, keine neue Produktionsstätte in Bophuthatswana zu errichten.589 Die in diesem Kontext aufgenommenen Gespräche sollten sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt noch als dienlich erweisen: Bereits 1978 hatte die Geschäftsleitung der BMW SA und BMW AG durch Prüfung ihrer Fachstellen eruieren lassen, dass eine BMW-eigene Fertigung von Fahrzeugsitzen nennenswerte Kostenvorteile für die südafrikanische Tochter erbringen würde. Hierbei war zunächst nur an die Produktion zur Deckung des Eigen­ bedarfs der BMW SA gedacht, man schloss jedoch einen späteren Export der Ware nicht aus.590 Tatsächlich errichtete die BMW SA 1982 durch die Übernahme einer insolventen lederverarbeitenden Firma ein Zulieferwerk in ­Bophuthatswana, das als Tochtergesellschaft namens BMW (Bophuthatswana) (Pty) Ltd. firmierte.591 Somit diversifizierte die BMW SA ihr Geschäftsfeld 587  Vgl.

Schreiben des Managing Directors der BMW SA, Dr. von Koerber, an den Personalvorstand der BMW AG, Dr. Sarfert, vom 20. 11. 1981, in: BMW UA 2000/2. 588 Vgl. Protokoll Nr. 11/80 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1980, in: BMW UA 1460/1. Die Kontakte zwischen Bophuthatswana und der Geschäftsführung der BMW SA konnten durchaus als gut bezeichnet werden. Dies war dem Direktorium aufgrund der hohen Zahl der aus Bophuthatswana stammenden Arbeiter wichtig. Im April 1976 wurde beispielsweise der Chief Minister of Bophuthatswana, Lucas Mangope, mitsamt Begleitung in das Werk Rosslyn zu einer Besichtigung eingeladen, wo ihm ebenfalls die Möglichkeit gewährt wurde, sich in einer Rede persönlich an die Gesamt­ belegschaft zu richten, vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 26. 05. 1976, in: BMW UA 2018/1. 589  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 590 Vgl. Protokoll Nr. 15/78 der Vorstandssitzung vom 02. 05. 1978, in: BMW UA 1448/1. 591  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1982, 1983, in: BMW UU 230/10. Die BMW (Bophuthatswana) (Pty) Ltd. wurde 1994 in SA Trim (Pty) Ltd. umbenannt und im Jahre 2001 von der BMW SA veräußert, um sich wieder vollends auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, vgl. BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (2015): Piece of History. URL: http://www.bmwplant.co.za/history.html (Stand: 27. 12. 2015). Südafrika wurde später zum weltweit größten Exporteur von Autoledersitzen: “South Africa is also the world’s largest exporter of leather car seats, related to BMW’s investment.”, vgl. Carmody, Pádraig (2002): Between Globalisation and (Post)

704

5.  BMW in Südafrika

in den frühen 1980er Jahren mit einer Produktionstochter, was jedoch leider außerhalb des Untersuchungszeitraums liegt. Mit diesem Schritt als auch über die guten Kontakte zu der Verwaltung von Bophuthatswana erkannte BMW indirekt die in der Kritik stehende Homelandpolitik der südafrikanischen Regierung an. Bei einer Betrachtung der geführten Verhandlungsgespräche in Südafrika, in denen eine Kooperation im Bereich der Produktion angestrebt wurde, drängt sich die Frage auf, weshalb die Entscheidung zum Ausbau des eigenen BMW-Werkes wiederkehrend zurückgestellt und zunächst nur zögerlich angegangen wurde. Auch wenn sich hierzu keine expliziten Hinweise in den Quellen finden, so lassen sich aus den Erörterungen der vorangegangenen ­Kapitel die Gründe erkennen, die zu dieser zögerlichen Haltung führten: Zwar stellten sich die PKW-Zulassungszahlen sowohl des Gesamtmarktes als auch der BMW SA seit 1976 äußerst positiv dar (vgl. Abschnitt 5.4.1, Abbildung 52), jedoch war die Rezession in Südafrika noch nicht überstanden und die künftige Entwicklung der südafrikanischen Ökonomie nicht abzusehen. Fernerhin wirkte mental noch die erste Ölpreiskrise nach, während bereits die zweite Energiekrise einsetzte. Auch die politischen Gegebenheiten vor dem Hintergrund des Apartheidregimes und seiner internationalen – auch wirtschaftlichen – Sanktionierung stellten eine äußerst diffizile Ausgangslage dar, deren weitere Entwicklung nicht vorherzusehen war. Unter diesen Umständen sowie unter zusätzlicher Berücksichtigung der langen Initialphase der ersten Jahre der BMW SA, in denen sie alljährlich lediglich eine Ergebnisunterdeckung aufzuweisen hatte, lässt die zögerliche Haltung der Zentrale in München als weniger verwunderlich erscheinen. Erneute Investitionen im Sinne eines weiteren Werksausbaus bedeuteten eine noch tiefere Bindung in einer trotz positiver Tendenzen von Unsicherheit geprägten wirtschaftspolitischen Lage, der die BMW AG vorzugsweise in Kooperation mit einem starken Partner begegnet wäre, um das Risiko auf mehreren Schultern zu verteilen. Jedoch blieben letztlich, wie oben aufgeführt, die zwischen 1978 und Anfang 1981 geführten Gespräche in ihrer Gesamtheit ohne Abschluss. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings auch die Bandbreite der Gesprächspartner, mit denen in Verhandlungen getreten wurde: Mit einer vor Ort etablierten Produktionsfirma (Motor Assemblies Ltd.), einem international agierenden Automobilhersteller (Fiat) sowie zwei staatlichen Partnern und ihren Institutionen (Swasiland und das südafrikanische Bophuthatswana). Die wachsende Nachfrage auf dem südafrikanischen Markt sowie das ­ambitionierte Exportprogramm machten noch während der laufenden Verhandlungsgespräche bereits eine erste Ausweitung der Fertigungsanlagen ­erforderlich. Durch Überstunden und Sonderschichten war es der BMW SA zeitweise gelungen, über dem Soll zu produzieren, für das das Werk urApartheid. The Political Economy of Restructuring in South Africa, in: Journal of Southern African Studies, Vol. 28, No. 2, pp. 255–275, hier p. 268.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

705

sprünglich ausgelegt war.592 Die ersten Schritte zur Kapazitätserweiterung wurden bereits im Mai 1980 eingeleitet, indem der Vorstand der BMW AG der Beseitigung der technischen Mängel in der Lackiererei zustimmte, wofür eine Vergrößerung der Flächen des Werksgeländes sowie der Bau einer neuen Lackiererei vonnöten waren. Die erste Ausbaustufe der aktuellen Kapazität von 50 Einheiten am Tag, die in mehreren Stufen eine Erhöhung auf 65 Einheiten vorsah, machte den Erwerb eines Nachbargrundstückes zum Werk Rosslyn, einschließlich der dort stehenden Gebäude, zu einem Gesamtkaufpreis von 1,1 Mio. Rand (circa 2,4 Mio. DM) erforderlich und umfasste eine Fläche von 30 000 m2. Diesem Kauf stimmte der Vorstand in München zu, vermerkte jedoch, dass die Entscheidung über den weiteren Ausbau erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach weitergehender Prüfung aller Möglichkeiten, erfolgen sollte.593 Dieser Entschluss zum Ausbau des Produktionsstandortes in Rosslyn wurde binnen des kommenden halben Jahres gefällt sowie erste Maßnahmen eingeleitet. Demgemäß wurde im Februar 1981 der Aufsichtsrat der BMW SA über die geplanten Investitionen informiert: “In terms of the future the chairman stated that the parent company has agreed to invest some R 50 million in the company for additional production facilities which will result in doubling our production capacity by the mid eighties and for new products. In terms of the future model planning BMW will continue to introduce new models in line with trends here in South Africa and overseas.”594

Diese Zusage seitens der Muttergesellschaft kann zugleich als ein Bekenntnis zum Standort Rosslyn gewertet werden, da die Investitionssumme in Höhe von 50 Mio. Rand die bisherigen Zusagen und Kalkulationen deutlich überstieg. Wie die weitere Geschäftsentwicklung zeigte, wurde bereits 1981 der erste Teil der Summe in Höhe von 27 Mio. Rand aktiviert (vgl. Kapitel 5.4.1, Tabelle 63). Abbildung 57 zeigt sowohl die Entwicklung der Jahresproduk­tion als auch des Tagesausstoßes der PKW-Produktion des BMW-Werks in Rosslyn während der Geschäftsjahre 1977 bis 1981. Die Steigerungen der Fertigungskapazität in diesem Zeitraum wurden indessen ohne größere Investitionen erreicht.595 592 Vgl.

exemplarisch Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South ­ frica) (Pty) Ltd., 18. 05. 1979, in: BMW UA 2018/1; Auszug aus dem Protokoll der A Sitzung des Board of Directors der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. vom 18. 10. 1981, in: BMW UA 1987/1. 593 Vgl. Protokoll Nr. 21/80 der Vorstandssitzung vom 20. 05. 1980, in: BMW UA 1455/1. 594 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 595 Vgl. Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Board of Directors der BMW ­(South Africa) (Pty) Ltd. vom 18. 10. 1981, in: BMW UA 1987/1. Mitunter konnte die Tagesproduktion auch temporär beachtlich gesteigert werden. So wird dem Vorstand der BMW AG im Februar 1978 von der lokalen Geschäftsführung berichtet, dass die Tagesproduktion in Rosslyn auf 45 Einheiten am Tag erhöht worden sei, vgl. Protokoll Nr. 4/78 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. Hierbei konnte es sich jedoch nur um zeitlich begrenzte Steigerungen der Tagesproduktion handeln, wie Abbildung 57 zeigt.

706

Einheiten pro Tag

70 60 50 40 30 20 10 0 Tagesproduktion Gesamtproduktion

GJ 1977

GJ 1978

GJ 1979

GJ 1980

GJ 1981

32

35

43

53

64

7951

8700

10839

13142

15927

Tagesproduktion

18000 16000 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0

Gesamtproduktion

5.  BMW in Südafrika

Gesamtproduktion

Abbildung 57: PKW-Produktion im Werk Rosslyn, Geschäftsjahre 1977–1981.596

Erst im Laufe des Jahres 1980 wurden Maßnahmen eingeleitet, die in mehreren Stufen das Produktionsvolumen verdoppeln sollten. In diesem Zusammenhang war ebenfalls eine Aufstockung des Gesellschaftskapitals der BMW SA von 8,9 Mio. Rand auf 12,9 Mio. Rand durchgeführt worden.597 Diese Schritte waren unbedingt nötig geworden, denn neben der bereits neu eingeführten BMW 7er Baureihe sollte ab 1983 auch der BMW 3er in Südafrika montiert werden, wie in Abschnitt 5.4.3 bereits aufgeführt wurde. Laut des Geschäftsberichtes der BMW AG des Jahres 1983 wurden seit 1981, also innerhalb von drei Jahren, rund 240 Mio. DM in die Werksanlagen in Rosslyn investiert,598 was alle vorherigen Schätzungen bei weitem überstieg. Die Erläuterungen dieses Kapitels haben gezeigt, dass die kapazitative Überlastung des Werkes der BMW SA sowie die Lösung der Frage nach der optimalen Erweiterung der Fertigungskapazität das vordringlichste Problem im Bereich der Produktion zwischen 1977 und 1981 war. Hatte in den Jahren zuvor noch die Anhebung der Fertigungsqualität vornehmlich die BMWGremien beschäftigt, so war der 1978/79 erreichte Qualitätsstandard des Werks in Rosslyn bereits zufriedenstellend und erhielt demgemäß eine gute Beurteilung von der zuständigen BMW-Kommission, die sich aus verschiedenen Fachabteilungen der Münchner Zentrale zusammensetze und anläss596 

Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 598  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1983, 1984, in: BMW UU 232/10. 597  Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

707

lich der Kooperationsgespräche im Januar 1979 nach Südafrika zur Beurteilung der Lage gereist war: „Die Qualität der südafrikanischen BMW-Fahrzeuge ist deutlich angestiegen und kann – abgesehen von Werkstoff- und werkzeugbedingten Mängeln bei Blechteilen – weitgehend mit der Qualität der deutschen BMW-Fahrzeuge verglichen werden.“599

Diese Einschätzung war nicht nur im Hinblick auf die Exportambitionen der BMW SA zur Steigerung der eigenen Rentabilität essentiell, sondern ebenfalls ausschlaggebend für die Entscheidung des BMW-Vorstands über weitere Investitionen in den südafrikanischen Standort. Einhergehend mit der notwendigen Erweiterung des Produktionsvolumens musste noch immer auch die Materialversorgung des Werks verbessert werden. Wie bereits dargelegt wurde, verschiffte die BMW AG die Teilesätze in Holzkisten nach Durban, von wo aus sie weiter via Bahn nach Rosslyn transportiert wurden. Insbesondere in der Anfangszeit war es hierbei oftmals zu fehlerhaften oder durch den Transport hervorgerufenen Beschädigungen der Sendungen gekommen, da diese aus Holz gefertigten Kisten eine im Vergleich zu Containern geringere Widerstandsfähigkeit aufwiesen. Anfang 1978 beschäftigte sich daher das Ressort für Einkauf und Logistik in München mit der Prüfung der Kosten und Realisierbarkeit für eine mögliche Umstellung.600 Vor dem Hintergrund einer allgemeinen Steigerung der Effizienz im Bereich Logistik ging aus dieser Untersuchung ein Maßnahmenkatalog hervor, der wenige Wochen später im Vorstand der BMW AG diskutiert wurde. Kernpunkte dieses Programmes waren vor allem die Schaffung eines Reservelagers bei der BMW SA für Teile, die im Rahmen der Fahrzeugmontage häufig beschädigt wurden, wie beispielsweise Zierleisten, um den Fortlauf der Produktion ohne Wartezeiten gewährleisten zu können. Fernerhin sollte eine Verringerung der Frachtkosten erreicht und geprüft werden, inwiefern ein Einsatz von Charterschiffen im Sinne eines Frachtenpools mit anderen europäischen PKW-Herstellern möglich war.601 Ebenso galt es insbesondere im Bereich der Logistik als dringend erforderlich, EDV-Systeme in Rosslyn einzuführen, um die Materialversorgung zu optimieren. Des Weiteren sollte schnellstmöglich eine Containerisierung der Ware eingeführt werden und der hiermit einhergehende Bau eines Lagers begonnen werden. Dies setzte jedoch weitere Inves­ titionen voraus, da bereits der Bau und die Einrichtung einer Containerhalle mit rund 1,2 Mio. Rand (etwa 2,7 Mio. DM) ver­anschlagt wurden.602 Zwar war der konventionelle CKD-Versand in Holzkisten nach Südafrika deutlich 599 

Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1. Vgl. Protokoll Nr. 4/78 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1. 601  Vgl. Protokoll Nr. 22/78 der Vorstandssitzung vom 04. 07. 1978, in: ebd. Obwohl eine Kostenreduzierung in mehreren Bereichen durchgesetzt werden konnte, wurde die Idee des Frachtenpools in Kooperation mit anderen europäischen Mitbewerbern nie realisiert. 602  Vgl. Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1. 600 

708

5.  BMW in Südafrika

teurer als der Containerversand, aufgrund des erneuten Investitionsbedarfs wurde das Projekt allerdings von dem BMW-Vorstand um mehrere Monate verschoben. Grund hierfür war, parallel zu der Entscheidung über den weiteren Ausbau des Werks in Rosslyn, die allgemein zögerliche Haltung des Vorstands in München Ende der 1970er Jahre, das Engagement in Südafrika zu vertiefen und weitere Summen zu investieren.603 Es verging noch ein weiteres Jahr, bis im Mai 1980 durch den BMW-Vorstand die ersten Maßnahmen zur Containerisierung eingeleitet wurden. Dieser hielt fernerhin fest, dass der Informationsfluss zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Produkt- und Fertigungsfragen, dringend einer institutionalisierten Regelung bedurfte und beauftragte die entsprechenden Fachstellen mit der Ausarbeitung eben dieser.604 Des Weiteren ließ der Vorstand bereits im Sommer 1979 auf Anregung des Münchner Finanzressorts prüfen, inwiefern es sinnvoll sei, „das Werk Rosslyn als Betriebsstätte in die BMW AG einzugliedern und lediglich den Vertrieb durch eine rechtlich selbständige Gesellschaft aufrechtzuerhalten.“605 Nach einigen Monaten der eingehenden ­Prüfung wurden jedoch erhebliche Nachteile erkennbar, die diese Idee in Frage stellten und so wurde Ende des Jahres das Betriebsstättenkonzept ­ ­offiziell ad acta gelegt; die Gesellschaft also nicht in eine Vertriebs- und Produktionstochter aufgeteilt, sondern gemeinsam in der BMW SA als Tochter der BMW AG belassen.606 Resümierend lässt sich festhalten, dass die Produktion, die in den ersten Jahren der BMW SA noch das gravierendste und kostenintensivste Problem der noch jungen Tochter war, in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre bereits entscheidend verbessert werden konnte, insbesondere hinsichtlich der etablierten Fertigungsprozesse sowie der erzielten Qualität. Nun rückte umso mehr in den Fokus, dass auch im Bereich des Vertriebs und speziell der Händlerorganisation großer Handlungsbedarf bestand, um den Absatz von Fahrzeugen in Südafrika zu steigern, auch über das Mittel des Exports. Auf diese Schritte soll im folgenden Kapitel 5.4.5 eingegangen werden. 5.4.5. Vertrieb Ende der 1960er Jahre hatten die Delegierten der BMW AG bei ihren Besuchsreisen noch einen guten Eindruck von der durch Pretorius zusammengestellten Handelsorganisation (vgl. Kapitel 3.5.2.1).607 In dieser waren viele 603 

Vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: ebd. Protokoll Nr. 19/80 der Vorstandssitzung vom 06. 05. 1980, in: BMW UA 1460/1. 605  Protokoll Nr. 24/79 der Vorstandssitzung vom 31. 07. 1979, in: BMW UA 1447/1. 606  Vgl. Protokoll Nr. 35/79 der Vorstandssitzung vom 27./28. 11. 1979, in: BMW UA 1459/1. Für weitere Details vgl. Aktennotiz „BMW Südafrika, Weiterführung der Produktion als Betriebsstätte der BMW AG“ vom 30. 07. 1979, in: BMW UA 1988/1. 607  Vgl. Bericht Südafrika, 1968, in: BMW UA 516/1. 604 Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

709

Betriebe für BMW tätig, die ehemals die Marken Borgward und Auto-Union vertreten hatten. Mit dem Ausbau des Engagements in Südafrika durch die Gründung der unternehmenseigenen Tochter BMW SA und den hiermit anvisierten Produktions- und Verkaufsvolumina war aber bereits Anfang der 1970er Jahre deutlich geworden, dass die südafrikanische BMW-Vertriebs­ organisation in Gänze umstrukturiert werden musste.608 Nach Meinung der BMW-Delegierten gab es 1970 neben einigen guten Händlern auch eine ­Reihe mittelmäßiger bis schlechter Betriebe. Viele Händler rekrutierten sich entweder aus sehr kleinen Werkstattbetrieben oder waren in erster Linie verkaufsorientiert und somit nicht für den Aufbau einer langfristigen Kundenbindung geeignet, da bei ihnen keine ausreichende Service-Organisation für die Betreuung nach dem Fahrzeugkauf bestand. In Rücksprache mit dem Münchner Vertriebsressort betrieb die Geschäftsleitung der BMW SA mit ­ihrer Vertriebsabteilung nun eine systematische Aufbaupolitik, wobei die nur am Verkauf interessierten Händler durch solidere Servicebetriebe ersetzt werden sollten.609 Als die BMW AG den südafrikanischen Distributionspartner ERAD 1972 übernommen hatte, machte sich Vertriebsvorstand Lutz im selben Jahr persönlich ein Bild von der Händlerorganisation, die im Frühjahr 67 Betriebe umfasste.610 Bei seinen Besuchen traf er nach eigener Aus­ sage auf ein „schwaches“611 Vertriebsnetzwerk. Der Vorstand in München machte vor allem die schlechte Unternehmensführung der Vergangenheit von ERAD hierfür verantwortlich. Lutz bewertete das Verkaufsnetzwerk der BMW SA als defizitär ausgerichtet, da von insgesamt 67 Händlern lediglich fünf mehr als 100 Einheiten abnahmen und auf weitere 40 Händler nur 24 oder weniger Fahrzeuge pro Betrieb entfielen. Mangelnde Finanzkraft galt als eine der Hauptschwächen der südafrikanischen BMW-Handelsorganisation. Ferner waren Partner, die geringe Stückzahlen absetzten, für BMW nicht von Interesse und führten letztlich zu einer ungünstigen Diffusion der Vertriebsstruktur. Darüber hinaus sah Lutz sich gezwungen, die Geschäftsführung der BMW SA erneut daran zu erinnern, dass nach einer weltweiten Firmenrichtlinie das Firmenakronym „BMW“ in keinem Händlernamen g­ eführt werden durfte und forderte das Management auf, in Zukunft noch genauer auf die Umsetzung dieser Vorgaben zu achten, da er zahlreiche Verstöße bei seinem Besuch beobachtet hatte.612 Um den Vertrieb in Südafrika systematisch aufzubauen, übertrug der BMW-Vorstand einem neuen Mitarbeiter die Vertriebsleitung der BMW SA, der zuvor bei der Mercedes-Benz of South Africa tätig

608 

Vgl. Gesprächsnotiz „Händlerbesuche in Südafrika“ vom 08. 10. 1968, in: ebd. Lagebericht Südafrika der Abteilung VEL vom 03. 06. 1970, in: BMW UA 1568/1. 610  Vgl. BMW-Beteiligung in Südafrika, 1972, in: BMW UA 1548/1. 611  Memorandum on Meetings held at BMW (South Africa) (Pty) Ltd. in Rosslyn, 13.–14. 11. 1972, in: BMW UA 1549/1. 612  Vgl. ebd. 609 Vgl.

710

5.  BMW in Südafrika

gewesen war und somit bereits einen weiten Erfahrungshorizont in der südafrikanischen Automobilindustrie aufwies.613 Die Schwierigkeiten, mit denen der Vertrieb der BMW SA bei dem Ausbau der Handelsorganisation konfrontiert wurde, erinnerten an die Pro­ bleme, die die BMW AG aufgrund ihres schwachen, unausgewogenen PKWModellprogramms in den 1950er Jahren hatte (vgl. Kapitel 2.5.2). Das Produkt­spektrum bot mit den SA- und den späteren 004-Modellen kaum Anreize, neue Betriebe für die Organisation zu gewinnen. Die nahende Einführung der BMW 5er Reihe stellte den Handelsbetrieben ein, nun auch mittels höherer Stückzahlen, attraktiveres Produkt für den südafrikanischen Markt in Aussicht. Zugleich war hierfür allerdings eine Vertriebsorganisation mit Struktur und hoher Durchschlagskraft von großer Wichtigkeit. In d ­ iesem Sinne strebte man an, sukzessive mehr Partner als Exklusivhändler für BMW zu gewinnen bzw. die bestehenden Vertretungen umzuwandeln. Dies erschien erst mit dem Ausblick auf attraktive Modelle wie den BMW 5er (E 12) oder den großen Limousinen (E 3 und später E 23) realisierbar. In diesem Zusammenhang ging die BMW-Geschäftsleitung davon aus, mit dem ab 1974 erweiterten Verkaufsprogramm in Südafrika endlich mehrere finanzkräftige Händler zu gewinnen. Das Vertriebsressort in München zog außerdem die Gründung einer Finanzierungsgesellschaft als Beteiligung der BMW SA in Erwägung, die, anders als die Holdinggesellschaft BMW SA Investments, speziell auf die finanzielle Unterstützung der Händler zielen sollte, um den ­Absatz zu fördern. Durch die finanzschwache Lage, in der sich die südafrikanische Tochtergesellschaft aufgrund ihrer diversen Problemlagen – wie etwa der stete Investitionsbedarf im Werk oder die unter Soll liegenden Verkaufszahlen – befand, mussten diese Pläne zurückgestellt werden.614 Indessen blickte man anerkennend und zugleich neidvoll auf die Handelsorganisation mancher Mitbewerber in Südafrika, wie etwa von Daimler-Benz, die im Frühjahr 1972 über 110 Händler mit 14 Distributoren verfügte und im Jahr rund 8 000 Fahrzeuge umsetzte.615 Um den hauseigenen Defiziten der Vertriebsstruktur entgegenzutreten, wurde erneut in der BMW-Geschäftsleitung über Kooperationsmöglichkeiten im Vertrieb mit einem bereits etablierten Partner vor Ort diskutiert. Während Daimler-Benz aufgrund des mit dem eigenen Angebot in Konkurrenz stehenden Produktportfolios nicht in ­Betracht kam,616 wurden Gespräche mit Motor Assemblers Ltd. (Toyota), 613 

Protokoll Nr. 35/72 der Vorstandssitzung vom 23. 11. 1972, in: BMW UA 801/1. Die Pläne für eine solche Beteiligungsgesellschaft zur Absatzfinanzierung des südafrikanischen Marktes wurden erst Jahrzehnte später wieder aufgenommen und letztlich mit der Gründung der BMW Finanz (Pty) Ltd. im Jahre 1990 realisiert, vgl. Bericht über das Geschäftsjahr 1990, in: BMW UU 244/10. 615  Aktennotiz des BMW-Vertriebsvorstands Lutz „Absatzsituation Südafrika“ vom 29. 06. 1972, in: BMW UA 1993/1. 616 Vgl. Protokoll Nr. 18/72 der Vorstandssitzung vom 31. 05. 1972, in: BMW UA 801/1. 614 

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

711

Rosslyn Motor Assemblers (Datsun-Nissan) und Illings Ltd. (Mazda) in die Wege geleitet,617 die nach mehreren Wochen jedoch auf Beschluss des BMW-Vorstands wieder eingestellt wurden. Die Geschäftsleitung in München hielt es für ratsamer, die Marke BMW auch im Handel exklusiv zu halten, da sich dies positiv auf den Verkauf und das Image auswirkte, wie die Bemühungen auf dem Heimatmarkt bereits während der 1960er Jahre gezeigt hatten. Bis die gewünschten Absatzzahlen etwa ab 1975 in Südafrika erreicht wurden, keimten vereinzelt immer wieder Diskussionen um eine mögliche Koopera­tion auf.618 Die Gespräche gingen jedoch nie über eine wage Tuchfühlung hinaus. Eine derartige Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen, die als PKW-Hersteller ursprünglich in Konkurrenz zu­ einander standen, war keineswegs untypisch, wie die Vertriebskooperation zwischen Honda und Daimler-Benz bzw. der United Car & Diesel Distributors (Pty.) Ltd. (UCDD), die Wagen der Marke Mercedes in Süd­afrika vertrieben, ab 1977 bewies.619 Zum Jahreswechsel 1973/74 hatte sich die Vertriebssituation in Südafrika für BMW nochmals verschlechtert, da ein Teil der BMW-Händlerschaft durch den mehrmonatigen Lieferausfall des 004-Modells weggebrochen und somit auf einen harten Kern von nur noch 53 Händlern zusammengeschrumpft war. Lutz sah dringenden Handlungsbedarf und konstatierte: „Um mit dem 520 und 525 die m.E. optimistischen Planzahlen trotz Energiekrise und Autobahngeschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h erreichen zu können, ist eine qualitative und quantitative Aufstockung unseres Händlernetzes unabdingbar.“620

Dies forderte eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Vertriebsressort in München und seinem südafrikanischen Pendant, das Anfang 1974 noch lediglich aus zwei Mitarbeitern bestand.621 Im Zuge des kommenden Jahres wurde diese Vertriebsmannschaft weiter ausgebaut und professionalisiert.622 Des Weiteren wurde auf Beschluss des BMW-Vorstands in München als Grundlage für zukünftige Unternehmensentscheidungen der Tochter in Südafrika noch einmal eine gründliche Marktuntersuchung eingeleitet.623 Ebenso ließ er einige Monate später protokollarisch festhalten, dass in Zukunft der Öffentlichkeitsarbeit der südafrikanischen Tochter noch mehr Bedeutung als 617  Vgl.

Kooperationsmöglichkeiten in Südafrika für Vertrieb und Montage, 05. 1972, in: BMW UA 1993/1. 618 Vgl. Protokoll Nr. 29/74 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1974, in: BMW UA 852/2. 619  Vgl. Heidel, Geschäfte von Daimler-Benz, hier S. 708f. 620 Reisebericht Südafrika des BMW-Vertriebsvorstands Lutz, 21.–25. 01. 1974, in: BMW UA 1993/1. 621  Vgl. ebd. 622 Vgl. Protokoll Nr. 8/75 der Vorstandssitzung vom 11. 03. 1975, in: BMW UA 1333/1. 623 Vgl. Protokoll Nr. 29/74 der Vorstandssitzung vom 29. 07. 1974, in: BMW UA 852/2.

712

5.  BMW in Südafrika

bisher beigemessen werden sollte, worauf in Abschnitt 5.4.6 näher ein­ gegangen wird.624

Anzahl der BMW-Händler

1972

1973

1974

1975

1976

1977

1978

67

53

67

80

84

76

82

Tabelle 70: Vertriebsorganisation der BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 1972–1978.625

Tabelle 70 zeigt den schwierigen Verlauf, den der Ausbau des Vertriebsnetzwerks in Südafrika nahm. Deutlich tritt der negative Einfluss zutage, den das BMW-Typenprogramm durch das Facelift der SA-Modelle auf die Händlerorganisation hatte, denn zum einen hatte sich die Einführung des 004-Modells stark verzögert und zum anderen konnte es die potentiellen Partner im Handel nicht überzeugen. Erst mit einem gestärkten Produktportfolio im Rücken konnten zwischen 1974 und 1976 gute Fortschritte und Erfolge in der Umstrukturierung und bei dem Ausbau des Händlernetzwerks verzeichnet werden, die sich ebenfalls in den steigenden Absatzzahlen widerspiegelten. Diese Maßnahmen wurden auch von dem neuen Vertriebsvorstand der BMW AG Schönbeck vorangetrieben und beaufsichtigt, der seit September 1974 das Vertriebsressort in München leitete.626 Vor Ort setzte der seit 1975 im Amt weilende Marketing Director der BMW SA ­Ronald Meatchem nicht nur die Vorgaben aus München um, sondern zeigte auch ein dort geschätztes, hohes Maß an Eigeninitiative.627 Im Jahre 1975 waren nur 25 der 80 Händlerbetriebe übernommen worden, was verdeutlicht, wie umfassend und rigoros die Reorganisation der BMW-Vertriebsstruktur war.628 Ferner konnten 1976 große, finanzkräftige Betriebe wie die McCarthy- oder die Brian Porter-Gruppe für BMW als volumenstarke, gut strukturierte und finanzstarke Handelsorganisationen gewonnen werden.629 Diese Händlerbetriebe verliehen der Marke durch ihre hochwertigen Aus624 Vgl. Protokoll Nr. 13/75 der Vorstandssitzung vom 30. 04. 1975, in: BMW UA 1333/1. 625 Vgl. BMW-Beteiligung in Südafrika, 1972, in: BMW UA 1548/1; Reisebericht Südafrika des BMW-Vertriebsvorstands Lutz, 21.–25. 01. 1974, in: BMW UA 1993/1; Protokoll Nr. 48/74 der Vorstandssitzung vom 09. 12. 1974, in: BMW UA 852/2;, Protokoll Nr. 36/75 der Vorstandssitzung vom 17. 12. 1975, in: BMW UA 1333/1; Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 11. 1976, in: BMW UA 2018/1; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10; Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: BMW UA 1998/1. 626  Vgl. Grunert/Triebel, Das Unternehmen BMW, S. 519. 627  Vgl. Minutes of Board of Directors of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., in: BMW UA 2018/1. 628 Vgl. Protokoll Nr. 36/75 der Vorstandssitzung vom 17. 12. 1975, in: BMW UA 1333/1. 629 Vgl. Redeskizze für einen Vortrag des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim zur Eröffnung eines Showrooms des BMW-Händlers Auto Bavaria in Südafrika, 03. 11. 1976, in: BMW UA 1995/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

713

stellungsräumlichkeiten, auch Showroom genannt, vor allem in den großstädtischen Bereichen einen zusätzlich hochwertigen Charakter.630 Diese Aufwertung der Händlerorgani­sation wurde unterstrichen durch die vermehrte Präsenz des Vorstands aus München. Allen voran der Vorsitzende von Kuenheim wohnte nun häufiger offiziellen Eröffnungen von großen ­ nter namhaften Händlern in Südafrika bei.631 Darüber hinaus weihte BMW u seiner Ägide im November 1976 ein „BMW Motorrad Zentrum“ in Johannesburg ein. Diese Eröffnung war für die BMW SA eine markante Zäsur im südafrikanischen Absatzgeschäft, da sie sich hiermit erstmalig am RetailMarkt direkt beteiligte, wie es BMW in Deutschland bereits durch zahlreiche Niederlassungen tat. Von Kuenheim betonte, dass BMW durch das neue Motorradzentrum keine Konkurrenz zu den hiesigen Händlern aufzubauen gedachte, sondern sich mit diesem Schritt vielmehr in einem noch stärkeren Maße zu dem südafrikanischen Markt b ­ ekannte.632 Fernerhin wurde im Oktober 1975 der Vertrieb von BMW-­Motorrädern in die Verantwortung der BMW SA überführt und somit der langjährige Importeur Club Motors auch im Zweiradbereich abgelöst.633 Das BMW-Modellspektrum war durch die neuen Modelle deutlich aufgewertet worden, wie bereits in Kapitel 5.4.3 erörtert wurde. Dennoch blieb es auf die oberen Klassen der Executive Cars sowie der Luxuswagen begrenzt und erst 1983 kam es durch die Einführung des BMW 3er zu einer erneuten Programmergänzung hin zur unteren Mittelklasse. Mit der Beschränkung auf höherwertige Fahrzeuge mussten nach BMW-Prämisse auch die Händler­ betriebe inklusive des Kundendienstes einem hohen Standard entsprechen. In diesem Kontext wurden im Jahre 1977 erneut gezielte Strukturierungs- sowie Umstrukturierungsmaßnahmen in der Händlerorganisation für deren Aufwertung unternommen. Dies schloss ein umfassendes Schulungsprogramm ein und so wurde das gesamte BMW-Händlerpersonal mitsamt seinen Werkstattmitarbeitern aufgefordert, an eigens für sie konstituierten Weiterbildungen teilzunehmen. Hierzu diente, wie in Abschnitt 5.4.2 detailliert aufgezeigt, sowohl ein innerbetriebliches Trainingszentrum der BMW SA als auch die erste ­mobile Kundendienstschule der südafrikanischen Automobilbranche, die speziell die Händlerbetriebe in den ländlicheren Gegenden erreichen sollte.634 Bei diesen Umstrukturierungsmaßnahmen ergaben sich insbesondere im Laufe des Jahres 1977 temporäre Schwierigkeiten, die jedoch nach An630  Vgl.

Interview mit Rudolf Graf von der Schulenburg am 08. 01. 2009, in: Dreyer, Standortwahl. 631  Vgl. Redemanuskripte des BMW-Vorstands 1976/77, in: BMW UA 1995/1. 632 Vgl. Redeskizze des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim, 11. 1976, in: ebd. 633  Vgl. Auskunft über die BMW (South Africa) (Pty) Ltd. vom 01. 12. 1976, in: BMW UR 2531/1. 634  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., (informal meeting) 10. 08. 1977, in: BMW UA 2018/1.

714

5.  BMW in Südafrika

sicht der Geschäftsleitung in München und Südafrika, im Interesse einer Qualitätsverbesserung, für die Zukunft in Kauf genommen werden mussten.635 Diese Unwegsamkeit spiegelte sich ebenfalls in der Händlerzahl wider, die 1977 gegenüber dem Vorjahr von 84 Betrieben auf 76 zurücksank.636 Zugleich manifestierte sich hierdurch ebenso das Postulat der BMW SA, dass nicht primär auf die Quantität der Handelsorganisation zu achten war, sondern vor allem auch auf ihre Qualität. Die BMW SA-Verkaufsabteilung war der Ansicht, dass letztlich nicht durch Preisreduzierungen der Absatz über Jahre hinweg gesteigert werden konnte, was ferner dem Image einer hochpreisigen Marke widerspräche, sondern eine langfristig angesetzte Absatzförderung vor allem über einen qualitativ hochwertigen Service erreicht werden musste, der mit jedem verkauften BMW-Fahrzeug einherzugehen hatte.637 Nach der großen Umstrukturierung, während der einige Händler gekündigt sowie neue Partnerfirmen verpflichtet wurden, die den gesetzten Standards entsprachen, wuchs die Zahl der Distributoren jährlich erneut sukzessive bis auf 125 im Jahre 1982 an.638 Des Weiteren wurden die Bemühungen der Verkaufsabteilungen der BMW SA unter dem seit 1979 als Marketing Director tätigen Vic Doolan intensiviert, ebenfalls schwarze Händler in die Handelsorganisation einzubinden. Im Frühjahr 1981 stand die BMW SA mit sechs sogenannten „African Dealers“ in Verhandlungen, die innerhalb der folgenden zwei Monate in die BMW-Handelsorganisation integriert werden sollten.639 Diese Bemühungen kumulierten im Mai 1983 in dem Spatenstich für den ersten schwarzen BMW-Händlerbetrieb in Soweto,640 einem von der Regierung künstlich geschaffenen Township, in dem damals rund 1 Mio. Schwarzafrikaner lebten. BMW-Vorstandsvorsitzender von Kuenheim wohnte dieser Veranstaltung bei, während die Verantwortung für den Handelsbetrieb feierlich an den Partner und Hauptanteilseigner, den prominenten Bürgerrechtler John Langa, übergeben wurde.641 Um zum einen den bereits in Kapitel 5.4.1 geschilderten Konzentrationsdynamiken des südafrikanischen Automobilmarktes zu begegnen sowie die eigenen Handelsstrukturen zu stärken, trat die BMW SA im Jahre 1978 er635  Vgl. Auszug aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 20. 09. 1977, in: BMW UA 1997/1. 636  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1977, 1978, in: BMW UU 214/10. 637  Vgl. Standortdokumentation “BMW in South Africa”, 1982, in: BMW UA 1998/1. 638  Vgl. Interview mit dem Marketing Director der BMW SA Vic Doolan, in: Standortdokumentation „BMW in South Africa“, 1982, in: ebd. 639  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd, 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 640  Soweto steht für South Western Townships, vgl. Grill, Bartholomäus (2014): Stadt der Freien, in: Der SPIEGEL, Jg. 68, Nr. 19 vom 05. 05. 2014, S. 90–92. 641  Vgl. Pressemeldung „Energie-Sparpreis ‚83 für BMW; AZUBIs bei Carstens; Prominenter Bürgerrechtler wird BMW Händler in Soweto/Südafrika.“ vom 27. 05. 1983, in: BMW UP 820/10.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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neut in Verhandlungsgespräche mit anderen in Südafrika etablierten Her­ stellern. Nicht nur wurde eine Kooperation im Bereich der Produktion erwogen, sondern ebenso vertriebsseitig Gespräche mit verschiedenen Firmen aufgenommen. Eine Zusammenarbeit im Vertrieb erschien unverbindlicher und weniger risikoreich als im Bereich der Fertigung und so stand man einer solchen vergleichsweise offen gegenüber. Als Folge wurden von der BMW SA die Kontakte zu der südafrikanischen VW-Tochtergesellschaft wiederbelebt, doch zeichnete sich bereits frühzeitig ab, dass eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Automobilbauer noch immer keine für BMW akzeptable ­Lösung in Aussicht stellte. Nachdem ferner Peugeot als potentieller Vertriebspartner ausgeschieden war, war aus Sicht von BMW nur noch eine Vertriebsgemeinschaft mit der südafrikanischen Kooperation zwischen Toyota und Renault denkbar, die laut dem Münchner Vorstand „die sowohl unternehmenspolitisch akzeptabelste, [sic!] als auch vertriebspolitisch vorteilhaf­ teste ­Alternative“ darstellte.642 Im Oktober 1978 stimmte er der zwischen der BMW SA, Renault und Toyota SA, an der die südafrikanische Wessels-Gruppe beteiligt war, ausgehandelten Vertriebskooperation zu. Diese sah vor, dass die Toyota SA keine PKW aus ihrem eigenen Programm einbrachte, sondern lediglich die PKW-Reihe von Renault, also der R5 und R18, sowie die leichten Transportfahrzeuge und Kleinbusse von Renault und Toyota in das gemeinsame Händlerprogramm aufgenommen werden sollten. Hierdurch ­ suchte man eine unmittelbare Konkurrenz zu den BMW-Modellen zu vermeiden. Zwar bedeutete die Zusammenarbeit in Südafrika mit Toyota und Renault für BMW die Aufgabe der Exklusivität der eigenen Händler, doch sollte BMW bei allen Händlern, ebenso wie Toyota SA ihrerseits, direkten Einfluss auf das Marketing für die jeweils eigenen Produkte behalten, wobei BMW in der Kooperation den dominierenden Einfluss erhalten sollte und somit hoffte, das eigene unternehmerische Erscheinungsbild maßgeblich durchsetzen zu können. Dies widersprach einer grundsätzlichen Ambition des BMW-Vertriebsressorts, das seit den 1960er Jahren in Deutschland sowie in der Folgedekade auch im Ausland gesteigerten Wert auf den Alleinver­ tretungsanspruch bei BMW-Händlern legte. Dieses Vorgehen war, vor allem in Großstädten, seit Ende der 1970er Jahre im internationalen Vertrieb der BMW AG zu einer wichtigen Prämisse bei der Umstrukturierung der weltweiten Handelsorganisation geworden (vgl. Kapitel 4.5.2). In Südafrika als Sonderfall sollten die Händlernetze von BMW und Toyota dahingehend miteinander verbunden werden, dass für beide Seiten ein möglichst erfolgversprechendes Händlernetz geschaffen wurde. Deutliche Vorteile für BMW ­ergaben sich durch eine höhere Präsenz in ländlichen Gebieten, in denen die Münchner Firma bis dahin kaum oder überhaupt nicht repräsentiert war. ­Allein in diesen außerstädtischen Distrikten brachte Toyota 37 Händler ein,

642 

Protokoll Nr. 34/78 der Vorstandssitzung vom 17. 10. 1978, in: BMW UA 1458/1.

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5.  BMW in Südafrika

in denen beide Vertriebslinien abgewickelt werden konnten; dies zum Teil auch in getrennten Verkaufsräumen. Des Weiteren hegte die Vertriebsgemeinschaft die Hoffnung, künftig auch weitere attraktive Händlerbetriebe durch das gemeinsame Angebot für sich gewinnen zu können. Zur Steuerung der Kooperation und zur Klärung etwaiger Probleme sollten regelmäßig monatliche Marketinggespräche abgehalten werden.643 Die Zusammenarbeit mit der Toyota SA gestaltete sich in der Umsetzung positiv,644 so dass die BMW SA sogar eine gemeinsame Fertigung im Rahmen des angestrebten Exportprogrammes in Erwägung zog (vgl. Kapitel 5.4.4).645 Die BMW SA konnte ihre Stellung auf dem südafrikanischen Markt durch das verbesserte Modellprogramm sowie die Vertriebskooperation mit Toyota deutlich ausbauen und festigen. Im ersten Quartal des Jahres 1979 wurde ein BMW-Marktanteil von 4,2 Prozent erreicht,646 der im Gesamtjahr bei 3,9 Prozent lag und BMW somit erstmals einen höheren Anteil am südafrikanischen Markt für sich beanspruchte als Mercedes.647 Neben der Vertriebskooperation stellten die Pläne der südafrikanischen Tochtergesellschaft, das eigene Geschäftsfeld um ein dezidiertes Exportprogramm zu erweitern, eine der wichtigsten Entwicklungen innerhalb des Vertriebs der BMW SA dar. Früh hatte man sowohl in München als auch in Rosslyn Möglichkeiten eruiert, eine positive Ergebnisrechnung der BMW SA zu erreichen und langfristig zu sichern. Bereits 1976 wurde in diesem Rahmen die Ausfuhr von Local-Content-Teilen (LC-Teilen) in andere Länder, in denen BMW-Fahrzeuge in Kooperation mit lokalen Partnern vor Ort montiert wurden, geprüft. Primäres Ziel war hier eine Ergebnisverbesserung der südafrikanischen Tochter. Die Technische Zentrale und das Vertriebsressort in München untersuchten im Auftrag des Vorstands im Frühjahr 1976 die Möglichkeit des Exports von Bauelementen aus Rosslyn nach Thailand und Indonesien.648 Auf diese Weise sollten in Deutschland die Produktion entlastet und die Fertigungsanlagen in Südafrika bzw. die Skaleneffekte besser ge643 

Vgl. ebd. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 05. 1979, in: BMW UA 2018/1. 645 Vgl. Protokoll Nr. 44/78 der Vorstandssitzung vom 21. 12. 1978, in: BMW UA 1458/1. 646 Vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: BMW UA 1447/1. 647  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. 648  Diese Pläne setzten eine kombinierte Lieferung von CKD-Teilesätzen sowohl aus Deutschland als auch aus Südafrika voraus, was einen erhöhten logistischen Aufwand inkludierte. Dies hätte wiederum zu einer Verteuerung der Lieferungen führen müssen. Zugleich zog man bei BMW in Erwägung, die Teilsatzpreise sogar zu senken, um den Montagepartnern für die zusätzlichen Komplikationen hinsichtlich der kombinierten Zusendung aus zwei Produktionsstandorten entgegenzukommen, vgl. Bericht der Technischen Zentrale der BMW AG „Export von LC-Teilen aus ZA“, 1976, in: BMW UA 1552/1. 644  Vgl.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

717

nutzt werden.649 Die Pläne des Exportes von LC-Teilen aus Südafrika nach Asien wurden allerdings nicht realisiert, da sich die Exportzahlen speziell nach Indonesien nicht gemäß den Erwartungen der BMW AG entwickelten und zudem ein logistisch kostenintensiver Aufwand im Sinne einer kombinierten Fertigung, also einer sich ergänzenden Lieferung aus Deutschland und Rosslyn, nicht rentabel erschien.650 Diese Überlegungen, hinsichtlich ­einer sich ergänzenden Fertigung von LC-Teilen, zeigten jedoch erste Tendenzen der BMW AG, das Werk Rosslyn in den internationalen BMW-Produktions- und Vertriebsverbund mit einbinden zu wollen und der südafrikanischen Tochtergesellschaft somit einen höheren Stellenwert einzuräumen. Dieses Potential unterstrich Ende 1976 auch der Vorstandsvorsitzende der BMW AG in einer Rede während seines Besuches in Südafrika: „Der Standort Rosslyn wird auch unter ganz langfristigen Gesichtspunkten sicher als sehr sinnvoll gelten können.“651 Die BMW-Geschäftsleitungen in München und Rosslyn nahmen durchaus zur Kenntnis, dass international mehrere Länder die Einfuhr von Gütern aus Südafrika vor dem Hintergrund des Apartheid­ regimes erschwerten, was bis hin zu wirtschaftlichen Sanktionen reichte. Dennoch wollte das Unternehmen seine Ambitionen eines möglichen Exportprogramms der BMW SA noch nicht aufgeben und beobachtete die politische Situation aufmerksam. Die Ausweitung des Geschäftsfeldes der BMW SA auf den Export war mit den ad acta gelegten Erwägungen des Verkaufs von LC-Komponenten nach Asien keineswegs zum Erliegen gekommen. Der Fokus verschob sich nun allerdings von der Ausfuhr von LC-Bauelementen auf den Export von Komplettfahrzeugen. Im August 1977 berichtete von Koerber, seit Januar 1977 Managing Director der BMW SA, dem Aufsichtsrat der BMW SA, dass von der Muttergesellschaft ein Vertrag mit dem iranischen Importeur Vasato Corp. für 1978 über die Lieferung von 150 PKW pro Monat unterzeichnet 649 Vgl. Protokoll Nr. 12/76 der Vorstandssitzung vom 15. 03. 1976, in: BMW UA 1446/1. Im Jahre 1976 wurden 824 BMW-Fahrzeuge nach Thailand eingeführt, womit BMW einen Anteil von 48,8 Prozent am deutschen Export in Thailand hatte. In demselben Jahr wurden nach Indonesien lediglich 12 Einheiten exportiert, was immerhin 3,2 Prozent des deutschen Exports in Indonesien entsprach. Erst in dem folgenden Jahr erhöhte sich die Zahl der eingeführten BMW-Fahrzeuge, vgl. Produktion seit 1948, 2005, in: BMW UU 3465/10. 650  1977 ergab sich in Indonesien eine für BMW äußerst ungünstige Lage, da der Absatz hochwertiger Automobile erschwert wurde und der BMW-Importeur in diesem Jahr lediglich 70 BMW-Fahrzeuge verkaufen konnte, die einer Lieferung von 480 CKD-Sätzen des BMW 520 (E 12) gegenüberstanden. Auch wenn für 1978 höhere Verkaufszahlen erwartet wurden, brachte das Absatzminus des Jahres 1977 den indonesischen Importeur P.T. Tjahja Sakti Motor Corp. in ernste finanzielle Schwierig­ keiten, vgl. Protokoll Nr. 5/78 der Vorstandssitzung vom 14. 02. 1978, in: BMW UA 1448/1; Importeur- und Kundennummernverzeichnisse der Exportabteilung (VE), 02. 1976, in: BMW UA 1985/1. 651  Redeskizze für einen Vortrag des BMW-Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim bei einem Besuch in Südafrika vom 03. 11. 1976, in: BMW UA 1995/1.

718

5.  BMW in Südafrika

worden war.652 Wie in Kapitel 5.4.3 erläutert wurde, fertigte die BMW SA für den iranischen Markt das Sondermodell BMW 518 de Luxe. Die Ausfuhr in den Iran, durch die erneut die Priorisierung unternehmerischer Verkaufsziele gegenüber einer politischen Stellungnahme zum Ausdruck kam, sorgte im Frühjahr 1978 nach Bekanntwerden in der Presse für eine negative Berichterstattung über die BMW SA.653 Unter Abschnitt 5.4.6 soll dieses Presseecho skizziert und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die BMW AG sowie ihre sich anschließenden Kommunikationsbemühungen dargelegt werden. Der BMW 518 de Luxe wurde über den Iran hinaus in den Jahren 1978/79 auch in weitere Länder exportiert, wie Tabelle 71 zeigt. Land Belgien Botswana Griechenland Hong Kong Iran Italien Spanien Türkei Zaire Gesamt

1978 – – – 5 1 028 – 5 100 – 1 138

1979 499 12 300 – – 300 105 – 18 1 234

Tabelle 71: Export der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. am Beispiel des Modells BMW 518 de Luxe, 1978–1979.654

Die Planungen für den Export sahen laut von Koerber für 1978 insgesamt 1 650 Einheiten vor.655 Dieses Ziel konnte um einige Hundert Fahrzeuge nicht erreicht werden. Dies war vor allem dem unerwartet hohen Anstieg der Nachfrage auf dem Heimatmarkt Südafrika geschuldet sowie den Kapazitätsgrenzen des Werks in Rosslyn, aber auch der nur allmählich fortschreitenden Erschließung neuer Exportmärkte für die BMW SA. Aus der Aufstellung geht ferner hervor, dass die BMW SA zu diesem Zeitpunkt kaum bzw. in nur geringem Umfang Stückzahlen in die benachbarten afrikanischen Län652  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., (informal meeting) 10. 08. 1977, in: BMW UA 2018/1. 653  Vgl. Aktennotiz „Presseberichte über Exporte der BMW ZA“ von der Kommunikationsabteilung AK-13 an den Verteiler der Verkaufs- sowie Kommunikationsabteilungen der BMW AG vom 03. 03. 1978, in: BMW UR 5835/1. 654  BMW-Export aus der Produktion Südafrika, 1980, in: BMW UA 1998/1. Die hier angegebenen Zahlen wurden für die Jahre 1978/79 in allen anderen BMW-Exportstatistiken nicht den entsprechenden Abnehmerländern zugeordnet, sondern gesamthaft unter „Export nach Südafrika“ subsumiert. 655  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 23. 01. 1978, in: BMW UA 2018/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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der exportierte,656 sondern sich ihr Ausfuhrgeschäft neben dem Nahen Osten vor allem auf einige Märkte Europas konzentrierte, auch wenn hier die Absatzzahlen der BMW SA-Fahrzeuge noch verhältnismäßig gering waren. Die Ausdehnung des Geschäftsfeldes auf den europäischen Kontinent unterstrich ferner, dass die Fertigungsqualität von den im Werk Rosslyn gefertigten Einheiten von elementarer Bedeutung für die BMW SA war, sofern sie den Export in westliche Länder aufrecht bzw. erweitern wollte, denn hier war der geforderte Qualitätsstandard der Produkte besonders hoch.657 Der südafrikanische Standort exportierte den Angaben aus Tabelle 71 zufolge bereits Ende der 1970er Jahre in mehrere Länder mit Rechtsverkehr, nachdem Ende 1977 erstmals damit begonnen wurde, im Werk Rosslyn für das Ausfuhrgeschäft in kleineren Stückzahlen ebenfalls Linkslenker zu montieren.658 Die festgelegten Ziele im Exportgeschäft der BMW SA wurden immer ­ambitionierter und so ließ die Zentrale in München noch im Frühjahr 1979 verlauten, dass für eine langfristige wirtschaftliche Absicherung der südafrikanischen Tochter diese zusätzlich zum Inlandsvolumen weitere 3 000 bis 5 000 Einheiten jährlich exportieren sollte. Verbunden mit erheblichen Anstrengungen des Vertriebs sowie unter Inkaufnahme eines geringeren Deckungsbeitrages wurde die Erschließung weiterer Märkte mit Linksverkehr wie etwa Großbritannien, Griechenland, Australien oder die Elfenbeinküste für möglich erachtet.659 Im Kontext der hochgesteckten Exportziele schloss die BMW SA im April 1979 Finanzierungsfazilitäten mit der Standard ­Merchant Bank Ltd. über 1,0 Mio. Rand ab.660 Einige Monate später wurde Großbritannien als möglicher Markt für den Export der BMW SA wieder verworfen, da die Exportabteilung in München einen Export aus Südafrika, zumindest während der Aufbauphase der neuen britischen Vertriebsgesellschaft, in Großbritannien für nachteilig erachtete. Die Geschäftsführung der BMW (GB) Ltd. hegte in diesem Punkt erhebliche Bedenken und belegte diese mit einer Marktumfrage, bei der Fahrzeuge „Made in South Africa“ in 656 

Neben Rhodesien wurden von der BMW AG ebenfalls Madagaskar, Sambia, Mauritius und Réunion beispielhaft aufgeführt, vgl. Aktennotiz „Presseberichte über ­Exporte der BMW ZA“ von der Kommunikationsabteilung AK-13 an den Verteiler der Verkaufs- sowie Kommunikationsabteilungen der BMW AG vom 03. 03. 1978, in: BMW UR 5835/1. 657  Die genauen Hintergründe, weshalb BMW in Südafrika gefertigte Fahrzeuge nach Europa einführte, sind nicht bekannt und werfen aufgrund der geographischen Distanz und erhöhten Logistikaufwände Fragen auf, die leider nicht anhand der analysierten Quellenbestände beantwortet werden konnten. 658  Vgl. Aktennotiz „Presseberichte über Exporte der BMW ZA“ von der Kommunikationsabteilung AK-13 an den Verteiler der Verkaufs- sowie Kommunikationsabteilungen der BMW AG vom 03. 03. 1978, in: BMW UR 5835/1. 659 Vgl. Protokoll Nr. 9/79 der Vorstandssitzung vom 03. 04. 1979, in: BMW UA 1447/1. 660  Vgl. Resolution of Directors of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 02. 04. 1979, in: BMW UA 2018/1.

720

5.  BMW in Südafrika

Großbritannien mit einem nachweisbar negativen Image verbunden waren, gleichwohl diese Studie auf einer sehr kleinen Stichprobe basierte.661 Doch nicht nur der britische Markt, sondern auch weitere Vertriebsgesellschaften oder Importeure ließen Skepsis an den Bemühungen der BMW SA verlauten, den Export aus Südafrika auf das eigene Land auszudehnen. Zu groß waren noch die Zweifel an dem Qualitätsstandard im Werk Rosslyn und zu hoch die Befürchtungen, dass sich in Südafrika gefertigte Fahrzeuge aus Marketingsicht schlechter verkaufen ließen. Neben den Bedenken des Marketings gegenüber aus Südafrika stammenden Wagen stellte vor allem die Logistik anfänglich das größte Hindernis für die Ausfuhr dar, da zu diesem Zeitpunkt in der Republik am Kap noch keine ausgereifte Infrastruktur im Sinne eines mondänen Exportservices existierte. Aufgrund des Local-Content-Programmes waren die Logistikpartner spezialisiert auf den Import von Bauelementen, nicht jedoch auf den Transport von hochwertigen und zugleich empfindlichen Komplettfahrzeugen in höheren Stückzahlen über die Landesgrenzen Südafrikas hinaus. So musste die Geschäftsleitung der BMW SA viel Zeit und Energie darauf verwenden, eine solche Infrastruktur mit geeigneten Partnern auf den Weg zu bringen. “Difficulties were encountered at every turn. The freight rates quoted initially would have priced the vehicles out of any market; […] insurers were faced with a situation for which, in South Africa, there was no precedent; general export administration and documentation came up against ‘red tape’ barriers, again because the BMW SA concept was new. To overcome the freight cost problem, BMW SA looked to the possibilities of chartering. The company’s experiences in these negotiations alone read like a catalogue of disasters: vessels offered that were too small to withstand monsoon storms anticipated during the voyage, or so old that rust damage to the cars would be unavoidable; vessels promised, that did not arrive; vessel that did arrive, but refused to load the vehicles, taking on instead some other commodity requiring less care. Shipping was finally arranged but BMW SA had to fly in cargo experts from Germany to instruct local stevedores and the ship’s crew how to load and stow the cars. Specialists were also flown to the discharge ports to supervise off-loading.”662

Dieses Zitat des Managing Director der BMW SA verdeutlicht ferner, wie weit die südafrikanische Tochter auch im Hinblick auf ihre Exportpläne auf die Zusammenarbeit mit und Unterstützung durch die Muttergesellschaft in München angewiesen war. Die logistischen Voraussetzungen des Transports und Exports von hochwertigen und zugleich hochempfindlichen Gütern aus Südafrika in weitere Länder und Kontinente musste erst aufgebaut werden. Von besonderem Interesse als potentieller Exportmarkt war für die BMW SA bereits frühzeitig vor allem Australien. Eine Belieferung des australischen Marktes durch den südafrikanischen Standort erschien der BMW-Zentrale, insbesondere auch aus logistischen Gesichtspunkten, attraktiv und fast schon 661 

Vgl. VA-Z Protokoll Nr. 6/79 vom 25. 07. 1979, in: BMW UR 2583/1. der SAFTO “Exporter of the Month BMW”, 05. 1979, in: BMW UA 2001/1. 662  Zeitungsbericht

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

721

als logische Konsequenz, war Australien aufgrund der geringeren geographischen Entfernung doch weitaus einfacher und schneller von Südafrika zu ­beliefern, als es bislang von Deutschland oder Belgien möglich gewesen war. Bereits im September 1976 war der seit 1975 im Amt bei der BMW SA tätige Marketing Director Meatchem nach Australien gereist, um dort Gespräche mit dem australischen Importeur BMW (Australia) Pty. Ltd., an der die BMW AG seit 1966 eine zehnprozentige Beteiligung hielt (vgl. Kapitel 3.5.2.3),663 für das anvisierte Exportgeschäft aufzunehmen.664 Der australische Importeur machte jedoch sowohl der Muttergesellschaft in München als auch der BMW SA gegenüber nachdrücklich deutlich, dass er große Vorbehalte gegenüber dem Vertrieb von in Südafrika montierten Fahrzeugen hegte und einen negativen Einfluss auf seinen Verkauf befürchtete. Insbesondere Hendrik Byker, Mitglied der Geschäftsführung der australischen Gesellschaft, war ein großer Kritiker der Exportpläne.665 Diese Skepsis konnte auch innerhalb der folgenden Monate nicht zerstreut werden und so berichtete von Koerber dem Aufsichtsrat der BMW SA im August 1977: „[…] the present importer had an anti-South African attitude.“666 Zugleich hatte die Münchner Zentrale jedoch eine weitgehende, fast rabiate Lösung für dieses Problem gefunden und in die Wege geleitet: Da die Überzeugungsarbeit bei dem australischen Importeur nicht zu dem erhofften Erfolg in Form einer Kooperation mit der BMW SA führte, wurde stattdessen die Übernahme der restlichen 90 Prozent an der australischen Gesellschaft durch die BMW AG angestrebt. Bereits im September 1974 hatte sie erwogen, ihr Engagement in Australien anhand einer Anteilserhöhung an der in Zusammenarbeit mit dem australischen Importeur gehaltenen Vertriebsgesellschaft BMW (Australia) Pty. Ltd. auszubauen.667 Diese Pläne wurden jedoch vorerst zurückgestellt, da zunächst andere vertriebsstärkere bzw. bedeutendere Märkte wie etwa die USA in den Fokus rückten und aus Sicht der Liquidität nur ein schrittweiser Ausbau des weltweiten BMW-Vertriebsnetzwerks durch Gründung weiterer Dependancen umgesetzt werden konnte.668 Vor diesem Hintergrund wurde die vollständige Übernahme der BMW (Australia) Pty. Ltd. vorerst verschoben. Die BMW AG behielt sich jedoch vertraglich das Recht vor, die restlichen Anteile an der Gesellschaft ohne juristische Hürden zu einem späteren Zeitpunkt übernehmen zu können.669 Der vollständige Übertrag der ver­ 663 

Vgl. Importeurverträge, in: BMW UA 1983/1. Resolution of Directors of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 08. 09. 1976, in: BMW UA 2018/1. 665  Vgl. Importeurverträge, in: BMW UA 1983/1. 666  Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., (informal meeting) 10. 08. 1977, in: BMW UA 2018/1. 667  Vgl. Aktennotiz vom 12. 09. 1974, in: BMW UA 1827/1. 668  Vgl. Interview von Kuenheim, 07. 11. 2012. 669 Vgl. Aktennotiz „Anteilserwerb der BMW (Australia)“ vom 17.  03. 1978, in: BMW UR 40/1. 664  Vgl.

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5.  BMW in Südafrika

bleibenden Anteile wurde 1978 eingeleitet und der Vertrag zur Übernahme der BMW (Australia) Pty Ltd. durch die Finanzholding der BMW AG, die BMW (US) Holding Corp., am 31. Dezember 1978 unterschrieben und zum 1. Januar 1979 rechtswirksam.670 Bereits 1978 zeichnete sich ab, dass Meatchem, Marketing Director der BMW SA, neuer Managing Director der BMW (Australia) Pty Ltd. werden sollte;671 dieser Entschluss wurde zum Sommer 1979 umgesetzt, was die anvisierte enge Bindung zwischen der südafrikanischen und australischen Tochter weiter hervorhob.672 Zugleich unterstrich der BMW-Vorstand erneut, dass neben den bereits angelaufenen Exportverhandlungen mit afrikanischen Staaten und Ländern im Nahen Osten alle Anstrengungen zu unternehmen waren, weitere Exportmärkte für die BMW SA zu öffnen, wofür insbesondere die südostasiatischen Märkte und Ozeanien, hierunter vor allem Australien, Neuseeland, Hongkong und Malaysia, attraktiv erschienen.673 Mit der Ausfuhr von in Südafrika gefertigten Fahrzeugen sollte so schnell wie möglich begonnen werden. Eine Versorgung des australischen Marktes mit Fahrzeugen aus Südafrika erschien allerdings nach Ansicht der Geschäftsleitung der BMW (Australia) Pty. Ltd. erst innerhalb eines Jahres nach Gründung der neuen Vertriebsgesellschaft ­realisierbar.674 Die Realität blieb letztlich hinter dieser Einschätzung aus mehreren Gründen zurück: Zum einen sorgten restriktive institutionelle Rahmenbedingungen der australischen Regierung für eine signifikante Regulierung der Automobilimporte, die sich auch Anfang der 1980er Jahre fortsetze. Nicht nur waren für ausländische Hersteller lediglich 20 Prozent des Gesamtmarktes über Importlizenzen überhaupt zugänglich, darüber hinaus wurde ein Importzoll von rund 58 Prozent erhoben.675 Die australische BMW-Tochter konnte zwar 1980 gegenüber dem Vorjahr, dem ersten Geschäftsjahr seit i­hrer Übernahme, eine Zulassungssteigerung von 46 Prozent auf etwa 1 900 Einheiten erzielen,676 hierunter waren jedoch keine Fahrzeuge aus Südafrika. Tabelle 72 enthält die Produktions-, Absatz- sowie Exportzahlen der BMW SA aus den Geschäftsjahren 1975 bis 1981.677 Die Anspannungen auf 670 Vgl. Schreiben von der BMW-Rechtsabteilung (AJ-1), Dr. Holzapfel, an den Rechtsanwalt Dr. Herzer in Zürich vom 03. 12. 1979, in: ebd. 671  Vgl. Schreiben der Kanzlei Stephen, Jaques & Stephen an die BMW-Rechtsabteilung (AJ-1), Dr. Holzapfel, vom 27. 12. 1978, in: ebd. 672  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 29. 02. 1980, in: BMW UA 2018/1. 673  Vgl. Protokoll Nr. 4/79 der Vorstandssitzung vom 06. 02. 1979, in: BMW UA 1447/1. 674  Vgl. Protokoll Nr. 10/79 der Vorstandssitzung vom 24. 04. 1979, in: ebd. 675  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1981, 1982, in: BMW UU 228/10. 676  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1980, 1981, in: BMW UU 226/10. 677  An dieser Stelle muss noch einmal explizit darauf hingewiesen werden, dass das Berichtsjahr der BMW SA vom Kalenderjahr abwich und vom 01. 03. bis zum 28./29. 02. eines jeden Jahres reichte. Aufgrund dieses unterschiedlichen Bemessungs-

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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dem südafrikanischen Automobilmarkt begannen sich 1979 allmählich aufzulösen und so konnten viele Hersteller ein deutliches Absatzplus verzeichnen, worauf bereits in Abschnitt 5.4.1 eingegangen wurde. BMW hatte bereits in den Jahren zuvor, mit Ausnahme des Geschäftsjahres 1976, eine positive Entwicklung durchlaufen, was auf die vergleichsweise geringen Verkäufe in den ersten Jahren der BMW SA zurückzuführen war und somit auf ein vergleichsweise kleines Ausgansvolumen. Der Münchner Hersteller verfügte demnach noch über wesentliche Potentiale auf dem Markt, die durch die Aufwertung und Ausweitung des PKW-Modellspektrums aktiviert werden konnten. Im Geschäftsjahr 1976 wurde ein leichter Absatzrückgang verzeichnet, da die Inflation in dieser Zeit mit 17,4 Prozent ihren zwischenzeitlichen Höhepunkt erreichte (vgl. Kapitel 5.4.1, Abbildung 51). Zwischen 1975 und 1981 stiegen die BMW-Verkäufe in Südafrika um 141 Prozent auf 15 742 Einheiten. Des Weiteren wird ersichtlich, dass die Fertigungskapazitäten des Werks in Rosslyn der beschränkende Faktor im Absatzgeschäft war, denn ab 1977 hätte die BMW SA – auch unter Berücksichtigung des Exportprogrammes – mehr Fahrzeuge verkaufen können, als produziert wurden. Die fehlenden Wagen wurden, insofern dies möglich war, durch zusätzliche Importe aus den deutschen BMW-Werken ausgeglichen. GJ 1975 GJ 1976 GJ 1977 GJ 1978 GJ 1979 GJ 1980 GJ 1981 Gesamtproduktion Absatz davon Export

6 698 6 531 0

6 201 5 821 0

7 951 7 946 1 049

8 700 8 857 1 312

10 839 11 115 1 249

13 142 13 337 0

15 927 15 742 0

Tabelle 72: Kennzahlen über Produktion und Absatz von PKW (Stückzahl) der BMW (South ­Africa) (Pty) Ltd., 1975–1981.678

Tabelle 72 zeigt weiterhin, dass die weitreichenden Pläne für das Ausfuhrgeschäft der BMW SA, mit der Ausnahme einer kurzen exportorientierten Phase zwischen 1977 und 1979, nicht realisiert werden konnten. Diese Tendenz setzte sich im Verlauf der 1980er Jahre fort. Die Pläne für das Geschäft mit großangelegten Exporten aus der Republik am Kap erfuhren aus drei wesentlichen Gründen keine Realisierung: Mit den zunehmenden Unruhen und Spannungen zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen in Südafrika, die aus der Apartheidpolitik sowie der Uneinsichtigkeit der südafrikanischen Regierung resultierten, wuchs seit Ende der 1970er die internationale Verurzeitraums kam es unter anderem zu unterschiedlichen Angaben in Bezug auf Absatzzahlen usf.: Während die BMW SA ihre Darstellungen vornehmlich nach ihrem Geschäftsjahr richtete, bevorzugte die BMW AG Darstellungen im Sinne des Kalenderjahres, das ihrem Geschäftsjahr entsprach. 678  Vgl. Eckdaten Südafrika 1975–1984 vom 24. 04. 1984, in: BMW UA 2024/2. Die Angaben in dieser Tabelle spiegeln nicht die Werte aus Abbildung 52 (vgl. Abschnitt 5.4.1) wider, da hier die Zahlen nach Geschäftsjahren aufgeführt werden. Des Weiteren liegen in Tabelle 72 die Absatzzahlen zugrunde, nicht die Zulassungen.

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5.  BMW in Südafrika

teilung der Apartheid, die ebenfalls in wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen oder zumindest einer allgemeinen Skepsis gegenüber Waren aus Südafrika zum Ausdruck kam. Diese gesellschaftspolitischen Ereignisse entzogen den Exportambitionen der BMW SA sukzessive die Grundlage. Des Weiteren war 1979 die Automobilnachfrage auf dem südafrikanischen Markt stark angestiegen und hatte sowohl die Zulassungszahlen des Gesamtmarktes als auch der BMW SA überdurchschnittlich hoch steigen lassen (vgl. Kapitel 5.4.1, Abbildung 52). Dieser Trend, der Ende der 1970er Jahre von vielen Herstellern, darunter auch, wie bereits geschildert, Fiat, nicht antizipiert worden war, setzte sich auch zu Beginn der 1980er Jahre fort. So berichtete der Managing Director der BMW SA von Koerber resümierend über das Geschäftsjahr 1980: “The chairman further reported that exports were stopped during the year as our ­production capacity could not cope with the domestic demand, however, the parent company was able to take over.”679

Die Pläne für das Exportprogramm der BMW SA in den 1970er Jahren, die auch von der Zentrale in München unterstützt worden waren, hatten, trotz der bei weitem nicht in dem ursprünglich geplanten Umfang umgesetzten Ausfuhren, in mehrfacher Hinsicht zur weiteren Etablierung des südafri­ kanischen Vertriebs- sowie Produktionsstandortes geführt: Die BMW AG hatte sich nach langem Abwägen der Argumente für eine langfristige Unterstützung der Tochtergesellschaft entschieden und – unter anderem vor dem Hintergrund des potentiellen Ausfuhrgeschäftes – weitere Investitionen zum Ausbau der Fertigungskapazitäten des Werks in Rosslyn bewilligt. Des Weiteren hatten die Exportambitionen ebenso zu einer deutlichen Aufwertung des Qualitätsniveaus der in Südafrika gefertigten Fahrzeuge geführt, um den weltweiten Export überhaupt zu ermöglichen. Diese höhere Fertigungsqualität gab wiederum dem Image auf dem durchaus als anspruchsvoll zu bezeichnenden Heimatmarkt der BMW SA Auftrieb. Es wurde fernerhin beeinflusst durch die positive Perzeption des Exportprogrammes der BMW SA in der südafrikanischen Öffentlichkeit, die auf den Stolz der Südafrikaner zurückzuführen war, dass ein südafrikanischer Standort erreicht hatte, hochqualitative Produkte weltweit zu exportieren: “A quality motor vehicle is a sophisticated manufactured product: the ability of a South African company to produce such an item for export represented an important stage in the country’s industrial growth.”680

Überdies hatte das Exportprogramm der BMW SA, gleichwohl es aus den bereits aufgeführten Gründen in den 1980er Jahren zunächst eingestellt wurde, zu ersten Überlegungen im Sinne einer weiteren Einbindung des südafri679 Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 680  Zeitungsbericht der SAFTO “Exporter of the Month BMW”, 05. 1979, in: BMW UA 2001/1.

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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kanischen Werks in den weltweiten Produktionsverbund geführt, der sich im Ausland aus Montagestandorten zusammensetzte, der von externen Partnern betrieben wurde.681 Auch wenn die BMW AG erst 1994 mit dem Werk ­Spartanburg in den USA ein BMW-eigenes Vollwerk außerhalb Deutschlands errichtete, begann mit dem ersten unternehmenseigenen Montagestandort in Rosslyn ein Umdenken in der BMW-Zentrale im Hinblick auf die Wahrnehmung internationaler Produktionskapazitäten und ihrer wechselseitigen Verflechtung. In diesem Sinne entwickelte sich das Münchner Unternehmen im Anschluss an den dieser Arbeit zugrundeliegenden Beobachtungszeitraum allmählich zu einem global denkenden und handelnden Konzern. Im Jahre 1981 bewertete der Vorstand der BMW AG den südafrikanischen Automobilmarkt und die hiermit zusammenhängenden weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der BMW SA als sehr positiv. Bei einem seit 1972 auf dem südafrikanischen PKW-Markt nahezu gleichbleibenden Segment des „Luxury Market“ mit circa 5 300 bis 5 500 Einheiten im Jahr und dem leicht angestiegenen „Executive Market“ von jährlich rund 46 400 (1972) auf etwa 52 000 (1981) konnte der BMW-Anteil durch die Aufwertung des Modellprogramms erheblich gesteigert werden und erreichte im Sommer 1981 in beiden Segmenten zusammen etwa 20 Prozent.682 5.4.6.  Kommunikationspolitik In den Anfangsjahren der BMW SA agierte die südafrikanische Tochter hinsichtlich ihrer Marketingkommunikation noch verhältnismäßig autark gegenüber der Muttergesellschaft. Dies war vor allem darin begründet, dass das Management in München seinen Fokus zunächst auf die Behebung der vordringlichsten Problemlagen setzte, die vor allem im Werk, dem Ausbau des Händlernetzes sowie in der Gestaltung des automobilen Modellprogrammes zu finden waren. Die externe Kommunikation wurde durch die Verkaufsabteilung abgewickelt, eine eigenständige Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit gab es in den Anfangsjahren der BMW SA noch nicht. Auch die Verkaufsabteilung war 1974 noch sehr klein und bestand aus nur zwei Mitarbeitern.683 Der für den Export zuständige Münchner Vertrieb beobachtete zwar die 681  Mit

der Auflösung des Apartheidregimes im Jahre 1994 sowie der Etablierung einer Demokratie, die allen Bevölkerungsteilen offen stand, kehrte Südafrika in die internationale Staatengemeinschaft zurück, auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Die BMW SA begann somit erst 1994 wieder mit dem Export von BMW-Fahrzeugen aus dem Werk Rosslyn. Die erste Verschiffung von 500 BMW 3er (E 36) nach Australien erfolgte 1994, vgl. Werksbroschüre „Plant Rosslyn, South Africa, The Fascination of Production.“, 08. 2002, in: BMW UA 2004/1. 682 Vgl. Protokoll Nr. 25/81 der Vorstandssitzung vom 28. 07. 1981, in: BMW UA 1444/1. 683 Vgl. Reisebericht Südafrika des BMW-Vertriebsvorstands Lutz, 21.–25. 01. 1974, in: BMW UA 1993/1.

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Marketingaktivitäten der BMW SA und versuchte, diese bis zu einem gewissen Grad zu lenken, griff dabei jedoch anfangs nicht maßgeblich ein. Dies war auch auf die ohnehin enge Verbindung zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft zurückzuführen, da letztere stets durch eine aus der Zentrale entsandte, dem Münchner Management in der Regel nahestehenden Führungskraft geleitet wurde. Ferner lag das Hauptaugenmerk des Stammhauses bei der Koordination der internationalen Werbetätigkeiten bis Ende der 1960er Jahre noch vornehmlich auf dem europäischen Raum.684 Zwar erteilte die Zentrale Hinweise zur Steuerung, insbesondere im Anschluss beispielsweise eines Besuchs einer Expertendelegation aus Deutschland, doch wurden die Geschäftsbereiche Einkauf und Logistik, Produktion sowie Verkauf bis Mitte der 1970er Jahre gegenüber kommunikativen Aspekten stärker priorisiert und vorrangig die dortigen Problemlagen adressiert. Die Absprachen im Hinblick auf die Kommunikationsarbeit der BMW SA erfolgten situativ und wurden, je nach thematischem Schwerpunkt, auf der obersten Führungsebene abgehalten. Bei der Übernahme des Importeurs ERAD wurde rasch deutlich, dass der Marketingbereich des Unternehmens zwingend einen fähigen Manager brauchte, der ein umfassendes Verkaufskonzept erarbeitete und hierbei ebenfalls die nachhaltige Stärkung der Handelsorganisation berücksichtigte. Die Händler hatten infolge diese Maßnahmen umzusetzen, um in einem weiteren Schritt einen einheitlichen Auftritt zu gewährleisten und somit auf einen homogenen Markenauftritt einzuzahlen. Ebenso sollte für die künftig durchzuführenden Marktanalysen und Statistiken in Südafrika ein Mitarbeiter eingesetzt und der Verkaufsaußendienst neu organisiert werden. Fernerhin sah es der BMW-Vertriebsvorstand Lutz 1972 als dringend notwendig an, die lokale und nationale Werbung in Südafrika von dem Marketingbereich vor Ort ­koordinieren zu lassen, was zugleich einen signifikanten Ausbau der lokalen Werbeabteilung bedeutete.685 Hierbei spiegelte sich das Vorgehen der BMW AG während der 1970er Jahre wider, international zwar ein homogenes Bild der Marke und des Unternehmens generieren zu wollen und dies durch die Bereitstellung von Dachkampagnen in der Werbung sicherzustellen, den Vertretungen allerdings so viel Spielraum in der Kommunikationsarbeit einzuräumen, so dass diese ihren Marketingmaßnahmen das entsprechende Lokalkolorit verleihen konnten (vgl. Kapitel 4.6). Im November 1972 hatte man für die Vertriebsleitung der BMW SA einen neuen Leiter gewinnen können, der zuvor bei der Mercedes Benz South Africa tätig gewesen war.686 Selbst Produktionsvorstand Koch, der ein kritischer Beurteiler der ­südafrikanischen Tochter war, schätzte diese personelle Besetzung bei einem seiner Besuche 684 

Vgl. Importeurstreffen in München vom 04. 11. 1971, in: BMW UA 1609/1. Aktennotiz „Absatzsituation Südafrika“ des BMW-Vertriebsvorstands Lutz vom 29. 06. 1972, in: BMW UA 1993/1. 686  Vgl. Protokoll Nr. 35/72 der Vorstandssitzung vom 23. 11. 1972, in: BMW UA 801/1. 685  Vgl.

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vor Ort als äußerst positive Entwicklung und Lichtblick bei der BMW SA ein: „Einen guten Eindruck hinterließen die neuen Leute für Marketing und Einkauf; aber auch diese Herren müssen praktisch bei 0 anfangen, was den Aufbau einer funktionstüchtigen und ergebnisträchtigen Organisation angeht.“687

Für die Ausarbeitung von Werbekonzeptionen hatte die Geschäftsleitung des Importeurs ERAD vor der Übernahme eine Agentur namens „Robertson & Robertson“ engagiert, um für die BMW-Erzeugnisse in Südafrika zu werben.688 Die BMW AG zeigte sich jedoch mit dieser Arbeit nicht zufrieden und wechselte die Agentur nur wenige Monate nach Gründung der BMW SA. BMW-Vertriebsvorstand Lutz äußerte sich hierzu wie folgt: „Die alte und sehr schwache Agentur wurde ausgetauscht gegen eine neue, die die jüngste, kreativste und erfolgreichste Agentur in Südafrika sein soll. Die Leute erreichen durch auffällige und sogar ausgefallene Werbung einen unwahrscheinlich hohen Aufmerksamkeitsgrad und haben dadurch schon beachtliche Erfolge gehabt. Allerdings muss man darauf achten, dass es im Rahmen des guten Geschmacks bleibt. Insgesamt habe ich die ‚004‘-Einführungskampagne im Prinzip genehmigt, allerdings mit der Auflage, dass sie geschmacklich noch überarbeitet wird. Man ist sich [im Klaren, Anm. d. Verfasserin] darüber, dass die Kampagne ein gewisses Kommunikationsrisiko beinhaltet. Sie kommt entweder hervorragend an oder aber hat eine negative Auswirkung auf unser Image. BMW S.A. und ich halten das Risiko für vertretbar.“689

Dieses Zitat von 1973 unterstreicht, dass die Werbung zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf einer umfassenden Untersuchung des südafrikanischen Marktes im Sinne einer ganzheitlich angelegten Marktforschung fußte, sondern vielmehr auf Einschätzungen und Sympathien der Entscheidungsträger zurückzuführen war. Das BMW-Management zeigte sich hier ungewöhnlich risikofreudig im Hinblick auf die Außendarstellung des Unternehmens. Das Image der Marke war produktseitig durch die „Zwittermodelle“ der späten 1960er und frühen 1970er Jahre negativ beeinflusst worden. Mit einer frischen Kampagne sollte eine deutliche Abgrenzung zu dieser Zeit vollzogen werden. Aufgrund der Tonalität der neuen Werbekampagne, die in ihrem Kern nicht dem Markenimage von BMW zu entsprechen schien, und der antizipierten Aufmerksamkeit, die sie hervorrufen würde, sprach sich Produktionsvorstand Koch gegen diese neue Kampagne aus, die von Lutz und der Leitung der BMW SA zuvor befürwortet worden war: „Eine aggressive Werbung auf dem Südafrikanischen Markt, wie sie z. Zt. vorgesehen ist, scheint mir angesichts der desolaten Zustände im Betrieb und den damit verbun687  Situationsanalyse

Südafrika des BMW Vorstands für Fertigung und Planung, Produktion (Koch), Reisebericht 17.–20. 06. 1973, 25. 06. 1973, in: BMW UA 1993/1. 688 Vgl. Schreiben „Export-Marketingtagung 1970“ von VMW-20 an VEL vom 12. 08. 1970, in: BMW UA 1596/1. 689  Gesprächsanalyse Südafrika-Reise des BMW-Vertriebsvorstands Lutz vom 12. 06. 1973, in: BMW UA 1993/1. Leider liegt die hier angesprochene Werbekampagne nicht in den Quellenbeständen vor.

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denen Qualitätsergebnissen nicht angebracht, zumal unsere Probleme sicher auch dem Wettbewerb nicht ganz unbekannt sein dürften.“690

Da keine weiteren Unterlagen zu dieser Werbekonzeption vorliegen, kann leider nicht abschließend rekonstruiert werden, ob sie letztlich durchgeführt wurde. Da allerdings der BMW-Vorstandsvorsitzende als ein Fürsprecher von moderaten, dem Image der Marke entsprechenden Werbebotschaften galt und sicherlich in die Diskussion involviert wurde, ist davon auszugehen, dass diese Kampagne nicht umgesetzt wurde. Die hier nachgezeichnete Diskussion zeigt jedoch, dass die Abstimmungsprozesse zwischen der Zentrale und der Tochter noch keineswegs institutionalisiert waren und in der Regel noch situativ entschieden wurden. Zugleich wird auch ersichtlich, in welchem Maße sich die BMW-Geschäftsleitung in die Geschicke der südafri­ kanischen Beteiligung einbrachte und viele Entscheidungen auf oberster Führungsebene in einem direkten Dialog zwischen München und Rosslyn getroffen wurden. Mit der steigenden Nachfrage – der BMW-Marktanteil war 1975 in Südafrika innerhalb eines Jahres um einen Prozentpunkt auf 2,3 Prozent gestiegen691 – kam es temporär zu einer bis dato für die BMW SA ungewohnten Situation, da aufgrund der hierdurch entstandenen Lieferengpässe in demselben Jahr die Werbung für BMW-Fahrzeuge zwischenzeitlich auf ein „lowkey level“ runtergefahren wurde, um die Nachfrage nicht noch weiter anzuregen;692 erstmals konnte die BMW SA diese nicht durch die eigenen Produktionskapazitäten des Montagewerkes in Rosslyn decken. Neben klassischen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit versuchte die südafrikanische BMW-Tochter auch über einen verbesserten Service in dem Bereich Aftersales zu einer stärkeren Kundenbindung zu gelangen. In diesem Punkt waren deutliche Missstände zutage getreten, als die BMW AG eine Prüfung der südafrikanischen Handelsorganisation hatte durchführen lassen (vgl. 5.4.5). Eine Maßnahme, um den Service auch nach dem Fahrzeugverkauf aufrechtzuerhalten, bestand in der Einführung einer zwölfmonatigen Garantie mit unbegrenzten Kilometern, die im Oktober 1975 initiiert wurde. Neben der BMW SA boten lediglich drei weitere Hersteller – Daimler-Benz, Volvo und Volkswagen – in Südafrika einen derartigen Service an.693 Dies entsprach der weltweiten Handhabe der BMW AG, den Aftersales-Bereich in ihren Exportmärkten zu verbessern, denn auch in anderen Ländern, wie etwa in den USA, hatte das am Eigennutz ausgerichtete Interesse der Impor690  Situationsanalyse

Südafrika des BMW Vorstands für Fertigung und Planung, Produktion (Koch), Reisebericht 17.–20. 06. 1973 vom 25. 06. 1973, in: ebd. 691  Vgl. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1974, 1975, in: BMW UU 202/10; Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1975, 1976, in: BMW UU 205/10. 692  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 30. 10. 1975, in: BMW UA 2018/1. 693  Vgl. ebd.

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teure und Händler, das sich primär an dem Verkauf der Fahrzeuge orientierte und somit den kostspieligen Kundendienst im Anschluss vernachlässigte, zu geminderten Absatzzahlen und zur Verärgerung der Käuferschaft geführt (vgl. Kapitel 4.5.2). Die neuen Angebote in der Kundenbetreuung wurden von der südafrikanischen Tochter in der Kommunikation aufgegriffen. Der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gewann Mitte der 1970er Jahre im Kontext des südafrikanischen Standortes und der dort schwelenden politischen sowie sozialen Spannungen sowohl für die BMW SA als auch für das Stammhaus in München entscheidend an Bedeutung. Mit der wachsenden Kritik an dem Apartheidregime, die mit dem Soweto-Aufstand 1976 und ­seiner brutalen Niederschlagung eine neue Intensität erreicht hatte, und der hiermit einhergehenden weltweiten Aufmerksamkeit gegenüber der südafrikanischen Republik einerseits sowie dem Engagement internationaler Unternehmen vor Ort andererseits wurde die Offenlegung der eigenen Firmenpolitik im Sinne einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit zu einer essentiellen Stellgröße. Diese Entwicklung wurde durch institutionelle Regelungen wie die Verabschiedung des Verhaltenskodex durch die Europäische Gemeinschaft und internationalen Forderungen im Sinne von Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Apartheidregime weiter forciert.694 Das Engagement von Akteuren der Ökonomie in Südafrika konnte nicht länger einzig durch unternehmerisches Denken geprägt sein, vielmehr forderte die Öffentlichkeit eine moralische Verantwortung der Konzerne ein. Insofern wurde die Er­ füllung dieser Verantwortung zugleich zu einem Faktor unternehmerischen Denkens und Handelns selbst. Denn die Wahrnehmung dieser gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen konnte von der Wirtschaft wiederum durch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit nach außen transportiert werden. Dies war von entscheidender Bedeutung, denn letztlich hatte das Image einer südafrikanischen Tochtergesellschaft nicht nur entscheidenden Einfluss auf ihre eigene Geschäftsentwicklung, sondern beeinflusste ebenfalls das Image und die internationale Wahrnehmung des Mutterkonzerns über die südafrikanischen Landesgrenzen hinaus. Dieser erhöhte gesellschaftliche und politische Druck führte, im Zusammenspiel mit der Wirtschaftsrezession sowie den steigenden Anforderungen im Rahmen des Local-Content-Programmes, in der Automobilbranche zu vermehrten Devestitionen zahlreicher Firmen. “By the mid-1980s, apartheid was a hot political issue in the United States. City and State Governments across the country threatened to stop purchasing from American companies doing business in South Africa.”695

694  Für weiterführende Details zur Sanktionspolitik gegenüber Südafrika, vgl. Coker, Christopher (1981): Collective Bargaining as an Internal Sanction. The Role of U.S. Corporations in South Africa, in: The Journal of Modern African Studies, Vol. 19, No. 4, pp. 647–665, hier pp. 649–653; Hefeker/Menck, Sanktionen?; Easum, United States Policy. 695  Duncan, Foreign and local investment, S. 73.

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So zogen sich beispielsweise Chrysler und Illings bereits 1976 aus dem süd­ afrikanischen Markt zurück, gefolgt von weiteren Herstellern wie etwa Fiat (1980), Alfa-Romeo (1985), Ford (1985–1988) oder auch General Motors (1986), womit sich insbesondere die großen US-Automobilhersteller, mit der bis dato längsten südafrikanischen Tradition, aus der Kap-Republik zurückzogen.696 Im Gegensatz zu den US-Konzernen nahmen in den Jahren zwischen 1978 und 1981 die Direktinvestitionen deutscher Firmen laut Spandau sogar deutlich zu. Die Bundesrepublik exportierte im Jahre 1982 Waren und ­ Dienstleistungen nach Südafrika im Wert von 1,6 Mrd. DM und war somit der wichtigste ausländische Lieferant. Hierbei wurden vor allem Fahrzeuge, Maschinen sowie maschinelle Ausrüstungen, elektrotechnisches Material und chemische Produkte ausgeführt.697 Bei dieser beachtenswerten ­Intensivierung der Direktinvestitionen in Südafrika waren die deutschen Firmen umso mehr in der Pflicht, ihre Unternehmenspolitik nach westlichen Maßstäben im Sinne des Verhaltenskodex der EG auszurichten, insofern sie einen nachhaltigen Imageschaden durch ihre Geschäftstätigkeit am Kap vermeiden wollten.698 Es nahm also auch gegenüber deutschen Firmen mit Vertretungen in Südafrika die öffentliche Diskussion und die Berichterstattungen der Medien zu. Das Interesse der internationalen Presse war ausgesprochen hoch und wurde bei BMW primär durch die Kommunikationsabteilung der BMW-Zentrale adressiert, die hierbei wiederum von der BMW SA unterstützt wurde. Die Tochtergesellschaft ließ ihr umfangreiche Details und Situationsberichte zukommen, aus denen die Münchner Kommunikationsabteilung Pressemeldungen formulierte und Fragen der Medien beantwortete.699 Auch für die Hauptversammlungen wurden Antwortkataloge für das Themengebiet rund um das BMW-Engagement in Südafrika erstellt, die ebenfalls die Arbeits­ bedingungen der schwarzen und farbigen Belegschaftsangehörigen bei der BMW SA beleuchteten.700 Im Falle der südafrikanischen BMW-Tochter sorgten die veränderten innen- sowie außenpolitischen Gegebenheiten zu einem Wandel innerhalb der Unternehmenskommunikation: Hatten sich die Marketingmaßnahmen in

696 

Vgl. ebd., S. 70–74. Vgl. Spandau, Arnt: Südafrika und der Westen, Reutlingen 1983, S. 23. 698  Genügten demnach moralische Bedenken sowie ein gesamtgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein zu einer mit dem Verhaltenskodex konformen Unternehmensführung noch nicht aus, so konnten zumindest unternehmerische Gründe manche Firmen dazu bewegen, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und so zumindest in dem Mikrokosmos ihres Unternehmens die Apartheid zu begrenzen. 699  Quellen der lokalen Kommunikationsarbeit der BMW SA aus den 1970er Jahren liegen leider nicht vor. 700  Vgl. Fragen- und Antwortkatalog der BMW AG an die BMW SA zu der Arbeitssituation schwarzer Belegschaftsangehöriger bei der BMW SA, 01. 09. 1978, in: BMW UA 2000/2. 697 

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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den ersten Jahren der Gesellschaft vor allem auf verkaufsfördernde Aspekte konzentriert, so wurde seit Mitte der 1970er Jahre zunehmend Wert auf die Außenwahrnehmung im Sinne imagefördernder Schritte sowie die Offenlegung des unternehmenspolitischen Engagements in Südafrika gelegt. In diesem Zusammenhang wurde nicht nur die externe, sondern auch die interne Kommunikation der BMW SA zu allen Mitarbeitern – schwarz wie weiß – weiter ausgebaut. Überdies gewann die Zusammenarbeit mit den Kommunikationsstellen in München aufgrund der internationalen Tragweite der Handlungen der BMW SA an Bedeutung: Immer häufiger wurden Stellungnahmen und Pressemeldungen gemeinsam oder nach Rücksprache ausgearbeitet. Insbesondere nach der Verabschiedung des europäischen Verhaltenskodex forderte die Münchner Zentrale eine regelmäßige Berichterstattung von der Geschäftsleitung in Rosslyn, um über die weiteren Fortschritte zum Abbau der Apartheid und Geschehnisse stets auf dem Laufenden zu bleiben; denn eine negative Publicity der BMW SA hatte unmittelbar nachteilige Auswirkungen auf den BMW-Konzern weltweit. Diese direkte Wechselwirkung war unter anderem im Frühjahr 1978 bei Bekanntwerden des Exportabkommens zwischen BMW und dem persischen Importeur deutlich geworden, das bis 1979 monatliche Lieferungen an den Iran von circa 150 bis 200 Automobilen vorsah (vgl. Kapitel 5.4.3 und 5.4.5). Diese Nachricht war aufgrund ihrer politischen Implikationen auf hohes mediales Interesse gestoßen, das weder die BMW AG noch die BMW SA antizipiert hatte und welchem sie äußerst unkoordiniert begegneten. So ließ die BMW SA zunächst dementieren, dass ein solches Abkommen existierte und stellte die Ausfuhr als eine einmalige Lieferung dar. Es war allerdings vorauszusehen, dass ein solches Dementi nicht lange aufrechtzuerhalten war. Ferner beeinflusste dieser Täuschungsversuch gegenüber der Presse das Image negativ, worunter die Glaubwürdigkeit des Gesamtunternehmens litt.701 Das Stammhaus in München war von der unkoordinierten eigenständigen Kommunikation der Geschäftsführung in Rosslyn überrascht worden. Dieser Vorfall sensibilisierte jedoch die zuständigen Fachstellen, dass zukünftig eine bessere Zusammenarbeit in der Kommunikation vonnöten war und dass die südafrikanische Tochter mit einem solch hochsensiblen Thema, auch aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit, nicht eigenständig ohne Abstimmung verfahren durfte. Eine derartige Kooperation im Bereich der Kommunikationsarbeit zwischen der Zentrale und der Tochter gewann, wie oben bereits skizziert, vor allem im Kontext des Verhaltenskodex entscheidend an Bedeutung. Im März 1979 hatte der Kirchliche Dienst der Arbeitswelt eine Studie ver­ öffentlicht, eine Dokumentation des Evangelischen Pressedienstes, die sich 701 

Vgl. Aktennotiz „Presseberichte über Exporte der BMW ZA“ von der Kommunikationsabteilung (AK-13) an den Verteiler der Verkaufs- sowie Kommunikationsabteilungen der BMW AG vom 03. 03. 1978, in: BMW UR 5835/1.

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5.  BMW in Südafrika

mit dem Verhalten deutscher Firmen in Südafrika auseinandersetzte.702 Dieser Bericht wurde vielfach in den Medien aufgegriffen und so kam es im selben Jahr zu äußerst kritischen Berichterstattungen über deutsche Unternehmen und ihre südafrikanischen Dependancen, hierunter auch BMW.703 Hieraufhin verfasste der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in der Bundesrepublik eine Gegenstellungnahme, da seiner Ansicht nach in dieser Studie ein „verzerrtes Bild“ gezeichnet werde.704 Doch auch die einzelnen Firmen erkannten, dass sie eine aktive Rolle in der öffentlichen Bericht­ erstattung einnehmen mussten, um Klarheit zu schaffen und die Vorwürfe entkräften zu können. Bei BMW kam es infolge zu einer verbesserten Abstimmung zwischen den Fachstellen der BMW SA sowie der Zentrale, die sich gegenseitig über neue Entwicklungen und Berichterstattungen informierten.705 Des Weiteren ar­ beitete die BMW SA gemeinsam mit der PR-Beratung Errol Fyfe (Pty) Ltd. (Fyfe) mit Sitz in Johannesburg eine Kommunikationsstrategie hinsichtlich der Situation der Schwarzen und ihrer Arbeitsbedingungen bei der BMW SA aus. Diese sah eine Kommunikation in mehreren Schritten vor, in denen die Arbeitsbedingungen offengelegt werden sollten, indem Vertreter der Presse in das Werk Rosslyn eingeladen werden und zu allen Bereichen ungehinderten Zutritt haben sollten. Dies schloss sowohl die lokalen als auch die deutschen sowie weitere internationale Medien ein, die in Rücksprache mit dem damaligen Kommunikationsleiter der BMW AG, Avenarius, eingeladen wurden. Darüber hinaus sollten auch die Mitarbeiter und ihre Familien mittels einer direkten Kommunikation weiter eingebunden werden. Die PR-Strategie zielte also nicht auf eine Verschleierungstaktik oder auf eine Besserstellung der eigentlichen Verhältnisse bei der BMW SA, sondern vielmehr auf eine noch gezieltere Offenlegung der Arbeitsbedingungen und -verhältnisse. Der Öffentlichkeit sollten ungeschönt die bereits erreichten Ziele im Rahmen des Verhaltenskodex vorgestellt werden.706 Die BMW-Geschäftsleitung hatte erkannt, dass diese wichtigen Fortschritte bei einer mangelnden Öffentlichkeitsarbeit untergingen und deshalb eigeninitiativ kommuniziert werden mussten. Die BMW AG leitete hier eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit ein: So wurden ab 1979/80 regelmäßig Pressemeldungen mit dem Titel „BMW in Südafrika“ über die Aktivitäten von BMW in der Republik am 702  Der Titel dieser Studie lautete „Deutsche Firmen in Südafrika: Das Dilemma mit dem EG-Kodex“, vgl. Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Firmen in Südafrika, S. 3. 703 Vgl. [o.  V.]: Unheimlich überlegen, in: Der SPIEGEL, Jg.  33, Nr.  12 vom 19. 03. 1979; Pressemeldungen 1979, in: BMW UA 2000/2. 704  Vgl. Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Firmen in Südafrika. 705  Vgl. Schriftwechsel zum Presseecho von 1979, in: BMW UA 2000/2. 706  Vgl. Strategiepapier der PR-Beratung Errol Fyfe (Pty) Ltd. vom 15. 02. 1979, in: ebd.

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Kap veröffentlicht.707 Fernerhin wurde die weitere Berichterstattung über das Engagement von BMW in der südafrikanischen Republik zu einem feststehenden Teil des Geschäftsberichtes der BMW AG, so dass etwa im Bericht über das Geschäftsjahr 1979 eine bebilderte Reportage über das neue Trainingszentrum der BMW SA integriert wurde.708 Auch in den folgenden Jahren kam es im Kontext der internationalen ­Kritik an dem südafrikanischen Apartheidregime regelmäßig zu kritischen Berichterstattungen über in Südafrika tätige Firmen, wobei die BMW SA im Vergleich zu anderen deutschen Vertretungen aufgrund ihrer offenen Kommunikationsarbeit nicht im Zentrum der Kritik stand. In den Jahren 1980 und 1981 wurde erneut ein Bericht des Evangelischen Pressedienstes über die Implikationen des EG-Verhaltenskodex für deutsche Unternehmen veröffentlicht, die von den Medien aufgenommen wurden und ebenso kritische Gegenstimmen hervorriefen wie 1979.709 Die BMW SA setzte ihre im Jahre 1979 mit der Agentur Fyfe ausgearbeitete PR-Strategie fort und suchte auch weiterhin, das eigene unternehmerische Handeln ohne Beschönigungen offenzulegen. BMW zählte in mehrfacher Hinsicht zu den fortschrittlicheren Firmen hinsichtlich des Abbaus der Apartheid im eigenen Betrieb (vgl. Kapitel 5.4.2).710 So wurden auch weiterhin Journalisten nicht nur von der lokalen, sondern auch von der deutschen Presse nach Rosslyn eingeladen, um sich vor Ort selbst von den Arbeitsbedingungen der schwarzafrikanischen Belegschaftsangehörigen bei der BMW SA ein Bild zu machen.711 Im Jahre 1981 weitete die BMW AG in Kooperation mit der BMW SA ihre eigene Publizität im Zuge der Veröffentlichung der dritten Studie des Evangelischen Pressedienstes über das Verhalten deutscher Firmen in Südafrika noch weiter aus. Unter anderem erwog die BMW SA, eine Sonderausgabe der Mitarbeiterzeitung „dixi“ mit dem Abdruck des EG-Kodex und des entsprechenden Berichtes der Bundesregierung sowie einen Sonderaushang am Schwarzen 707 

Vgl. diverse Pressemeldungen „BMW in Südafrika“, in: BMW UA 1996/1. Bericht der Bayerischen Motoren Werke über das Geschäftsjahr 1979, 1980, in: BMW UU 224/10. 709  Vgl. [o. V.] (1981): „Sie bauen alles auf der Hautfarbe auf im Betrieb“. Schwarze Arbeiter über ihre Erfahrungen in der Zweigniederlassung eines deutschen Unternehmens in Südafrika, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Jg. 33, Nr. 128 vom 04. 06. 1981. 710  Dies wurde in einem Gespräch mit Seth Phalatse bestätigt, der berichtete: “BMW was always willing to give opportunities”, unabhängig von der Hautfarbe, hierzu Interview Phalatse, 20. 06. 2012. Da jedoch Schwarze zu dieser Zeit durch die Einschränkungen des Staates für gewöhnlich nur über einen eingeschränkten Zugang zu Bildung und somit über einen geringeren Bildungsstand verfügten, mussten sie weitaus härter arbeiten, um diese Chancen nutzen zu können. Auch hier zeigten sich die institutionellen Barrieren des Apartheidregimes. Seth Phalatse war seit 1980 als Personnel Officer bei der BMW SA und in den frühen 1980er Jahren für Arbeitsbeziehungen und -verhältnisse insbesondere der schwarzen Mitarbeiter zuständig. Später wurde er das erste schwarzafrikanische Mitglied des Board of Directors der BMW SA. 711  Vgl. Minutes of a Board of Directors’ Meeting of BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 25. 02. 1981, in: BMW UA 2018/1. 708  Vgl.

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Brett des Werkes in die Wege zu leiten. Ferner sollte der integrierte Betriebsrat dazu ermutigt werden, diese Berichte zu diskutieren und die Ergebnisse ebenfalls zu publizieren. Flankierende Maßnahmen zur kommunikativen Integration der weißen Mitarbeiter sollten ebenso eingeleitet werden, um allen Beschäftigten der BMW SA den europäischen Verhaltenskodex mitsamt seinen Implikationen für die Belegschaft näher zu bringen. Überdies wurde in Erwägung gezogen, die Herausgeber der dritten Studie zu einer Diskussion mit dem Managing Director der BMW SA einzuladen.712 Diese ab 1981 noch offensiver ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit des BMW-Konzerns im Hinblick auf sein Südafrika-Engagement verdeutlicht, dass die BMW SA – zumindest aus eigener Sicht – nichts zu verbergen hatte.713 BMW erwartetet in dieser Hinsicht durchaus auch negative Stimmen anderer deutscher Unternehmen: „Einzelne Firmen (Hoechst, Siemens) veröffentlichen Geschäftsberichte oder diesen ähnliche Berichte über ihre Aktivitäten in Südafrika. Solche Hochglanzbroschüren verfehlen jedoch unseres Erachtens ihren Zweck. Sie überzeugen nur bereits Überzeugte, werden jedoch von den Kritikern nicht akzeptiert. […] Wir werden die Kritik einiger Firmen auf uns ziehen, deren Verhältnisse eine Publizität vergleichbarer Größen­ ordnung verbieten. Dies ist hinzunehmen. Die südafrikanische Regierung und Öffentlichkeit werden stark reagieren. Weiterungen hieraus sind von hier aus nicht abzuschätzen. Flankierende Maßnahmen in Richtung auf die weiße Belegschaft bei ZA dürften unumgänglich sein, um Gegenreaktionen abzufangen. Unser Unternehmen wird sich darüber unterhalten müssen, wie sein erster Punkt in der Unternehmenspositionierung (aktualisierte Fassung vom April 1981) für Südafrika zu verstehen ist: ‚Die BMW AG mit ihren Tochtergesellschaften und Niederlassungen in aller Welt sind Teil unserer Gesellschaft. Sie arbeitet aktiv daran mit, diese Gesellschaft weiter zu entwickeln.‘“714

Dieses Zitat unterstreicht den offensiven und initiativen Umgang im Kontext des Engagements der südafrikanischen Tochter und der Offenlegung der Aktivitäten. Ferner zeigt es den engen Zusammenhang zwischen der BMW SA und der BMW AG, die auch in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar miteinander verbunden waren: Negative Schlagzeilen und Vorkommisse der Dependance mussten sich folgerichtig unmittelbar nachteilig auf das Image des gesamten Konzerns auswirken. Die hohe Brisanz, die dem Handeln in Südafrika zugrunde lag, wirkte zugleich als Katalysator bei der Professionalisierung sowie der weiteren Abstimmung der Öffentlichkeitsarbeit zwischen der BMW SA und der BMW AG. 712  Vgl. Aktennotiz „Südafrikapolitik unseres Unternehmens“ mit Bezug auf die kdaStudie „Das Dilemma mit dem Kodex III“ (AK-30) vom 05. 06. 1981, in: BMW UA 2000/2. Inwiefern alle diese Maßnahmen tatsächlich realisiert wurden, ist auf der Grundlage der vorliegenden Quellen leider nicht abzuleiten. 713  Auch über die südafrikanische BMW-Tochter hatte es Ende der 1970er Jahre negative Berichterstattungen gegeben, vgl. [o. V.] (1979): Unheimlich überlegen, in: Der SPIEGEL, Jg. 33, Nr. 12 vom 19. 03. 1979. 714  Aktennotiz „Südafrikapolitik unseres Unternehmens“ mit Bezug auf die kda-Studie „Das Dilemma mit dem Kodex III“ (AK-30) vom 05. 06. 1981, in: BMW UA 2000/2., in: BMW UA 2000/2.

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Die 1981 veröffentlichte kritische Studie fokussierte die Arbeiter der deutschen Tochtergesellschaften, deren Aussagen in vielerlei Hinsicht, auch nach Ansicht der Verfasser, der Wahrheit näherkamen, als die Wahrnehmung des Managements, deren Interessen sich vorrangig an unternehmerischen Maximen ausrichteten. Der Grundtenor der Ergebnisse war demnach laut den Verfassern der Studie geprägt durch eine Angst, die die Interviews mit den Arbeitern vor dem Hintergrund einer repressiven Stimmung auf dem Betriebs­ gelände maßgeblich beeinflusste – auch in den südafrikanischen ­Dependancen deutscher Töchter. Die Autoren der Studie kamen ebenso im Hinblick auf BMW 1981 zu einem kritischen Fazit, das sich nicht mit der Wahrnehmung der Geschäftsleitung der BMW SA deckte: „Die Studie sagt: ‚Man kann erschrecken darüber, wie nahtlos BMW sich im Bewusstsein der befragten Arbeiter in das atmosphärische Klima der südafrikanischen Gesellschaft einfügt … keinerlei Anzeichen dafür, dass BMW auch nur ansatzweise einen Freiraum von Repression und Angst – die Grundzüge der Apartheid – schafft, kein Anzeichen dafür, dass die Firma die Pionierfunktion ausfüllt, von der der Kodex meint, dass sie einen ausstrahlenden Effekt auf die Apartheidgesellschaft ausüben könnte.‘ Die Verfasser der Studie stellen zwar ‚mit Erschrecken‘ fest, ‚wie gut es BMW versteht, in der Öffentlichkeit dieses Bild zu verschleiern, das Bild, das die Arbeiter sehen.‘ Die kirchlichen Stellen werden jedoch alles tun, ein solches Bild zu verbreiten. Das Risiko einer politischen Diskreditierung in der Bundesrepublik Deutschland ist mit dem Risiko einer politischen Exponierung in der südafrikanischen Gesellschaftspolitik abzuwägen.“715

Die abschließende Feststellung des oben angeführten Zitats zeigt ferner, dass die Wahrnehmung der deutschen bzw. internationalen Öffentlichkeit von der südafrikanischen abweichen bzw. konträr zu ihr ausgerichtet sein konnte, die wiederum dem gesellschaftspolitischen Duktus des Apartheidregimes unterworfen war.716 BMW wurde durch die Studie des Evangelischen Pressedienstes aus dem Jahre 1981 wesentlich kritischer beurteilt, als dies durch das eigene Management selbst bewertet wurde. Die Führungskräfte waren allerdings vergleichsweise weit entfernt von der Lebenswelt und Wahrnehmung eines schwarzafrikanischen oder auch farbigen Arbeiters. Gegenüber anderen deutschen und ausländischen Unternehmen mit Standorten in Südafrika mochte also BMW fortschrittlich bei dem Abbau der Apartheid verfahren, was durch die proaktive Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit bestätigt wird, die auf eine gezielte Öffnung und Offenlegung ausgerichtet war. Zugleich zeigte der Bericht allerdings auf, dass noch ein weiter Weg zu beschreiten war, um das von der Studie geschilderte, noch immer von Angst geprägte Klima weiter zu verändern. In einem Bericht über die soziale Situation bei 715 Ebd. 716 

Es muss davon ausgegangen werden, dass die Kommunikationsarbeit der BMW SA gegenüber der einheimischen Öffentlichkeit einen anderen Schwerpunkt verfolgte, als dies gegenüber den internationalen Medien der Fall war. Da keine betriebsinternen Quellen zu der südafrikanischen Öffentlichkeitsarbeit der BMW SA vorliegen, kann diesem Gedanken in der vorliegenden Arbeit leider nicht weiter nachgegangen werden.

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der BMW SA fasste diese gegenüber der Zentrale in München wie folgt zusammen: „Integration der betriebstechnischen Voraussetzungen stellt Gemeinsamkeit der Menschen nicht automatisch her. ZA ist hartnäckig, wenn auch geduldig bemüht, traditionelle Strukturen zu überwinden, und hierbei weiter als die meisten deutschen Firmen im Lande. Politik der offenen Tür: Wir haben nichts zu verbergen. Regelmäßige Berichte an die Bundesregierung seit 3 Jahren. Die Forderungen des EG-Kodex nicht nur erfüllt: ZA wird die nach den Umständen jeweils fortschrittlichste erreichbare Praxis verwirklichen.“717

Diese Stellungnahme der BMW SA gegenüber der Muttergesellschaft umreißt die Bemühungen, die seitens des Managements unternommen wurden, um die soziale Situation der schwarzen und farbigen Arbeiter zu verbessern. Auch in den Folgejahren zeigte BMW eine Kommunikationspolitik der „offenen Tür“ und band die südafrikanische Tochter aktiv in die Öffentlichkeitsarbeit mit ein.

5.5 Zwischenfazit Die Gründung der südafrikanischen Tochtergesellschaft BMW SA im Jahre 1972 folgte keiner von langer Hand geplanten Strategie, sondern stellte eine Reaktion auf die finanzielle Unwegsamkeit dar, in der sich der südafrikanische Partner, die Hugh Parker Group, Anfang der 1970er Jahre befand. Eine Insolvenz des Importeurs- und Montagebetriebs hätte nicht nur den Verlust der Einflussnahme bedeutet, sondern ebenso der Investitionen, die zuvor in Form von Krediten und Sachanlagen von der BMW AG geleistet worden waren. Der südafrikanische Markt erlegte den ausländischen Automobilherstellern zwar Handelshemmnisse tarifärer sowie nicht-tarifärer Natur auf, zugleich bot er jedoch hervorragende Absatzchancen und die Aussicht, als zukünftiger Standort für Exporte – sowohl nach Übersee als auch innerhalb von Afrika – zu fungieren. Die seit den 1920er Jahren beständig wachsende Automobilindustrie am Standort Südafrika, der eine hohe Anziehungskraft zunächst vor allem auf die US-amerikanischen und später auch auf die europäischen und japanischen Hersteller ausübte, bot hohe Synergieeffekte durch ihre sogenannten Unternehmenscluster in mehreren Regionen, die die Zulieferindustrie, hierunter auch zahlreiche deutsche Firmen, mit einschlossen.718 Als 1974 die BMW AG der alleinige Anteilseigner der BMW SA wurde, hatte sie die volle Verantwortung nicht nur für eine Vertriebsgesellschaft inne, sondern darüber hinaus für ein Montagewerk. Das Münchner Unternehmen hatte vor 1972, mit Ausnahme des gescheiterten Versuchs einer kanadischen Vertriebsgesellschaft Ende der 1950er Jahre (vgl. Kapitel 2.5.2) und 717 

Bericht „Soziale Situation bei der ZA“, 1980, in: BMW UA 2000/3. weiterführende Details zu Unternehmensclustern im Rahmen von Porters Wettbewerbsmodell, vgl. Perlitz, Internationales Management, S. 155–161. 718 Für

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zweier Minderheitsbeteiligungen in den 1960er Jahren, keinerlei Direktinvestitionen im Ausland getätigt und verfügte somit über keine Erfahrungen in diesem Bereich. Die Anforderungen, die die über den Vertrieb hinausgehende Produktionsgesellschaft an das Management sowohl in Deutschland als auch in Rosslyn stellte, waren vielfältig und zunächst nur schwer und schrittweise zu bewältigen. Gemäß dem Uppsala-Modell von Johanson/Vahlne durchläuft ein Unternehmen bei seiner Internationalisierung einzelne Entwicklungsstufen, die zu Beginn der internationalen Ausrichtung weniger Ressourcen binden und geringere Kosten auslösen, wie dies etwa bei dem reinen Exportgeschäft oder der Vergabe von Lizenzen der Fall ist. Auch die BMW AG folgte zunächst dieser stufenhaften Entwicklung und beschränkte sich auf die Ausfuhr von Kompletteinheiten, bis sie, forciert durch das Local-Content-Programm der südafrikanischen Regierung, dazu überging, Lizenzen zur Montagefertigung vor Ort an einen externen Betrieb auszugeben. Nachdem sich jedoch herauskristallisierte, dass dem Montagepartner Anfang der 1970er Jahre die Insolvenz drohte, beschloss der Vorstand die Übernahme des Vertriebs sowie der Fertigung und damit den deutlichen Ausbau des bisherigen Auslandsengagements. Diese Entscheidung widersprach zugleich dem in dieser Arbeit oftmals zitierten Prinzip der lateralen Rigidität, nach dem ein Unternehmen zunächst diejenigen Märkte bevorzugt, die physisch, politisch, ökonomisch und kulturell Ähnlichkeit mit dem Heimatmarkt aufweisen und es in diesen ferner mit denjenigen Geschäftsaktivitäten bevorzugt beginnt, die ihm bereits vertraut sind (vgl. Kapitel 1.2.2).719 Im Sinne des organisationalen Lernens verfügte die BMW AG zu Beginn der dritten Internationalisierungsphase jedoch noch über keinerlei Erfahrungen im Hinblick auf eigene Auslandstochtergesellschaften, weder im Vertrieb noch in der Produktion. Somit musste das Münchner Unternehmen quasi bei null beginnen und dies in einem Land, das sich nicht nur in einer ökonomisch schwierigen Phase der Rezession befand, sondern vor dem Hintergrund des repressiven Apartheidregimes überdies von gesellschaftspolitischen Spannungen gezeichnet war. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen stellten hohe Anforderungen an die internationalen Akteure der Ökonomie und drängten diese, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Die BMW AG war sich dieser Verantwortung bewusst und ging über die Maßnahmen der durch den europäischen Verhaltenskodex definierten Anforderungen zum Abbau der Apartheid hinaus, ohne dass jedoch bereits von einer Corporate Social Responsibility (CSR) gesprochen werden konnte. Denn zugleich formulierte sie 1976 – im Jahr des Soweto-Aufstandes – firmenintern die ­Bereitschaft, prinzipiell mit jeder Regierung zusammenzuarbeiten, die eine sinnvolle unternehmerische Aktivität im Land zuließ.720 BMW übernahm zu 719 

Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 472, 1118f. Anlage 1 „BMW Engagement in der Republik Südafrika“ zum Protokoll Nr. 40/76 der Vorstandssitzung vom 30. 11. 1976, in: BMW UA 1446/1. 720 Vgl.

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dieser Zeit noch keine politische Verantwortung im Sinne einer moralischen Ökonomie, die über das eigene Werk wesentlich hinausgereicht hätte. Auch positive Maßnahmen wie das „Housing Program“ waren zunächst von unternehmerischen Motiven inspiriert. Aufgrund des fehlenden Wissens und der unzureichenden Organisationsstrukturen zahlte BMW in den ersten Jahren nach dem Anlaufen sowie später nach der Übernahme der Montage in Südafrika Lehrgeld. Durch ein qualitativ fehlerhaftes und in seinem Image von dem restlichen BMW-Modellprogramm abweichendes automobiles Produktangebot lagen die Absatzzahlen signifikant unter den Zielvorgaben. Erst mit der Einführung der ersten BMW 5er Reihe (E 12) im Jahre 1974 wendete sich das Blatt und die Exporte nach Südafrika verdoppelten sich gegenüber 1972, auch wenn die Zulassungen in diesem Zeitraum moderater um 34,8 Prozent stiegen (vgl. Tabelle 67). Dieser Aufwärtstrend setzte sich allerdings auch in den Folgejahren fort und 1980 verzeichnete BMW bereits Zulassungszahlen in Höhe von 11 218 Wagen, die vor allem durch die Erweiterung und Aufwertung des Programms um die BMW 7er Reihe (E 23) sowie die Steigerung der Fertigungskapazitäten erreicht werden konnten. Hier zeigte sich erneut, dass das Produkt innerhalb des klassischen Marketing-Mix eine Schlüsselrolle spielte: Entsprach ein Modell nicht den Anforderungen eines Marktes sowie den Wünschen der Käufer, konnten in der Regel auch Maßnahmen aus den angrenzenden 4P-Bereichen die negativen Auswirkungen eines ungenügenden Produktportfolios nicht korrigieren. Erst mit der Aufwertung des Modellspektrums und der An­hebung der Fertigungsqualität gelang es dem Münchner Unternehmen, seine Position in Südafrika zu festigen und weiter auszubauen. BMW stand nach Gründung der hundertprozentigen Tochtergesellschaft BMW SA vielschichtigen Problemen gegenüber: Neben der Verbesserung und dem Ausbau der Handelsorganisation dominierten in den ersten Jahren vor allem produktionstechnische Aspekte die Geschicke der BMW-Tochter in Südafrika, die somit auch starken Einfluss auf das Modellprogramm der Montage nahmen. Nicht nur waren die Fertigungsabläufe vollkommen unzureichend aufeinander abgestimmt, auch Materialfluss und -qualität waren unzulänglich und entsprachen nicht dem Qualitätsstandard der BMW AG. Die Fehlerquellen waren allerdings nicht nur in Südafrika zu suchen, sondern auch in der mangelnden Abstimmung und den unzureichend definierten Prozessen zwischen der Tochter- und Muttergesellschaft, die sich noch nicht vollständig ausgebildet und institutionalisiert hatten. Das Handeln war hier in den Anfangsjahren mehr von einem Trial-and-Error-Vorgehen geprägt als von einer langfristigen Strategie. Auf die vielfältigen Problemlagen, zu deren Bewältigung noch oftmals die Erfahrung fehlte, musste häufig ad hoc reagiert werden. Hier tastete sich BMW gemeinsam mit der lokalen Geschäftsführung schrittweise vor und leitete eine enge Zusammenarbeit ein, die von einem regelmäßigen Austausch – auch im Hinblick auf das Personal – geprägt war. Der Vorstand legte hohen Wert darauf, die Geschicke der süd-

5.4.  Die Anfangsjahre der südafrikanischen BMW-Tochtergesellschaft

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afrikanischen Tochter, die sowohl geographisch als auch aufgrund der Apartheidpolitik kulturell weit entfernt lag, in die Hände eines aus München entsandten Managements zu legen, das eine enge Bindung an die Zentrale hatte. Hier kann im Sinne von Bartlett/Ghoshal von einer Koordination durch ­Sozialisation gesprochen werden,721 die der damals noch kleine Kreis an Führungspersonal, der für eine solche Auslandstätigkeit überhaupt in Frage kam, in der Münchener Zentrale durchlaufen hatte. Diese Koordinationsform manifestierte sich gegen Ende der dritten Internationalisierungsphase mit zunehmender weltweiter Ausrichtung bei BMW in dem „Grundprinzip des zweiten Mannes“, das detailliert in Kapitel 4.2 vorgestellt wurde.722 In den ersten Jahren nach der Gründung der BMW SA war ihr Handlungsspielraum noch stark eingeschränkt. Wesentliche Fragen im Hinblick auf die Produktion, die Handelsorganisation und auch auf die Anpassung einzelner Modelle an die lokalen Kundenwünsche waren mit München abzuklären und erfolgten nicht ohne die explizite Zustimmung des Vorstands. Regelmäßige Berichterstattungen und wechselseitige Besuche vertieften die Bindung weiter und zeigten zugleich die hohe Relevanz, die die südafrikanische Tochter für den Konzern hatte. Dennoch wurde das BMW-Engagement im Laufe der 1970er Jahre beständig auf den Prüfstand gestellt und mehrfach durch Vorstandsmitglieder in Frage gestellt. Auch vor dem Hintergrund der wachsenden sozialpolitischen Spannungen und der hiermit einhergehenden gesellschaftlichen Verantwortung wuchs der Druck auf die noch junge Tochter und das Management in beiden Ländern. Dieser wurde durch die internationale Kritik an der südafrikanischen Regierung und dem Rückzug aus Südafrika zahlreicherer ausländischer Firmen, vor allem aus den USA, verstärkt. Das Unternehmen suchte in diesem Zusammenhang innen- sowie außenpolitisch die Unterstützung von Strauß, der als CSU-Bundestagsabgeordneter, Bundesminister sowie späterer Bayerischer Ministerpräsident eine wichtige Rolle für BMW einnahm: sowohl in Deutschland als auch über seine engen Kontakte zur südafrikanischen Regierung in der Republik am Kap. In ihrer Kommunikationsarbeit folgte BMW im Zuge des zunehmenden politischen Drucks und medialen Interesses einer Politik der offenen Tür, die Pressevertretern ungehinderten Zutritt zu dem Werksgelände ermöglichte und der Bundesregierung, wie andere deutsche Betriebe auch, im Rahmen des Verhaltenskodex europäischer Firmen jährliche Berichte vorlegte. Insbesondere vor dem Hintergrund des repressiven Apartheidregimes und der internationalen Proteste lernte die BMW AG früh, dass eine enge Abstimmung 721 

Vgl. Bartlett/Ghoshal, Internationale Unternehmensführung, S. 208–210. wurde der Produktionsstandort in Rosslyn, Südafrika, auch als „Kaderschmiede“ bezeichnet. Oftmals stiegen die nach Südafrika entsandten BMW-Manager nach ihrer Rückkehr nach München zu hohen Positionen innerhalb des Konzerns auf. Graf von der Schulenburg, Dr. von Koerber und Dr. Reithofer sind hier nur einige Beispiele für diese Entwicklung. Diesen Hinweis verdanke ich Fred Jakobs, langjähriger Mitarbeiter des BMW Group Archivs. 722  BMW-intern

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mit der südafrikanischen Tochter zwingend notwendig war für die Öffentlichkeitsarbeit, da Fehlleistungen dieser unmittelbar negativ auf den gesamten BMW-Konzern zurückfielen, der die Gesamtverantwortung für alle Töchter und Beteiligungsgesellschaften weltweit trug. Zugleich war die Zentrale in München auf die lokale Geschäftsleitung bei dieser Kommunikationspolitik und der Umsetzung der Vorgaben des Verhaltenskodex angewiesen, der den Abbau der Rassentrennung und des repressiven Klimas der Apartheidpolitik auf dem Betriebsgelände vorsah. Infolgedessen wurden Trennungen nach Hautfarbe, wie etwa in der Kantine oder auf den Toiletten, in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre aufgehoben. Betriebsinterne Bildungsmaßnahmen gewannen ebenfalls an Bedeutung, um den schwarzafrikanischen Arbeitern Zutritt zu besseren Positionen zu ermöglichen. Diese Maßnahmen vollzogen sich im Kontext der sozialgesellschaftlichen Verantwortung, aber auch vor dem Hintergrund unternehmerischen Denkens, da der Facharbeitermangel in der Produktion ein großes Problem darstellte, das hierdurch adressiert werden sollte. Doch auch in der Verwaltung verbesserten sich die Möglichkeiten für schwarzafrikanische Arbeiter und so wurde bei der BMW SA 1978 der erste schwarze Mitarbeiter in die Mittelmanagementstufe befördert (vgl. Kapitel 5.4.2). Durch die Gründung der südafrikanischen BMW-Tochter Anfang der 1970er Jahre baute die BMW AG ihr organisationales Wissen deutlich aus. Über ihr Engagement in der Republik am Kap gewann sie Erfahrungen hinzu, die ihr bei der weiteren internationalen Konzernausrichtung während der dritten Internationalisierungsphase zugutekamen. Durch die Internalisierung des Vertriebs und der Produktion war sie in der Lage, dieses Know-how auf die ab 1973 nahezu jährlich neu gegründeten Vertriebsgesellschaften im Ausland zu übertragen. Nach knapp zehn Jahren hatte sich durch dieses organisationale Lernen die Wissensbasis für ihre internationale Geschäftstätigkeit so weit ausgedehnt, dass sie sich positiv auf die Gründungen späterer Gesellschaften im Ausland auswirkte. Der Aufbau etwa der japanischen BMWTochter BMW Japan Corp. im Jahre 1981 ist ein Beispiel, wie BMW fortan mit ihren Töchtern weltweit verfuhr und interagierte. Die Prozesse zur Abstimmung und Berichterstattungen waren nun institutionalisiert und fanden in der Konzernorganisation Niederschlag (vgl. Kapitel 4.5.1). Der Umgang mit den Auslandsdependancen war nun strategisch, jedoch noch immer zentral ausgerichtet, ließ allerdings genügend Raum für marktspezifische Anpassungen und Reaktionen der lokalen Geschäftsleitungen. Die Strategie wurde auch weiterhin von München bestimmt und ihre Umsetzung durch regelmäßige Berichterstattungen und Besuche sichergestellt. Innerhalb des von dem Stammhaus als Prinzipal gesetzten Rahmens konnten die lokalen Agenten jedoch die Politik vor Ort in Übereinstimmung mit den Konzernvorgaben den Marktspezifika anpassen.

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG (1945–1981) Die BMW AG durchlief in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg Phasen großer Veränderungen. Diese Entwicklung ist in der vorliegenden Arbeit vor allem im Hinblick auf die Internationalisierung des Unternehmens mit Hilfe eines analytischen Rahmens untersucht worden, der auf den „4 Ps“ des klassischen Marketing-Mix von McCarthy basiert und um die ­Bereiche des Personalwesens sowie der Produktion ergänzt wurde. Dieses methodische Vorgehen ermöglichte, die Internationalisierung verschiedener Unternehmensbereiche nachzuvollziehen und berücksichtigte hierbei auch ihr Zusammenspiel, das insbesondere in der ersten Phase bis 1961 nur ungenügend erfolgte und hierdurch wesentlich zur finanziellen Schieflage beitrug, die BMW auf der Hauptversammlung 1959 beinahe die unternehmerische Eigenständigkeit gekostet hätte. Die Betrachtung hat deutlich aufgezeigt, dass bis Ende der 1950er Jahre ein Großteil der Probleme, denen sich BMW im automobilen Segment gegenübersah, auf dem Ungleichgewicht der einzelnen Geschäftsbereiche (4+2Ps) beruhte. Eine unzureichende Verzahnung der Marketinginstrumente hatte in der PKW-Sparte, die seit Mitte der 1950er Jahre die tragende Säule des Unternehmens war, zu einer tiefgreifenden Unternehmenskrise geführt. Ausgangspunkt war hier in den 1950er Jahren vor allem ein unausgewogenes Produktportfolio und seine preisliche Positionierung. Zugleich ist durch die Untersuchung deutlich geworden, dass sich das Wagenund das Motorradsegment der BMW AG unterschiedlich entwickelten und die internationale Ausrichtung ihres Zweiradbereiches wesentlich früher begann, in welchem die 4 Ps deutlich aufeinander abgestimmt waren. Die Marketingkrise dieser Zeit beschränkte sich somit primär auf die Automobilsparte. Dennoch wurde auch der Motorradbereich zeitversetzt von einer Krise erfasst, die in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt fand. Diese leitete sich vorrangig von dem strukturellen Wandel der Mobilität und somit der Märkte ab, durch den das Zweirad nicht länger wichtiges Fortbewegungsmittel war und zugleich noch nicht seinen Charakter als Freizeitobjekt und Ausdruck eines Lebensstils erreicht hatte. Doch auch in dieser Phase bildete – im Gegensatz zum Automobilsegment – der Export von Motorrädern stets den Kernabsatz der BMW-Zweiradsparte. Ferner wurde durch die Analyse erkenntlich, dass die internationale Ausrichtung des Unternehmens nach 1948 in drei Phasen zu unterteilen ist: Die erste Phase kann als Initialisierung (1948–1960) bezeichnet werden, die zweite als Intensivierung (1961–1970) und die dritte als Institutionalisierung (1971–1981) der Internationalisierung der BMW AG. Allen Phasen war gemein, dass vor allem zwei Faktoren maßgeblich Einfluss nahmen: Extrinsisch wurden sie nachhaltig bestimmt durch die wirtschaftspolitischen Entwicklungen sowie Regularien, die den institutionellen Rahmen setzten, in welDOI 10.1515/9783110501292-006

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6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

chem sich die einzelnen Wirtschaftsakteure bewegten. Intrinsisch kamen vor allem Wechsel in der Geschäftsleitung zum Tragen, die sich auf die internen Prozesse nachhaltig auswirkten, worauf später näher eingegangen wird. Durch die extrinsischen Rahmenbedingungen wurden Handelsströme gelenkt, Produktentwicklungen beeinflusst, Anreize für Direktinvestitionen gesetzt oder aber auch initiiert, dass Investitionen aus bestimmten Märkten zurückgezogen wurden. Tarifäre sowie nicht-tarifäre Handelshemmnisse, die sich ebenfalls in der Modellpolitik niederschlugen, sind aus diesem Grund in den einzelnen Kapiteln eingehend besprochen worden; besonderes Augenmerk erhielten hierbei die Gründungen der beiden europäischen Wirtschaftsräume EWG und EFTA, die den Absatz der deutschen Automobilindustrie und somit auch von BMW deutlich beeinflussten. Während in den 1950er Jahren noch der überwiegende Teil des Auslandsabsatzes nach Europa ging, hier speziell in die Mitgliedsstaaten der EFTA, wandelten sich die innereuropäischen Handelsströme in den nachfolgenden Dekaden unter dem Einfluss der Liberalisierung der Märkte und der Erweiterung der EWG nachhaltig. Der Absatz in die EWG-Länder nahm gegenüber der EFTA stark zu, lag 1963 erstmals über den EFTA-Exporten und übertraf sie langfristig ab 1966. Ebenfalls großen Einfluss nahmen die beiden Ölpreiskrisen 1973 und 1979 auf die gesamtdeutsche Automobilindustrie, allerdings wurde die BMW AG in einem direkten Vergleich mit den deutschen Mitbewerbern, gemessen an wichtigen Kennzahlen wie Produktion, Absatz und Export, weniger stark von den beiden Krisen tangiert. Bei dem Münchner Hersteller blieb der Export 1973/74 stabil und die Produktionskapazitäten wurden mit der Eröffnung des neuen Werkes in Dingolfing deutlich erweitert. Auch bei BMW sank das Produk­tionsvolumen um 4,5 Prozent, was allerdings gegenüber anderen Herstellern einen deutlich geringeren Rückgang bedeutete, da die bundesdeutsche PKW-Gesamtproduktion zeitgleich um 30,6 Prozent sank. Die zweite Ölpreiskrise hatte noch geringere Auswirkungen auf die Geschäfte der BMW AG, die ihren Export um 14,8 Prozent sowie ihre PKW-Produk­ tion um 1,2 Prozent ausbaute, während die Exportwerte der westdeutschen Automobilindustrie um 8,2 Prozent und das Gesamtfertigungsvolumen um 12,9 Prozent sanken. Warum BMW von den beiden Ölpreiskrisen weniger stark beeinflusst wurde als die deutschen Mitbewerber, lag darin begründet, dass es sich bei dem Münchner Unternehmen Ende der 1960er Jahre noch um einen vergleichsweise kleinen Hersteller handelte, der sich erst im Zuge der 1970er Jahre zu einem weltweit agierenden Konzern wandelte. BMW befand sich sozusagen in einer Aufholphase und war gestärkt aus der Unternehmenskrise Ende der 1950er Jahre hervorgegangen, durch die sich agile Strukturen ausgeprägt hatten.1 Mit Hilfe des neuen Produktportfolios, das 1 Triebel/Grunert haben aufgezeigt, dass eine erfolgreich überstandene Unternehmenskrise positive Auswirkungen haben kann, vgl. Triebel/Grunert, Krisenerfahrung bei der BMW AG.

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

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sich an den traditionellen Vorkriegswerten der BMW-Wagen orientierte, eroberte sich der Münchner Hersteller auf den Märkten seine Stelle bzw. eine Nische zurück. Die Marktpotentiale, die BMW demnach national sowie international noch erschließen konnte, lagen über denen vieler anderer Produzenten, die unlängst höhere Absatzzahlen aufwiesen. In den 1980er Jahren erreichte der Münchner Hersteller das ungefähre Fertigungsvolumen von Daimler-Benz, welches er allerdings erst 1992 mit 598 145 Fahrzeugen um 62 028 Einheiten übertraf.2 Bereits 1980 führte jedoch BMW mehr Kraftwagen aus als der Stuttgarter Mitbewerber und wies schon in den 1970er Jahren, gemessen an der Produktion, eine höhere Exportquote auf. Doch blieb das Münchener Unternehmen von den beiden Ölpreiskrisen nicht gänzlich unberührt: Die gesamtgesellschaft­lichen Folgen und nicht zuletzt psychologischen Auswirkungen der beiden Krisen trafen die BMW AG in vollem Umfang, was sich sowohl in der Produktentwicklung und Fertigung – im Sinne umweltfreundlicherer, ressourcenschonender Modelle und Produktionsverfahren – als auch in der Kommunikation widerspiegelte. Diese neuen Anforderungen hatte das Marketing zu berücksichtigen und in allen Bereichen (4+2Ps) umzusetzen, um den sich ändernden Parametern als Hersteller sportlicher Wagen und Motorräder Rechnung zu tragen. Der zweite oben erwähnte maßgebliche Faktor, der sich auf die Internationalisierung der BMW AG auswirkte, war intrinsischer Natur und umfasste die unternehmensinternen Personalveränderungen in der Geschäftsleitung. Auch wenn sich die Disziplin der Unternehmensgeschichte richtigerweise von einer allzu personenfokussierten Interpretation zwischenzeitlich abzuwenden suchte, so tritt bei dem hier analysierten Fallbeispiel der BMW AG zutage, dass sich die Wechsel in der Geschäftsführung signifikant auf die Auslandsaktivitäten auswirkten und auch eine personelle Konstanz auf Vorstandsebene positive Effekte auf die Geschäftstätigkeit hatte. Ein solcher Einfluss ist für die zweite und dritte Phase der Internationalisierung festzustellen, in denen Vertriebsvorstand Hahnemann (1961–1971) und Vorstandsvorsitzender von Kuenheim (1970–1993) jeweils ihre Handschrift deutlich hinterließen und die BMW AG maßgeblich prägten, vor allem auch im Hinblick auf ihre Internationalisierung. Hahnemann baute die internationale ­Geschäftstätigkeit aus und setzte hierbei primär auf schnelles Wachstum, welches sich allerdings unstrukturiert vollzog und somit zu steigenden Umsätzen führte, während jedoch die Gewinne nicht in demselben Umfang stiegen. Hierdurch drohte der Export bei aller Expansion zu einem Nullsummenspiel oder gar Verlustgeschäft zu werden. Zugleich wurden allerdings unter Hahnemann die 4 Ps des klassischen Marketing-Mix, die in den 1950er Jahren vollkommen asynchron ausgerichtet waren, in Einklang gebracht und aufeinander abgestimmt; dies allerdings im Inland stärker als im Ausland. 2  Vgl.

BMW Geschäftsbericht 1992, 1993, in: BMW UU 248/10; Grunow-Osswald, Internationalisierung Daimler-Benz, S. 366f., Tabelle F.1.

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Mit dem Wechsel an der Führungsspitze und dem Amtsantritt des neuen Vorstandsvorsitzenden von Kuenheim trat eine neue Generation des Managements an, die sich durch einen moderneren Führungsstil auszeichnete. Zu Beginn seiner Amtszeit wurden bei der BMW AG zunächst alle Prozesse einer internen Revision unterzogen. Es begann eine das gesamte Unternehmen umfassende Phase der Strukturierung, in denen die Firmenorganisation auf Herz und Nieren geprüft wurde. Hierbei bildeten sich im Zusammenspiel mit der zunehmenden Internationalisierung, die durch eine bis dato nicht dagewesene Internalisierung des Auslandsvertriebs gekennzeichnet war, weltweit Konzernstrukturen aus. Diese waren letztlich einem Unternehmen wie der Daimler-Benz AG, das seit Anbeginn stark international ausgerichtet war und einen weitaus höheren Internationalisierungsgrad aufwies, bereits 1981 weit voraus. Gefördert durch rechtliche Vorgaben der EWG begann BMW 1973 nicht nur, betriebseigene Vertriebstöchter in zentralen Märkten zu gründen, sondern ebenso Holdinggesellschaften für die Strukturierung der Finanzströme und des Beteiligungsaufbaus sowie der Erschließung ausländischer Finanzmärkte zu bilden. Obwohl das Direktinvestitionsvolumen der BMW AG im Ausland weitaus geringer war als das des Stuttgarter Mitbewerbers, wies der Münchner Hersteller schon Ende der dritten Internationalisierungsphase aus organisationaler Sicht die moderneren Konzern- und Beteiligungsstrukturen auf. Die 1970er Jahre waren in ­diesem Sinne bei BMW eine Phase der Institutionalisierung der Prozesse, insbesondere hinsichtlich der Internationalisierung. Es wurden Richtlinien zur Abstimmung zwischen der BMW-Zentrale und ihren Töchtern erstellt, die aus den unmittelbaren Erfahrungen der dritten Phase heraus formuliert wurden. In dieser Zeit formte sich durch organisationales Lernen eine Wissensbasis, die alle Bereiche des 4+2P-Konzeptes umfasste. Gemäß dem Uppsala-Modell, das sich auf die Dimensionen des Vertriebs und der Produktion beschränkt und die Internationalisierung eines Unternehmens als idealtypischen, evolutionären Prozess abbildet, konzentrierte sich auch BMW in der ersten und zweiten Internationalisierungsphase auf den reinen Export über Importeure. Lizenzfertigungen wurden in denjenigen Ländern initiiert, die ein vielversprechendes Marktpotential aufwiesen und durch Handelshemmnisse ansonsten als verloren hätten gelten müssen. Seit Ende der 1950er Jahre war die durch lokale Partner abgewickelte Mon­ tagefertigung ein wichtiges Mittel zur Markterschließung. Dass sich in der Internationalisierung eines Unternehmens auch sprunghafte Entwicklungen ergeben oder gar Rückschritte vollzogen werden können, wurde durch den gescheiterten Versuch der Gründung einer Vertriebsgesellschaft in Kanada deutlich, die BMW 1959 zu etablieren suchte, jedoch bereits wenige Jahre später aufgrund ihres Misserfolges liquidieren musste (vgl. Kapitel 2.5.2). Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Münchner Hersteller noch nicht über das notwendige Know-how, das für die Internalisierung des Vertriebs im Ausland notwendig war. Die eingeschränkten Finanzmittel, vor dem Hintergrund der

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sich zuspitzenden Unternehmenskrise der späten 1950er Jahre, verurteilten weiterhin das Projekt zum Scheitern. Im Kontext der lateralen Rigidität fiel es dem Unternehmen besonders schwer, in einem geographisch weit entfernen Land seine Geschäftstätigkeiten auszuweiten, denn laut Luostarinen bevorzugt ein Wirtschaftsakteur zunächst die Ausweitung seiner Geschäftstätigkeit auf Länder, die seinem Heimatmarkt physisch, politisch, ökonomisch und kulturell ähnlich sind (vgl. Kapitel 1.2.2).3 Bis 1972 konzentrierte sich BMW im Ausland auf den Export und die Vergabe von Lizenzen zur Mon­ tagefertigung. Das Prinzip der lateralen Rigidität durchbrach die BMW AG erneut Anfang der 1970er Jahre, ebenso wie das Uppsala-Modell, als sie die Montagefertigung in Südafrika 1972 mittels einer Mehrheitsbeteiligung übernahm, die sie 1974 zu einer hundertprozentigen Tochter wandelte, und bei der es sich sowohl um eine Produktions- als auch eine Vertriebsgesellschaft handelte. Hierdurch hielt BMW nicht nur die ersten umfangreichen Direkt­ investitionen im Ausland in Form eines Montagestandortes, sondern bewegte sich in einem geographisch und auch kulturell weit entfernten Markt, ohne über das entsprechende Know-how zu verfügen. Die Abstimmung zwischen der Zentrale und der neuen Tochter, die sich in den kommenden Jahren durch ein Trial-and-Error-Vorgehen weiter ausbildete und strukturiert wurde, gewann deutlich an Relevanz. Dem Konzern war es über organisationales Lernen und durch einen umfangreichen Wissenstransfer möglich, eine Wissensbasis für sein Auslandsgeschäft aufzubauen, die maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg der Internationalisierung während der 1970er Jahre hatte. Der regelmäßige Austausch von Personal sowie die Entsendung leitender Führungskräfte aus der Zentrale, die in der lokalen Geschäftsleitung der ausländischen BMW-Töchter zum Einsatz kamen, trugen zu diesem Lernen bei. BMW durchschritt in dieser Phase also einen ausgeprägten Lernprozess, anhand dessen es möglich war, die Strukturen effizient an die sich wandelnden Anforderungen anzupassen und alle Bereiche im Kontext des 4+2P-Konzeptes – Product, Price, Place, Promotion, Personnel, Production – untereinander abzustimmen und auf diese sich ändernden Gegebenheiten auszurichten. Diese Dekade war geprägt vom Übergang „von der reinen Verkaufsorientierung (Verkauf und Absatzförderung) zu kundenorientierten integrierten Marketinganstrengungen“.4 Das Organisationsmodell zur Abstimmung mit den – im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie – Agenten im Auslandsgeschäft wandelte sich im Untersuchungszeitraum seit der Nachkriegszeit maßgeblich. Die Geschäftskontakte in den 1950er Jahren waren vor allem durch enge Bindungen zu einigen europäischen Importeuren geprägt, wie etwa in der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, den skandinavischen Ländern, aber auch in Übersee in den 3  Vgl.

Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 472, 1118f. der BMW Konzernorganisation „Reorganisation des Vertriebsressorts“, 04. 1985, in: BMW UA 2103/1. 4 Strategiepapier

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USA. Einige Kontakte reichten noch in die Zwischenkriegszeit zurück, die BMW nach dem Zweiten Weltkrieg mit Wiederaufnahme der zivilen Produktion zu reaktivieren suchte. Der BMW-Vorstand legte allerdings in der ersten Phase sein Hauptaugenmerk auf den Binnenmarkt und gab diesem aufgrund höherer Margen und einer besser ausgebauten Handelsorganisation den Vorzug. Bei dem weiteren Aufbau und der Ausweitung des Vertriebsnetzwerks im Ausland nahm er hingegen eine passive Position ein und reagierte vorrangig auf Interessensbekundungen potentieller Partner aus dem Ausland, die BMW-Erzeugnisse im eigenen Land vertreiben oder montieren wollten, anstatt selbst aktiv Märkte zu erschließen. Der BMW AG mangelte es in den 1950er Jahren sowohl an Know-how, um sich weiter international auszurichten, als auch vor allem an Finanzmitteln, um Direktinvestitionen zu tätigen. Aufgrund der monetären Schieflage suchte die Geschäftsleitung auch noch in den 1960er Jahren, das unternehmerische Risiko weitestgehend zu minimieren. Firmeneigene Gesellschaften wurden – mit Ausnahme des genannten gescheiterten Versuchs in Kanada – im Ausland nicht gegründet. Montagekooperationen, die seit 1957 einen wichtigen Anteil am Exportgeschäft ausmachten, wurden ohne finanzielle Beteiligung der BMW AG umgesetzt, womit das unternehmerische Risiko überwiegend bei den ausländischen Partnern lag. Nur in wenigen Fällen gewährte BMW ihnen Kredite oder ging finanziell in Vorleistung, wie dies in Südafrika zu beobachten war. Die Importeure verfügten bis zum Ende der zweiten Internationalisierungsphase über einen ausgesprochen großen Handlungsspielraum. Da der Fokus der BMW-Geschäftsleitung bis in die frühen 1960er Jahre hinein auf dem Binnenmarkt lag, spielte der Export in der Automobilsparte zunächst eine untergeordnete Rolle. Vor allem aber in der Modellpolitik – wie an den Beispielen der BMW Isetta, des BMW 700 und des BMW 507 gezeigt wurde – kam der Einfluss einiger Agenten besonders stark zum Ausdruck. In den 1950er Jahren wies BMW somit einen heterogenen Markenauftritt auf, der in erster Linie durch eine Produktkommunikation geprägt war und im Ausland von den einzelnen Importeuren in ihrem Sinne geformt wurde. Zugleich wurde deutlich, dass das Markenimage noch maßgeblich von den Produkten und sportlichen Rennerfolgen der Zwischenkriegszeit profitierte. Die 1960er Jahre waren von einer bis dato nicht gekannten internationalen Expansion geprägt, die durch den seit 1961 bei BMW als Vertriebsvorstand agierenden Marketingfachmann Hahnemann forciert wurde. Mit den Baumustern der Neuen Klasse und der 02er Reihe hatte das Unternehmen ferner starke Produkte an der Hand, mit denen es den Absatz im In- und Ausland deutlich ausbauen konnte. Aufgrund des kleinen Mitarbeiterkreises, der interkulturelle Kompetenzen aufwies, bediente sich das Unternehmen zur ­Erschließung neuer Absatzregionen eines von BMW beauftragten externen ­Delegiertensystems, dessen Agenten neue Partner im Ausland eruierten und diese nach Vertragsabschluss in unregelmäßigen Abschnitten besuchten. Die Handelsorganisation wurde im In- und Ausland stark ausgebaut, wobei das

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Auslandsgeschäft, auch vor dem Hintergrund des durch die Unternehmenssanierung eng gesteckten finanziellen Rahmens, primär durch Importeure und einige unabhängig agierende, selbstständige Montagebetriebe abgewickelt wurde. Die Partnerbetriebe, hierunter insbesondere die BMW-Importeure, genossen unter Hahnemann einen ausgesprochen großen Handlungsspielraum, der sie als Agenten, im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie, oftmals zu opportunistischem Verhalten verleitete. Dies trat ausgeprägt zutage im Ausbau der Service- und Aftersales-Organisation sowie in der Kommunikation. Erstere war wichtige Voraussetzung für die Betreuung der Fahrzeuge und Bindung der Kunden, deren Aufbau allerdings hohe Kosten bei den Importeuren und Händlern verursachte. Insbesondere in großflächigen Ländern, wie beispielsweise den USA, Kanada und Australien, waren Aufbau und Pflege einer solchen Organisation mit großen Anstrengungen sowohl zeitlicher, personeller und somit auch finanzieller Natur verbunden. Viele Importeure hegten jedoch primär Interesse am Fahrzeugabsatz, von dem sie monetär kurzfristig am meisten profitierten. Reklamationen waren die Folge dieser Praxis und damit litt auch das Ansehen der Marke BMW unter einem mangelnden Kundenservice. Nicht nur BMW, sondern ebenso andere europäische Automobilhersteller hatten diese Erfahrungen gemacht, etwa mit dem bekannten US-Importeur HMC (vgl. Kapitel 3.5.2 und Kapitel 4.5.2.). Ferner fielen in diesem Exportmodell, das in Kooperation mit den Importeuren gestaltet wurde, ausgesprochen hohe Transaktionskosten für die BMW AG als Prinzipal an. Die hohe Eigenständigkeit kam ebenfalls in der Kommunikationsarbeit der Agenten zum Ausdruck, die überwiegend eigenen ­Interessen nachkamen und sich nicht in allen Punkten nach den von BMW formulierten Vorgaben richteten. Ein gewisser Spielraum wurde den Importeuren beabsichtigt gegeben, da hierdurch die unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten national adressiert werden sollten. Dieses Vorgehen führte in den 1960er Jahren jedoch zu einem vermehrt heterogenen Auftritt der Marke BMW weltweit. Über von dem Verkaufsressort ausgerichtete Marketingtagungen, zu denen die Importeure der zentralen Märkte eingeladen wurden, suchte das BMW-Stammhaus dem international diffundierenden Marketing in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre entgegenzutreten. Die Abstimmungsprozesse der dritten Internationalisierungsphase unterschieden sich deutlich von denen der beiden vorangegangenen Dekaden. Hier kam das Prinzip des organisationalen Lernens maßgeblich zur Geltung. Der BMW-Vorstand erkannte zu Beginn der 1970er Jahre, gestützt durch unternehmensinterne Analysen, dass die bisherige Vertriebspolitik zwar zu ­einer Steigerung des Ausfuhrgeschäftes und einem Ausbau der Handelsorganisation geführt hatte, diese Expansion jedoch nicht in demselben Maße zu einer Gewinnsteigerung führte. Wegen der hohen Autarkie der Agenten und den ausgeprägten Transaktionskosten in der Abwicklung des Exports entschloss sich die BMW-Geschäftsleitung unter dem katalytischen Einfluss der EWG-Kommission, die die bestehenden Verträge mit den europäischen

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6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

BMW-Importeuren kritisierte, den Vertrieb umzustellen und die Prozesse weitestgehend in den wichtigsten Märkten zu internalisieren. Durch die neue Vertriebsstrategie sollte nicht nur der Gewinn gesteigert, sondern auch opportunistisches Verhalten unterbunden und einer internationalen Heterogenität des Unternehmens- und Markenauftritts entgegengewirkt werden. Die Gründung eigener Vertriebsgesellschaften setzte einen umfassenden Wandel in der Unternehmensorganisation in Gang, durch den das Unternehmen lernte, als Konzern zu agieren. Wurden die Töchter anfangs noch auf orga­ nisationaler Ebene aufgrund mangelnder Erfahrungen als Importeure behandelt, wurde rasch deutlich, dass eine weitergehende Differenzierung zwischen diesen sowie den eigenen BMW-Gesellschaften vorzunehmen war, um die Internalisierungsvorteile vollauf ausschöpfen zu können. Hinsichtlich der Organisation bewegte sich das Stammhaus im Spannungsfeld zwischen Zen­ tralisierung und Dezentralisierung. Die Tochtergesellschaften versorgten die Münchner Zentrale durch Berichterstattungen und nationale Marktanalysen beständig mit wichtigen Informationen. Während die Entscheidungsbefugnisse der Bereiche Forschung und Entwicklung in München konzentriert blieben sowie die Modell- und Preispolitik in Gänze – auch auf Grundlage der ihr überstellten Informationen – in der Zentrale formuliert wurde, bemühte sich die BMW AG im Vertrieb und in der Kommunikation um eine sanfte Dezentralisierung der Prozesse. Dies war zum einen der wachsenden Arbeitsbelastung geschuldet, der die Abteilungen in München unterlagen, zum anderen sollte hierdurch aber auch gewährleistet werden, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der Märkte adäquat adressiert werden konnten. Dies kam vor allem in der Verkaufsförderung sowie der Öffentlichkeitsarbeit zum Tragen. Gegen Ende der 1970er Jahre wurden beispielsweise in der Werbung Dachkampagnen eingeführt, die in den Märkten soweit wie möglich übernommen wurden. Nationale Marketingmaßnahmen und Pressearbeit flankierten diese Kampagnen. Operative Fragen wurden vornehmlich von den Töchtern gelöst, die Muttergesellschaft jedoch in allen wesentlichen Punkten mit einbezogen oder zumindest vorab informiert. Strategische Entscheidungen wurden weiterhin vom Vorstand oder den Fachstellen in München getroffen. Mindestens monatlich vollzogene Berichterstattungen, mit der Übergabe der wichtigsten Kennzahlen an die Zentrale, und wiederkehrende Besuche des leitenden Managements aus Deutschland sollten den engen Kontakt erhalten und sicherstellen, dass die in München formulierten Ziele eingehalten wurden. In den Aufsichtsräten der Tochtergesellschaften hielten Mitarbeiter des oberen Managements aus München, in der Regel Vorstandsmitglieder und bzw. oder Bereichsleiter aus dem Vertriebsressort, ebenfalls einen Teil der Sitze, wodurch weiterhin Kontrolle ausgeübt werden konnte.5 Über Rahmenbestimmungen und Richtlinien, die im Stammhaus

5 

Vgl. Beteiligungshandbuch, 1976–1977, in: BMW UR 2531/1.

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

749

verfasst wurden, regelte man die Prozesse zwischen der Mutter- und den Tochtergesellschaften. Erneut wurden auch diese im Rahmen des organisationalen Lernens beständig angepasst und somit die Abstimmungen zwischen Prinzipal und Agenten verbessert. Die Töchter waren hierbei nicht untereinander vernetzt, sondern kommunizierten und interagierten nur mit dem Stammhaus. Diese zentral ausgerichtete Konzernstruktur verschaffte der Muttergesellschaft eine Informationshoheit und Monopolstellung. Dies ermöglichte eine weitgehende Kontrolle und enge Anbindung aller Standorte an die Zentrale, die opportunistisches Verhalten, das durch eine enge Verbindung zwischen den Agenten hervorgerufen werden konnte, unterband. Die Personalpolitik der 1970er Jahre unterstützte die Bindung zwischen München und den BMW-Tochtergesellschaften, denn sie achtete darauf, dass sich die lokalen Geschäftsführungen zumeist aus einem einheimischen sowie einem aus München entsandten Manager zusammensetzten. Dieses „Prinzip des zweiten Mannes“, wie es in der Zentrale genannt wurde, sollte die BMWUnternehmenskultur in die Auslandsgesellschaften tragen und dort festigen. So sollte in München sowie an allen BMW-Standorten vom Grundgedanken her der gleiche Führungsstil herrschen und eine Idee bestehen, wofür BMW als Unternehmen und als Marke stand. Nach Matterlart zeigte sich hier die Idee des „Cross-Cultural-Managers“,6 der sein Wissen mit ins Ausland brachte, wo sich wiederum aus einem Zusammenspiel aus Dekontextualisierung und Rekontextualisierung Hybridformen bilden konnten. Diese Managementpraxis der Entsendung loyaler Mitarbeiter, die in der Zentrale sozialisiert worden waren, gewährleistete einerseits eine enge Bindung der Auslandsgesellschaft an München, die Bartlett/Ghoshal auch als „Koordination durch Sozialisation“ bezeichnen,7 anderseits wurde sichergestellt, dass das lokale Management vertraut war mit den BMW-typischen Prozessen und der Unternehmenskultur, zugleich jedoch durch die Rekrutierung einheimischen Personals der Handlungsspielraum erweitert wurde und somit nationalen Anforderungen sowie kulturellen Gegebenheiten Rechnung getragen wurde (vgl. Kapitel 4.2.2). Die Analyse des Fallbeispiels Südafrika hatte gezeigt, wie sich der oben geschilderte Lernprozess zur Internationalisierung der BMW AG vollzogen hat. Die Übernahme des Montage- und Vertriebsstandortes gestaltete sich aus mehreren Gründen schwierig. Zum einen agierte das Unternehmen in einem engen Finanzrahmen, so dass in den ersten Jahren vor allem monetäre Gesichtspunkte und produktionstechnische Aspekte die Modellpolitik in Südafrika bestimmten. Die Geschäftsleitung musste jedoch lernen, dass die geplanten Ziele mittels einer zu defensiv ausgelegten Investitionspolitik nicht zu gewährleisten waren. Die geographische Distanz machte eine enge Bindung zwischen dem lokalen Management und der Zentrale in München 6  Mattelart,

Kultur und Globalisierung, S. 89 Internationale Unternehmensführung, S. 208–210.

7  Bartlett/Ghoshal,

750

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

umso wichtiger, die durch das erwähnte Koordinationsmodell der Sozialisation erzielt wurde. Die sozialpolitischen Geschehnisse im Kontext des Apartheidregimes erschwerten weiterhin das lokale Engagement und erforderten ferner kulturelles Feingefühl. Mit den wachsenden Spannungen und der zunehmenden internationalen Aufmerksamkeit, die die südafrikanische Regierung wegen ihrer repressiven Apartheidpolitik erfuhr, hatten sich auch ausländische Unternehmen mit Dependancen in der Republik am Kap zu rechtfertigen. BMW zeigte hier eine durch unternehmerisches Handeln geprägte Haltung, die auf einer offensiv ausgerichteten Kommunikationspolitik der „offenen Tür“ basierte. Der Ende der 1970er Jahre verabschiedete europäische Verhaltenskodex, der zu dem Abbau der Apartheid in den ausländischen Betrieben beitragen sollte und der eine jährliche Berichterstattung forderte, spielte hier eine wichtige Rolle und beeinflusste nicht nur die Geschäftspolitik vor Ort, sondern ebenso die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit (vgl. Kapitel 5). Diese Rahmenbedingungen hatten zugleich eine katalytische Wirkung auf die Zusammenarbeit zwischen der Muttergesellschaft und ihrer südafrikanischen Tochter, insbesondere auch im Bereich der Kommunika­ tion. Die Etablierung der BMW-Tochter in Südafrika stellte aus den oben genannten Gründen besonders komplexe Anforderungen an die BMW AG. Es handelte sich zudem nicht nur um eine Vertriebsgesellschaft, sondern auch um einen Fertigungsstandort. Diese Aufgaben hatte das Unternehmen zu lösen, obwohl es bis dahin noch über kein nennenswertes Know-how im Bereich der Auslandsdirektinvestitionen verfügte. Im Laufe der dritten Internationalisierungsphase war es dem Konzern jedoch möglich, durch organisationales Lernen eine umfangreiche Wissensbasis aufzubauen. Zwischen 1972 und 1981 gründete die BMW AG im Ausland elf Vertriebsgesellschaften und durchlief durch die Internationalisierung ihren bis dahin strukturell größten Wandel. Dass bei der Internalisierung der Vertriebsprozesse ein Lernprozess durchlaufen wurde, zeigte die Gründung der japanischen BMW-Vertriebs­ gesellschaft, die die erste Tochter eines westlichen Automobilherstellers in Japan war. Während BMW in Südafrika ab 1972 noch viel Lehrgeld gezahlt hatte, wurden später in Fernost größere Fehler vermieden. Die lokale BMWGeschäftsleitung, die sich aus einem japanischen und einem deutschen Manager zusammensetzte, zeichnete sich durch ein hohes interkulturelles Verständnis aus. Die BMW Japan Corp. beschäftigte nahezu ausschließlich japanische Mitarbeiter, die in ihrer Geschäftspraxis einen vergleichsweise großen Handlungsspielraum gegenüber München genossen, was aufgrund der geographischen und kulturellen Distanz zwingend notwendig war. Durch die Rahmenbestimmungen und Richtlinien, die sich während der dritten Internationalisierungsphase ausgebildet hatten, bestanden in den wesentlichen Punkten klare Zuständigkeiten, so dass die Abstimmungsprozesse zwischen München und Tokio effizient verliefen. Auf der Grundlage des organisationalen Lernens können die Gründung sowie die ersten Geschäftsjahre der

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

751

BMW Japan Corp. durchaus als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden, die sich deutlich von dem Verlauf früherer Gesellschaften, wie etwa der südafrikanischen BMW-Tochter zu ihrer Anfangszeit, abhob. Einige Zahlen verdeutlichen den starken Wandel, den die BMW AG im Untersuchungszeitraum durchlief: Durch die beschriebene Expansion und Internalisierung während der dritten Internationalisierungsphase stieg der Export zwischen 1971 und 1981 um 168,7 Prozent sowie sein Anteil am ­Umsatz von 40,8 auf 55,7 Prozent. Der erwirtschaftete Jahresüberschuss der BMW AG war im selben Zeitraum um 350,3 Prozent auf 145,0 Mio. DM angewachsen, woran auch der Export und seine effizientere Abwicklung stark beteiligt waren. 1961 hatte der Umsatzanteil an der Ausfuhr noch bei lediglich 35,0 Prozent gelegen, der Export erreichte mit 23 058 Einheiten nur knapp ein Drittel der ausgeführten Fahrzeuge von 1971. 1981 und damit am Ende des Beobachtungszeitraums wurden bereits 210 547 Automobile außerhalb von Deutschland verkauft, was die erhebliche Steigerung der Exportorientierung nochmals unterstreicht. In der ersten Phase der Internationalisierung waren die durch internationale Geschäftstätigkeiten erwirtschafteten Umsatzbeiträge noch gering und lagen im Jahre 1951 bei lediglich 19,5 Prozent, wobei diese ausschließlich auf den BMW-Motorradexport zurückzuführen waren. Erst 1953 begann der Münchner Hersteller, Kraftwagen in kleineren Mengen im Ausland zu verkaufen und setzte während der ersten Phase der Internationalisierung den Fokus klar auf den Heimatmarkt. In diesem Kontext hat die vorliegende Arbeit aufgezeigt, dass sich die beiden Geschäftszweige Motorrad und Automobil im Hinblick auf ihre internationale Ausrichtung unterschiedlich entwickelten. Auf diesen Umstand ist bereits eingangs kurz in Bezug auf die Ausrichtung der Marketinginstrumente in der PKW- und Motorradsparte hingewiesen worden. Da der bundesdeutsche Zweiradmarkt gegen Mitte der 1950er Jahre stark rückläufig war, musste BMW in diesem Segment bereits frühzeitig den Export forcieren, um die Einbußen auf dem Binnenmarkt ausgleichen zu können. Da die Zweirad­ industrie weniger stark von Handelshemmnissen betroffen war als die Automobilindustrie, fiel es dem Unternehmen leichter, in einer Vielzahl ausländischer Märkte Fuß zu fassen und sich dort zum dominierenden deutschen Anbieter hubraumstarker Motorräder zu etablieren. Das Behördengeschäft, also der Verkauf an offizielle Institutionen, spielte hierbei eine wichtige Rolle und machte einen nennenswerten Teil des Gesamtexports aus. Die Motorradsparte der BMW AG war also bereits zu Beginn der 1950er Jahre aus­ gesprochen exportorientiert und sorgte dafür, dass der Name BMW auch weiterhin im Ausland tradiert wurde, da das Unternehmen bis zum Ende der Dekade kaum einen für BMW typischen Wagen in größeren Stückzahlen exportierte. Das BMW-Motorrad hielt also das Image der Marke im Ausland während der Abstinenz des Münchner Automobilangebots, aufrecht. Während die Verkaufszahlen von BMW-Motorrädern in den 1960er Jahren rückläufig waren, erstarkte ab den frühen 1970er Jahren erneut die Nach­frage an

752

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

schweren Maschinen auf dem Binnenmarkt. Auch der traditionell starke BMW-Zweiradabsatz im Ausland konnte in diesem Jahrzehnt noch weiter ausgebaut werden, so dass die hohe Motorradexportquote in dieser Zeit, ­gemessen an der Produktion, zwar schwankte, sich jedoch auf einem hohen Niveau zwischen 68,0 und 81,9 Prozent bewegte. Die BMW AG internationalisierte sich während des Untersuchungszeitraums deutlich, wobei die weitreichendsten Veränderungen während der dritten Internationalisierungsphase zu beobachten waren. Hiervon waren ­allerdings nicht alle Unternehmensbereiche gleichermaßen beeinflusst, denn Teile der Wertschöpfungskette, wie Forschung und Entwicklung, verblieben auch weiterhin ausschließlich in München. Auch die Produktion war primär in der Bundesrepublik zentriert, da sich bis 1981 die am südafrikanischen Standort montierten Einheiten noch in geringeren Volumina bewegten und ferner das Werk Rosslyn noch nicht den Status eines Vollwerks besaß. Zwar wurden in den 1970er Jahren erste Planungen für einen Export der in Südafrika gefertigten Fahrzeuge angeregt, allerdings noch nicht in größeren Kontingenten umgesetzt. Gemäß dem integrativen Konzept von Kutschker, das auch als Internationalisierungsgebirge bezeichnet wird, wies BMW also nicht in allen Teilen der Wertschöpfungskette einen gleich hohen Internationalisierungsgrad auf.8 Die Auslandswertschöpfung, die Kutschker als dritte Dimension einführte (vgl. Kapitel 1.2), war insbesondere im Bereich Vertrieb ausgeprägt und begann, ebenso in der Materialbeschaffung, Logistik sowie der Fertigung – zumindest über Montageprojekte – variantenreicher zu werden, wobei die geographisch-kulturelle Distanz der Aktivitäten zunahm. Mit Hilfe des 4+2P-Konzeptes konnte dies bestätigt und aufgezeigt werden, dass sich in den analysierten Bereichen eine deutliche Internationalisierung vollzogen hatte. Der Materialeinkauf baute ein immer größeres Netz an internationalen Lieferanten auf und achtete hier, zur Verringerung von Abhängigkeiten, auf eine ausgeglichene geographische Verteilung der Zulieferer. Besonders deutlich trat die Internationalisierung allerdings im Vertrieb sowie in der Kommunikationspolitik zutage, wie die Gründungen zahlreicher Vertriebsgesellschaften im Ausland und die enge Zusammenarbeit in der Kommunikation zeigten. Auch die Modellpolitik wurde durch die Exportorientierung, im Sinne der Modellanpassung und der Fertigung von Länderversionen, signifikant beeinflusst und trug zu der Erschließung neuer Märkte und dem Ausbau der Marktanteile in wichtigen Ländern bei. Die internationale Unternehmensausrichtung schlug sich ebenfalls maßgeblich in der Konzernorganisation und der Personalpolitik nieder. In der dritten Phase der Internationalisierung hatte sich die BMW AG damit von einem exportorientierten Unternehmen zu einem weltweit agierenden Konzern mit modernen Organisationsstrukturen entwickelt. Durch die Internalisierung des Vertriebs war BMW Anfang

8 

Vgl. Kutschker/Schmid, Internationales Management, S. 327–339.

6.  Schlussbetrachtung: Die Internationalisierung der BMW AG

753

der 1980er Jahren auf allen Kontinenten mit mindestens einer Tochtergesellschaft vertreten, einzige Ausnahme bildete noch immer Lateinamerika, wo das Unternehmen erst 1995 in Mexiko einen Vertriebs- und Montagestandort eröffnete.9 Das geographische sowie kulturelle Spektrum der Auslandsaktivitäten hatte sich während der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre deutlich erweitert, wie unter anderem die Montageprojekte in Asien und Afrika sowie die Gründungen diverser Vertriebs- und Finanzierungsgesellschaften im Ausland zeigten. Die Analyse hatte bestätigt, dass es bei dem multinational ausgerichteten Auslandsengagement der BMW AG nicht zu einer alles nivellierenden Homogenisierung gekommen war, sondern dass den BMW-Tochtergesellschaften im Ausland genügend Handlungsspielräume zugestanden wurden, um marktspezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Hierbei durften die Aktivitäten der Töchter, die nun als Agenten gegenüber dem Stammhaus in München agierten, jedoch nicht dem einheitlichen Markenund Unternehmensbild zuwiderlaufen. Gegenwärtig, im Jahre 2015, umfasst die BMW Group 30 Produktionsstätten in 14 Ländern und ist in 140 Ländern über Importeure oder eigene Gesellschaften vertreten. Sie unterhält ein Forschungs- und Innovationsnetzwerk an zwölf Standorten in fünf Ländern. Verschiedene Finanzdienstleitungen, die vornehmlich über Tochtergesellschaften abgewickelt werden, unterstützen ihre mittlerweile insgesamt 42 Vertriebsgesellschaften weltweit.10

9  Vgl. Pressmitteilung „BMW Tochtergesellschaft in Mexiko gegründet / BMW Automobilmontage beginnt 1995“ vom 11. 07. 1994, in: BMW UP 1578/10. 10  Vgl. Geschäftsbereicht der BMW Group 2014, 2015, in: BMW UU 3634/10.

7. Anhang 7.1. Abkürzungsverzeichnis AAB Anti-Apartheid-Bewegung Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik AAPD Deutschland ABS Antiblockiersystem ADAC Allgemeiner Deutscher Automobilclub AFN Archibald Frazer Nash Ltd. AG Aktiengesellschaft AGSec Allied General Secretariat, Allied High Commission for Germany American Motors Corporation AMC ANC African National Congress ANFIA Associazione Nazionale Fra Industrie ­Automobilistiche Australischer Dollar AUD B2B Business-to-Business BDI Bundesverband Deutscher Industrie BG Belgien BICO Bipartite Control Office Bayerische Motoren Werke AG BMW BMW Automobile BMW Automobile Distributors (Pty) Ltd. Distributors BMW Belgium BMW Belgium SA/NV BMW SA BMW (South Africa) (Pty) Ltd. BMW SA BMW (South Africa) (Investments) (Pty) Ltd. Investments Bophuthatswana National Development Corporation BNDC BRD Bundesrepublik Deutschland Birmingham Small Arms Company (britischer BSA Motorradhersteller) Can. Dollar Kanadischer Dollar CBU Completely Built Up ccm Kubikzentimeter Concordia Elektrizitäts-AG CEAG CEO Chief Executive Officer CH Schweiz CI Corporate Identity CID Corporate Information Design DOI 10.1515/9783110501292-007

756

7. Anhang

Kosten, Versicherung, Fracht (englisch: cost, ­insurance, fright) CKD Completely Knocked Down Club Motors Club Motors (Pty) Ltd Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Co. Ltd. Company, Limited (Aktiengesellschaft) CSR Corporate Social Responsibility Datsun Nissan Company (Pty) Ltd., auch bekannt als Datsun-Nissan Rosslyn Motor Assemblers (Pty) Ltd. DB Daimler-Benz AG DDR Deutsche Demokratische Republik DEG Deutsche Entwicklungshilfegesellschaft das heißt d. h. DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung deutsche Automobil- und Motorradmarke (Akronym DKW für Dampfkraftwagen) DM Deutsche Mark Deutsche Public Relations Gesellschaft e. V. DPRG DRPR Deutschen Rat für Public Relations dt. deutsch DVOAG Deutsche Vacuum Oel AG, Hamburg EDV Elektronische Datenverarbeitung EFTA European Free Trade Association EG Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGKS EMW Eisenacher Motoren Werke ERAD Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. ERM Europäische Wechselkursmechanismus EROS Euro-Republic Spares (Pty) Ltd. ERP European Recovery Program eingetragener Verein e. V. EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWS Europäisches Währungssystem exkl. exklusive Europäischen Zahlungsunion EZU F Frankreich Fyfe Errol Fyfe (Pty) Ltd. GATT General Agreement on Tariffs and Trade GB Großbritannien ggü. gegenüber GJ Geschäftsjahr GM General Motors GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung cif

7.1. Abkürzungsverzeichnis

757

Hans Glas GmbH Glas hfl Niederländischen Gulden HMC Hoffman Motor Corp. Hugh Parker Hugh Parker (Pty) Ltd. I Italien IAA Internationalen Automobilausstellung IDC Development Corporation Inc. Incorporated inklusive inkl. IFM Institut für Marktpsychologie ISO Iso Rivolta SpA IWF Internationaler Währungsfond JCS Joint Chiefs of Staff Joint Export/Import Agency JEIA Jupiter Motor Jupiter Motor Distributors (Pty) Ltd. Kfz Kraftfahrzeug KG Kommanditgesellschaft KOD / KOMD Karlsfeld Ordnance Depot keine Angaben k. A. kW Kilowatt l Liter LC Local Content LKW Lastkraftwagen LLC Limited Liability Company (Rechtsform für Gesellschaften in den USA) Ltd. Limited Ltr. Liter MAN Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG MBSA Mercedes-Benz of South Africa (Pty.) Ltd. m.E. meines Erachtens MF Marktforschung Massachusetts Institute of Technology MIT Moorkens Ets. Moorkens SA Naamsa National Association of Automobile Manufacturers of South Africa NICs Newly Industrializing Countries Neue Institutionenökonomie NIÖ NL Niederlande NS Nationalsozialismus n. St. nach Steuer[n] NSU Neckarsulm Motorenwerke AG NV Naamloze Vennootschap (Aktiengesellschaft in ­Belgien und den Niederlanden)

758

7. Anhang

Organization for Economic Cooperation and ­Development OEEC Organization for European Economic Cooperation OFICOMEX Office du Commerce Extérieur OMGB Office of Military Government for Bavaria P&G Procter & Gambles PKW Personenkraftwagen PR Public Relations Praetor Assemblers Praetor Assemblers (Pty) Ltd. PS Pferdestärken Pte. Ltd. Private Limited Company Pty Ltd. Proprietary Company (Rechtsform für Gesellschaften in Südafrika und Australien) rund rd. RGW Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe RL Rechtslenker S Schweden SA Aktiengesellschaft (übersetzt aus verschiedenen ­Sprachen, z. B. französisch: Société Anonyme) SA Sturmabteilung SA Südafrika SAAC South African Council of Churches SA/NV Aktiengesellschaft (Rechtsform für Gesellschaften in Belgien) SAFTO South African Foreign Trade Organisation Sowjetische Aktiengesellschaft SAG SAMAD South African Motor Assemblers und Distributors Ltd. Sdn. bhd. Sendirian Berhad, („Private Limited“, Rechtsform für Gesellschaften in Malaysia) SKD Semi Knocked Down SpA Aktiengesellschaft (Rechtsform für Gesellschaften in Italien) TDM Tausend DM TKM Tozer Kemsley & Millbourn Ltd. TuZ Tatsachen und Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft (hrsg. v. VDA) t Tonne United Car & Diesel Distributors (Pty.) Ltd. UCDD UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken u. E. unseres Erachtens UN United Nations VDA Verband der Automobilindustrie e. V. Vélam Société de Construction de Véhicules léger à Moteur Volkswagen SA Volkswagen of South Africa (Pty) Ltd. OECD

7.1. Abkürzungsverzeichnis

v. St. VW WDR z. Zt.

759

vor Steuer[n] Volkswagen AG Westdeutscher Rundfunk zur Zeit

Abkürzungsverzeichnis der wichtigsten Abteilungen der BMW AG A Ressort des Vorstandsvorsitzenden AJ Rechtsabteilung AK Unternehmenskommunikation AP Personalwesen AU Unternehmensplanung, -strategie AZ 1. Konzernrevision, 2. Allgemeine Steuerung ­Beteiligungen B Ressort Betriebswirtschaft E Ressort Forschung und Entwicklung F Ressort Finanzen FC Konzern-Controlling Finanzen Beteiligungen FZ LZ Zentraler Einkauf und Logistik P Ressort Personal PZ 1. Zentrales Personalmanagement, 2. Personal ­Beteiligungen Ressort Produktion und Technik T TZ Zentrale Planstelle für Produktion Ressort Vertrieb V VA 1. Assistenz Vertriebsvorstand (1960er Jahre), 2. Vorstandsausschuss (1970er Jahre) VA-Z Vorstandsausschuss für Beteiligungen V-C Controlling Vertriebsressort VE Verkauf Export VEF Exportverkaufsförderung Exportwerbung VEW VI Verkauf Inland VK 1. Kundendienst (1960er Jahre), 2. Konzernvertrieb und Vertriebssysteme (1970er Jahre) VM Zentralmarketing VMF Verkaufsförderung VMB Public Relations VME Etatkontrolle Vertrieb VMM Marktforschung VMP Presse VMV Verkäuferschule

760

7. Anhang

VMW Werbung VMR Sportbetreuung VS Vertrieb-Services VT Ersatzteile ZA BMW (South Africa) (Pty) Ltd.

7.2.  Verzeichnis der Abbildungen

761

7.2.  Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1: PKW-Produktion verschiedener Nationen inkl. ­Kombinationskraftwagen, 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Abbildung 2: Export von PKW inkl. Kombinationskraftwagen verschiedener Länder, 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Abbildung 3: Exportanteil der jährlichen Produktion von Kraftwagen im Bundesgebiet, 1950–1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Abbildung 4: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abbildung 5: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die einzelnen Länder der EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1950–1960 . . . . . 66 Abbildung 6: PKW-Export in Stückzahlen und prozentualer Exportanteil an der PKW-Inlandsproduktion von Daimler-Benz, Volkswagen und BMW, 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Abbildung 7: Umsatzentwicklung der BMW AG nach Produktsparten (Angaben in 1 000 DM), 1948–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Abbildung 8: Export von BMW-Motorrädern nach Verkaufsregionen, 1949–1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Abbildung 9: Umsatzentwicklung und PKW-Produktionszahlen der BMW AG gegliedert nach Fahrzeugklassen, 1952–1960 . . . . . . . . . . . . . . 111 Abbildung 10: Organigramm des Vorstandsbereichs Verkauf, 09.1957 . . . 159 Abbildung 11: Organigramm des Vorstandsbereichs Verkauf, 12.1959 . . . 161 Abbildung 12: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten ab Werk inkl. Teilesätze in verschiedene Absatzregionen, 1954–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Abbildung 13: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die EFTA und EWG inkl. Teilesätze, 1960–1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildung 14: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die einzelnen Länder der EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1960–1970 . . . . . 242 Abbildung 15: Export von PKW inkl. Kombinationskraftwagen verschiedener Länder, 1960–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abbildung 16: PKW-Produktion verschiedener Nationen inkl. Kombinationskraftwagen, 1960–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Abbildung 17: PKW-Export in Stückzahlen und prozentualer Exportanteil an der PKW-Inlandsproduktion der Daimler-Benz AG, Volkswagen AG und BMW AG, 1960–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Abbildung 18: Produktion von Motorrädern und Kraftwagen bei der BMW AG, 1956–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

762

7. Anhang

Abbildung 19: Umsatzentwicklung der BMW AG getrennt nach Sparten sowie Inland und Export, 1961–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Abbildung 20: Export von BMW-Motorrädern nach Verkaufsregionen, 1962–1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Abbildung 21: Psychologisches Marktmodell der BMW-Wagen in der Bundesrepublik Deutschland, 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Abbildung 22: Kontinuität in den BMW-Vorstandsressorts während der zweiten Internationalisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Abbildung 23: Organigramm des BMW-Vertriebsressorts unter Hahnemann nach der Reorganisation, 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Abbildung 24: Vertragspartner des BMW-Vertriebs im In- und Ausland, 1961–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Abbildung 25: Regionale Verteilung der ausländischen Vertriebspartner der BMW AG und der BMW Motorrad GmbH, 1966–1970 . . . . . . . . . . . 321 Abbildung 26: Umsatzentwicklung pro Fahrzeug in der Auslandsmontage der BMW AG (Angaben in DM), 1968–1971 . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Abbildung 27: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten inkl. Teilesätze der BMW AG in verschiedene Absatzregionen, 1962–1970 . . . . . . . . . . . . 348 Abbildung 28: PKW-Lieferungen in die USA, Umsatzzahlen und Zuschuss für den Werbeaufwand der BMW AG auf dem US-Markt, 1962–1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Abbildung 29: PKW-Produktion verschiedener Nationen inkl. Kombinationskraftwagen, 1970–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Abbildung 30: Export von PKW inkl. Kombinationskraftwagen verschiedener Länder, 1970–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Abbildung 31: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die EFTA und EWG inkl. Teilesätze, 1970–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Abbildung 32: Export von Kraftfahrzeugen und Straßenzugmaschinen aus der Neuproduktion der Bundesrepublik Deutschland in die einzelnen Länder der EWG und EFTA inkl. Teilesätze, 1970–1981 . . . . . 414 Abbildung 33: PKW-Export in Stückzahlen und prozentualer Exportanteil an der PKW-Gesamtproduktion der Daimler-Benz AG, Volkswagen AG und BMW AG, 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Abbildung 34: Kontinuität in den BMW-Vorstandsressorts während der dritten Internationalisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Abbildung 35: Produktion von Motorrädern und Kraftwagen der BMW AG, 1970–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Abbildung 36: Export von BMW-Motorrädern nach Verkaufsregionen, 1977–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Abbildung 37: Auswirkungen der ersten Ölpreiskrise, 1974 . . . . . . . . . . 459 Abbildung 38: Organigramm des Vertriebsressorts der BMW AG unter Schönbeck, 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

7.2.  Verzeichnis der Abbildungen

763

Abbildung 39: Vertragspartner des BMW-Vertriebs im In- und Ausland, 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Abbildung 40: Regionale Verteilung der ausländischen Vertriebspartner der BMW AG und der BMW Motorrad GmbH, 1971–1981 . . . . . . . . . . . 501 Abbildung 41: Teileumsatz gesamt (PKW, Motorrad, Händler- und Werkstättenbedarf) der BMW AG, 1973–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 Abbildung 42: Beteiligungsstruktur der BMW AG, 1981 . . . . . . . . . . . . . . 533 Abbildung 43: Regionale PKW-Absatzstruktur der BMW AG, 1971 . . . 537 Abbildung 44: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten inkl. Teilesätze der BMW AG in verschiedene Absatzregionen, 1972–1976 . . . . . . . . . . . . 539 Abbildung 45: Deutsches und englisches Werbemotiv einer internationalen BMW-Dachkampagne, 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Abbildung 46: Organisationsplan der Hugh Parker Group, 1970 . . . . . . . 612 Abbildung 47: Karikatur des Vertriebsvorstands der BMW AG, Lutz, 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 Abbildung 48: Eigentümerstruktur des BMW-Geschäfts in Südafrika, 21.11.1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Abbildung 49: Reales Wachstum des Bruttosozialproduktes in Südafrika, 1975–1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 Abbildung 50: Abwertung der südafrikanischen Währung Rand gegenüber der DM, 1972–1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 Abbildung 51: Preisentwicklung anhand des Preisindex für Neufahrzeuge und die Inflationsrate des Rand, 1970–1985 . . . . . . . . . . . . 638 Abbildung 52: Zulassungszahlen des südafrikanischen Automobilmarktes und der BMW SA, 1977–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 Abbildung 53: Belegschaftsstruktur der BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 1973–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 Abbildung 54: Lohn- und Gehaltsentwicklung von schwarzen und weißen Mitarbeitern bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Indizierte Angaben, 1975 = 100), 1975–1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Abbildung 55: Entwicklung des Mindestlohns bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Angaben in Rand, 1 Rand = 100 Cents), 1973–1982 . . 668 Abbildung 56: Produktivität des Werk Rosslyn anhand der gefertigten Einheiten pro Tag, 1969–1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 Abbildung 57: PKW-Produktion im Werk Rosslyn, Geschäftsjahre 1977–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706

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7. Anhang

7.3.  Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1: Entwicklung bundesdeutscher Direktinvestitionen im Ausland, 1952–1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Tabelle 2: Investitionen der BMW AG seit der Währungsreform 1948 (Angaben in 1 000 DM), 1948–1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Tabelle 3: Mitarbeiterzahlen der BMW AG zum Jahresende, 1950–1960 . 81 Tabelle 4: Entwicklung des deutschen Motorradmarktes und der BMW-Motorradsparte anhand ihrer Produktionszahlen, 1948–1956 . . . . 90 Tabelle 5: Exportanteil von BMW-Motorrädern an dem Export der deutschen Motorradindustrie in den Hubraumklassen 250 ccm und 500/600 ccm, 1950–1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Tabelle 6: Exportanteil von BMW-Motorrädern an der gesamten Motorradproduktion der BMW AG, 1949–1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Tabelle 7: PKW-Produktionszahlen der BMW AG seit Wiederaufbau der Automobilfertigung, 1952–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Tabelle 8: Fertigwarenlagerbestände in Stück von BMW im Geschäftsjahr, 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Tabelle 9: Gesamtumsatz der BMW AG und prozentualer Anteil der einzelnen Produktgruppen, 1958–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Tabelle 10: Inlands- und Exportlistenpreise ab Werk der Modelle BMW 501 und BMW 502, 1954/55 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Tabelle 11: Exportanteil des Gesamtversands ab Werk von Fahrzeugen der Oberklasse verschiedener deutscher Automobilhersteller im Vergleich, 1950–1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Tabelle 12: Inlands- und Exportlistenpreise ab Werk der Modelle BMW 502 2,6 Ltr., BMW 502 3,2 Ltr., BMW 503 und BMW 507, 02.1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Tabelle 13: PKW-Produktionszahlen von Fahrzeugen der oberen Klasse der BMW AG, 1952–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Tabelle 14: Inlands- und Exportlistenpreise ab Werk der BMW Isetta vor und nach Preiserhöhung, 1955–1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Tabelle 15: Produktion der BMW Isetta nach Modelltyp, 1955–1962 . . . . 131 Tabelle 16: Produktionszahlen des BMW 600 nach Modellvarianten, 1957–1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Tabelle 17: Verkaufspreis-Übersicht des BMW 700 (Coupé/Limousine) und des Vergleichsklassements in Europa und Übersee (Angaben in DM), 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Tabelle 18: BMW-Generalimporteure weltweit nach Absatzregionen, 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Tabelle 19: Entwicklung des PKW-Exports der BMW AG und der deutschen Automobilindustrie gemessen an ihrer Produktion, 1952–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

7.3.  Verzeichnis der Tabellen

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Tabelle 20: Umsatz und Exportanteil am Umsatz der BMW AG (Angaben in Mio. DM), 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Tabelle 21: CKD- und SKD-Montageprojekte der BMW AG während der ersten Internationalisierungsphase, Beginn vor 1961 . . . . . . . . . . . . . 191 Tabelle 22: Produzierte Fahrzeugteilesätze der BMW AG nach Baumustern, 1957–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Tabelle 23: Wagenexporte der BMW AG nach Absatzregionen in den Jahren 1959 und 1960, 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Tabelle 24: Export von Automobilen der BMW AG nach Absatzregionen und ausgewählten Ländern, 1954–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Tabelle 25: Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten (Angaben in Mio. DM), 1950–1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Tabelle 26: Exportanteil an der Produktion und dem Gesamtumsatz der BMW AG, 1950–1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Tabelle 27: Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland und OECD (jährliche Wachstumsraten in Prozent) . . . . . . . 232 Tabelle 28: Strukturwandel der westdeutschen Wirtschaft anhand der sektoralen Verteilung der Erwerbstätigen (Angaben der Wirtschaftssektoren in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Tabelle 29: Entwicklung der Belegschaftsstruktur der BMW AG inkl. ihrer ausländischen Arbeiter, 1961–1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Tabelle 30: Bestand an Kraftfahrzeugen inkl. Kombinationskraftwagen und Krafträdern mit Fahrberechtigung im Bundesgebiet, 1950–1970 . . . . 271 Tabelle 31: Export und Exportquote von BMW-Motorrädern gemessen am Absatz, 1960–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Tabelle 32: Export von BMW-Motorrädern in das europäische Ausland, 1962–1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Tabelle 33: PKW-Produktionszahlen inkl. Teilesätze der BMW AG nach Fahrzeugsegmenten, 1961–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Tabelle 34: PKW-Produktion von Glas-Modellen sowie des BMW 1600 GT und BMW 3000 V8 in der Bundesrepublik Deutschland, 1966–1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Tabelle 35: Umsatz- und Gewinnentwicklung der BMW AG, 1963–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Tabelle 36: Konkurrenzpreise in DM der BMW-Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wichtigen Exportländern, 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Tabelle 37: Für den Export produzierte Teilesätze nach BMWBaumustern, 1961–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Tabelle 38: CKD- und SKD-Montageprojekte der BMW AG während der zweiten Internationalisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Tabelle 39: CKD-/SKD-Umsätze der BMW AG in TDM und Einheiten, 1968–1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

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Tabelle 40: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten der BMW AG inkl. Teilesätze nach Absatzregionen und ausgewählten Ländern, 1962–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Tabelle 41: Zuschuss für Werbung und Verkaufsförderung sowie Umsatz der BMW AG für den US-Markt (Angaben in DM), 1965–1971 . . . . . . . . 370 Tabelle 42: Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten (Angaben in Mio. DM), 1961–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Tabelle 43: Exportanteil an der Produktion und dem Gesamtumsatz der BMW AG, 1961–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Tabelle 44: Strukturwandel der westdeutschen Wirtschaft anhand der sektoralen Verteilung der Erwerbstätigen, 1965–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Tabelle 45: Kraftwagenproduktion deutscher Hersteller in der Bundesrepublik (Angaben in Mio.), 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Tabelle 46: Mitarbeiterzahlen der BMW AG im In- und Ausland, 1975–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 Tabelle 47: Bestand an Kraftfahrzeugen inkl. Kombinationskraftwagen und Krafträdern mit Fahrberechtigung im Bundesgebiet, 1970–1985 . . . . 438 Tabelle 48: Export und Exportquote von BMW-Motorrädern gemessen am Absatz, 1970–1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Tabelle 49: Export von BMW-Motorrädern in das europäische Ausland, 1977–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Tabelle 50: PKW-Produktionszahlen inkl. Teilesätze der BMW AG nach Fahrzeugsegmenten, 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 Tabelle 51: Konkurrenzpreise der BMW-Vergleichsklassen im Bundesgebiet und in wichtigen Exportländern (Angaben in DM), 1971 . . . . . . . 469 Tabelle 52: CKD- und SKD-Montageprojekte der BMW AG während der dritten Internationalisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Tabelle 53: Für den Export produzierte Teilesätze nach BMWBaumustern, 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Tabelle 54: Hundertprozentige Vertriebsgesellschaften der BMW AG während der dritten Internationalisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 Tabelle 55: BMW-Marktanteile in wichtigen Märkten, 1971–1981 . . . . . . 525 Tabelle 56: Standortvergleich für eine neue Produktionsstätte, 1981 . . . . 529 Tabelle 57: Export von fabrikneuen PKW-Einheiten der BMW AG inkl. Teilesätze nach Absatzregionen und ausgewählten Ländern, 1972–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Tabelle 58: Geschäftsentwicklung der BMW AG anhand ausgewählter Finanzdaten (Angaben in Mio. DM), 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 Tabelle 59: Exportanteil an der Produktion und dem Gesamtumsatz der BMW AG, 1971–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 Tabelle 60: Entwicklung des PKW-Gesamtabsatzes aller Hersteller in Südafrika, 1962–1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 Tabelle 61: Lieferungen von CKD-Sätzen und CBU-Einheiten der BMW AG nach Südafrika, 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607

7.3.  Verzeichnis der Tabellen

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Tabelle 62: Zulassungszahlen sowie Marktanteile von BMWAutomobilen in Südafrika, 1968–1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Tabelle 63: Ergebnisentwicklung der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Angaben in Mio. Rand), 1976–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 Tabelle 64: Lohn- und Gehaltszahlungen an schwarze und weiße Arbeiter bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Angaben in Rand, indizierte Werte 1973 = 100), 1973–1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 Tabelle 65: Lohn- und Gehaltszahlungen an schwarze und weiße Mitarbeiter bei der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (Indizierte Angaben, Geschäftsjahr 1977 = 100), 1977–1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 Tabelle 66: BMW-Sondermodelle für Südafrika und ihre Produktionszahlen, 1968–1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 Tabelle 67: Neuzulassungen und Marktanteile von BMW-Fahrzeugen in Südafrika, 1972–1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Tabelle 68: Marktanteile von Kraftwagen der BMW AG und Daimler-Benz AG in Südafrika (Angaben in Prozent), 1976–1981 . . . . . 685 Tabelle 69: Export von CKD-Teilesätzen nach Südafrika, 1977–1981 . . . . 689 Tabelle 70: Vertriebsorganisation der BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 1972–1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 Tabelle 71: Export der BMW (South Africa) (Pty) Ltd. am Beispiel des ­Modells BMW 518 de Luxe, 1978–1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718 Tabelle 72: Kennzahlen über Produktion und Absatz von PKW (Stückzahl) der BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 1975–1981 . . . . . . . . . . . 723

768

7. Anhang

7.4.  Quellen- und Literaturverzeichnis 7.4.1.  Archivalien des BMW Group Archivs (BMW) Akten UA 53/1, UA 71/1, UA 84/1, UA 85/1, UA 100/2, UA 102/1, UA 104/2, UA 105/2, UA 107/1, UA 107/2, UA 107/3, UA 114/1, UA 131/1, UA 132/1, UA 142/2, UA 143/1, UA 147/1, UA 155/2, UA 185/1, UA 189/1,UA 225/1, UA 230/1, UA 266/1, UA 291/2, UA 409/1, UA 411/1, UA 412/1, UA 424/2, UA 431/1, UA 433/1, UA 440/1, UA 445/1, UA 451/2, UA 458/1, UA 467/1, UA 498/1, UA 514/1, UA 516/1, UA 519/1, UA 527/2, UA 542/2, UA 548/2, UA 587/1, UA 590/1, UA 594/1, UA 599/1, UA 605/1, UA 622/1, UA 699/1, UA 713/1, UA 731/2, UA 732/2, UA 736/1, UA 737/1, UA 791/1, UA 800/1, UA 801/1, UA 802/1, UA 803/1, UA 806/2, UA 807/2, UA 808/2, UA 818/3, UA 825/1, UA 851/1, UA 852/1, UA 852/2, UA 856/2, UA 859/1, UA 930/1, UA 932/1, UA 937/1, UA 938/1, UA 939/1, UA 947/1, UA 951/4, UA 965/1, UA 1262/1, UA 1271/2, UA 1273/1, UA 1333/1, UA 1339/1, UA 1344/1, UA 1371/1, UA 1372/1, UA 1376/1, UA 1384/1, UA 1386/1, UA 1421/1, UA 1435/1, UA 1444/1, UA 1446/1, UA 1447/1, UA 1448/1, UA 1455/1, UA 1456/1, UA 1458/1, UA 1459/1, UA 1460/1, UA 1462/2, UA 1471/1, UA 1471/2, UA 1478/1, UA 1481/1, UA 1486/1, UA 1487/1, UA 1488/1, UA 1508/2, UA 1521/1, UA 1523/1, UA 1544/1, UA 1546/1, UA 1547/1, UA 1548/1, UA 1549/1, UA 1550/1, UA 1552/1, UA 1554/1, UA 1565/1, UA 1568/1, UA 1573/1, UA 1573/2, UA 1579/1, UA 1587/1, UA 1590/1, UA 1595/1, UA 1596/1, UA 1609/1, UA 1613/1, UA 1615/1, UA 1677/1, UA 1746/1, UA 1749/1, UA 1761/1, UA 1784/1, UA 1791/1, UA 1793/1, UA 1812/1, UA 1813/1, UA 1814/1, UA 1815/1, UA 1820/1, UA 1824/1, UA 1826/1, UA 1827/1, UA 1858/1, UA 1861/1, UA 1865/1, UA 1869/1, UA 1875/1, UA 1900/1, UA 1932/1, UA 1939/1, UA 1941/1, UA 1951/1, UA 1983/1, UA 1985/1, UA 1987/1, UA 1988/1, UA 1989/1, UA 1993/1, UA 1995/1, UA 1996/1, UA 1997/1, UA 1998/1, UA 1999/1, UA 2000/1, UA 2000/2, UA 2000/3, UA 2001/1, UA 2003/1, UA 2004/1, UA 2006/1, UA 2007/1, UA 2008/1, UA 2008/3, UA 2011/1, UA 2018/1, UA 2019/1, UA 2020/1, UA 2024/2, UA 2039/1, UA 2041/1, UA 2043/2, UA 2045/1, UA 2103/1, UR 36/1, UR 40/1, UR 154/1, UR 155/1, UR 1347/1, UR 1533/1, UR 2531/1, UR 2583/1, UR 3137/1, UR 4156/1, UR 4183/1, UR 4843/1, UR 4848/1, UR 5835/1, UR 5838/1, UR 6158/1, UR 6271/1, UR 6272/1, UR 10850/1. Unternehmenspublikationen AK 193/10, AK 582/20, AK 586/20, AK 600/20, AK 602/20, AK 609/10, AK 609/20, AK 609/30, AK 657/25, AK 662/30, AK 666/25, AK 734/20, AK 743/25, AK 908/20, AK 913/30, AK 923/20, AK 934/20, AK 955/20, AK 1022/20, AK 1243/55, AK 1950/24, AK 2102/25, AK 2120/20, AP 4/10, AP 5/10, AP 13/10, AP 46/10, AT 1245/21, MK 123/10, MK 271/10, MK 335/10, MK 374/10, MK 374/20, MK 374/30, MK 374/55, MP 1/10, MP 10/10, MP 16/10, RP 29/10, UI 2023/7, UI 2024/10, UI 2198/1, UI 2354/1, UI 3654/1, UP 53/10, UP 115/10, UP 116/10, UP 138/10, UP 200/10, UP 224/10, UP 228/10, UP 247/10, UP 250/10, UP 312/10, UP 380/10, UP 405/10, UP 456/10, UP 564/10, UP 820/10, UP 949/10, UP 1578/10, UP 1600/10, UP 1608/10, UP 3200/1, UP 3641/10, UU 29/10, UU 31/10, UU 32/10, UU 33/10, UU 35/10, UU 36/10, UU 37/10, UU 38/10, UU 39/10, UU 40/10, UU 45/10, UU 46/10, UU 47/10, UU 48/10, UU 52/10, UU 53/10, UU 54/10, UU 55/10, UU 56/10, UU 194/10, UU 196/10, UU 199/10, UU 202/10, UU 205/10, UU 209/10, UU 214/10 , UU 220/10, UU 224/10, UU 226/10, UU 228/10, UU 230/10, UU 232/10, UU 236/10, UU 243/10, UU 244/10, UU 248/10, UU 260/10, UU 671/10, UU 676/10, UU 685/10, UU 1319/99, UU 3095/10, UU 3097/10, UU 3101/10, UU 3105/10, UU 3106/10, UU

7.4.  Quellen- und Literaturverzeichnis

769

3107/10, UU 3109/10, UU 3112/10, UU 3113/10, UU 3127/10, UU 3128/10, UU 3304/10, UU 3465/10, UU 3563/10, UU 3634/10. Bilder & AV-Medien AF 2748/1, AF 4150/1, AF 5213/1, AF 5870/1, AF 7780/1, AF 7911/1, AF 7929/4, AF 7929/6, AF 7951/1, AF 7952/2, AF 8184/1, AF 8490/5, AF 8497/1, AF 8497/3, AF 8582/1, AF 12212/1, AF 13188/1, AF 13651/3, AF 13411/1, AF 14099/1, AF 14177/4, AF 14178/2, AF 14179/4, AF 14180/10, AF 14290/1, AF 14304/1, AF 14487/1, AF 14523/1, AF 14638/1, AF 14950/1, AF 14957/1, AF 14958/1, AF 15100/4, AF 15250/1, AF 15259/1, AF 15612/1, AF 16363/1, AF 19529/1, AF 19547/1, AF 20193/1, AF 21136/1, AF 32041/1, AF 33813/1, AM 26/10, MF 2341/2, MF 3344/4, MF 6305/1, MF 7391/1, RF 63/1, RF 3004/1, RF 3018/1, RF 3729/1, RF 3735/1, RF 3737/4, RF 4507/1, RF 4507/2, RF 10090/3, RF 10091/3, UF 538/1, UF 3182/1, UF 3486/1, UF 5088/4, UF 6117/1. Datenbank des BMW Group Archivs AD 33/1, AD 42/1, AD 145/1, AD 221/1, AD 316/1, AD 318/1, AD 329/1, AD 772/1, AD 1183/1, MD 595/1, MD 606/1, UG 15/1, AN 150/1, AN 196/1, AN 760/1, UN 182/1, UN 194/1, UN 219/1, UN 227/1, UN 276/1, UN 294/1, UN 422/1, UN 488/1, UN 490/1, UN 492/1, UN 496/1, UN 786/1, UJ 1308/1, UW 29/1. Weitere Bestände Unverzeichneter Bestand „BMW Werbemotive“.

7.4.2.  Archivalien des Archivs für Christlich-Soziale Politik (ACSP) Akten NL Jaeger R:47/2 NL Klein:814 NL Strauß BMF:36 NL Strauß Fam:1054 NL Strauß Fam:1268 NL Strauß MPr 77/8 NL Strauß MPr 77/10 NL Strauß PV:2877 NL Strauß PV:6179 NL Strauß PV:6366 NL Strauß PV:9094 NL Strauß PV:9114 NL Strauß PV:11133 NL Strauß PV:11765 NL Strauß PV:14588 NL Strauß PVs:615 NL Strauß Slg Kray I:77/19 NL Strauß Slg Kray I:83/28 NL Strauß Slg Kray I:84/10 NL Strauß Slg Kray RA 88/21d

770

7. Anhang

7.4.3. Interviews Elizabeth Baloyi, Controlling Finance, BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 06. 2012. Mary Chan, Marketing Communications Manager, BMW Asia Pte. Ltd., 27. 03. 2015. Lochner Dicker, Leiter Technical Training, BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 12. 06.  2012. Dr. Eberhard von Kuenheim, Vorstandsvorsitzender BMW AG, 1970–1993, 07.  11.  2012. Seth Phalatse, Mitglied Board of Directors, BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 20. 06.  2012. Peter Tomba, Organisational Developer, BMW (South Africa) (Pty) Ltd., 18. 06. 2012.

7.4.4.  Periodische Publikationen auto, motor, sport bayernmotor BMW Group Mobile Tradition live BMW Journal Frankfurter Allgemeine Zeitung Das Motorrad Der Spiegel stern Die Welt „wir von BMW“ Die Zeit

7.4.5. Quelleneditionen Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1977, hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Institut für Zeitgeschichte, München 2008 (AAPD 1977). Smith, Jean E. (Hg.): The Papers of General Lucius D. Clay, Bloomington 1974.

7.4.6. Literatur Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004. Ders.: Die Langen Fünfziger Jahre. Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland 1949–1966, Düsseldorf 1987. Ders. (1981): Wiederaufbau vor dem Marshall-Plan. Westeuropas Wachstumschancen und die Wirtschaftsordnungspolitik in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 29, Nr. 4, S. 545–578. Ders. (1979): Probleme des Wiederaufbaus der westdeutschen Wirtschaft 1945–1953, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft, Vol. 5, Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945–1953, S. 208–253. Addleson, Mark / Tomlinson, Richard (1986): Industrial Decentralisation Policy and the Prospects for the Development of South Africa’s Homelands, in: The Journal of Modern African Studies, Vol. 24, No. 1, pp. 155–163. Adler, Glenn (1993): From the “Liverpool of the Cape” to “the Detroit of South Africa”. The Automobile Industry and Industrial Development in the Port-Elizabeth-Uitenhage-Region, in: Kronos, No. 20, pp. 17–43. Adolph, Norbert (1987): Fahrwerk – Bindeglied zur Straße, in: Bartsch, Christian (Hg.), Ein Jahrhundert Motorradtechnik, Düsseldorf, S. 180–223.

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788

7. Anhang

7.5. Sachregister Alfa-Romeo  468, 586, 594, 601  f., 634, 675, 730 American Motors Corporation (AMC)  245, 332  f., 410, 634 Apartheid  5, 37  f., 41, 45–48, 435, 510, 577, 579–594, 622, 624, 630–635, 637, 649, 652  f., 655, 657–661, 670, 702, 704, 717, 723–725, 729–731, 733, 735, 737, 739  f., 750 Auto-Union bzw. Audi  2  f., 42, 183, 198, 237, 253–255, 300, 346, 378, 422, 468  f., 471, 675, 685, 709 Balcom Trading Company  303, 365, 463, 521, 524 Bavarian Motor Works  215, 366, 526, 562 Bayerische Motoren Werke AG (BMW) – BMW Niederlassung  15, 44, 317, 339, 432, 487, 499, 502, 587, 589, 637, 664, 713, 734 – BMW Tochtergesellschaften bzw. ­Beteiligungen – – BMW (Bophutswana) (Pty) Ltd.  703 – – BMW (US) Holding Corp.  521, 531, 533  f., 722 – – BMW (South Africa) (Investments) (Pty) Ltd.  480, 534, 616–620, 643, 710 – – BMW Assemblers (Pty) Ltd.  616, 618–620, 628 – – BMW Automobile Distributors (Pty) Ltd.  616, 618  f. – – BMW Distributors Eastern Canada Ltd.  531, 533  f., 619, 629 – – BMW Holding AG  531, 533, 620 – – BMW Italia Leasing SpA  534 – – BMW Japan Financing Corp.  480 – – BMW Motorrad GmbH  276, 321, 426, 437, 441  f., 494, 501, 572, 660 – – BMW Overseas Enterprises NV  532  f., 535 – – BMW Spares (Pty) Ltd.  616, 618, 629 – – BMW-STEYR Motoren GmbH bzw. Steyr-Daimler-Puch AG  334, 391, 423, 479, 533 – BMW Werke – – Allach  52, 71, 73, 75, 81  f., 92, 283 – –  Basdorf/Zühlsdorf  72

– – Berlin-Spandau  52, 75, 264, 275  f., 288, 423, 436 f., 494, 513, 569, 572, 574 – – Dingolfing  275, 288, 290, 297, 326 f., 331, 333, 381, 392 f., 407, 422, 457 f., 503, 513, 569, 597–599, 603, 607, 674, 677, 694, 742 Dürrerhof  52, 72 – –  – – Eisenach  52, 57, 72 f., 105, 222 München-Milbertshofen  52, 71 f., – –  75, 82, 87, 89, 96, 108 194, 251, 257, 269, 275 f., 330–332, 428, 436, 457, 513, 576, 606, 673, 676, 677 Regensburg  422, 529 – –  – – Rosslyn  34, 37, 69, 423, 435, 452, 513, 516, 522 f., 538, 542, 569, 588, 593 f., 602–604, 607, 631, 639, 641, 643 f., 646, 648–651, 655–657, 660, 663 f., 672, 675–678, 681–683, 688– 692, 694, 696–703, 705–708, 716–720, 723–725, 728, 732, 737, 739, 752 – –  Spartanburg  725 – – Steyr  334, 391, 423, 479, 515, 533 – –  Wackersdorf  423 – BMW Vertriebsgesellschaften – – BMW (Australia) Pty. Ltd bzw. BMW Australia Ltd.  340, 342 f., 488, 522, 533, 721 f. – – BMW (GB) Ltd.  522, 533, 719 – – BMW (Schweiz) AG  522, 533 – – BMW (South Africa) (Pty) Ltd. (BMW SA)  37, 423, 488, 508, 522, 531, 533, 575–740 – – BMW Austria Gesellschaft mbH  488, 522, 533 – – BMW Belgium SA/NV  510, 520, 522, 533 – – BMW Canada Ltd.  84 f., 138, 150, 228, 339 – – BMW France SA  364, 519, 521, 522, 531, 533 f. – – BMW lberica SA  533 – – BMW Italia SpA  340 f., 358, 522, 531, 533 – – BMW Japan Corp.  464, 473, 475, 480, 521 f., 524, 533, 572, 740, 750 f. – – BMW of North America, LLC  522, 527, 531, 533, 542, 563, 660 – – BMW Nederland BV  522, 533 Behördengeschäft bzw. WholesaleGeschäft  83, 87, 93, 100, 158 f., 162,

7.5. Sachregister 188, 213, 281 f., 317, 445 f., 491, 544, 577, 689, 751 Betriebsrat  254, 664 f., 734 Black Liaison Committee  650 f., 663 Bophuthatswana  594, 655, 663, 671, 702–704 Borgward 2 f., 116, 120, 145, 179, 198, 237, 257 f., 315 f., 343, 372, 595, 709 Bosch  72, 623, 661 Christlich Demokratische Union (CDU)  581 f., 584, 634 Christlich-Soziale Union (CSU)  38, 581, 583 f., 588–590, 634, 739 Citroën  190, 300, 468, 517, 605 Club Motors  80, 94, 446, 576 f., 579, 591–593, 595–597, 612, 713 Cluster bzw. Unternehmenscluster  594, 736 Completely Knocked Down (CKD)  10, 24, 33 f., 69, 132 f., 137, 146, 150 f., 158, 161, 185–188, 191 f., 194 f., 197 f., 200 f., 203, 259, 280, 323, 325–328, 330 f., 334, 337 f., 344, 347, 390, 392, 481 f., 497, 507–509, 511–516, 575, 591, 593, 595– 597, 599 f., 603 f., 606–608, 610, 640, 644, 675, 677 f., 689, 691, 697, 702, 707, 716 f. Corporate Identity (CI)  214 f., 219, 358 f., 375, 492, 499, 545, 554–557, 563, 571 Cross-Cultural-Manager  429, 749 Daimler-Benz (DB) bzw. Mercedes  2, 4, 13, 18, 30, 36, 39 f., 42 f., 47, 68–70, 72 f., 79, 88, 100, 102, 105 f., 117, 120 f., 123, 145 f., 152, 154, 156, 166, 170 f., 175, 181–184, 187, 193, 197 f., 205, 210, 213, 223, 225 f., 248–250, 252, 258, 263, 286, 291 f., 298, 304, 309, 314, 320, 322 f., 329, 339, 346, 350, 367, 378, 382, 415 f., 450 f., 463, 466, 471–473, 477–479, 487, 490, 493 f., 498, 507, 509, 527, 534 f., 538, 544, 546, 550, 557, 562 f., 566, 570, 577, 586, 613, 621, 623, 637, 655, 657 f., 684 f., 710 f., 728, 743 f. Datsun Nissan Company (Pty) Ltd. (Datsun-Nissan) bzw. Rosslyn Motor Assemblers (Pty) Ltd.  594, 601–603, 605 f., 614, 616, 711 Deutsche Bank  78, 223 Deutsche Demokratische Republik (DDR)  2, 44, 60, 247, 409, 545, 582 Dezentralisierung  24, 75, 486, 497, 552, 564, 571 f., 748 Direktinvestitionen (DI) bzw. Auslandsdirektinvestitionen  1, 3 f., 7, 10, 14, 17, 22–24, 37, 39–41, 47, 57–59, 68, 72,

789

84, 193 f., 202, 204 f., 225 f., 228, 237 f., 257, 259, 264, 275, 308 f., 327, 339–341, 344 f., 358, 381–383, 392, 405 f., 416, 423, 478 f., 487, 511, 528–530, 534 f., 570, 575, 577, 581, 585 f., 588, 610, 620–624, 632, 634, 639, 648, 653, 656, 677, 680, 692, 701, 730, 737, 742, 744– 746, 750 DKW  202, 434, 592 Eisenacher Motoren Werke (EMW)  57 Ersatzteile  318, 342, 361, 364 f., 493, 504 f., 611 European Free Trade Association (EFTA)  56, 64–68, 148–150, 172, 196, 199 f., 202, 204, 227 f., 239–242, 279 f., 299–301, 304, 329, 334. 348, 351, 353, 391 f., 401, 403, 413 f., 448, 523, 525, 537–540, 742 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)  23, 55 f., 64–67, 145, 148–150, 172, 196, 198–200, 202, 205, 227 f., 234, 239–244, 279 f., 299–301, 304, 329, 334, 348, 351–353, 391, 402–404, 413 f., 446, 448 f., 466, 496, 517 f., 520, 523, 537– 540, 542, 566, 742, 744, 747 Euro-Republic Automobile Distributors (Pty) Ltd. (ERAD)  37, 302, 327 f., 508, 596 f., 599–608, 611 f., 614, 616–618, 673 f., 709, 726 f. Euro-Republic Spares (Pty) Ltd. (EROS)  611 f., 616 f. Fadex  220, 370 f. Fiat  136, 138, 145, 147, 151, 167, 177, 319, 336, 586, 594, 621, 634 f., 700–702, 704, 724, 730 Flugmotor  3, 48, 72, 75, 77, 85, 102, 222, 253 Ford-Werke AG bzw. Ford-MotorCompany bzw. Ford  2, 69, 75, 145, 170, 183, 198, 221, 245, 258, 378, 410 f., 421 f.,, 468 f., 575, 586, 641, 657, 672, 675, 681, 685, 730 Frazer Nash bzw. Archibald Frazer Nash Ltd. (AFN)  77, 119, 155, 175 Frua  290, 302, 615, 673 f., 676 Gastarbeiter 235 f., 259, 264–270, 289, 398 f., 428 General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)  23, 54, 56, 239, 391 General Motors (GM)  75, 221, 245, 255, 296, 304, 410 f., 421, 575, 586, 632, 641, 730 Globalisierung  6, 8 f., 12–14, 16 f., 40–42, 424

790

7. Anhang

Handelsorganisation  117, 147, 156, 167–170, 173–176, 178–181, 193, 256, 316, 318–320, 323, 351, 358, 360, 381, 393, 463, 479, 481, 499–504, 555 f., 608, 630, 708–710, 712, 714 f., 726, 728, 738 f., 746 f. Glas 2 f., 126, 136, 237, 251, 256, 275, 288, 290 f., 323, 327, 332, 372, 381 f., 452, 597–600, 608, 610, 615, 672, 674 f. Hauptversammlung  79, 86, 125, 142, 145, 152, 164, 248, 250 f., 282, 314, 336, 352 f., 355, 383, 423, 502, 550, 730, 751 Helsinki-Modell  11, 25 f., 84, 195 f., 390 Hercules  95, 272, 385, 444 Hoechst  57, 669, 734 Hoffman Motor Corp. (HMC)  121 f., 142, 212, 301, 367–371, 376, 386, 389, 395, 502, 523, 526 f., 562–564, 747 Homeland 593 f., 634, 649, 655, 657, 663 f., 670, 702–704 Honda  42, 412, 440 f., 444, 711 Horex  95, 103, 272, 385 Hugh Parker Group bzw. Hugh Parker  595 f., 601, 604 f., 607, 610–612, 616 f., 620, 649 f., 673, 696 f., 736 Illings  613, 616, 771, 730 Internalisierung 19–22, 24, 33, 339, 345, 393, 479, 485, 498, 503, 506, 517, 523, 525 f., 536, 538, 569, 740, 744, 748, 750– 752 Isetta of Great Britain Ltd.  111, 137 f., 185, 187, 191–194, 201, 203 Iso Rivolta SpA (ISO)  86, 108, 127 f., 130, 132, 137, 142, 153, 156, 177, 185, 188–190, 203 f., 272 Jupiter Motor Distributors (Pty) Ltd. bzw. Jupiter Motor  596, 601, 604, 612 Kaiser Jeep Africa (Pty) Ltd. bzw. Kaiser Jeep  37, 596, 601, 604 f. Karlsfeld Ordnance Depot (KOD/ KOMD)  71, 73, 81, 92, 131, 153, 222 Kawasaki 444 Kompletteinheiten (CBU)  151, 194, 200, 202 f., 300, 323, 325 f., 328 f., 331, 334, 343, 383, 392 f., 516, 575, 579, 607, 610, 672, 689, 737 Kreidler  95, 272, 385 Kundendienst  83, 151, 159, 161, 163, 166 f., 171, 176, 182, 213, 215, 289, 310, 313, 322, 358, 361, 421, 491–493, 504, 603, 608, 662 f., 713, 729 Kurzarbeit  112, 131, 272, 407, 630 Lamborghini  115, 453

Laterale Rigidität  11, 25 f., 80, 84, 96, 173, 227 f., 390, 392, 530, 621, 623, 737, 745 Local Content (LC)  12, 23, 58, 93, 104, 118, 132, 171, 178, 186, 204, 280, 350, 510, 512 f., 524, 575, 577 f., 592, 596, 598, 603, 606, 611 f., 621–623, 627, 630, 634, 636 f., 641, 682, 684, 697, 702, 716 f., 720, 729, 737 Logistik  11, 34, 37, 170, 176 f., 195, 259, 317, 326, 329, 365, 423 f., 461 f., 492, 513, 520, 529, 551, 569, 699, 707, 719 f., 726, 752, 759 Marketing-Mix bzw. 4 Ps / 4+2Ps  4 f., 27, 30–32, 34, 38, 42, 49, 78, 85, 224 f., 355, 393 f., 466, 557, 591, 621, 645, 738, 741, 743–745, 752 Marktforschung  35, 109, 114, 122, 125, 136, 139 f., 151, 154, 158–163, 179, 201, 208, 212, 216, 223 f., 228, 261, 286, 288, 291–297, 312 f., 322, 335, 354, 356, 374, 444 f., 448, 468, 492, 494, 496, 549, 559, 592, 669, 683 f., 727, Maschinenfabrik Augsburg–Nürnberg AG (MAN)  92, 172, 283, 466 Massachusetts Institute of Technology (MIT) 43 Mazda 711 Mercedes-Benz of South Africa (Pty.) Ltd. (MBSA)  655, 658, 709 Messerschmitt-Bölkow-Blohm 587 f. Metalmecánica  177, 189, 191, 198, 202, 318 Mindestlohn 668 f. Moorkens bzw. Ets. Moorkens SA  190 f., 259, 328–330, 333, 344, 508, 510, 520 National Association of Automobile Manufacturers of South Africa (Naamsa) 624 Nationalsozialismus (NS) bzw. NS-Regime  4, 48, 72, 75, 220, 235, 255 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)  78 Neckarsulm Motorenwerke (NSU)  95, 147, 221, 272, 304, 378, 385, 422 Neue Institutionenökonomie (NIÖ)  18–23, 27, 41, 45 Nissan  411, 602 Öffentlichkeitsarbeit bzw. Kommunikationsarbeit  35, 208–210, 212–216, 353, 366, 368, 380, 395, 488, 492, 545–549, 552–554, 559 f., 566, 711, 725 f., 728 f., 730–736, 739 f., 747, 748

7.5. Sachregister Ölpreiskrise 397 f., 400 f., 407–411, 414 f., 422, 439, 443 f., 449, 453, 455, 457–459, 466–468, 471 f., 475, 477, 500, 524, 536, 550, 560, 636, 704, 742 f. Opel bzw. Adam Opel AG  2, 69, 75, 77, 120, 166, 170, 183, 198, 255, 293, 300, 304, 316, 378, 421, 469, 509 Organisationales Lernen  26, 744 f., 750 Organization for Economic Cooperation and Development (OECD)  53, 232, 659 Organization for European Economic Cooperation (OEEC)  53, 56, 59, 76, 232 Porsche  2, 39 f., 42, 259, 284, 300, 304, 468 f., 540, 682 Praetor Assemblers (Pty) Ltd.  37, 327 f., 508, 604 f., 607, 611 f., 616 f. Quandt-Unternehmensgruppe bzw. Quandt-Gruppe  252, 257 Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) 406 Renault  147, 293, 602, 715 Rezession  49, 233, 245–249, 275, 290, 346, 384, 390, 397 f., 401, 458, 624 f., 629, 633, 635, 637, 704, 729, 737 Rolls-Royce  89, 285 Romi  137, 177, 189, 204 Saab 519 Semi Knocked Down (SKD)  132 f., 136 f., 151, 158, 161, 186–188, 191, 195, 198, 259, 280, 324–326, 328–330, 337 f., 347, 390, 508, 514 f., 677 Siemens  1, 20, 29, 43–45, 72, 210, 658, 669, 734 Soweto  584, 630, 632 f., 645, 714, 729, 737 Sowjetunion bzw. Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)  52, 337, 397, 406, 543 f., 582

791

Streik  529, 650 f., 664 f., 667, 674 Sullivan Principles bzw. Sullivan Code  632, 634, 659 Suzuki  444, 592 Tornax  95, 272, 385 Township  594, 634, 714 Toyota  411, 468, 616, 699, 710, 715 f. Tozer Kemsley & Millbourn Ltd. (TKM)  616–619 Triumph 147 f., 441 United Nations (UN)  582–584, 588, 591, 594, 675 Uppsala-Modell  11, 25, 195 f., 205, 228, 529, 737, 744 f. Vélam  128, 189, 221 Verhaltenskodex  37, 583, 585, 587, 589, 632–634, 637, 658 f., 661, 663 f., 666–669, 671, 729–734, 737, 739 f., 750 Volkswagen (VW)  2, 40–42, 47, 51, 55, 58 f., 63 f., 68–70, 93, 100, 102, 156, 166, 170 f., 173, 181, 183 f., 193, 197 f., 202, 204 f., 215, 225, 241, 248–250, 258, 263, 269, 283, 292 f., 304, 307, 314 f., 329, 339, 346, 350, 356, 378, 382, 390, 415, 422, 424, 451, 471, 474, 478, 490, 493 f., 498, 507, 509, 538, 563, 613–615, 621, 623, 636, 641, 647, 656 f., 715, 728 Vollbeschäftigung  234, 397 Volvo  180, 304, 624, 728 Weiterbildung 262 f., 289, 435, 637, 652 f., 656, 662, 665 f., 670 f., 698, 713 Wolmans (Pty) Ltd. bzw. Wolmans  596 Yamaha 444 Zentralisierung 14 f., 17, 33, 377, 379, 497, 564, 570–572, 748 Zulieferer  42, 302, 407, 424 f., 505, 601, 605, 752 Zündapp  86, 95, 272, 385, 444

792

7. Anhang

7.6. Personenregister Adenauer, Konrad  121, 232 Baranek, Klaus  337 Bertone, Giuseppe  115, 286, 302 Black, Willy  78 Botha, Pieter Willem  587, 633 f. Brandt, Willy  397, 580 f. Büchelhofer, Robert  309, 493 Denzel, Wolfgang  141–143, 145, 180, 318 Donath, Kurt  75, 82, 86 f., 102 f., 105, 127, 156, 251 Drenowatz, C.A.  86, 94, 98, 126, 176, 215 Erhard, Ludwig  233, 239 Fiedler, Fritz  77, 80, 82, 103, 105, 115, 127, 251, 254 Ford, Henry  15 Genscher, Hans-Dietrich  582, 584 Gieschen, Wilhelm Hermann  256–258, 267, 295, 315, 331, 598 Goertz, Graf Albrecht  121 f. Golda, Kurt  254 Grewenig, Hanns  74 f., 78–80, 82 f., 97 f., 114, 116–118, 121, 126 f., 132, 156–158, 166, 168, 172, 176 f., 182 f., 206, 208–210, 212, 251, 261, 308 Hahnemann, Paul G.  164, 171, 253–258, 260, 262 f., 281 f., 288, 292 f., 295 f., 298, 301–303, 305, 308–317, 320, 323 f., 332 f., 340–342, 345 f., 351, 353–360, 362 f., 366, 368 f., 371, 373, 376–378, 380 f., 384, 387–390, 393 f., 416–422, 424, 426, 471, 481–483, 492, 498 f., 507, 566, 592, 598 f., 605, 743, 746 f. Haiber, Erich  420, 425, 484 Helten, Hans  324, 434 Hof, Ernst  78 f., 83 f., 109, 122, 125, 138, 158–160, 162 f., 167, 169, 192 f., 212, 253, 281 Hoffman, Maximilian Edwin  80, 121 f., 368, 371, 376, 395, 523, 562 f. Huber, Haimo  646–648 Kämpfer, Ernst  79, 147, 151, 163, 251– 253, 265 Koch, Hans  412, 419 f., 422 f., 544, 656, 675, 691 f., 726 f. Koerber, Eberhard von  423, 632, 635, 639 f., 644 f., 660, 671, 675, 681 f., 697 f., 700, 703, 717 f., 721, 724, 739

Krafft von Dellmensingen, Heinrich  74 f., 79, 82, 87, 102, 156, 164, 172, 251 Kreile, Reinhold  590 Krüger, Walter  82 f., 85, 134, 138, 158 f., 178, 186, 206 f. Kuenheim, Eberhard von  305, 362 f., 378, 380, 383, 387, 406, 416–423, 441, 450, 454, 479, 481, 484, 486, 488, 511, 530, 543, 547, 557, 566, 569, 589 f., 619, 629, 647 f., 660, 662, 677, 681, 690, 695, 713 f., 743 f. Ludwig, Günther  576 Lutz, Robert Anthony (Bob)  380, 418, 420–422, 424, 426, 454, 481, 483, 498, 500, 503, 517, 519, 539, 543, 557, 563, 613 f., 616, 627, 647, 690, 692, 709, 711, 726 f. Mangope, Lucas  703 Meatchem, Ronald  712, 721 f. Michelotti, Giovanni  115, 121, 136, 140, 142 f., 302, 453 Monz, Karl  258, 295, 420 Niederhofer, Helmut  309 Osswald, Bernhard  295, 305, 362, 420, 461, 487, 676 Paysen, Lüder  367, 464, 473, 480, 489, 524 Pollmann, Friedrich W.  295, 311 Pretorius, Johannes Hermanus  595–597, 599–607, 610–612, 614 f., 617, 690, 708 Quandt, Harald  252 Quandt, Hebert  146, 225, 252–254, 257, 263, 286, 302, 334, 383, 416, 418, 454, 569 Radermacher, Karlheinz  412, 420, 425 Reithofer, Norbert  739 Richter-Brohm, Heinrich  78 f., 83 f., 109, 116, 124, 136, 138–140, 144, 153 f., 158– 160, 162–164, 168 f., 178, 201, 206 f., 211 f., 216, 228, 251, 291 Rivolta, Renzo  127, 156 Sarfert, Eberhardt  420, 426 Schäfer, Helmut  420, 423–426 Schönbeck, Hans-Erdmann  420, 422, 481, 491, 493, 495, 503, 505, 509, 712 Schulenburg, Rudolf Graf von der  423, 629, 647, 660, 675, 694, 739 Seidel, Hanns  38, 74, 92 Seyfried, Hans  77, 79

7.6. Personenregister Söderström, Allan  80, 260 Sonne, Karl-Heinz  252 f., 257 f., 275, 352, 367, 444 Strauß, Franz Josef  38, 581 f., 584, 587– 590, 624, 632, 634, 637, 739 Tutu, Desmond  585 Urban, Horst  484, 627, 692

793

Vipond, William  647 Vorster, Balthazar Johannes  633, 663 Wiehahn, Nicholas  663, 665 f. Wilcke, Gerhard  252–254, 256, 258, 282 f., 295, 336, 340, 352, 363, 366, 416 Winkler, Hermann  262, 343, 365, 376, 434, 463, 616, 690

794

7. Anhang