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German Pages 581 Year 1870
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G
LIN
.in Dresden Preussen ersten Die
Hotel Bol
Chuth
Deutschlands
Kriegs-
des
Jllustrirtes
Ereignisse
Jahres
1866.
Gedenkbuch für das
deutsche
Nach den besten Quellen bearbeitet
von
Franz
Lubojatky.
Dresden. Verlag der J. Breyer'schen Buchhandlung (Tittel & Wolf).
Volk.
Buchdruderei von Hellmuth Henkler in Dresden.
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Keinem zu Lieb, Keinem zu
Leid .
Die Ereigniſſe unſerer Zeit sind derart, daß sie alle Schichten der deutschen Nation auf's Tiefste erregten. Schlacht an Schlacht wie im Fluge.
Entfesselt reiht die Kriegsfurie Unerhörtes küpft sich an Uner-
hörtes, keine Zeit hat Aehnliches geſehen und erlebt, weil in den früheren Kriegen die Erfindungen mangelten, welche heutzutage die Waffen ſo vervollkommnet haben , wie ehedem es Niemand für denkbar gehalten , und weil die Communicationsmittel jezt aller Entfernungen spotten, und deshalb drängen sich Begebenheiten unserer Tage auch in so ungeheuer raſcher Aufeinanderfolge. Am Herzen unseres Welttheiles frißt der Brand, im siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderte hat nur entfernt Aehnliches stattgefunden , unser Jahrhundert , das im Sturmſchritt ein Jahr nach dem andern von sich abstreift, wie ein Riesenbaum ſeine Blätter, überbietet das Dageweſene, jedes Jahr wird zum Gedenkbuch, jeder Tag zum Gedenkblatt für unſere deutſche Nation. Die kriegeriſchen Begebenheiten des Jahres 1866 , denkwürdig , so lange es eine deutsche Geschichte geben wird , bilden den Inhalt unseres illustrirten Gedenkbuches , als deſſen Einleitung die kurze Darstellung der verhängnißvollen Bundestagssitzung vom 14. Juni vorhergeht.
Ihre Folgen reihen sich als eng
ineinander verflochtene Glieder einer Kette von Thatsachen an , die das Erstaunen der ganzen gebildeten Welt
erregten und auf's Tiefste ein-
griffen in die ferneren Zustände und Geschicke Deutschlands.
Selbſtver-
ständlich ist es , daß Biographien der bei diesen Ereignissen betheiligten hervorragendsten Männer , örtliche Schilderungen, ebenso wie die wichtigsten Proclamationen , Manifeste u . s. w. in unserem illustrirten Gedenkbuche nicht fehlen werden.
Wir bringen
keine Raisonnements von irgend einem Parteistandpunkte, nur Thatsachen, weil Thatsachen allein für sich sprechen.
Daher ist unser Programm :
Keinem zu Lieb , Keinem zu Leid , und wir werden treu daran halten. Aus diesem Grunde können wir unſer illustrirtes Gedenkbuch, Deutſchlands Kriegsereignisse von 1866 , Jedem , mag seine po litiſche Anschauung sein, welche sie wolle, als unparteiiſch empfehlen .
Einleitung der
Ereignisse .
Die Zweiherrschaft (Dualismus) iſt jederzeit in der Familie wie im Staate verderblich, ihre unheilvollen Wirkungen offenbaren fich ſtets in Parteiungen, die unter allen Umständen gegenseitige bittere Feindschaften hervorrufen, die Gemüther verwirren und das gesunde Leben des gemeinsamen Ganzen als Krebsschaden anfreſſen, der nur durch eine glückliche Operation beseitigt werden kann. Wenn ſolche . Spaltungen im Familienkreiſe deſſen Glück für lange Zeit, vielleicht gar für immer stören können, ſo iſt es ſelbſtverſtändlich , daß in einem großen Lande , wie unſer Deutschland es ist, der Dualismus die Wurzel von Leidenschaften werden muß, die, sobald sie einmal zum Ausbruch kommen , gleich unaufhaltſamen glühenden Lavaſtrömen, welche sich mit gewaltiger Kraft einen Krater gesprengt haben, ihren Verderben bringenden Lauf ungehindert fortſeßen und allem , was ihren Weg beschränken will, den Untergang bringen. Ein solcher unheilvoller Dualismus der
beiden
deutschen
Großmächte,
Preußen und Desterreich , iſt geſchichtliche Thatsache und offenkundig der tiefere Grund zu den blutigen Ereignissen des Jahres 1866.
In den Verwickelungen der
ſchleswig-holſteinischen Frage ist nur der Anlaß des im Stillen lange genährten Was man in der Zwiespalts zwischen diesen beiden Großmächten zu suchen. Sprache der Diplomaten
entente
cordiale (herzliches
Einverständniß)
nennt,
erwies sich in Wahrheit zulezt sehr unherzlich , die gute Freundschaft zwiſchen Preußen und Oesterreich verblich wie Schaumgold , mit dem man die am Christbaume hängenden Aepfel und Nüsse zu überziehen pflegt , um im Scheine der Lichter zu glänzen.
Schaumgold
ist eben nicht sehr haltbar , wird leicht un-
ſcheinbar, blättert ab, und der Christbaum, den Preußen und Desterreich dem deutschen Volke in besagtem entente cordiale angezündet hatten, gerieth ſchließlich in Brand.
Die Bundesversammlung vom 14. Juni 1866 löschte denselben nicht, im
Gegentheile, sie gestattete ihm weiteres Umsichgreifen, und das Unheil durchraste bald als entfesselter böser Geist die deutschen Lande. war heraufbeschworen.
Die blutige Katastrophe
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Einleitung der Ereignisse.
Von der kaiserlich österreichischen Regierung war am 1. Juni durch eine von ihr abgegebene Erklärung der Versuch gemacht worden , einen Theil der deutſchen Regierungen in dem bevorstehenden Kampfe um die Hegemonie (Obergewalt, Vorherrschaft) in Deutschland dadurch auf ihre Seite zu ziehen, daß sie die weitere Entscheidung der schleswig - holstein'schen Angelegenheit dem Bunde anheim stellte. Das sah allerdings etwas ſonderbar aus , denn Desterreich hatte ja ebenfalls wie Preußen beim Einmarsch ihrer beiderseitigen Truppen in die Elbherzogthümer den Bund bei Seite geschoben und schließlich die von demselben in Holstein aufgestellten Contingente Sachsen und Hannoveraner aus diesen Fürstenthümern exmittirt und zwar zu einer Jahreszeit, die nicht weniger unfreundlich war als dieſe Exmittations-Forderung.
Es war nämlich damals Winter und viel Treibeis.
Desterreich gab nun dem Bunde seinen Willen zu erkennen , die Stände Holsteins zusammen zu berufen , um denselben bei der Lösung der Herzogthümerfrage eine Mitwirkung einzuräumen.
Somit stellte sich Desterreich wieder auf den
bundestäglichen Boden, es war also der in's Vaterhaus zurückgekehrte Sohn ; Preußen verharrte jedoch auf dem Boden des Wiener Friedens, wonach es Desterreich freistand, auch seinerseits Schleswig zu beseßen, zugleich ließ es ſeine Truppen in Holstein einrücken.
Dies Leßtere geschah am 7. Juni.
Baron v. Manteuffel
rückte über Rendsburg mit den Regimentern Nr. 11 , 25, 36 , 59 nebst zahlreicher Artillerie und Cavallerie, in voller Kriegsstärke in Holstein ein, während aus dem Lauenburgschen bedeutende Streitkräfte im Aumarsche waren und im Hafen von Altona das preußische Kanonenboot „ Tiger" sich vor Anker legte, wohin F.-M.-L. von Gablenz, nachdem er Protest gegen den ihm preußischerſeits angezeigten Einmarsch erhoben, den Siß der Statthalterschaft und der Landesregierung von Kiel aus verlegt hatte, die sämmtlichen in 12 Ortschaften zerstreuten österreichischen Besagungen, bestehend in 5 Bataillonen Infanterie, 2 Schwadronen und 1 Batterie rückten ebenfalls in die zwischen Altona und Eidelſtadt gelegenen Ortſchaften ein. Ursprünglich hatte Freiherr v. Gablenz Ordre von Wien erhalten, Altona zu behaupten , jedoch unter allen Umständen zu vermeiden, den ersten Schuß zu thun, indeß seine nach Wien gesandte Erklärung, die ihm zuertheilte Ordre sei den sechsfach überlegenen preußischen Streitkräften gegenüber, welche ausreichend seien, um Gewehr im Arm die Oesterreicher fortzudrängen , unausführbar, es gebe vielmehr nur die Alternative : entweder die österreichische Brigade zu opfern oder aus Holstein zurückzuziehen.
Unter solchen Umständen erhielt Freiherr von Gablenz
die Weisung , seine ihm untergebenen Truppen aus Holstein zurückzuziehen, und
Uebergang der Defterreicher über die Elbe bei Altona.
Preußen und Desterreicher schieden ohne irgend eine Tbätlichkeit gegeneinander, die Letteren passirten die Elbe und zogen durch Hannover und Hessen der Hei-
moth zu.
In Hannover hatte sich die Kunde verbreitet, F.-M.-L. Freiherr r. Gablenz werde mit dem legten Zuge von Harburg die Stadt pasfiren, und obwohl dieser Zug erst um Mitternacht fam, so war der Bahnhof doch in seiner ganzen Ausdehnung mit Menschen überfüllt.
Als der Zug signalisirt wurde , ließ man don-
nernde Hochs ersdallen auf den Kaiser Franz Joseph, auf Gablenz, auf Desterreich). Troßdem daß Freiherr r. Gablenz in Civilfleidung kam , wurde er erkannt und zum Gegenstande der Huldigungen Aller.
Die österreichischen Truppen passirten
nicht die Hauptstadt Hannover, sondern bogen bei der Station Lehrte ostwärts ab nach Süden über Hildesheim.
Hatte man die Desterreicher im Hannöverschen
schon gut empfangen, so wurden sie in Kassel auf Befehl des Kurfürsten mit militairischen Honneurs begrüßt.
Auf dem Bahnhofe war ein Bataillon des Leib-
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Beschluß der Bundestagssizung am 14. Juni.
garderegiments
aufgestellt nebst der Regimentsmusik ,
warteten der Ankommenden.
zahlreiche hohe Offiziere
Die österreichische Nationalhymne wurde,
Desterreicher anlangten , gespielt ,
und
alle
die Züge ,
die
noch
als die
nachfolgend
österreichische Bataillone brachten, erhielten solchen ehrenvollen Empfang. Man ließ die Oesterreicher hochleben und jubelte ihnen aus Herzensgrunde zu. fum hatte nur ein sehr ,
Vom Publi-
sehr kleiner Theil Eintritt erlangen können , weil diese
militairische Festfeier überhaupt nicht für die Uneingeweihten bestimmt war. Die erste Folge des österreichischen Abzuges aus Holſtein beſtand in der Abberufung des Wiener Gesandten vom Hofe zu Berlin und in der Anklage bei der Bundesversammlung gegen das den Bundesfrieden störende Preußen. Zugleich beantragte Oesterreich mit Berufung auf Artikel 19 der Wiener Schlußacte gegen Preußen die Mobilmachung des Bundesheeres mit Ausschluß der preußischen Contingente.
Und diesen Antrag, welcher den noch als kleiner Funke im Zeitenschoße
schlummernden Krieg zum lohen Brande anfachte , machte den 14. Juni 1866 zu einem in der Geschichte Deutschlands ewig denkwürdigen Tage. In dieſer Bundestagsſißung ſtimmte Hannover für schleunigſte Dispositionsstellung der Contingente ; Würtemberg schloß sich dem österreichischen Antrage in allen Punkten an ; Luxemburg stimmte gegen Desterreich.
Großherzogthum Sach-
sen-Weimar und Coburg-Gotha gegen Desterreich, weil die Bundesgeseße der preußisch-österreichischen Gasteiner Convention gegenüber nicht anzuwenden seien ; Sachsen-Meiningen für Desterreich, Braunschweigs Votum lautete dahin, daß der Bund ſich nicht in die Streitigkeiten Preußens und Oesterreichs zu miſchen hätte. beiden Mecklenburge gegen Desterreich. ebenfalls gegen Desterreich.
Die
Oldenburg , Anhalt und Schwarzburg
Oldenburg führte in einer besondern Erklärung aus,
daß weder Artikel 19 noch 20 der Wiener Schlußacte anwendbar wären. freien Städte stimmten gegen Desterreich.
Die
Der stimmführende Gesandte der 16 .
Curie (Schaumburg-Lippe, Lippe-Detmold, Reuß ältere und jüngere Linie, Waldeck und Lichtenſtein), der Cabinetsrath v. Strauß, ſoll erklärt haben, daß zwar Lippe, Waldeck und Reuß j . L. dem öſterreichischen Antrag nicht beiſtimmten, daß er aber die Stimme der Gesammtcurie , wenngleich er nicht vollständig instruirt sei, für den österreichischen Antrag abgeben müsse. Staatsanzeiger.
So berichtete nämlich der preußische
Baiern und Sachsen stimmten für Desterreich ; Kassel , Nassau,
erklärten sich ebenfalls für die Mobiliſtrung , Baden jedoch entschieden für Neutralität.
Der Mobilifirungsantrag Desterreichs errang demzufolge die Majorität
und der Krieg war nach dieser Entscheidung entfesselt.
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Preußens Austritt aus dem Bunde.
Preußen schied an diesem Tage aus dem Bunde , und sein Gesandter gab folgende Erklärung an die Bundesversammlung ab. ,,Die Einbringung des österreichischen Antrages ist zweifellos mit der Bundesverfassung in offenbarem Widerspruche, und preußischerseits als Bundesbruch anzusehen.
Das Bundesrecht kennt nur Execution.
Insbesondere
steht die Stellung Desterreichs in Holstein nicht unter dem Schuße der Bundesverträge und der Kaiser von Desterreich ist nicht als Bundesmitglied für Holstein zu betrachten.
Deshalb wird preußischerſeits auf Motivirung des
Antrags eingegangen.
Der Hauptzweck des Bundes, Schuß der Bundesge-
nossen, wird als gefährdet betrachtet.
Gegenüber der unzweifelhaft auf Ver-
abredung beruhenden Annahme des Antrags wird durch die bundesmäßig unmögliche Kriegserklärung gegen ein Bundesglied nach Ansicht Preußens der Bundesbruch vollzogen.
Im Namen und auf Befehl des Königs erklärt der
preußische Gesandte, daß Preußen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr für verbindlich ansieht, denselben vielmehr für erloschen betrachten und behandeln wird.
Der König will jedoch damit nicht zugleich
die nationalen Grundlagen, worauf der Bund aufgebaut geweſen, als zerstört betrachten.
Preußen hält vielmehr an diesen Grundlagen und an der über
vorübergehende Formen erhabenen Einheit der deutschen Nation fest , indem er es als Pflicht der Staaten betrachtet, dafür den angemessenen Ausdruck zu finden.
Die Regierung legt hiermit die Grundzüge einer neuen, den Zeit-
verhältnissen entsprechenden Einigung vor und erklärt sich bereit, auf den alten, durch eine solche Reform modificirten Grundlagen einen neuen Bund mit denjenigen deutschen Regierungen zu schließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen.
Der Gesandte hat seine bisherige Thätigkeit damit beendigt."
Oldenburg und Anhalt , zur 15. Curie gehörend , erklärten etwas später ihren Austritt aus dem Bunde.
Das Bundespräsidium zeigte allen beim Bunde
beglaubigten auswärtigen Regierungen an , daß laut Bundesbeschluß der Austritt Preußens als rechtswidrig erachtet worden sei. Von diesem verhängnißvollen Tage an jagten sich die Ereigniſſe mit einer Hast, welche nicht nur Deutſchland, ſondern ganz Europa in Erstaunen , beziehendlich in die schreckhafteste Aufregung versezte, und Hundertzehn Jahre sind
es ,
daß Friedrich der Große sein Heer in drei
Colonnen plöglich in Sachſen einbrechen ließ , und mit gleicher , ja ohne Uebertreibung kann man behaupten, mit ungleich größerer Rapidität rückten nach dieser verhängnißvollen Bundestagsißung die Preußen in Hannover, Sachſen und Heſſen ein.
Preußens erste kriegerische Schritte.
- Besetzung Hannovers .
Der Krieg war herauf beschworen und er kam, ein blutiges Gespenst, die Länder zu verheeren und den Wohlstand der Völker, die er in seine unheilvollen, blutigen Kreise zog , auf lange , lange Jahrzehnte zurück zu werfen.
Preußens
Armes Deutschland !
erste kriegerische Schritte.
Das nächste Ziel der Preußen war die Besetzung Hannovers , Kurhessens und Sachsens.
Wenden wir uns der Schilderung der Hannovers zu.
In der Nacht vom 15. zum 16. Juni erfolgte der Einmarsch der Preußen in dies Land auf zwei Punkten, nämlich von Minden und von Altona aus.
Von
Altona aus war die preußische Avantgarde am 15. Abends bei Harburg über die Elbe gegangen und hatte ſomit thatsächlich sich auf hannöverſchem Boden eingefunden. Die in Holstein stehende preußische Hauptmacht folgte am 16. Juni nach und wurde theils über die Fähre und über Wilhelmsburg, theils mittelst Kanonenbooten, auch mit Privatdampfschiffen, welche sogenannte Schuten (große Kähne) im Schlepptan hatten, befördert. Der Chef des Armeecorps langte schon am 16. früh in Harburg an, um die Ausschiffung seiner Truppen zu leiten.
Herrn von Man-
teuffels Armee bestand aus 15000 Mann, 2500 Pferden und 24 Geſchüßen.
Sie
hatte bis dahin in Schleswig-Holstein gestanden. Wie wenig die Hannoveraner anf solch einen Besuch en gros vorbereitet waren , geht daraus hervor , daß nur eine kleine Abtheilung von 36 Mann die Garniſon in Harburg bildeten und wahrscheinlich bis dahin die Dienſte von Polizeibeamten gethan hatten , denn militairische Kraft gegen irgend einen Feind zu entwickeln , war dieser gar zu kleinen Zahl Soldaten vollständig unmöglich, weshalb sie ſie sich auch schleunigst aus der Stadt entfernten.
Da solchergestalt den Preußen
kein Hinderniß im Wege war, so richteten sie sofort ihren Marſch nach Hannover, woselbst sie am 17. Juni anlangten und ihre Vereinigung mit den von Minden aus eingerückten Truppen unter Befehl des Generals von Falkenstein bewerkstelligten. Die hannöversche Armee hatte sich in den südlichen Theil des Landes zurückgezogen und concentrirte sich um Göttingen.
General von Manteuffel ertheilte am
17. Juni Befehl, die Festung Stade zu nehmen. Eine Truppenabtheilung ging auf zwei Kanonenbooten und einem Privatdampfschiffe nach Twidenfleth ab, wo es Nachts 1 Uhr eintraf. find nur 1½ Stunden Entfernung bis Stade.
Von Twidenfleth
Der Restaurateur Rusche auf dem
Stader Dampfer „ Gutenberg“ und der Schiffer und Tonnenleger Köser mußten Führerdienste leisten.
Die Preußen zogen schweigsam den Weg im Nachtgrau,
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Beseßung Hannovers.
Preußens erste kriegerische Schritte.
Alles um sie war ruhig , Land und Volk ſchlummerten füß ; aber 1000 Schritte vor der Festung stand eine hannöversche Vedette, die sofort flüchtig ward und ihre Kameraden in der Festung allarmirte. Nun folgten die Preußen im Geschwindſchritte und aus der Festung schoffen die Posten auf sie , verfehlten aber des Nachtgraues wegen ihr Ziel.
Die preu-
ßischen Pioniere machten sich sofort mit ihren Acxten und Beilen an die Zertrümmerung des Thores , während welcher Arbeit die hinter ihnen stehenden Truppen eine Gewehrfalve auf die Posten gaben.
Das Thor zersplitterte unter den ge-
waltigen Arthieben der Pioniere und als es fiel, ſtand hinter demselben eine hannöverſche Abtheilung von 40 Mann , die von dem preußischen Bataillonscommandanten zur Streckung der Waffen aufgefordert wurde, indeß sich ſtatt aller Antwort schußfertig machte. Es wurden einige Schüsse gewechselt, wobei ein Offizier und ein Marinesoldat leicht verwundet wurden. Zur Verhütung
weiteren Blutvergießens
kam ein hannöverscher Offizier
rechtzeitig herbei , auf deſſen Befehl das Feuer sofort eingestellt wurde, indem er zugleich dem
preußischen Commandeur eröffnete ,
daß die Hannoveraner Befehl
hätten, sich nicht zu vertheidigen. Dieser Erklärung zufolge wurde zwiſchen beiden Theilen eine Capitulation geſchloſſen , die hannöverſchen Offiziere auf Ehrenwort und die Soldaten, waffenlos natürlich, in ihre verschiedenen Heimathsorte entlaſſen. in der Festung Stade einen sehr annehmbaren Fund.
Die Preußen machten
Es fielen ihnen 8 gezogene
Zwölfpfünder , 7 gezogene Vierundzwanzigpfünder , 8 Haubizen , 6 Mörser , verschiedene eiserne Kanonen , 14,000 neue gezogene Gewehre, 2000 Centner Pulver, 1 Million Patronen und sonstiges Kriegsmaterial in die Hände.
Die erste Er-
oberung war demnach unblutig vollendet, wenigstens hatte keine Menschenseele das Leben dabei verloren. Wo sich noch hannöverſche Garnisonen verhielten, wurden sie genöthigt, zu capituliren.
So zum Beispiel die der bedeutendsten Handelsstadt Hannovers, der
Stadt Emden.
Die Garnison war nicht nur zu schwach zum Widerstand, sondern
die Schonung der Stadt. war eine Rückſicht , werden durfte.
die nicht aus den Augen gesezt
Nachdem es dem Commandanten des preußischen Kanonenbootes
,,Tiger", dem Lieutnant zur See, Stenzel, gelungen war, die Strandbatterieen auf der Knoke zu vernageln, übergab die Garnison die Stadt nebst den Batterieen an der Nefferlandsschleuße.
Aber noch stand die zurückgewichene hannöverſche Armee
um Göttingen und alle Welt fürchtete einen Zuſammenſtoß daselbst, was sich indeß
Preußens erste kriegerische Schritte. - Beseßung Hannovers.
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nicht bewahrheitete , denn die Hannoveraner zogen sich später südwärts , um die bairische Grenze und somit ihre Bundesgenossen zu erreichen. Es war ein schöner Traum dieser tapferen Armee, der, wie die Folge lehrte, in Nichts zerstiebte. Preußen hatte kurz vorher , che General Manteuffels Armeecorps in Hannover einrückte , noch einen Friedensvorschlag dahin ergehen lassen , welcher vom König von Hannover, weil in den Grundzügen des engeren Bundes, welchen Preußen aufzurichten beabsichtigte, die Militairorganisation und die Flottenfrage bedeutenden Anstoß erregten, sofort abgelehnt wurde.
Der darauf gleich erfolgende Einmarsch
der Preußen änderte nichts an dieser königlichen Ablehnung. Magistrat und Bürgervorsteher hatten sich zum König begeben und ihm die Bitte vorgetragen, das Land nicht verlassen und den so schwer bedrohten Frieden zum Wohle Hannovers bewahren zu wollen. '
Der König
ständigkeit
Georg erklär-
der
Krone,
te ihnen, daß
des
Landes
in die preu-
und jedes
Bischen For-
Einzelnen vernichten zu
derungen ein-
laffen.
willigen,
Die
Annahme
heiße, als das
dieser preu-
Königreich
Bischen Vor-
mediatifiren,
die
Selbst-
17
chensoriel
schläge sei gegen Pflicht
und Ehre jedes Königs. Er]sei außer Stande, die Hauptstadt ſeines Landes gegen die überlegene Kriegsmacht vor der Occupation zu bewahren, aber er hoffe , mit seinen Truppen in den südlichen Provinzen sich zu halten, und werde handeln, wie er als Christ, als Monarch und als Welf es verantworten könne. Am 16. Juni früh 3 Uhr reiste er mit dem Kronprinzen noch Göttingen ab , die Königin blieb unter dem Schuße der Bürger in ihrer Hauptstadt zurück, wo am 17.,
also am folgenden Tage , Nachmittags 4 Uhr das erste preußische
Militair, zwei Schwadronen Husaren, einzogen, denen um 7 Uhr Abends Infanterie,
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Preußens erste friegerische Schritte.
Veseßung Kurheffens.
Cavallerie und Artillerie nachfolgten und der Stadtcommandant Hannovers , Generallieutenant Weste , dem Commandirenden der Preußen
unter Protest die Stadt
übergab. General von Manteuffel erlicß folgende Proclamation : „Hannoveraner!
Seit Wochen hat Se. Majestät , mein König und Herr, sich bemüht, die schwebenden Fragen mit dem königlichen Cabinet in Hannover vertragsmäßig zu ordnen.
Es ist verweigert worden.
Die Sicherheit Preußens erfordert,
daß im Rücken seiner Armee keine Feinde bleiben.
Mein König und Herr
hat daher die Entlassung der Soldaten verlangt , welche über die Friedensſtärke der königl. hannöveriſchen Armee eingezogen worden sind.
Nur durch
die Gewährung dieser Forderung würden Hannover die Leiden des Krieges erspart sein. Bis dahin muß ich Hannover als im Kriegszustande gegen Preußen betrachten und hiernach handeln. Ich rücke nicht als Feind der braven Einwohner des Königreichs ein. Ihr Privateigenthum wird ſtreng geſchont werden. werden die preußische Disciplin auch hier bewähren.
Die königlichen Truppen Hannoveraner ! Kommt
auch Ihr ihnen freundlich entgegen. Hannover, den 17. Juni 1866 . Zugleich wurde
(gez.) von Manteuffel.“
auch ein preußischer Civilcommiſſar für das Königreich
Hannover in der Person des Herrn von Hardenberg ernannt. Der erste kriegerische Schritt Preußens in Hannover war somit geschehen und ehe wir die ferneren dies Land betreffenden Ereigniſſe ſchildern , müſſen wir des gleichzeitigen Vorgehens der preußischen Kriegsmacht im Kurfürstenthum Heſſen und im Königreiche Sachsen gedenken. Hessen - Kassel galt seit lange als der Ort , wohin Aller Augen blickten, denn es gingen daselbst immer Dinge vor , die ganz dazu geeignet waren , die Welt in Erstaunen zu sehen.
Anfänglich nahm Se. Königl. Hoheit der Kurfürst
eine sehr kriegeriſche Miene an.
Er hatte seinen Thronfolger , Prinz Friedrich,
zum Obercommandeur der kurfürstlichen Truppen ernannt, und auf Befehl des Prinzen , welcher den Bahnhof und das umliegende Terrain inspicirte , sollte den Prenßen der lebhafteſte Widerſtand entgegen gesezt werden. Schwerer wie das Ertheilen dieses Befehls ward dem Prinzen Friedrich von Hessen-Kaffel der durch die Umstände gebotene Versuch, die Mitglieder des Stände-
Preußens erste kriegerische Schritte.
Beseßung Kurhessens.
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ausſchuffes zur Auslieferung des Haus- und Staatsschaßes zu bewegen , um ihn nach Baiern abführen zu laſſen.
Der Ständeausschuß seßte diesem Begehr ein
einfaches fräftiges Nein entgegen , und als man höheren Ortes sah, daß die Stände nöthigenfalls entschlossen waren, ihrem Nein einen Nachdruck zu geben, so änderte sich die kriegerische Lust, mit den Preußen in einen Kampf sich einzulaſſen, dahin ab, daß die Truppen Befehl erhielten, abzuziehen, die Infanterie und Artillerie mit der Eisenbahn , die bei Hersfeld benußbar wird, die Cavallerie sezte sich desgleichen in Marsch.
Der Prinz Thronfolger übergab das Commando an den
General von Schenk und ging vorerst nach Schloß Rumpenheim. Die Hauptstadt Kaſſel war nun leer von Truppen , Bürger und Turner besetzten die Wachen , der Kurfürst blieb zurück. Die Preußen ließen nicht lange auf sich warten. Unter General von Beyer , ihrem Befehlshaber , rückten sie von Wezlar aus in Gießen und Marburg ein, und am 18. Juni hielt genannter General mit einem Theile seines Armeecorps seinen Einmarsch in Kaffel , nachdem er überall eine freundliche Proclamation an das hessische Volk hatte ausstreuen laſſen. Die Zustände im Kurfürstenthum Hessen waren oft so wunderlicher Art, daß es keiner Seele daſelbſt einfiel , die Preußen als bitter ergrimmte Feinde anzusehen.
Man athmete gewissermaßen leichter auf, als wäre man von einem
schweren Druck befreit, wenn gleich Jeder wußte, daß fremde Truppen zu ernähren Geld kostet.
Se. Königl. Hoheit der Kurfürst hatte sich indeß doch schon vorher
als Mann von Charakter gezeigt , der seiner Anschauung , ob dieselbe recht oder unrecht sein mag, treu bleibt und furchtlos jedem ihm geſtellten, Nachgiebigkeit betreffenden Ansinnen gegenüber den energischsten Widerstand leistet.
Die Heftigkeit
dieses hohen Herrn ist eine hinreichend bekannte Sache und liegen davon eine Menge Beispiele vor.
Auch der preußische Gesandte , Baron von Röder , hatte
Gelegenheit gehabt , persönlich eine solche Erfahrung zu machen.
In einer kurz
vor dem Einmarsch der Preußen in Kurhessen ihm gewährten Audienz beim Kurs fürsten empfahl er diesem, die von König Wilhelm I. an ihn ergangene Sommation anzunehmen , in der dieser ihm , wenn er sich entschließen wolle , zu Preußen zu halten, den ferneren Besiß seines Landes garantire. Entrüstet fuhr der Kurfürst auf: „ Was ? Garantien von Preußen ?
Ich
brauche Seine Garantien nicht, bin deutſcher Bundesfürſt, wie König Wilhelm auch,“ Da dies bei dem Kurfürsten nicht verfing, im Gegentheil seinen Zorn nur noch mehr reizte, so glaubte der Gesandte , ihn von einer andern Seite packen zu
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Preußens erste friegerische Schritte.
Besezung Kurhessens .
müſſen und zwar von einer Seite, die bei vielen großen Herren eine sehr schwache ist; er stellte ihm nämlich vor , daß er durch kluge Nachgiebigkeit in den Willen Preußens vielleicht eine Vergrößerung Kurhessens durch die darmstädtische Provinz Oberhessen erwarten könne.
Der Kurfürst hatte ihm ruhig zugehört und gab
darauf die lakonische Antwort : in Darmstadt."
Diese Provinz gehört meinem Herrn Bruder
Diplomaten haben die wunderbare Eigenschaft der Aalglätte, und sich dieser bewußt, machte Herr von Röder trogdem einen weiteren Versuch, dem hohen Herrn eine Lockspeise vorzuhalten , indem er auf den möglichen Erwerb von Rheinhessen hindeutete.
Auch dies verfing nicht, denn der Kurfürst entgegnete mit einer zurück-
weisenden Bestimmtheit :
Preußen hat nichts zu verschenken, es kann Deutschland nicht
erobern, seiner halben Million Soldaten steht eine Million Desterreicher entgegen."
தெடு
Der Gesandte erkannte nun,
daß auf dem schlüpfrigen Felde der Ver-
suchungen der Königl. Hobeit nicht beizukommen sei.
Hier stand ihm ein Mann,
Preußens erste kriegerische Schritte. - Besetzung Kurhessens .
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ein Fürst , entgegen , dessen überhaupt etwas steriler Charakter sich nicht nach der jedesmaligen Windrichtung drehen ließ, und das veränderte natürlich die ganze Situation. Es blieb ihm nun nichts Anderes übrig, als seiner von Berlin ihm gewordenen Weisung zufolge , zur Drohung überzugehen, und er sprach nun von der Beſeßung Kurheſſens durch preußiſche Truppen und der Einſeßung einer Regentſchaft unter dem Vorsiz des Prinzen Friedrich Wilhelm (des Kronprinzen). Da
aber brach der lange verhaltene Zorn des Kurfürsten plöglich los.
In höchster Aufregung sarie er :
„ Das kann der Prinz nicht thun , darf's nicht
thun, und wenn er's thäte , ließe Ich - Jch, sein Souverain , ihn vor Gericht ſtellen und als Hochverräther todt schießen oder ihm den Kopf abſchlagen." Und mit Donnerſtimme fügte er hinzu : „ Ja, ja, das geschieht - ſagen Sie das dem Prinzen. Es geschieht ! Sie sind entlaſſen ― Adieu!" Daß nach dieser Abfertigung das Einrücken der Preußen sofort erfolgte, iſt ſelbſtverſtändlich , der Kurfürst wich der Gefahr der Gefangennahme nicht aus, er behauptete ſeinen Standpunkt mit energiſcher Haltung, und das Unvermeidliche, dem er hätte entweichen können, geschah, er wurde zum Gefangenen Preußens erklärt, und König Wilhelm I. gab ihm die Wahl des künftigen Domicils , das Stettiner oder Königsberger Schloß, anheim. Von Wilhelmshöhe, Luftschloß, eine Stunde von Kaffel , wohin er sich nach dem Einmarsch der Preußen zurückgezogen und er noch einen Versuch des Kammerpräsidenten Nebelthau , ihn für Preußens Anträge zu stimmen , entschieden abgewiesen hatte , begab er sich am 23. Juni Abends 8 Uhr unter militairiſcher preußischer Bedeckung im großen Galawagen nach der Station Mönchehof, um über Warburg nach Stettin gebracht zu werden, we ihm das Schloß zur Disposition gestellt worden.
Zwei preußische Offiziere,
von Ezel und von Richthofen, befanden sich in seiner Begleitung.
Sein hessisches
Gefolge bestand aus drei Flügeladjutanten , dem Leibarzt , einem Hofbeamten und der entsprechenden niederen Dienerschaft. Bei seiner Abreise nach Stettin ließ er folgende Proclamation veröffentlichen : ,,An mein getreues Volk ! Im Begriff, in die über mich verhängte Kriegsgefangenschaft in's Ausland abgeführt zu werden , ist es meinem landesväterlichen_Herzen Bedürfniß, meinen treuen Unterthanen noch diesen Scheidegruß zuzurufen.
Möge der allmächtige Gott mein Volf in seinen väterlichen Schuß
nehmen und die gegenwärtige, über dasselbe, sowie über mich selbst und mein Haus verhängte Trübsal mir und meinem Volfe zur Läuterung und zum Frieden dienen lassen !
Zugleich richte ich, indem ich jezt das Land meiner
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Preußens erste kriegerische Schritte.
Besetzung Kurheffens.
Väter zu verlassen genöthigt werde, an alle in den dermalen occupirten Landestheilen bestellten Beamten und Dienern die Aufforderung, die ihre bisherigen Amtsverhältnissen entsprechenden Functionen ,
auf Grund
ihres bestehenden
Diensteides und vorbehaltlich der mir zu bewahrenden Unterthanentreue, fortzuführen , als wodurch unter allen Umständen dem wahren Landesrecht am beſten entſprochen und gleichzeitig allen etwaigen Gewiſſensbedrängniſſen vorgebeugt wird.
Gott ſchenke uns bald wieder beſſere Tage!"
General von Beyer, der preußische Oberbefehlshaber, verstand es übrigens, die Heſſen durch freundliches Benehmen für sich zu gewinnen , er erließ folgende Proclamation : ,,Hessische Brüder !
Auf Befehl meines Königs und Herrn bin ich mit
einem preußischen Corps heute in Eure Lande eingerückt, nachdem Eure Regierung in beklagenswerther Verblendung es verschmäht hat , im friedlichen Bunde mit Preußen für unser gemeinsames deutsches Vaterland eine Orga= niſation zu ſchaffen , welche den gerechten Forderungen des deutschen Volkes entspricht.
Kaum hat ein anderer Volksstamm so schwer unter der Zerfahren-
heit unserer deutſchen Zustände zu leiden gehabt , wie Ihr !
Wir wiſſen,
daß Ihr Euch deshalb nach glücklicheren Tagen sehnt, und kommen zu Euch, nicht als Feinde und Eroberer, sondern um Euch die deutſche Bruderhand zu reichen !
Nehmt sie an und folgt nicht länger der Stimme Derer, die Euch
mit uns verfeinden möchten, weil sie kein Herz für Euer Wohl und Deutschlands Ehre haben !
Nur den, der zwiſchen Euch und uns ſich ſtellt, betrach-
ten wir als Feind!
Ich würde jeden Versuch des Widerstandes mit dem
Schwerte in der Hand brechen, aber auch jeden Tropfen so vergoſſenen Blutes schwer beklagen.
Ich fordere alle Behörden auf, auf ihren Posten zu verblei-
ben und ihre Geschäfte wie bisher fortzuführen. verspreche ich Schuß in ihrem Eigenthum.
Den friedlichen Bürgern
Der Verkehr wird im Lande frei
bleiben, soweit dies ohne Beeinträchtigung der militärischen Intereſſen möglich ist.
Dagegen erwarte ich überall bereitwilliges Entgegenkommen zu finden,
wo ich im Interesse meiner Truppen und zur Erfüllung der mir gestellten Aufgabe die Hilfe des Landes in Anspruch nehmen muß.
Hessische Brüder !
Preußens Volk, geschaart um Preußens König, ſezt seine höchsten Güter ein für deutsches Recht und Deutſchlands Macht.
Auf! zeigt auch Ihr, daß echtes
deutsches Blut in Euren Adern wallt. Am 16. Juni 1866.
Der Königl. Preuß. General v. Beyer."
Preußens erste kriegerische Schritte.
Kriegserklärung an Sachsen.
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Indem er den ständischen Ausschuß aufforderte, ihm diejenigen Männer zu bezeichnen , welche die Zuneigung des hessischen Volkes befäßen, um die Geschäftsführung zu übernehmen , da die kurfürstlichen Räthe ihrer Aemter enthoben seien, ließ er zugleich durch Anſchlag bekannt machen , daß das Gerücht , die Kurheſſen sollten zum preußischen Militairdienste herangezogen werden , nichts als eine böswillige Erfindung sei.
Ein zweiter öffentlicher Anschlag machte bekannt , daß die
durch den Kriegszustand entstandenen Kosten durch Heranziehung der kurfürstlichen Revenuen ausgeglichen werden sollen. So war denn auch in Kurhessen von Seiten Preußens ein entscheidender kriegerischer Schritt geſchehen, und wir wenden uns nun zur Schilderung des das Königreich Sachsen betreffenden gleichen Vorganges. Eilf Monate früher war Dresden für die Deutschen aus Nord und West und Ost und Süd ein allgemeiner Sammelpunkt gewesen, das große und hinſichtlich des dabei entwickelten Glanzes von keiner deutschen Stadt, welche es auch sei, je zu übertreffende Sängerfest- hatte viele Tausende herbeigeführt, um an dem Ufer des Elbstromes die Lust am Schönen und Erhabenen zu genießen , froh zu sein unter deutschen Brüdern , des süßen Bewußtseins der Einheit einer großen herrlichen Nation sich theilhaftig zu machen und von Dresden, dem gastfreien ElbFlorenz, Erinnerungen an durchlebte Tage des Glückes mit heim zu nehmen , die nicht so leicht im Gedächtnisse erlöschen , weil sie sich zu tief ins Herz gegraben haben, um schnell und farblos zu verschwinden, und doch -che noch der zwölfte Monat begann, fah dies fröhliche , mit zahllosen Flaggen in allen Farben geschmückte und in festlicher Weihe prangende Dresden wieder Gäste aus Deutschland, wirkliche deutsche Brüder vom Rhein und der rothen Erde Westphalens, aus Pommern und von Mitteldeutschland her , die aber nicht der Sangesluft wegen kamen, sondern um das kleine schöne Sachsenland kriegeriſch zu beſeßen. Statt der gewaltigen Chöre aus Sängermunde raſſelten Trommeln, schmetterten Trompeten , donnerten schwere Geschüße und Munitionswagen und die endlos scheinenden Reihen der Bagagewagen über das harte Pflaster der Straßen hin. Das waren keine Vorbereitungen zu festlichen Tagen , nein , ein bitterer häßlicher Ernst verdüsterte die Physiognomie Dresdens und aller sächsischen Städte, und fast hätte es Einem in den Sinn kommen können , was der Herr zu Petrus sagte: Ehe der Hahn kräht, wirst Du mich dreimal verleugnen . Ja , es liegt eine gewisse Aehnlichkeit in dieser Vorhersagung und
dem
Wechsel, der über das heitere Sachſenland und ſeine fangesluſtige Hauptſtadt kam 2 Kriegsereignisse.
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Preußens erste kriegerische Schritte.
Kriegserklärung an Sachsen.
Ehe ein Jahr um sein wird , trägst Du tiefe Trauer und Leid über die Dinge, welche Dich und Dein stilles Glück heimsuchen werden. Und gewiß ist ein Land durch den Krieg von Leid und Trauer heimgesucht, das , wie Sachsen , sein Glück in seiner Industrie zu finden gewöhnt ist , das sich keineswegs berufen fühlt , auf andere Weise sich Geltung in der großen Welt zu verſchaffen, als durch die Erzeugnisse seiner gewerblichen Thätigkeit, und nur dadurch unter den deutschen Landen auch wirklich einen ehrenvollen Plaß sich errungen hat, sehr beklagenswerth, weil der Krieg das Glück der Arbeit stört und Verarmung in seinem Gefolge hat. Der Landtag war geschlossen, er hatte nachträglich die Mittel für die Mobiliſirung gewährt. Die zweite Kammer hatte den Antrag eingebracht : „ Die Regierung möge mit aller Energie dahin wirken , daß die Anordnung der Wahlen zum deutschen Parlamente auf Grund allgemeiner und direkter Wahl, womöglich nach dem Reichswahlgesez vom 27. März 1849, in ganz Deutſchland noch im Laufe dieses Monats (Juni ) crfolge und die Einberufung des Parlamentes in möglichst kurzer Frist geschehe." Nicht nur die damalige Thronrede, sondern auch die Regierung hatte sich während der ständiſchen Verhandlungen entschieden für ein deutsches Parlament ausgesprochen, aber der Antrag scheiterte an der ersten Kammer.
Man brachte
ein einigendes Verfahren nur insoweit zu Stande, daß man die Regierung ersuchte, mit aller Energie dahin zu wirken , daß die Einberufung eines deutschen Parlamentes auf Grund direkter Wahlen in ganz Deutſchland ſo ſchleunigſt als möglich, und längstens im fünftigen Monat (Juli) erfolge.
Vielleicht wäre dieser Antrag
nicht formulirt worden, wenn die Stände ein wenig Scherblick gehabt und im Voraus gewußt hätten, daß es bald keinen deutschen Bund , an dem die Herren der ersten Kammer so sehr treu hielten , mehr geben und eine ganz hübsche Zahl / der bisher unter dem Bund vereinigten deutschen Regierungen ihren Austritt aus demselben erklären würden.
In diesem Kammerbeſchluſſe lag für die ſächſiſche
Regierung der Grund der Ablehnung der gleich zu erwähnenden preußischen Jorderung: Sachsen solle der Berufung des Parlamentes beistimmen und die Wahlen dazu ausschreiben, sobald dies von Preußen geschehe. Die vom preußischen Gesandten am 15. Juni früh an Se. Majeſtät den König von Sachsen überreichte Depesche lautete: „Die durch die österreichischen Rüstungen gegen Preußen hervorgerufene
Preußens erste friegerische Schritte. ——
Kriegserklärung an Sachsen.
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bundeswidrige Situation und die Stellung , welche Se. Majestät der König von Sachsen mit anderen Bundesgliedern zu derselben, genommen , haben in Verbindung mit den jüngsten Verhandlungen am Bundestage das bisherige Bundesverhältniß gelöst und Se. Majestät den König von Preußen genöthigt, die zur Vertheidigung seiner Monarchie gegen den beabsichtigten Angriff ge= eigneten Mittel zur Abwehr zu organiſiren. „Die Königl. Sächsische Regierung hat am 14. dafür gestimmt , daß die hohe Bundesversammlung die Mobilmachung sämmtlicher Bundesarmeccorps mit Ausschluß der preußischen anordne. „Die Königl. Preußische Regierung kann darin neben der Verlegung des Bundesverhältnisses nur einen directen Act der Feindseligkeit gegen ſich ſelbſt erkennen , und schon die geographische Lage des Königreichs Sachsen in Beziehung auf die ihm benachbarten preußischen Landestheile macht es ihr unmöglich, über die feindselige Stellung hinwegzusehen, welche die Königl. Sächſiſche Regierung hierdurch ihr gegenüber eingenommen hat. „Der unterzeichnete Königl. Preußische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister hat in Folge dessen den Auftrag erhalten , die Königl. Sächsische Regierung um eine Erklärung darüber zu ersuchen, ob Se. Majestät der König von Sachſen ein Bündniß mit Preußen schließen will unter der Bedingung, daß 1) die Königl. Sächsischen Truppen sofort auf den Friedensstand vom 1 . März a. c. zurückgeführt werden, 2) Sachsen der Berufung des Deutschen Parlaments zustimmt und die Wahlen dazu ausſchreibt, sobald es von Preußen geschieht, 3) Preußen dem Könige Sein Gebiet und Seine Souveränetäts - Rehte nach Maßgabe der Reformvorschläge vom 14.
d. M.
gewährleistet.
Sollte die Königl. Sächsische Regierung sich nicht entschließen können, ein solches Bündniß zu schließen, so würde Se. Majestät der König zu lebhaftem Bedauern Sich in die Nothwendigkeit versezt finden , das Königreich Sachsen als im Kriegszustand gegen Preußen befindlich zu betrachten und diesem Verhältniß entsprechend zu handeln. Indem der Unterzeichnete noch die Ehre hat, ergebenst zu bemerken, daß er angewieſen ist, eine Antwort im Laufe dieſes Tages zu erbitten, und daß eine Verzögerung derselben über diesen Termin hinaus , ebensowohl wie eine ausweichende Antwort als eine Ablehnung angesehen werden würde , benugt 2*
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Preußens erste kriegerische Schritte.
Kriegserklärung an Sachsen.
er auch diese Gelegenheit, um Sr. Excellenz dem Königl. Sächsischen Staatsminister Herrn Freiherrn v. Beust den Ausdruck seiner ausgezeichneten Hoch-
ུ་ྦྲུན ཚ1.3 / ས ་ O »
achtung erneuert darzubringen."
Darauf wurde sächsischerseits am Nachmittage desselben Tages folgende Antwort ertheilt : ,,Der Unterzeichnete hat die Note, welche unter Heutigem an ihn zu rich ten dem Königl. Preußischen außerordentlichem Gesandten und bevollmächtigten Minister Herrn v. Schulenburg-Priemern gefällig war, zu empfangen die Ehre gehabt und nicht gesäumt , solche St. Majestät dem Könige , seinem allergnädigsten Herrn , zu unterbreiten.
In Folge dessen ist derselbe beauf-
tragt, nachstehende ergebenste Erwiderung zu ertheilen.
,,Die Königl. Sächsische Regierung kann die Auffassung , welche in der geehrten Note dem gestrigen Bundesbeschlusse gegeben wird , nur aufrichtig bedauern, sie vermag aber die Ansicht keineswegs zu theilen, daß das Bundes-
Preußens erste kriegerische Schritte. --
verhältniß damit gelöst werde.
Lesehung Eachsens.
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Die Grundgeseße des Bundes schließen be-
kanntlich die Auflösbarkeit deſſelben aus.
Der Bund dagegen handelt unbe-
stritten innerhalb seiner Competenz , wenn er die vollständige oder theilweise Mobilmachung des Bundesheeres beschließt , und da hierauf bezügliche Beschlüsse grundgefeßlich nicht an Einstimmigkeit gebunden sind, so ist ein diesfallſiger Majoritätsbeschluß ein verfaſſungsmäßig giltiger.
" Die Königl. Sächsische Regierung würde demnach dem unter 1. an dieselbe gestellten Antrage nicht Folge geben können , ohne ihrer Bundespflicht vollkommen untreu zu werden. „Was den Antrag unter 2. betrifft , ſo iſt die Sächsische Regierung ge= meint, auf die baldige Einberufung des deutschen Parlaments mit allem Nachdruck hinzuwirken ; sie will aber ſolches, den Anträgen ihrer Kammern gemäß, in der Weise thun, daß ein Parlament für ganz Deutschland gewählt werde, und sie geht davon aus, daß die Ausschreibung der Wahlen nicht von einer einzelnen Regierung zu erfolgen habe. „ Sollte unter dieſen Umständen die Regierung Sr. Majestät des Königs von Preußen in der Ablehnung des vorgeschlagenen Bündniſſes wirklich einen Grund erkennen ,
das Königreich Sachsen im Kriegszustand gegen Preußen
befindlich zu betrachten und diesem Verhältniſſe entsprechend zu handeln, ſo bliebe der Königl. Regierung nichts übrig , als gegen ein solches Vorgehen mit Bezugnahme auf die Grundgeseze des Bundes laut und entschieden zu protestiren und die Abwehr des Bundes anzurufen." Indem der Unterzeichnete den Herrn Gesandten ersucht, vorstehende Erwiderung zur Kenntniß seiner Höchſten Regierung bringen zu wollen, benußt er
auch
diesen Anlaß
zur
erneuten
Versicherung
seiner
ausgezeichneten v. Beust.
Hochachtung."
Seiten des preußischen Gesandten erfolgte darauf die förmliche Kriegserklärung und noch in der Nacht ging die Nachricht ein , daß die Preußen von Mühlberg aus in Strehla eingerückt ſeien. Wir wollen es nicht versuchen, den Schreck der Dresdener zu schildern, als am nächsten Morgen sich die Nachricht vom Einrücken preußischer Truppen in's Land verbreitete.
So war denn das Unwetter heraufbeschworen , dessen Blize so
unendlich vielen braven Menſchen Glück und Leben vernichteten , jezt hörte man freilich nur erst das ferne Grollen des Donners.
Die unsinnigsten Gerüchte
aurden gleichsam im Nu geboren, sie waren alle auf den Schimmer von Hoffnung
Preußens erste kriegerische Schritte. -
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Besetzung Sachsens.
geſtüßt , daß die Baiern und Oesterreicher dieſen Einmarsch der Preußen
in
Sachsen nicht dulden und mit Sturmeshaft zu Hilfe und zur Abwehr herbeieilen würden !
Welche Täuschungen!
Die sächsische Armee , vollständig mobilisirt, hatte nur einen kleinen Theil noch in verſchiedenen Ortſchaften auf dem rechten Elbufer postirt , während das Gros fich bei Pirna befand. König Johann wollte nicht , daß sein Land , das leider in allen seit Jahrhunderten in Deutschland geführten Kriegen der Schauplaß blutiger, furchtbarer Schlachten geworden war, auch diesmal wieder der Grund und Boden für derartige Zusammenstöße werde , weshalb er seine, ungefähr 30,000 oder 35,000 Mann zählende Armee über die Grenze zu führen beſchloß , denn was hätte sie allein einem mächtig von mehreren Punkten einbrechenden Feinde gegenüber vermocht !
So erhielten denn die auf dem rechten Elbufer noch weilenden
einzelnen kleinen Armee - Abtheilungen Befehl, über Dresden marſchirend, sich dem Gros bei Pirna anzuschließen.
An diesen Tagen gewann die sächſiſche Hauptſtadt
ein bedeutend kriegerisches Aussehen. Um dem Feinde Hinderniſſe bezüglich seines raschen Vordringens zu bereiten, war so viel geschehen , als nur geschehen konnte.
Von der Riesaer Eisen-
bahnbrücke hatte man zwei Bogen abgebrannt, ſo daß die von Strehla raſch vorrückenden Preußen den Brand noch sehen konnten , den zu verhindern sie um 10 Minuten zu spät kamen. Nacht vom
Die Meißner Brücke wurde jedoch gesprengt.
In der
15. zum 16. Juni, eine Viertelstunde vor Mitternacht , ward dies
auf folgende Art in's Werk gesezt.
An dem Pfeiler , welcher das Holzfachwerk
der beiden weitesten Bogen trug , hatten die sächsischen Pionniere einen blechernen Pulverkasten , dem Publikum fast ganz unbemerkt, versenkt.
Am Abende des 15.
Juni war das Ueberschreiten der Brücke nur noch denen gestattet , die mit dem Dampfzuge ron Dresden kamen.
Der Bahnhof befindet sich nämlich der Stadt
Meißen gegenüber auf dem rechten Elbufer.
Die Nachricht von dieser Maßregel
brachte außerordentliche Erregung unter der Bevölkerung Meißens hervor , man erinnerte sich an den 13. März 1813, wo Marschall Daroust die Brücke abbrennen ließ, und glaubte, daß die bevorstehende Sprengung die Stadt ungeheuer erschüttern und die Zerstörung der dem Ufer nahen Häuser anrichten würde.
Die
Pionniere hatten aus Vorsicht zwei Zünder gelegt, damit, wenn der eine versagen sollte, wenigstens der andere seine Schuldigkeit thue.
So kam die Mitternacht
heran. Plößlich
ertönte
ein Hornsignal ,
ein Pionnier verfügte sich mit einer
Preußens erste kriegerische Schritte.
Besetzung Sachsens.
brennenden Laterne in der Hand nach der Brücke.
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Man hörte dann ein zweites
Hornsignal , der Zünder wurde in Brand gesezt und eilig zog sich der dies verrichtende Pionnier zurück, denn nur eine Minute währte die Branddauer des Zünders bis zur Mine.
Ein drittes Eignal ward fast gleichzeitig gegeben, Aller
Augen blickten mit erwartungsvoller Spannung nach der Brücke , wo sich wenige Augenblicke später der mittlere Brückentheil von einer Rauchwelke umgeben in die Höhe hob und mit dumpfem Knall zusammenbrach.
Das Krachen und Prasseln
des erfolgenden Zuſammenſturzes übertäubte den Knall.
Diese Sprengung war
das Werk eines Augenblickes , Viele , die in der Nähe wohnten , hatten von derselben auch nicht das Mindeste gehört. Merkwürdig war es, daß die Gascandelaber auf der Brücke durchaus nicht von der Erschütterung litten, sondern so ruhig fortbrannten, als wäre nichts geschehen.
Der gewaltige Luftdruck, den die Explosion
verursachte , war in sehr geringem Grade an den beiden Elbufern zu verspüren, An eine Schifffahrt war . desto stärker auf dem Wasser und zwar elbaufwärts. nun, da der gesprengte Theil als Schuttkegel aus dem Strome herr, rragte, nicht mehr zu denken, da die Fahrstraße für die früher unter ihr durchpasfirenden Jahrzeuge verschüttet wurde. Da die Preußen, die rastlos schnell auf dem linken Elbufer vorrückten, unter selen Umständen natürlich die Brücke nicht benußen konnten , so schlugen fie in der Gegend von Diesbar unterhalb Meißen eine Schiffbrücke, und ein Theil des vordringenden Corps schte auf's rechte Elbufer über, während der Haupttheil direkt auf Meißen am linken Elbufer vorrückte.
Zu gleicher Zeit marſchirte ein
Theil der Truppen des preußischen Generallieutenants Herwarth von Bittenfeld in der Lausiß
ein, ein drittes unter ihm stehendes Corps occupirte auf dem linken
Elbufer die Mulde , während eine Armee - Abtheilung nach Leipzig zog , um diese Stadt zu besezen.
Bürgerliches Eigenthum wurde geschont , ſo z. B. die Kaſſe
der Leipzig - Dresdener Eisenbahngeſellſchaft , weil der Kaſſirer in Rieſa dem, die Beschlagnahme des vorhandenen Geldes verfügenden Offizier erklärt, daß die Kaſſe Privateigenthum, einer Geſellſchaft Actionäre angehörend ſei.
Die Eisenbahn von
Riesa nach Chemniß als Staatseigenthum wurde jedoch sofort preußischer Verfügung untergeordnet. Die Tage, so uns nicht gefallen, wie es in der Schrift heißt, waren über das im vollen Sinne des Wortes in Frühlingspracht blühende Sachſen gekommen, mit den Freuden des Sommers war es plöhlich aus , selbst die Elbe ward ihres beweglichen Schmuckes, der Dampfſchiffe und der anderen Fahrzeuge entkleidet, ſie
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Preußens erste kriegerische Schritte. - Besetzung Sachsens.
flüchteten alle stromaufwärts.
In der Hauptstadt herrschte diejenige Beängstigung
der Gemüther, welche unmittelbare Vorgängerin von Schicksalen zu sein pflegt, deren ganze Tragweite wir noch nicht kennen und welche uns in der Entfernung
viel schrecklicher erscheinen , als sie sich später, wenn wir ihnen in's Auge schauen können, in der Wirklichkeit herausstellen . Der König erließ folgende Proclamation : ,,An Meine treuen Sachsen. Ein ungerechtfertigter Angriff nöthigt Mich, die Waffen zu ergreifen ! Sachsen!
Weil wir treu zur Sache des Rechtes eines Bruderstammes stan=
den, weil wir fest hielten an dem Band , welches das große deutsche Vaterland umschlingt , weil wir bundeswidrigen Forderungen uns n'cht werden wir feindlich behandelt.
fügten,
Wie schmerzlich auch die Opfer sein mögen,
die das Schicksal uns auflegen wird , laßt uns muthig zum Kampfe gehen für die heilige Sache !
Zwar sind wir gering an Zahl, aber Gott ist in
den Schwachen mächtig , die auf ihn traueu, und der Beistand des ganzen
Preußens erste friegerische Schritte.
--- Beschung Sachsens.
bundestreuen Deutschlands wird uns nicht ausbleiben.
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Bin Ich auch für
den Augenblick genöthigt, der Uebermacht zu weichen und Mich von Euch zu trennen, so bleibe Ich doch in der Mitte Meines tapferen Heeres , wo Ich Mich immer noch in Sachsen fühlen werde , und hoffe , wenn der Himmel unsere Waffen segnet, bald zu Euch zurückzukehren. Fest vertraue Ich auf Wie wir in guten Stunden zusammengehalten
Eure Treue und Liebe.
haben , so werden wir auch in den Stunden der Prüfung zusammen stehen ; vertrauet auch Ihr auf Mich, deren Wohl das Ziel Meines Strebens war und bleibt.
Mit Gott für das Recht!
Das sei unser Wahlspruch.
Johann ."
Dresden , den 16. Juni 1866 .
Also Krieg ! Krieg war nun die Loosung und ſie ſenkte sich schwer auf die Herzen.
Selbst für den Sieger ist sie ein Unglück , denn er muß harte Opfer
bringen, weil ohne Opfer kein Sieg möglich ist.
Wie wahr sprach Fürſt Harden-
berg , der bekannte, unter den ausgezeichnetsten Staatsmännern unseres Welttheils hervorragendſte, preußische Staatskanzler. ,,Nach Allem, was die Vernunft über die Kriege gelehrt, nach Allem, was die schrecklichsten Erfahrungen , die Europa erlebt , zur Bestätigung ihrer Lehren gesagt hat , wäre jede Schilderung der Schändlichkeit dieses Uebels (des Krieges) eitle Declamation. Es gab eine Zeit , wo man von Vortheilen sprach, die durch Krieg erkauft werden könnten.
Eine aufgeklärte Staatskunst hat diese Idee in
das Reich der Träume , der verführerischen Träume verwiesen.
Es giebt keinen
positiven Vortheil , der nicht durch einen Krieg zu theuer erkauft würde.
Nur
negativer Gewinn, nur Abwendung größerer Uebel, der wenigen noch größeren, welche die Vernunft anerkennt , nur wahre eiserne Nothwendigkeit können und müſſen den Entschluß zum Kriege begründen und rechtfertigen.
Den Krieg abzu-
wenden , muß also der Richtpunkt aller politiſchen Maßregeln , aller militairiſchen Anstrengungen , der Gipfel aller diplomatischen Weisheit sein.
Auf dieſen er-
habensten aller Zwecke müssen Macht und Klugheit in unablässiger Vereinigung binarbeiten." Und Fürst Hardenberg kannte keinen solchen Bruderkrieg , wie der des Jahres 1866 einer ist.
Was würde er wohl von diesem Kriege urtheilen ?
Indem König Johann von Sachsen in obenstehender Proclamation an die Sachsen seinen Schmerz aussprach , das Land seiner Väter verlassen zu müssen, ließ er in der Bundestagsſizung vom 16. Juni den Antrag stellen, daß der durch das preußische Vorgehen geschehenen Störung in Deutſchland gesteuert werde, ins-
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Preußens erste kriegerische Schritte. - Besehung Sachsens.
besondere aber möchten von der österreichischen und bairischen Regierung die von der königlich preußischen Regierung ergriffenen Maßregeln, sofern es nöthig wäre, mit Gewalt zurückgewiesen werden. Diese Bundestagssigung drückte recht eigentlich der großen und tiefge. wurzelten Abneigung gegen Preußen das Siegel auf.
Der österreichische Bundes-
tagsgefandte erklärte nämlich , daß er im Hinblick auf die Thatsachen, daß außer Sachsen auch Hannover und Hessen - Kassel von Preußen mit dem Einmarsch preußischer Truppen bedroht worden , (während dieser Bundestagssigung befanden sich die preußischen Truppen schon in Hannover , Heſſen - Kaffel und Sachsen, es war also keine Drohung mehr), ermächtigt ſei, im Namen ſeiner allerhöchsten Regierung der hohen Bundesversammlung auszusprechen, daß Oesterreich mit seiner vollen Macht der gegen seine Bundesgenossen geübten Gewalt voller Aufbietung aller militairiſchen Kräfte handele.
entgegentrete und
mit
Es (Oesterreich) versehe sich
eines gleichen Einstehens für die gemeinsame Sache , für deutsches Recht und Freiheit von allen bundesgetreuen Regierungen , die ohne Verzug sich über die Oberbefehlshaberstelle des zu stellenden Bundesheeres nun zu verständigen hätten. In dieser österreichischen Erklärung am Bunde lag also der Krieg ausgesprochen , die Ereigniſſe zeigten leider aber bald , daß hinsichtlich des Zuſtandekommens der Bundesarmee, troß der Bitte ,,,ohne allen Verzug diese Armee in's Feld zu stellen ," doch ein sehr wenig zu rechtfertigender Verzug stattfinden könne. Desterreich und Sachsen waren gerüstet , die bundesgetreuen Regierungen ließen jedoch etwas lange auf sich warten.
In Sachsen war man nicht so säumig ge-
wesen, der König hatte sogar für die Dauer seiner Abwesenheit eine Landescommission eingesezt, welche die inneren Landesangelegenheiten zu erledigen hatte.
Es
ist nicht hinweg zu leugnen, daß in keinem anderen deutschen Bundesstaate, als in Sachsen eine solche Vorsicht getroffen , sondern Hannover und Heſſen -Kaſſel vollkommen in dieser Beziehung überrascht worden waren. Nachmittags 4 Uhr am 16. Juni erschien folgende Verordnung, die Verwaltung der Regierungsgeschäfte in Abwesenheit Sr. Königl. Majestät betreffend. „WJR, Johann, von GOTTES Gnaden König von Sachſen 2. 2. 2 urfunden hiermit und bekennen : § 1.
Zur Verwaltung des Landes in Unserem Namen und Fortführung
der vorkommenden Regierungsgeschäfte während Unserer durch die politischen Verhältnisse nothwendig gewordenen Abwesenheit von Unserer Residenz, sezen Wir in Gemäßheit §
9 der Verfaſſungsurkunde vom 4. September 1831 ,
Preußens erste kriegerische Schritte.
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Besetzung Sachsens.
eine Landescommission nieder, zu deren Mitgliedern Wir die Staatsminister Johann Paul Freiherrn von Falkenstein , Richard Freiherr von Friesen und Dr. Robert Schneider, sowie den Generalleutnant der Reiterei und Oberstallmeiſter a. D. Karl Auguſt Maximilian von Engel ernennen. § 2.
Die
Landescommission ist bevollmächtigt ,
alle Angelegenheiten,
welche nach der Verordnung vom 7. November 1831 , die Einrichtung der Ministerialdepartements 2c. betreffend, unter 5 , ſonſt zu Unserer Höchsteigenen Entschließung vorzutragen waren , zu entscheiden.
Das Nähere über die Ge-
schäftsführung enthält die der Landescommiſſion ertheilte Instruction. § 3.
Der Geschäftskreis der Ministerialdepartements und des Gesammt-
ministeriums bleibt unverändert.
Wegen der Vertretung der in Unserer Be-
gleitung befindlichen Staatsminiſter haben Wir das Nöthige verfügt. Urkundlich haben Wir diese Verordnung eigenhändig unterſchrieben und Unser Königliches Siegel beidrucken laſſen.
Dresden, den 16. Juni 1866 . Friedrich Ferdinand Freiherr v. Beust. Johann Paul Freiherr v. Falkenstein.
Johann. Bernhard v. Rabenhorst. Richard Freiherr v. Friesen.
Dr. Robert Schneider. " Hieran schloß sich folgende Bekanntmachung : ,,Dem vorstehenden Allerhöchsten Befehle gemäß beginnt heute die unterzeichnete Landescommission ihre Wirksamkeit.
Ernst und schwer ist die Zeit ;
aber festes Vertrauen auf Gottes weise Führungen und die Gerechtigkeit der Sache , die wir vertreten , sowie treue Liebe zu König und Vaterland geben uns den Muth zum festen Ausharren in Erfüllung unserer Pflicht.
Wir
wissen, daß das treue Volk der Sachsen mit uns ist, wenn wir im Sinn und Geist unseres theuern Königs handeln.
Das werden wir aber thun , wenn
wir das unzertrennliche Wohl des Königs und Vaterlandes stets vor Augen haben ; wenn wir ernst bemüht sind , die Rechte des Landesherrn, die Verfassung und die Intereſſen aller Landesbewohner zu schüßen ; wenn wir forgen, daß die Verwaltung des Landes, soweit als möglich, ihren regelmäßigen Fortgang habe , und daß die Laſten , welche in ſolcher Zeit vom Lande nicht abzuwenden sind, doch möglichst erleichtert, Geseß und Recht aber allenthalben unverlegt bewahrt werden.
Also will es unser König und Herr ; und wir
werden thun, was an uns ist , diesen Willen zu erfüllen.
Möge das Ver-
Preußens eiste kriegerische Schritte. - Beschung Sachsens.
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trauen des Landes , um welches wir bitten , uns entgegenkommen , und möge auch in dieser trüben Zeit die alte sachsische Treue sich bewähren . Dresden, am 16. Juni 1866 . Johann Paul Freiherr v . Falkenstein. Dr. Robert Schneider.
Richard Freiherr v . Friesen. Max v. Engel.“
Diese Landescommiſſion hatte natürlich eine schwierige Stellung zwischen den das Land occupirenden Preußen und dem sächsischen Volke, indeß es muß ihr nachgerühmt werden , daß sie ihren Cbliegenheiten mit einem außerordentlichen Eifer sich hingab, so wie dem preußischen Civilcommiſſair, Herrn von Wurmb die Anerkennung gebührt , daß er den schweren Stand derselben nicht noch vermehrte, ſondern sich in den vielfachen Berührungen mit ihr als Mann von gerechter und milder Gesinnung erwiesen hat. Ueberhaupt ist nicht zu leugnen, daß von Seiten der preußischen Militairbehörde, wie des genannten Civil-Commiſſair ein freundliches Entgegenkommen in allen billigen Geſuchen gewillfahrt worden ist, freilich blieb troßdem die Occupation drückend genug für das ganze Land , besonders deshalb drückend , weil der Geschäftsverkehr, wenn er nicht gerade die nöthigsten Bedürfnisse zum Leben betraf. unter Null ſank , da die meiſten Geſchäfte schon vorher ſo bedeutend ſtockten , daß von Verdienst wenig, oder gar keine Rede mehr gewesen war. Gehen wir zur Schilderung des Einmarsches der Preußen in Sachsen über. Eher als die Residenz Dresden preußische Truppen zu ſehen bekam, hatten Meißen und Baußen am Sonntag den 17. Juni , jenes früh 9 Uhr, dieses zwei Stunden später dieſe Ueberraschung .
Unterhalb Meißen ,
in der Gegend von
Schloß Hirſchſtein gelangten preußische Abtheilungen mittels einer Schiffbrücke auf dem linken Elbufer auf das rechte Elbufer , audere Truppenabtheilungen gingen nach Wilsdruff und Tharand, und am 18. Juni ( Montag ) Mittags 3412 Uhr rückte eine Schwadron blaue Husaren mit gelben Schnüren in Dresden ein. Einer der ersten Acte, welchen sie hier vornahmen, bestand in der Schließung des Telegraphenbureaus, einige dieser Reiter sperrten die Brücke. Von 1 Uhr an oder noch etwas früher begann der Einmarsch der Truppen , großer Maſſen Infanterie mit mehreren Batterien von Meißen auf dem linken Elbufer kommend. Daß die „ sächsische Höflichkeit “ sich mit einer starken Dosis Dummheit paart, davon gab der Empfang der später einrückenden Preußen ein eclatantes Zeugniß.
Man warf ihnen sogar Blumen zu, so daß fast Aller Helme ſich damit
schmücken konnten.
Solche Gesinnungslosigkeit mußte selbst den Preußen ekelhaft
Preußens erste kriegerische Schritte. -
Besetzung Sachsens.
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erscheinen, sie lächelten über dies abscheuliche Gebahren, das ſeine Urheber in jedes rechtlichen Mannes Augen brandmarkte. Abends 7 Uhr wurden auf preußischen Befehl sämmtli he Postbureaus geſchloſſen, ſo daß aller Verkehr sofort gehemmt war. Die Leipziger bekamen erst am 19. Juni die Preußen als Gäste zu sehen . In der zehnten Vormittagsstunde rückte eine größere Anzahl Dragoner von Gilenburg daselbst ein, nachdem in aller Frühe einige hundert Mann Infanterie daſelbſt angelangt waren , aber , ohne die innere Stadt zu berühren , auf der baierischen Bahn weiter befördert wurden, nachdem sie auf dem Bahnhof eine Proclamation angeschlagen hatten, deren Inhalte nach sie sich als Freunde des sächsischen Volkes, aber als Feinde der Regierung desselben ankündigten.
Wie unsinnig das niedere
Volk, vulgo süßer Pöbel , zuweilen sich geberdet und gar nicht daran denkt , daß von seinem kopfloſen Thun das Geſchick einer ganzen Stadt abhängig werden kann, davon fanden sich in Leipzig und in Chemniß Beweise. Beim Einreiten der ersten Dragoner in Leipzigs Vorstädte, ſowie bei deren Rückkehr, ereigneten fich Scenen, welche sehr leicht bei den Preußen eine entschiedene Mißstimmung gegen die Einwohnerschaft hätten hervorrufen könen. Knaben
und selbst Erwachsene
warfen
nämlich
auf der Dresdener
Straße und in Reudnig mit Erdklößen und Steinen nach den preußischen Reitern, und wären diese Soldaten nicht besonnener gewesen und hätten freiwillig auf den Gebrauch ihrer Waffen gegen die Inſultirenden verzichtet , hätte leicht ein böser und die Preußen erbitternder Auftritt erfolgen können , den ein ganzes Gemeinwesen hart hätte büßen müssen.
Um Wiederholungen solcher Aeußerungen des
Leichtsinnes und der Rohheit zu begegnen, erfolgte von Seite des Magiſtrats ein Aufruf an Jedermann , dergleichen unziemliche und herausfordernde Auslafſungen gegen die fremden Krieger zu unterlassen.
Patriotismus ist sicher eine erhabene
und bewunderungswürdige Tugend , die auch der Feind ehrt ; aber geht es dem Patriotismus wie dem Salze , das nicht zu brauchen ist, wenn es dumm (dumpf) wird , so ist er ein Uebel, das auch den schuldlosen Nebenmenschen in Shaden und Verlust bringt.
Schloß Pleißenburg nahm die in Leipzig einrückenden Preußen
auf, welche ein paar Tage später, als neuer Zuzug kam, in der Stadt einquartirt wurden. General von Glycinski wurde laut königlich preußischer Cabinets - Ordre zum Commandanten von Leipzig ernannt.
Vor seiner am 22. Juni Abends er-
folgenden Ankunft hatte ein preußischer Offizier , Lieutenant Wesemeyer und der
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Preußens erste kriegerische Schritte.
Beseßung Sachsens.
Oberpostcommiſſar Wagener aus Westfahlen die Bestände der Postkassen in den verschiedenen Bureaus des Oberpostamtes aufgenommen.
Die Gelder wurden der
Postbehörde unter der Bedingung gelaſſen, daß dieſelben nur zu eigentlichen (Poſt-) Dienstzwecken verwendet, nicht aber ohne Erlaubniß des königlich preußischen Commandos an
eine andere Finanzstelle abgeführt würden.
Der Betrieb auf der
ſächſiſch-baieriſchen Bahn wurde sistirt , alle Wagen preußischer Seits in Beschlag genommen, nach dem Berliner Bahnhof übergeführt und von dort weiter geführt, es gelang den Preußen sogar, der von Leipzig südwärts fortgeführten Wagen, angeblich 11 Locomotiven und 300 Wagen, sich zu bemächtigen und zurück zu bringen. Von Störung des friedlichen Einvernehmens zwischen den Preußen und den Leipzigern ist nichts bekannt geworden. In Chemniz hatten sich am 18. Abends Tausende von Menschen wartungsvoller Spannung in der Nähe des Bahnhofes versammelt.
in er-
Als gerade
mehrere Locomotiven abfuhren , sprengten drei preußische Dragoner in die Stadt und vor die Hauptwache , wo sie vom herbeigeholten Bürgermeiſter Müller Auskunft über die Verhältnisse verlangten und namentlich, ob Baiern in der Nähe seien. Die Volksmenge brach in lautes Geschrei aus, welches eben nicht als ein Ausdruck der Freude und des guten Willkommens zu deuten war.
Die Reiter verhielten
sich jedoch ruhig, ſo daß keine ſchlimmere Scene ſtattfand.
Bürgermeister Müller,
die Gesinnungen der großen Fabrikarbeiter-Menge wohl kennend , fand sich veranlaßt , sofort, als die Dragoner sich zurückbegeben hatten , eine ernstwarnende Ansprache unter freiem Himmel an die Aufgeregten zu halten und am folgenden . Tage im Tageblatte eine Bekanntmachung zu erlaſſen , welche Beſonnenheit als nothwendigstes Erforderniß in gegenwärtiger Lage anempfahl.
Troß dieser Ver-
warnung entstand einige Wochen später doch eine Demonstration gegen die Preußen, da sich das Gerücht verbreitet hatte , die Baiern rückten in Sachsen ein.
Glück-
licher Weise verlief, weil der Commandant ein besonnener Mann war, dieser Ausbruch der Feindseligkeit ohne Blutvergießen.
Die Rädelsführer wurden jedoch ab=
gefaßt und scharfe , dem ruhigen Bürger ſehr unliebſame Maßnahmen erfolgten von Seiten des Commandos. Achnliches fand in Freiberg statt, wo ein Haufe Bergjungen einen Erawall veranlaßten, der ihnen indeß ebenfalls nicht zum Erfreulichſten ausschlug. Gleichen Vorgang ließ die Verordnung des General-Majors und Commandanten von Baußen , Herrn von Bose , vermuthen, welche folgendermaßen lautete :
Preußens erste kriegerische Schritte. -
Beseßung Sachsens.
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,,Von heute Abend 5 Uhr ab geht Niemand mehr über die Vorposten hinaus, Niemand wird mehr eingelaſſen außer unter Militärescorte. Die Communalgarde, Schüßenvereine und übrigen Bewohner des Ortes liefern bis Nachmittags 2 Uhr Waffen aller Art und Munition ab , und werden dieſelben vor dem Taucherkirchhof abgenommen.
Werden dergleichen irgendwie verborgen
gehalten und entdeckt, wird der Betreffende arretirt und vor ein Kriegsgericht gestellt.
Jeder mit Waffen in der Hand betroffene Nichtmilitär oder zur
Führung derselben berechtigte königliche Beamte wird , wenn er von seinen Waffen Gebrauch macht, sofort erschossen.
Jedes Haus, aus dem auf meine
Leute geschossen worden , wird unbedingt demolirt , event. eingeäschert.
Ich
warne sämmtliche Einwohner, sich persönlich und die gesammte Stadt vor Schaden zu hüten , der jedem Entgegentreten unbedingt folgen wird.
Im
Falle eines Allarms verbleibt Alles in den Häusern und während der Dunkelheit sind Lichter an die Fenster der Parterres zu seßen und da, wo dies durch Läden ausgefüllt, in die Bel-Etage.
Das Gas ist in den Straßen von Abends
9 bis Morgens 3 Uhr in Brand zu erhalten.
Baußen, den 21. Juni 1866. v. Bose, Generalmajor und Commandant des Ortes." Eingezogenen Nachrichten zufolge ſoll jedoch keine Veranlaſſung vorgelegen haben, welche Herrn von Boſe zu so ernſter Verwarnung gezwungen hätte.
Man
muß zugestehen, daß dieſer Erlaß ganz dazu angethan war, Jeden zu unterrichten, was er zu meiden und überhaupt wie er sich zu verhalten habe, und wenn er darauf berechnet gewesen, so hat er seinen Zweck auch aufs Vollkommenste erreicht , denn die Baugner behaupteten, sich keines Fehls zeihen zu müssen.
Merkwürdig genug
dürfte folgendes Faktum zu diesem Boseschen Erlaſſe erscheinen : Auf eine Aeußerung im preußischen „ Staatsanzeiger“, daß weder in Sachſen , noch in Kurhessen oder Hannover Kriegscontributionen eingetrieben worden seien , enthielt der „Zittauer Anzeiger" vom 21. Juli Folgendes : „ Diese anscheinend officiöse Erklärung des
Staatsanzeigers" läßt uns
hoffen , daß die über die Stadt Zittau , welcher gewiß Widerseßlichkeit in keiner Weise nachgesagt werden kann, von dem General-Major von Bose verhängte Kriegscontribution von 6000 Thlr. nicht verloren sei.
Vorzüglich der Umstand, daß für
die Verpflegung der hier durchpassirten preußischen Truppen Seiten der Stadt wirklich großartige Opfer gebracht worden sind, läßt von der Gerechtigkeitsliebe der preußischen Regierung erwarten, daß sie das Geld zurückerstatten und dadurch unſere
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Preußens erste kriegerische Schritte. --- Beseßung Sachsens.
Stadt davor bewahren wird, die einzige Stadt zu sein , welche zur Zahlung einer Kriegscontribution gezwungen worden ist. “ In Dresden , wo der Commandirende General-Lieutenant Herwarth von Bittenfeld, die ersten Tage nach dem Einrücken persönlich zugegen sich befand, war an der Anſchlagsäule vor Hotel Bellevue folgende in Berlin gedruckte, an den übrigen Säulen aber nicht befindliche " Proclamation
an das
Sächsische
Volk“ zu lesen : „ Sachsen !
Ich rücke in Euer Land ein , . nicht aber als Euer Feind,
denn ich weiß, daß Eure Sympathieen nicht zusammenfallen mit den Beſtrebungen Eurer Regierung.
Sie ist es gewesen, die nicht eher geruht hat , als
bis aus dem Bündniß von Oesterreich und Preußen die Feindschaft beider entstanden ; sie allein ist die Veranlassung , daß Euer ſchönes Land zunächſt der Schauplag des Krieges werden wird.
Aber meine Truppen werden Euch
in demselben Maaße als Freunde, gleichwie Einwohner unseres eigenen Landes behandeln, als Ihr uns entgegenkommen und bereit ſein werdet , die nicht zu vermeidenden Laſten des Krieges zu tragen.
In Eurer Hand also wird es
liegen, die Leiden des Krieges zu mildern und die Bestrebungen zu vereiteln, die so gern ein Gefühl von Feindseligkeit den verwandten Volksstämmen einimpfen möchten. Der Königl. Preuß. General der Infanterie und commandirende General Herwarth v. Bittenfeld. " Das in Dresden Ein- und Durchziehen der preußischen Truppen schien kein Ende wenigstens in den ersten Tagen nehmen zu wollen.
Die sonst so friedlich-
stille Stadt war gezwungener Weise eine andere geworden.
Wo man hinſah,
überall preußisches Militär, durch die Straßen zogen die Bataillone mit Trommeln und Pfeifen und Sack und Pack, Reiterschwadronen und Batterien , dergleichen Schauspiele war Niemand hier gewöhnt , noch weniger den Anblick der Bivouafs außerhalb der Stadt.
Es war eine neue Ordnung der Dinge an die Reihe
ge-
kommen, an der man erst Geschmack finden mußte, um sie als eine hübsche Veränderung zu betrachten.
Die Postbeamten waren für die Dauer eines Tiges ihrer
Funktionen enthoben, dann traten sie wieder in ihre frühere Thätigkeit ein. Herr v. Wurmb, preuß. Civilcommiſſar, ließ die Redacteure sämmtlicher Dresdener Zeitungen zu sich bescheiden und besprach sich mit ihnen wegen der Haltung ihrer Blätter, kein einziges wurde unterdrückt.
Ihre Aufgabe war an keine andere
Bedingung geknüpft, als daß sie nichts Preußenfeindliches aufnehmen sollten, gegen
Preußens erste kriegerische Schritte.
Besehung Sachsen s.
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das Veröffentlichen von wahren Thatsachen erging jedoch kein Verbot. Freilich kam Als Nummer 1 in diese Kategorie gehörend, muß
auch manches Unliebsame vor.
die tägliche Entnahme von 10,000 Thlrn. aus der Staatskaffe zur Erhaltung des Militärs erwähnt werden , in der ersten Woche allein hatte die Stadt 100,000 Thlr.
für
deren Bedürfnisse
verausgabt.
Trozdem gab
es
einen Tag des
Unheils für alle Diejenigen , welche offene Läden hielten , wie Bäcker , Fleischer, Kaufleute, Branntweinschänke und Bierwirthe u. s. w.
Man schloß in Angst die
Läden, denn die in den Bivouaks liegenden Truppen erlaubten sich, Alles, was sie brauchten, zu requiriren. Wenn man indeß hierbei
bedenkt , daß die Neigung zu Gewaltthat da
besonders hervortritt , wo das Bewußtsein der Macht dahinter steht, wird sich Niemand verwundern , daß auch gröbliche Scenen da mitunterliefen , indeß zum Glück war diese unangenehme Angelegenheit bald geordnet, die preußische Militärbehörde bewies sich dabei sehr bereitwillig und der Stadtrath übernahm nun die Lieferungen an die Truppen.
Die Einquartierten erfreuten sich meist eines freund-
lichen Einvernehmens mit ihren Quartierwirthen , nur empfanden Leztere es als eine Vermehrung ihrer den Geldbeutel ohnehin angreifenden Belästigung , daß sie den Soldat täglich entweder mit 6 Stück Gigarren oder 3 Loth Rauchtabak versorgen mußten. Die kriegerische Physiognomie Dresdens kostete viel Geld , natürlich ſächſiſches, und der Schanzenbau , welcher in nächſter Nähe der Stadt in Angriff genommen wurde, um dessen willen Häuser und Villen rasirt werden mußten, häufte selbstverständlich die Kosten der preußischen Invasion um ein Bedeutendes.
Da
sich nur eine sehr kleine Zahl fächsischer Arbeiter zu den Schanzarbeiten meldete, so wurden Berliner und Schlesier verschrieben , ein Thaler täglicher Lohn nebst freier Her- und Rückfahrt nebst freiem Quartier war lockend.
Ein bedeutender
Theil der Berliner kam in höchst malerischem Costüm nach Dresden und wurden ſie, da sie das Kauaan nicht fanden, was sie zu finden gehofft hatten , und überwacht von Militär stramm arbeiten sollten, was zu gröblich gegen ihre Neigungen verstieß, wieder zurückbefördert. Der Fortschritt des Schanzenbaues gehörte keineswegs zu den erheiternden Hoffnungen für die Bewohner der Hauptstadt. Auch machte die Ausweisung von drei Personen , des Geheimen Regierungsrathes Häpe, des Polizeidirektors Schwauß und des Polizeiraths Pikart , aus dem Königreiche Sachsen bedeutendes Aufschen in Dresden, besonders da man die 3
34
Preußisches und Desterreichisches. Grunde liegende Ursache nicht erfahr und nur die Vermuthung hatte , daß die
Betreffenden kraft ihrer Stellungen der Verbreitung einer von Er. Majestät dem Könige von Sachſen nach der Hauptstadt gekommenen Ans, rache oder Proclamation bezüchtigt worden wären. Der königlich preußische Eivilcommissar, von Wurmb, hatte auf Befehl des Militärgouverneurs General - Lieutenant von der Mülbe, sie bedeutet, ſich jeder weiteren amtlichen Thätigkeit zu enthalten und Dresden ,
resp . das Königreich
Sachsen, binnen 24 Stunden zu verlassen, widrigenfalls ſie als Spiōne behandelt und standrechtlich bestraft werden würden. Vergebens hatte die Landescommiſſion ſich bemüht , diese Maßregel abzuwenden, und da ſie von der erfolgten Ausführung derselben erst nachträglich Kenutniß erhielt, blieb ihr nichts übrig , als sich auf Einlegung einer Verwahrung zu beschränken. Gleichzeitig wurde auf Befehl der preußischen Militärbehörde auch die Schließung der noch in Dresden befindlichen Abtheilung des Kriegsminiſteriums verfügt. So war denn der Sommerhimmel für Dresden wie überhaupt für Sachsen ein trüber geworden , und mit Recht seufzten Alle : wäre diese Drangsalzeit doch schon überstanden !
Preußisches und Oesterreichiſches. Desterreich vermag bei voller Mobilmachung seiner Streitkraft
700,000
Mann Infanterie, 53,000 Mann Cavallerie und 56,000 Mann Artillerie zu stellen ; Preußen 623,000 Mann Infanterie, 46,000 Mann Cavallerie und 66,000 Mann Artillerie.
Demzufolge hatte Desterreich 77,000 Mann Infanterie und
7000
Mann Reiterei mehr zu verwenden , dagegen zählte Preußen um 10,000 Mann Artillerie mehr, und diese Waffe ist in Schlachten von großer Entscheidung. Gegen Preußen schien Desterreich beim Ausbruch dadurch in ein Mißverhältniß zu kommen, daß es den Italienern gegenüber mindestens eine Streitmacht von 250,000 Mann aufzustellen sich gezwungen sah, indeß man rechnete auf den Zuzug der Würtemberger , Baiern , Sachsen und der anderen Bundesgenoſſen, der mindestens 160,000 Mann betragen mußte, und so ward das Zahlenverhältniß gegen Preußen ein überwiegendes und würde sich vollständig zum Nachtheile Preußens herausgestellt haben , wenn Oesterreichs Bundesgenossen , mit Ausnahme Sachsens, ihre Verpflichtung erfüllt hätten.
Preußisches und Desterreichisches .
Das war nun freilich nicht der Fall.
Preußens Erklärung.
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Die Energie, mit der Preußen den
Krieg führte , die beiſpielloſe Schnelligkeit der Bewegungen seiner Heeres: aſſen, durch welche sie den an dergleichen nicht gewöhnten Feind überraschten, der täglich eine Schlacht sich über den Kopf wachsen sah und durch die Untanglichkeit seiner Unterfeldherren täglich schwere Verluste erlitt, bahnte ihnen den Weg in Böhmen, wie auch auf dem Kampfplaße in Mitteldeutſchland , die trostlose Schwerfälligkeit der mit Desterreich Verbündeten, der Baiern und der Bundesarmee, die Rathlosigkeit deren Führer in ernster Stunde, die Vielheit der Bestandtheile des Bundesarmeecorps , das Alles und noch manches Andere gewährte dem durch einen festen Willen sicher geleiteten preußischen Heere den Sieg. Die preußische Regierung hatte an die auswärtigen Höfe folgende amtliche Erklärung über die neuesten Vorgänge abgehen laſſen : „Nachdem durch Beſchluß vom 14. Juni der Bund gebrochen und Preußen mit Krieg bedroht worden, erheiſchte das Gebot der Selbſterhaltung, das Land gegen die Nachbarstaaten zu sichern.
Preußen hat deshalb am 15. Juni
Sachsen, Hannover und Kurhessen ein Bündniß auf Grund unbewaffneter Neutralität angeboten, mit der Bedingung der Berufung des deutschen Parlaments behufs Sicherstellung des Friedens.
Gleichzeitig hat Preußen jenen Staaten
die Gewährleistung ihres Besißstandes und ihrer Souveränetät zugesagt. Die gedachten drei Staaten haben dieses Auerbieten abgelehnt.
Da die geogra
phische Lage Preußens nicht gestattet , dort offene oder verdeckte Feindschaft bei anderweitem Kriege zu ertragen, so haben die königlichen Truppen heute Morgen in allen drei Richtungen die Grenze überschritten, um zu verhindern, daß man uns dort im Rücken angreift , während wir uns gegen Desterreich vertheidigen." Mit dieſer Erklärung hatte Preußen vor ganz Deutschland seinen Entschluß abgegeben, einen ernsten Kampf zu führen, und folgerecht drängt sich dem Leser die Frage auf? Warum aber Krieg ? Um den Besiß von Schleswig-Holstein ? Hatte dieser so viel Werth für Preußen , daß es zum Aeußerſten ſchreitet und wie ein verzweifelter Spieler sein leßtes Hoffen auf eine Karte sezt ? Konnte da nicht vielleicht ein gütliches Uebereinkommen noch zum Ziele führen ? Die Antwort darauf dürfte folgende sein : Die Elbherzogthümer sind nicht der Preis des Kampfes , um ihrerwillen ist er nicht begonnen worden, sie sind schon längst in den Hintergrund getreten und nur die zufällige Veranlassung zu dem Kriege , keineswegs die Hauptsache. 3*
Dieſe
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Preußisches und Oesterreichisches.
liegt weit tiefer , sie begründet sich auf früher Geschehenes , schon lange Vorhergegangenes.
Preußen als deutsche Großmacht befand sich seit erflecklicher Zeit in
einer drückenden Abhängigkeit von Oesterreich, das übermächtig den deutſchen Bund regierte, dem Preußen als Mitglied und troß seiner Militairmacht als ein schwaches Mitglied angehörte, denn es trat gehorsam in Desterreichs Füßtapfen.
Denke man
sich einen Jüngling, den der Vormund in den Fesseln des Gehorsams hält ; aber plößlich schüttelt der sich kräftig fühlende Jüngling dieſe ihn einengenden Bande ab und stellt sich wehrhaft seinem bisherigen Vormund gegenüber.
So lange
Preußen in Schwäche verblich, konnte der deutsche Bund bestehen, denn sein Dasein war eben nur das eines siechen Schwächlings, sowie aber Preußen zu dem Bewußtsein kam , daß es eine Großmacht sei , wie Desterreich , mußte der Bund fallen. Wer da meint, der Krieg bezwecke nur den Anfall der Elbherzogthümer an Preußen, ist in großem Irrthum, ſein Hauptzweck gipfelte darin :
Oesterreichs Einfluß auf
Deutschlands Geschicke zu brechen, deren Leitung Preußen in die Hand zu nehmen. sich entschlossen hatte.
Es war der Kampf um die Oberherrschaft in Deutschland,
den Preußen begonnen hatte. König Wilhelm I. von Preußen hatte wahrlich keinen leichten Stand , als er den Entschluß zum Kriege faßte.
Fast aus allen Städten seines Landes waren
ihm Bittschriften zugegangen, deren Inhalt fast übereinstimmend lautete : kein Krieg, Aufrechterhaltung des Friedens.
Der König Wilhelm hatte sein 70. Lebensjahr
angetreten und ein Mann in dieſem Alter rennt nicht blind einem Geschick entgegen, welches sogar den Bestand seines Hauses vernichten kann, denn wer hat die Sehergabe, das was die Zukunft in ihrem dunklen Schleier bürgt, zu schauen ! Uebrigens find Könige nicht mit dem Maaßſtabe zu meſſen, der für Leute paßt, welche keine solchen schweren Pflichten, als die eines Monarchen sind, auf sich haben und also auch nicht mit solcher schweren Verantwortlichkeit beladen sind.
Deswegen dürfte
es wohl wahr sein, was ein Augen- und Ohrenzeuge beim Abschiedsbesuche König Wilhelm's beim Prinzen Friedrich Karl in der „ Koblenzer Zeitung" veröffentlichte. Es heißt da: Der König sagte unter Anderm mit Thränen in den Augen : „ Ich bin ein alter Mann und bald siebenzig Jahre , wie soll ich jetzt noch an Krieg denken ; ich will nichts mehr, als meinem Volke den Frieden lassen, wenn ich sterbe.
Ich weiß ja auch, daß ich's vor Gott und meinem Gewiſſen zu
verantworten habe.
Ich kann's bezeugen vor Gott , ich habe Alles gethan,
gebeten habe ich den Kaiser, gebeten, wie man nur bitten kann; ich will ja
Preußisches und Oesterreichisches.
König Wilhelm I. Proclamation.
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auch keinen Fuß breit Landes ; ich will ja Alles zugestehen, was ich mit der Ehre Preußens vereinen kann.
Ich habe viel angeboten ; aber sie wollen ja
den Krieg ; sie wollen es ja so wieder haben, wie es vor dem siebenjährigen Kriege war, und das geht doch nicht , dann ist ja Preußen nichts mehr !" Da von einer friedlichen Ausgleichung keine Rede mehr sein konnte, erließ der König folgendes Manifest an das preußische Volk: " An mein Volk! " In dem Augenblicke, wo Preußens Heer zu einem entscheidenden Kampfe auszieht, drängt es mich , zu meinem Volke, zu den Söhnen und Enkeln der tapferen Väter zu reden, zu denen vor einem halben Jahrhundert mein in Gott ruhender Vater unvergessene Worte sprach. Gefahr. Desterreich
Das Vaterland ist in
und ein großer Theil Deutschlands steht gegen dasselbe in
Waffen ! Nur wenige Jahre sind es her, seit ich aus freiem Entſchluſſe und ohne früherer Unbill zu gedenken , dem Kaiser von Desterreich die Bundeshand reichte, als es galt ,
ein deutsches Land von fremder Herrschaft zu befreien.
Aus dem gemeinſchaftlich vergoffenen Blute , hoffte ich, würde eine Waffenbrüderschaft erblühen , die zu fester , auf gegenseitiger Achtung und Anerkennung beruhender Bundesgenossenschaft und mit ihr zu all' dem gemeinſamen Wirken führen
würde, aus welchem Deutschlands innere Wohlfahrt und
äußere Bedeutung als Frucht hervorgehen sollte. getäuscht worden.
Aber meine Hoffnung ist
Desterreich will nicht vergessen , daß seine Fürsten einſt
Deutschland beherrschten ; in dem jüngeren , aber kräftig sich entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen , sondern nur einen feindPreußen -- so meint es muß in allen
lichen Nebenbuhler erkennen.
ſeinen Bestrebungen bekämpft werden, weil, was Preußen frommt, Desterreich schade.
Die alte unselige Eifersucht ist in hellen Flammen wieder aufgelodert :
Preußen soll geschwächt , vernichtet , entehrt werden.
Ihm gegenüber gelten
feine Verträge mehr, gegen Preußen werden deutsche Bundesfürsten nicht blos aufgerufen , sondern zum Bundesbruch verleitet.
Wohin wir in Deutſchland
schauen, find wir von Feinden umgeben, deren Kampfgeſchrei iſt : „ Erniedrigung Preußens ! " Aber in Meinem Volke lebt der Geist von 1813.
Wer wird uns einen
Fuß breit preußischen Bodens rauben, wenn wir ernstlich entſchloſſen ſind, dis
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Preußisches und Desterreichisches.
König Wilhelm 1. Proclamation .
Errungenschaften unserer Våter zu wahren , wenn König und Volk, durch die Gefahren des Vaterlandes fester als je gecint, an die Ehre desselben Gut und Blut zu sehen , für ihre höchste und heiligste Aufgabe halten. - In forglicher Voraussicht dessen, was nun eingetreten ist , habe Ich ſeit Jahren cs für die ernste Pflicht Meines königlichen Amtes erkennen müssen, Preußens streitbares Volk für eine starke Machtentwicklung vorzubereiten.
Lefriedigt
und zuversichtlich werden Wir, jeder Preuße auf die Waffenmacht blicken, die unsere Grenzen deckt.
Mit seinem Könige an der Spize, wird sich Preußens
Volk in Wassen fühlen.
Unsere Gegner täuschen sich , wenn sie wähnen,
Preußen sei durch innere Streitigkeiten gelähmt.
Dem Feinde gegenüber ist
es einig und stark ; dem Feinde gegenüber gleicht sich aus, was sich entgegenstand, um demnächst im Glück und Unglück vereint zu bleiben. Ich habe Alles gethan, um Preußen die Laſten und Opfer eines Krieges zu ersparen , das weiß Mein Volk , das weiß Gott , der die Herzen prüft. Bis zum lezten Augenblicke habe Jch, in Gemeinschaft mit Frankreich, England und Rußland , die Wege für eine gütliche Ausgleichung gesucht und effen gehalten.
Desterreich hat nicht gewollt , und andere deutsche Staaten
haben sich offen auf seine Seite gestellt.
So sei es denn !
Nicht Mein iſt
tic Echuld, wenn Mein Volk schweren Kampf kämpfen und vielleicht harte Bedrängniß wird erdulden müſſen : aber es ist uns keine Wahl mehr geblieben ! Wir müssen fechten um unsere Existenz ,
wir müſſen in einem Kampf auf
Leben und Tod gehen gegen Diejenigen , die das Preußen des großen Kurfürsten , des großen Friedrich, das Preußen, wie es aus den Freiheitskriegen hervorgegangen ist, von der Stufe herabstoßen wollen , auf die seiner Fürsten Geist und Kraft, jeines Volkes Tapferkeit, Hingebung und Gesitlung es empor gehoben haben. Flehen wir den Allmächtigen , den Lenker der Geschicke der Völker , den Lenker der Schlachten an, daß Er unsere Waffen segne ! Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch ſtark ſein , das loſe Band , welches die deutschen Lande mehr dem Namen als der That nach zusammenhielt und welches jezt durch Diejenigen zerrissen ist , die das Recht und die Macht des nationalen Geistes fürchten, in anderer Gestalt fester und heilveller zu erneuen.
Gott mit uns!
Berlin , den 18. Juni 1866. (gez.) Wilhelm.
Preußisches und Desterreichisches. - Brinz Friedrich Karl.
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Die ans Fabelhafte streifenden Erfolge der Preußen datiren von dem Tage, als die Heeresmassen des Prinzen Friedrich Karl, des Kronprinzen von Preußen und des Generallieutenants Herwarth ron Bittenfeld in Böhmen einrückten.
Prinz
sche Be
Friedrich
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und seine
geb. d.20.
leiden-
März 11828 in
schaftliche
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wissen-
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von hoher
Seine
militair
militairi
wissen
schaftlicher Bildung nannten ihn den jungen Blücher, der sich vor seinem Driginale dadurch auszeichnete, daß er nicht allein , wie der Marschall Vorwärts, ein eingefleischter, sondern auch, was Jener nicht war, ein wissenschaftlich hochgebildeter Soldat ist.
Beim Ausbruche des schleswig'schen Krieges 1848 machte er als Hauptmann in
der Suite des Generals Wrangel die Schlacht bei Schleswig mit.
Bei dieser Gelegen
heit zeichnete sich der 20jährige Prinz dadurch aus, daß er so lange in Wrangel drang, bis dieser ihm gestattete , den ersten Versuch seines Kriegsglückes zu machen, und der Prinz trug zur Entscheidung des Kampfes wesentlich bei , indem er mit dem 2. (Königs ) Regiment mit heftigem Angriff in des Dänen rechte Flanke eindrang. Ein Jahr später ging der Prinz als Major im Stabe des jezigen Königs mit nach Baden und zeichnete sich da als kühner Soldat aus, indem er sich bei Wiesen
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Preußisches und Desterreichisches.
Prinz Friedrich Karl.
thal mit einer nur 87 Reiter starken Husarenescadron auf eine 400 Mann zählende Abtheilung Badenser warf und sie schlug.
Sein neben ihm reitender Adju-
tant ſank, von fünf Kugeln getroffen , todt vom Pferde , der Prinz wurde schwer in Arm und Schulter verwundet.
Erst im Jahre 1861 ernannte ihn der König
zum General der Cavalerie und Chef des dritten Armeecorps. Auch im Auslande wurde man auf ihn aufmerksam, durch eine vom ihm verfaßte Schrift, welche sich besonders durch die Kritik der französischen Manövrirkunst außerordentliches Aufsehen machte.
Es war sein aus eigener Anschauung
hervorgegangenes Urtheil , denn er hatte 1858 eine Reise nach Paris gemacht Im Februar 1864 ging er mit seinem dritten Armeecorps nach Schleswig.
Der
Sturm auf Düppel war sein Werk und als er nach des alten Marschall Wrangels Rücktritt Oberfeldherr aller in Schleswig und Jütland operirenden Truppen wurde, veranstaltete er den nach seinem eignen Plane eben so kühn als glänzend ausgeführten Uebergang nach der Insel Alſen, welcher nicht nur die Dänen ganz vom schleswigschen Grund und Boden jagte, sondern ihm auch die größte Bewunderung eintrug.
Die Soldaten lieben ihn, weil er mit Seel und Leib Soldat ist.
Nur ihm
ist die jezige hohe Ausbildung und Fertigkeit der preußischen Armee zu verdanken, in seiner hohen Stellung hat er keine Mühe gescheut, sich Verdienste um sie zu er werben.
Die preußische Cavallerie verdankt
ihm die tüchtige Ausbildung in
der Fechtkunst, gegen welche die früher so berühmte österreichische Reiterei, wie die in Böhmen geschlagenen Schlachten lehrten , nicht aufkommen konnte.
Als einer
der kühnsten Feldherrn ſeiner Zeit liebt er die wuchtigen Angriffe auf den Feind und fesselte dadurch den Sieg an die preußischen Fahnen.
Vorzüglich gehen ihm
die Brandenburger als Soldaten über Alles , dafür hängen sie auch an ihm , wie gehorsame Kinder an ihrem Vater.
Mit der Garde stand er sich früher nicht be-
sonders gut, man warf ihm sogar Schroffheit gegen dieselbe vor, indeß die Kämpfe in Böhmen belehrten ihn, daß diese Garde wirklich ausgezeichnet sich mit dem Feinde zu schlagen versteht. Prinz Friedrich Karl ſtand mit seinen als erste oder auch Elb-Armee bezeichneten Truppen in einem halben Bogen an der nordwestlichen Grenze Böhmeus Herwarth von Bittenfeld dirigirte sein Armeecorps , das meist durch Sachsen kam, als der Einmarsch in Böhmen begann , über deſſen Westgrenze. stand mit seiner Armee an der östlichen Grenze Böhmens.
Der Kronprinz
Selbstverständlich hatte
die sächsische Laufiß durch dieſe Truppenanhäufungen ungemein zu leiden ; die Requifitionen gingen ins Ungeheure und wurden noch durch den Umstand , daß von
Preußisches und Oesterreichisches.
Prinz Friedrich Karl.
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Böhmen heraus auch nicht das Mindeste erlangt werden konnte, zur Unmöglichkeit binsichtlich deren Erfüllung gesteigert, weswegen sich von Zittau und Löbau Bürgerdeputationen zum Prinzen Friedrich Karl nach Görlig begaben, um ihn um Minderung der über ihre Städte verhängten unerschwinglichen Forderungen zu bitten. Sie fanden eine freundliche Aufnahme ; vor der Hand konnte aber wenig oder nichts zur Befriedigung ihres Gesuches gethan werden , und sie mußen mit dem Versprechen sich begnügen , daß sie des größten Theiles ihrer Belastungen bald entledigt ſein würden , da der Einmarsch der preußischen Truppen in Böhmen so nahe bevorstehe.
Der Prinz hatte schon vorher folgende Ansprache an die Be-
wohner der sächsischen Laufig erlassen: Se. Majestät der König von Preußen, mein allergnädigster Herr, hat ſich gezwungen gesehen , dem Könige von Sachsen den Krieg zu erklären, und ich habe auf Grund dessen schon heute einen Theil der von mir fommandirten Truppen die Grenze der Lausitz überschreiten lassen. Wir führen nicht den Krieg gegen das Land und die Bewohner von Sachsen, sondern gegen die Regierung, welche uns denselben ohne allen Grund durch ihre Feindseligkeit aufgedrungen hat.
Meine Truppen werden überall
das Privateigenthum gewissenhaft schonen und jeden ruhigen Landesbewohner schüßen. Bewohner der Laufiß ! kommt uns daher mit Vertrauen entgegen und ſeid überzeugt , daß meine Soldaten durch Wohlwollen und strenge Mannszucht dem Lande die Lasten des Krieges möglichst erleichtern werden , Lasten, die nicht ganz zu vermeiden , da es erforderlich sein wird , Requifitionen eintreten zu laſſen , die indeß ordnungsgemäß ausgeschrieben und nur gegen Empfangsbescheinigung erhoben werden sollen. G.-C. Görlitz, den 16. Juni 1866 . Der General der Cavalerie Friedrich Karl , Prinz von Preußen. Es ist nicht zu leugnen, daß die preußische Soldateska eine strenge Mannszucht bewahrt , und das erfordert allen Dank.
Jene schrecklichen und traurigen
Scenen soldatischen Uebermuthes , wie er ehedem an der Tagesordnung war und so beklagenswerthe Folgen für die davon Getroffenen nach sich zog, sind , dem Himmel ſei Dank , nicht mehr in den europäiſchen , wenigstens in den deutſchen Armeen zu finden, ja, nicht mehr möglich.
Die Humanität hat auch dem Kriegs-
handwerk ihren Schliff mitgetheilt, es veredelt.
Lächerlich wäre es , behaupten zu
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Preußisches und Desterreichisches.
Prinz Friedrich Karl.
wollen, daß es unter den Soldaten keine Rohheit mehr gåbe ;
gewiß giebt es
immer noch genug solcher Auswüchse, aber sie kommen nur einzeln vor. Die unerbittliche Mannszucht und die Schulerzichung, die von den Regierungen mit unnachsichtlicher Strenge selbst den niedrigsten Volksklassen aufgezwungen worden ist, trägt ihre Früchte ; Eitte und Sittlichkeit verbeſſern die durch schlechtes Beiſpiel verderbten Gemüther ; der denkende Mensch empfindet Scham vor
M der Gemeinheit , und vor der höheren Bildung müssen die lezten Reste niederträchtiger Brutalität fallen.
Deutsche Armeen sind keine Räuberbanden mehr, wie
die zusammengewürfelten Kriegsschaaren aus aller Herren Länder im dreißigjährigen, ja im stiebenjährigen Kriege noch waren.
Jcht sind sie die Söhne eines und des-
selben Volkes, für das sie kämpfen. Das ist der große Unterschied, der ungeheure Fortschritt in unſern jeßigen Armeen.
Ehedem fiel es keinem Führer ein , einen Tages- oder Armeebefehl an
ſeine Truppen zu erlaſſen ; heutzutage iſt das zur Unerläßlichkeit geworden. Warum ? Weil der Soldat nicht um einen Deut weniger auf Ehre hält , als sein Offizier, weil er denkender Mensch ist.
Prinz Friedrich Karl's Armeebefehle zeichnen sich
durch Kürze und Kraft aus ; sie sind fern aller Schönrednerei , daher verständlich und Vertrauen erweckend, wie folgender: Hauptquartier Görlig , den 16. Juni 1866 datirter Armeebefehl beweist : „Unser König und Herr hat den Krieg an Sachsen, Hannover und Kurheffen erklärt.
Der Einmarsch meiner Truppen in das Königreich Sachſen
ist heute bereits erfolgt.
Wir haben die Einwohner nicht als unsere Feinde
zu betrachten und zu behandeln , ſondern den Krieg nur gegen eine Regierung zu führen, welche uns denselben durch ihre Feindseligkeiten aufgezwungen hat.
Ich erwarte von den Soldaten mit vollem Vertrauen ,
daß sie , wie
immer, so auch jezt, die alte bewährte preußische Mannszucht aufrecht erhalten, und dadurch dem Lande, welches wir zu besehen gezwungen waren, die Laſten des Krieges möglichst erleichtern werden.
Jedes Privateigenthum ist streng
zu schonen , Staatseigenthum allein mit Beschlag zu belegen.
Sollten uns
auf sächsischem Gebiet österreichische Truppen entgegentreten , so sind dieselben als Feinde zu behandeln.
Vorwärts denn , Kameraden , mit unserm
alten Wahlspruch: „ Mit Gott für König und Vaterland!" und mit dem Schlachtruf: „ Es lebe der König !" Der General der Cavalerie.
Friedrich Karl
Preußisches und Oesterreichisches.
Defterreichischer Zettungsschwindel.
Und wie sah es jenseits in Böhmen aus ?
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Dort hüllte sich Alles in den
Schleier des Geheimnisses ; die Pläne des zum Oberbefehlshaber der Nordarmee ernannten Feldzcugmeisters von Benedek reiften hinter dem hohen Jsar- und Riesengebirge und den Sudeten verborgen vor aller Welt Blicken.
Man war in Cester-
reich so fest überzeugt, daß es bald keine preußische Armee mehr geben werde, daß ſogar die Banknoten stiegen , ein Umstand , der eben zu den ungewöhnlichen Erscheinungen der Zeiten gehört, weil Oestreichs Finanzlage seit Jahrhunderten schon eine höchst mißliche ist. Es konnte gar kein giltigeres Zeichen von Vertrauen auf schnellen und entscheidenden Sieg geben, als diesen Vanknoten - Aufschwung .
Die Börse , dieser
Gradmesser für Ungewöhnliches , glaubte an gewiſſen Sieg , an ein Verkleinern Preußens ; man träumte sich in die schönen Tage hinein , wo die k. k. Nordarmee in Berlin einziehen werde, in dies nordische Babel, das man wie die Sünde haßte.
Die großen Zeitungen Wien's bliesen mit rellen Backen Marsch ; fie
waren sammt und sonders zu erleuchteten Sehern geworden , deren Blicken das enthüllt ist, was den andern Sterblichen so lange Geheimniß bleibt, bis Tag und Stunde gekommen sind , wo der Vorhang vor ihnen sich lüftet , und sie schauen, was die eigentliche Wahrheit ist. Dieser östreichische Zeitungsschwindel dauerte so lange , bis er sich nicht mehr halten ließ, bis die Prager Zeitungen, welche ihrem Leſepublikum andeutungsweise hatten merken lassen , daß die Preußen in nahester Verwandtschaft mit den menschenfressenden Neuseeländern ständen , sich gezwungen sahen , alle ihre groben und dummen Lügen und Verdrehungen als Ueberschwänglichkeitsprodukte ihrer eigenen Redactionen und Mitarbeiter bloßzustellen , um die auf so erbärmliche Weise bis zum Entsezen getäuschten Einwohner Prag's von einer allgemeinen Flucht abzuhalten, als den Preußen Prag offen stand.
Die Lüge ist das elendeste und
ſchamloſeſte Mittel , dessen man sich gegen einen Feind bedienen kann , denn sie verunehrt ihren Erfinder, indem sie seine Vernunft an den Pranger stellt. Daß man die Wahrheit der preußischen Siege verdunkelte , verbarg , läßt sich entschuldigen ; daß aber die Zeitungsschreiber auch bemüht waren, ihren Humor bei der Gelegenheit zur Erhebung ihrer Leser leuchten zu laſſen , ist unverzeihlich. So beging die östreichische Constit. Ztg. als officiöses Blatt ein offenbares Verbrechen , als sie troß der ersten Siege der Preußen ihre Leser mit der großspurigen Redefloskel täuschte : „ Mit Blut und Eiſen ist er (der Feind) gekommen, mit Blut und Eisen ist ihm der Weg gewiesen worden, mit Blut und Eiſen wird
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Preußisches und Oesterreichisches.
Benedek's Plan.
sich das österreichische Heer an seine Fersen heften."
Diese Lüge im Angesichte
der Wahrheit war officiös dumm und bezahlte sich später mit der eigenen Entehrung, wie solche fast allen Lügnern in Aussicht steht. Die " Debatte" scherzte mit ungemein liebenswürdiger Naivetät:
Komisch
ſind die Irrfahrten der Preußen ; bald sind sie in Oderberg, bald in Bodenbach und anderen Grenzorten und suchen unsere Aimee.
Es ist bereits das dritte Mal
daß die Preußen , verblüfft und verwirrt von unsern Truppenbewegungen , nicht wissen, was sie thun sollen." Noch einfältiger geberdete sich die „,,Spez.- Corresp."
Sie erzählte mit der
ganzen Frechheit einer lüderlichen Dirne : „ Die Preußen gefallen sich darin, ihrem Uebermuthe durch Grenzüberschreitungen Luft zu machen, aber verschwinden eben so ſchnell, wie ſie ſich zeigen, wenn ein öftreichischer Schnurrbart, besonders der eines Husaren, sichtbar wird.“ Alles das scheint aber den östreichischen Zeitungsfabrikanten noch nicht hinreichend genug gewesen zu sein , zu beweisen , daß der Preußen lehtes Stündlein geschlagen habe ; man führte auch noch ein draſtiſcher wirkendes Mittel, den Aberglauben, der Lesewelt zu Herzen, überzeugt, daß dies Mittel Alle packen werde. ,,Bei dem Schlosse Kamenz an der Grenze Schlesiens," wurde nämlich erzählt,
steht eine alte Eiche, von der eine eben so alte Prophezeiung sagt : Preu-
Bens lezter König werde sein Pferd dort anbinden , wenn aus dem Baum eine natürliche Haspe herauswüchse.
Die dortigen Bewohner behaupten steif und fest,
daß man diese Haspe bereits herauswachsen sehe." Jeder Vernünftige giebt zu, daß es um Bildung und Giviliſation in einem Staate ſehr „ faul“ stehen müsse , wenn Diejenigen , denen die Aufgabe geworden ist, zur Aufklärung nach Kräften beizutragen, sich solcher abgeschmackten Geſchichten bedienen, um das Publikum zu unterhalten, oder beſſer gesagt, zu täuschen. Auch preußische Zeitungen , wie die Kölner , Elberfelder u. a. , haben ein schönes Geschäft in vollkommen erlogenen Nachrichten gemacht , ließen eine große Schlacht bei Baußen schlagen, in Dresden eine Revolution ausbrechen, Barricaden bauen, und dergleichen intereſſante Dinge mehr ; indeß haben sie sich doch nicht jener gemeinen Spaßetteln theilhaftig gemacht , wie die östreichischen Blätter ; ſie hielten sich frei von Selbstentehrung durch Herabwürdigung ihres Feindes , und Herbeiziehung abergläubiſcher Sagen kam ihnen nicht in den Sinn. Wie schon gesagt, herrschte über den Plan des Oberbefehlshabers der
1 Nordarmee ein tiefes Dunkel, welches sich mit jedem Tage mehr lichtete , nachdem
Preußisches und Desterreichisches. -
die Preußen innerhalb Böhmen vorrückten.
Bendek's Plan.
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Schwer dürfte zu entscheiden sein, ob
Benedek recht that, den Feind in östreichisches Gebiet eindringen zu laſſen, da wohl Niemand freiwillig das Innere seines eigenen Hauses dem Gegner zum Kampfplage einzuräumen pflegt, und viele Kriegsverständige der Meinung waren, daß es von Seite Deſtreichs rathſamer gewesen wäre, den Krieg in Feindesland zu tragen, ſtatt ihn mit allen seinen traurigen Folgen im eigenen sich abwickein zu laſſen. Benedek vertraute zu viel auf die Kraft der ihm untergebenen Nordarmee und unterschäßte den Feind ; Lezteres ging jedenfalls aus der Verkleinerungssucht hervor, die hinsichtlich alles Deſſen , was Preußen betraf, in Oestreich zur eingeführten Tagesordnung gehörte ; ſie täuschte ihn bedeutend , leider eine Täuſchung, die nicht mehr gut zu machen war, als der Krieg in Böhmen einmal begonnen hatte.
Sein Plan, wie es sich später herausstellte, war folgender gewesen. Er bezweckte eine Trennung der von Osten und Westen einrückenden preußischen Armee unter dem Kronprinzen und dem Prinzen Friedrich Karl.
Da sich
leicht voraussehen ließ , daß Preußen sich Sachsen sichern würde , so mußte die preußische Stellung nothwendiger Weise eine Ausdehnung von Leipzig bis Oderberg erhalten, eine Strecke, die eine Concentration derselben ſehr ſchwierig machen mußte.
Dadurch , daß die aus ihrem Lande zurückgehende sächsische Armee , mit
einem öftreichischen Corps vereinigt, sich an der böhmiſch-ſächſiſchen Grenze ſcheinbar festsette , glaubte Benedek die ihnen gegenüberstehende preußische Armee daselbst zum Kampfe zu locken.
Sobald diese Voraussetzung sich erfüllte, sollte das Gab-
lenz'sche Corps in der Richtung auf Schweidnig gegen die Preußen vorgehen, welche, an dieser Stelle zu schwach, ihm einen Widerstand zu leisten , bald zurückgeworfen, den Weg nach Breslau offen ließen, und man hoffen könnte, dieſe große Stadt bald zur Capitulation zu bringen. Wenn diese Voraussetzungen sich so schön in der Reihenfolge bewahrheitet hätten, wäre die preußische Armee gezwungen gewesen , zur Deckung Schlesiens zurückzugehen, und das Armeecorps des Kronprinzen hätte sich zwischen dem Gablenz'schen Corps und dem gewaltsam von Südosten herandringenden Gros der Benedek'schen Armee eingefeilt gesehen und wäre von deren Uebermacht erdrückt worden ; aber auch Preußen versteht sich auf ſtrategiſche Exempel , und darum sah Benedek seinen so geheim gehaltenen Plan auf eine Art durchkreuzt , welche dem Siege östreichischer Waffen keineswegs gedeihlich war , wenn gleich alle Welt anerkennt, daß die Destreicher sich heldenhaft vertheidigt haben.
Preußisches und Desterreichisches. — Feldzeugmeister Benedek.
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Benedek's Name wird in der Kriegsgeschichte eben so lange genannt werden, wie die seiner Ueberwinder ; die Geschichte ist über alle parteiischen Urtheile erhaben und ehrt den Sieger, wie den vom Mißgeschick verfolgten Feldherrn.
Ludwig von
zur militairi-
Benedek
ſchen
ist der
Laufbahn
Sohn
entsprach
eines
fein
Arztes zu Deden-
scheinlich
burg
nicht
(Ungarn) und
ganz unbemit
wurde
telter
wahr-
daselbst
Bater
im Jahre
dadurch,
1804
daß er
geboren. Seiner
ihn in
Neigung
kaiser=
der
lichen Militairbildungsanstalt zu Neustadt erziehen ließ. in das österreichische Heer ein und ward ,
1822 trat er als Cadet
nachdem er als Unter- und Ober-
Lieutenant gedient , 1831 zum Generalstab nach Italien geschickt ; 1835 avancirte er zum Hauptmann, und ging 1840 als Major und Adjutant des General-Commando's nach Galizien.
Hier zeichnete er sich so sehr aus, daß er es binnen sechs
Jahren bis zur Charge eines Obersten brachte. Die Galizier erhoben sich im Jahre 1846 gegen den Adel in so vernichtender Weise, daß bei der geringen Militairmacht , die sich im Lande befand , das Schlimmste zu befürchten stand , wenn nicht die östreichischen hohen Offiziere in dieser Nothzeit eine Energie und Gewandtheit an den Tag gelegt hätten , durch welche sie die numerische Schwäche ihrer kleinen Streitmacht verdeckten.
Die voll-
Preußisches und Desterreichisches.
Felozeug meister Benedek.
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ſtändigſte Tollheit war über die polniſchen Bauern gekommen ; nur Mord an dem Adel , der sich, allerdings an ihnen versündigt hatte , galt ihnen als Loſung , und dieser die niedrigsten Leidenschaften aufregende Mord- und Blutdurst würde sich wie eine verheerende Epidemie weiter verbreitet haben, wenn es nicht gelungen wäre, dem Aufrubr kräftige Schranken zu sehen. Benedek erfocht bei Gedow über die Polen eineu Sieg, der die Entscheid= ung vorbereitete, welche der gegen Krakau vorrückende General Collin herbeiführte. Benedek, dessen Werk es vorzüglich gewesen war ,
daß Desterreichisch - Gallizien
wieder zur Ruhe gelangte , erhielt das Leopoldskreuz als Auszeichnung , und der ihm beſonders günſtige Bericht des Erzherzogs Ferdinand von Este brachte ſeinen Namen dem Wiener Hofe zur Kenntniß.
Er erhielt die Stelle eines Obersten
bei dem aus Ungarn beſtehenden Zufanterieregimente Gyulay und bekam Ordre, mit demselben nach Italien zu Radezki's Armee zu marſchiren. Der Rückzug aus Mailand noch Verona gab ihm Gelegenheit , zwei bei einem Krieger höchſt ſchäzbare Eigenſchaften zu zeigen, Kaltblütigkeit und Geiſtesgegenwart.
Dadurch erwarb er sich die allgemeinste Beachtung, und als er in
dem blutigen Kampfe gegen die Italiener, wo er bei dem Angriffe auf die von ihnen für uneinnehmbar gehaltene doppelte , von Geschüßen jarrende Linie von Curtatone , welche nach zwei vergeblichen Stürmen zulezt mit dem Bajonet erobert wurde, eine wahrhaft glänzende Tapferkeit bewiesen , Radezki's Lob eingecrntet, ward er von diesem alten Helden für die Auszeichnung des Maria-TheresiaOrdens empfohlen. Im nächsten Feldzuge gegen die Sardinier führte er deſſen eigentliche, den öſterreichiſchen Waffen ſo günſtige Entscheidung dadurch herbei , daß er an der Spise seines Regimentes in Mortara eindrang, die Feinde hinauswarf und eine ganze Brigade gefangen nahm .
Zugleich griff er eben so entscheidend in den
Verlauf der Schlacht von Novara ein. Ein solcher, sich bei jeder Gelegenheit auszeichnender Militair mußte bes fördert werden , und so ward er denn auch als Generalmajor und Befehlshaber einer Brigade zu Hayaus Armee ,
gewöhnlich die Donau-Armee genannt, verſeßt.
Sein Wirkungskreis war nun in sein eignes Vaterland Ungarn verlegt, und auchh auf diesem Schauplage erwarb er sich die allgemeinſte Anerkennung.
Er war es,
der bei Raab den Vortrav führte, mit dem er über die Ungarn hinausdringend diese zum Rückzuge zwang.
In der Schlacht bei Komorn waren die Ungarn nicht
im Stande, ihn aus seiner Stellung , die Vertheidigung der Pußte Harkaly , zu
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Preußisches und Oesterreichisches.
Feldzeugmeister Benedek.
drängen, Görgey's wiederholte Angriffe scheiterten an Benedek's Hartnäckigkeit und ſchließlich wurde dieſer magyariſche Insurgentenführer in die Festung (Komorn) zurückgeworfen.
Der eintretende Friede führte ihn wieder nach Italien und zwar an die Spize des Generalstabes für das zweite Heer , er ward Radegki's rechte Hand, und in dieser Stellung hoch geehrt und viel beneidet , denn er hatte den Makel an fich, von bürgerlicher Abkunft zu ſein. So lange man mit Härte gegen die Italiener auftrat, war Benedek höchft brauchbar , aber als man die Idee faßte , die Italiener durch Güte zu gewinnen, konnte er nicht verwendet werden , denn sie haßten ihn gründlichſt , daher fand man es für gerathen , ihm einen anderen Wirkungskreis zu geben.
Er ward
Oberbefehlshaber in Krakau ; aber er blieb nicht lange daselbst , der italienische Krieg war die Ursache , daß man thu wieder nach dem Lande der Goldorangen und Citronen berief.
Der Feldzug von 1859 gab ihm jedoch nicht die wünſchens-
werthe Gelegenheit, sich auszuzeichnen.
Er ward bei demselben eigentlich nur als
Maschine gebraucht, der der Wille und daher das freie Handeln abgeht. Was von seinen Thaten aus diesem für Desterreich so unglücklich verlaufenen Feldzuge verlautete , beschränkte sich auf die von ihm so meisterhaft ausgeführte Deckung des Rückzuges von Mailand bis zum Mincio und auf seine unterbrochene Führung des Oberbefehls des rechten Flügels bei San Martino (Schlacht von Solferino).
An der Spize des , seinem Commando untergestellten
Armeecorps hatte er die Italiener und Franzosen bereits weit zurückgeworfen und wollte eben im Siege weiter vordringen, als ihm die Ordre zukam, einzuhalten und der rückgängigen Bewegung des Heeres sich anzuschließen. Da übermannte der gerechteste Zorn den wackeren Kriegsführer ſo ſehr, daß ihm die Thränen über die Wangen liefen schmeichelhafte
Bezeichnungen für
die
und
er verschiedene gar nicht
oberste Armeeleitung
über
die Lippen
springen ließ. Nach Ende dieses Feldzuges ,
der ihm Thränen des tiefsten Verdruſſes
erpreßt hatte , hieß es , er werde seinen Abschied nehmen , indeß man wollte doch nicht gar so undankbar sich zeigen gegen einen Offizier , der solche Dienste geleistet hatte , und ernannte ihn zum Feldzeugmeister.
Aber nur den Titel gab
man ihm, nicht die Mittel, d. h. den damit verbundenen Gehalt.
Man belohnte
lieber den Schlachtenverlierer Graf Gyulay, einen hochgeborenen reichen Mag-
Preußens erste triegerische Schritte.
Feldzeugmeister Benedek.
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naten, mit 8000 Gulden jährlicher Penſion, als daß man einem würdigen Soldaten den Gehalt eines Feldzeugmeisters gegeben hätte. Das italienische Heer , ihn kennend , wünschte ihn an seiner Spiße zu ſehen , indeß das geschah nicht , aber er kam als General - Quartiermeiſter der Armee an des Feldzeugmeisters Heß Stelle und erseßte später im Jahre 1860 den Erzherzog Albrecht als Generalgouverneur von Ungarn und Leiter der poli tischen Angelegenheiten dieses seines Vaterlandes, wo es ihm jedoch nicht gelang, die ungarischen Magnaten sich zu beſonderen Freunden zu machen. Zu seiner eigenen Befriedigung wurde er aus dieser für ihn mißlichen Stellung abberufen und mit der Armee- und Landesgeneralcommandantur in Venetien betraut, was für die Italiener abermals ein Aerger war.
Von diesem
hohen Posten hinweg und an die Spiße der Nordarmee gestellt , erlebte er die Tücke des Geschickes in einem solchen Grade , daß man den wackeren Ausfechter so mancher schweren und blutigen Aufgabe für ſeinen Kaiser aufrichtig beklagen muß, dergleichen schmerzliche Erfahrungen am fast erreichten Feierabende seines langen thatenreichen Lebens machen zu müſſen. Es mag immerhin sein, daß Benedek kein hervorleuchtendes Genie in der Strategie ist , aber gewiß ist es , hätte er Unterfeldherren gehabt , welche anders gewesen wären, als die waren , welche er hatte, und welche zur Verantwortung ihrer schlechten Pflichterfüllung vor ein Kriegsgericht zu ziehen,
der kaiserliche
Hof sich nicht entheben konnte, so wären die Niederlagen der Nordarmee nicht so großartig geworden, als sie es in Wahrheit wurden. Freilich mag aber manchen dieser Herren es tief verdroſſen haben , von einem Manne bürgerlicher Abkunft und Protestanten obendrein Befehle sich geben. laſſen zu müſſen. Sie dachten jedenfalls anders, als der Kronprinz von Sachſen, der die ihm von Benedek werdenden Ordres mit der Ueberzeugung eines Soldaten ausführte, daß Ungehorsam und Dünkel nicht im Katechismus eines wahrhaft seines Standes Ehre liebenden und heilig haltenden Kriegers verzeichnet stehen. Benedek macht im Aeußeren den Eindruck eines immer noch stattlichen Offiziers.
Man sieht ihn meist mit umgehängtem Mantel, Puß und Luxus ſind
seine Reigungen nicht, er ist in allem einfach.
Seine unterſeßte Gestalt ist von
starfem Knochenbau , ohne Fleischfülle , daher flink in allen seinen Bewegungen, ſein Schritt ist raſch, kräftig, ſein Kopf immer gehoben und unter dichten dunkelbraunen Augenbrauen leuchten seine großen feurigen Augen Kriegsereigniffe. II. Heft.
wie Blize hervor.
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Feldzeugmeister Benedek's Proclamation an seine Truppen.
Aus diesem leuchtenden Augenpaar spricht ein reges Leben, man erkennt aus seinen Blicken, daß der Mann durch und durch kräftig ist. Als eine ihn besonders im Aeußeren auszeichnende Eigenthümlichkeit muß der starkgewichste und mit aller möglichen Kunst in aufwärtsstehenden untadelhaften Spigen gedrehte Schnurbart betrachtet werden, der ihn besonders kenntlich macht und sehr gegen seinen bereits weißlich schimmernden schmalen Backenbart und Kopfhaar absticht.
Dieser Schnurbart besigt Benedek's zärtlichste Vorsicht,
denn man sieht ihn denselben sogar auf der Straße drehen. Das ist der Mann, welchem die Führung der Nordarmee vertraut worden war, ein schlichter aufrichtiger Soldat, dem flunkrige Redensarten nicht zu Gebote ſtehen und der sich mehr als ungebührlich langeweilte, ſaß.
Niemand kann ihm nachsagen , daß
als er im Herrenhause
er das Herrenhaus durch Vorträge
gequält habe, er gehörte zu den Schweigsamen , denen Wortgefechte sehr wenig erfreulich sind.
Hinsichtlich der Politik hat er eben nur das Urtheil eines öster-
reichischen Soldaten, für die Schwindelhöhe diplomatiſcher Feinheiten ist er vollkommen untauglich , und so wäre er eben der rechte Mann für die Nordarmee gewesen, wenn nicht das Mißgeſchick seinen Plan, die Preußen zu fangen, so entſeßlich schnell vereitelt hätte.
Dies Unglück hat ihn um seinen Ruhm gebracht.
Er erließ an die ihm untergebenen Truppen eine Proclamation , deren Schluß hier folgt :
„Mit freudiger Hingebung und Schnelligkeit habt Ihr Euch von nah und fern der Deutsche wie der Ungar, der Slawe wie der Italiener unter des Kaisers Fahnen geschaart ; sie sind nun auf's Neue entfaltet zum Kampfe für Sein gutes Recht, für Deſterreichs heiligste Intereſſen, für unſers Baterlandes höchste Güter ; - und Ihr werdet diese Fahnen unter allen Umständen hoch und ruhmvoll halten, Ihr werdet mit Gottes Hilfe sie zum Siege tragen! Zu den Waffen also ! Wie Ihr mit mir daran ſeið, Soldaten, was ich für Euch fühle, was ich von Euch fordere und erwarte, das wißt Ihr ; seze Jeder nur seine besten Kräfte ein, damit wir das höchste Vertrauen unseres schwergeprüften , vielgeliebten Kaisers und Herrn mit jubelndem Todesmuthe rechtfertigen , damit ich Euch freudig zurufen könne : Ihr habt Euch wacker gehalten, wie es Desterreichs Söhnen ziemt, - das Vaterland ist stolz auf Euch,
H Kaiser ist mit Euch zufrieden ! Sder A Benedek , FML. "
TI
RI
Einmarsch der Sachſen in Böhmen.
Benedek's Armeebefehl an dieselben.
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Der einzige Bundesgenosse , welcher sich unmittelbar an die österreichische Armee anschloß, war Sachsen .
Seine Truppen verliegen ihr Vaterland, indem
ſie das Gebirge überſtiegen und meist über Altenberg und Zinnwald in das prächtige Tepliger Thal hinabrückten.
Leider war dieser vom schönsten Wetter begün-
stigte Marsch für Viele dieser braven Soldaten , deren Tapferfeit die Preußen in den später erfolgenden Schlachten aufrichtig anerkannt haben, der Weg zum Tode. Sie wurden über Prag in die Gegend von Pardubig dirigirt. Es war ein höchſt anſtrengender dreitägiger Marſch, den ſie bis dahin zurücklegen mußten ; indeß die Aufnahme, die sie überall fanden, war eine gute, und sie durften keinen Hunger leiden; jedoch diese Tage des Satteſſens hörten sogleich auf, als ſie am 26. Juni Abends Befehl zum sofortigen Ausrücken in die Gegend von Reichenberg erhielten. Die ganze Nacht dauerte der Marſch , der ein sehr vergeblicher geweſen, denn sie erhielten Contreordre und mußten denselben Weg wieder zurücklegen, eine Anstrengung, welche sie so ermattete, daß sie, hungrig und vollständig abgespannt an allen Kräften, im Bivouak auf den Anhöhen von Jungbunzlau, an den Abhängen der Isar umſanken und , auf bloßer Erde liegend , Stärkung im Schlafe ſuchten.
Von da an begannen die Leidenstage dieser braven Truppen , deren zu
gedenken der Verlauf der für die österreichische Armee und sie so unglücklich ausfallenden Schlachten noch vielfache Gelegenheit bieten wird . FML. Benedek erließ folgenden Armeebefehl an die in Desterreich eingerückten königlich sächsischen Truppen :
Hauptquartier Olmüß, den 19. Juni 1866. Das Armeecorps Sr. Majestät des Königs Johann von Sachſen ſteht auf österreichischem Boden, und ich begrüße hiermit in Ehrfurcht Sachſens erlauchten Kronprinzen Albert, den ritterlichen Führer dieſes Corps , und rufe ihm, sowie den Braven allen, die unter seinem Befehle stehen, das herzlichste „Willkommen “ zu.
In Treue und Hingebung für König und Vaterland hat
das Armeecorps ſeine Heimath freiwillig ohne Schwertstreich verlaſſen , um vereint mit uns einzustehen für das Recht und die Unabhängigkeit Sachſens es hat seinem heiligen Pflichtgefühle ein schweres, und Deutschlands ; schmerzliches Opfer gebracht, aber mit hohem Stolze kann es auf seine Fahnen blicken ; doppelter Glanz umſtrahlt sie der Treue und Ehre ; freudig begrüßt sie Oesterreichs Kaiser , Volf und Heer! Willkommen also , tapfere Schon nahen auch die andern Waffenbrüder , im kaiserlichen Feldlager!
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Die Stellung der t. t. Nordarmee.
treuen Bundes- und Waffengefährten , und so wollen wir denn Alle wie Brüder zusammengehen auch in Kampf und Tod, wetteifernd in Gottvertrauen, Ausdauer und Hingebung , in Muth und Tapferkeit , durchdrungen von der stolzen Ueberzeugung , daß wir mit vereinten Kräften den Sieg für unſere gerechte, heilige Sache erringen müſſen und erringen werden , so wahr uns Gott helfe!
Benedek , Feldzeugmeister, m . p. Die k. k. Nordarmee hatte folgende Stellung zum Empfange des Feindes eingenommen. Die Operationsbaſis des rechten Flügels bildeten die beiden Festungen Krakau und Olmüß . In ihnen befanden sich ungeheuere Proviant- und Munitionsvorräthe aufgehäuft. Das preußische Oberschlesien war von einem halbkreisförmigen, die Kampflinie bildenden Bogen eingeſchloſſen, der sich von Jaworzno über Szczakowa, Chelmek, Oswiecin, Pruchno, Oderberg, Troppau bis Gräfenberg hinzog.
Eine ganz besonders günſtige Unterſtüßung gewährte dieſem rechten Flügel
die von Krakau nach Olmüß führende Eisenbahn ; durch sie konnten die Operationen dieses Armeetheiles wesentlichen Nachdrud erhalten , zumal da diese Bahn mehrere der genannten Orte auf ihrer Tour berührt. Das Centrum der Armee hatte drei Stüßpunkte : Olmüß, Königgräß und Josephstadt.
Selbstverständlich befanden sich in den lezteren beiden Festungen
bedeutende Magazine und bildeten also die Operationsbasis.
Die von Olmüß
nach Prag führende Eisenbahn bot für die Operationen des Centrums ebenfalls große Unterſtüßung. Dieses Centrum hatte die Aufgabe, die Ausgänge der westlichen Sudeten und des Riesengebirges besezt zu halten, und streckte seine Operationslinie über Reichenberg nach Görlig hin.
Der linke Flügel sollte das Elbthal
vertheidigen, welches für den österreichischen, wie für den preußischen Krieger große geschichtlich berühmte Schlachtenpläße umschließt : Lowosiz, Leitmeriz u . s. w . Die nicht allzu große Festung Theresienstadt bildete die Operationsbaſis. Das war die ursprüngliche Aufstellung der Benedek'schen Armee , und da dieser Oberbefehlshaber in Mitte Juni eine Inspection des Centrums und des linken Flügels unternahm, so war Nichts natürlicher , als die Vermuthung, daß man von dieser Seite aus einen Angriff auf Berlin versuchen wollte ; indeß die Ereignisse veränderten Alles.
Manifest des Kaisers von Desterreich an seine Bölfer.
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Kaiser Franz Joseph hatte folgendes Manifest erlassen : " An meine Völker! Mitten im Werke des Friedens, das Ich unternommen, um die Grundlagen zu einer Verfassungsform zu legen , welche die Einheit und Machtstellung des Gesammtreiches festigen , den einzelnen Ländern und Völkern aber ihre freie innere Entwickelung sichern soll, hat Meine Regentenpflicht mir geboten, Mein ganzes Heer unter die Waffen zu rufen. An den Grenzen des Reiches, im Süden und Norden, stehen die Armeen zweier verbündeten Feinde, in der Absicht, Desterreich in seinem europäischen Machtbestande zu erschüttern. Keinem derselben ist von Meiner Seite ein Anlaß zum Kriege gegeben worden.
Die Segnungen des Friedens Meinen Völkern zu erhalten , habe
Ich, dessen ist Gott der Allwissende mein Zeuge, immer für eine Meiner ersten und heiligsten Regentenpflichten angesehen und getreu sie zu erfüllen getrachtet. Allein, die eine der beiden feindlichen Mächte bedarf keines Vorwandes : lüstern auf Raub von Theilen Meines Reiches ist der günstige Zeitpunkt für sie der Anlaß zum Kriege.
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Manifest des Kaiſers von Oesterreich an seine Völker. Verbündet mit den preußischen Truppen , die uns als Feinde nunmehr entgegenstehen, zog vor zwei Jahren ein Theil Meines treuen und tapferen Heeres an die Gestade der Nordsee.
Ich bin diese Waffengenossenschaft mit Preußen eingegangen, um vertragêmäßige Rechte zu wahren , einen bedrohten deutschen Volksstamm zu schügen, das Unheil eines unvermeidlichen Krieges auf seine engſten Grenzen einzuſchränken, und in der innigen Verbindung der zwei mitteleuropäiſchen Großmächte, - denen vorzugsweise die Aufgabe der Erhaltung des europäischen Friedens zu Theil geworden
zum Wohle Meines Reiches , Deutſchlands
und Europas eine solche dauernde Friedensgarantie zu gewinnen . Eroberungen habe Ich nicht gesucht ;
uneigennüßig beim Abſchluffe des
Bündnisses mit Preußen , habe Ich auch im Wiener Friedensvertrage keine Vortheile für Mich angestrebt. Reihe unseliger Verwicklungen ,
Desterreich trägt keine Schuld an der trüben welche bei gleicher uneigennüßiger Abſicht
Preußens nie hätten entſtehen können , bei gleicher bundestreuer Gesinnung augenblicklich zu begleichen waren. Sie wurden zur Berwirklichung ſelbſtſüchtiger Zwecke hervorgerufen und waren deshalb für Meine Regierung auf friedlichem Wege unlösbar. So steigerte sich immer mehr der Ernst der Lage. Selbst dann aber noch, als offenkundig in den beiden feindlichen Staaten kriegerische Vorbereitungen getroffen wurden , und ein Einverſtändniß unter ihnen , dem
nur die Absicht eines gemeinſamen feindlichen Angriffes auf
Mein Reich zu Grunde liegen konnte, immer klarer zu Tage trat, verharrte Ich im Bewußtsein Meiner Regentenpflicht , bereit zu jedem mit der Ehre und Wohlfahrt Meiner Völker vereinbaren Zugeſtändniſſe, im tiefſten Frieden. Als Jch jedoch wahrnahm , daß ein weiteres Zögern die wirksame Abwehr feindlicher Angriffe und hierdurch die Sicherheit der Monarchie gefährde, mußte ich Mich zu den schweren Opfern entschließen , die mit Kriegsrüstungen unzertrennlich verbunden ſind. Die durch Meine Regierung gegebenen Versicherungen Meiner Friedenéliebe, die wiederholt abgegebenen Erklärungen Meiner Bereitwilligkeit zu gleichzeitiger gegenseitiger Abrüstung erwiderte Preußen mit Gegenanſinnen, deren Annahme eine Preisgebung der Ehre und Sicherheit Meines Reiches gewesen wäre.
Manifest des Kaisers von Desterreich an seine Völker.
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Preußen verlangte die volle vorausgehende Abrüstung nicht nur gegen sich, sondern auch gegen die an der Grenze Meines Reiches in Italien ſtehende feindliche Macht, für deren Friedensliebe keine Bürgschaft geboten wurde und keine geboten werden konnte. Alle Verhandlungen mit Preußen in der Herzogthümerfrage haben immer mehr Belege zu der Thatsache geliefert , daß eine Lösung dieser Frage , wie sie der Würde Desterreichs, dem Rechte und den Intereſſen Deutschlands und der Herzogthümer entspricht, durch ein Einverständniß mit Preußen bei seiner offen zu Tage liegenden Gewalts- und Eroberungspolitik nicht zu erzielen iſt. Die Verhandlungen wurden abgebrochen , die ganze Angelegenheit den Entschließungen des Bundes anheimgestellt und zugleich die legalen Vertreter Holsteins einberufen. Die drohenden Kriegsaussichten veranlaßten die drei Mächte, Frankreich, England und Rußland, auch an Meine Regierung die Einladung zur Theilnahme an gemeinſamen Berathungen ergehen zu laſſen, deren Zweck die Erhaltung des Friedens sein sollte.
Meine Regierung ,
entsprechend Meiner
Absicht, wenn immer möglich den Frieden für Meine Völker zu erhalten, hat die Theilnahme nicht abgelehnt, wohl Vorausseßung
geknüpft ,
daß das
aber ihre Zuſage an die beſtimmte
öffentliche europäische Recht und die be-
stehenden Verträge den Ausgangspunkt dieſer Vermittelungsversuche zu bilden haben und die theilnehmenden Mächte kein Sonderinteresse zum Nachtheile des europäiſchen Gleichgewichts und der Rechte Oesterreichs verfolgen. Wenn schon der Verſuch von Friedensberathungen an dieſen natürlichen Voraussetzungen scheiterte, ſo liegt darin der Beweis , daß die Berathungen ſelbſt nie zur Erhaltung und Festigung des Friedens hätte führen können . Die neuesten Ereigniſſe beweiſen
es unwiderleglich , daß Preußen nun
offen Gewalt an die Stelle des Rechts segt. In dem Rechte und der Ehre Oesterreichs, in dem Rechte und der Ehre der gesammten deutschen Nation erblickte Preußen nicht länger eine Schranke für seinen verhängnißvoll gesteigerten Ehrgeiz.
Preußische Truppen rückten
in Holstein ein, die von dem kaiserlichen Statthalter einberufene Ständeverſammlung wurde gewaltsam gesprengt , die Regierungsgewalt in Holstein, welche
der
Wiener Friedensvertrag
gemeinschaftlich auf Desterreich und
Preußen übertragen hatte, ausschließlich für Preußen in Anspruch genommen und die österreichische Beſazung genöthigt, zehnfacher Uebermacht zu weichen .
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Manifest des Kaisers von Defterreich.
Als der Deutsche Bund , vertragswidrige Eigenmacht hierin erkennend, auf Antrag Desterreichs die Mobilmachung der Bundestruppen beſchloß, da vollendete Preußen, das sich so gern als Träger deutscher Intereſſen rühmen läßt, den eingeschlagenen verderblichen Weg.
Das Nationalband der Deut-
ſchen zerreißend , erklärte es ſeinen Austritt aus dem Bunde , verlangte von den deutschen Regierungen die Annahme eines sogenannten Reformplans, welcher die Theilung Deutſchlands verwirklicht ,
und ſchritt mit militäriſcher
Gewalt gegen die bundesgetreuen Souveräne vor. So ist der unheilvollste,
ein Krieg Deutscher gegen Deutſche, unver-
meidlich geworden. Zur Verantwortung all ' des Unglücks , das er über Einzelne, Familien . Gegenden und Länder bringen wird , rufe Ich Diejenigen , die ihn herbeigeführt , vor den Richterstuhl der
Ge-
schichte und des ewigen allmächtigen Gottes . Ich schreite zum Kampfe mit dem Vertrauen , giebt , im Gefühle der Macht ,
das die gerechte Sache
die in einem großen Reiche liegt , wo Fürſt dem guten Rechte Oesterreichs
und Volk nur von einem Gedanken
durchdrungen sind, mit frischem vollem Muthe beim Anblicke Meines tapfern, fampfgerüsteten Heeres , das den Wall bildet, an welchem die Kraft der Feinde Desterreichs sich brechen wird , im Hinblick auf meine treuen Völker, die einig, entschloſſen, opferwillig zu Mir emporſchauen. Die reine Flamme patriotischer Begeisterung lodert gleichmäß in den weiten Gebieten Meines Reiches empor ; freudig eilten die einberufenen Krieger in die Reihen des Heeres , Freiwillige drängen sich zum Kriegsdienſte ; die ganze waffenfähige Bevölkerung einiger zumeist bedrohter Länder rüſtet ſich zum Kampfe und die edelste Opferwilligkeit eilt zur Linderung des Unglücks und zur Unterstüßung der Bedürfnisse des Herres herbei. Nur ein Gefühl durchdringt die Bewohner Meiner Königreiche und Länder: das Gefühl der Zusammengehörigkeit , das Gefühl der Macht in ihrer Einigkeit, das Gefühl des Unmuths über eine so unerhörte Rechtsverlegung . Doppelt ſchmerzt es Mich, daß das Werk der Verſtändigung über die innern Verfassungsfragen noch nicht so weit gediehen ist ,
um in diesem
ernsten, zugleich aber erhebenden Augenblicke die Vertreter aller Meiner Völfer um Meinen Thron verſammeln zu können.
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Manifest des Kaiſers von Deſterreich an seine Völker.
Dieser Stüße für jeßt entbehrend , ist Mir jedoch meine Regentenpflicht um so flarer, Mein Entschluß um so fester, dieselbe Meinem Reiche für alle Zukunft zu sichern. Wir werden in diesem Kampfe nicht allein stehen. Deutschlands Fürsten und Völker kennen die Gefahr , die ihrer Freiheit und Unabhängigkeit von einer Macht droht , deren Handlungsweise durch ſelbſtſüchtige Pläne einer rücksichtslosen Vergrößerungssucht allein geleitet wird ; sie wissen, welchen Hort sie für diese ihre höchsten Güter, welche Stüße für die Macht und Integrität des gesammten deutschen Vaterlandes ſie an Desterreich finden. Wie wir für die heiligsten Güter, welche Völker zu vertheidigen haben, in Waffen stehen, so auch unsere deutschen Bundesbrüder. Man hat die Waffen uns in die Hand gezwungen.
Wohlan ! jezt, wo
wir sie ergriffen, dürfen und wollen wir sie nicht früher niederlegen, als bis Meinem Reiche , sowie den verbündeten deutschen Staaten die freie innere Entwickelung gesichert und deren Machtstellung in Europa neuerdings befestigt ist. Auf unserer Einigkeit , unserer Kraft ruhe aber nicht allein unser Vertrauen , unsre Hoffnung ; Ich ſeze sie zugleich noch auf einen Höhern ,
den
allmächtigen , gerechten Gott, Dem Mein Haus von seinem Ursprunge an gedient, Der die nicht verläßt, die in Gerechtigkeit auf Ihn vertrauen. Zu ihm will ich um Beistand und Sieg flehen und fordere Meine Völfer auf, es mit mir zu thun. Gegeben in Meiner Reſidenz- und Reichshauptstadt Wien am siebzehnten Juni Eintausend achthundert sechs und sechzig . Franz Joseph." Noch lagen die Würfel des blutigen Schlachtenspieles ungeschüttelt in der Urne des Geschickes, noch athmete süßer Friede im Böhmerlande, aber sein leztes Stündlein war gekommen ; mit dem Einmarsche der Preußen in das Czechenland flohen die guten Genien des stillen Bürgerglückes ; Kanonendonner übertäubte bald das Angstgeschrei der von Haus und Hof Flüchtenden. Der Krieg entfaltete ſein Blutpanier, der Tod zog als fleißiger Ernteleser über die verheerten Fluren, durch die in Flammen lodernden Dörfer ; alle wilden Leidenschaften, entfesselt durch das entſeßliche Gewühl der Schlachten, entheiligten die Menschenherzen ; der tiefſte, unversöhnlichste Haß, der Fanatismus verzweiflungsvoller Rache gebaren Schand- und
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Einmarsch der Preußen in Böhmen und erste Kämpfe.
Greuelthaten , aber sie konnten das Rad des Geschickes , das über Tausende zerriſſener Menschenleiber hinwegrollte , nicht aufhalten.
Gott lenkt die Schlachten,
wie die Herzen ; Einzelnes zählt in solchen Zeiten nicht, die mit der Gewalt eines Gewitters über die Erde hinfahren ; nur das Ganze gilt. Das Kleine verschwindet vor dem Großen, es war immer so .
Einmarsch der Preußen in Böhmen und erste Kämpfe . Nach wohldurchdachtem Plane war der Einmarsch in Böhmen unter den drei Führern der preußischen Armee , dem Prinzen Friedrich Karl , dem Kronprinzen und dem Generallieutenant Herwarth von Bittenfeld, gleichzeitig begonnen worden.
Die erste oder böhmische Armee ,
unter dem Prinzen Friedrich Karl,
einen halben Bogen von Zittau über Seidenberg bis Greiffenberg in Schlesien bildend, sezte sich am 22. Juni in Marsch und drang durch das Lausiger Gebirge und den Iserkamm in Böhmen ein.
Die Elbarmee unter Herwarth von Bitten-
feld überschritt die Westgrenze Böhmens. Die auf verschiedenen Wegen marschirende 1. Armee fand sich jeweilig durch Verhaue und unbrauchbar gemachte Straßen auf mehrerer Stunden Dauer aufgehalten , da dieſe Hinderniſſe erſt hinweggeräumt werden mußten ,
ehe an's
weitere Vorrücken zu denken war ; aber das waren zu wenig zu beachtende Hemmniſſe, und das Armcecorps erreichte Reichenberg, das hinsichtlich seiner großartigen Fabriken Böhmens zweite Hauptstadt genannt wird . schon am 24. Juni daselbst sein Hauptquartier.
Prinz Friedrich Karl nahm
Beim Abmarsche von Görlig
am 22. Juni hatte er folgende Proclamation an seine Truppen erlaſſen : „ Soldaten !
Das treulose und bundesbrüchige Lesterreich hat ohne
Kriegserklärung schon seit einiger Zeit die preußischen Grenzen in Oberschlesien nicht respectirt.
Ich hätte olso ebenfalls ohne Kriegserklärung die
böhmische Grenze überschreiten dürfen .
Ich habe es nicht gethan.
Heute
habe ich eine betreffende Kundgebung übergeben lassen und heute betreten wir das feindliche Gebiet, um unser eigenes Land zu schonen . mit Gott!
Unser Anfang sei
Auf ihn laßt uns unsere Sache stellen , der die Herzen der
Menschen lenkt, der die Schicksale der Völker und den Ausgang der Schlachten entſcheidet. Thut wie in der heiligen Schrift geſchrieben steht : laßt Eure Herzen zu Gott schlagen und Eure Fäuſte auf den Feind ! In dieſem Kriege handelt
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Einmarsch der Preußen in Reichenberg.
es sich ―
Ihr wißt es
um Preußens heiligste Güter und um das Fort-
bestehen unseres theuern Preußens . maßen zerstückeln und erniedrigen.
Der Feind will es ausgesprochener-
Die Ströme von Blut, welche Eure und
meine Väter unter Friedrich dem Großen und in den Befreiungsfriegen und wie jüngst bei Düppel und auf Alsen dahingegeben haben , sollen sie umsonst vergossen sein ? ist ,
Nimmermehr !
Wir wollen Preußen erhalten , wie es
und durch Siege kräftiger und mächtiger machen.
unserer Väter würdig zeigen.
Wir werden uns
Wir bauen auf den Gott unserer Väter , der
in uns mächtig sein und Preußens Waffen ſegnen wolle.
Und nun vor-
wärts mit unserm alten Schlachtrufe : Mit Gott für König und Vaterland ! Es lebe der König ! Der General der Cavalerie, Friedrich Karl. " In der Umgegend Reichenbergs fanden die Preußen Gelegenheit sich im Scharmuziren zu üben, österreichiſche Cavalerieſchwadronen tauchten hier und da in der Umgegend auf, wurden aber kräftig zurückgewiesen .
In Wien machte die
Nachricht vom Einrücken der Preußen in Reichenberg ungeheure Senſation, man hielt es für gar nicht möglich, daß dieß hätte geschehen können. In Reichenberg ſelbſt war aber die Bestürzung
außerordentlich.
Die Nacht vor dem Einmarsch
der Feinde war eine Nacht, an die Viele denken werden , überall packte man und wer konnte, verließ die Stadt. Am 24. Juni 6 Uhr früh ſtieg die angſtvolle Aufregung unter der Bevölkerung bie zum höchsten Grade, die Preußen, von deren Requiſitionen in der Umgegend man ſo furchtbare Geschichten erzählte, zeigten ſich ( die erſten Vorposten) im Nordwesten der Stadt.
Wer jezt noch Wagen und Pferde erlangen konnte , der eilte fort-
zukommen, Vielen wurde dies Glück nicht zu Theil.
Zwei Stunden später rückten
die ersten Colonnen in die Stadt, das Entsehen hatte seinen höchsten Höhepunkt erreicht und ſank zu Aller Erstaunen viel schneller ,
als jemals das Quecksilber
eines Thermometers bei plöglichem Umschlag von Hige zu Kälte gesunken ſein mag.
Diese feindlichen Truppen plünderten und mordeten nicht und das gerade
hatte man von ihnen als ganz zuverlässig erwartet.
Prinz Friedrich Karl weilte
bis zum 26. Juni in Reichenberg und als seine vorwärtsmaſchirenden Preußen es verließen , um ihren Marſch fortzusehen , waren die Reichenberger voller Berwunderung, denn ihre Stadt stand noch, sie war nicht verbrannt , nicht zerstört
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Erstes Zusammentreffen der Preußen und Desterreicher bei Liebenau.
worden, es war kein Blutvergießen geschehen, die Preußen hatten sich allein mit Speise und Trank zufriedengestellt bewiesen.
Nur die eine Hälfte des ersten Armeecorps hatte den Weg über Reichenberg genommen, die andere Hälfte marschirte längs des Polzerflusses in westlicher Richtung.
Das Armeecorps des Generals Herwarth , welches als rechter Flügel
vorrückte, säuberte das Elbthal in südlicher Richtung und wendete sich dann dem Kampfplage zu, den das nördliche Böhmen bieten sollte. In Liebenau bekam die Avantgarde des Prinzen Friedrich Karl , die Division des Generals von Horn, die erste größere feindliche Abtheilung zu Gesicht. Die Preußen betraten eben den Ort , als der Nachtrab der erwähnten größeren Abtheilung Oesterreicher das Pflaster aufriß, um eine Barricade aufzuwerfen, damit der ihnen nachkommende Feind auf Zeit aufgehalten werde.
Indeß mit
dieser Sicherheits-Maßregel famen sie nicht mehr zu Stande. Sie zogen sich daher auf den Hügel zurück, über welchen die Straße nach Turnau südlich vom Orte läuft.
Hier nahmen sie Stellung. Ihre Artillerie ſtand
am Rande des Hügels und schaute auf Liebenau hinab , das Horn eben beset hatte, und ihre Reiterei deckte die Geschüße.
Aber sie waren nicht stark und
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Erstes Zusammentreffen der Preußen und Oesterreicher bei Liebenau.
hatte keine Infanterie.
Ihre Stärke schienen blos 4 Reiterregimenter mit 2 be-
rittenen Batterien zu sein.
Horn's Diviſion zog durch den Ort und begann den
Hügel zu ersteigen, während die preußische Reiterei nach Liebenau herabkam, und die Feldartillerie sich auf den Hügeln aufstellte, welche das Liebenauer Thal nach Norden einschließen.
So standen die österreichischen Geſchüße auf dem südlichen,
die preußischen auf dem nördlichen Höhenzug, welchen das Liebenauer Thal bildet. Unten in Liebenau standen die Flügel der Horn'schen Division, und bereits zogen Colonnen aus dem Orte, während die Plänkler sich zwischen die Kiefern begaben, welche die Hügel am Wege umſäumen. Kurz vor 9 Uhr kam Prinz Friedrich Karl mit seinem Stabe auf dem Hügel an, wo die Artillerie aufgestellt war. Gegen 9 Uhr eröffneten die Oesterreicher ihr Feuer und eine Bombe kam sausend über die Köpfe der Horn'schen Division geflogen.
Die preußische Artillerie antwortete, und auf einige Minuten
hallten die Hügel von den raschen Schüssen wieder. Aber die preußischen Geschüße waren zu zahlreich, Horn's Division drängte den Hügel hinan, und die österreichische Artillerie mußte sich zurückziehen. Den Rückzug der Desterreicher konnte man mittels der breiten Wege verfolgen, die ſie in's Getreide getreten hatten.
Von Zeit zu Zeit machten ſie Halt
und feuerten drei Kanonenschüsse auf die sich formirenden Colonnen.
Als Prinz
Friedrich Karl seine Dispositionen beendigt hatte, gingen seine Truppen vor. Die Reiterei und Artillerie zog auf ein Plateau hin , während Horn's Infanterie zur Rechten sich nach Schloß Sichrow und den Wäldern um daſſelbe wendete.
Die Reiterei drängte rasch vorwärts und die Kanonen hielten mit ihr
gut Schritt, machten aber zeitweilig Halt und kamen in's Gefecht.
Die Dester-
reicher, die an Zahl nachſtanden , konnten nicht hoffen , der ſo entfalteten Macht Stand zu halten, und zogen sich eilig über das Plateau nach den Hügeln von Dauba zurück.
Drei Regimenter Reiterei wurden ihnen nachgeschickt und stürzten
durch das Getreide , konnten sie aber nicht erreichen , ehe diese das Plateau verlaſſen hatten, und dann hinderte das Gehölz und der zerrissene Boden an der Seite der Abhänge ihren_Fortschritt. Sobald die Desterreicher die Hügel von Dauba erreicht hatten , eröffnete ihre Artillerie ihr Feuer und warf Bomben auf die vorrückenden Linien ; aber die ſchlängelnde Bewegung derselben und der wellenförmige Boden ließ sie das Ziel verfehlen; denn nur etwa 20 Unfälle kamen vor.
Als die preußischen Geſchüße
den südlichen Rand des Plateau's erreicht hatten, feuerten sie auf die österreichischen
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Besetzung von Turnau durch die Preußen.
Batterien ; es folgte eine lebhafte Kanonade, aber die Oesterreicher wurden ſchließlich zum Schweigen gebracht und zogen sich zurück. Augenscheinlich hatte der österreichische Befehlshaber nicht auf das rasche Vorrücken des Generals Horn gerechnet. Seine Vorkehrungen zur Vertheidigung der Poſition Liebenau waren unvollständig. Die Straße von Liebenau war nicht ungangbar gemacht ; denn die Arbeiter wurden von der preußischen Vorhut gestört. Die Oesterreicher zogen sich über die Iser zurück und brachen die Brücke ab ; aber die Preußen beſeßten nach dem Gefecht Turnau mit 2 Diviſionen , während die Hauptmacht auf dem Plateau bivouafirte und eine Division Gablonz besezte, welches eine Meile nordöstlich liegt. Das Plateau , das auf Libenau hinabſchaut, ward im Laufe des Tages traurig verändert.
Das Getreide war niedergetrampelt , todte Pferde lagen hier
und da auf der Ebene, während große Löcher im Boden zeigten , wo die Bomben aufgetroffen hatten. Aber diese Zeichen waren nicht häufig ; denn die österreichischen Bomben schlugen oft in den Boden, ohne zu plagen, auch feuerten die Oesterreicher nicht gut.
Die Ziethen-Huſaren, deren rothe Uniformen das Feuer auf ſich zogen,
waren eine Zeit lang einer schweren Kanonade ausgesezt ; aber obwohl 50 Bomben rings um sie einschlugen, fiel keine in ihre Reihen. Die Eisenbahn und die Heerstraße, welche das Iſerthal hinab von Turnau nach Münchengräß führen , laufen auf eine Strecke von etwa 1 Meile von der ersteren Stadt auf der Nordseite des Flusses , aber bei Podol sezen sie mittelst zwei Brücken nach der Südseite über. andere von Holz .
Die Eisenbahnbrücke ist von Eisen, die
Die Jser ist bei Podol etwa 100 Yards breit.
Drei Wege
führen von dem Plateau von Sichrow nach der Heerstraße, die das Iserthal hinabgeht; der östliche ist ein Dorfweg , welcher das Plateau beim Schloß Sichrow (Schloß Sichrow gehört zu den schönsten böhmischen Schlössern) verläßt und beim Dorfe Swierzin die Heerstraße trifft. In der Mitte stößt die Chaussee von Liebenau auf die Heerstraße fast halbwegs zwischen Swierzin und Turnau , und die Straße von Jentschowiß erreicht sie westlich hart an dieser Stadt. Am 26. Abends warf Prinz Friedrich Karl eine leichte Pontonbrücke über den Fluß, etwas unterhalb der abgebrochenen Brücke von Turnau, und beſeßte die Stadt ohne Widerstand mit einer kleinen Truppenmacht.
Horns Division mar-
schirte gleichzeitig auf dem Dorfwege nach Osten, besezte Swierzin und drängte seinen Vortrab nach Podol vor.
Die Jäger, welche vorangingen, kamen bis auf
einige 100 Schritt vor der Podoler Brücke, ehe sie mit dem österreichischen Vor-
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Gefecht bei Podol.
poſten zuſammentrafen ; aber dort fanden ſie den Feind, und es erfolgte ein hißiges Gefecht: denn die Oesterreicher hatten 6 Bataillone im Dorfe und gedachten den Play zu halten. Es war gegen 8 Uhr und der Abend brach herein , als die Jäger zuerſt den Feind merkten. Rechts von der Straße steht das erste Haus des Dorses, ein großes Bauernhaus .
Die Deſterreicher hatten es ſtark beseßt, und ihre vorliegen-
den Pickets bildeten, sowie ſie vor den vordringenden Preußen zurückwichen, eine Linie über die Straße neben demselben. Sobald die Jäger in Sicht famen, eröff neten die Besagung des Hauses und die Pickets ein bitteres Feuer auf dieselben. Aus den Gitterfenstern und von der Reihe Soldaten auf der Straße kam eine Salve, welche die preußischen Jäger empfindlich traf; aber dieſe gingen rasch an die Arbeit und hatten ungefähr dreimal gefeuert, che die Oesterreicher antworten konnten. Dann ging das Knallen der Musketen höher und schwoll bisweilen zu einem starken Gefrach an ; aber bisweilen schwächte es sich so, daß man die einzelnen Schüsse unterscheiden konnte.
Doch das dauerte nicht lange.
Major von Hagen , Befehlshaber des 2. Bataillons des 31. Regiments, das den Jägern beim ersten Schuß folgte, hatte ſeine Leute in Schnellſchritt gesezt und war bald zur Verſtärkung der Jäger da .
Es war jezt fast dunkel, und die
Blize der Büchsen , das Knallen der Schüsse und das Geschrei der Fechtenden waren fast die einzigen Merkzeichen der Positionen der Truppen.
Doch konnte
man sehen, daß das rasche Feuern der Zündnadelgewehre auf die österreichiſche Linie auf der Straße wirkte, und der vordringende Jubel der Preußen zeigte, daß sie Boden gewonnen. Während dann noch Schüsse zwischen den Gitterfenstern des Bauernhauses und den Preußen gewechselt wurden, die sich in ein Kornfeld rechts an der Heerstraße ausgedehnt hatten , ließ plöglich das Feuern auf der Straße nach; denn die Jäger hatten, unterſtügt von den 31ern einen Anlauf genommen und drängten die Oesterreicher über das Bauernhaus hinaus bis dahin , wo die Häuser des Dorfes sich an jede Seite der Straße schließen und wo die Vertheidiger eiligst einige Weiden als Barrikaden über den Weg geworfen hatten. Dann wuchs der Tumult des Gefechts .
Dunkelheit war vollständig ein-
getreten und der Mond noch nicht aufgegangen. Die Preußen drängten gegen die Barrikade , die Oesterreicher hielten sich stramm hinter derselben , und auf drei Schritt Entfernung schleuderten die Angreifer und Vertheidiger einander ihr Feuer auf die Bruſt. Man konnte wenig ſehen, obwohl das Bligen der Salven Streiflichter auf die wogenden Massen warf, aber in den Pausen des Feuers hörte man
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Gefecht bei Pobel.
die Stimmen der Offiziere, welche ihre Leute ermunterten, und halberstickte Schreie sagten, daß die Schüsse gut gezielt waren. Das war zu viel, um es auszuhalten. Die Preußen, die viel rascher feuerten und in der engen Straße ihre Minderzahl nicht fühlten, vermochten die Barrikade wegzureißen und drängten den Feind langſam die Dorfstraße entlang zurück. Aber die Oesterreicher schlugen sich brav und Ihr Plan zur Vertheidigung der Häuser war geschickt, wenn auch hastig gemacht. Aus jedem Fenster ſpieen ſie Musketenfeuer und sanden ihre Kugeln in die dichten Reihen der Preußen, während an jedem Balken Jäger hinter eine hölzerne Barrikade ſchlichen, um ihr tödtliches Ziel zu nehmen ; aber auf der Straße waren die Soldaten, unter einander geworfen und mit plumpen Ladestöcken beschwert, nicht im Stande, mit Leichtigkeit zu laden und das Feuer der Preußen angemeſſen zu erwiedern, während dieſe bei dem Vortheile einer beſſeren Waffe ihre Salven rasch in einen fast hilflosen Haufen feuerten. Sowie sich das Gefecht auf der Straße zollweis nach der Iser zu drängte, war den Oesterreichern in jedem Hauſe, vor welchem die ersten Reihen der Preußen vorbeizogen, der Rückzug abgeſchnitten und sie wurden früher oder später gefangen, denn die Häuser des Dorfes stoßen nicht aneinander. Die ganze preußische Truppenmacht war jezt heran, ſchnitt die Beſagung der Häuſer ab und wechselte Schüſſe mit den Vertheidigern. Unter Schreien und Rufen, unter dem Klirren zerbrochener Fenster, dem tiefen Getöse fallender Balken und dem beſtändigen Knattern der Musketen drängte ſich das Gefecht schwer die enge Straße hinab, und gegen 1211 Uhr ging der Mond klar auf, um zu zeigen, wie die hintersten Reihen der Oesterreicher sich wendeten, um die Preußen von der Brücke abzusperren. Das Mondlicht sagte den Angreifern, daß sie dem Ziele ihrer Arbeit nahe waren, und zeigte den Oesterreichern, daß ſie jezt oder nie den Feind zurückschleudern müßten .
Beide Theile warfen Plänkler
längs des Ufers des Fluſſes vor , und der Mond leuchtete ihnen beim Zielen. Während die Oesterreicher auf der ersten Planke der Brücke sich festſegten und die Preußen einige Schritte vor ihnen anhielten, blickten die Kämpfer einige Augenblicke einander an.
Dann begann das Gefecht wilder als je.
Die Salven wurden häufiger und in der engen Straße trafen die Kugeln wirksamer. Herr v. Drygalski, der das Füsilierbataillon der 31er führte, ſank mit zwei Kugeln in der Stirne, und einem Kapitain neben ihm wurde in beide Beine geschossen.
Viele Leute fielen.
Die Oesterreicher standen brav und machten einen
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Gefecht bei Podol.
Versuch, die Brücke anzuzünden , aber der Unterschied ihrer Waffe traf fie hier abermals .
Erbittert durch ihr Mißgeschick griffen sie mit dem Bajonett an ; aber
die Preußen griffen ebenfalls zum Stahl und dieser Angriff änderte das Schicksal des Gefechtes nicht.
Gewiß ist, daß die Vertheidiger ſich ſchließlich über die Brücke
zurückziehen mußten. Während dieses Gefecht langsam die Straße entlang vor sich ging , war ein anderes Gefecht auf der Eisenbahn gleichmäßig und mit fast gleichem Erfolg in Fortgang.
Ein Theil der Oesterreicher ging von dem Punkte , wo zuerſt
Schüsse gewechselt wurden und wo die Eisenbahn über die Straße geht , längs der Bahnlinie zurück.
Sie wurden von einigen Abtheilungen Preußen gedrängt ;
aber kein Theil war hier stark und das Hauptgefecht war auf der Straße erfolgt. Aber auch hier zeigte das Zündnadelgewehr seine Ueberlegenheit über die altmodischen österreichischen Waffen .
Die Eisenbahnbrücke war nicht abgebrochen,
aber die Bahn von den Retirirenden aufgerissen.
Die Preußen drängten über
beide Brücken den weichenden Oesterreichern nach.
Die Lesteren warfen eine
starfe Abtheilung in ein großes unvollendetes Haus an der Chauſſee, etliche 100 Schritte jenseits der Brücke, und septen sich mehrmals fest, aber nicht lange. Sie hatten viele Todte , Verwundete und Gefangene verloren.
Viele ihrer Offiziere
waren todt oder gefangen ; aber sie hielten noch Stand, bis sie alle Versprengte, die aus den Häusern des Dorfes entwischt waren, sammeln fonnten , und dann zogen sie, geneckt von den verfolgenden Preußen , mürrisch auf der Hauptstraße nach Münchengräß. To endete ein Gefecht , das auf beiden Seiten mit der größten Energie und Entschlossenheit geführt wurde, aber in einen reinen Sieg der Preußen ausschlug. Das waren die ersten Kämpfe der ersten Armee unter Prinz Friedrich Karl, welche faſt die ganze Tageszeit des 26. Juni ausfüllten und die Bezeichnung: die Gefechte bei Liebenau, bei Sichrow und bei Turnau, erhielten .
Auch
des General Herwarth von Bittenfeld's Armeecorps blieb in seinem Vormarsche nicht zurück und nachdem es bei Hünerwasser mit feindlichen Abtheilungen zusammentras, entspann sich sofort lebhafter Kampf, dessen Resultat für die Desterreicher ungünstig ausfiel, denn sie wurden zurückgeworfen und ließen ein Hundert Gefangene in den Händen der Preußen . Von der Wahl der Armeecorpsführer hängt in den meisten Fällen der Ausschlag des Kriegsglückes ab . Preußen hat in dieser Beziehung das Richtige 5
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Herwarth von Bittenfeld.
getroffen, seine Generale, unter den Waffen ergraute Krieger, haben auch in den Tagen der Ruhe, d . h. des Friedens , das als ihre Lebensaufgabe geltende Studium des Krieges mit Ernst und Eifer betrieben, und der Erfolg dieses Feldzuges zeigte das Resultat ihrer Bestrebungen im glänzendsten Lichte. Herwarth von Bittenfelds Name hat von jeher einen guten Klang in der preußischen Armee gehabt, er zählt
ODR
zu den Veteranen aus den Befreiungskriegen und in der Neuzeit ist sein Name im leßten Dänenfriege viel genannt worden, vorzüglich erwarb er sich bei der fühnen Eroberung der Insel Alsen großen Ruhm . Die glücklich erfolgende Vereinigung seines Corps mit dem des Prinzen Friedrich Karl, trug ungemein viel bei , daß die Schlag auf Schlag folgenden Schlachten zu Gunsten der Preußen ausfielen .
Es wurde im österreichischen Heere
bald fühlbar , daß die Preußen einen mit außerordentlichem Genie entworfenen strategischen Plan ausführten , dieser Mangel auf österreichischer Seite bildet den Hauptfactor bei den großen Niederlagen , welche die Welt in starres Staunen
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General von Moltkes Plan.
verſeßten, denn man hielt es für unmöglich, daß die österreichische Armee, anerkannt tapfere Soldaten , die dem Tod fest in's Auge zu sehen gewöhnt ſind, ſolche Verluste erleiden, ſolche Niederlagen erleben könnte, und schob , als sich die Wahrheit der Lezteren bestätigte , Alles auf die blizesſchnellen und verheerenden Wirkungen des Zündnadelgewehres. Wenn auch das Zündnadelgewehr einen bedeutenden Antheil an den preußischen Siegen hat , so kann demselben doch nicht das ausschließliche Recht , den oder die Siege allein erworben zu haben , zugesprochen werden.
Vielmehr ſtand
ein erleuchteter strategischer Geist hoch über demselben , er leitete und lenkte mit Sicherheit die Bewegungen der drei in Böhmen eingebrochenen preußischen Armeen, und da dieſe ſeine Ordres pünktlich ausführten , ſo gelang der kühne Plan , den Feind in seinem eigenen Lande heimzusuchen und zu schlagen. Stratege ist der General von Moltke.
Dieser fühne
Vor allen Dingen zerstörte er durch seinen
geschickt ausgearbeiteten Plan den Wahn der Oesterreicher, daß die Preußen nur aus Sachsen her in Böhmen einbrechen , ihren Hauptſtoß führen würden. daß dies nicht geschah, wurde plöglich Alles verändert.
ſeine Angriffslinie, weil die Preußen von da einmarſchirten. ſich so sehr enttäuscht zu ſehen.
Dadurch,
Benedek verlor Schlesien, Es war ein Schreck,
Die Preußen stürmten von Görlig her und durch
die Pässe der Grafschaft Glaß in zwei mächtigen Heerſäulen in Böhmen ein ; die Ueberraschung war so groß, ſich plößlich in seiner Flanke bedroht zu sehen , daß die Benedek'sche Armee über Hals und Kopf per Schienenweg befördert werden mußte, um bei Königgräß Front zu machen. Moltke's Plan war klug berechnet.
Gelang es den drei preußischen Armee-
corps, sich bei Gitschin zu vereinigen, so hatte die österreichische Armee den Stoß der nun zu einer Armee vereinigten Preußen auszuhalten, und welch' ein wuchtiger Stoß mußte das werden !
Miglang diese Vereinigung , was doch auch möglich
war, ſo blieb den Preußen noch ihre Rückzugslinie offen ; Benedek konnte sie nicht in den Flanken angreifen, da diese von dem ſchlesischen Gebirge hinreichend gedeckt wurden. Der Generalstab des Ganzen empfängt die Mittheilung des Planes, wenn er vollständig ausgearbeitet ist, und dann wird darüber berathen , zuweilen eine fleine Aenderung in Einzelheiten vorgenommen ,
dann bekommen die einzelnen
Corps ihreAufgaben und haben für deren pünktliche Ausführung zu sorgen. Es ist den Corpêcommandeurs nicht vorgeschrieben, als nöthig sich ergebende Abweichungen zu unterlaſſen, weil sie eben nicht mit in der Aufgabe verzeichnet sind, im Gegentheil 5*
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General Freiherr v. Moltke.
ist dergleichen ihrem Ermessen anheimgestellt.
Diese Freiheit hat ihr Gutes und
sich als besonders vortheilhaft erwiesen . So z. B. marschirte die erste Armee statt nach Arnau , wie es im Plane ihr vorgeschrieben war, drei Meilen südlicher nach Münchengräß, um dem bedrängten Herwarth'schen Corps zu Hilfe zu kommen , demselben die Hand zu reichen und dann mit ihm nach Gitschin vorzudringen. trug ihre guten Früchte.
Diese selbstständige Abänderung
Eine gleiche Aenderung in der ihr gewordenen Aufgabe
mußte die zweite, unter dem Kronprinzen stehende Armee machen, ehe sie am 3. Juli auf dem Schlachtfelde bei Königgräß eintreffen und durch ihre noch rechtzeitige Mitwirkung das Geschick dieses denkwürdigen Tages zur Entscheidung bringen konnte. Sie sah sich veranlaßt, erst mehrere Gefechte dem österreichischen Corps Legeditsch zu liefern, um dieses aus seiner Stellung zu werfen und unschädlich zu machen. Des Generals Freiherrn von Moltke Personalien sind folgende:
Er ist geborener Däne, jedoch seit 40 Jahren in preußischen Diensten. Zuerst trat er als Lieutenant in's 8. Infanterieregiment und wurde als Haupt
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General Freiherr von Moltke.
mann schon zum Generalstabe commandirt. Als zwischen der Pforte und Mehemed Ali von Egypten 1839 der Krieg von Neuem ausbrach, schichte die preußische Regierung ihn in's türkische Hauptquartier, wo er an der Schlacht von Niſiv in Syrien Theil nahm. Nach Preußen zurückgekehrt, blieb er fast ohne Unterbrechung beim Generalſtabe, und ſeine hohe ſtrategiſche Combinationsgabe erkennend, zeichnete man ihn bald durch höhere militärische Grade aus. er jest an der Spige des Generalstabes .
Als Generallieutenant steht
Er gehört unter die Seltenheiten in
der Reihe der Generale, denn altgediente Truppen können sich nicht erinnern, ihn in dieser hohen Eigenschaft je vor der Fronte geſehen zu haben ; nur bei Königgräg war dies ganz gegen seine Gewohnheit der Fall. In einiger Entfernung in der Arrieregarde an seinem Pulte ſizend, verfolgt er auf der Karte den Lauf seiner Truppen und läßt durch den Feldtelegraph den verschiedenen Generalen ſeine Ordres zukommen , und dies bewerkstelligt er mit soviel Umsicht und Vorsicht , daß , wie diese böhmischen Schlachten beweisen, auch nicht eine von ihm vorgeschriebene Bewegung fehlschlug , und jede Combination jederzeit im rechten Momente stattgefunden hat. In seinem Aeußern ist er von der Natur jo ausgestattet, daß man in ihm schnell den intelligenten Mann erfennt ; seine blauen, aber scharfblickenden Augen und seine hohe Stirn stempeln ihn dazu. spricht, geschieht dies äußerst vorsichtig. spricht sieben Sprachen.
Er ist sehr schweigsam , und wenn er Sein Handeln dagegen ist raſch.
Er
Mit einer ungemeinen Vorliebe für's Arbeiten ausge-
rüstet , arbeitet er mit größter Sorgfamkeit selbst die Details der Operationen aus und ist dadurch überzeugt , daß so leicht kein Fehler sich in dieselben einschleichen kann. Prinz Friedrich Karl hat, so wie hochgestellte preußische Offiziere verſichern, nicht geringen Antheil an dem Entwurf des dem Einmarsche in Böhmen zu Grunde liegenden Planes. Während das erste Armeecorps den ersten heißen Kampftag in Böhmen beſtand , war die zweite Armee unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm im Marsch, um in Böhmen einzudringen. Das geschah von der Grafschaft Glaß über Reinerz und Nachod, Landeshut und Liebau, Neurode und Braunau aus. Friedrich Wilhelm , Kronprinz von Preußen, geboren im Jahre 1831 am denkwürdigsten Tage , der sich mit Blut in die deutsche Geschichte eingeschrieben, am 18. October, dem Gedächtnißtage der Völkerschlacht, die Napoleon zur Flucht nach Frankreich zwang , ist bei dem preußischen Heere seiner Einfachheit in den
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Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preußen.
Manieren wegen sehr beliebt. Der dänische Krieg hat ihn kriegerische Erfahrungen machen lassen, ſeine Kenntnisse in den Kriegswissenschaften werden gerühmt und in dieſem heißen und blutigen Kampfe gegen Desterreich zeigte er es, daß er sich der hohen ihm gewordenen Aufgabe, das zweite Armeecorps zu führen, wohl bewußt war, denn von den Resultaten dieser Schlachten hing ja seine dereinstige Königsfrone ab. Seine hohe Gestalt und sein von intelligenten und doch sanften Zügen ausgezeichnetes, von blondem Haar und Vollbart umrahmtes Gesicht machen einen sehr freundlichen Eindruck auf Alle , die mit ihm in Berührung kommen.
Sein
Wesen ist mehr heiter als tief nachdenklich und seine Leutseligkeit hat ihm die Zuneigung des preußischen Heeres erworben.
பெ
று
Er hatte an seine Armee folgenden vom 20. datirten Tagesbefehl erlaſſen, worin er den Entschluß des Königs, " für die Ehre und Unabhängigkeit Preußens, wie für die machtvolle Neugestaltung Deutschlands " zu kämpfen, anzeigt und dann folgendermaßen fortfährt :
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Schloß Nachod.
„ Soldaten ! Zum ersten Male ſeit über 50 Jahren ſteht unserem Heere ein ebenbürtiger Feind gegenüber. Vertraut auf Eure Kraft, auf unſere bewährten vorzüglichen Waffen und denkt, daß es gilt, denselben Feind zu be ſiegen, den einſt unſer größter König mit einem kleinen Heere schlug. nun vorwärts mit der alten preußischen Losung : Baterland!"
Und
Mit Gott für König und
Am 26. Juni Abends waren die Vorposten des ersten und fünften Corps (dies Leztere vom alten General Steinmez geführt) über die Defiléen von Nachod und Trautenau vorgeschoben. Das gegen Braunau von Neurode aus vordringende Gardecorps hatte diese Stadt durch Ulanen beſeßen und die Oesterreicher zurückwerfen lassen.
Die Desterreicher hatten ihr 6. Corps (Ramming), dem noch ein
Theil der Cavalerie-Division beigegeben war, östlich von Nachod concentrirt, mit der militärisch - richtigen Absicht , über die aus dem Nachod - Defilé hervorbrechenden Preußen mit lebermacht herzufallen und sie wieder in das Defilé zurückzuwerfen . Das Städtchen Nachod liegt an der Glaz-Prager Straße und ist an ſich wenig bedeutend , hat wenige über 3000 Einwohner.
Im Schloſſe Nachod iſt
Wallenstein, der große österreichische Heerführer, welchen Kaiser Ferdinand II . aus Dankbarkeit , weil er ihm das Land gerettet , zu Eger meuchelmörderisch (1634) umbringen ließ, geboren. Das Schloß steht auf einem am Marktplage
des Städtchens jäh auf-
ſteigenden Felsen und man steigt zu demſelben auf 333 Stufen hinauf. Es ist ein gewaltiger Bau, der 3 Höfe enthält, welche von Wohn- und Wirthschaftsgebäuden umschlossen sind .
In alten Zeiten gehörte das Schloß bis zur Huſſitenzeit dem
edlen Geschlechte Berka von Duba und Liepa an, später hausten Raubritter daselbst, nach deren Vertreibung es dem Geschlechte der edlen Smirziczki gehörte, von welchem Wallenstein's Mutter abstammt. Als Wallenstein ermordet worden war , erhielt es Octavio Piccolomini, einer der größten Heuchler, Wallenstein's Feind, der im Bunde mit andern habſichtigen Generalen und Jesuiten den Kaiser zu dem Befehle des Mordes an demſelben getrieben hatte , vom frommen Kaiser als Dankgeschenk.
Er veränderte
das Schloß durch Baulichkeiten und gab ihm seine heutige Gestalt, und eine prahlerische Inschrift macht noch heutigen Tages der Nachwelt ſeinen Namen als Herrn des Schloſſes bekannt.
Jezt gehört die Herrschaft dem Grafen von Auersperg.
Kein Wanderer, der das Sudetengebirge bereist, wird unterlassen, Nachod
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Kampf bei Neustadt.
zu besuchen, von wo aus , wenn man die Straße nach Prag verfolgt, man bald nach dem Dorfe Skalig kommt. Um die Erfolge des den Preußen auflauernden Generals von Ramming zu unterstügen, rückte das 8. österreichische Corps per Eisenbahn nach Josephstadt. Die preußischen Truppen hatten ſchon am Abend vorher kleine Gefechte mit Deſterreichern beſtanden und brachen zeitig am andern Morgen auf, weil man glaubte, daß die Desterreicher die Pässe aufgegeben hätten , um sich gegen die Armee des Prinzen Friedrich Karl zu wenden.
Zu verhindern, daß diese Armee von über-
mächtiger Streitkraft angegriffen werde , wollte man eilen , um ihr zu Hilfe zu kommen, aber siehe da, die Desterreicher paßten den Preußeu auf den Dienst. Es war um 10 Uhr Morgens am 27. Juni, als die Avantgarde des Generals von Steinmez unter dem Befehl des Generalmajors von Löwenfeld sich nach Neustadt wandte. Plöglich wurde sie mit einem höllischen Feuer von der österreichischen Artillerie begrüßt, zwei Regimenter Küraſſiere bewegten sich langsam gegen den Ausgang der Straße vor. Die Lage war eine sehr gefährliche für die Preußen, denn nur zwei Schwaz dronen und wenige Bataillone batte die Straße schon passirt, das Defilé war durch die Geschüße und Wagen der Artilleric gänzlich gesperrt, und es war ersichtlich, daß, einmal in dies Defilé hineingeworfen, ein neues Hervorbrechen nur mit außerordentlichen Opfern zu bewerkstelligen sein würde.
Generalmajor von
Löwenfeld ließ seine Bataillone sofort die nächsten Waldparzelien besezen ; die zuerst herausgekommene Artillerie fvhr auf und begann den Kampf mit der österreichischen, die bedeutend in Uebermacht war.
Die beiden Schwadronen stürzten sich
auf die beiden gegen die Straße zu trabenden Kürassier-Regimenter.
Hier kam
es zuerst zum heftigen Angriff. Die beiden tapfern Schwadronen machten einen so heftigen Angriff, daß sie die Kürassiere mit einem Stoße durchbrachen , aber sie waren viel zu wenig an Zahl, um diesen Vortheil benugen zu können ; sie wurden sofort in Flanke und Rücken von den Kürassieren genommen und zurückgeworfen . Um diese Zeit war der Kronprinz mit seinem Stabe in Nachod erschienen. und eilte sofort nach der Avantgarde, um den General von Steinmeß aufzusuchen. Nur mit Mühe konnte sich der Kronprinz durch die Geschüße und Wagen der Artillerie hindurcharbeiten , als er aber endlich den Ausgang erreichte , da brausten auch die zwei von den österreichischen Küraſſieren geworfenen und verfolgten Schwadronen den Weg herunter und mitten hinein in das gestopfte Defilé.
Ge-
Schlacht bei Nachob.
73
lang es der österreichischen Cavalerie, weiter vorzudringen, und den österreichischen Bataillonen, sich des Waldes zu bemächtigen, so war das Defilé unwiederbringlich verloren , mit demselben auch die westlich stehende Infanterie, ja vielleicht selbst die Artillerie.
Indessen die in den Waldparcellen stehende preußische Infanterie wich und wankte nicht, so viele Anstrengungen die Desterreicher auch machten, um sie daraus zu vertreiben.
Mit Eifer arbeiteten sich die übrigen preußischen Bataillone durch
das Gewirr der das Defilé verstopften Artillerie hindurch und wurden, nachdem sie sich in Eile gesammelt, rechts und links auf die Höhen geführt. Allmählig kam Ordnung in den Wirrwarr, die Wagen wurden bei Seite geschoben und den Bataillonen des Gros, die wie ein stürmisch fließender Strom gewaltsam durch die so wenigstens ein wenig frei gewordene Passage hervorbrachen, war nun das Avanciren gestattet.
General von Steinmeß verfügte mit größter Ruhe über die Ba-
taillone, die überall rasch vorgehend, bald die verlorenen Positionen wieder gewannen.
Noch gesicherter wurde die preußische Stellung , als auch einige Batterien
aufgefahren werden konnten. Unterdeß war es 12 Uhr (Mittag) geworden . Noch standen die österreichischen Cavalerie-Regimenter und erschwerten der preußischen Infanterie das Vortringen auf dem Plateau.
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Schlacht bei Nachod.
Als es gelungen war aus dem immer noch großen Gewirr des Defilés ein Ulanen- und ein Dragoner-Regiment herauszubringen , gewann der Kampf eine andere Physiognomie.
Der Anprall der preußischen Reiter-Regimenter war so
wuchtig , daß die österreichiſchen Küraſſiere
ihre Regimenter waren mindestens
jedes um eine Schwadron stärker, als die der Preußen
total geworfen wurden .
Bei dem Kampfe wurde der Generalmajor v . Wnuck und beide Regimentscommandeure verwundet.
Major von Nazmer -fiel. Jest war die Schlacht zum Stehen
gekommen, und konnte, vorausgeseßt, daß die Oesterreicher ohne Verstärkung blieben, für die Preußen zum Siege ausschlagen , und nur den Sieg zu erringen , war Generals v. Steinmez festgestelltes Ziel .
Die Reserve-Artillerie fuhr auf, die In-
fanterie avancirte mit Hurrah und gefälltem Bajonnet. Vor diesen brüllenden und unauſhaltſam auf die Oesterreicher ſich ſtürzenden tapferen Bataillonen wichen diese zurück, nur im brennenden Dorfe Wiſekow kam es zum Handgemenge, das nicht von langer Dauer war , aber sehr verderblich für die Oesterreicher endete.
Da
die zurückgeworfenen Kürassiere sich wieder gesammelt hatten und in der Flanke der Ulanen zu avanciren begannen , so schwankten diese, formirten schnell eine neue Front und stürmten nun in der Carriere gegen diese Küraßreiter, die abermals und zwar so total geworfen wurden, daß sie ganz und gar aus dem Bereich des Schlachtfeldes verschwanden. Die Ulanen jagten ihnen nach und eroberten bei der Gelegenheit 2 Geſchüße .
Ueberall wichen die Desterreicher und ließen die Fahne des ersten Ba-
taillons vom Regiment Deutschmeister in den Händen der Preußen zurück.
Nur
die große Ermüdung der Preußen, die einen starken Marsch und ein außerordentlich heftiges Gefecht , das große Anstrengungen von ihnen verlangte , bestanden hatten, war die Ursache, daß sie halt machten und nur einige Bataillone und die Cavalerie zur Verfolgung der Weichenden nachschickten. In Nachod wurden 2000 Gefangene eingebracht, darunter sehr viele Unverwundete, die ihre Gewehre von sich geworfen hatten. Außerdem wurden noch 3 Kanonen den Fliehenden abgenommen, sodaß nun 5 Kanonen und 3 Fahnen als Siegestrophäen betrachtet werden konnten. Die Zahl der todten und verwundeten Desterreicher, die das Schlachtfeld bedeckten , soll eben so groß gewesen sein, als die Zahl der in den Händen der Preußen befindlichen Gefangenen, der preußische Verlust an Todten und Verwundeten soll nicht über 800 gewesen sein. Es war ein schöner Sieg, den General von Steinmez erfochten hatte.
Nur im Besig von 22 Botaillonen und aus einem Passe debouchirend , befand er sich dem
General von Steinmetz.
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29 Bataillone starken und in sehr günstiger Stellung stehenden Feinde gegenüber in einer höchst gefährlichen Lage.
Wurde sein (das 5.) Armeeorps geworfen, so
wäre die Niederlage, welche die Preußen erlitten haben würden , nicht nur ein großer materieller Verlust , sondern von ungeheuern moralischen Folgen für die zufünftigen Actionen gewesen.
Der Kronprinz von Preußen dankte dem alten
wackeren General Steinmeß im Namen seines königlichen Vaters mit warmen Worten für den errungenen Sieg und schickte sofort die Meldung von dieſer ersten Feuer- und Bluttaufe der zweiten Armee bei deren Eintritt in Böhmen nach Berlin. — Nur der alte Löwe Steinmez fonnte einen so ungleichen Kampf gewinnen.
Dazu gehörte ein Feldherr von faltem , unbeirrten Blick und festem ausdauernden. Muthe, der die von ihm sich entrollende Situation, so gefahrdrohend sie auch erscheinen mag, zu beherrschen, versteht. General von Steinmez ist gleichfalls Veteran aus dem Befreiungsfriege, später wurde er Commandant des Düsseldorfer Garde-
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Einrücken der Preußen in Trantenau.
Landwehr-Bataillons , führte nach dem Berliner Barricadenkampfe 2 Bataillone des 2. Infanterie-Regiments nach Schleswig und zeichnete sich in der Schlacht bei Schleswig ruhmreich aus. Dann wurde ihm die Ueberwachung der Nationalversammlung in Brandenburg übertragen und später wurde er Commandeur des Cadettenhauses in Berlin.
Aus dieser ruhigen Stellung hinweg zog er an der
Spise des fünften Armeecorps in den jezigen Kampf, die auf ihn gesezten Erwartungen im ausgedehntesten Sinne des Wortes zur Wiklichkeit machend.
Er
ist ein alter Kriegsheld , aus deſſen Aeußern sich Thatkraft und Entſchloſſenheit kündet.
Seine Soldaten gehen buchstäblich für ihn durch's Feuer, sie betrachten
ihn als unfehlbares Drafel. An demselben Siegestage noch marschirten auch die übrigen zu der zweiten. Armee oder den kronprinzlichen gehörenden Truppencorps theils über Neurode oder Braunau, theils auf der Landeshuter Straße über Liebau in Böhmen ein. Die Hiße war enorm und die marshirenden Regimenter hatten unter deren Einfluß außerordentlich viel zu leiden.
Am Morgen des 27. Juni 3 Uhr war ein Theil des
1. Armeecorps , das in Liebau , und ein anderer Theil , welcher die böhmische Grenze bis Parschnig, etwa eine Strecke von 1 Meile weit, überschritten und da bivouakirt hatte, aufgebrochen und rückte zwischen hohen Bergen auf Trautenau, ohne Widerstand zu finden. Nahe der Stadt wurde Halt commandirt und eine Militär-EinquartierungsOrdonnanz in die Stadt geschickt.
Leztere fand nichts Verdächtiges und gelangte
ſo bis zum Bürgermeister von Trautenau.
Nachdem die Einquartierungs-Angele-
genheit beendet, wurde der Bürgermeiſter gefragt, ob in der Umgegend feindliches Militär ſei. Dr. Roth, so heißt der Bürgermeister, antwortete und betheuerte, daß die Preußen nicht das Mindeste zu befürchten hätten. Infolge dessen rückten die Truppen ein. Voran zwei Schwadronen Dragoner vom 4. Regiment , welche im Trabe die Stadt durchreiten.
Kaum ſind die
Dragoner hinter der Stadt, kaum hat die Infanterie den Ring erreicht, fängt ein furchtbares Schießen an.
Von den platten Dächern herab, aus Fenstern, Keller-
löchern u. s. w . fliegeln Kugeln in die Reihen der verrathenen Soldaten .
Die
Antwort, welche die so schändlich in die Falle Gelockten hierauf ertheilten , fann Jeder leicht errathen.
Es wurden in den Häusern,
auf den Straßen u . ſ. w.
Viele getödtet, Militär sowohl wie auch Civilpersonen, denn Leßtere hatten sich an dem Kampfe lebhaft betheiligt, zum Theil mit der Schußwaffe, zum Theil durch Begießen mit siedendem Del und Waſſer.
Kampf in Trautenau.
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Während dieser Zeit umgingen andere preußische Infanterie-Regimenter die Stadt und stießen an der entgegengesezten Seite auf österreichisches Militär in einer Stärke von mindestens 35,000 Mann.
Der größte Theil des Feindes stand
gedeckt auf einem circa tausend Fuß hohen Berge, dem sogenannten Kapellenberge. Hier entspann sich ein furchtbarer Kampf.
Die braven Ost- und Westpreußen
attaquirten durch Wasser, hohe Getreidefelder den Berg hinan mit wahrhaft übermenschlicher Kraft und echt kriegerischem Muthe. In den Nachmittagsstunden endlich (die Schlacht begann schon früh in der neunten Stunde) sind die Preußen Herren der Situation. Die Stadt ist genommen und die Feinde zurückgedrängt. Da erscheint Gablenz mit neuen österreichischen Hilfstruppen.
Der Kampf beginnt auf's Neue , aber die Preußen sind todesmatt und gegen diese Macht zu schwach. Regimentern gegenüber.
Einzelne Compagnien standen oft zwei bis drei
Darum gebot hier die Klugheit den Rückzug , um so
mehr, als die preußische Artillerie fast gar nichts helfen konnte in diesem für den Feind so günstigen Terrain .
Im Mitternacht gelangte die ganze Munitions-Co-
78
Kampf in Trautenau.
lonne in Liebau an und rückte noch etwas weiter zurück.
Noch in der Nacht
aber kamen die preußischen Garden bei Trautenau an , kämpften und jagten die österreichischen Armeecorps zurück. meist zur Ruine geworden.
Trautenau, das verrätherische Trautenau war
Die Trautenauer , diese sogenannten ". deutschen
Brüder“, sind geflohen, viele sind gefangen oder bei dem mörderischen Kampfe getödtet. Am folgenden Tage wurden etwa 130 gefangene österreichische Soldaten durch Liebau transportirt.
Den Schluß bildeten einige Civilisten , der gefnebelte
Herr Bürgermeister Dr. Roth ,
der Kreishauptmann , von Hezenberg ,
Sohn, der Hotelbesißer Starke aus Trautenau und einige Andere. sauberen Herren wie sich's geziemt empfangen.
und ſein
Liebau hat die
Ein Theil der Bürgerschaft wür-
digte diese Menschen keines Blickes, ein anderer Theil äußerte mit den Zeichen der tiefsten Verachtung gegen den Bürgermeister die Worte :
„ Du bist der Verräther
unseres ersten Armeccorps , Deinen Namen muß die deutsche Geschichte brandmarken, Du erbärmliches Scheusal!" Hinsichtlich des Kampfes der Garden , am frühen Morgen des 28. Juni gegen das 50,000 Mann starke Corps des Feldmarschall-Lieutenants v. Gablenz, dem es am Abend vorher gelungen war, das erste Armeecorps über Trautenau zurück zu drängen, wurde Folgendes amtlich mitgetheilt.
Die Garde-Regimenter
stürzten sich mit einer Kampfbegier, der nichts zu widerstehen vermochte, auf den Feind.
Leider war in Folge der langen Defiléen , die das Corps in dem Ge-
birgslande zu durcheilen hatte, es nicht möglich gewesen, die Reserve - Artillerie mit in's Gefecht zu ziehen , so daß im Anfange nur 12 preußische Geschüße den Kampf gegen 64 österreichische führen mußten.
Dieses unglückliche Verhältniß
konnte indeß nur die Verluste steigern, aber nicht die auserlesenen Bataillone der Armee zurückhalten.
Es begann ein Kampf, wie ihn die Kriegsgeschichte nur
selten verzeichnet hat , ein Kampf auf Leben und Tod einer schwächeren Truppe, die stets im Avanciren blieb, gegen einen übermächtigen Feind. In den kleinen Gehölzen, auf den Bergen, in den 7 Schluchten, die steil abfallen, überall drangen die Garden vor, und überall erlag der Feind, wenn er auch nicht weichen wollte.
Die Erfolge dieses Heldenkampfes bei Staudenz und
Trautenau waren groß, 8000 Mann verloren die Oesterreicher an Todten , Verwundeten und Gefangenen, von denen gegen 4000 in den Kirchen von Trautenau aufbewahrt wurden. den Preußen ;
Leider forderte dieser glänzende Sieg auch schwere Opfer von
besonders die zwei Bataillone des Kaiser-Franz-Grenadier- und
Die Elb-Armee unter Herwarth von Bittenfeld.
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Garde-Füsilier-Regiments haben stark verloren. Mehrere Geſchüße eroberte die 1 . Garde-Division auf dem Schlachtfelde .
General v . Gablenz solle verwundet nach
Pillnickau gebracht worden sein, hieß es, sein Corps war vollſtändig aufgelöſt. Blut war so zu sagen in Strömen geflossen , und doch sind diese furchtbaren Kämpfe nur als die ersten Akte des entseßlichen Trauerspieles zu betrachten, dessen Fortseßung in dieſem nördlichen Theile Böhmens überraschend schnell erfolgte.
Schlacht von Münchengrätz, Gitſchin, Skalih, Sturm u. Einnahme v. Königinhof, Gefecht bei Jaromircz. Am 27. Juni hielt Prinz Friedrich Karl bei Sichrow und traf ſeine Dispofitionen zum weiteren Vorrücken.
Die 7. Division hatte Turnau besezt , wo die
Ingenieure schnell eine Schiffbrücke über die Iser geschlagen hatten.
Die 8. Di-
viſion unter General Horn hatte das Dorf und die Brücke von Podol besezt. Die 9. Division unter General Mannstein rückte zur Unterstügung Horns vor. Die Hauptmacht ſtand also auf dem Plateau von Sichrow. Die Verbindung mit Herwarth v . Bittenfelds Armeccorps sollte angebahnt werden, was jedoch einige Schwierigkeiten hatte. Der bekannte militärische Schriftsteller Hans Wachenhusen gab über den Einmarsch der Elbarmee unter Herwarth v. Bittenfeld's Befehl und deren Kampf bei Hünerwasser folgende Schilderung : Am 23. erfolgte der Einmarsch nach Böhmen, am 25. erreichten wir Gabel. Hiermit war unsere Armee in den böhmischen Kessel hinabgestiegen.
Vor uns
stand die ganze österreichische Nord-Armee, deren Aufstellung und Pläne so my ſteriös waren, daß wir mit Recht an irgend eine Teufelei glauben mußten. weniger diese Pläne zu durchschauen waren ,
Je
desto mehr wußten die Gerüchte.
Eins der ersten, welche uns beim Uebersteigen der waldigen Päſſe erreichte, war, und zwar ziemlich verbürgt : daß sämmtliche österreichische Forstbeamte angewiesen . seien, hinter der Armee die Pässe durch Fällen der Wälder zu verhauen und uns ſo der Verbindungs- und Rückzugslinie zu berauben. Die Elb-Armee mußte jest, in Gabel angelangt, darauf denken, ihre Verbindungslinie mit dem Vaterland noch weiter östlich zu rücken. Es wurde Löbau, ſpäter Zittau hierzu beſtimmt ; aber da die rechte Flügel-Armce nunmehr dieſelbe Verbindungslinie und dieselben Depotpunkte mit der ersten Armee des Prinzen
80
Die Elbarmee unter Herwarth von Bittenfeld.
Friedrich Karl benußen mußte, waren wir natürlich als später Gekommene, Stieffinder geworden.
Unsere Verpflegungs- Trains erlitten in ihren Transporten auf
der Eisenbahn Verzögerung und von regelmäßigem Nachschub konnte jezt keine Rede sein.
Die aus 50 bis 60,000 Mann und eben so vielen, von anstrengen-
den Märschen hungrigen Magen bestehende Elb-Armee hat bereits seit 5 bis 6 Tagen ihren Unterhalt auf unterbrochenem Vormarsch durch Requisitionen bes schaffen müssen. Bei dem in Norddeutschland herrschenden Rechtsgefühl und der vollständigen Kriegsungewohnheit unserer Soldaten erwuchs hieraus, neben der ungleichen Belastung der meist sehr armen Landbewohner , der noch größere Nachtheil , daß einzelne Truppentheile, die sich schwerer hineinfanden , ganz ungenügend ernährt wurden und also Gefahr liefen, bei längerer Dauer dieses Zustandes ihre Streitfähigkeit einzubüßen. Der Verfasser schildert nun das erste Gefecht bei Hünerwaſſer und sagt : Mit diesem Abendgefecht war für den denkenden Offizier beider Armeen das Reſultat des tactischen Abwägens der beidersettigen Infanterien für den ganzen Feldzug entschieden.
Preußische Infanterie hatte gegen eines der renommirtesten
Feldjäger-Bataillone der kaiserlichen Armee in ungestümer Offensive einige Minuten im Feuer gestanden, in einem Terrain von Stangenholz, welches der Ausbeutung des Zündnadelgewehrs durchaus nicht günstig war, und troßdem ein ſo ſtaunenswerthes Resultat ! Es ließ sich dies nur erklären durch das Uebergewicht der Intelligenz , welches in unserem modernen Kriege von unberechenbarer Bedeutung. Dieses kleine Gefecht batte also für die Elb-Armee große moralische Resultate ; die nächsten Tage ſollten neue hinzutragen .
Am folgenden schon zog sich die Armee
mehr bei Niemes zusammen und dehnte sich nach rechts hin aus , da wir die sächsische Armee in dem verschanzten Brückenkopf von Leitmeris vermuthen durften. Die Elb-Armee dehnte sich also am 27. aus und ergriff am frühen Morgen, im gemeinſchaftlichen Plane mit der 1. Armee, die Offenſive gegen die Iſer-Linie. Wir gingen auf Münchengräß los, hatten auf dem rechten Iſer-Ufer einiges Tirailleur und Artillerie-Gefecht, fanden jedoch beim Vordringen in's Iserthal die hölzerne Brücke von Münchengräß schon in Flammen .
Unsere Batterien reinig-
ten den jenseitigen Thalrand , wir konnten aber erst Mittags dazu gelangen, auf einer schnell geschlagenen Kriegsbrücke die Iſer zu überschreiten . Dem weiteren Vorgehen
auf dem linken Iser-Ufer sezten sich sächsische
Batterien, die vor wenigen Jahren erst mit preußischen gezogenen Sechspfündern
81
Fortschritte der ersten Armee.
montirt waren , unter sehr gutem Erfolg entgegen.
Langsam gewannen unsere
Husaren und die Diviſion Canſtein jenseit Terrain, den Horkaberg, die vorzügliche Position des Feindes, südlich umgehend. Elb-Armee.
Münchengräß war in den Händen der
Wenden wir uns nun nach dieser Einschaltung zu den Fortschritten und Kämpfen des ersten Armeccorps zurück. Die Straße und die Bahn von Turnau nach Jungbunzlau überschreiten. die Iser bei Podol und laufen nebeneinander bis etwa 3 (englische) Meilen unterhalb Münchengräß.
Unterhalb Podol wenden sich die Hügel, welche das Plateau
von Sichrow bilden, südwärts bis hart an das Nordufer der Iser und bilden eine Hügelkette , die steil nach dem Wasser abfällt.
Die Hügel des südlichen Ufers
ſteigen bis zu 500 Fuß im Muſchyberg, dem gegenüber der Kapoberg liegt. Die Desterreicher hatten auf dem Kazoberge eine Redoute und eine Batterie für 8 Kanonen aufgeworfen. Die Lehtere würde die Straße von Podol bestrichen haben ; aber es waren keine Geschüße da ; denn das Vorrücken der Preußen war zu rasch, und man hatte keine Zeit zur Armirung des Werkes .
Doch er-
wartete man, der Feind werde hier Stand halten, und der preußische Befehlshaber rückte zum Gefecht vorbereitet vor.
Er entwarf einen Plan , um die ganze ent-
gegenstehende Macht zu fangen ; aber obwohl dieſer Plan geschickt entworfen und pünktlich ausgeführt wurde, ſo ſtand ſein Gegner nicht lange genug, um ihn völlig zu entfalten ;
denn der österreichische Befehlshaber opferte seine Stellung und
Münchengräß nach einem heftigen Gefecht, aber ohne eine reguläre Schlacht. Der preußische Anführer dachte , daß , wenn er demonſtrationsweise einen forglosen Marsch nach Münchengräß zu mache, die Oesterreicher auf dem Muſchyberge still liegen würden , bis die Spigen seiner Colonnen ihre Stellung paſſirt hätten, damit ihre Artillerie seine marschirenden Truppen in der Flanke fasse während er ihre Position umgehe.
Durch dieselbe Finte hoffte er seine Gegner'
auf dem Kazoberge zu halten, bis er ihnen den Rückzug abgeschnitten . Um diesen doppelten Zweck zu erreichen, mußte die 7. Diviſion von Turnau auf der Straße südlich von der Iser marschiren.
Die Division sollte dann die
Oesterreicher am Muschyberge im Rücken faſſen, darauf aber weiter über den Hügel vordringen und auf die Straße von Münchengräß nach Fürstenbrück zwischen dem erſteren Plaß und dem Dorf Boſſin treffen. Auf dem rechten Ufer sollte General v. Bittenfeld von Hünerwaſſer nach Münchengräß vorrücken, die Iſer überschreiten,
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Fortschritte der ersten Armee.
die Stadt beseßen, gleichzeitig aber eine Division auf die Lücke werfen, welche bei Mohelniß die Vertheidiger des Kazoberges von hinten faſſen ſollte. Die Divisionen Horn und Mannstein sollten die Hauptstraße von Podol hinabdrängen, während starke Reserven nach Podol zu Deckung boten.
Eine Di-
vision Infanterie sollte bei Huberlow übersehen und den Kazoberg von vorn angreifen, während eine Division Reiterei die Verbindung zwischen den Diviſionen auf dem rechten Ufer aufrecht hielt. Es wurde auch eine starke Abtheilung Reiterei abgeschickt, um
das Land von Gitſchin in der Richtung von Josephſtadt zu
durchstreifen. Am 28. Juni früh gegen 8 Uhr fam Prinz Friedrich Karl herab zur Brücke von Podol, und faſt ſofort überschritten die Jäger, welche den Vortrab der Horn'schen Division bildeten, die Brücke, aber erst nachdem eine einleitende Kanonade in der Richtung von Münchengräß gesagt hatte, daß Bittenfeld bereits engagirt sei.
Als die Jäger über die Brücke zogen , warfen sie rechts und links
Plänkler aus, die sich in einer langen Wellenlinie durch das Korn drängten. Die Reiterspäher schlossen sich hart an die Flanken der Plänkler und ihnen folgten Reiter in mehr compacten Massen.
Die Ulanen mit ihren Lanzen hockten um
die Flanken und die schweren Maſſen auf der Straße drängten stetig hinter dem Centrum der leichten Truppen vor. Aber die Aufmerksamkeit war auf Münchengräß gerichtet, wo man den Fortschritt Bittenfeld's an den Stößen weißen Dampfes verfolgen konnte, welche von seinen Geschüßsalven ausgingen .
Man merkte wie die preußische Kanonade
langsam vorrückte, und wie die österreichische zurückwich, während eine dichte Wolke schwarzen Rauches, die sich neben der Stadt erhob, zeigte, daß sich die Desterreicher vom rechten Ufer des Flusses zurückgezogen und die Brücke verbrannt hatten. Auf kurze Zeit ſtand das Gefecht, aber in etwa einer Viertelsſtunde zeigte ein flammender Bliß und ein dichter Qualm , der aus der österreichischen Linie aufstieg, daß ein Munitionswagen aufgeflogen war.
Ihre Batterie hörte dann auf zu
feuern und zog sich rasch zurück, während ein schnelles Vorrücken der preußischen Kanonade zeigte, daß Vittenfeld's Pionniere rasch eine Brücke geschlagen hatten, und daß sein Corps jenseits der Ifer war.
Aber die Desterreicher gingen nicht
weit; denn in kurzer Zeit waren sie wieder in der Richtung von Jungbunzlau im Gefecht, und eine Batterie zog in der Richtung von Fürſtenbrück ab.
Es ſchien
da, daß Bittenfeld Halt gemacht habe ; die Kanonade ſchwieg in dieser Richtung.
Kämpfe der Elbarmee unter Herwarth von Bittenfeld.
Fortschritte der ersten Armee.
83
Die Spigen der preußischen Colonnen waren ein wenig über den Hügel hinüber und drängten stetig gegen Münchengräß , als eine Rauchwolke , die aus den düsteren Kiefern auf dem Muſchyberge aufstieg , zeigte , daß die Oesterreicher ihr Feuer auf sie eröffnet hatten.
Die Batterie auf dem Hügel ſchien aus blos
vier Geschüßen zu bestehen, und anfangs feuerten sie langsam, brachten auch keine große Wirkung hervor. Ihre Bomben aus solcher Höhe geworfen, schlugen gerade in den Boden und ricochetirten nicht unter die Truppen ; aber sie waren gut gezielt und plagten meist im geeigneten Augenblick , und dann und wann“fiel ein Mann. Sobald als die Desterreicher ihr Feuer eröffneten , wendeten sich die Truppen auf der Straße auf die Felder und bewegten sich in offener Ordnung vor, die Trainwagen wurden ebenfalls ſchnell auf den weichen Boden gezogen und hielten einzeln da, wo sie am besten geborgen waren .
Vier preußische Batterien
eröffneten rasch ihr Feuer; aber das österreichische Geschütz stand hoch, und die Höhe des Hügels täuschte ihr Ziel. bald fanden ſie die Schußweite.
Anfangs fielen ihre Bomben zu kurz ; aber
Doch die Kiefern und Felsen deckten die öster-
reichischen Kanoniere, und die Batterien in der Ebene schienen wenig auszurichten. Sie erhielten bald Befehl, das Feuern einzustellen ; denn die feindlichen Geschüße belästigten die marschirenden Truppen nicht sehr, und man griff zu anderen Mitteln, um die Hügel zu ſäubern. Eine Schwadron lllanen wurde angewiesen , hart am Fuße des Muschy. berges hinzuziehen, ſodaß die Kanonen auf dem Plateau nicht genug gesenkt werden fonnten, um sie zu verlegen. Sie sollten einen steilen Pfad erreichen, welcher zwiſchen Bossin und dem höchsten Punkt auf den Gipfel führt, während eine Infanteriebrigade die Bewegung unterstüßen sollte. Aber ehe dieser Plan ausgeführt werden konnte, hörte man, daß die 7. Division an der Rückseite engagirt war ; die österreichische Batterie proßte rasch auf und retirirte.
Die Kanonen wurden von der 7. Die
viſion nicht abgefangen, aber General Franſecki machte hier 600 Gefangene von der Infanterie, welche die Batterie auf dem Hügel deckte. Während die 7. Division noch auf dem Hügel beschäftigt war , erschienen 4 österreichische Geſchüße auf dem Gipfel des Hügels zwiſchen Boſſin und Weſſely und eröffneten ihr Feuer gegen die preußischen Colonnen, die jest wieder über die Ebene vorrückten. Aber Fransecki drängte gegen sie vor, und seine Artillerie drohte, ſie von der Seite zu bestreichen , so daß sie bald retiriren mußten.
Die 7. Diviſion be 8*
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Einnahme von Münchengräh.
rührte dann die Straße zwiſchen Boſſin und Münchengräß und griff den leßteren Ort an. Die erste Salve von Fransecki's Artillerie sezte ein Haus in Brand , das heftig zu brennen begann. Die Flammen theilten sich bald den nächsten mit, weil die meiſten Häuſer von Holz ſind. Nach einem heftigen Gefecht wurden die Oesterreicher aus dem Orte getrieben und zogen sich in der Richtung von Fürſtenbrück zurück. Sie verloren hier 200 Gefangene, während Bittenfeld ebenſo viel gefangen hatte. Die österreichischen Soldaten, die gefangen wurden, waren meist Italiener, die keine Lust zum Fechten hatten. Die Oesterreicher machten keinen Versuch , den Kazoberg zu halten.
Die
einzigen Punkte, die sie zu vertheidigen suchten, waren der Muschyberg, Münchengräß und Bossin.
Ihren wahren Verlust kann man nicht ermitteln , aber min-
destens 1000 Gefangene kamen in preußische Hände. Die Armee des Prinzen Friedrich Karl war um Münchengräß concentrirt. Die österreichische Streitmacht vor ihm bestand in dem 1. Gorps unter Clam Gallas, der Brigade Kalik und der Reiterdivision des Generals Edelheim , sowie in der sächsischen Armee unter dem Befehle des Kronprinzen von Sachsen. Um die Verbindung mit dem Kronprinzen zu eröffnen und die Concentration der beiden Armeen zu erleichtern, machte Prinz Friedrich Karl am 29. Juni Abends eine Bewegung nach seiner Linken in der Richtung von Gitschin .
Die
Armee zog von der Iser gegen Gitschin auf drei Straßen : die Linke von Turnau, das Centrum von Podol, die Rechte von Münchengräß. Ungefähr ¾ Meile von Gitschin läuft im Halbkreis eine Reihe ſteiler , zerriſſener Hügel , an deren Fuß das Land sehr durchschluchtet ist.
Da , wo die Straße von Sobotka durch die
Hügel führt, fallen diese ab , so daß sie einen Engpaß bilden , und Kiefernholz schließt sich zu beiden Seiten hart an die Straße.
Auf der Sobotkaer Seite des
Holzes ist eine Schlucht etwa 100 Fuß tief. Etwa eine Viertelstunde weiter bildet sich wieder eine Schlucht, nur daß das Holz mehr zurücktritt. in fast derselben Entfernung .
Ebenso eine dritte
Auf der Gitschiner Seite dieser Hohlung steht das
kleine Dorf Lochow, jenseits deſſen abermals eine Schlucht ist. Das Corps des General Schmidt marschirte am 29. aus der Nachbarschaft von Podol nach Sobotka, und dort auf die Straße von Münchengräß nach Gitſchin treffend , änderte er seine Marschlinie nach links und rückte gegen Gitſchin vor. Er marschirte mit ſeinen 2 Diviſionen eine Strecke für sich , voran die Diviſion des Generals v. Werther, deren Avantgarde aus dem 2. Bataillon Jäger und aus
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Schlacht bei Gitschin.
dem 3. Bataillon des 43. Regiments bestand.
Hinter diesen folgten die 3 Regi-
menter des verstorbenen Königs von Preußen, die beiden übrigen Bataillone des 42., und 1 Bataillon des 14. Regiments , sowie eine Sechs-Pfünder- und zwei Vier-Pfünder Feldbatterien. Eine starke österreichische Macht hielt das Holz hinter der ersten Schlucht, deren Scharfschützen hinter den Kiefern staken. zwei Soldaten, um ihm zu laden.
Hinter jedem Schüßen standen
Die österreichische Artillerie stand hinter dem
Holze, so daß sie ein Kreuzfeuer auf die Waldlichtung vor ihr , durch welche die Straße geht, eröffnen konnte. Als der preußische Vortrab sich der Schlacht näherte, eröffneten die österreichischen Batterien ihr Feuer auf ihn , und die Schüßen hinter den Bäumen begannen ebenfalls heftig zu feuern.
Die Jäger und die Leute vom 42. Regiment
warfen schnell Plänkler aus und sendeten, ohne sich um das vernichtende Feuer zu kümmern, ihre Kugeln aus den schnell geladenen Gewehren auf die Vertheidiger des Holzes, während ihre rasch in's Gefecht gebrachte Artillerie die österreichischen Geschüße zum Schweigen zu bringen suchte.
Aber das Gefecht war ungleich.
Die
Schüßen hinter den Bäumen konnte man kaum ſehen, und das Feuern der Preußen that dem verstärkten Feinde nicht viel ; auch waren ihre Geschüße nicht zahlreich genug, um mit Erfolg die zahlreichere österreichische Artillerie zu engagiren. Die Jäger hinter den Bäumen zielten gut ; die 42er fielen rasch, und es ſchien, als würden die Oesterreicher sich im Gehölz behaupten.
Aber der Nest der
preußischen Diviſion kam herbei, mehr Geſchüß war bereits im Gefecht , und die österreichischen Schüßen begannen mit weniger Wirkung zu feuern. Das Regiment König von Preußen langte bald an.
Die preußischen Soldaten, nicht im Stande,
mit ihrem Feuer auf die Schüßen hinter den Bäumen viel Eindruck zu machen, brannten auf Handgemenge, und darauf schickte General von Werther ſeine Leute vor, um das Gehölz mit dem Bajonnet zu nehmen . Es wurde genommen, aber nicht ohne Verlust, denn die Oesterreicher retirirten von Baum zu Baum , und erst, als sie über den Saum des Waldes gedrängt waren, zogen sie sich unter den Schuß ihrer Kanonen und Reserven zurück , um am Rande der nächsten Schlucht Stellung zu nehmen.
Das Gewehrfeuer begann wieder.
Die Gegner standen auf beiden Seiten des Hohlwegs und sandten Lage auf Lage in ihre Reihen , während die Artillerie auf den Flanken beider Linien ihre Bomben unter die feindliche Infanterie sendete.
Aber hier hatte die Zünd-
nadel mehr Erfolg , denn die Oesterreicher standen frei da , und die weißen Uni-
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Schlacht bei Gitschin.
formen gingen schnell zu Boden.
Die Desterreicher thaten alles Mögliche, aber
nach furchtbarem Verluste mußten sie weichen und die dritte Stellung im Dorfe Lochow einnehmen. Es war etwa Abends 7 Uhr.
Der Kampf hatte schon fast zwei Stunden
gewährt, aber hier erneuerte er sich wilder, als vorher.
Die Preußen, ermuthigt
durch ihren Erfolg , schritten eifrig zum Angriff; die Desterreicher standen mit verzweifelter Ruhe, um sie zu empfangen.
Auf beiden Seiten war der Kampf
heftig , aber auf irgend welche Strecke konnte die österreichische Büchse gegen die Zündnadel nicht aufkommen.
Doch wurde Lochow 4 Stunde gehalten, und das
ununterbrochene Knattern der Musketen und die schwere Kanonade , die fast stationär blieb, zeugte für die Entschlossenheit des Angriffs und für die Hartnäckigfeit der Vertheidigung .
Aber die Desterreicher wurden langsam von Haus zu
Haus, von Garten zu Garten gedrängt und mußten sich auf ihren lezten Stüßpunkt, auf den Gipfel der Gitschiner Seite der vierten Schlucht zurückziehen.
Und hier nahmen beide Theile
das Gefecht mit der äußersten Wuth
wieder auf. Die Vertheidiger fühlten,
daß dies ihr lester Stüßpunft war und daß
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Schlacht bei Gitschin.
von seiner Behauptung der Besiß von Gitschin abhing ; die Angreifer wußten, daß der Erfolg sie fast mit Sicherheit zu dem Ziele all' ihrer Anstrengungen bringen werde.
Die preußische Linie bildete ſich bald auf der Höhe der entgegengeseßten
Seite der Schlucht den Oesterreichern gegenüber und begann dann raſch auf dieſe zu feuern.
Diese erwiderten das Feuer, aber natürlich langsamer. Doch ihre Geschütze
nahmen die preußischen arg mit, und die Bomben, die vor der Linie der Angreifer plaßten, verursachten manchen Unfall.
Aber die Pommern waren sehr erregt und
eine schwere Maſſe Preußen stürmte den Weg hinab und den gegenüberstehenden Hang hinan.
Dort erfolgte ein wüthender Kampf.
Die stämmigen Pommern
drängten heftig gegen ihre schwächeren Gegner und trieben sie über den Rand des Abhanges auf die Ebene.
Aber die Oesterreicher kämpften heftig und bemüh,
ten sich, ihren Gegnern die Bajonnete in's Geſicht zu stoßen.
Doch diese dräng-
ten sie schrittwärts zurück, bis sich in der Linie der Vertheidiger eine Lücke öffnete. Die Flintenkugeln hatten die Reihen der Oesterreicher ebenfalls gelichtet , und sie mußten sich zurückziehen. Sie zogen über die Ebene nach Gitschin ab, aber nicht in Unordnung. Langsam und mürriſch wichen ſie mit furchtbarem Verlust in der offenen Ebene, wo die Zündnadel freies Spiel hatte, aber sie stritten um jeden Fuß Boden und wandten sich immer, um unter die vorrückenden Preußen Kugeln zu senden. Lange war die Ebene der Schauplah des vorschreitenden Gefechts und erst gegen Mitternacht beschte General von Werther Gitschin .
In der Stadt standen die Cester-
reicher nicht; sie hielten kurze Zeit einige Häuser am Eingange ; aber diese wurden genommen und dann retirirten sie eilig südwärts.
In ihrer Hast ließen sie
ihre Hoſpitäler zurück , und hier, wie in Lochow, machte von Werthers Diviſion viele Gefangene. Aber das war nicht das einzige Gefecht dieses Abends .
Nördlich von
Gitschin und an der Turnauer Straße hatten die Oesterreicher ebenfalls Stellung genommen , um die Stadt gegen die von Turnau her vorrückenden Preußen zu decken. Die 5. Diviſion , unter General Tümpling, war am 28. von Turnau nach Ruwensko und Kotwa aufgebrochen, das an der Straße von Turnau nach Gitſchin liegt.
Am 29. Nachmittags rückte General Tümpling von Ruwensko vor und kam
gegen halb 4 Uhr bis auf 2000 Schritt vor Podulz.
Seine Division bestand
aus dem 8., 12., 18. , 48. Regiment und 4 Batterien. Als die Preußen vorrückten, sahen sie Poduly hart an der Straße und zur Rechten das Dorf Dilcz in der Ebene liegen, während sie weiter rechts die Schornsteine von Brada sahen.
Die
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Einnahme von Podulh durch die Preußen.
3 Dörfer und ein Kiefernholz waren von österreichischen und sächsischen Truppen beseßt, die von 7 Batterien Artillerie unterstüßt waren , während 3 Regimenter Reiterei hinter dem Fuß des Hügels verborgen waren.
Vor Broda war ein
Verhau errichtet, der den steilen Abhang hinab bis Podulz lief. Sobald die Preußen in Schußweite famen , eröffneten die Oesterreicher ihr Feuer.
Die preußischen Geschüße antworteten, und unter dem Schuße ihrer Ar-
tillerie rückten die Colonnen zum Angriff vor. gegen Dilcz vor ,
Das S. und 48. Regiment rückte
das vom 1., 2. , 3. und 4. ſächſiſchen Batailion besetzt war.
Das 12. und 18. Regiment rückte gegen Podulz vor.
Beide angreifende Colonnen
waren einem heißen Feuer ausgesezt, aber nach schwerem Kampfe wurden beide Dörfer genommen, obwohl Podulz, durch eine Bombe in Brand gesezt, brannte, als es die Preußen besezten. Dann griff General Edelsheim mit seiner Reiterei mit verzweifelter Tapferkeit das brennende Dorf an ; aber die Pferde wollten den Flammen nicht stehen , und die preußische Infanterie feuerte hinter den brennenden Häusern hervor auf die ungeordneten Schwadronen und tödtete viele Reiter. Nach der Einnahme von Podul
drängten die Preußen über Brada, das
sie rechts ließen, hinaus und schlugen sich nach der Lochower Straße zu, um den Oesterreichern den Rückzug abzuschneiden, die von Lochow nach Gitschin retirirten. Die österreichische Reiterei griff die vorrückenden Preußen an , aber diese empfingen sie, ohne Carré zu bilden, und die Reiter wichen zurück, gebrochen von dem stetigen Feuer Jener. Die österreichischen Truppen in Brada und die Sachsen und Oesterreicher in Dileg waren durch die Einnahme von Podulz ganz getrennt, und die Ersteren wurden fast sämmtlich gefangen. zug abgeschnitten.
Die Lezteren wurden in großer Zahl vom Rück-
Denn von Werther drängte gegen Gitschin, die Straßen über-
füllten sich und der kleine Fluß bildete zur Rechten von den gesprengten Verbündeten einen ausgedehnten Sumpf, der fast ungangbar war.
Der Verlust der Sachsen
zwischen Dileg und Gitschin war fürchterlich ; ſie ſielen dicht nebeneinander und der Boden war mit ihren Leichen bedeckt. Die Preußen litten viel, aber mit nur 4 Regimentern und halb soviel Kanonen, als ihre Gegner hatten , nahmen sie eine sehr starke Position, die von weit überlegener Macht gehalten wurde.
Das Schlachtfeld von Dileß war fast
dichter mit Todten und Verwundeten bedeckt, als das von Lochow.
Zwischen
Dileg und Gitschin war der Boden mit zerbrochenen Waffen, Tornistern, Tschafos
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Schlacht von Staliz.
und Gefallenen übersäct, die meistens entweder Sachsen oder Desterreicher waren ; denn hier wurde die Zündnadel mehr gebraucht, als Artillerie. Während diese von Sieg begleiteten Kämpfe von der Armee des Prinzen Friedrich Karl ausgeführt wurden, gab die unter Befehl des Kronprinzen stehende zweite Armee Zeugenschaft, daß sie großer Thaten fähig sei.
Das Treffen bei
Nachod, welches, wenn es siegreich für die Oesterreicher ausgefallen wäre, ein empfindlicher Schlag für den Einmarsch der kronprinzlichen Armee gewesen sein würde, war, wie bereits geschildert worden ist, für die Preußen ein sehr glückliches ; die Oesterreicher, die mit ausdauernder Hartnäckigkeit gekämpft hatten, waren zurückgeworfen worden ; aber von Nachod an war auch der weitere Marsch der PreuBen ein immerwährender Kampf. Die Gefechte von Nachod und Sfalis , obwohl nicht an einem und demſelben Tage ausgeführt, können eigentlich für Eins gerechnet werden, denn che die Preußen bis zu dem Städtchen Skaliz gelangten, hatten sie sich jeden Schritt vorwärts mit Blut zu erringen. schwere Sträuße
auszufechten.
Hier hatte der alte wackere General von Steinmeß Drei österreichische Armeccorps , das 6. Corps
(Ramming), das 4. Corps (Festetics ) und das 8. Corps (Erzherzog Leopold) ſeßten sich seinem Weitermarsche entgegen.
Unter fortdauernder blutiger Arbeit bis
nahe Skalig vorgedrungen , fanden cie Preußen am 28. Juni die Desterreicher hier in Schlachtordnung aufgestellt, ihrer wartend .
Der alte Friße, wie Soldaten
und Volk Preußens Friedrich den Großen zu nennen pflegen, liebte cs, „ d’rauf zu gehen“ , indem er meinte : „Frische Fische , gute Fische " ; nun der alte General von Steinmez scheint auch auf's D’raufgehen vorzüglich sein Heil zu ſehen, denn er ließ sofort die Westphalen vom 37. Regimente den Angriff eröffnen.
Die Oester-
reicher sahen sich durch diese Kühnheit überrascht, weil die Preußen die Schwächeren waren, General Steinmez hatte nur über sein 5. Corps und 1 Brigade des 6. Corps zu verfügen ; aber ſie fühlten sich durch das Bewußtsein, schon am Tage vorher Sieger gewesen zu sein, so sehr gehoben, daß sie das Gefecht mit gewiſſer Siegesvoraussicht aufnahmen .
Es war eine schwere Arbeit ; die Oesterreicher
hatten selbstverständlich gute Positionen genommen, da ſie das Auswählen gehabt hatten, die Preußen mußten ſich erst durch den Kampf Positionen verſchaffen. Die Desterreicher kämpften ungemein brav, oft stockte das Gefecht, bis es, sich immer mehr erweiternd, zur völligen Schlacht wurde.
Die 24 Geschüße der
Desterreicher thaten ihre Schuldigkeit, die preußischen blieben ihnen nichts schuldig. Das Städtchen Skaliz stand bald in Flammen . Die Preußen rückten auf dem Eiſen-
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Schlacht bei Stalit.
bahndamme immer vorwärts, langſam zwar und unter stetem Kampfe , aber sie gewannen doch an Terrain.
Kaum aber hatten sie die Chauſſee betreten, als der
bisher geregelte Kampf in das wüthendſte Handgemenge überging.
In Skaliz
hatten die Desterreicher Barrikaden errichtet, aber die Preußen überſtiegen ſie oder schossen sie zusammen, und ein Gemegel ohne Gleichen wüthetete von beiden Seiten. Umsonst griff die österreichiſche Cavalerie an, ſie war nicht im Stande, die preußischen Bataillone zu werfen.
Tod, Vernichtung des Feindes auf jegliche Art war
zur Loosung geworden und das preußische Zündnadelgewehr bewährte ſeine ſtaunenswerthe Ueberlegenheit. Zwar donnerten die österreichischen Geschüße fortwährend, aber ſie traſen ſchlecht, die preußischen Kanonen schlugen dagegen verheerend ein, beſonders waren es die aus den glatten Zwölfpfündern abgeſchoſſenen Granaten , welche , in der Höhe plaßend, den Tod niederregnen ließen und welche die Desterreicher mit Entsezen erfüllten.
Der Kampf oder vielmehr die Schlacht, dauerte bis gegen Abend,
dann aber wichen die Oesterreicher, an 4000 Gefangene in den Händen der Preußen lassend ,
ebenso ließen sie 500 Todte , 700 bis 800 Verwundete auf dem
Schlachtfelde zurück.
Von ihren 24 Geschüßen büßten sie 8 ein, nebst 3 Fahnen
und 3 Munitionswagen.
Der Verlust der Preußen war hinsichtlich der Todten
und Verwundeten nicht oder um wenig geringer, nur hatten die Desterreicher keine preußischen Gefangenen gemacht,
auch waren ihnen weder preußische Kanonen
noch Fahnen oder Munitionéwagen in die Hände gefallen. In Nachod, wohin die Preußen die Verwundeten brachten , war fast kein Haus zu finden, das nicht durch das Heraushängen der weißen Fahne aló Lazareth sich angekündigt hätte.
Im Nachoder Schloſſe und in der uralten Dechan-
teifirche lagen die Desterreicher zu Hunderten und meiſtentheils mit fürchterlichen Verstümmelungen , Bilder des Elends und tiefsten Jammers.
In der Schlacht
bei Skaliz ist es vorzüglich hart über die Offiziere beiderseits gegangen.
Die
Desterreicher verloren einen General , mehrere Obersten und viele Stabsoffiziere durch den Tod, die Offiziere in den Regimentern ungerechnet.
Nach beendigtem Kampfe suchten preußische Militärärzte von Soldaten begleitet das Schlachtfeld ab , um den Verwundeten Rettung zu bringen.
Als ſie
an einen seichten Graben kamen, der nur wenig Waſſer hatte, sahen ſie einen blutjungen österreichischen Fähnrich darin liegen, der schwer verwundet worden und den sie sich bemühten, herauszuziehen. hier liegen lassen ,
Mit brechender Stimme bat er, sie möchten ihn
do ihm die Kühle des Waſſers Linderung seiner Schmerzen
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Fahnentreue eines österreichischen Fähnrichs. gewähre.
Da sie erkannten, daß jede angewendete Hilfe an ihm vergebens sein
würde, da er ja schon mehr sterbend als lebend war, gingen sie auf seine Bitten ein. Denselben Weg wieder zurückkommend, fanden sie ihn gestorben, und als sie ihn aus seinem nassen Sterbelager empor hoben, erkannten sie die Ursache seiner vorher an sie gerichteten Bitte. Mit seinem blutigen Körper deckte er seine Fahne,
die er im Leben getragen, und die er nicht cher hatte hergeben wollen , als bis der mitleidige Tod seinen lezten Hauch herbeigeführt hatte.
Ehre dem jungen
Helden, der auf seiner geliebten Fahne seinen Geist aufgab. Von den Preußen war der Oberstlieutenant von Wenkstern geblieben, der Oberst vom 38. Regiment, von Wigleben, schwer verwundet, an höheren Ofifizieren war kein Verlust zu beklagen , dafür hatte der Tod eine ansehnliche Ernte unter den Subalternoffizieren gehalten.
Im 7. und 37. Regimente waren die Compa-
gnicen so gelichtet, daß von den meisten 80-85 Mann fehlten.
Die Umgegend
von Skalig glich einem Chaos, überall hatten die Geschüßkugeln die Dienste des Pfluges verrichtet, den Boden aufgewühlt, ungeheuere Erdbrocken lagen umhergeschleudert, dazwischen Leichen von Desterreichern und Preußen , überall zerstörtes Material und Vorräthe, von Kugeln zerrissene Pferdeleiber, und über diesen Grous
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Ein aufgefundenes Document Benebel's.
hin wälzten sich die Rauchwolken von dem zur Hälfte abgebrannten Skaliz .
Die
Zäune und die Gehöfte, die Bäume am Wege, die verlassenen Dörfer trugen auf eine Meile weit rechts und links die Spuren des furchtbaren Kartätſchenfeuers. Bei dem in dieser Schlacht gebliebenen österreichischen General Fragener fand man mehrere Documente, unter anderen auch folgende Kundmachung Benedek's , welche beweist , wie sicher überzeugt dieser von seinen siegreichen Erfolgen über die Preußen gewesen sein muß : „Ein Theil der unter meinen Befehlen stehenden k. f. Truppen ist auf preußischem Boden. ſomit das Wort :
An das Volk und die Behörden Preußens richte ich ehrlich und offen - daß Alle wissen, was ich
will
fordere und erwarte, und wissen, woran sie mit mir und den f. f. Truppen find.
Vor Allem ist es der allerhöchste Wille des Kaisers, meines erhabenen
Herrn , daß das Recht gewahrt,
die Gerechtigkeit geſchüßt und die Laſt des
Krieges auch dem Feindesland möglichst wenig drückend gemacht
werde.
Dieſem allerhöchsten Befehle werde ich mit Freuden nachkommen ; trage im Herzen weder Haß noch Vorurtheil gegen Preußens Volk; meine Soldatenstrenge gilt nur Jenen, die der kaiserlichen Armee entgegentreten.
Es wer-
den die f. f. Truppen ihre altbewährte Disciplin und Mannszucht beobach ten .
Niemand wird in seinem Eigenthum oder an seiner Person gekränkt
werden.
Die königlichen Justizbehörden mögen unangefochten ihren Amtspflichten obliegen, damit zumal Privatrechte in ihrem Zuge nicht gehemmt werden, Industrie, Handel und Gewerbe nicht ohne Noth die Drangsale des
Krieges noch schwerer empfinden.
Wer immer eine gegründete Klage oder
Beschwerde vorzubringen, wird bei mir oder meinen Unterbefehlshabern stets ein ehrliches und wohlwollendes Gehör und die im Bereiche der Möglichkeit liegende Abhilfe finden.
Dagegen fordere ich, daß sich Jedermann ruhig ver-
halte, seinen friedlichen Beschäftigungen nachgehe und sich ohne Groll oder Widerstand der eisernen Nothwendigkeit beuge, die das Kriegsloos verhängt. Ich werde in meinem Machtbereiche keine Ausschreitung dulden, möge solche gegen die f. f . Armee oder einzelne Perſonen gerichtet sein.
(Nun folgen in
dem langen Schriftstücke Bestimmungen gegen die Urheber feindseliger Acte) . Ueberhaupt warne ich hiermit Jedermann vor Ungehorsam und Feindseligkeit welcher Art immer gegen die k. k. Truppen ; ich werde stets rasch und mit eiserner Hand zu ahnden wiſſen und sind die mir unterſtehenden k. k. Befehlshaber und Militärgerichte vom Tage dieser Bekanntmachung vorkommen
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Kampf bei Jaromirez.
den Falls - mit der Untersuchung und Aburtheilung , sowie mit dem unMöge es dazu nicht kommen , möge
mittelbaren Strafvollzuge beauftragt.
das Volk Preußens mit ernster Besonnenheit und eeler Haltung bemüht sein, das Schicksal seines Vaterlandes nicht zu verschlimmern , und - ich bekenne es laut und gern -wenn ich nicht gezwungen werde meine Hand eisern darüber fallen zu laſſen, ſo ſoll Niemand glücklicher darüber sein als ich. Der Commandant der f. f. Nordarmee.
gez. v. Bencdef. Das ist ganz die Geschichte vom Bärenfell, deſſen Inhaber sich leider noch am Leben befindet, was wegen der zu hoffenden Beſignahme ſeiner Hinterlaſſenschaft immerhin ein sehr unangenehmer Umstand ist.
Fast möchte man glauben,
die übermüthige Siegesgewißheit Desterreichs sei göttlicher Strafe verfallen und darum auch eine so tiefe Demüthigung aller Welt zum abschreckenden Beiſpiel erfolgt. General v. Steinmez ſeßte ohne Raſt ſeinen Marsch weiter fort : indem er nach Gradlig vorrückte, um sich daselbst mit dem bei Trautenau vorgebrochenen Corps zu vereinigen .
Natürlich sahen die Oesterreicher dieſem Vorwärtsmarſche nicht
gleichgiltig zu, und um ihn zu hindern, verſuchten ſie das Schlachtenglück zum drittenmale und zwar bei Jaromirez. Auch dies drei Stunden dauernde Gefecht endigte mit dem Siege der Preußen , die 800 Desterreicher zu Gefangenen machten. Gradlig liegt nordwestlich von Joſephſtadt auf dem Wege von Jaromirez nach Königinhof an der oberen Elbe.
Von Gradlig bis Gitſchin, wo Prinz Friedrich
Karl zulegt stand , beträgt die Entfernung ohngefähr 5 Meilen.
Der der Linie
Gitschin-Gradlig vorgelegene Ort Horsiz oder Horczig , auch oft Horriz genannt, auf dem Wege von Gitſchin nach Königgräß iſt von Gitſchin ſowohl als wie von Gradliß nur drittehalb Meilen entfernt.
Ein gewiß eigenthümlicher Zufall war
es , der der vom Kronprinzen von Preußen befehligten Armee unter den österreichischen Regimentern auch jenes feindlich entgegenstellte, welches „ Kronprinz von Preußen" heißt.
Deſſen tapferer Oberst , Graf von Wimpffen , ſiel im Kampfe
schwerverwundet in die Hände der Preußen. Die Nachwelt wird einst diesen Feldzug den „ Feldzug im Fluge " nennen, denn jeder Tag vom Beginn des ersten Scharmüßels in der Reichenberger Gegend an enthält eine That, einen Sieg. Hätte Jemand in früheren Zeiten erzählt, daß eine Armee in 7 Tagen auch 7 Schlachten geliefert habe, und Schlachten darunter, die denen im Beginn unseres Jahrhunderts hinsichtlich der Dimensionen um nichts
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Einnahme von Königinhof durch die Preußen.
nachstanden, im Gegentheil der Verhältnisse wegen, unter welchen sie geschlagen, faſt überragen, so würde Jeder den Erzähler ausgelacht haben ; aber das unmöglich Scheinende ist möglich geworden , es ist geschehen und dagegen läßt sich vernünftiger Weise nicht protestiren. Ehe noch der Monat Juni zu Ende ging, erfolgte noch ein für die Preußen siegreiches Gefecht, nämlich die Einnahme von Königinhof.
Sie ward am
29. Juni durch eine Brigade des Gardecorps ausgeführt. Schon der erste Sturm gelang, die Garde hatte bis in die Hälfte der Höhen Deckung durch einen Wald, der natürlich von der in Königinhof befindlichen Artillerie tüchtig beſchoſſen wurde. Kaum hatten die Preußen den Rand der Büsche erreicht, als sie unter Hurrahruf die Höhen hinaufstürmten und binnen kürzester Zeit die Kanonen zum Schweigen . brachten. Königinhof war von 6000 Desterreichern besezt, ihre Avantgarde rückte vor , aber ein mörderisches Feuer von Seiten der Preußen trieb sie nach dem Mittelpunkte der Stadt zurück, die Kugeln der Zündnadelgewehre hatten die Dienste von Schnittern gethan, sie hatten die vordersten Glieder der Desterreicher förmlich niedergemäht. Jezt galt es einen Straßenkampf, die Häuſer waren bescht mit Feinden, aber die preußische Garde zwang sie, dieſelben zu verlaſſen.
Binnen ¾ Stunden
waren die Oesterreicher theils vernichtet , theils gefangen , die Muthlosigkeit der Desterreicher war so groß, daß sich immer Trupps zu
20 Mann an 5 bis 6
Preußen ergaben, sobald die Hausthüre gesprengt war. Mit der Einnahme von Königinhof waren auch die Höhen gewonnen, von welchen aus sich ein energisches Bombardement auf die Festung Josephstadt bewerkstelligen läßt, da die Bergzüge höher liegen, als die Retrenchements dieser Festung, ſo daß den gezogenen Kanonen vollkommen freier Spielraum gegönnt ist. Möge am Schluſſe dieses Abschnittes zur beſſern Uebersicht des Lesers die Reihenfolge der Ereigniſſe verzeichnet stehen, welche die lezte Hälfte des Juni ſo denkwürdig machten. Am 15. und 16. Einmarsch der Preußen in Hannover :
General von
Manteuffel. 16. Juni :
Einmarsch der Preußen in Sachsen:
General Herwarth von
Bittenfeld und die 1. Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl. 17. Juni :
Einzug der Preußen in die Hauptstadt Hannover :
Vogel von Falkenſtein. 18. Juni: Einzug der Preußen in Dresden : General Herwarth.
General
Uebersicht der Ereignisse vom 15. bis 30. Juni.
19. Juni: Beyer.
Einzug der Preußen in die Hauptstadt Kassel :
95
General von
Leipzig von den Preußen beſeßt. 23. Juni : Einmarsch des Prinzen Friedrich Karl (1. Armee) in Böhmen
und Vormarsch auf Reichenberg ; Einmarsch der Elbarmee unter General Herwarth von Bittenfeld von Dresden her auf dem rechten Elbufer. 26. Juni : Gefechte bei Liebenau , Turnau und Podol ; Einmarsch der 2. (ſchlesischen) Armee unter dem Kronprinzen von Preußen theils von der Grafschaft Glag aus über Reinerz, Lewin und Nachod , sowie über Neurode und Braunau, theils auf der Landeshuter Straße über Liebau . 27. Juni : Gefecht bei Trautenau ; Gefecht bei Nachod (Wysokow) ; Gefecht bei Hünerwaſſer; Treffen bei Langenfalza. 28. Juni: Gefecht bei Trautenau und Pilnikau, Neudorf und Burkersdorf; Gefecht bei Skaliß ; Gefecht bei Münchengräß und Vereinigung der 1. Armee unter Prinz Friedrich Karl mit der Elbarmee des Generals Herwarth von Bittenfeld ; Gefecht und Erſtürmung von Gitſchin ; Königinhof gestürmt und Gefecht von Jaromirez.
Die hannoversche Armee capitulirt.
Am 30. Juni : Ankunft Sr. Majestät des Königs von Preußen in Reichenberg in Böhmen . Wegen der Uebereinstimmung hinsichtlich der Zeit wird der nächste Abſchnitt die Ereigniſſe in Mitteldeutſchland (Langenſalzaer Schlacht u. ſ. w.) ſchildern, sowie den nöthigen Rückblick auf die Vorgänge in den drei von Preußen occupirten Ländern Hannover, Heſſen und Sachsen enthalten , der demnächst folgende aber der Darstellung der mit den in Deutſchland eng zuſammenhängenden kriegeriſchen Ereigniſſe in Venetien gewidmet ſein.
Die Schlacht bei Langensalza und die weiteren Ereigniſſe Deutschlands bis Ende Juni. Der mitteldeutsche Kriegsschauplaß bot in den Endtagen des Juni fein erfreulicheres Bild als der des Krieges in Böhmen, nur mit dem einzigen Unterſchiede, daß die daſelbſt ſtattfindenden Kämpfe nicht so ungeheure Dimenſionen annehmen konnten, weil die ſtreitenden Parteien hinsichtlich der numeriſchen Stärke, welche sie einander entgegenzustellen hatten, sich gegen die Maſſen der in den bereits geschilderten Schlachten auf böhmischer Erde Kämpfenden fast wie 1 zu 6
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Proclamation des Königs Georg von Hannover an sein Voll.
verhielten. Indeß wurde auf mitteldeutschem Gebiet mit einer Schlacht begonnen, die zu den späteren Kämpfen zwischen Preußen und den Baiern nebst Bundestruppen, so vernichtend und menschenfressend sie auch waren , doch als eins der großartigsten Vorspiele zu betrachten ist. König Georg von Hannover entzog seine aus 20,000 Mann Infanterie mit 60 Kanonen und 6 Cavalerie-Regimentern bestehende Armee dem Kampf mit den Preußen, welche auf Göttingen zu marschirten, um dieser Armee ein Treffen zu liefern.
Mit dem Wunsche, den Anschluß an die Baiern zu gewinnen, mochte
bei ihm wohl auch der, sein Land nicht zum Schauplag eines blutigen Zuſammenſtoßes zu machen , von nicht geringem Einflusse sein.
Bei dem Abzuge ſeines
Heeres erließ er folgende beide Ansprachen :
" An mein getreues Volk ! " hat Mir den Krieg erklärt.
Se. Majestät der König von Preußen
Das ist geschehen , weil Ich ein Bündniß nicht
eingehen wollte , welches die Unabhängigkeit Meiner Krone und die Selbstständigkeit Meines Königreichs antastete, die Ehre und das Recht Meiner Krone demüthigte und die Wohlfahrt Meines getreuen Volkes erheblich zu verlegen geeignet war. Eine ſolche Erniedrigung war gegen Mein Recht und wider Meine Pflicht, und weil Ih sie zurückwics, brach der Feind in Mein Land.
Ich verließ die augenblicklich gegen feindlichen Ueberfall nicht zu
schüßende Reſidenz , die Königin und Meine Töchter , die Prinzessinnen , als theuere Pfänder Meines Vertrauens zu den getreuen Bewohnern
Meiner
Hauptstadt dort zurücklaſſend, und begab Mich mit dem Kronprinzen, wohin Meine Pflicht Mich rief, zu Meiner treuen und auf Mein Geheiß im Süden Meines Königreichs raſch ſich ſammelnden Armee.
Von hier aus richte Ich
an Mein getreues Volk Meine Worte. Bleibt getreu Eurem Könige auch unter dem Drucke der Fremdherrschaft, harret aus in den Wechselfällen der kommenden Zeiten, haltet fest wie Eure Väter, die für ihr Welfenhaus und für ihr Vaterland in nahen und fernen Landen kämpften und endlich siegten, und hoffet mit mir , daß der
allmächtige Gott die ewigen Gesetze des
Rechts und der Gerechtigkeit unwandelbar durchführt zu einem glorreichen. Ende.
Ich in der Mitte Meiner treu ergebenen , zu jedem Opfer bereiten.
Armee, vereinige mit dem Kronprinzen Meine Bitten für Euer Wohl. Meine Zuversicht steht zu Gott.
Mein Vertrauen wurzelt in Eurer Treue.
Göttingen, den 17. Juni 1866.
Georg Reg. "
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Marsch der Hannoveraner.
,,Georg V. von Gottes Gnaden König von Hannover, königl. Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu BraunschweigLüneburg
etc.
Wir finden
Uns ,
nachdem ein Theil Unsers Königreichs
durch Vergewaltigung in fremden Besiz genommen, rücksichtlich Unserer getreuen Civildienerschaft zu bestimmen bewogen, daß aller Orten, wo die Ausübung Unſerer allein rechtmäßigen Regierungsmacht durch überwiegende Gewalt behindert, Unſerer getreuen Civildienerschaft aber die Fortführung der ihr von Uns oder durch Unsere Behörden angewiesenen Dienstgeschäfte angefonnen wird, Wir derselben diese Fortführung zum Besten Unserer Landesunterthanen und Landesinteressen gestatten wollen , vorbehältlich jedoch der in Gemäßheit des Uns geleisteten Huldigungseides Uns zu bewahrenden Unterthanentreue. Georg Rex."
Gegeben Göttingen, 17. Juni 1866.
Was man von der schlechten Ausrüstung der hannöverschen Armee , besonders der Infanterie , erzählte , zeigte sich bald als erlogen, im Gegentheil war die Ausrüstung mit Munition für die Infanterie diese im Marsche sogar sehr beschwerend. Mit nur 6 Patronen in der Taſche, wie es hieß, daß die hannöverſchen Infanteristen bei ihrem Ausmarsche aus ihrem Vaterlande versehen gewesen sein ſollten , liefert keine Armee eine fiebenſtündige Schlacht , dieſe Lüge ist zu handgreiflich.
Der König verließ die Armee nicht, er zog mit ihr fort.
Ihr Marsch ging natürlich durch preußisches Gebiet.
In Heiligenstädt
hatten sie den Landrath fest- und die k. preußischen Kaffen in Beſchlag genommen, die Einwohner mußten große Lieferungen an Hafer , Heu , Brod , Fleiſch u. s. w. herbeischaffen, beim Einmarsch in Nordhausen erließ General Arnschildt, der Commandeur der Hannoveraner, eine Proclamation , deren Inhalt den Zwang aussprach, den Einwohnern die Laſt der nöthigen Verpflegung seiner Truppen auferlegen zu müſſen ; beſonderen Eindruck brachte sie auf die Gemüther nicht hervor. Mehr Eindruck machte indeß die Erfahrung, daß fie die Kaſſen (königliche) in Beschlag nahmen , weswegen an allen Orten , wo man ihr Kommen vermuthen konnte, die Beamten sich und die Gelder ſchleunigst in Sicherheit zu bringen ſuchten. Die Stadt Langensalza hatte Beſonderes zu fürchten, da in der Umgegend fein preußischer Soldat zu sehen war.
Eine Schwalbè macht noch keinen Sommer,
aber fie deutet seine baldige Ankunft wenigstens an, so ging es den Langensalzaern, als eine Schwadron preußischer Landwehr - Uhlanen einritt.
Das war wenigstens
ein Schimmer von Schuß ; indeß diese Freude gestaltete fich bald in Schreck um, denn mit dem 23. Juni begannen die ersten Feindseligkeiten. Kriegsereignisse.
Der hannöversche 7
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Einzug des Königs Georg in Langenſalza.
Vortrab machte mit den ausgestellten preußischen Vorposten wenig Federlesen , er hieb fte entweder zusammen oder nahm sie gefangen.
Einer der hannöverſchen
Offiziere hatte die Keckheit, dicht vor der Stadt.am Postgebäude die Telegraphendrähte zu zerhauen, man nahm ihn fest und brachte ihn in die Stadt, aber gleich darauf sprengten hannöverſche Reiter bis vor's Rathhaus und erzwangen mit wildem Drohen die Freilaffung des Arretirten. Nun dauerte es auch nicht lange, bis das Gros der Armee, an der Spige der König zu Roß, das von einem neben ihm reitenden Adjutanten an der Leine geleitet wurde, da König Georg, wie bekannt, blind ist, in die Stadt einrückte. Dieser Anblick war kein erfreulicher.
Der König, eine große schöne Gestalt,
die lichtlosen Augen , denen man die Blindheit nicht ansieht , nach oben gerichtet, wie es seine Gewohnheit ist , ritt , ein armer blinder Führer, seinem Geschicke entgegen. Ihm
fast stets zur Seite befand sich der österreichische Gesandte, Graf
Ingelheim, welcher keine andere Aufgabe hatte , als die flehentlichen Bitten des Kronprinzen , in eine halbwege günſtige Capitulation mit Preußen einzuwilligen, niederzuschlagen , und dazu brauchte der Gesandte nichts weiter, als den König an feine Ehre als Welfe zu erinnern.
Das war noch viel trauriger.
Hinter ihm her wogten die Colonnen seiner Armee in und durch die Stadt, in der ungefähr 10,000 Mann Nachtquartier nahmen.
Am nächsten Tage rückten
jedoch die Hannoveraner wieder aus, um Stellung in der Nähe zu nehmen. Wer diesen Troß von Pferden und Wagen sah , konnte sich ein Bild von den Kriegszügen des
17. Jahrhunderts machen , wenn Wallenstein mit ſeiner
„Armada“ marſchirte.
König Georg hatte ſeinen Marstall vollſtändig und eine
Menge glänzende Hofcaroffen , desgleichen eine Anzahl Brankardwagen , bei sich, sein höheres Hofperſonal, der Minister und der österreichische Gesandte desgleichen, wodurch der Einzug etwas Impoſantes erhielt. Der König von Preußen ließ durch ſeinen Generaladjutanten , Herrn von Alvensleben , dem König Georg Capitulationsbedingungen zustellen.
Die han-
növersche Armee sollte frei mit Wehr und Waffen abziehen , wenn er , der König, fich mit Garantieleiſtung verbürge, daß sie während der Dauer eines Jahres nicht gegen Preußen dienen werde, auch er solle ein Jahr außerhalb seines Landes verleben.
Entschieden lehnte König Georg diese Capitulation ab , weil er keine
Garantie leisten wollte.
MU SH SE Hannoveraner jedoch Meldung be Während dieser Verhandlungen Ihatten die T T I BR
99*
Die Schlacht bei Langensalza.
kommen, daß die bairische Armee bis Meiningen , ja bis zum hessischen Dorfe Brotterode , vorgerückt sei , und das bestimmte sie, den Durchbruch dahin zu verſuchen, was aber eine bei Eisenach aufgestellte kleine Truppenmacht, Preußen und Gothaer, verhinderte. Erregte diese Vereitelung schon den Grimm der Hannoveraner bedeutend, so noch mehr das unwahre Gerücht , die Preußen hätten in deren Hauptstadt das Ernst-August Denkmal zerstört und die schöne Herrenhäuſer Allee umhauen laſſen. Der Haß steigerte sich in den ohnehin grolligen Gemüthern bis zu den grimmigsten Verwünschungen und dem Drang, mit den Preußen so bald als möglich anzubinden Und noch einmal schickte der König von Preußen am 26. Juni einen seiner hohen Offiziere
mit erneuerten Capitulationsbedingungen und auch dieſe
wurden zurüdgewiesen.
Fest hoffte König Georg auf die nahe Hülfe der Baiern,
besonders da er durch Spione die numerische Schwäche der Preußen und Gothacr erfahren hatte ; der König von Preußen dachte aber anders und überschickte ihm nun das Ultimatum , dem als leßter Mahnung der Kampf folgen mußte.
So
war denn auch hier der Würfel gefallen, welcher Tod und Verderben brachte. Der 27. Juni 1866 wird in der Chronik von Langensalza ein ewig denkwürdiger Tag bleiben , denn dieser Tag war nicht nur der geseßliche Bettag in Preußen , sondern auch ein Tag wilden Blutvergießens, an das Niemand von den friedlichen Einwohnern geglaubt hatte. Aus der Richtung von Gotha her begann Kanonenfeuer sich hörbar zu machen, die auf dem Wege dahin aufgestellten Hannoveraner zogen sich zurück, die Preußen und Gothaer rückten ihnen nach.
Ohne Widerstand zu leisten , wendeten
ſich die Erſteren, die Stadt umgehend, nach Osten, wo sie schon vorher eine außerordentlich günstige Stellung , fast einer Festung ähnlich, auf dem Kirchberg bei Merxleben gewählt und ihr Gros fich concentrirt hatte.
Was noch von Han-
noveranern in der Stadt war, wurde förmlich hinweggeblasen von den Vortruppen der eiligst nachrückenden Preußen - Gothaer , welche durch die Stadt zogen. Jüdenhügel , wo die Hannoveraner Posto gefaßt, kam es zum Sturm.
Beim
Ein Ba-
taillon Coburg-Gothaer nahm und behauptete ihn , bald postirte sich die preußische Artillerie auf demselben.
Der Jüdenhügel iſt ungefähr ein kleines halbes Stündchen
von Langensalza entfernt und liegt der Merɣleber Höhe schief über.
Die Stellung
der Hannoveraner auf der Höhen- Strecke vom Dorfe Kirchheiligen nach dem Dorfe Sundhausen bis Dorf Klettstädt und Merɣleben war eine den Preußen sicher Verderben drohende und beinahe unangreifbare. 7"
100
Die Schlacht bei Langensalza.
Der Merɣleber mit Batterien armirte Kirchberg ist eine nach Unstrut und Salza zu steil abfallende Höhe von ungefähr dreihundert Fuß, auf der Vorderseite geſchüßt von dem tiefen und breiten Separationsgraben , der sogenannten neuen Unstrut , dann von der alten oder eigentlichen Unstrut und von der Salza , deren Ufer hoch und sehr abſchüſſig find.
Im Hintergrunde wird dieſe außerordentlich
günstige Position von dem Dorfe Meryleben , vielen Baumgruppen und Gräben gedeckt und die weiter darüber hinaus liegenden mit zahlreichen Geſchüßen gespickten Klettstädter Höhen waren vorzüglich geeignet , mit scharfem Artilleriefeuer Alles vernichtend niederzuſchmettern, was den Kirchberg bedrohte. Außer dieſer Begünstigung durch die Oertlichkeit , welche der guten reich mit Munition versehenen hannöverschen Artillerie besonders zu statten kam, ist noch der vorzüglichen und mit sehr kräftigen Pferden ausgerüsteten hannöverschen Cavallerie zu gedenken , welche sich bei dieſem ſo ungleichen Gefechte durch Schnelligkeit und Muth ſehr auszeichnete ; Bewunderung aller Kriegsverständigen aber erregte die Kühnheit und offenbare Todesverachtung, mit welcher die kleine preußisch-gothaische Kriegsmacht dieser durch natürlich günstiges Terrain gedeckten und durch gute Ausrüstung und ſoldatiſche Schule ausgezeichneten Armee zu Leibe ging. Die Preußen und Gothaer waren zusammen höchstens 9000 Mann mit 16 Kanonen und einigen Reiterſchwadronen.
Ihr Commandeur war der preußische
General von Fließ ; die Gotha-Coburg'schen Bataillone wurden vom Oberst Fabeck und Oberstlieutnant Westernhagen geführt. Die Sonnengluth war enorm , die Angreifenden hatten bereits einen mehrſtündigen Marſch gemacht, eine Anstrengung, die an einem Kampftage schwer in die Waage fällt. In der Mitte zwischen dem Jüdenhügel und Meryleben entspann sich ein wüthendes Infanteriegefecht, die Preußen hatten das buschige Wäldchen am Schwefelbade besezt und hier und auf der nahen großen Wieſe entlud sich ein wahres gegenseitiges Höllenfeuer ; die preußischen Zündnadelgewehre verheerten förmlich die feindlichen Reihen , so daß die Hannoveraner dreimal durch die Unstrut und Salza zurückgetrieben wurden , aber wuthentbrannt wieder zurückkehrten und dem auf sie anstürmenden Feind bedeutende Verluste beibrachten.
Die hannöverſchen
Geschüße spielten fürchterlich von den Höhen dazu und decimirten die Preußen und Gothaer, die jedoch mit ungeschwächtem Muthe Stand hielten, obwohl 2 ihrer Kanonen bereits demontirt (unfähig zum Feuern) gemacht worden waren.
Ein
Unterschied stellte sich indeß bei dem beiderseitigen Kanonenfeuer schlagend heraus, die Preußen feuerten schneller, die Hannoveraner langsamer, schwerfälliger.
101
Die Schlacht bei Langensalza.
Es würde zu weit führen, auf Einzelheiten dieſes Kampfes einzugehen, der mit einer mörderischen Erbitterung fortgesezt wurde.
Die Gothaer zeichneten sich
höchst ruhmreich aus , sie begrüßten ohne Uebertreibung zu sagen den Tod mit jubelnden Hurrah's.
Sie und die Preußen litten entseßlich unter dem hannover-
ſchen Geſchüßfeuer, das elfte Grenadierregiment wurde besonders hart mitgenommen. Das Füselierbataillon des 20. Landwehrregiments , lauter Berliner Kinder, stand wie aus Eisen gegossen im Quarré , als die hannöversche Reiterei auf daffelbe heranbrauſte ; das Quarré ſchien verloren im nächsten Augenblicke, da aber krachten plöglich alle Zündnadelgewehre los und im blutigen Knäuel wälzten sich die Reiter mit ihren Roffen am Boden , der Angriff war somit vollständig abgeschlagen und ebenso heldenhaft stand dies Füselierbataillon im wüthendsten Kartätschenhagel. Schillers Wort :
„ Ein Schlachten war's , nicht eine Schlacht zu nennen,“
bewährte sich hier vollständig. Preußen und Gothaer ,
Wie vorauszusehen war , mißlang der Angriff der
aber die Hannoveraner konnten den dadurch erlangten
Vortheil nicht benußen , denn ſelbſt im Rückzuge noch überschüttete die preußische Artillerie die ihr nachdringende hannöverſche Cavallerie mit so dichtem Kartätſchenhagel, daß diese sich zur Umkehr gezwungen ſah, deshalb war auch die Verfolgung der fich zurückziehenden kleinen Armee , deren Reihen furchtbar gelichtet worden waren, nur eine sehr kurze. Der Kampf hatte früh um halb 10 Uhr begonnen und endete erst gegen Abend , und in diesen 6-8 Stunden waren 4000 gefallen , todt oder verwundet. Welch einen schauervollen Anblick bot das Schlachtfeld !
Es glich einem Saat-
felde für Menschenleichen und Pferdecadavern , das Blut bildete Tümpel und Lachen , immerfort stiegen die Hilferufe der Schwerverwundeten , das Schmerzgewimmer und angstvolle Stöhnen der hier liegenden verstümmelten Unglücklichen zum Ohre Gottes , zum Ohre der Menschen um Hilfe, um Erbarmen, auf. Wir haben die Zeit der Folter- und Henkerqualen hinter uns , über diesen Auswuchs der Unvernunft hat die Humanität geſtegt, wann wird die Zeit kommen, wo feine Schlachten mehr möglich find ?
Dann erst haben wir ein Recht, die
menschliche Vernunft zu preiſen, eher nicht. Ein Gothaer Augenzeuge berichtet : die wir gestern erlebt.
" Es find traurige Stunden gewesen, „
Die Preußen rückten Vormittags zum Angriffe vor.
Die
Hannoveraner standen in festen Stellungen dicht bei Langensalza, in der Nähe von Merrleben und Nägelstädt.
Ihre Artillerie war gut postirt ; sie bestrich weithin
Felder und Wiesen und hat dem coburg-gothaischen Bataillone, das die Avantgarde
102
Die Schlacht bei Langensalza .
bildete, furchtbar zugefeßt ; ebenso dem 20. und 27. preußischen Infanterie - Regimente.
Die Preußen find zurückgeschlagen worden, haben 2 Kanonen und 6- bis
700 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen verloren. Abends kamen die ersten Verwundeten hier an. war groß.
Gegen 5 Uhr
Die Aufregung des Publikums
Auf der Goldbacher und Warzaer Chauffee kamen die armen , vor
Schmuß, Staub und Blut kaum noch Menschen ähnlich sehenden Soldaten hier an. Das Schießhaus ist zum Lazareth eingerichtet worden, es lagen daselbst heute Morgen 71 Mann , andere im Krankenhause und Militär - Hospitale. die Hannoveraner haben sehr gelitten.
Aber auch
Es sind gegen 150 Gefangene und viele
Beutepferde hier eingebracht worden. Die preußischen Truppen , besonders aber unser Bataillon , haben sich mit einer über alles Lob erhabenen Bravour geschlagen.
Die Hannoveraner waren
auf allen Positionen an Stärke überlegen , ihre Stellungen schon der vortrefflichen Lage wegen nur schwer einnehmbar.
Von unseren Leuten hat jede Compagnie
durchschnittlich 30 Mann verloren , viele mehr als die Hälfte , andere weniger. Gegen 900 Mann unserer Truppen wurden gefangen, da die glühende Hiße, welche fie nicht einmal durch einen Trunk Waſſers lindern konnten , fie marode gemacht hatte.
Gestern Abend kamen indeß die sämmtlichen Leute , doch ohne Waffen, zu-
rück, da die Hannoveraner sie mit den Worten entlassen hatten : „ Sie hofften fich bald als Freunde wieder zu sehen.“ Von unseren Mannschaften find im Feuer gewesen und haben starke Verluste: das ceburg - gothaische Bataillon, das 11. preußische Infanterie - Regiment, das 17. und 32. Landwehr-Regiment und die 7. westphälische Artillerie-Abtheilung (schwere reitende Artillerie). Aber auch der Feind ist furchtbar mitgenommen worden.
Bei einem Ca-
vallerie Angriffe desselben auf ein Quarré von 400 Mann, sind von der ersten Schwadron ein Mann mit zwei Pferden davon gekommen, die zweite wurde ebenfalls gesprengt , und erst die dritte brach das Quarré.
In dem nun folgenden
Handgemenge erhielten viele Soldaten Säbelhiebe , viele haben Schüsse an den Füßen , eine ganze Anzahl Helmspißen find weggeschossen worden.
Ich sah meh-
rere Soldaten, deren Bajonette umgebogen und gebrochen waren, wie Blechſtreifen, da sie es den hannöverischen Pferden bis an den Lauf in den Leib gestochen hatten. Für die Verwundeten ist hinreichend Sorge getragen worden.
Außerdem,
daß Viele in Privathäusern Aufnahme gefunden haben , sind im Schießhauſe , im Militärlazarethe und im Krankenhauſe an 150 untergebracht.
Ich machte geſtern
Das Schlachtfeld bei Langensalza.
108
mit unserer Einquartierung , einem Herrn Stabsarzte , einen Gang durch die Lazarethe, wurde aber schon im Militärhospitale ohnmächtig. - Der Vater ist gestern faum in's Haus gekommen , er ging Morgens 5 Uhr weg und kam um 11 Uhr Abends wieder , da er die Leitung der Krankenpflege auf dem Schießhause übernommen hatte.
Eine große Anzahl Damen hat sich zum Dienste in den Lazare-
then gemeldet, die Gaben an Verbandzeug, Erfrischungen und Geld find wahrhaft fürstlich.
Einer übertrifft den Anderen an Opferfreudigkeit und der oft fleinliche
Kastengeist unserer Gothaer hat einer so thätigen Hingabe an die alle Herzen erschütternde Aufgabe , Noth und Elend zu lindern , Plaß gemacht , daß ich heute fage:
Ich freue mich , solcher Stadt Sohn zu sein !" ... Dem Obersten Fabeck
ist ein Pferd unter dem Leibe erschossen worden ; Major v. Westernhagen ist gefallen, Hauptmann v. Zedlig leicht verwundet ..."
Als der Kanonendonner schwieg , das Kleingewehrfeuer verstummt und nur noch das Aechzen und Stöhnen der zahlreichen jammervollen Opfer, die als Zeugen dieses im engsten Sinne des Wortes gelieferten Bruderkampfes das entseßliche Leichen- und Blutfeld bedeckten , allein zu hören war , mischte sich auch König Georg am Arme seines Kronprinzen gehend unter die Menge der von allen Seiten
Die Gräber bei Langensalza.
104
Herbeieilenden , welche hierher kamen zur Vollziehung echter Samariterdienste an den noch lebenden Unglücklichen. Es war der erste Versöhnungsschimmer , hier die braven Turner zu ſehen, wie sie die Verstümmelten , noch Athmenden , mit Blut Ueberströmten vorsichtig aufhoben und forttrugen , durch die Bluttümpel watend , denen nicht auszuweichen war, wie Frauen den verschmachtenden Verwundeten Labung einflößten.
Aus allen
umliegenden Städten waren Aerzte herbeigekommen , um hier ihr graufenhaftes und doch so wohlthätiges Geschäft zu beginnen, und doch waren es noch zu Wenige, man mußte nach Berlin telegraphiren , um welche herbeizuziehen , daß sie in den überfüllten Spitälern in ihrer Kunst , Menschenleben zu retten , wirken könnten, denn hier fehlten die Kräfte dazu. Alle , Aerzte , Turner , Frauen , Bürger und Bauern legten Hand an das schöne Werk der Menschenrettung, und der an der Seite des von den Schauern. des Schlachtfeldes zu Thränen gerührten, weinenden Kronprinzen wandelnde König mit den lichtlosen Augen -- weinte. Er sah den Jammer nicht, der ringsumher wie zur Schau weit ausgebreitet lag ; aber er hörte ihn und fühlte ihn durch's Ohr als Mahnstimme zum Herzen dringen. An diesem Tage war er nicht in Langensalza geblieben , sondern hatte während deſſelben in der Pfarre zu Thamsbrück ſeinen Aufenthalt genommen, nach der Schlacht erst kehrte er nach der Stadt zurück in ſein Quartier im Schüßenhaus.
Graf Ingelheim, der österreichische Gesandte, scheint von da an seinen Ein-
fluß auf den König verloren zu haben, vielleicht daß doch des Kronprinzen flehentliche Bitten, seine lebhaften Schilderungen des entſeßlichen Jammers , deffen er Augenzeuge geworden, und auch die Vorstellungen anderer hochstehender Männer, das unglückliche Spiel nicht weiter zu treiben, mächtiger auf König Georg wirkten, als Ingelheim's berückende Mahnung :
Vergessen Ew. Majestät nicht , daß Sie
ein Welfe find."
Von den Gräbern der Gefallenen bei Langensalza gab ein Originalbericht der „Br. Ztg.“ folgende Schilderung : Zwischen Langensalza und Merxleben befinden sich links von der Straße sechs große Gräber neben einander, in jedem von ihnen schlafen zehn Krieger.
Weiter abwärts erhebt sich wiederum ein bedeuten-
der Grabhügel , wie viele hier ruhen , das weiß Niemand.
Rechts von der Land-
straße , im sogenannten Badewäldchen , welches die muthigen 11 er und 20er so viele Stunden vertheidigten , liegen in zwei großen Gräbern die Tapferen der Regimenter, Schlesier und Berliner , welche hier für König und Vaterland ihren
the
105
Die Gräber bei Langensalza.
Tod fanden.
Sie haben die herrlichste Grabstätte gefunden , Jahrhunderte alte
Bäume beschatten die Stelle ihres Ruhmes und ihrer Ruhe.
Nicht wenige find
es, die hier von ihren Erdenmühsalen für immer ausruhen , hatte doch das 11 . Regiment allein einen Verlust von über 450 Todten und Verwundeten. Das größte gemeinschaftliche Grab bekamen 380 Hannoveraner, welche man in der Nacht vom 27. zum 28. Juni bei Merɣleben zuſammen gelesen hatte, ſte wurden auf dem Kirchhofe des genannten Dorfes beerdigt.
Augenzeugen er-
zählten mir , wie es eine erschütternde ihnen unvergeßliche Scene gewesen sei , als der alte würdige, im Weiß des Greifenalters prangende Geistliche , von den Hannoveranern Nachts 12 Uhr aus seiner Wohnung geholt , an das große Grab getreten ſei und mit einer , häufig vom Schluchzen unterbrochenen Stimme den 380 ohne Ordnung und offen zu seinen Füßen liegenden Kriegern beim hellen Schein des Mondes die Grabrede gehalten habe. beerdigt werden sollten.
Und noch waren es nicht alle, die hier
Am Nachmittage des 28. habe man wieder so viele zu-
ſammengetragen, daß ein mir Bekannter gerade 90 zählte, welche man nebeinander an die Kirchhofsmauer gelehnt , und deren jedem die Bauern ein Sträußchen in die Hand gegeben hatten.
Und als er , so erzählte mir der Genannte , über die
niedrige Mauer hinweggesehen, da hätten noch mindestens ebensoviel innerhalb derfelben gelegen.
Alle dieſe fanden ihre Ruhestätte in einem zweiten gemeinſchaft-
lichen Grabe auf dem Kirchhofe zu Merɣleben. Auf dem Gottesacker zu Langensalza selbst waren am Tage nach der Schlacht nur circa 70 beerdigt worden, darunter viele hannoversche Offiziere. König Georg selbst hatte dieſen mit allen militärischen Ehren Beerdigten die leßte Ehre erwiesen. Der hannoversche Hofprediger , der hier die Leichenrede hielt , sprach dabei unter Anderem aus , daß bei einem künftigen Friedensschluffe dieser fiegreichen Schlacht wohl werde Rechnung getragen werden müſſen, auf daß die Integrität des Königreichs Hannover gewahrt werde. vor sich hingenickt haben.
König Georg soll bei diesen Worten zustimmig
Der siegreichen Schlacht folgte aber am andern Tage
bekanntlich die Entwaffnung des fiegreichen Heeres.
Außer den genannten 70
haben aber auf dem Langensalzaer Friedhofe noch die Vielen ihr Grab gefunden, die im Laufe der verflossenen Wochen an den Folgen ihrer Verwundungen in den Lazarethen gestorben find. Als ich Langensalza in der siebenten Woche nach der Schlacht verließ, sah ich an den ausgesteckten Nummern, daß bereits 257 ihre Ruhestätte dort gefunden hatten.
Die Gräber der auf dem Rückzuge hauptsächlich bei den von den Han-
106
Die Capitulation zwischen Preußen und Hannover.
noveranern auf die unſrigen unternommenen blutigen Reiterangriffen Gefallenen befinden sich auf der Rückzugslinie ſelbſt, ſüdöstlich von Langensalza, im sogenannten Jlleber Grunde , zwischen der Stadt und den Dörfern Illeben und Hennigsleben.
Alle diese Grabſtätten , mit Ausnahme derjenigen , die einzeln mitten auf
Aeckern liegen , werden gegenwärtig auf Kosten der Königin von Hannover kunſtmäßig zurecht gemacht. Zwei Jahrtausende hindurch ist deutscher Boden mit deutſchem Blute , gefloffen im brudermörderischen Kampfe , gedüngt worden , mögen die Gräber von Langensalza und die vom Maine die leßten sein, welche uns an eine traurige Vergangenheit unseres großen Vaterlandes erinnern.“ König Georg schickte den Oberbefehlshaber seiner Armee , General Arnsschildt , in's preußische Hauptquartier , um eine günſtige Capitulation einzuleiten. Und dieser Wunſch erfüllte sich. Der König von Preußen beauftragte ſeinen General-Adjutanten, Freiherrn v. Manteuffel , die Verhandlungen zu führen und den hannöverschen Truppen in Ansehung ihrer tapfern Haltung folgende Bedingungen zu gewähren : a) Der König von Hannover mit dem Kronprinzen und beliebig auszuwählendem Gefolge nehmen ihren Aufenthaltsort nach freier Wahl außerhalb des Königreichs Hannover.
Sr. Majestät Privatvermögen bleibt zu deffen
Verfügung. b) Offiziere und Beamte der hannöverschen Armee versprechen auf Ehrenwort , gegen Preußen nicht mehr zu dienen , behalten Waffen , Gepäck und Pferde, sowie demnächst Gehalt und Kompetenzen und treten der preußischen Administration des Königreichs Hannover gegenüber in dieselben Rechte und Ansprüche, welche ihnen bisher der Königlich hannöverschen Regierung gegenüber zustanden. c) Unteroffiziere und Gemeine in der Königlich hannöverschen Armee liefern Waffen, Pferde und Munition an die von dem König von Hannover zu bestimmenden Offiziere und Beamten und begeben sich in den von Preußen zu bestimmenden Echelons mittels Eisenbahn in ihre Heimath, mit dem Versprechen, gegen Preußen nicht zu dienen. d) Wagen,
Pferde
und
sonstiges. Kriegsmaterial
der hannöverschen
Armee werden von besagten Offizieren und Beamten an preußische Kommissare übergeben.
Fla
Eine Anklage.
107
Diese Bedingungen sind von dem König von Hannover angenommen worden. Das Schicksal wirkt oft mit bitterer Ironie.
König Georg und sein
Kronprinz nebst Hofstaat begaben sich nach abgeschloffener Capitulation zuvörderſt auf ein Jagdschloß des Altenburger Herzogs , welches den Namen : „ Glückliche Biederkunft" führt.
Als die Zeitungen diese Kunde brachten , lächelten Biele,
denn ... zwiſchen Anfang und Ende eines weltgeſchichtlichen Ereigniſſes liegt eine ungeheure Kluft, deren Ueberbrückung in der Regel sehr unsicher zu ſein pflegt, und Manches gestaltet sich unerwartet zu einer traurigen und unglücklichen Wiederfunft um. Die als Organ des Ministerpräsidenten Grafen Bismarck allgemein bekannte Norddeutsche Allgemeine Zeitung
veröffentlichte später
in einem ihrer
Artikel folgende die hannöverſche Regierung allerdings sehr stark compromittirende Thatsache : „In
einer officiellen an Preußen
gerichteten Note hatte Hannover jede
feindselige Absicht in Abrede gestellt und es für selbstverständlich erklärt, daß Hannover in einem Kriege zwischen Preußen und Oesterreich neutral bleiben würde, vorausgesezt, daß auch Preußen die Neutralität Hannovers reſpectire.
Troßdem wurden von
der hannöverschen Regierung gleichzeitig Correſpondenzen mit Wien gepflogen, welche den Zweck hatten, die hannöverschen Truppen an die aus Holstein sich zurück und durch Hannover ziehende Brigade Kalik anzuſchließen und Oberbefehl (des Freiherrn v. Gablenz) zu stellen.
unter österreichiſchen
Indeß da bieſer beabsichtigte
Anschluß große Mißstimmung in der hannöverschen Armee hervorrief, ſah ſich König Georg veranlaßt , den Kaiser Franz Joseph zu bitten , ihn des lezteren Theiles seines Versprechens zu entbinden.
Dagegen sollte die hanndverſche Armee
bereit bleiben, zu der Brigade Kalik zu stoßen, um den Kern für den Angriff und Widerstand gegen Preußen im Norden zu bilden.
Und dies geschah ohne Zurück-
nahme des von Hannover an Preußen gegebenen Versprechens der Neutralität." Welche Winkelzüge ! welche Intrigue !
Es wäre demnach ,
vorausgesezt,
daß diese Anklage Wahrheit enthält, so ganz im Stillen auf einen nun verhofften Schlag gegen Preußen abgesehen gewesen. halten Preußen gegenüber !
Wie anders stellt sich Sachsens Ver-
Die Regierung dieses kleinen Königreiches trat offen
mit seiner Meinung gegen Preußen auf, es zeigte sich diesem Großſtaat gegenüber als ein zwar kleiner, aber ehrlicher Gegner , der sich nicht hinter Lügen versteckt.
108
Abschieds - Proclamation Königs Georg.
Der Vorwurf der Doppelzüngigkeit ruht nicht auf Sachſen', höchstens der, daß Herr von Beust nicht die rechte Sehergabe besaß , um seinen diplomatiſchen Künsten bei Zeiten den Kappzaum einer für König und Land weniger schlechte Reſultate versprechenden Mäßigung anzulegen ; aber ein Heer zur Seite wie das österreichische und das Bewußtsein einer anerkannten Bundesgenossenschaft mit den deutschen Südstaaten, an deren Spize das mächtige Baiern stehen werde, dergleichen fann leicht verblenden und hat diesen gewiegten Staatsmann auch verblendet , daß er Weizen wachsen sah, wo nur Unkraut wucherte. König Georg erließ an seine nach der Heimath abziehenden Landeskinder folgende Ansprache : „Hauptquartier Langensalza, 27. Juni 1866. Ihr, mein tapferes Kriegsheer, habt mit einer in der Geschichte beispiellosen Begeisterung und mit einer noch nie dageweſenen Willigkeit Euch auf Meinen Ruf und freiwillig in den südlichen Provinzen meines Königreiches, ja selbst, als Ich bereits von Meinem theuren Sohne , dem Kronprinzen begleitet , an der Spize von Euch nach dem südlichen Deutschland zog , noch auf dem Marsche um Eure Fahnen versammelt , um die heiligsten Rechte
וי
Meiner Krone und die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit unseres theuern Vaterlandes zu bewahren, und heute habt Ihr in Meiner und Meines theuern Sohnes und Thronfolgers Gegenwart , mit dem Heldenmuthe Eurer Våter fämpfend , unter dem gnädigen Beistande des Allmächtigen , für unsere ge= meinſame geheiligte Sache an dem Schlachttage zu Langensalza einen glånzenden Sieg erfochten. Die Namen der todesmuthig gefallenen Opfer werden in unserer Geſchichte mit unauslöschlichen Zügen
prangen und
unser göttlicher Heiland
wird ihnen dort oben den himmlischen Lohn verleihen.
Erheben wir ver-
einigt die Hände zu dem dreieinigen Gott, ihn für unsern Sieg zu loben und zu preiſen, und empfanget Ihr treuen Krieger alle den nie erlöschenden Dank Eures Königs, der mit seinem ganzen Hauſe und Euch den Herrn um Jesu Christi willen anfleht , unserer Sache , welche die Seinige, weil sie die
T
Sache der Gerechtigkeit, seinen Segen zu verleihen. Georg V., Rex." Die hannöverschen Truppen kehrten in Echelons zu 1000 Mann, und zwar so, daß aller zwei Stunden ein solches abging, nach ihrer Heimath zurück.
Wo waren die Bundesarmeecorps?
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Im Lande Hannover und namentlich in der Hauptstadt , hatte die Kunde von der Schlacht bei Langensalza und der darauf folgenden Capitulation große Misstimmung in der Bevölkerung hervorgerufen.
Am Bahnhofe , wo man die
rückkehrenden und entwaffneten Truppen erwartete , ergingen fich die niederen Claffen der Einwohnerschaft in gehässigen Domonstrationen gegen die Preußen, welche diese Auswüchse des Haſſes natürlich durch militärische Strenge unterdrückten, so daß die Ruhe gesichert blieb.
Die Ordre, die hannöverschen Truppen per Bahn
blos bis Hildesheim und Telle zu bringen und sie dann zu entlassen , verhütete jede weitere Aufregung in der Residenz , da ſolchergeſtalt die Ursache zu neuen ſchlimmeren Auftritten, welche mit jedem ankommenden Separatzuge Nahrung gefunden hätte, vermieden wurde. Und wo waren die Baiern und das 8. Bundesarmeecorps , welche die Hannoveraner im Stich gelaffen hatten ? Davon zu berichten , ist eine traurige Aufgabe.
Eine neue Auflage jener
merk- und denkwürdigen Thaten der Reichs-Executions - Armee seligen Andenkens aus den trübseligen Zeiten des siebenjährigen Krieges mit verschiedenen Abänderungen, stellte sich in dem Bundesarmeecorps dar, nicht etwa, daß die Würtemberger, Badenser , Hessen - Darmstädter, Nassauer nicht tüchtige Truppen wären , das soll nicht damit geſagt ſein, im Gegentheil, fie schlagen sich gut ; aber nur müſſen ſie auch gut geführt werden.
Das Sprichwort :
„ Ein guter General ist allein ſo
viel werth als zehntausend Mann ,“ gehört wahrlich nicht unter die Ueberſpanntheiten.
Die Führung bei den Bundesarmeecorps darf Alles , nur nicht ausge-
zeichnet genannt werden. Wie es unter den Kleinstaaten eine Menge oft in's Gebiet des Lächerlichen überstreifender Eifersüchteleien , Mißgunst, Neid und andere schöne subtile Dinge giebt, die eben nur in dem fruchtbaren Boden der Kleinstaaterei zu üppiger Reife gedeihen können , so auch gab es im achten Bundesarmeecorps gegenseitige kleine Schattirungen von Selbstüberschäzung und „fürnehmes“ Herabblicken auf Andere, und das, was ein Heer stark macht, „ Einmüthigkeit , “ fehlte ganz und an deren Stelle trat : Unentschloffenheit , Verwirrung , und dadurch Abschwächung der Kräfte des Ganzen. Der am 19. Juni veröffentlichte Tagesbefehl des Oberbefehlshabers diéſer Bundesarmee versprach allerdings etwas Anderes , als er und sie in Wirklichkeit leisteten.
Er lautete:
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Tagesbefehl des Prinzen von Heſſen. ,,Kameraden des 8. Bundesarmeecorps ! Durch den Beschluß Eurer Kriegsherren zum Oberbefehlshaber des 8. Bundesarmeecorps ernannt, habe ich dieses Commando mit heutigem Tage übernommen. Vertrauend blicke ich auf Euch - Würtemberger, Badenſer, Hessen und Nassauer und heiße mit Euch die braven österreichischen Kameraden willkommen , die demnächst in den Verband des Armeecorps treten sollen. Was immer die Zukunft uns bringen mag, ste wird uns festen Herzens, einigen Sinnes finden, und ſei die Aufgabe noch so schwer. Wir wollen und werden fie lösen in Zuversicht auf Gott, auf deutschen Mannesmuth und Deutschlands gute Sache !
Nochmals heiße ich Euch von Herzen willkommen !
Hauptquartier Darmstadt, 18. Juni 1866 .
Prinz Alexander von Hessen, Generallieutenant. " Der Großherzog von Baden hatte sich lange dem Anfinnen der an seinem Hofe immer mehr Terrain gewinnenden österreichischen Partei, gegen Preußen ſeine Truppen kämpfen, d. h. fie dem 8. Bundesarmeecorps einverleiben zu laſſen, widersegt, endlich aber gewann diese Partei Oberwasser und die Badenser marſchirten also ; ste langten am 25. Juni in zwölf Bahnzügen der Main - Neckar - Bahn in Darmstadt an. Damit nicht Irrung unter den Truppen der Bundesarmee wegen der gar zu verschiedenen Uniformirung derselben entstehe, wurde beschlossen, daß jeder Soldat, welches Grades er auch sei , durch eine schwarz-roth-goldene Binde am Arme gekennzeichnet werde. Der Oberbefehlshaber erließ deshalb eine Bitte an die deutschen Frauen, mit dergleichen Binden das Bundesarmeecorps versehen zu wollen, welches bereits am 21. Juni eine Vorwärtsbewegung gemacht hatte , nämlich nach Nordost , wo eben kein Feind zu verspüren war.
Sie bezogen Cantonnements bei Bergen,
Vilbel bis nach Homburg zu und beſeßten ſolchergeſtalt den Höhenzug, welchen das Niddathal trennt. Ebenso verlegte der Feldmarschall Prinz Karl von Baiern das Hauptquartier der bairiſchen Armee von München nach Bamberg.
Bei ihm befand sich als Chef
ſeines Generalſtabes , Freiherr von der Tann und die Prinzen Otto und Luitpold nebst mehreren österreichischen hohen Offizieren. Genannter Prinz Karl von Baiern ist der Großoheim des jeßigen jungen Königs von Baiern und Bruder des greisen Königs Ludwig I.
Er steht im 71. Lebensjahre, was eben nicht besonders viel
versprechend für große und durch rapides Handeln herbeizuführende Siege war.
111
Das baiersche Bundesarmeecorps.
Daß er schon in frühester
Jugend in den
napoleonischen Kriegen
eine hohe
Stellung beim Heere einnahm , gewährte allerdings keine Bürgschaft für ein ihm innewohnendes Feldherrntalent , denn damals war er kaum 19 oder 20 jährig. Von irgend welchen kriegerischen Ereignissen war Seiten der Baiern auch nichts zu verspüren.
Sie rückten allerdings vor, beseßten am 26. Juni Meiningen in
der Stärke von 1378 Mann Infanterie, Cavallerie und Artillerie, zerstörten Telegraphen und Eisenbahnen und kehrten nach dieser Arbeit wieder zurück.
Einige
kleine bairische Abtheilungen rückten noch etwas weiter vor und die Kunde von diesem Vorrücken war es eben, was den Hannoveranern die Erwartung, durch ihre nahen bairischen Bundesgenossen Beistand zu erhalten , so gewiß erscheinen ließ. Die Enttäuschung war natürlich sehr bitter und alle Welt erstaunte, weil Jedermann erwartet hatte, daß vor Allen die bairischen Bundestruppen einen kräftigen Stoß gegen Eisenach und Gotha führen würden, weil Eisenach nur etwa 4 Meilen von der nördlichsten Grenze Baierns entfernt ist. Bei dieser Säumigkeit, die kein vernünftiger Mensch sich enträthseln konnte, erinnerte man sich gewisser Unterhandlungen wieder, die vor Ausbruch des Krieges, als Baiern noch eine Art Vermittlerrolle spielte, zwischen Preußen und Baiern im Gange waren und bei denen auf die Neutralität Baierns ein hoher Preis gesezt war.
Aus den Zeitungen, die über das Verhalten Baierns ihre Urtheile aussprachen,
weil es geradezu räthſelhaft erſchien, daß die bairiſchen Truppen, die sich wenigſtens eine Woche lang in fast unmittelbarer Nähe der hannöverschen Armee befanden, nicht Alles daran seßten , dieſe tapferen Bundesgenossen vor dem Untergange zu retten , erklangen Stimmen , welche von Verrath munkelten , ja selbst bairische Blätter, deren Redactionen auf Ehre hielten und nicht speichelleckerische Handlanger der Corruption in hohen Kreisen sein wollten , machte sich der Unmuth in ſehr energischer Weise , man könnte fast sagen mit baierischer Derbheit (Umschreibung des Wortes , Grobheit“) Luft ; doch davon später im Verlaufe der Schilderung der Ereignisse. Baierns politiſche Rolle ist seit lange ein Muster von „ wandelfarben“. Wie man über dafſelbe im Auslande urtheilt, davon gab der folgende Artikel der Londoner „Times" den klarsten Bericht, den man nur verlangen konnte : „ Als Ludwig der XIV. im Anfange des vorigen Jahrhunderts Deutſchland bekriegte, hielt es der bairische Kurfürst mit Frankreich, wurde mit Frankreich bei Blenheim geschlagen und bald nachher von der verdienten Vergeltung erreicht. Dieselbe Poe litik befolgte Baiern während des langwierigen Kampfes zwischen Napoleon und Deutſchland ; es war der treue Alliirte Frankreichs in den Feldzügen , die mit
112
Das baiersche Bundesarmeecorps.
Austerliß, Jena und Wagram schloffen, und wurde dafür mit ansehnlichem Gebietszuwachs belohnt.
Erst nach der Schlacht bei Leipzig bereute es seinen Irrthum
und suchte ihn mit charakteristischer Gemeinheit gut zu machen.
Eine bairische
Armee wurde abgesandt, um den Franzosen bei Hanau den Rückzug abzuschneiden, und die Niederlage , die sie erlitt, gehört zu den wenigen Triumphen, die der Geschichtsleser dem Kaiser Napoleon unmöglich mißgönnen kann. „Wieder bricht eine Krißis in Deutſchland aus, Baiern hält es, ſeiner Meinung nach, mit den Stärkeren und merkt zu spät, daß es fich geirrt hat. Niemand kann Baiern tadeln , daß es ſein Schicksal an Desterreich knüpfte und Preußens Eröffnungen ablehnte ; aber nachdem es dies gethan , hätte es mindestens ſeinen Verbündeten in der Stunde der Noth schleunigen und loyalen Beistand leiſten sollen. Hätte es eine wirksame Diversion gemacht, so hätte die hannöverſche Armee entkommen können u. s. w.“ Mancher Leser wird vielleicht sagen: Baiern hat nur dasselbe gethan , was im napoleonſchen Kriege Sachſen that.
Dem ist aber doch nicht ganz so. Sachſen
trat erst als Bundesgenosse zu Napoleon, als dieser Preußen niedergeworfen hatte. Es hatte keinen anderen Ausweg damals. Im Jahre 1813 unterhandelte der zu - über sein Land war schon im Februarvertrage
Prag weilende sächsische König
(1813) zu Kaliſch zwischen Preußen und Rußland die Entscheidung , daß es an Preußen fallen solle, wenn man Napoleon aus Deutſchland hinausdrängen könne. gefaßt worden
mit den Alliirten, namentlich mit Desterreich oder was gleich-
lautend ist, mit Metternich, wegen seines Anſchluſſes an sie. Metternich ließ ihn ohne Nachricht - der von ihm erwartete Courier blieb aus --- und der sächsische König war gezwungen , sich der Drohung Napoleons , Sachsen wie ein erobertes Land zu behandeln, wenn er nicht sofort zurückkehre, zu beugen. Wie möglich scheint es, daß einem Courier unterwegs ein Unfall zustoßen kann, eben so gut wie ein Erzherzog, wenn er auf der Reise nach Petersburg begriffen ist, um dem Kaiſer Nicolaus I. zur Thronbesteigung zu gratuliren , von einer starken Kolik angewandelt wird und die Reise deshalb aufgeben muß!
Das
ist Alles natürlich und liegt offen zu Tage. Was aber nicht zu Tage liegt, dürfte Folgendes sein :
Als Metternich in den Anfangsjahren des Jahrhunderts in
Dresden Gesandter war, gewann ihn der damalige Kurfürst ſeines einnehmenden, glatten Wesens wegen lieb und zahlte einige Male sogar seine Spielschulden, indeß da sich der junge, flotte Gesandte auf dieſe kurfürstliche Munificenz verlaſſend, wieder um eine ſolche Schuldenerleichterung bat, wurde ihm dieselbe verweigert und
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Bairisch und Sächsisch.
der Kurfürst sprach dem Kaiser schriftlich den Wunsch aus , daß Metternich von Dresden abberufen werde.
Metternich vergaß dies nicht , er würde es jedoch ver-
gessen haben, wenn in König Friedrich August's Kopf je der Gedanke hätte aufsteigen können, daß eine halbe Million Thaler als Geschenk ein treffliches Pflaster für metternich'ſche Erinnerungswunden sei , und diese königliche Unterlassungsfünde entschied.
Das sächsische Staatsarchiv enthält die Copie des vom damaligen Kur
fürſten an den Kaiser Franz wegen Metternich's Abberufung geſchriebenen Briefes, Es bedarf wohl weiter feines Nachweises , wie Baierns damalige Politik eine weit glücklichere und rentablere gewesen ist. Die Baiern gingen, nachdem sie bis Taulsdorf vorgerückt waren und ohne zur Rettung der Hannoveraner etwas gethan zu haben , über Ludwigſtadt zurück nach Cronach.
Als der lezte Tag des Juni vergangen ,
war von Seiten des
vom heſſiſchen Prinzen befehligten Bundesarmeccorps, sowie auch von Seiten der Baiern nichts erfolgt , was einer bedeutungsvollen kriegerischen That ähnlich ſah, da es doch unmöglich ist , einen nächtlichen Ueberfall , welchen die Hessen - Darm- 30. Juni auf eine kleine und furz vorher in
städter in der Nacht vom 29.
Bingen eingerückte Abtheilung Preußen machten, die daselbst auf dem Markte bivouafirte, für eine besonders hervorragende That zu betrachten. Ein kurzer Kampf entstand , die Preußen wurden gezwungen , sich zurückzuziehen
und
zwar mit
Hinterlassung einiger Todten , Verwundeten und Gefangenen ; indeß am 1. Juli wendete sich das Blatt und
die Preußen nahmen
abermals Besiz
von dem
Städtchen. Ein Bataillon Würtemberger rückte am 26. Juni in Sigmaringen (hohenzollern'sches Fürstenthum) ein und verdrängte im Namen des Bundes die dortige -preußische Regierung. Es war dies eine gefahrlose, unblutige That, weil — keine preußischen Soldaten daselbst vorhanden waren.
Graf Leutrum , als Bundes-
commiffar, erließ folgende Proclamation : „An die Bewohner der hohenzollern'ſchen Lande! Die Bundesversammlung hat unter dem 25. Juni beschlossen, die hohenzollern'schen Fürstenthümer sofort mit Bundestruppen beſeßen zu laſſen und die königlich würtembergische Regierung zu beauftragen , dieſen Beschluß zu vollziehen, auch die Verwaltung dieser Fürstenthümer im Namen des Bundes zu übernehmen.
Von Sr. Majestät König Karl I. mit der Vollziehung dieſes
Beschlusses vertraut, erscheine ich in Eurer Mitte und hoffe durch mein ganzes Verfahren bald Euer Vertrauen zu erwerben. Allen Guern Interessen 8
114
Bundesoccupation der hohenzollern'schen Lande.
soll möglichst Rechnung getragen werden und die öffentliche Verwaltung ihren Fortgang nehmen .
Kommt mir und den mir beigegebenen Beamten und
Truppen in einer Weise entgegen , die uns in unserm festen Vorsag unterſtüßt, in ein freundliches Verhältniß zu Euch zu treten.“ Hinsichtlich der im Namen des Bundes occupirten Fürstenthümer sei hier bemerkt, daß sie einen Gesammt-Flächeninhalt von 24 4 Quadratmeilen mit ungefähr 65,000 Einwohnern besißen.
Mittels Convention mit Preußen ,
deſſen
Königshaus dem hohenzollern'schen Stamme angehört, sind die Fürstenthümer preußisch geworden, d. h. die Verwaltung wird von preußischen Beamten geführt und das hohenzollern'sche Militär
ist
der preußischen Kriegsmacht einverleibt ,
demnach
hatten also die Würtemberger preußisches Gebiet beſeßt , indeß das Beſeßen ging leichter als das Verwalten.
Der preußische
Staatsanzeiger" theilte folgenden er-
gözlichen Bericht über die von Würtemberg in den hohenzollern'schen Fürſtenthümern erlebten Enttäuſchungen mit. Nachdem (auf Weisung des Bundescommiſſars , des Grafen Leutrum) der Regierungspräsident von Blumenthal nebst den Mitgliedern der Regierung und der Oberamtmann von Mannstein die hohenzollern'schen Lande verlaſſen hatten, glaubte man würtembergischer Seits mit der hohenzollern'schen Bevölkerung und den Unterbeamten leichtes Spiel zu haben.
Zuvörderft sollte der preußische Adler
von dem Regierungsgebäude entfernt werden.
Als sich diese Arbeit zu schwierig
erwies , steckte man auf dem Regierungsgebäude zwei große schwarz - roth - goldne Fahnen in der Hoffnung heraus , daß die Bürger Sigmaringens sofort dieſem Beispiele folgen würden.
Aber auch nicht eine deutsche Fahne wurde von der
Bürgerschaft Sigmaringens entfaltet.
Dieselbe Enttäuschung erfuhr Graf Leutrum
in Bezug auf die Unterbeamten der Verwaltungsbehörden. Obgleich man von der zu Anfang geforderten Eidesleistung für den Bund abzugehen sich bereit erklärte , obgleich man einzelnen Unterbeamten Beförderung in höhere Aemter anbot , obgleich man endlich diesen Beamten die Abreise durch Verweigerung der Päſſe unmöglich machte , sind diese Beamten doch ſtandhaft bei ihrer Weigerung geblieben , unter der würtembergischen Regierung zu dienen, und so groß ist die Verlegenheit der Lezteren um Verwaltungskräfte , daß sie sogar durchaus übelberüchtigte längst aus verschiedenen Gründen aus der Reihe der preußischen Verwaltungsbeamten entfernte, theils früher schon mit Zuchthausstrafe belegte, theils zu solcher verurtheilte Individuen zu Beamtenſtellen heranziehen mußte.
115
Ein königlicher Gast.
Dem Verhalten der k. preußischen Beamten entspricht die Haltung der ge= ſammten Bevölkerung der hohenzollern’ſchen Lande. Die würtembergiſche Regierung hatte sich in der argen Täuschung befunden , daß, wären nur die altpreußischen Beamten entfernt , die Bewohner Hohenzollerns sie mit offenen Armen empfangen würden.
Die kalte Zurückhaltung der ganzen Bevölkerung Hohenzollerns ohne
Ausnahme erscheint sonach der würtembergischen Regierung so unerklärlich, daß ſie dieselbe lächerlicher Weise einer allgemeinen Verabredung zuschreibt, anstatt sie, wie es wirklich der Fall ist , auf Rechnung der gut preußischen Gesinnung der hohenzollern'schen Bevölkerung zu bringen.
Die Beamten des Kreisgerichts u. s. w.
hatte der würtembergische Civilcommissar gegen das Versprechen in ihrem Amte belaſſen , nichts Feindliches gegen die würtembergische Regierung oder den Bund unternehmen zu wollen." Die Bundesexecutoren erlebten also wenig Freude in ihrem Wirkungskreiſe und diese Freudlosigkeit scheint überhaupt wie ein schlimmes Erbtheil auf alle dem gelastet zu haben , was mit dem Bunde in irgend einer Verbindung stand. Auf Baiern , welches mit pfaustolzer Großmächtigkeit sich geberdete , als es galt, erhabene Worte in die Welt zu schleudern, ruhte ganz besonders der Alp der Unzuverlässigkeit und Unentschloſſenheit , wodurch es nicht allein der Sache seiner Bundesgenossen schadete, sondern sich selbst in den Augen von ganz Deutschland zum Gelächter machte , denn Jedem fiel dabei die hübsche Fabel vom kreisenden Berg und dem daraus hervorgegangenen kleinen Mäuschen ein.
Der junge König
Ludwig II. erließ folgenden Tagesbefehl an sein Heer : ,,An Meine mobile Armee! Mein Besuch in Eurem Feldlager hat Mir zur höchsten Befriedigung gereicht. Daß Ich nicht alle Meine kampfbereiten Truppen besichtigen konnte, das ist es allein , was ich zu bedauern habe.
Euer kriegerischer Geist , Eure
ganze Haltung gewährt mir große Genugthuung in einer Zeit , in welcher Baiern, wie das ganze deutsche Vaterland entſcheidenden Ereigniſſen entgegengeht. bieten !
Ihr habt den hohen Beruf, den drohenden Gefahren die Spiße zu Es gilt die Vertheidigung unseres guten Rechtes.
sein wird Euch Eure schwere Pflicht erleichtern. der Stunde des Kampfes.
Dieses Bewußts
Ich baue fest auf Euch in
Eure Vaterlandsliebe und Tapferkeit werden den
Sieg an unsere Fahnen fesseln , Baierns alten Kriegsruhm erneuers !
Der
Dank Eures Königs und des gesammten Vaterlandes wird Eure Thaten lohnen.
Ich nehme nicht Abschied von Euch, denn mein Geist bleibt in Eurer 8**
116
Kurhessisches.
Mitte.
Gott geleite Mein braves Heer und seinen hochherzigen Führer,
Meinen geliebten Großoheim !" Es überschleicht Einen ein ganz sonderbares Grauen bei dem Gedanken, wie seltsam den bairischen Truppen zu Muthe gewesen sein muß , einen Geist, ihres Königs Geist, unter sich zu wiſſen.
Sie , die lediglich Materielles kennen
und mit Geistigem nur in so weit umzugehen verstehen, als es mit Bier in naher Verwandtschaft steht , müssen etwas Gänsehaut verspürt haben , als sie von dem in ihrer Mitte weilenden unsichtbaren königlichen Geiste hörten ,
und Mancher
mochte gewiß im Stillen wünschen , der junge König möge es lieber so machen, wie der König von Preußen und der König von Sachsen , die troß ihrer hohen Jahre bei ihren Armeen mit Seel' und Leib- zugleich weilten , nicht nur geistig aus weiter Ferne das Beſte wünſchend, ſondern in nächſter Nähe das Beſte überwachend und fördernd.
Und Baiern befand sich in keiner schwierigen Lage etwa,
die dem jungen Könige es nothwendig gemacht hätte , nur seinen Geist zu ſeinen Truppen zu entlaſſen, ſonſt aber körperlich in seiner Reſidenz zu Hause zu bleiben. Die alten Wittelsbacher dachten anders . . . wie sich doch die Zeiten ändern ! Um jedoch fest in der Rolle zu bleiben, die es einmal übernommen, schickte Baiern, vereint mit Desterreich an den Kurhessen besezt haltenden preußischen General von Beyer folgende vom 25. Juni datirte Protestation : „Der unterzeichnete außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister Sr. Majestät des Kaiſers von Oesterreich am kurfürstlich hessischen Hofe protestirt hiermit feierlichst gegen die gewaltsame Beſeßung des furhessischen Staates durch königlich preußische Truppenmacht , gegen die Anmaßung souveräner Regierungsbefugnisse durch deren Befehlshaber und gegen alle fich weiter daran knüpfende Maßregeln , insbesondere aber gegen die unerhörte allen Grundsägen des Völkerrechts widersprechende Behandlung Sr. f. Hoheit des Kurfürsten und deſſen gewaltsame Jortführung nach einer preuBischen Festung, wodurch nicht allein die geheiligten Rechte eines deutschen Bundesfürsten , ſondern auch die Achtung vor allen europäiſchen Thronen auf das Tiefste verlegt sind.“ Ferner ergingen zwei gleichlautende Noten von Desterreich und Baiern an den genannten General, deren erste vom 21. Juni ſich über die Nichtzulaſſung der Gesandten zum Kurfürsten beſchwert und Aufklärung darüber verlangt , und deren zweite über die ferner stattgefundenen Gewaltmaßregeln sich ausspricht und Wiederherstellung des freien Verkehrs mit dem Kurfürsten begehrt. Auf beide wurde vom
117
Kurhessisches.
General nur kurz erwiedert , daß seine Offiziere in Wilhelmshöhe nur den ihnen obliegenden Pflichten nachgekommen seien. Was die Kurhessen anlangt , welche an den Genuß von mancherlei unverzuckerten Bitterkeiten gewöhnt waren , so erschwerten sie dem General von Beyer seine Pflichterfüllung durchaus nicht, ja im Gegentheil bezeugten sich die Kaffeler ihm sehr dankbar , daß er ihnen freieren Verkehr schaffte..
Dies verhielt ſich
nämlich so: Der Maschinenfabrikbeſizer Henzſchell hatte beim Kurfürsten ſchon seit 20 Jahren Jahr um Jahr das Gesuch eingereicht , das für die wachsende Passage höchst hinderliche holländische Thor beseitigen zu laſſen , weil die von ihm , dem Hentschell, angefertigten Locomotiven beim Paſſiren dieses sehr engen Thores stets verlegt wurden und schon viele Arbeiter bei dieser Gelegenheit um's Leben gekommen waren. rund ab.
Der Kurfürst als Landesvater schlug jede Petition des Henzschell
Beim preußischen General reichte besagter Hentschell nær eine einzige
ein und ſofort wurde dieses Thor zum Einreißen verurtheilt. Unter dem Jubel der ganzen Bevölkerung demolirten die preußischen Pionniere diese Falle , hier sei noch bemerkt, daß jene Thor - Angelegenheit, die bereits so lange spielte, weil der Kurfürst im Ablehnen jeder derartigen Bitte seine Consequenz übte , im November des Jahres 1864 unter den vom Abgeordneten Jungmann zusammengestellten Beschwerden des Landes als
eins der craffesten
Beispiele unverantwortlicher Verschleppung mit aufgeführt war, aber das half nur eben
so
viel ,
daß
genannter Abgeordnete
durch
diese Aufzählung vernunft-
widriger Thatsachen von Seiten des Kurfürsten und ſeiner Räthe sich nicht deren besonderer Gunst erfreuen konnte. Nach Andeutungen solcher Vorkommnisse wird der Leser wohl zu der Ueberzeugung kommen, daß die Kurhessen durch den Wandel der Dinge gar nicht allzu ſehr betrübt ſein konnten , im Gegentheil etwas verspürten , was wie ein Hauch frischer Luft ihnen erscheinen mußte. An hartnäckigen Verschleppungen von Seiten ihrer Regierung hatten die Kurhessen außerordentlich zu leiden.
So erfolgte durch die nun das Land regie-
rende preußische Behörde die Begnadigung des ehemaligen Parlamentsmitgliedes Philipp Schwarzenberg, der mit dem Rumpfparlamente 1849 nach Stuttgart gegangen und dieserhalb nachher in Untersuchung gezogen und zu einer bedeutenden Strafe verurtheilt wurde.
Alle Bemühungen , eine Begnadigung oder wenigstens
eine Wiederaufnahme des Verfahrens herbeizuführen, scheiterten, so oft fie gewagt
118
Nassautsches.
wurden, an des Kurfürsten Widerstand.
Von der preußischen Behörde wurde das
ungerechte Urtheil mit allen seinen Folgen beseitigt. Ebenso wurde der gegen den bekannten Dr. Oetker schwebende Prozeß vom preußischen Civil-Commiſſariat niedergeschlagen. andere Wirkung haben ,
Diese Maßnahmen konnten nicht
als die preußische Regierung dem hessischen Volke an-
genehm zu machen, und darum ist es auch nicht zu verwundern , daß aus dem Kurfürstenthum Hessen nichts von Widerstand und dergleichen zu vernehmen war, und dies dürfte wohl der schlagendste Beweis für die daselbst früher obgewalteten Zustände sein. Die furfürstlichen Beamten befanden sich bei alledem in einer schlimmen Lage.
Die preußische Oberbehörde gab den strengsten Befehl , feiner andern
Anweisung als der ihrigen Gehorsam zu leisten , dagegen erließ der Commandant der kurhessischen Truppen, Generalmajor von Loßberg, das strengste Verbot, preußischen Anordnungen zu gehorchen , jeder Beamte würde dafür zur strengsten Rechenschaft gezogen.
Was sollten die kurfürstlichen Beamten nun thun , um sich
weder nach der einen oder anderen Seite der unausbleiblichen Strafe schuldig zu machen? Es würde eine unverantwortliche Lücke in der einmal von Preußen in Gang gesezten Besißnahme jener größeren oder kleineren deutſchen Staaten gewesen sein, hätte das Land des Herzogs von Naſſau verschont von der Occupation bleiben sollen. Der preußische Militär - Gouverneur der Rheinprovinz und der Provinz Westphalen , Fürst zu Hohenzollern - Sigmaringen , erließ deshalb folgende Proclamation an die Bewohner des Herzogthums Naſſau : ,,Bewohner des Herzogthums Naſſau ! Se. Majestät der König von Preußen hat das Schwert gezogen , um Deutschland vor dem Unglücke zu bewahren, aus der Bahn einer glänzenden, geistigen und materiellen Entwickelung zurückzufallen unter die entnervende Herrschaft dynastischer Interessen und einseitiger Sonderbestrebungen.
Aber
meines Königs hochherziger Sinn wollte die zerstörende Last des Krieges nur dorthin lenken ,
wo die Nothwendigkeit der Entscheidung es forderte.
Die reichen Länder , welche die preußische Rheinprovinz umgeben , sehen ihre Grenzen unberührt , ihren Handel ungestört , die Blüthe ihrer Felder unangetastet. In frevelhaftem Uebermuth verkennt aber das süddeutsche Armeecorps am Main, zu welchem die nassauische Regierung ihr Contingent gestellt hat,
119
Naffautsches.
den menschenfreundlichen, deutschen Sinn meines Königs und Herrn. Truppen dieſes Corps haben es gewagt, in den preußischen Kreis Weßlar einzurücken, und durch diesen Schritt für mich die Nothwendigkeit berbeigeführt , Nassau als ein feindliches Land anzusehen. Die Colonnen meines königlichen Kriegsherrn marschiren gegen den Main.
Ich hoffe um des nassauischen Landes
willen, daß die Haltung seiner Bewohner keinen Zweifel darüber laffen wird, daß sie nicht Theil haben an dem verblendeten Beginnen ihrer Regierung.“
Aus dieser Proclamation war ersichtlich, daß Preußen zum Angriffe gegen das am Main aufgestellte Bundesarmeecorps übergehen wolle.
Im Nassauischen
gab es ebenfalls etwas, das, um mit dem Königssobne Hamlet zu sprechen, „faul im Staate war."
Hatte der Herzog e: schon übel aufgenommen, daß der Landtag
zu wiederholten Malen mit allen gegen zwei Stimmen die von der Regierung geforderten Mobilifirungskosten abgelehnt , so empörte es ihn doch ganz besonders tief, unter den Oppoſitionsmitgliedern in der Kammer sogar einen seiner Kammerherrn zu finden, den Freiherrn von Schwarzkoppen. Um ihn zu strafen , empfing der Oberkammerherr den Befehl, ihm anzukündigen, daß er seiner Hofcharge ,,wegen seines mit der Würde eines Kammerberrn nicht zu vereinbarenden Benehmens" entlassen sei und sofort den Kammerherrnschlüssel abzugeben habe.
Freiherr von
Schwarzkoppen antwortete unter Anderm : er führe selbstverständlich den Schlüssel nicht immer bei sich, werde sich aber beeilen, denselben nebst einer nicht reclamirten Garnitur Knöpfe einzusenden, sobald er nach Hause käme. Vorauszusehen war es, daß der Herzog sich gegen den Obercommandirenden des preußischen Occupationscorps , Fürſten von Hohenzollern-Sigmaringen in einer schriftlichen Antwort etwas frei aussprechen werde, und das geschah denn auch. Nachdem er seinem Unmuthe über den unseligen Bruderkampf, der das gemeinſame deutsche Vaterland zerfleische , derb Luft gemacht , richtete er an den Hohenzollern'schen Fürsten hinsichtlich dessen an die Bevölkerung Nassau's erlassenen Proclamation Folgendes : „Mögen Ew. k . Hoheit immerhin die frendige Ehrenhaftigkeit, womit das ſüddeutsche Armeecorps am Main die Bundesverpflichtungen seiner resp. Regierungen zu vertreten bereit ist, als einen
frevelhaften Uebermuth" fenn-
zeichnen : im Jahre 1813 , als die preußische Armee für die Unabhängigkeit ihres Kriegsherrn und Vaterlandes gegen fremde Uebergriffe in die Schranken trat, gab es in Preußen andere Ausdrücke für die gleichen Motive.
Ew. k.
Hoheit werden aber die Gnade haben, mir zuzugestehen , daß im heutigen
120
Nassauisches.
Kriege die ersten sogenannten ſtrategiſchen Operationen Preußens gegen „die reichen Länder , welche die preußische Rheinprovinz umgeben“ , nicht gemacht´ find, um dem Programm von „glänzender geistiger und materieller Entwickelung“ , von „ unberührten Grenzen, ungestörtem Handel“ u. s. w., womit Ew. k. Hoheit das ungewöhnliche Vorgehen Preußens bezeichnen, Nachdruck zu verleihen, und daß die ohne vorherige Kriegserklärung erfolgte Ueberrumpelung Kurhessens, die völkerrechtswidrige Entführung eines deutſchen Fürsten mitten im Frieden, und neulich erst die jeglichen strategischen Vorwandes entbehrende, durch keine Kriegserklärung motivirte und Angesichts meiner damals noch nicht abgebrochen gewesenen diplomatiſchen Beziehungen zum k. preußischen Hofe ausgeführte Razzia
auf Rüdesheim den schönen Worten Ew.
f . Hoheit
widersprechen." Allerdings klang das nicht besonders schmeichelhaft für den Obercommandirenden , Fürsten Hohenzollern - Sigmaringen , und verrieth des Nassauer Herzogs tiefen Groll.
Indem wir dieser naſſauischen Vorgänge gedachten, überschritten wir
allerdings die Schranke, die wir uns selbst gezogen , die Ereigniſſe darzuſtellen, welche den Zeitraum bis Ende des Monats Juni füllen, aber nur deshalb geſchah es, um bei der Schilderung der späteren kriegerischen Vorgänge den Faden derselben ohne Unterbrechung festhalten zu können.
Die Zahl der in Frankfurt am
Main noch tagenden Bundesstaaten schmolz bis zur Sizung am 30. Juni immer mehr zuſammen , denn in dieſer Sizung erklärten die . Regierungen von Schwarzburg-Rudolstadt, Schaumburg-Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg ebenfalls ihren Austritt aus dem Bunde.
Der weimar’ſche Gesandte zeigte im Namen ſeiner Re-
gierung seine Abberufung an , weil die großherzogliche Regierung von Weimar die Versammlung nicht mehr als das legitime Organ des früheren Bundes anzuerfennen vermöge.
Somit waren bis dahin außer den drei occupirten Staaten
Sachsen, Hannover und Kurhessen , sowie Meiningen und Reuß ältere Linie, sämmtliche norddeutsche Staaten aus dem Bunde geschieden. In Baden fand der Kampf zwischen der clericalen Partei, welche sich durch die reactionäre österreichische unterſtüßt sah, gegen die Liberalen statt und die Clericalen gewannen.
Sie forderten den Sturz des Ministeriums , Entfernung aller
Fremden , Zurücknahme der neuen Schulgeseße und Abseßung des angeblich zu preußisch gesinnten Armeebefehlshabers , des Markgrafen Wilhelm.
Zu den Be-
amten, welche in Folge ihrer preußenfreundlichen Gesinnungen ihren Plag räumen. mußten, gehörte auch der anerkannt rechtſchaffene Ministerialrath Jolly , er wurde
121
Badische Umtriebe.
höflichst veranlaßt , aus dem Ministerium des Innern zu scheiden.
Gedrängt von
dieser clericalen reactionären österreichischen Partei sah sich der Großherzog von Baden , der Schwiegersohn des Königs von Preußen , endlich gezwungen, ſein Truppencontingent zu dem unter dem Prinzen Alexander von Hessen stehenden Bundesarmeecorps stoßen zu lassen.
Seine Wahl war es nicht , er wollte die
Neutralität Badens in diesem Bruderkriege bewahrt wiſſen. Die ihn so hart bedrängende Partei hatte es außerordentlich gut verstanden, Gewinn aus jedem Umstande zu ziehen. Ein solcher Umstand war besonders folgender :
Das damalige liberale
Ministerium sah sich genöthigt , um die Forderung von 4 Millionen Gulden für die Armee herbeizuschaffen, zu einer Zwangsoperation zu schreiten.
Nach den Ab-
schlüssen des Staatshaushaltes des lezten Jahres mußte eigentlich ein Ueberschuß von 9 Millionen Gulden in der Staatscaffe sein ; aber der Finanzminister hatte dies Plus zur Beschaffung von Eisenbahnanlagen verwendet, so daß eine Kapitalsteuer von 8 Procent des declarirten Einkommens, sowie Zuſchläge auf die Grund-, Gewerbe- und Klaſſenſteuer angeordnet werden mußte , damit die erforderlichen 4 Millionen Gulden herauskamen.
Natürlich stußte die Bevölkerung, vorzüglich
wurde das Landvolk , das vor der Ernte in der Regel kein Geld hat , sehr stark unwillig, und indem die clericale Partei dies mit stiller Freude bemerkte, hatte sie die Aussicht , daß das Miniſterium dadurch sich sein Grab gegraben und aus der Nähe des Großherzogs verschwinden werden müsse.
Diese Umtriebe gelangen und
die Badenſer zogen, wie schon erwähnt, zur Bundesarmee. Da General von Beyer gegen diese Lettere sein Armeecorps im Verein mit den anderen preußischen Corps der Generäle von Manteuffel und Vogel von Falkenstein führen mußte, so wurde seine Stelle als Generalgouverneur von Kurheffen durch den General von Werder besezt , Präsident von Möller stand dieſem als Civilcommiſſar zur Seite und der geheime Regierungsrath Dunker , der schon anfänglich die Civilgeschäfte geleitet hatte, blieb noch für eine Zeit lang in ſeiner Wirksamkeit als Stüße für Herrn von Möller. Zur Bethätigung seines Anſchluſſes an Preußen hatte Herzog Ernst von Sachsen - Coburg - Gotha sein Contingent schon bei der Schlacht bei Langensalzá mitwirken lassen , Oldenburg und Mecklenburg entschieden sich gleichfalls für den Anschluß an Preußen.
Oldenburg ſagte offen, daß dieſer ſein Anschluß theils aus
dem Motiv hervorgehe, der Bevölkerung des Großherzogthums das Schicksal zu
122
Oldenburg und Sachsen.
ersparen , unter deſſen Druck jezt die Bewohner der occupirten Staaten seufzten, theils wären auch höhere Rücksichten von Einfluß auf denselben gewesen. ,,Nur von einem Siege Preußens in dem gegenwärtigen Kampfe", heißt es wörtlich in der dem Oldenburger Landtage deshalb gemachten Vorlage,,,vermag die Regierung nach dem Zeugniß der Geschichte eine große und glückliche Zukunft Deutschland's zu hoffen.
Wenn die Vorsehung den Fahnen Preußens und seiner
Verbündeten den Sieg schenkt , so darf mit Zuversicht erwartet werden , daß die deutsche Frage ihre Lösung auf Grundlagen finde , welche, indem sie durch einheitliche Zusammenfaſſung der politiſchen Kräfte der Nation die Machtſtellung Deutschlands nach Außen befestigen und dem öffentlichen Leben des ganzen Volkes in der Schöpfung einer parlamentarischen Vertretung eine dauernde Garantie für lebenskräftige, innere Entfaltung darbieten , zugleich die mit der Geschichte Deutschlands eng verwachsenen Besonderheiten territorialer Entwickelung schonen , und so den Interessen und Wünschen der gesammten Nation wie der einzelnen Staaten übereinstimmend gerecht werden“. Auch in der sächsischen Königsresidenz machte sich der Ernst des Krieges sehr bemerkbar, indem an den sämmtlichen Aus- und Eingängen der Stadt südöstlich am linken Elbufer nach 10 Uhr Niemand mehr in die Stadt passtren durfte.
Diese kriegerische
Maßregel erschreckte nicht wenig die an Spaziergänge außerhalb der Stadt gewöhnten Dresdener. Mancher soll die Nacht bei Mutter Grün, was so viel wie auf freiem Felde heißt, haben zubringen müssen. Alles Uebrige blieb in demselben Geleise, wie es nach dem Einmarsch der Preußen als Norm bestand.
Der verträgliche und milde Sinn,
der die Sachsen überhaupt auszeichnet, gab zu keinen unangenehmen Reibungen mit den preußischen Truppen Anlaß, obwohl diese als keine leichte Bürde zu betrachten waren, da der Geschäftsstillstand allen Verdienst aufhob. In Dresden wie in den übrigen Städten war die Ablieferung aller Art Schuß- und Stichwaffen, in deren Besize sich die Einwohner befanden, anbefohlen und das Dresdener Zeughaus gründlichst ausgesucht worden , wobei, wie es heißt, gute Leute den Preußen an die Hand gegangen sein sollen. Außer alten verrosteten unbrauchbaren Waffen denn alles Brauchbare hatten die sächsischen Truppen vor ihrem
Abzug fortgeschafft
fand man nur
ein Geschüß
aus
alter Zeit , die sogenannte „ faule Grete", ein Kanonen-Ungeheuer , welches man aus dem träumerischen Dunkel, in welchem es bisher in einem unbeachteten Winkel des Zeughauses gestanden, hervorzog und merkwürdiger Weise auf dem Plaze vor der Entbindungsanſtalt aufſtellte.
123
Sächsisches.
Die Dresdener verwunderten sich über dieses Alterthum, von dem sie keine Sylbe gewußt, nicht weniger als die Preußen , besagte „ faule Grete " wurde von Allen gleichmäßig angestaunt und man hatte bei ihrem Anblicke die vollständigste Gelegenheit, einen Vergleich zwischen dem Fortschritt in den jeßigen Kriegswaffen mit denen aus lange verklungenen Jahrhunderten zu ziehen.
Das koloſſale und
imposante Geschütz trug ein Nohr von 12-15' Länge und bedeutender Stärke, im Ganzen mehr von mörſer- als kanonenartigem Ansehen, von dicken, eiſernen Reifen dicht aber ungleich umgürtet.
Die Mündung zeigte der Umfang eines gewöhn-
lichen Suppentellers und große eiserne Ringe waren angebracht , um das Rohr regieren zu können.
Die Laffette war überaus hoch und von gewaltiger Länge,
die Inschriften auf dieſem Geſchüß in Mönchsſchrift waren schwer zu
entziffern.
Niemand wußte die eigentliche Heimath dieſer faulen Grete, jedenfalls hat sie ihre vier Jahrhunderte auf dem Rücken und ist vielleicht schwäbischer
oder fränkischer
Abstammung , vielleicht auch das Schooßfind einer freien Reichsstadt gewesen , die ſich auf den Befiß dieses Ungeheuers gewiß viel zu gute gethan hat.
Versteiger-
ungsweise soll ste für 34 Thaler losgeschlagen worden sein. Ein Land, deſſen geographische Lage eine solche ist, wie die Sachſens , hat selbstverständlich bei einem Kriege zwischen seinen Nachbarn, an dem es obendrein noch betheiligt ist , bedeutend zu leiden und Sachsen hat dies in vollstem Maaße empfunden.
Die Requiſitionen , die ihm auferlegt wurden , waren enorm und es
dürften manche Jahre hingehen ,
ehe die Folgen verwunden werden.
Daß die
Städte an den Eiſenbahnen Aſyle für die in den Schlachten verwundeten Krieger werden würden , lag auf der Hand und außer Dresden und Leipzig leistete besonders Löbau in der Vorsorge für die zu Hunderten ankommenden schwerer oder leichter Blessirten das Möglichste. Wer auch ein recht verhärtet Herz haben mochte, der mußte doch sich tief erschüttert fühlen bei dem Anblicke dieser Unglücklichen. Die Bahnzüge , welche die Verwundeten brachten , trafen in der Regel eine oder ein paar Stunden später in Dresden ein, als ihre Fahrzeit vorschrieb.
War
der Zug avisirt, wurden sämmtliche Restaurationslocalitäten vom Publikum geräumt und alle Aus- und Eingänge des Bahnhofes militairisch beseßt.
Diese Maßregel
war unbedingt nothwendig, um Plaß zu schaffen für alle die bei dem Empfange der Verwundeten Dienstthuenden, und deren waren nicht wenige.
Sobald der an-
gekommene Zug zum Stehen gebracht war, eilten Offiziere von Wagen zu Wagen mit der Frage: liegt hier ein Schwerverwundeter ? Da die meisten dieser Unglücklichen nicht oder mindestens nicht so hörbar antworten konnten, so übernahmen ihre
124
Die Verwundetentransporte.
mit ihnen fahrenden leichter verwundeten Kameraden die Abgabe der Antwort. Der Schwerverwundete wurde nun sorgfältig heraus auf die bereit stehende Bahre und auf den im Bahnhofe haltenden Krankentransportwagen gehoben, um in eins der verschiedenen Lazarethe gefahren zu werden. wurden auf dem Bahnhof verbunden.
Die minder schwer Blessirten
Dieser Anblick war nur für Jemand ge-
eignet, der stählerne Nerven hat.
Welche Schmerzäußerungen vernahm hier das Ohr , sah das Auge ! welche entseßliche Wunden ,,blutigroth" ! Die verschiedenen Schmerzenslaute der zum Verbinden von der Sanitätsmannschaft in's Verbandzimmer Geleiteten griffen durch Mark und Bein.
Der Eine äußert seinen Schmerz in tiefem Stöhnen oder im
halblauten Gewimmer, ein Anderer stößt einen heftigen Schrei aus ,
ein Dritter
liegt ohnmächtig mit todtfahlem Gesicht auf der Bahre oder sitt mit auf die Brust schlaff niederhängendem Kopfe auf der Bank an der Wand, nur durch einen Trunk eingeflößten Weines wieder zum Bewußtsein erweckt, ein Vierter raucht mit stoischem Gleichmuth während dem Verband seine Cigarre, ein Fünfter macht seinem Schmerz in einem wilden Fluche Luftach , wer kann das mit ansehen und das Herz zittert ihm nicht selbst in der Brust bei den Leiden seiner Mitmenschen. entsetzliches Ungeheuer!
Krieg,
125
Die Verwundetentransporte.
Und wenn sie nun alle verbunden waren , dann erhielten sie Speise und Trank.
Die Mitglieder des Verpflegungsamtes famèn mit großen Kesseln heiß-
dampfender Suppe , mit Körben geschnittenen Brodes , mit Krügen voll kräftigen Bieres , die Samariter thaten ihre Pflicht mit Aufopferung.
Waren diese Armen,
Beklagenswerthen gespeist und getränkt , dann traten ihre nationellen oder volksthümlichen Eigenheiten erst etwas mehr zu Tage. Die braunen Söhne der Pußta, die ungarischen Huſaren, den ſchnürebeſeßten Dolman umgehangen, blickten stark verdüstert um sich her, die Zimmerluft ist ihnen von Natur schon ein Greuel , jezt war sie es noch viel mehr , sie wünschten sich weit weg in die Heimath,
aber eine unvorsichtige Körperbewegung macht ihre
Wunden schmerzend und so etwas , wie ein leiser Fluch, geht über ihre Lippen, fie drehen grimmig an ihren langen spiz auslaufenden Schnauzbärten und damit ist ihr Raisonnement im innersten Herzen bezeichnet ; die Tyroler- und Steyrischen Jäger , sonst lustige flexible Burschen mit leicht wallendem Blut wie die Hahnenfedern auf ihren Hüten, machten bei alledem ein besseres Gesicht.
Und wenn auch Einer oder der Andere mit Schmerzensmiene ausrief: „ Socrischtaner!" ſo läßt nur der Schmerz seiner Wunde nach -- schaut er doch gleich wieder heiter aus, nicht so springgiftig wie die Ungarn oder die Grenzer , denen man die Zigeuner-Abstammung ansteht. Und da waren auch Czechen , meist finstere Burschen , lauernden , tückischen Blickes, ihre Gestalten ungeschlacht, plump .
Ihr Haß gegen Deutsche ist eingefleischt,
ein ewiges „ Sadraznie !“ ſchien auf ihren Lippen zu schweben , man sah es ihnen an, sie fluchten in sich hinein. Der furzgedrungene Mähre blickte gleichgiltig darein, das hannakische Element fehlte ihm.
Die gemüthlichsten blieben doch halter immer
die Wiener und die Oberösterreicher.
Auch blessirt, wenn nicht gar zu schwer, ſchienen
fie noch nicht die Lust an einem Spaßettel oder an einem wienerischen Gaſſenhauer oder an einem derben Schnadahüpfl verloren zu haben ; ihnen reiht sich der gesprächige Sachſe an, er erzählte für's Leben gern und vergißt sein „ Herr Jeses“ gewiß nicht einzumiſchen und dann die Preußen aus den verschiedenen Provinzen, fie alle kennzeichneten sich durch ihre von einander abweichenden provinziellen Eigenthümlichkeiten , der lebenslustige Rheinländer und der schwerfällige Pommer, der mit dem Kurmärker nicht selten um den Preis in der Derbheit ringt , der stämmige Westfale, voll Saft und Kraft wie seine Vorfahren auf der rothen Erde, und der Ostpreuße, der halbschlächtigen Naturels ist, froh und ernst, wie es gerade
126
Der internationale Verein für Krankenpflege.
fte alle vervollständigten mit mehr oder weniger Abwechselungen das Bild
paßt
einer Völkerwanderung Lazarusſe im Kleinen. Wenn die Waggons sie wieder aufgenommen und der Zug dahin rollte, verſank der Bahnhof auf ſo lange in Stille, bis ein neuer Zug wieder anlangte und sich dasselbe Bild erneuerte. Alle civilisirten Völker Europas stimmen darin überein ,
daß Krieg die
größte und furchtbarſte Geißel iſt, die von Menschen über Menſchen geſchwungen, unsägliches Elend verbreitet, und als Fluch für die Civilisation, welche nur in Jahren des Friedens gedeihen kann , seine Verheerungen auch über das Menschengemüth erstreckt.
Es ist daher gewiß erhebend, der Samariterdienste zu gedenken , die ein
Verein großherziger, edler Menschenfreunde leistete , welcher die schöne Tugend der Barmherzigkeit, die nur zu leicht in solchen Zeiten verloren geht , in den Herzen der Mitmenschen angeregt hat: Der „internationale Verein für Krankenpflege“ ist zum Segensengel für die große Zahl Verwundeter geworden und es dürfte vielleicht manchem Leser angenehm sein, am Schlusse dieses Abschnittes der Geschichte dieses Vereines hier gedacht zu finden, von dem man in Wahrheit sagen kann : er ist ein Gott angenehmes , herrliches Friedenswerk im Kriege, ein Symbol echter, schöner Menschlichkeit , das aus den Bluttümpeln des Schlachtfeldes aufgewachſen zum- Heile der auf den Schlachtfeldern in ihrem Blute hingestreckten Verwundeten sich als eine Segen spendende Himmelsblume entfaltet hat. Die Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 war vorüber , ein heißer Tag in doppelter Beziehung , denn heiß war der Kampf gewesen , der Tausenden das Leben gekostet , und die Sonnengluth hatte diesen Tag ganz besonders ausgezeichnet, denn noch am späten Abende lagerte eine erstickende Schwüle auf der Gegend, die Lebenden keuchten in dieser heißen Luft, und über die vertrockneten Lippen der in ihrem Blute liegenden Verwundeten , auf dem sich mit den Schatten der Nacht bedeckenden Schlachtfelde ging der Hilfeſchrei nach
Wasser.
Ein erfrischender
Trunk hätte Hunderten dieser Unglücklichen das Leben gerettet ; aber die Lebenden selbst, die müde am Boden lagernden Bataillone, hatten kein Wasser für sich selbst. O der Himmel verhüllte die Gräuelſcenen des Schlachtfeldes mit seiner tiesdunkelſten Nacht, in der so vieler Augen und Herzen brachen, weil ihnen keine Hilfe geworden war. Und als der neue Tag anbrach , war seine Sonne wieder so glühroth and von einem Hizenebel umſäumt , daß Jeder wußte , dieser Tag werde noch heißer
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Der internationale Verein für Krankenpflege.
werden.
Vom Schlachtfelde stiegen an diesem Tage böse Dünste auf, die Leichen
der Gefallenen und die Pferdeleiber gingen unter dieser hohen Temperatur rasch in Verweſung über, das wenige Wasser, was sich auf diesem schrecklichen Plane vorfand, war das eines Morastes , aus.
es hatte einen ekelhaften Geschmack und ſah ſchimmlig
Glücklich der Verwundete , der auf Händen und Füßen an dieſen giftigen
Pfuhl sich hinschleppen und den Tod in sich hinein schlürfen konnte. Langsam kamen die Krankentransportwagen, um die noch lebenden Verwundeten nach Castiglione zu holen , von wo sie in die Spitäler von Brescia , Bergamo, Cremona und Mailand geſchafft werden sollten , um dort ihre , vom Brand ſchon angefressenen Glieder zu verlieren und unter Höllenschmerzen zu sterben. in den Spitälern
Und dort
ja, es ist Alles vorhanden, was ein Spital an Charpie,
Lebensmittel und Waſſer haben muß ; aber es fehlt an Pflegern , an Händen , die die Unglücklichen speisen , tränken , verbinden.
Das ist Unglück.
Unter den auf
dem Schlachtfelde als Todte Eingescharrten leben noch Viele, aber sie sind vor Schmerzen, Durst und Hunger so betäubt und entkräftet, daß ſle keine Lebenszeichen mehr von sich geben können, und die Todtengräber haben rasende Eile, der Verweſungsgestank in dieser Hiße ist unausstehlich, jeder Athemzug wird zu Gift. Da aber schreitet durch all' diesen entseßlichen Jammer ein Engel des Herrn, ein ganz weiß gekleideter junger Mann zwischen den Todten und Verſchmachtendey hin, er labt die Leyteren, er ist ihr Trost, ein Segenſpender, er hilft fie aufladen, bringt ihnen Waffer, spendet ihnen einen Schluck belebenden Wein. Die Soldaten wissen nicht, wer dieser Samariter ist ; aber im Volksmunde findet das Gute wie das Böse, das Gerechte wie das Ungerechte , das Erhabene wie das schaamlose Laster stets seine rechte Bezeichnung, darum nennen die Soldaten ihn den „ weißen Herrn", theils wegen seiner Kleidung , theils , weil sich das Volk den Engel im weißen Gewande vorstellt.
Und wer ist der ,,weiße Herr“?
Ein Schweizer, ein gebürtiger Genfer , Namens Henri Dunant, er hat der Schlacht beigewohnt, ihre Donner gehört und nun sieht er ihr Elend und das 1 macht ihn zum Samariter.
Ja, wahrhaftig , in den Augen Gottes und in den
Augen der Verwundeten ist er mehr als der Cäsar von der Seine, der konnte nur diese vorher Gesunden zu Unglücklichen , Krüppeln machen, Henri Dunant ist ihr Retter, insofern die Rettung von Menschenleben von einem Schluck Wasser , von ein wenig geneßter Charpie in die brennenden Wunden gelegt, abhängt.
Mit ge-
fülltem Eimer wandert er auf dem von Kugeln durchfurchten, mit Blutlachen durchzogenen Schlachtfelde umher, er spendet, wo er spenden kann, und als endlich dies
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Der internationale Verein für Krankenpflege.
Liebeswerk geschehen, da kommt ihm der Gedanke, in der Eile, so gut es sich thun läßt, ein Spital zu gründen. In Castiglione räumt man ihm eine Kirche ein
besserem Zwecke hätte
dieſe nie dienen können und hätten tausend Priester täglich Messen gelesen - 500 Verwundete werden dahin gebracht, ihre Wunden
19 sorgfältigst ausgewaschen , sie T
werden in Decken gehüllt und mit Suppen gelabt. Ein alter Seeoffizier und zwei engliſche Reiſende betheiligten sich bei ſeinem Unternehmen, er wirbt Gehilfen, Wärter. Bald verstärkt sich sein kleines Hilfscorps, ein italienischer Geistlicher, drei andere Reisende, ein pariser Journalist gesellen sich zu ihm, die Offiziere der kleinen Beſazung von Castiglione bieten ihm ihre Unterstüßung an, die Frauen und Jungfrauen des Ortes, gerührt von dieſem ſamaritanischen Wirken, kommen ihm zum Beistande, ſie überwinden den Efel, die Beschwerden des Krankendienstes, sie heiligen die Menschheit in ihrem Dienste bei den Hilfeloſen, Unglücklichen. Was der Kartätschenhagel an Menschenleben zerstört hat, davon soll ― wenigstens ein kleiner Theil gerettet werden. Jeder Verwundete bekommt Cigarren warum ? um die Ausdünstung in so kleinem Raume so wenig als möglich gefährlich zu machen. Von Castiglione begab sich Henri Dunant nach Brescia.
Dort liegen
Kirchen und Hospitäler voll aber welcher entseßliche mephitische Dunst in diesen Räumen ! zum Unfinken ― diese Luft ist vergiftet. Mit einem menschenfreundlichen Kaufmann in Verbindung verſorgt Henri Dunant diese Kranken mit Cigarren und Nauchtabak, damit die Giftluft niedergeschlagen wird.
Sein Beispiel wirkt.
Wackere Männer, edle Frauen schließen sich ihm an,
fie thun, was sie können, obwohl es bei so schwachen Mitteln natürlich nicht durchgreifend sein kann.
Die Aerzte waren schnell fertig mit ihrem Resumé , wenn sie
die Krankensäle durchschritten.
„Hier ist nichts mehr zu machen“, sagten ſie leiſe
und bekümmerten ſich nicht mehr um die Unglücklichen, auf diese Weiſe dem Tode Ueberlieferten ; die Krankenwärter ohne Controle und Aufsicht ließen sterben , was da starb.
Der Mensch wird leicht hart.
Außer denen auf den Schlachtfeldern Gefallenen gab es bei den drei Heeren (Desterreicher , Franzosen ,
Italiener) noch 40,000 Fieberfranke.
Sie hätten Alle
vielleicht gerettet werden können ; aber es fehlte an der nöthigen Verpflegung, und dieser Mangel war vieler, vieler Tausender Todtengräber. Nach wochenlangem Wirken kehrte Henri Dunant nach seiner Vaterstadt Genf zurück, drei Jahre später gab er seine Erinnerungen, die er auf dieſem Felde
.3
Der internationale Verein für Krankenpflege .
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der Barmherzigkeit gesammelt hatte , in einer kleinen Schrift :
Un souvenir de
Solfèrino heraus .
Diese Schrift zündete in den Herzen der Menschenfreunde , ſie
erlebte viele Auflagen , wurde in mehrere Sprachen überseßt und die in dieser Schrift aufgeworfene Frage :
„Wäre es nicht möglich , in Friedenszeiten
freiwillige Hilfsgesellschaften zu gründen , deren Aufgabe es wäre, die Verwundeten im Kriege zu pflegen oder pflegen zu lassen? und das zunächst um die Militairärzte auf dem Schlachtfelde zu unterstüßen und dann , um die Verwundeten in den Hospitälern bis zu ihrer Wiedergenesung zu pflegen ? beherzigt. Henri Dunant forderte, als er sah , wie seine Fragen Anklang gefunden, öffentlich auf, diesen Krankendienst zu organisiren , beständig zu machen , ihn
zu
einem internationalen Geseß zu erheben, alle die, welche sich demselben unterziehen, und die Verwundeten zu „ neutraliſiren“, d. h. ſte in den allgemeinen Schuß aller civiliſirten Völker zu stellen, ſite in ihrem Dienſte für gesichert zu erklären , welcher Nation oder welchem Volke sie auch angehören. Traurig wäre es gewesen, wenn dieser die Menschlichkeit ehrende Gedanke ohne allen Verſuch zu einer möglichen Ausführung untergegangen und wie ſo vieles Gute leichthin vergessen worden wäre ; aber er wurde es nicht, er gewann lebendige Kraft , er wurde verwirklicht zum Segen vieler Tausende.
Auf den
Schlachtfeldern von Schleswig-Holstein trat er in's Leben und wenn ihm noch eine Weihe fehlte, so war es die der Allgemeinheit. für alle civiliſirten Völker Gemeingut werden.
Der Samariterdienst sollte
Zu diesem Zwecke richtete der
Schweizer Bundesrath auf Antrieb des Genfer Comités am 6. Juni 1864 eine Einladung an alle Regierungen zu einem internationalen Congreß in Genf , und 16 Staaten hatten Vertreter dahin gesendet. August 1864 statt.
Der Congreß fand vom 8. bis 12.
Eine internationale Convention kam daselbst zu Stande und
die Regierungen der Bevollmächtigten ratificirten dieſelbe. Wenn je ein Congreß Nußen und Segen gebracht hat , so ist es dieser Genfer. Durch ihn wurden alle Ambulancen (Feldlazarethe) und Militairhoſpitäler, welche Kranke oder Verwundete enthalten , für neutral erklärt ; aber mit ihnen auch zugleich alle die Personen , die in ihnen oder. in Verbindung mit ihnen oder beim Verwundeten - Transport thätig sind , desgleichen alle Feldgeistlichen mit eingeschlossen.
Alle Landesbewohner , die den Verwundeten zu Hilfe eilen , ſollen
respectirt werden und frei bleiben , jeder in einem Hause aufgenommene und ge= 9
1
Der internationale Verein für Krankenpflege .
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pflegte Verwundete dient demselben als Schuß (sauvegarde), ſo daß die Einwohner desselben von Einquartierung, sowie von einem Theile der auferlegten Kriegscontribution befreit bleiben. Verwundete und franke Soldaten , ob Freund , ob Feind, gleichviel , sollen aufgenommen und verpflegt, die nach ihrer Herstellung zum ferneren Kriegsdienste untauglich Befundenen sofort in ihre Heimath entlassen werden ,
ebenso können
auch die Wiederhergestellten , zum ferneren Kriegsdienste Tauglichen unter der Bedingung : während der Kriegsdauer nicht mehr zu dienen , in ihre Heimath sich wenden. Um die Ambulancen und Militärhospitäler Allen erkennbar auszuzeichnen, desgleichen
das
den Krankendienst versehende Perſonal als unantastbar jedem
Soldaten bemerklich zu machen , sind weiße Fahnen und Armbinden mit rothem Kreuze angenommen worden. Dieser internationale Krankendienst bildet eine der wenigen Lichtseiten des Krieges, er ist ganz daſſelbe, was der auf eine schwere finstere Wetterwolke fallende Sonnenschein ist
gegenüber so vieler Unmenſchlichkeit erscheint er als schönes,
erhabenes Zeichen edler Menschlichkeit , das für viele Tausende von Verwundeten in diesem Bruderkriege zum Segen geworden ist. Henri Dunant's Name wird von keinem Lorbeer gekrönt , wie dies dem Sieger geschieht, der stolz, im Bewußtsein ſeines Triumphes über den Feind, die blutgetränkten , mit Leichen und schmerzſtöhnenden Verwundeten bedeckten Schlachtfelder durchreitet ; aber die Geschichte, die ohne Furcht und Menschenschen über die Thaten richtet , widmet ihm, dem Retter und Wohlthäter der Menschheit unter allen Umständen ein Gedenkblatt, das aus unvergänglicherem Stoffe als aus Stein besteht.
Sein Name lebt im Segen der Nachwelt fort. Zu den für die internationale Kranken- und Verwundetenpflege schon ver-
einten Staaten trat auch Sachsen am 9. Juli
1866
Convention Gesezeskraft für das Königreich Sachsen.
und gab dieser Genfer Den Krankenpflegern mit
den weißen Fahnen und Armbinden mit dem rothen Kreuze , wurde in Sachſen das freundlichste Vertrauen von Seiten der Behörden wie des Volkes aller Orten, wo Lazarethe und Verbandstationen bestanden, entgegen gebracht, die Barmherzigkeit fand überall offene Herzen.
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Der Kampf Italiens gegen Desterreich.
Die Niederlage der Italiener bei Cuftozza. Der Kampf Italiens gegen Desterreich würde keinen Anspruch haben , in unserem Gedenkbuche, dessen Titel sich nur auf die Schilderungen des deutschen Bruderkrieges bezieht , einen Plaß zu finden , wenn er nicht selbstverständlich zu den Kriegsereigniſſen des Jahres 1866 gehörte , weil Preußen und Italien durch Vertrag miteinander verbunden, den Krieg gegen Desterreich gemeinschaftlich geführt hatten.
Es ist wohl sicher, daß , wären die Italiener nicht Feinde Desterreichs
gewesen, dies
die
Streitmacht von 250,000
Mann , welche es zur Deckung
Venetiens gegen sie zu verwenden , sich gezwungen sah , dem preußischen Heere hätte entgegen werfen können , wodurch natürlich der Krieg sich ganz anders gestaltet haben würde , denn die österreichische Uebermacht würde selbst bei den größten Verlusten die preußischen Corps immer noch erdrückt haben. Troßdem , daß die Preußen bei Königgräß das haben ,
was
Erstaunlichſte . geleistet
nur von einer Armee je verlangt werden kann , so waren die
Bataillone am Ende dieser gewaltigen mit denen bei Leipzig und Waterloo geschlagenen Hauptschlachten von allen Kriegsverständigen in gleiche Reihe gestellten Schlacht doch phyſiſch so sehr ermattet, daß sie dem sofortigen Angriffe einer frisch gegen sie vorrückenden österreichischen Armee nur einen geringen Widerstand hätten leiſten können, das Kriegsglück würde cine Wandlung erfahren haben , welche dem preußischen Heere in Böhmen ein ungeheures Grab bereitet hätte. Alle menschliche Kraft hat ihr Ziel, über dies hinaus kann sie nicht, zuleßt überwältigt phyſiſches Unvermögen den berühmtesten Helden. „Frei bis zur Adria !" hatte Napoleon III. 1859 den von Patriotismus glühenden Italienern zugerufen , das war die Loosung jenes Feldzugs , der jedoch mit dem unerwartet schnellen Frieden von Villafranca schloß.
Warum ?
war
Italien frei bis zur Adria geworden ? nein ! aber Napoleon entging, indem er diesen Frieden so überraschend schnell schloß, der Möglichkeit, seine Franzosen in Venetien geschlagen zu sehen
eine Niederlage hätte die franzöſiſche nur nach gloire
lüfterne Nation aus ihren Himmeln und ihn vielleicht vom Kaiserthrone gestürzt ; das Festungsviereck Venetiens war damals schen ein Anstoß für hochfliegende Pläne kriegerischen Uebermuthes, jezt ist dies Viereck durch eine Fortificationskunſt, die ihres Gleichen sucht , fast uneinnehmbar gemacht worden , Desterreichs ohnehin mißliche Finanzen haben sich an den ungeheuren Summen, die es für diese Bauten verwendete, verblutet , der Befiß Venetiens ist einer der Krebsschäden am öster9*
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Kriegserklärung Italiens an Desterreich.
reichischen Staatsförper.
Als Napoleon III. mittels eines Congreſſes den Frieden
in Europa zu erhalten gedachte, stand natürlich auf der Liste der dabei vorkommen sollenden Verhandlungen auch die Frage hinsichtlich Venetiens.
Einen Staat, der mit seinen Finanzen so weltkundig mißlich steht wie Desterreich ,
glaubte Napoleon III. durch eine bedeutende Entschädigungsſumme
zum Abtreten dieſes nur mit schweren Opfern behaupteten Landstriches an Italien zu bewegen , indeß Oesterreich lehnte den Congreßbeſuch entschieden ab , indem es dem Kaiser von Frankreich erklärte :
Eine vom militairischen, maritimen und po-
litischen Standpunkte so wichtige Provinz (wie Venetien ) abtreten , käme einem Selbstmorde gleich, der Oesterreich von dem Range einer Großmacht herabſinken mache. ¿Die Wiener Regierung würde alle Gefühle ihres Landes und ihrer Armee verlegen, wollte sie
auf eine Verhandlung
wegen
der
Ablaffung
Venetiens
eingehen. Der Congreß kam daher nicht zu Stande und Kaiser Napoleon rergaß diese Weigerung Desterreichs nicht , auf die Zeit hoffend, welche ihn rächen werde, und diese Zeit fam wirklich. Italien seßte nun alle ſeine Kräfte in Bewegung , um das hartnäckige Desterreich zu zwingen , den Besiß italienischer Erde, Venetien, zu verlaſſer. endloser Jubel herrschte in Italien ,
als bekannt wurde ,
Ein
daß folgende Kriegser-
flärung an Desterreich erlassen worden sei : ,,Hauptquartier Cremona, am 20. Juni. General Lamarmora an den Erzherzog Albrecht. Das Kaiserreich Desterreich ist seit Jahrhunderten die Hauptursache der Spaltung und Knechtung und der moralischen wie der materiellen Schädigungen Italiens .
Heute, wo die Nation constituirt ist, erkennt Desterreich fie
nicht an und fährt fort , unsere edelste Provinz zu unterdrücken , indem es aus derselben ein weites Feld zur Bedrohung unserer Existenz macht. Rathschläge anderer Mächte waren erfolglos.
Die
Es war unvermeidlich , daß
Italien und Desterreich sich bei der ersten europäischen Verwickelung gegen= überstehen würden.
Die vorgenommenen Rüstungen und die Zurückweisungen
von Friedensvorschlägen bewiesen die feindlichen Absichten Desterreichs . gesammte italienische Volk hat sich erhoben.
Das
Deshalb erklärt der König als
Hüter und Vertheidiger seines Landes dem Kaiserreiche Desterreich den Krieg. Die Feindseligkeiten werden in drei Tagen beginner , es sei denn , daß der
Manifest Victor Emanuel's an die Italiener.
133
Erzherzog diesen Aufſchub nicht annehme , in welchem Falle Larmarmora den Erzherzog ersucht, ihm davon Kenntniß zu geben." Die Kunde von diesem an Desterreich erlassenen Schriftstück rief einen alle Beschreibung übersteigenden Enthusiasmus hervor. bedeckte sich mit zahllosen Flaggen , und
Florenz , die Hauptstadt
auch die Läden- und Gewölbeinhaber
steckten die Tricolore aus. In den Kammern schwamm man förmlich in Entzücken, pls der Ministerpräsident Ricasoli die Sigung mit dem Zurufe eröffnete : Italien hat an Desterreich den Krieg erklärt!
Die Abgeordneten sprangen auf, klatschten
in die Hände, die Damen schwenkten die Tücher und die Mauern des Ständeſaales erdröhnten von dem Geschrei :
"„ Es lebe Italien! -es lebe der König !"
fan muß die Italiener kennen , um sich annähernd eine Vorstellung von dem Jubelſturm zu machen, der diese leidenschaftliche Nation mit unwiderstehlicher Gewalt ergriff, als sie sich am Ziele ihrer Wünſche ſah , den Krieg mit dem ihr tief verhaßten Desterreich auszukämpfen. Gerechtigkeit ist eine zu ſchöne Tugend, um sie nicht auch an dem gehaßteſten Feind zu üben.
War auch Desterreichs Politik ein Gegenstand des bittersten
Hafſses der Italiener, so konnten sie doch unmöglich leugnen, daß dieser, ihr Feind, nichts unterlassen hatte, den Verkehr im Lande zu heben und sorgfältig geordnete Zustände herbeizuführen, daß zwischen dem von Italienern beherrschten Territorium und dem von den Desterreichern ein sichtbar in die Augen springender Unterſchied obwalte, darum wollte auch das lombardische Landvolk im Feldzuge von 1859 nicht recht mit seinen sogenannten Befreiern , seinen eigenen Landsleuten , stimmen , es hatte sich an die Ordnung gewöhnt, es war zufrieden gestellt, meist nur die Städte waren die Herde des unauslöſchlichen Hafſes gegen Desterreich. Das Manifest des Königs Victor Emanuel steigerte die Begeisterung seiner Italiener nur noch mehr.
Es lautete wie folgt :
"„Sieben Jahre sind bereits verflossen , seit Desterreich meine Lande angriff, weil ich die Sache des gemeinsamen Vaterlandes vor dem Rathe Europa's vertreten hatte.
Ich griff zum Schwerte , um meinen Thron , die
Freiheit meiner Völker und die Ehre des italienischen Namens zu vertheidigen und für das Recht der Nation zu kämpfen. Rechte.
Der Sieg war mit dem guten
Die Tapferkeit der Armee , die Hilfe der Freiwilligen, die Weisheit
und Eintracht des Volkes und der Beistand eines hochherzigen Alliirten führten zur faſt gänzlichen Unabhängigkeit und Freiheit Italiens.
Motive
höherer Art , welche wir zu respectiren hatten , verhinderten uns damals , die
134
Manifest Victor Emanuels an die Italiener.
gerechte ,
ruhmvolle Unternehmung zu Ende zu führen.
Eine der edelsten
Provinzen Italiens , welche die Wünsche der Bevölkerung mit meiner Krone vereinigt hatten , und welche der heroische Widerstand und der beſtändige Protest gegen die Fremdherrschaft uns besonders werth und heilig machten, blieb in den Händen Desterreichs.
Obwohl dadurch schmerzlich in meinem
Gemüthe berührt, stand ich davon ab, Europa, welches den Frieden wünschte, länger zu beunruhigen.
Meine Regierung gab sich der Arbeit hin , das
nationale Werk im Innern zu vervollkommnen , dem öffentlichen Wohlstande Quellen zu erschließen und zu Lande und zur See den Staat zu stärken und zu befestigen in Erwartung einer günstigen Gelegenheit , die Unabhängigkeit Venetiens zu erringen.
Obgleich zu warten nicht ohne Gefahr war , haben
wir dennoch, ich, meine Gesinnung als Italiener und König, mein Volk seine berechtigte Ungeduld im Herzen fest bewahrt.
Während wir bemüht waren,
das Recht der Nation und die Würde der Krone und des Parlaments unversehrt zu erhalten , damit Europa begriffe , was Italien gebühre , hat sich Desterreich plötzlich an unserer Grenze verstärkt , uns durch eine feindselig drohende Haltung provocirt und ist gekommen, das feindliche Werk der Reorganisation des Königreichs zu stören.
Auf die ungerechte Herausforderung
habe ich damit geantwortet , daß ich zu den Waffen griff, und Ihr habt der Welt ein großes Schauspiel gegeben, indem Ihr rasch und voll Enthuſiasmus zu den Reihen meiner Armee und der Freiwilligen eiltet. befreundete Mächte den Versuch
Als gleichwohl
machten , die Schwierigkeiten durch einen
Congreß zu lösen, habe ich Europa ein leztes Pfand meiner Gesinnungen geben wollen und mich beeilt, zuzustimmen. Desterreich verweigert auch dieses Mal die Unterhandlungen und weiſt jedes Einverständniß zurück.
Es giebt ·
damit einen neuen Beweis , daß , wenn es Vertrauen hat zu ſeiner Kraft, es nicht so seiner guten Sache und seinem Rechte vertraut. - Italiener, auch Ihr dürft Eurer Kraft vertrauen , wenn Ihr mit Stolz auf Eure tapfere Armee und Eure starke Marine blickt.
Ja , Ihr dürft noch vertrauen der
Heiligkeit Cures Rechtes, deſſen Triumph nunmehr unfehlbar ist. Wir werden unterſtügt durch das Urtheil der öffentlichen Meinung und die Sympathie Europa's ,
welches weiß ,
daß ein unabhängiges Italien für daffelbe eine
Bürgschaft des Friedens und der Ordnung sein wird.
Italiener, ich übergebe
die Regierung dem Prinzen Carignan und gürte wieder den Degen , den ich bei Goito, Pastrengo, Palestro und San Martino führte.
135
Freischaarenführer General Garibaldi.
Ich fühle, daß ich das Gelübde, welches ich einst auf dem Grabe meines hochherzigen Vaters ablegte , erfüllen werde :
Noch einmal will ich der erste
Soldat für die Unabhängigkeit Italiens ſein.“ Um den Kampf recht populär zu machen , hatte man den Einsiedler von der Ziegeninsel, Garibaldi, zur Armee gerufen, er sollte die Freischaaren zum Siege führen.
Das italienische Volk jubelte in tauſendstimmigen „ Eviva Garibaldi !“
als es ſeinen alten Freund mit dem frischen Herzen eines Jünglings an der Spize der bis zu 95,000 Mann angewachsenen Freischaaren sah.
Und dieser ihn
begrüßende Jubel war ein sehr gerechter, denn Garibaldi verdient ihn wegen seiner seltenen Tugend.
Spätere Generationen werden es nicht glauben wollen , daß es
einen General und Volksführer gegeben habe, dem nichts leichter gewesen wäre, als mindestens eine Million Lires für seine Tasche zu erobern, und der frei von allem Eigennuß sich so arm vom Schauplaße seines Ruhmes in die Einsamkeit zurückzog, daß er genöthigt war , ſein Pferd , das ihn in manchem harten Strauße getragen und das er sehr liebte , zu verkaufen.
Solcher ihr eigenes Intereſſe vergessende
Männer giebt es nicht viele und deshalb liebt ihn das italieniſche Volk , es bewunderte in ihm die seltene Tugend der Uneigennüßigkeit, und mit Recht. Und ehrend war es auch vom König Victor Emanuel , daß er im Stillen das Pferd hatte kaufen lassen und als Garibaldi aus dem Schiffe ſtieg , das ihn von Caprera, ſeiner Insel ,
an's italienische Festland gebracht hatte , das treue
Thier ganz mit demſelben Sattel und Zeug , als sei es gar nicht weggekommen, ihm als sein zurückgelassenes Eigenthum vorführen ließ. Außer ihm besißt das italienische Heer in Cialdini einen Führer , der das allgemeinſte Vertrauen sich erworben hat. Das Journal „ Des Debats" brachte über Cialdini's Vergangenheit und ſeine eminenten geistigen Eigenschaften folgende intereſſante Schilderung , welche wir hier einweben : Was Garibaldi für die Freischaaren ist , ist der General Cialdini für die reguläre Armee.
Bei Hörung seines Namens ſtrahlt das Geficht der Offiziere,
er ist ihnen gleichbedeutend mit Sieg. vieler Beziehung Gegenfäße.
Und doch sind die beiden Feldherren in
Eine so lyrische, schwärmerische Natur Garibaldi ist,
eben so kurz, eckig und trocken ist Cialdini, präciſe, wie eine arithmetiſche Formel. Garibaldi ahnt ; Cialdini entscheidet durch klare Berechnung ; bei dem Einen wird der Instinkt durch eine Art höherer Eingebung geleitet ; bei dem Anderen klärt ſich der Instinkt durch eine Concentrirung der inneren geistigen Kräfte und glänzt im
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General Cialdini.
eigenen Lichte wie der Phosphor.
Beide find in derselben Schule gebildet worden,
in dem Guerrillakriege ; aber in Cialdini haben ſich die Erfahrungen zu einem tactischen Ganzen gegliedert. Cialdini ist 53 Jahre alt ; sein Vater war aus Modena gebürtig , ſeine Mutter eine geborene Spanierin.
Er war in seiner Jugend Zögling des Jeſuiten-
Collegiums ; doch wurde er von den ehrwürdigen Vätern bald entlaſſen , da er A ihnen eine zu große Neigung zur Geometrie und zum Schreiben von Epigrammen hatte.
Cialdini begab sich darauf nach Parma, wo er beabsichtigte , Medicin zu
studiren.
Es traten ihm aber Hindernisse entgegen und er wurde Graveur.
erstes Kunstwerk war ein Portrait Poniatowsky's , das er 1826 vollendete.
Sein Im
Jahre 1831 stand er auf Seite der Revolution und schlug sich bei Rimini gegen die Desterreicher.
Nach der Unterdrückung der Revolution wanderte er nach Paris
Als der Krieg in Portugal ausbrach , und Cialdini im Begriff stand , sich dorthin zu begeben, wurde er von der Cholera befallen.
Es dauerte längere Zeit,
bis er vollständig genas ; doch kaum war seine Geſundheit wieder hergestellt , so reiste er im Jahre 1833 Königin ein.
ab und trat als Grenadier in das Regiment der
Empfehlungsbriefe , die ihm Lafayette mitgegeben hatte , benußte er
nicht , um sich selbst seine Carriere zu verdanken.
Gleich bei seinem Eintritt in
das Regiment hatte er ein glückliches Duell mit ſeinem Sergeanten, einem Deutſchen, der auf die Italiener schimpfte. Es war dies der erste Sieg des jungen Grenadiers. Im Treffen von Villa Vanzeller , wurde er zum Unteroffizier ernannt. Nach einem anderen Treffen, in welchem Bourmont die Miguellisten commandirte, wurde Cialdini mit dem Thurm- und Schwert-Orden decorirt. Nach der Schlacht von Santarem wurde er Feldwebel und nach der Capitulation von Evora - Monte Lieutnant.
Im Jahre 1835 trat er in spanische Dienste über, wo er zum Lieut-
nant bei den Jägern von Oporto ernannt wurde. wählte ihn zu ſeinem Adjutanten.
Der Commandeur dieſes Corps
Nach der Schlacht von Cherta im Jahre 1836
wurde er zum Capitain befördert und erhielt den St. Ferdinand -Orden, und nach der Einnahme von Cantaviesa wurde er mit der Medaille für Auszeichnung im Felde decorirt.
In der Schlacht von Chira avancicte er zum Major und er
wurde in dem Tagesbefehl mit unter denen angeführt, die um Spanien wohlverdient seien.
Er nahm an dem ganzen Feldzug Theil.
1838 erhielt er, nach dem
Treffen von Cherta, wegen seiner Verdienste im Kriege, selbstständig ein Bataillon. Bald darauf im Jahre 1839 trat er aus der Fremdenlegion in die reguläre ſpaniſche Armee über, wo er schon im nächsten Jahre nach der Schlacht von Pala-
*
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General Cialdini.
Campo zum Capitain avancirte und decorirt wurde.
Im Jahre 1843 ernannte
ihn Narvaez zu seinem Adjutanten , und bei dem Einzuge in Madrid wurde er zum Oberst-Lieutnant im Regiment San Ferdinando ernannt. Beim Ausbruch der Revolution von 1848 befand sich Cialdini gerade in Paris , wohin ihn der Herzog von Ahumada gesandt hatte , um die Organisation der französischen Gensdarmerie zu studiren.
Er begab sich von dort nach Italien
nnd stand jezt zum zweiten Male den Desterreichern auf den Höhen von Vicenza gegenüber ; diesmal als Oberst unter dem Befehl des General Giovanni. Durando. Cialdini erhielt eine Kugel in den Unterleib und fiel den Desterreichern in die Hände. Auf das sorgfältigste von ihnen behandelt und verpflegt, wurde er indeſſen von seiner Wunde wieder hergestellt und kehrte nach der Niederlage von Novara nach Turin zurück. - Lamarmora nahm ihn mit nach der Krim , wo er ihm die dritte Brigade übergab und ihn noch im Laufe des Feldzuges zum General ernannte.
Nach der Rückkehr aus der Krim wurde er Adjutant des Königs und
General-Inspector der Bersaglieri. Im Feldzuge von 1859 erhielt er das Commando der 4. Division , mit
138
Das Feftungs- Viered in Venetien.
welcher er den Uebergang über die Sesta bewerkstelligte
und
an den beiden
Schlachten von Palestro Theil nahm , wo sich die Zuaven und Piemontesen mit ſolcher Bravour unter den Augen des Königs Victor Emanuel selbst schlugen. Er wurde bald nach diesem Treffen zum Generallieutenant befördert.
Im Jahre
1860 übernahm Cialdini das Commando des 4. Armeecorps und lieferte das Gefecht von Castelfidardo ; ebenso nahm er an der Einnahme von Ancona Theil. Der König ernannte ihn in Folge deffen zum Armee- General.
Als solcher schlug
er dann die Neapolitaner bei Marcerene, bei Seffa, am Garigliano, bei Mola di Gaëta und bombardirte und eroberte Gaëta und Messina.
Auch das Gefecht von
Aspromonte will ich erwähnen ; denn auch hier erfüllte Cialdini ſeine Pflicht und verhalf dem Geseße zu seinem Rechte. Cialdini verbindet mit großer Festigkeit des Charakters ein empfängliches, feuriges Temperament.
Er ist fein gebaut, seine Stirn zeugt von eisernem Willen,
seine Augen sind lebhaft , sein Lachen ist sarcastisch , sein Gesichtsausdruck meist doch zuweilen auch von unbeschreiblicher Härte , sein Benehmen
heiter,
zurückhaltend , bald familiär.
Er fühlt seine Kraft.
bald
Er traut auf seinen Stern,
der ihn bis jezt noch nie im Stiche gelaſſen hat.
*.
Die Italiener verfolgten bei ihrem Angriff auf die Oesterreicher den Plan einer dreifachen Bewegung , nämlich gegen den Po , den Mincio und Tirol. Cialdini's Aufgabe bestand in der Umgehung des Festungsviereckes im Osten, Garibaldi sollte dasselbe im Westen thun , König Victor gegen dasselbe von vorn operiren.
Diese drei Heerführer verhehlten es sich gewiß nicht , daß Venetien zu
erobern , wenn auch nicht unmöglich, doch mit so vielen fast unüberwindbaren Hinderniſſen verbunden sei , daß eben nur ein Feldherr , der vor dem Aufopfern von hunderttausend Menschenleben nicht zurückschreckt , endlich zum Ziele gelangen kann , vorausgesezt , daß er zugleich über ungeheure Mittel gebietet , welche dieſes militairische Kunst- und Wagestück hinreichend unterstüßen. Die Desterreicher haben das Stück Erde , welches den Namen Venetien trägt, mit Vertheidigungswerken umgeben, welche wohl nirgends ihres Gleichen finden. Diese Werke bestehen in dem berühmten Festungs - Viereck , welches schon früher 1848 und 1859 eine wichtige Rolle gespielt und im Jahre 1866 wieder zu spielen bestimmt schien, wenn nicht die Wendungen des Geſchickes so überraschend wunderbar eingegriffen hätten, es in den Besiß der Italiener zu bringen.
Denn nicht Italiens
Geschrei ,,Venetien um jeden Preis !" noch die italienischen Waffen haben diesen Besiß errungen, im Gegentheile haben die Lezteren durchaus keinen Ruhm davon
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Festung Peschiera.
getragen, zu Lande wie zur See haben sie Niederlagen erlitten, Niederlagen, welche ziemlich empfindlicher Natur waren. Die Desterreicher haben -
zugestehen -
auch der enragirteste Feind muß ihnen das
Alles, was nur die Dertlichkeit bietet, um Venetien zu vertheidigen,
auf's Sorgfältigste benußt.
Die beiden wichtigen Flußlinien, der Mincio und die
Etsch boten ihnen bei dem Bau ihrer Fortificationswerke die trefflichsten Stüßen derselben. Der Mincio fommt aus dem Gardasee oder ist vielmehr deſſen Abfluß. Sein Lauf bis dahin, wo er in den Po fällt, beträgt 7-8 Meilen.
Die Etsch,
eine Tochter der tiroler Berge , durchströmt das Gebiet Venetiens in einer Ausdehnung von 26 Meilen und besißt, außerdem daß sie einen sehr starken Fall hat, eine Tiefe, an den seichtesten Stellen 16, an den tiefsten aber 25 Fuß, und eine Breite, wo diese am ſchmalſten 600 Fuß und wo sie am weitesten 1200 Fuß, und ist auf ihrem Laufe durch Venetien schiffbar.
Der Mincio und die Etsch sind Nachbarn , die Leßtere flicßt nur wenige Meilen östlich vom Mincio und die an diesem stehenden Festungen Peschiera und Mantua bilden mit den beiden an der Etsch befindlichen Verona und Legnago ein schiefes Viereck , das zu erobern , wie schon oben erwähnt, zu den Kunſtſtücken eines Feldherrn gehören dürfte. Napoleon III. wußte sehr gut, warum er 1859 den Frieden zu Villafranca schloß, seine Franzosen würden bei der begonnenen Eroberung dieses Viereckes ihre gloire total verloren haben.
Selbstverständlich ist es , daß die Desterreicher seit
1859 nichts versäumten, was zur Vervollkommnung dieſer Fortificationen beitragen konnte, so daß dieselben in der rechten Flanke durch Tirol, in der linken durch den Po gedeckt werden.
Jezt ist diese Festungsgruppe so vollkommen geschloffen , daß
das hinter ihr liegende Terrain gänzlich abgesperrt ist. Die nordwestliche Spiße dieſes Viereckes bildet die Festung Peschiera am Mincio und zwar da gelegen , wo dieser aus dem Gardasee tritt.
Ehemals war
diese von Höhen umgebene kleine Stadt, in der 2000 Seelen, meist Fischer, leben, nicht armirt, jezt ist sie es aber um desto mehr, denn ein doppelter innerer Kreis von Wällen und Bastionen , von vielen Außenwerken umgeben , zieht sich gleich einer harten Schaale um den Kern , um die Stadt bis an das in den See vorspringende Vorgebirge im Südosten.
Dieser doppelte Bastionen- und Wallgürtel
wird durch einen äußeren Ring vorgeschobener Werke eingeschlossen , wodurch die Festung natürlich um das Dreifache vergrößert wird ,
ein Heer von
30,000
140
Festung Peschiera.
Feftung Mantuo,
141
142
Festung Legnago.
wwww.
Festung Verona.
143
144
Feftung Mantua.
Mann aufnehmen kann und ſonach nicht blos Defensiv-, sondern auch OffensivOperationen dient. Schon im Jahre 1848, als Peschiera noch nicht von solchen Werken umgeben war , sich auf dem rechten Ufer des Mincio nur die des Forts Montefero, auf dem linken Ufer die des Forts Mandella befanden, gelang es den Piemontesen, welche unter General Mamo diese genannten Werke vom 10. April bis zum 31. Mai belagerten und sie dann bis Mitte August besezt hielten , die Vertheidiger Peschiera's durch Hunger zu zwingen.
Wie gesagt , die Desterreicher haben Alles
gethan , um Vertheidigungswerke herzustellen , an denen sich eine halbe Million Feinde die Köpfe einstoßen können.
Von Peschiera an , stromabwärts , ziehen sich
Verschanzungen von außerordentlicher Stärke, wie für die Ewigkeit erbaut.
Das
ganze Terrain von Volta bis Lonato, denen außer Peschiera noch Valeggio und Salionze zu Stüßpunkten dienen , find
ganz
besonders für die Vertheidigung
geschaffen. Die ganze Minciolinie bis nach Mantua, 4½ Meile von Peschiera entfernt, bildet fonach ein Stück Erde , welches für jeden Feind zum Kirchhofe wird , wenn er nicht durch ganz außergewöhnliche günstige Umstände, unter denen auch Verrath feine leichthin zu übersehende Rolle spielen dürfte, sich unterstüßt sieht. Mantua, gewiß allen Lesern schon durch die Erinnerung an Andreas Hofer's Tod dem Namen nach bekannt , galt schon in der napoleonischen Zeit als eine starke Festung, und wie dies vom ganzen Festungsviereck gesagt ist , gilt dies namentlich von Mantua. Seit jener Zeit sind die , diese auf einer im Mincio befindlichen Insel erbauten und jeßt ohngefähr von 30,000 Seelen bewohnten Stadt umgebenden Werke gleichsam wie Stoßzähne aus dem Boden gewachsen.
Die Stadt ſelbſt,
deren Flächenraum sehr umfänglich ist , zeichnet sich keineswegs durch großartige Fortificationen aus, ſie ist durch eine Citadelle und eine starke Mauer gedeckt. Um in die Stadt zu gelangen, deren Straßen meist breit sind und schöne Häuser haben , muß man zwei Dämme oder Hauptbrücken paffiren , welche von einigen Forts mit Kanonenfeuer bestrichen werden können , also den Zugang fast unmöglich machen.
Wenn dieser Kern der Festung dem Feinde auch keine un-
überwindlichen Schwierigkeiten hinsichtlich einer Eroberung bietet , so sind dagegen die Außenwerke von einer Art, daß eine Einnahme nicht unter die leicht denkbaren Dinge gehören dürfte.
145
Feftung Mantua.
Im Westen der Festung, welcher ſehr ſumpfigen Boden hat, ist ein soge nanntes Hornwerf, Pradella mit Namen, vorgeschoben , an deren Südſeite trifft man die stark befestigte Insel Il Te, auch Gerese genannt, und ein anderes Außen werk Miglioretto , welches mit einigen von Montavanna über La Favorita bis Castiglione und La Motella hinaus sich erstreckenden detachirten Fortificationen ein verschanztes Lager deckt. Echleußensystem , mittels
In derselben westlichen Gegend befindet sich ein
deſſen das ganze Terrain unter Wasser zu sehen ist.
Diesem Schleußenwerke dient das Fort Pictole zum Schuße.
Die Nordseite der
Festung, durch eine Abzweigung der lombardisch - venetianischen Ferdinandbahn mit Verona verbunden , heißt Borgo di Fortezza .
Man gelangt zu ihr mitte!3
eines 1380 Fuß langen ſtarken, über den See geführten Dammes. Dieſer Damm heißt Ponte dei Molini.
Die Nordſeite wird durch die große Citadelle di Porto
vertheidigt. Die Ostseite der Festung , Borgo di San Giorgi genannt, ist mit dem Haupttheile der Stadt durch eine 2700 Fuß lange Steinbrücke verbunden, welche durch 6 Bastionen und 2 Strandbatterien vertheidigt und durch das Fort San Giorgio gedeckt wird .
Das Fort von Pietole ist der Schlüſſel zur Festung, wenn
der Feind von der rechten Flußseite angreift, denn nur im Besiße dieſes Fortes iſt es möglich, die Ueberschwemmung abzuleiten, mit welcher das verſchanzte Leger umgeben werden kann.
Durch Stauung des im Fosso Pajolo befindlichen
Wassers wird diese Ueberschwemmung ermöglicht.
Auf der andern Seite sraut
der Ponto dei Molini den obern Theil des Sees.
Durch alle diese Kunstwerke
von Fortificationen hat die Festung Mantua eine so große Ausdchnung erlangt, daß nur ein sehr großes Heer dazu erforderlich ist , um ſie auf beiden Seiten zu gleicher Zeit einzuschließen.
Zu dem kommen noch die beiden ſumpfigen Ufer des
Mincio, was dem Belagerer es fast unmöglich macht, feſten Fuß zu faſſen.
Die
Belagerten dagegen haben die volle Freiheit, auf beiden Flußufern sich zu be wegen und den Feind da anzugreifen, wo sie ihn am schwächsten glauben. Es ist überdies ein großer Vortheil für die Belagerten, daß ſie zu jeder Zeit fich mittels der Zweigbahn durch Zuzug aus Verona verſtärken und, die Festung verlassend, dem Feinde, wollte er auf der kurzen Strecke des Mincio denselben überschreiten, in den Rücken fallen und in einer für ihn sehr ungünstigen Lage zur Schlacht zwingen können. ihre Besizer.
Aber auch Nachtheile hat die Festung Mantua für
Die tiefe und sumpfige Lage der Stadt erzeugt schlimme Ausdün-
stungen, so daß die Luft der ganzen Umgegend davon durchschwängert ist, damit 10 Arieg ereignisse, IV. cft.
140
Festungen Legnago unb Berona.
verbindet sich das schlechte Wasser und diese Nachtheile erhalten die Fortdauer von Fiebern unter der Garnison.
Für den Feind , der eine Belagerung unter
nehmen wollte, dürften dieſe Nachtheile noch viel empfindlicher sein , weil seine Armee im Freien lagern müßte und so den verderblichen in der Atmosphäre sich befindenden Ausdünstungen ohne Schuß ausgesetzt sein würde.
34
Von den beiden Etschfestungen Legnago und Verona ist die erstere sehr klein und zu ihrer Vertheidigung sind kaum 1000 Mann nöthig. › nicht viel weiter von dem festen Mantua entfernt, als Peschiera.
Sie ist
Ihre Wichtigs
keit liegt in der Vertheidigung des Ueberganges über die hier sehr breite Etsch und daß von Legnago aus , ſelbſt wenn der Feind den geraden Weg versperrt hat, immer noch eine gesicherte Verbindung zwischen Mantua und Verona gestattet bleibt, was immerhin von großer Bedeutung für die Inhaber des Festungsvierecks ist.
Im Südwesten Legnago's breiten sich unabsehbare Reisfelder aus.
Durch dies fumpfige Terrain führen nur wenige Wege.
Das ist Alles in Allem,
was von dem kleinen , jedoch nicht so ganz unwichtigen Legnago gesagt werden fann.
Ganz anders verhält es sich dagegen mit Verona , ein Hauptstützpunkt
für die Vertheidigung, wenn auch nicht so fest wie Mantua. Verona bildet die Nordostecke des Festungvierecks und ist von Mantua
5, von Peschiera 3 Meilen entfernt. Die Stadt Verona leidet nicht unter den Nachtheilen Mantua's, das heißt unter Fiebern, schlechtem Waſſer und einer ungesunden Luft , weil sie in einer trocknen, wenngleich nicht gar zu fruchtbaren Ebene liegt.
Sie ist eine sehr alte
Stadt, was schon ihre meist krummen und engen Gassen bezeugen und wird von der Etsch in den nördlichen und südlichen Theil getrennt, beide Theile sind durch Als Bild einer italienischen Stadt ist Verona
4 Brücken mit einander verbunden.
einzig, denn in der Bauart vieler ihrer Gebäude kündigt sich ihr hohes Alter an. Unter ihren mehreren großen Plägen ist besonders die Piazza de Signori (der Herrenplay) mit dem Rathhause, sechs anderen Palästen , und den Statuen aus, gezeichneter Bürger umgeben , zu erwähnen.
Daß Verona eine Stadt von Be-
deutung ist, bezeugen ihre 48 Kirchen, darunter befindet sich eine Kathedrale und 14 Pfarrkirchen.
Eine der Kirchen, San Zeno, ſtammt noch aus dem 9. Jahr-
hundert und ist ein altehrwürdiger Bau.
Für geistige Bildung ist ebenfalls hin-
länglich in Verona gesorgt, denn es besißt außer einem Lyceum noch 3 Gymna
SBR
sien, ein Seminar, eine Akademie der bildendenMKünste, US ET ISH Ackerbaues, öffentliche Bibliotheken u. f. m.T
eine Lehranstalt des
147
Stadt und Festung Berona.
Aus der alten Römerzeit her stammt das Amphitheater oder die Arena, wo 22,000 Zuſchauer auf teraſſenartig aussteigenden Eigen Plag fanden , 46 Reihen im Kreise herumlaufender Sige von rothem Marmor faßten die Menge Menschen , die 32 Eingänge (also auch Ausgänge) benußen konnte, um olue großes Gedränge hinein und hinaus zu kommen .
Diese Arena ist das einzige
wohlerhaltene Denimal der Art aus alter Zeit in ganz Europa, denn die übrigen sind meiſt in Trümmer gefallen.
Die Industrie der Veroneser ist nicht unbedeutend,
es giebt hier eine große Anzahl Seidenfilatorien , Seidenmanufacturen, viele Webereien und Fabriken anderer Art , und obwohl der Handel zwischen Italien, Deutschland und der Schweiz bedeutend von seiner ehemaligen Lebhaftigkeit verloren hat , ist er doch immer noch beträchtlich zu nennen.
Dies mag als eine
in gedrängtester Kürze gegebene Schilderung der Bedeutsamkeit Verona's gelten, für die, daß die Stadt zur Festung umgewandelt wurde, eben kein Gewinn daraus hervorging. Verona hat einen Umfang von 7 Meilen und zerfällt, wie ſchon erwähnt, in zwei Hälften, die kleinere östliche heißt Veronetta. Im Jahre 1848 war Verona als Festung ohne Bedeutung ,
die damals
daselbst befindlichen Fortificationen gewährten , da sie ihrem Zwecke nicht ent sprachen, so daß man ſpottweiſe ſagte : nicht die Oesterreicher , ſondern die Piemontesen, ihre Feinde, hätten sie erbaut — keine besonders günstige Vertheidigung. Dem ist nun vollständig abgeholfen , Verona zum Waffenplaß im großartigſten Styl gemacht worden.
Eine Umfaſſungsmauer mit einer Anzahl detachirter Forts
umgiebt die Stadt ; vermöge der vielen Thore können in Zeit von 4 Stunden cin Viertelhunderttauſend Soldaten einen Ausfall auf den Feind machen oder sich in die Festung zurückziehen, je nachdem es die Nothwendigkeit erfordert.
Auf dem
rechten Etschufer befinden sich acht Bastionen , sie bilden die natürliche Angriffsfronte.
Da wo der Fluß in die Stadt tritt und da wo er sie verläßt , steken
zwei Forts, San Proculo und Fort Heß.
Zwischen diesen beiden Werken ziehen .
sich bedeutende Redouten hin , höchstens 800 Fuß von einander entfernt. find sämmtlich mit bombenfesten Kassematten versehen.
Eie
Hinter diesen Redouten
liegt ein Raum zu einem verschanzten Lager, das mindeſtens 60,000 Mann faſſen kann. Auf dem linken Etſchufer sind die Fortificationen, wenn auch nicht so großartig, doch bedeutungsvoll genug.
Der Wall ist mit Baſtionen versehen und ſeine
Zugänge werden von dem zwischen dem Ets.hthale und dem Patentathale auf 1.
148
Sellung Berona.
steilen Felsen gelegenen Kaſtelle San Felice beherrscht.
Der äußere Befestigunge,
gürtel um die Stadt bildet einen Umfang von 3 Meilen und bietet einer hier sich vertheidigenden Armee alle nur denkbare Begünstigungen hinsichtlich des ra schen Ueberganges von einem zum andern Ufer, vollkommene Freiheit der Beweg ungen und gesicherte Stellung. Der innere sich um die Stadt schwingende Festunge gürtel hat nur 8 Forts , die Etsch ist für diese Fortificationen insofern eine sehr ſichere Baſis, als sie nicht nur keine einzige Furi hat, ihr Lauf sehr raſch und sie von einer Breite von 260 bis 320 Fuß ist.
Dieser Umstand macht den Neber .
gang einer Armee , die nicht im Besitz der Brücken sich befindet, fast zur Unmöglichkeit. Schon die Annäherung an Verona ist für einen Feind mit sehr vielen Schwierigkeiten verbunden durch den natürlichen Brückenkopf Paſtrengo, umgeben . von sehr vortheilhaft gelegenen Höhen , und das Plateau von Rivoli, vou wo aus man, da das Etſchthal daſelbſt ſo eng ist , mit weittragendem Geſchüß die Straße völlig sperren kann.
Außerdem wird die Vertheidigung noch durch 3 Forts,
Rivoli, Wratislaw und Molinari und mehrere sogenannte Maximiliansthürme bewerkstelligt.
Die Eisenbahnen, welche Peschiera, Mantua und Verona (Legnago
befindet sich außer der Linie) verbinden , machen die Verpflegung und Verstärkung der das Festungsviereck innehabenden Truppen leicht , welcher Umstand für den Feind, der doch nicht zugleich alle vier Festungen angreifen kann , ein schwer in die Waagschale fallendes Hinderniß ist. Die österreichische Südarmee , die das so geschilderte Festungsvieres ver theidigt, ist im Besitz aller Vortheile , welche sich überhaupt eine zur Defensive bestiminte Armee nur je wünschen kann, sie kann Ausfälle nach Belieben machen. und wenn ihr die Annahme einer Schlacht nicht genehm ist , sich in ihcen Festungen ganz sicher gedeckt haltea.
Um das Festungsviered in ihre Gewalt
zu bringen , beſchloſſen die Italience es im sich Venedigs bemächtigen.
Rücken anzugreifen, d. h . ſe wollten
Diez jedoch ist ebenfalls keine leichte Aufgabe.
Die zu Venetien gehörende Meeresküste ist flach.
Die Stadt Venedig
selbst liegt auf sogenannten Lidos, daß ſind Sand- und Schlammdüren, die ſich durch die hier in's Meer ergießenden Ströme gebildet haben.
Hinter den Lidos
ziehen sich Meeresarme lang hin nach der Küste und endigen in Sümpfen . Die Venedig umgebenden Gewäſſer ſind für große Secſchiffe viel zu seicht und giekt es auch Kanäle, die den Schiffen gutes , d. h . tiefes Fahrwaſſer bieten, so jind
AppA
Festung Verona. --- Tagesbefehl Cialdini's.
149
diese für den ſie benußen wollenden Feind doch schnell in ihm Unheil drohende Fahrstraßen umzuwandeln. In Friedenszeiten werden sie sorgfältig offen gehalten und das Fahrwasser ist den Schiffern durch Pfähle bezeichnet, in Kriegszeit werden diese Pfähle einfach entfernt und der feindliche hier nicht Bescheid wiſſende Schiffer geräth bei der größten Vorsicht auf Untiefen ,
wo er mit seinem Fahrzeug sizen bleibt.
Außerdem hat eine Belagerung Venedigs noch ganz besondere Schwierigkeiten, die fast zu den unüberwindlichen gehören. Erstens ist die dem Festlande zugekehrte Seite
der Stadt mit allerlei
Schanzen und Forts gesichert, der Lido aber, die Sand- und Schlammdüne , die sich vor Venedig auf der Meeresseite hinzieht , ist durch eine Reihe fester , eine Straße mit einander verbundener Forts gedeckt.
durch
Der große Kanal , welcher
Venedig vom Festlande trennt, iſt ſo breit, daß aus gewöhnlichem Geſchüß keine einzige Kugel die Stadt treffen würde ; die Brücke, welche Venedig mit dem Festlande verbindet , wird von dem Fort Malghera , das halb im Wasser , halb im Sumpfe liegt, vertheidigt und dies Fort ist außerordentlich stark. Sonach war die Eroberung Venedigs so großen Schwierigkeiten unterworfen, daß sie eigentlich unter die Glücksfälle zu zählen ſein mußte ; aber die Italiener hatten troßdem guten Muth.
Sie gingen von dem Grundsaß aus, daß
man für das Heiligste auch das Heiligste einsehen muß, und darin hatten ſie allerdings ganz Recht, indeß die Kriegsgeschichte aller Zeiten lehrt , daß der Ausgang der Schlachten auch für das tapferste Heer oft von ganz kleinen , unbedeutenden, nicht in den Kreis der Berechnung des oder der Feldherren gezogenen Ursachen abhängig ist und dies war auch bei dem Angriff der Italiener auf das Festungsviereck der Fall.
Sie hatten vergessen , daß die Spionage , wenn der Feind sie
gut bezahlt, ein mächtiger Hebel zum Siege ſein kann.
Cialdini erließ folgenden Tagesbeschl : „ Offiziere , Unteroffiziere und Soldaten des vierten Armee corps! Wir ergriffen wieder die Waffen unter den Auspicien und dem Commando des Königs Victor Emanuel.
Wir werden weder durch einen herrſch-
süchtigen Ehrgeiz , noch durch den Wunsch einer Eroberung angetrieben. Wir suchen nur das unglückliche Venedig frei zu machen , ein Land, welches nicht österreichisch, sondern augenscheinlich italienisch ist.
Wir wollen nur die
T Unabhängigkeit und Einheit unseres Landes vollführen , ein heiliger Zweck für jedes hochherzige und patriotische Gemüth.
Auch werden wir begleitet
150
Schlacht bei Custozza.
von den Wünschen aller Derer , die in der Welt die Gerechtigkeit lieben. Bei der Nachricht dieses so gewünſchten Unternehmens sind die municipalen Eifersüchteleien und die politischen Zwiſtigkeiten unter uns verschwunden, dis Rivalitäten der Menschen und die Zwietracht der Parteien sind verſtummt, wir haben uns Alle brüderlich die Hand gereicht.
Ein feierlicher Augenblick,
cin erhabenes Beispiel , welches Italien lehrt, wie es , wenn es will , olne Unterlaß seine Macht vergrößern kann.
Zu den Waffen deun ! Die Heilig
keit des Zweckes , die Größe der Mittel, unsere Eintracht haben den vorbereitet.
An uns ist es jezt ,
ihn zu erlangen.
Sieg
Zu den Waffen alſo !
Lassen wir dem Feinde die drohenden Prahlereien und die anmaßenden Worte.
Die Sprache des Zornes und des Hochmuthes war niemals ein
Juſtrument neder der Kraft noch der Gerechtigkeit.
Erinnern wir uns im
Gegentheil ruhig daran, daß unsere Fahne Italien von Turin nach Marjala auf einer glänzenden Bahn nai onaler Traumphe durchzogen hat und erwarten wir, indem wir aus der Vergangenheit eine ruhige Zuversicht in die Zukunft schöpfen, mit Ruhm und Vertrauen die Befehle nujeres kriegerischen Königs, die Decrete des Geschicks und den Urtheilsspruch der Kanone. Im General-Quartier von Bologna, den 20. Juni 1866. Der General der Armee, Enrico Cialdini.
Der Specialreferent der Kölner Zeitung veröffentlichte als Augenzeuge folgenden interessanten Bericht über die Schlacht von Cuſtozza : Es war bestimmt gewesen , daß am 25. ein großer gleichzeitiger Angriff von der Haupt-Armee unter Lamarmora bei Villafranca und den acht Diviſionen Cialdini's bei Mantua unternommen werden sollte. Von der Hauptarmee waren das erste Armeecorps unter Durando und ein großer Theil des dritten unter Della Rocca bereits über den Mincio gegangen , und zwar hatte Bixio mit der ſiebenten Diviſion der drei Armeecorps Villafranca besezt, während Prinz Humbert nach der rechten Seite hin bis Poregliano und Iſolalta, und General Cerale linker Hand bis Ca di David und Doffobuono vorgedrungen waren ; die übrigen Divisionen waren staffelförmig zwischen Villafranca und Valleggio so aufgestellt, daß General Sixtori leztere Stadt besezt hielt, während die Generale Gugia, Pianelli, Brignone und Govone die dazwischen liegenden Striche occupirten. Sei cs, um sich über die Stellung der Desterreicher besser zu unterrichten, über deren Stärke und Aufstellung man merkwürdiger Weise nicht gut unterrichtet zu ſein schien, sei es aus eignem Autriche oder avf directen Befehl von Seiten des
151
Schlacht bei Cuftozza.
Generalstabes , genug , General Durando ordnete noch am Abend des 23. eine große Recognoscirung an, die in der That am Morgen des 24. um 1 Uhr angefangen wurde. Prinz Humbert begann die Vorwärtsbewegung und ſah ſich plöglich, während er es nur mit einer starken Patrouille zu thun zu haben glaubte, überlegenen öſterreichischen Kräften gegenüber, die Alles daran ſegten, ihn zu umzingeln.
Rasch entſchloſſen , läßt er ein Carré formiren , und widerſteht
mit demſelben ebenso hartnäckig als erfolgreich dem sich immer wiederholenden Anstürmen der Desterreicher , bis General Bixio ihm von Villafranca aus zu Hilfe eilt. Erfolge,
Beide bleiben nun den Tag über vereint und widerstehen mit ſolchem daß ihnen auch nicht ein Fuß breit Terrain entrissen werden kann.
Umsonst macht die österreichische Cavalerie die glänzendsten Chargen , umsonst dringen die Ulanen ſelbſt bis zu den Batterien der Italiener vor.
Bixio und
Humbert nehmen selbst den Säbel in die Hand und sechten wie gemeine Soldaten, so den Muth ihrer Bataillone stets auf's Neue belebend. heiß , und lange wogte er unentschieden hin und her.
Der Kampf war
Die Bersaglieri thun
Wunder an Tapferkeit, die Artillerie erregt durch ihr kaltblütiges Auftreten die Bewunderung der ganzen Armee und die Soldaten aller Gattungen, die , ermu det von mehrtägigen Märschen , seit dem frühen Morgen ohne Nahrung , selbst ohne Waſſer zur Löschung brennenden Durſtes, dem Feinde gegenüber gestanden, schlagen sich mit einem Muthe, der die größte Anerkennung verdient.
Während
dessen wird jedoch General Cerale , der auf der linken Seite dasselbe Manöver gemacht, wie Prinz Humbert, und nicht besser unterrichtet gewesen zu ſein ſcheint, als jener, von weit überlegenen österreichiſchen Truppenmaſſen nach den Höhen von Somma-Campagna zurückgeworfen.
Nun wird der Kampf allgemein. Alle
die genannten Divisionen nehmen daran Theil.
Man schickt Adjutanten zu La-
marmora nach Cerlungo mit der Nachricht , daß die große Recognoscirung den Umfang und die Bedeutung einer großen Schlacht anzunehmen in Begriff ſei, die man nicht verlieren dürfe.
Der Obergeneral schüttelt ungläubig den Kopf
und sagt: „ Es sind nur die Kanonen von Peschiera , die das Vordringen der • Unseren nach Verona melden sollen !" Lamarmora glaubt nicht an den Ernst der Lage; die Oesterreicher aber , die beſſer wiſſen , was für ſie auf dem Spiele steht und die von der Seite Mantua's her nicht beunruhigt werden, zichen immer frische Truppen aus Verona , Peschiera und selbst bis aus Rorigo nach dem Kampfplage herbei.
Noch immer wird mit größter Erbitterung gestritten.
Die
Generale Cugia und Vianelli . bringen den Feind mehrfach in Verwirrung und
152
Schlacht bei Cuftozza.
treiben den stets mit frischen Kräften Wiederkehrenden vor sich her. ist Sirtori in Valleggio nicht so glücklich.
Indeſſen
Er muß diese Stadt aufgeben.
La-
marmora , der Nachmittags um 3 Uhr sich auf dem Municipio in Goito befindet, ſieht in alle dem noch immer nichts , was einer größeren Schlacht gleiche, und doch waren von italienischer Seite nichts weniger als Theile 8 verschiedener Divisionen, 8 Batterien und einige Escadronen Huſaren und Ulanen im Feuer, zuſammen etwa 50,000 Mann, die gegen anfänglich 60,000 Desterreicher Stand hielten, eine Zahl, die, den Aussagen der Gefangenen zufolge , durch die unaufhörlichen Zuzüge gegen Abend bis auf 80,000 Mann angewachsen wäre.
Die
in und um Goito liegenden Divisionen hätten vielleicht genügt, den Italienern, die sich so mit Ehren behauptet , ruhig weiter.
noch den Sieg zu sichern ,
aber sie campirten
Inzwiſchen ward General Durando , wie auch Prinz Amadeus
von Italien, der Herzog von Aosta, an der Spiße ſeines Regimentes, verwundet, und um 4 Uhr Nachmittags langte ein österreichischer Huſaren-Offizier als Parlamentär bei Bixio an, um ihm von Seiten seines Ober-Commando's einen unbehelligten Rückzug anzubieten.
„ Wenden Sie ſich um, Herr Oberſt , “ sagte der
General , denn er wollte dem Gegner gewisse demontirte Geschüße nicht sehen lassen, die sich gerade in der Nähe befanden, und fuhr dann fort: „Ich bin der General Birio , Commandant der 7. Division des dritten Armeecorps , und ich erkläre Denen, die Sie gesandt, daß ich nie ein derartiges Anerbieten annehmen werde ; ja, seien Sie versichert, daß im Wiederholungsfalle, und läge ich halbtodt in jenem Graben, ich noch Kraft genug finden würde, um Sie, ob solcher Offerte füſiliren zu laſſen! "
Troß dieser stolzen Antwort hatten die Italiener schon viel
gelitten ; namentlich war die Grenadier-Diviſion Brignone in einer üblen Verfaſſung.
Die österreichischen Kartätſchen hatten mörderisch gehauſt.
Bersaglieri-Bataillon war fast total aufgerieben. . . .
Ein ganzes
Da kam der Befehl zum
Rückzuge, General Birio und Prinz Humbert sollten ihn decken.
Es ſchien faſt,
als seien die Desterreicher erstaunt über diese rückgängige Bewegung, als vermutheten ſie eine Kriegsliſt dahinter ; jedenfalls wagten sie den Rückzug in keiner Weise zu stören.
Er wurde in größter Ordnung vollzogen ; es war als kehrten
die Mannschaften von einem großen ermüdenden Manöver zurück.
Gestern Nach-
mittag sah ich selbst in Borghetto , Valte und Cerlungo die rückkehrenden Regimenter.
Niemand hätte geglaubt , eine Armee vor sich zu haben , die sich am
Tage vorher von früh 6 bis Abends 6 Uhr unaufhörlich geschlagen und die jezt im vollen Rückzuge begriffen war.
Die Mannschaften wußten nicht, warum man
153
Schlacht bei Cuftozza.
ſie rückwärts gehen lasse , und die Offiziere mochten oder konnten es nicht begreifen.
Es war nur Eine Stimme.
Ein Schrei der Entrüstung gegen Lamar-
mora, der durch seine Unthätigkeit und sein ungläubiges Verweilen in Goito und Cerlungo die Armee zum Weichen gezwungen habe. " Diesem Specialreferat laſſen wir folgende nicht unwichtige Nachträge oder Erläuterungen folgen.
Vollkommen genaue Angaben über die Stärke der vier italienischen Armeecorps sind allerdings nicht zu erhalten gewesen. Zahl auf 280,000 Mann .
Man schäßte ihre numerische
Als der König Victor Emanuel die telegraphische
Nachricht erhalten hatte , daß die Preußen in Hannover eingerückt seien , gab er den Befehl zur Ueberschreitung des Po und des Mincio und derselbe ward vollzogen ,
ohne daß sich die Desterreicher rührten , ja die Italiener hätten sich
leicht in den Irrthum hinein verirren können, daß es gar keine Desterreicher jenseits dieser beiden Flüſſe gäbe , indeß dieser Wahn zerſtiebte für ſie auf höchſt Alle Welt war auf die kommenden Dinge gespannt , Jeder, mann wußte, daß Oesterreich kein Feind sei, der sich so leicht vertreiben ließe und
unangenehme Art.
die vom Erzherzog Albrecht beobachtete Zurückhaltung deutete darauf hin , daß dahinter etwas sich verberge, das erst später, dann aber um so überraschender an den Tag treten werde.
Wie schon in dem obenstehenden Referate zu ersehen ist,
waren die Italiener merkwürdigerweise nicht einmal genau über die Aufstellung ihrer Gegner unterrichtet ,
obwohl man hätte annehmen sollen , daß sie Spione
genug haben würden , um über Alles gut unterrichtet zu sein. doch nicht so.
Dem war aber
Spione aus Goito verriethen jedoch dem Erzherzog Albrecht alles über Stellung , Stärke und Plan des Feindes Wissenswerthe , was die Italiener allerdings nicht
ahnten .
Um den italienischen Plan zu vereiteln , machte er nun
ſeinen Plan und die Folge zeigte, daß er von sehr durchschlagender und für die Feinde höchst unangenehmer Art war. Nichts ist lächerlicher , als Spott über einen Gegner zu häufen , weil es den Anschein hat ,
daß er überwunden werden wird .
Der Pariser Moniteur
machte sich dieser Lächerlichkeit schuldig , indem er Folgendes seinen Lesern zum Besten gab: ...Der Einmarsch der Italiener in das österreische Gebiet erfolgte an drei Stellen: bei Valeggio (von hier führt eine Straße über Villafranca nach Verona), bei Goito (hier geht die Straße von Brescia nach Mantua über den Mincio und
15-1
Schlacht bet Eustozza.
bei Curtatone , das nur eine halbe Meile von den Umwallungen Mantuas an der Südseite des vom Mincio gebildeten Lago superiore (obere See) liegt. italieniſche Armee hat den Uebergang über den Mincio bewirkt ,
Die
ohne daß die
vielgepriesenen österreichischen Wasserkünste spielten und überhaupt der Berſuch gemacht ward , die wichtige Thatsache zu verhindern oder zu erschweren. Der Hauptübergang erfolgte von Goito aus in's Schlachtfeld von Marengo. Roverbella ward, wie weiter nördlich Valeggio, ohne Schwertstreich beseßt.
Auch
Curtatone, Mantua gegenüber, ward ohne Schwertstreich beseßt. Die Desterreicher scheinen in Italien dieselbe Rolle wie in Deutschland spielen zu sollen , nämlich so lange wie möglich auf der Defenſive zu bleiben und ihre Operationen in's riefste Geheimniß hüllen zu wollen. " Für die Italiener blieb es natürlich Geheimniß, ſehr unangenehm löſte.
das sich jedoch für sie
Nachdem am 23. Juni die Beſagung von Mantua einen
Ausfall gegen das auf der Linie Curtatone ( ½ Meile von Mantua) stehende italienische Observations - Corps gemacht hatte , eine Action , die außer einigen Gefangenen , die ihnen dabei in die Hände fielen , von keiner Bedeutung war, rückte die österreichische Armee aus dem verschanzten Lager von Verona und besezte die Höhen von San- Giustina , nördlich von der Straße zwischen Peschiera und Verona und halbwegs zwischen beiden Festungen , südlich an der Eisenbahn zw .
von Sommacampagna,
za den beiden Festungen und von Sona zwiſchen
jener Straße und dieser Eisenbahn.
Hier warfen sich lie Oesterreicher mit Ueber-
macht auf den General Durando , der diesem Stoße mit seinem eignen Corps nicht gewachsen war.
Die Italiener hatten rermuthet , die Desterreicher hinter
der Etsch zu finden , aber nicht hier.
Beim Aufmarsch der italienischen Armee
hatte sich eine sichtbare Lücke zwischen den Durando'ſchen Corps und dem 2. und 3. Armeecorps ergeben , das wußte Erzherzog Albrecht durch seine gut unterrichteten Spione, und indem er in diese Lücke einen Keil seiner besten Kerntruppen warf, zerschnitt er förmlich die italieniſche Linie. König Victor Emanuel hatte an diesem Tage nur mit Täuschungen zu kämpfen. Vor sich sah er eine österreichische Armee, die er für das Gros der Desterreicher hielt , während es nur ein 20,000 Mann starkes Corps war, das ihn zu beſchäftigen vorgeschoben war.
Dieser Täuschung entriſſen, wollte er, nach
Empfang der Nachricht, daß Durando's Armeecorps ohne Beistand zu erhalten, dem Untergange nahe , General Durando schwer verwundet ſei , sofort demſelben zu Hilfe
eilen , indeß die Oesterreicher warfen sich ihm mit solcher Wucht ent-
Schlacht bei Custozza .
155
gegen, daß wohl der wildeste Kampf entbrannte , aber kein Vordringen möglich war.
Vergebens ſuchte sich der König in den beiden wichtigsten Poſitionen , der
von Monte Vento , welches nordöstlich von Valeggio an der Chaussee von da nach Castelnuovo liegt und in der von Cuſtozza zu behaupten .
Hier war der
Kampf mit einer Wuth ohne Gleichen geführt, bis endlich die Lesterreicher die Höhen von Eustozza mit dem Bajonnette nahmen , welcher glänzend durchgeführte Sturz sie in den Besitz von 2000 Gefangenen brachte. Mit dieſem Verluste für die Italiener war der Rückgang über den Mincio das Einzige, was ihnen blieb. Eustozza ist für König Victor Emanuel aus früherer Zeit noch eine schlechte Erinnerung.
Hier lieferte sein Vater Karl Albert seine zweite große Schlacht den
Desterreichern im Jahre 1848 am 24. Juli.
Der jezige König von Italien,
damals noch Herzog von Savoyen , im Centrum wie diesmal fämpfend , erntete keine Roſen dabei, denn der alte Raceyfy warf die Italiener bis Villafranca zurücf. Die Schlappe, welche die Italiener an dieſem 24. Juni ( 1866) davon trugen, war feme nnbedeutende, obwohl Victor Emanuel diese verlorene Schlacht gern für eine gescheiterte große Recognoscirung ausgeben wollte. Auf italieniſcher Seite sollen an 10,000, auf öſterreichischer Seite an 6000 Mann kampfunfähig geworden, d . h. bleſſirt u. ſ. w . ſein. Von den 100-150,000 Mann, mit denen Victor Emanuel in's Feſtungsviereck gerückt, waren fast Alle in's Gedränge, wenngleich nicht alle in's Handgemenge gekommen .
Im Feuer sollen sich beide Theile in gleicher Stärke ge-
genüber gestanden haben .
Außer mehreren Generalen wurde auch des Königs
zweiter Sohn, Amaceus, verwundet und zwar an der Brust , jedoch war es nur eine Fleischwunde, die bald wieder heilte.
Wir endigen die Schilderungen dieser
Blutarbeit mit der Erzählung der Heldenthat eines österreichischen Ulanen-Hittmeisters und seines Trompeters. Auf das Quarré , in welchem sich bei Gustozza der italienische Kronprinz Humbert befand , machten die feindlichen Ulanen mit unbeschreiblicher Bravour mehrere Attaquen , die mit nicht mincerer Tapferkeit von den Italienern zurückgeschlagen wurden.
Als die feindlichen Ulanen, über diesen Widerstand ergrimmt,
den sie nicht brechen konnten , einen neuen Angriff auf das nur zwei Glieder hohe Quarré ausführten, ereignete sich eine That, oie selbst die Italiener zur Be wunderung hinriß.
Schlacht bei Cuftozza. - Der Riesensprung.
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Während die Escadron heranstürmte , brachen der Rittmeister und sein Trompeter ihm zur Seite vor und sprengten mit wahrem Riesensprunge über die zwei Glieder hinweg in's Innere des Quarrés, wo sie nach wenig Secunden, durchbohrt von italienischen Bajonetten in ihrem Blute lagen , ohne daß es der Escadron glückte, sie zu retten
Desterreicher wie Italiener zeichneten sich ruhmreich aus , besonders war es das Cavalerieregiment Aosta , das ungemeine Bravour und Ausdauer a den Tag legte.
Victor Emanuel gebot , jeden Soldaten dieses Regimentes vier
Francs zu zahlen, um sich gütlich damit zu thun.
In diesem Regimente dienen
jedoch viele Freiwillige, Söhne reicher mailändischer Familien , unter ihnen auch der junge Marchese Adda, d : ,jen Vermögen man auf 10 Millionen Francs schäßt. Als ihm der Armee-Zahlmeister mit Rücksicht auf seine Millionen die königliche Spende vorenthalten wollte, verlangte der Marquis sie mit den Worten : „ Diese vier Francsstücke werden ihren Plaß finden in meinem Familienschage , dessen Allerdings hatte der junge vornehme edelste Kleinodien sie bilden werden. " Herr wohl nie in seinem Leben so viel selbst verdient, denn seine 10 Millionen sind geerbt und das ist ein Unterschied.
Schlacht bei Cuftozza.
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Lamarmora's Feldzugplan hatte nach dem Ausgange , den die Schlacht von Cuſtozza für die Italiener genommen, die Probe also nicht bestanden. Dem König gefiel allerdings der kecke Streich , das Festungsviereck mit einem kühnen Anlaufe zu nehmen. men.
Cialdini dagegen war gar nicht für denselben eingenom-
Nachträglich wurde noch Zweierlei bekannt : Erstens daß, als im Kriegs-
rath der Feldzugsplan Lamarmora's von den Generalen besprochen und darüber die gegenseitigen Meinungen ausgetauscht wurden, General Menebrea, der später als Militär - Bevollmächtigter König Victor Emanuels bei den in Paris stattgefundenen Verhandlungen über Venetiens Rückabtretung fungirte, sehr heftig gegen den Plan Lamarmora's , das Festungsviereck durch einen Angriff auf Peschiera und Verona gleichsam wie einen Stier bei den Hörnern zu faſſen, aufgetreten sei und dieser Plan nicht durchgegangen wäre , wenn nicht die Generale Petiti , Cuchiari und Della Rocca denselben aus Gefälligkeit für Lamarmora, beigeſtimmt.
Mena-
brea, ein gut geſchulter Ingenieur-Offizier, verſuchte es, alle ſich der Ausführung entgegenstellenden Schwierigkeiten im Detail aufzuzählen, doch vergebens, er erhielt Unrecht. Der verunglückte Erfolg des Angriffs rechtfertigte erst seinen Ausſpruch, aber freilich zu spät.
Die kopflose Heerführung kamarmora's vollendete noch den
üblen Ausgang des italienischen Angriffes .
Zweitens , daß der Plan Lamar-
mora's durch die Geschwäßigkeit eines geißtreichen Halbitalieners, der für Pariſer Zeitungen schreibt und sich im Gefolge Lamarmora's befindet, fast ganz aufgedeckt war, so daß man ihn genau im österreichischen Lager fannte, und die Soldaten so gut Bescheid darum wußten , daß ſie ſchon Tage lang vorher sich auf die „Haſenheße“ freuten , welche am 24. Juni auf die Italiener gehalten werden jollte. Fast hätte der italienische Obergeneral sein ganzes Ansehen durch diesen fehlgeschlagenen Plan eingebüßt. Was Garibaldi anlangt , so war dieser nach Brescia und von da nach Salo gegangen, also nach dem Norden. Salo liegt nordöstlich von Brescia am Fuße des Monte Bartolenno , in jener an Oliven , Orangen , Citronen , Maulbeerbäumen und Reben berühmten tiefen Bucht des Garda-See's , von wo die Straße sich nach Westen und hinter Velciano nach Nordwesten zum Jdro-See und an dessen westlichen Ufer über Anfo in's Val Bona hinaufwendet , durch welches die Chiese (Fluß) zum Jdro-See hinab rauscht , den sie durchfließt und bei Caneto in den Oglio mündet .
Oberhalb Veſtone , nordwestlich vom Idro-
Sce, wendet sich von Noro der Weg durch's Val Bona am Nordufer des Jdro-
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Garibaldi's Thätigkeit.
See's nach der kleinen Ebene von Riva, welche sich an die Nordspite des Garda Eee's legt, von hier führen Gebirgspfade in's Etſchthal, öftlich nach Roveredo , nordöstlich nach Trient. Daß die Desterreicher bei Niva Garibaldi und seine Rothhemden erwarten würden, war voraussichtlich und eben so voraussichtlich, daß große Abtheilungen der Lezteren den Weg durch's Addathal über Sondrio und Bormio zum StilſſerJoch nehmen würden. warten.
Und in der That ließen sie auch nicht lange auf sich
Echon am 21. Juni wurden die österreichischen Feldwachen am Passe
Bruffione von Garibaldianern angegriffen . Judicarien oder dem Kreise Roveredo. bald an der tiroler Grenze.
Der Paß Brufſione befindet sich in
Abtheilungen von Freiwilligen spukten
In Edolo , an der Straße durch das Val Camo-
nica und nach dem Tonale rückten 200 Rothhemden, von einem Major geführt, ein, desgleichen ließen sich größere Trupps am Gaffaro blicken. Seit dem 14. Juni schon war aller Verkehr an der ganzen österreichischsardinischen Grenze abgebrochen und die Communication zwischen dem Treno und Mailand nur noch über Schweizer Gebiet offen.
Was man erwartet hatte,
erfüllte sich, die Garibaldianer beseßten 1800 Mann stark den Ort Bormio am Fuße des Stilfser -Joches .
Die Oesterreicher hatten auf ihrer Seite schon seit
mehreren Tagen im Schnee gearbeitet, um sich Bahn zur Höhe genannten Joches zu brechen.
Bei der vierten Cantonniere, so werden die an dieser Straße an
gebrachten verschanzten Wachthäuser genannt , entspann sich ein sehr lebhafter Kampf. Die Desterreicher behielten die Oberhand. Sie nahmen das alte Bad bei Bormio , das eine Viertelstunde von dem neuen entfernt ist und sich ganz zu einer Festung eignet, namentlich wenn wie im Jahre 1859 die dort gelegene Brücke abgebrannt wird. Die Italiener waren durch den Schnee gehindert, von Tonale her eine Umgehung zu unternehmen. Bis zum Weggehen des Schnees dauerte es immer noch ein paar Wochen und dann kommt es noch sehr auf die Witterung an, ob die Schnee-Auflösung auch wirklich an allen Orten erfolgt.
Die Oesterreicher fanden es jedoch für ihre
Sicherheit geeigneter , sich wieder bis zur ersten Cantonniere zurückzuziehen ; die Staliener dagegen nahmen bei der Teufelsbrücke Stellung und pflanzten 7 fleine Geschüße auf. Es handelte sich bei diesem Garibaldi'schen Feldzuge um die Eroberung von Wälsch
oder Italienisch-Tirol , welches der Sprache und dem ganzen La-
bitus seiner Bewohner nach, zu Italien gehört, denn die Wälsch-Tiroler unter
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Schlacht von Königgrät.
scheiden sich auffällig von
den Deutsch - Tirolern.
Leztere sind
durch
große
fräftige Gestalten, durch ein fröhliches Wesen leicht erkennbar, der Wälsch-Tiroler dagegen befundet sich durch kleinere, meist hagere Figur, seine Gesichtsfarbe iſt blaß, bräunlich, ſein Haar ist schwarz, seine Augen desgleichen und zwar sehr lebhaft.
Wenn ihn dies Aeußere schon als Stammgenossen des Italieners be-
zeichnet , so noch mehr die südliche Leidenschaftlichkeit, die bei ihn zu häufigen Gewaltthätigkeiten , ja zum Morde leicht ausartet.
Den Deutsch- und Wälsch-
Tirol Durchreisenden drängt sich der Unterschied zwischen den beiden Theilen des Landes gewaltsam auf, denn die lustigen Jodler , wie er sie in den deutschen Thälern hört, sind in Wälsch-Tirol nicht mehr zu vernehmen, auch die malerische Tracht der Deutsch-Tiroler ſieht er da nicht mehr, dafür macht er die Bemerkung, daß der Wälsch-Tiroler nüchterner und mäßiger als der Deutsche ist und auch diese nicht zu übersehende Tugend zählt unter die Eigenthümlichkeiten der Italiener und deshalb wird er auch bei seiner großen Arbeitſamkeit gern als Arbeiter verwendet. Dieses Italien zugehörende Gebiet den Oesterreichern zu entreißen , war also Garibaldi's Aufgabe ; aber um bedeutende Fortschritte zu machen , hätte er freilich Mannſchaften haben müſſen , welche besser ausgerüstet gewesen wären, denn wenn auch der persönliche Muth und die Begeisterung für die Sache viel vermag, so sind doch gute Waffen ein wesentliches Haupterforderniß, um heutigen Tages Krieg zu führen.
Die italienischen Freischaaren waren aber hinsichtlich der
Schußwaffen sehr schlecht bewahrt , wogegen die Oesterreicher und die Tiroler Schüßen schon darin einen ungemeinen Vortheil für sich hatten , den Garibaldi's Rothhemden schwer genug empfinden mußten , wie die ferneren Schilderungen tieses Gebirgskrieges darthun werden.
Die Schlacht von
Königgräk.
Berlin schwamm in Jubel. War die Stimmung auch eine schwer gedrückte geweſen, denn Jeder wußte ja , daß im ungünstigen Falle die Existenz der prenßischen Monarchie verloren gehen konnte , so bedurfte es nur eines kräftigen Impulſes , um sofort in das Gegentheil überzugehen ,
in einen Freudenrausch,
in ein glückbeschwingtes Auf-
jauchzen und dieſer nöthige Impuls kam in Geſtalt von Telegrammen , die den am 28. Juni erfochtenen Sieg des preußischen Gardecorps über das 10. öſter-
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Schlacht von Königgrät. - Siegesverkündigung in Berlin.
reichische Armeecorps des Feldmarschalllieutenant von Gablenz und die österreichische
Seit
Niederlage bei Skalig verkündeten. Schon bevor die öffentliche Bekanntmachung über diese günstigen Erfolge der preußischen Armee an den Anschlagsäulen erfolgt war,
deniz
hatte sich die Nachricht davon wie Lauffeuer über die Stadt verbreitet, zahlreiche Häuser flaggten.
Eine ungeheuere Menschenmenge wogte unter den Linden und
vor dem Palais des Königs.
Der Volksjubel tobte in Lebehochs und Hurrahs ; der
König trat, die Menge grüßend, auf den Balcon und verkündete die Siegesdepeschen. dzied
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Nun erst erhob sich der Jubel zu einem Sturme ,
ein Hoch folgte dem
Der König trat zurück in's Zimmer und holte seine Gemahlin , die Königin , die mit donnerndem Freudegeschrei empfangen wurde.
Eine Handbe-
wegung des Königs deutete an , daß er zu sprechen wünsche und als darauf Stille eintrat, sagte er, daß er diesen Jubel im Namen der Armee annehme, denn nur ihr gebühre der Dank allein.
Nachdem beide Majestäten sich zurückgezogen
hatten, strömte die Volksmenge vor das Hôtel des Grafen Bismarck, der ebenfalls am Fenster erschien und Worte des Dankes für die ihm erwiesene Ehre an die Jubelnden richtete.
Nicht lange darauf wurden die eingeganger.en Tepeschen
i
Reise König Wilhelms in's Hauptquartier nach Reichenberg.
Schloß Sichrow.
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Seitens des königl. Polizeipräsidiums durch Plakate an den Anschlagsäulen dem großen Publikum bekannt gegeben und die Fröhlichkeit gab sich in der preußischen Reſidenzſtadt auf allen Gesichtern fund . Am 30. Juni früh 8 Uhr verließ König Wilhelm ſeine Hauptſtadt, um sich in das Hauptquartier nach Reichenberg in Böhmen zu begeben.
In seiner
Begleitung befanden sich Prinz Karl (Vater des in Böhmen commandirenden Prinzen Friedrich Karl), der Herzog von Ujest, Fürst Pückler, Graf Bismarck, der Kriegsminister von Roon , mehrere Generale und höhere Offiziere des Generalstabes.
Im Ganzen waren 900 Personen und 1200. Pferde , die das Gefolge
des Königs bildeten .
Ein seltsames Zusammentreffen hatte diese königliche Reise-
gesellschaft auf der Durchfahrt in Station Kohlfurt, ohngefähr vier, fünf Stunden von Görlig , mit einer preußischen Escorte, welche außer einer Anzahl von 290 österreichischen Kriegsgefangenen auch den schon genannten Trautenauer Bürgermeister Dr. Rothe, den Trautenauer Kreishauptmann von Hezendorf nebst Sohn und den gleichfalls bei dem Verrath in dieser Stadt betheiligt geweſen ſein ſollenden Gasthofsbesiger Starke und einige bei dieser Verrätherei wenn auch minder gravirte Personen nach Glogau transportirte.
Ostpreußische Pionniere bildeten
die Eskorte. Die Ankunft des Königs in Reichenberg erfolgte gegen 7 Uhr Abends. Von Reichenberg begab sich Se. Majestät
nach dem Schloſſe Sichrow
bei Turnau, wo er einen Tag verweilte. Wenn irgend ein Fürſtenſchloß zu einem königlichen Hauptquartier oder einen König als Gaſt aufzunehmen geeignet ist, so hat Schloß Sichrow Anspruch auf diese Auszeichnung , nicht allein durch seine schöne, vorzügliche Lage, sondern durch seine innere Einrichtung.
Stolz und prächtig schaut dies Kind der Neuzeit
von dem Hochplateau in das Mohelkathal hinab.
Es iſt ein Edelſig im wahren
Sinne des Wortes , umgeben von einer reichen Fernſicht.
Vor Jahrhunderten
schon in der Geschichte Böhmens genannt , hat es seinen Namen von einem es bewohnenden Rittergeschlecht von Sichrow empfangen , fiel aber nach dem Ende des Huſſitenkrieges als erledigtes Lehen (wahrscheinlich war das Geschlecht Derer von Sichrow erloschen) der königlichen Kammer zu , welche Geldnoth an die reichen Herren von Guttenstein verpfändete. es wieder ausgelöst.
es jedoch in ihrer Erst 1509 wurde
Im 30jährigen Kriege scheint es, wahrscheinlich durch
Brand oder irgend ein anderes Ereigniß, der Zerstörung anheimgefallen zu ſein, denn um das Jahr 1690 baute es ein französischer Edelmann, Lamotte de Frintrop, der die herrliche Lage zu schäzen wußte, wieder auf, dessen Familie es je 11
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Schloß Sichrow bei Turnau in Böhmen.
doch schon 1740 an die Grafen Waldstein (Wallenstein'sche Familie ) verkaufte, aus deren Hand es wieder 1820 , vereint mit der Herrschaft Swigan , in den Besiß des Fürsten Carl Alain Gabriel von Rohan , der es zu seinem SommerAufenthalte wählte, für den Spottpreis von 650,000 österreichische Gulden überging.
Dieser Alain Rohan erbaute es ganz neu und umgab es mit einem herr-
lichen englischen Park. Wie es sich jezt präsentirt, gleicht es fast Windsor- Caſtle oder einem der prächtigen Schlösser aus stolzer Normannenzeit, wie sie sich in England und Schottland noch bis heutigen Tages erhalten haben .
Die prachtvolle Haupt-
fronte des Schlosses ist zu beiden Seiten von Thürmen bekränzt, einem Rundthurm gegen das Thal zu , hin.
einem schlanken viereckigen Thurm nach der Ebene
Eine freie Flügeltreppe von geschliffenem böhmiſchen Granit führt rechts
und links neben dem Einfahrtsthor , über demselben sich vereinigend , zu dem ersten Stockwerk, in welchem der große Saal und eine Reihe prachtvoller und dem Style des Ganzen angemessen eingerichteter Gemächer sich befinden , eines Königs wahrlich nicht unwürdig sind.
die
Saal und Zimmerdecken sind mit
kunstvoller Stuckaturarbeit verziert, die Wände theils mit Holztafelwerk, theils mit prachtvoll in Gold oder Silber gepreßten Ledertapeten bedeckt, Fenster und Thüren kunstreich geschnißt, die Thürschlösser und Beschläge in alterthümlicher Form gearbeitet, die Möbel wahre Kunstwerke der Holzschnißerei. Möge diese kurze Andeutung genügen , um dem Leser ein ohngefähres Bild von Sichrow zu geben , welches ohne Uebertreibung ein Vereinigungspunkt für den Reichthum wie für den Wohllaut des Schönen, Augenerfreuenden an Natur und Kunst genannt werden darf.
Selbstverständlich bietet der Schloß-
garten von Sichrow eben so Ausgezeichnetes, denn in seinen zahlreichen Gewächshäusern sind die seltensten und prächtigſten Blumen und Pflanzen aller Welttheile vereinigt, so daß dieser mit sehr großen Summen angelegte wie sorgsam unterhaltene Garten einer der berühmtesten Böhmens ist.
In vollster Harmonie
mit alle dem befindet sich der Park, der, sich den Abhang hinabziehend und weithin dem Mohelkathale folgend, als Wildpark zur Hegung von Hirschen und Edelwild benügt wird. König Wilhelm benüßte seinen eintägigen Aufenthalt im Schloſſe Sichrow dazu, um einen hochverdienten Krieger , dem alten General Steinmeß , ein schönes Zeugniß seiner Dankbarkeit zu widmen. Helden folgenden Brief:
Er schrieb an diesen wackeren
Brief König Wilhelms an den General Steinmetz und Ankunft in Gitſchin.
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Schloß Sichrow bei Turnau , den 1. Juli 1866. Durch die mir nunmehr zugegangenen Meldungen des Kronprinzen, Meines Sohnes, als Commandirenden der 2. Armee, erweisen sich die viertägigen Siege , welche Sie, Herr General , mit Ihrem tapfern , ausgezeichneten 5. Armeecorps erfochten haben , von solcher Wichtigkeit und Entschiedenheit für die Operationen der gesammten Armee, zugleich aber von solchem Umfange am 27. und 28., daß sie einer selbstständig gelieferten zweitägigen Schlacht gleichkommen , so daß Ich Ihnen für Ihre ausgezeichnete Führung und Leitung derselben Meine königliche Anerkennung im höchsten und vollſten Maße hiermit aussprechen muß .
Nur Jhrer Energie und Ihrer Ein-
wirkung auf Ihre braven Truppen ist es zuzuschreiben , daß dieselben durch ihre Ausdauer und Tapferfeit täglich frischen und überlegenen feindlichen Corps die Stirn bieten konnten und sie jedesmal besiegten. Und Sie, Herr General , haben somit die Ehre , die schwierigen Operationen größtentheils gelingen zu machen , die Ich der gesammten Armee gestellt hatte,
deren
Concentration aus Schlesien und Sachsen in Böhmen zu bewirken. Als Anerkennung Ihres hohen Verdienstes , sowie in Anerkennung der heldenmüthigen Leiſtungen Ihrer Truppen, verleihe Ich Ihnen Meinen hohen Orden des schwarzen Adlers, sowie das dazu gehörige Großkreuz des rothen Adler-Ordens , dieses aber mit Schwertern.
Ich bin stolz darauf,
höchste Auszeichnung vor dem Feinde verleihen zu können !
dieſe
Armee und
Nation wird dadurch auf Ihrer Brust lesen , was Sie durch und für ſie leisteten.
Ihr dankbarer, treu ergebener König,
(gez.) Wilhelm . “
Am 2. Juli früh 7 Uhr verließ der König das Schloß Sichrow, gefolgt von dem militärischen Personal des großen Hauptquartieres , mit dem Prinzen Friedrich Karl, über die Stadt Turnau nach der Stadt Gitschin sich begebend . Die Ankunft in leßterer Stadt fand um halb 12 Uhr Mittags statt.
Vor dem
ersten Gaſthause auf dem Marktplage, wo Sr. Majestät Absteigequartier bereitet war, ſtand eine Compagnie des Grenadierregiments König Friedrich Wilhelm IV. (des ersten pommerſchen) Nr. 2 , mit der Fahne des ersten Bataillons und der Regimentêmusik aufmarschirt, um als Ehrenwache die Honneurs dem föniglichen Herrn im Bereich der kämpfenden Armee zu machen.
Prinz Friedrich Karl, in
der Uniform des brandenburg'schen Husarenregiments, Ziethen'sche Husaren Nr. 3, war aus dem Hauptquartier der ersten Armee weiter vorwärts nach Gitschin 11*
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Lazarethbesuch König Wilhelms in Liebuhn.
Audienz des Magistrats und der
hereingekommen, um ſeinen königlichen Oheim zu empfangen und fuhr auch durch die Stadt noch weiter dem königlichen Zuge entgegen. Eine Meile von Gitschin hatte am 29. Juni das glänzendſte aber blutige Gefecht begonnen, in Folge dessen die österreichischen Regimenter so bedeutend zurückgedrängt wurden , und Pferdecadaver , zerschossene Helme, Patrontaschen und Tornister , ja ganze Pyramiden österreichischer Gewehre, welche die Stelle bezeichneten, wo eine Abtheilung des Feindes das Gewehr gestreckt, ließen die Ausdehnung des Schlachtfeldes und die verheerenden Wirkungen des österreichischen Artilleriefeuers erkennen.
In Liebuhn waren ebenso wie in den meiſten umlie-
genden Dörfern und Gehöften Lazarethe für die große Zahl preußischer und österreichischer Verwundeter etablirt, die kaum dem ganzen Bedürfniß genügten. Als der König beim Durchfahren durch Liebuhn hörte, daß dort viele preußische wie österreichische und sächsische Offiziere lagen , befahl er anzuhalten und besuchte das Lazareth, in welchem auch der Sr. Majestät persönlich bekannte königlich sächsische Oberst von Borberg schwer verwundet sich theilnehmender Worte des Königs erfreute.
Mit tiefem Bedauern sah der königliche Herr die
Leiden seiner braven Soldaten , die auf's Neue bewiesen haben , daß sie Tod und Wunden nicht scheuen, wenn es gilt , die Zufriedenheit ihres königlichen Kriegsherrn zu erwerben . In Gitschin angekommen ging der König , gefolgt von den anwesenden Generälen die Fronte der Compagnie des Grenadier-Regiments seines hochseligen Bruders entlang ,
welches sich in dem Gefecht vom 29. so sehr ausgezeichnet,
leider aber auch sehr ansehnliche Verluste zu erleiden gehabt hat.
Bei der Be-
grüßung des Königs brach die Mannschaft in einen Hurrahruf aus , der unter präsentirtem Gewehr lange fortdauerte.
Schon am Eingange der Stadt hatte
sich der Magistrat und die Geistlichkeit der Stadt aufgestellt, um den König zu begrüßen und war dem Wagenzuge bis auf den Markt gefolgt, um eine Audienz bei Sr. Majestät zu erbitten, die auch, nachdem die Generalität entlaſſen worden war, gewährt wurde.
Gitschin , sowohl wie andere Städte dieses Theiles von
Böhmen , hatten sich in hohem Grade unfreundlich gegen die preußischen und selbst gegen die eigenen österreichischen Truppen gezeigt , ja , es
war hier in
Gitschin beim Einrücken der Preußen auf ein Commando aus den Fenstern der Häuser geschossen worden , was die Bürger indeſſen auf die sächsischen Soldaten schoben , welche zu spät zur Hilfe für die sich zurückziehenden Oesterreicher gekom-
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Geistlichkeit in Gitschin beim König Wilhelm.
men waren, massirt auf dem Marktplage gestanden hatten, um den heftigen Nachstoß der Preußen wenigstens etwas von den Desterreichern abzuhalten. Von diesen sollen sich einzelne Soldaten in die Häuser gezogen und als sie plöglich Preußen in hellen Haufen erscheinen sahen , aus den Fenstern auf sie geschossen haben. Bei der Audienz wollte Se. Majestät diesen einen Fall nicht weiter untersuchen, da
eben bei dem Abzuge der Sachsen eine Beweisführung gar nicht
möglich war, äußerte sich aber :
-10
"Ich führe keinen Krieg gegen Ihre Nation, sondern gegen die Armeen, die mir gegenüberstehen.
Wollen die Einwohner sich aber ohne alle Ver
anlassung feindlich gegen Meine Truppen betragen , so werde Ich Mich zu Repressalien genöthigt sehen. Meine Truppen sind keine wilden Horden und verlangen nur das zum Leben unbedingt Nothwendige.
Ihre Sorge ist es,
ihnen keine Veranlassung zu gerechter Klage zu geben.
Sagen Sie es den
Einwohnern, daß ich nicht gekommen bin um Krieg gegen friedliche Bürger zu führen, sondern die Ehre Preußens gegen Verunglimpfung zu ver theidigen. "
Proclamation König Wilhelms an seine Armee. - Gitschin.
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Der König verweilte den Tag über in Gitschin, wo er die bereits in Berlin bei seiner Abreise entworfene, aber erst in Reichenberg gedruckte Proclamation an seine Armee veröffentlichen ließ.
Sie lautete:
Soldaten Meiner Armee! Ich begebe Mich heute zu Euch , Meinen im Felde stehenden braven Truppen, und biete Euch Meinen königlichen Gruß.
In wenigen Tagen
sind durch Eure Tapferkeit und Hingebung Reſultate erfochten worden, welche ſich würdig anreihen an die Großthaten unserer Väter.
Mit Stolz blicke
Ich auf sämmtliche Abtheilungen meines treuen Heeres und sehe den nächsten Kriegsereignissen mit freudiger Zuversicht entgegen. Feinde stehen gegen uns in Kampf. den Lenker aller Schlachten und
Soldaten ! Zahlreiche
Laßt uns indeß auf Gott den Herrn, auf unsere gerechte Sache bauen.
Er
wird durch Eure Tapferkeit und Ausdauer die sieggewohnten preußischen Fahnen zu neuen Siegen führen. Wilhelm."
Berlin, 29. Juli 1866 .
Diese Proclamation wurde durch reitende Ordonnanzen an alle bereits in erneuter Kampfbereitschaft ſtehenden Armee-Abtheilungen gebracht und vertheilt. Der Plan zur neuen Schlacht, die des Feindes Macht brechen sollte, war bereits entworfen und am nächsten Tage sollte dies Trauerſpiel beginnen. König Wilhelms 1. Hauptquartier zu Gitſchin , böhmisch Jičin , befand sich in einem seiner Zeit der berühmtesten Orte Böhmens , der auch jezt noch als Stätte großer geschichtlicher Erinnerung von dem Nimbus seines ehemaligen Ruhmes umgeben ist.
Gitschin war die Reſidenz Wallensteins, oder wie er in vielen
Schriften kurzweg genannt wird, „ des Friedländers .“ n Dorf,
Ursprünglich war Gitſchin
das erst im 14. Jahrhunderte Stadtrechte erhielt, aber zu der Zeit,
als es in Wallensteins Beſiß kam, durch Feuersbrünste so sehr herunter gekommen, daß es nur 198 mit Schindeln gedeckte Häuser enthielt.
Wer kleine böhmische
Städte und Dörfer kennt, kann sich ungefähr einen Begriff von der Armseligkeit dieſes kleinen Nestes in damaliger Zeit machen ; aber der Wille des gewaltigen Generaliſſimus veredelte das schlechte Reiß zu einem höchſt angenehmen , freundlichen Städtchen, das sich, wäre er nicht vorzeitig durch kaiserliche Dankbarkeit aus der Welt befördert worden, als heutiges Gitſchin , bis an den Fuß des Ber. ges Welis ausdehnen würde so wenigstens ſoll sein Plan geweſen ſein.
Schilberung der Stadt Gitschin.
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Mittels seines Reichthumes brachte er es dahin, daß die alten Hütten abgerissen und nur ſteinerne , wohnliche und mit Ziegeln gedeckte Häuser erbaut, Gassen und Pläge geordnet, neue angelegt wurden und daß man die Umgegend entſumpfte. Die bekannte böhmische Unsauberkeit, wie sie heutigen Tages noch so oft in den Ortſchaften gefunden wird, war dem Friedländer ein Gräuel , um sie zu beseitigen zog er an eine bessere Sitte gewöhnte Gewerbtreibende nach Jičín, um
Fabriken (Lederbereitung , Wollarbeiten , Seidenmanufacturen) zu gründen. Das 1620 durch eine furchtbare Katastrophe zerstörte Smiřicky'sche Her-
renhaus ließ er fast neu zu einem prachtvollen Schloſſe aufbauen, in welcher Ausführung jedoch ein plößlicher Stillſtand eintrat, theils weil der fächſiſche Feldmarschall Arnim 1630 die Kaiserlichen bei Nimburg geschlagen und weil Wallenstein von Jicin flüchten mußte, da Jener gegen diese kleine Residenz heranzog, theils weil sein durch Mörderhand vier Jahre später (den 24. Febr. 1634) crfolgter Tod die Ursache wurde, daß der Schloßbau nicht nur in's Stocken gerieth, sondern gänzlich aufhörte.
Nach und nach, da Niemand den Weiterbau
des Krieges wegen fortseßen konnte , verfiel diese Herrlichkeit zur Ruine und in der Neuzeit sind
an Stelle von Gemächern
Gartenanlagen gemacht worden.
Unter den Schloßtheilen, die ſich aus jener Zeit herſchreiben, ist der große, Saal, dem im PragerWallenſtein'ſchen Palaſt ähnlich, und die Pferdeſtälle hervorzuheben. In diesem als Halbruine noch vorhandenen Schloßüberbleibsel hielt im Jahre 1813 Kaiser Franz fünf Wochen lang ſein Hauptquartier und wurde deſſen Anwesenheit dadurch wichtig , daß der Allianzvertrag zwischea Desterreich, Nußland und Preußen durch deren Minister Metternich , Nesselrode und Humboldt verhandelt und daselbst vom Kaiser Franz, dem Kaiser Alexander 1. und Friedrich Wilhelm m . von Preußen (die beiden letteren Monarchen wohnten im Colloredo'ſchen Schloſſe zu Opočno) definitiv unterzeichnet wurde. Kraft fideicommiſſarischer Bestimmung wird dies Schloßüberbleibsel in demselben Zustande erhalten wie es 1813 war und man zeigt heut noch Schreibzeug und Feder, welche bei Vollziehung dieses wichtigen Vertrages gebraucht wurden .
Uebrigens fehlt es den Gitschinern nicht an Gelegenheit zur Frömmigkeit, denn es giebt für die 7000 Seelen zählende Bevölkerung 45 Gotteshäuser.
Er
werbszweige daselbſt ſind vorzüglich Ackerbau, auch Leinweberei und Getreidehandel. Das ist die Schilderung der Stadt Gitschin, die so oft in der früheren Kriegsgeschichte genannt wird und jezt also neuerdings wieder sich dieses im Ganzen sehr beklagenswerthen Vorzugs zu rühmen hat .
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Recognoscirung des preußischen Hauptmanns von Unger.
Im Hauptquartiere
des Königs daselbst war der Vorschlag gemacht,
den Truppen, die in ununterbrochener Folge von Märſchen und Kämpfen ſo Erstaunenerregendes geleistet hatten , eine Rast zu gönnen.
Doch dieser Entschluß
fand noch am Spätabend des 2. Juli eine schnelle Abänderung durch folgenden Umstand. Hauptmann von Unger, dem Generalstabe angehörend, hatte am 2. Juli
hin unternommen.
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Abends auf eigne Hand einen Recognoscirungsritt nach den feindlichen Vedetten Die Dämmerung gestattete ihm , unbemerkt und gedeckt durch
Gehölz und Schluchten den Oesterreichern so nahe zu kommen, daß er von einem Hügel ziemlich weit ihre Stellungen überblicken konnte.
Was ihn am meisten
anzog, war das Treiben einer Masse von Sappeuren, die eben im Begriff waren, 5 Brücken zu schlagen. beiten ein.
Sofort leuchtete dem Hauptmann der Zweck dieser Ar-
Mittels dieser Brücken konnte Benedek einen Hauptheil der kaiserlichen
Nordarmee rückwärts und dann nordwärts dirigiren (gegen Josephstadt hin), um zwischen die erste und zweite preußische Armee einen Keil zu treiben , so daß ſie
"
sich nicht vereinigen konnten. Während Hauptmann von Unger diese Brückenbauanſtalten betrachtete, war er von österreichischen Ulanen bemerkt worden und nun begann eine Hezjagd auf ihn ; aber Dank seinem guten Renner! er entkam ihnen, obgleich ſie ihm ſchon ſo nahe waren, daß Einer ihm einen schweren Lanzenstich beibringen fonnte.
Blutend zurückkommend stattete er sofort Rapport des Gesehenen ab und
auf Grund seines Berichtes wurde die Schlacht für den nächsten Tag beschloſſen, damit dem Feinde nicht Zeit bleibe, seine Anstalten zur Verhinderung der Vereinigung der beiden preußischen Armeen zu vollenden.
Hauptmann v . Unger wurde
nach der Schlacht bei Königgräß zum Major und zum Ritter pour le mérite ernannt. Jezt hieß es Eile für die Adjutanten.
Sehr wenig gehört im Kriege da=
zu, um den bestausgedachten Plan scheitern zu machen.
Um eine Hauptſchlacht
zu liefern, konnte man natürlich die Mitwirkung der zweiten oder kronprinzlichen Armee nicht entbehren ; aber dem Kronprinzen den Befehl zu überbringen , seine Streitkräfte sofort in Marsch zu seßen, das war eine große Schwierigkeit, denn, wurde der Ueberbringer dieses , was sehr leicht möglich war, von den Oesterreichern gefangen, blieb der Kronprinz ununterrichtet. Prinz Friedrich Karl hatte sich, nachdem in Gitſchin die Schlacht beſchloſſen worden war, wieder zurück in ſein Hauptquartier Komeniz begeben.
Lieutenant
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Vorbereitungen zur Schlacht.
von Normann , ein kühner und tüchtiger Reiter, übernahm den Auftrag , einen Brief nach Miletin, 5 Meilen entfernt von Gitſchin, an den Kronprinzen zu überbringen.
Es war ein Wagestück , denn wie leicht konnte er von den umher-
schwärmenden
österreichischen
Cavaleriepatrouillen
abgefangen
werden ;
indeß
von Normann beſtand dieſe Probe ſeines Muthes glücklich, ohne einer dieſer umherflankirenden leichten Feindestruppen in die Hände zu fallen, gelangte er glücklich um 1 Uhr des Morgens am 3. Juli beim Kronprinzen an und um 4 Uhr traf er wohlbehalten wieder bei seinem Chef, dem Prinzen Friedrich Karl, ein.
Lange
vor Mitternacht waren die preußischen Truppen schon alle in Bewegung , der Stab verließ um halb 2 Uhr bereits Komeniz.
Zu Zeiten schien der Mond
hell, war aber öfter noch hinter den Wolken versteckt und da dies Leztere häufig der Fall war , so traten die erlöschenden Bivouaffeuer, an welchen die Truppen längs der Straße gelegen hatten, gleich im Winde flackernden Irrlichtern hervor. Allerdings
mag dieser Anblick einen ganz eigenthümlichen Eindruck ge-
währt haben, denn diese in sich selbst zuſammenſinkenden und vom ſtarken Luftzuge plöglich zu einer hellen Lohe aufgejagten Bivouaffeuer trugen den Ausdruck des Gespenstigen, Unheimlichen an sich.
Sie dehnten sich auf die Strecke einer
Meile aus, denn 150,000 Mann hatten ſich an diesen gleichsam in den leyten Zügen liegenden und nicht ersterben könnenden Feuern erwärmt.
Mit dem an-
brechenden Morgengrau begann ein schwerer und empfindlich falter Nebel , der den Himmel bleifarben machte, ſich in Regen zu lösen , und die vom Marſche schwizenden und von außen durchſchauerten Soldaten hatten ungemein dabei zu leiden, weil sie an Schlaf und Nahrung zu wenig gestärkt worden waren. viele Tausende freilich war es der lezte Regentag ihres Lebens .
Für
Der Morgen-
wind blies sehr unangenehm daher und der sich immer mehr in Regen lösende Nebel erschwerte nicht nur den Marsch, sondern hielt auch bis nach der Mittagszeit, bald stärker, bald schwächer fallend, an. Bei Tagesanbruch hatten die Truppen ihre Positionen zum Angriff eingenommen.
Die Hauptmasse der Armee war zu Milowig, einem Dorfe auf dem
Wege von Horzig nach Königgräß , die 7. Diviſion unter General Franſecky war zu Ceschwig auf der linken und die 4. und 5. Diviſion in den Dörfern Brislau und Psauch auf der rechten, während General Herwarth von Bittenfeld mit einem Theile des 7. Armeecorps nach Neubitschau auf die äußerste Rechte gesandt wurde, etwa 10 Meilen von Milowiz .
Etwa um 4 Uhr begann die
Armee zu avanciren und marschirte langsam das leichtsteigende Gelände hinauf,
170
Borbereitungen zur Schlacht.
welches von Mislowiß nach dem Dorfe Dub führt , fünf Meilen weiter gegen Königgräß hin. Boden.
Das Getreide lag naß und vom Regen niedergedrückt auf dem
Die vorschwärmenden Tirailleurs famen behende hindurch, aber die in
geschlossenen Colonnen folgenden Truppen marschirten mit Mühe über die niedergetretenen Ernten , und die Bespannung der Artillerie hatte tüchtig zu arbeiten, um die Räder der Geschüße durch den weichen , klebrigen Boden zu schleppen. Um sechs Uhr war die ganze Armee nahe an Dub herangekommen, aber es wurde nicht erlaubt, den Gipfel der Abdachung zu ersteigen, denn der Höhenzug, worauf Dub steht , hatte alle ihre Bewegungen verdeckt und die Oesterreicher fonnten nichts von den Truppen sehen, welche hinter dem Gipfel aufmarschirten, ja sie konnten glauben , daß von den Preußen höchstens nur die gewöhnlichen Vorposten
Nacht vor-
nahe wären,
geschoben
denn die
waren,
Cavalerie-
blieben auf
Vedetten,
dem Gipfel
welche über
der Hügel-
kette ruhig stehen , in der Sicherheit,
als
ob hinter ihnen weiter gar nichts
vorfallen könne . Von dem Gipfel der leichten Erhöhung, worauf Dub steht, senkt sich das Terrain sanft herunter zu dem Flüßchen Bistriß, welches den Weg in dem Dorfe Sadowa überschreitet , etwa 134 Meile von Dub.
Von Sadowa hebt sich das
Terrain wieder jenseits der Bistriß und gegen das Dorf Lipa hin, welches bemerklich wird durch seinen Kirchthurm , der auf einem leichten Hügel steht , anderthalbe
Meile
von
Sadowa gelegen.
Wer
diesen
Morgen
etwa
auf dem
Gipfel. des Höhenzuges gestanden, hätte Sadowa abwärts liegen sehen mit seinen hölzernen Bauernhäusern zwischen Baumgärten und
Wassermühlen darunter.
Aber diese arbeiteten nicht, denn alle Einwohner waren ausgetrieben worden, und die weißen Röcke hier und da waren nicht Kittel böhmischer Bauern, sondern österreichische Uniformen. Drei Viertelmeilen abwärts an der Bistriß steht ein großes rothes Ziegelgebäude mit einem
Schornsteine , welches wie eine Fabrik aussieht, und hölzerne
Gebäude daneben sind uuzweifelhaft Magazine ; nahe dabei bilden einige hölzerne Hütten, vermuthlich die Wohnungen der Arbeiter jener Fabrik, das Dörschen
171
Schlacht bei Königgrätz (Sadowa).
Dohaliß.
Etwas mehr als eine Meile noch weiter abwärts an der Bistriß liegt
das Dorf Mekrowans , wie die meiſten böhmischen Dörfer aus tannenhölzernen Hütten bestehend , die in Baumgärten versteckt liegen.
Das Schloß Dohalicha
steht etwas mittenwegs zwischen Dohalig und Mekrowans auf einem Hügel über dem Fluge.
Hinter Dohaliß und zwischen diesem Dorfe und der Heerstraße,
welche durch Sadowa geht , liegt ein großes , dichtes Gehölz ; viele der Bäume desselben waren abgehauen , bis etwa zehn Fuß über den Boden und die abgehauenen Zweige waren zwischen die stehenden Baumſtumpfen geflochten, welche dem Flusse am nächsten waren , um das Eindringen in das Gehölz möglichst ſchwierig zu machen.
Auf der offenen Bedachung zwischen Dohaliß und Doha-
licha ſchien eine dunkle Linie von einzelnen Büschen hinzulaufen , aber das Teleskop zeigte, daß dics Kanonen waren und Stück enthielt.
daß diese Batterie allein zwölf
Linkshin die Bistriß hinauf war das Terrain offen zwischen den --
Baumgärten von Sadowa und den Bäumen , welche um Benatek wachsen ein Dörschen, etwa zwei Meilen von Sadowa , welches den rechten Flügel der Desterreicher bezeichnete
, außer wo mitten zwischen diesen Dörfern ſich ein
breiter Streifen von Tannengehölz auf etwa drei Viertelmeilen erstreckt.
Ueber
und jenseits dieser Dörfer und Gehölze hinaus sah man den Kirchthurm von Liſſa, darunter einige Häuser , Gärten und Gruppen von Tannengebüsch und etwas nach links , Bisliocs.
etwas mehr abwärts am Hügel sah man die Hütten von
Die Luft war trüb und nebelig , der Regen fiel beständig und der
Wind blies bitterlich kalt , während Hügeln von Dub wartend, ſtillſtand.
die Infanterie und Artillerie , hinter den Um 7 Uhr warf Prinz Friedrich Karl
seine Cavalerie und reitende Artillerie vorwärts .
Sie marschirten in leichtem
Trabe gegen die Bistriß und hielten auf's schönste ihre Linie , obgleich auf dem feuchten Boden oft gleitend .
Am Fuße der Höhe angelangt, ertönten die Trom-
peten , und , indem sie ihre Bewegungen machten , um die Brücke zu gewinnen, schwenkten die Schwadronen längs des Flusses herum, als wollten sie das fcindliche Feuer herausfordern. Dann eröffneten die Oesterreicher das Feuer von einer Batterie in einem Felde nächst dem Dorse, wo die Hauptstraße über die Biſtriß geht, und die Schlacht von Sadowa begann. Der erste Schuß fiel etwa um halb acht Uhr.
Die preußische reitende
Artillerie, unten nahe am Fluß , antwortete den österreichischen Kanonen , aber feine Seite feuerte heftig , und während einer halben Stunde bestand die Kanonade nur aus einzelnen Schüssen.
Um ein Viertel vor acht Uhr orſchien der
172
Schlacht bei Königgrät (Sadowa).
König von Preußen auf dem Schlachtfelde, bald darauf ward die reitende Artillerie durch andere Feldbatterien verstärkt und die preußischen Kanonen begannen, ihre Granaten schneller in die österreichischen Reihen zu entsenden.
Aber
sobald das preußische Feuer lebhafter wurde , schienen österreichiſche Kanonen wie durch Zauberei auf allen Punkten der Position zu erstehen , von jeder Straße, von jedem Dorfe , aus den Baumgärten von Mokrowena auf der preußischen Rechten , bis zu den Baumgärten von Benatek , auf ihrer Linken blißten sie auf und sandten ihre ſauſenden Granaten , welche , mit lautem Knalle plagend, ihre Splitter rasselnd zwischen die Kanonen, Kanoniere, Fuhrwerke und Pferde schleuderten, häufig einen Mann oder ein Pferd tödtend , manchmal eine Kanone demontirend , aber immer den Boden aufwühlend und die Erde den Leuten in's Gesicht werfend.
Aber die Oesterreicher feuerten nicht allein auf die Artillerie,
sondern die Granaten auch aufwärts gegen Dub, und eine Granate schlug direct in eine Abtheilung Ulanen ein, welche in der Nähe des Königs hielt, wühlte sich tief in die Erde, warf eine Säule von Schlamm etwa 20 Fuß hoch empor und erschlug plagend vier Glieder der Schwadron. Sobald die Kanonade in der Fronte ernsthafter wurde, begann die Spige der 7. Division das Dorf Benatek auf der österreichischen Rechten zu bombardiren .
Die Desterreicher erwiderten Schuß um Schuß, und keine Seite gewann
und verlor am Terrain .
Auch im Centrum blieb die Schlacht sich gleich.
Die
Preußen brachten Batterie nach Battrie in's Gefecht und gaben ein entseßliches Feuer auf die österreichischen Geschüße , aber diese gaben es zurück, und manchmal mit Zinſen , denn die österreichiſchen Artillerie-Offiziere kannten ihr Terrain, und viele Pferde wurden getödtet oder verwundet. Kranfenträger wurden hinabgesandt zu den Batterien und kamen jeden Augenblick mit Berwundeten zurück, welche , unten im Feuer nothdürftig verbunden , zu betäubt schienen , um große Schmerzen zu fühlen. Allmählich schien die preußische Kanonade stärker zu werden , und die österreichischen Batterien zwischen Dobelniz und
Dohalig zogen sich höher den
Berg hinauf zurück . aber die Kanonen von Mekrowans ſtanden noch fest , und die Preußen hatten die Bistriß noch nicht überschritten .
Aber viele Geschüße
wurden jezt gegen Mekranowafans gewandt , und um 10 Uhr war die dortige Batterie ebenfalls genöthigt, etwas zu retiriren. Während dieser Kanonade hatte sich ein Theil der Infanterie gegen den Fluß hinunter bewegt, wo sie in einer Einsenfung des Terrains Dedung gegen
1
173
Schlacht bei Königgrätz ( Sadowa).
das Feuer nahm .
Die achte Division kam links von dem Straßendamme heran
und formirte unter dem Schuße einer Erhebung des Bodens ihre Colonnen zum Angriffe auf das Dorf Sadowa, während die 3. und 4. Diviſion rechts von der Straße sich vorbereiteten, Dohaliß und Mekrowans zu stürmen . Aber ein wenig zuvor, ehe ihre Vorbereitungen vollendet waren, fing das Dorf Benatek auf dem Rechten der Oesterreicher Feuer, und die 7. Diviſion machte einen Anlauf, um sich desselben zu versichern , aber die Desterreicher ließen sich durch die Flammen nicht vertreiben, nnd hier kam es zum ersten Male in der Schlacht zum Handgemenge.
Das 27. Regiment führte den Angriff und stürmte in die Baum-
gärten des Dorfes ; die brennenden Häuſer trennten die Kämpfenden ; ſie gaben Salve um Salve gegen einander durch die Flammen ; aber die Preußen fanden einen Weg, um die brennenden Häuſer herum zu gelangen , und die Feinde im Rücken nehmend, zwangen ſie dieselben zum Rückzuge mit den Verluste von vielen Gefangenen. Es war 10 Uhr, als Prinz Friedrich Karl den General von Stülpnagel abſandte, um den Angriff auf Sadowa , Dohaliz und Mekrowans anzuordnen . Die Colonnen avancirten unter dem Vorgange von Tirailleurs und erreichten das Flußufer ohne vielen Verlust. Weges erkämpfen.
Aber von da mußten sie jeden Zoll des
Die österreichische Infanterie hielt das Dorf und die Brücke
in Besiß und feuerte auf sie, wie sie herankamen.
Die Preußen konnten nur
langsam auf den engen Wegen und gegen die Vertheidigung der Häuser avanciren, und die Salven fegten durch die Glieder und schienen die Soldaten zu Boden zu reißen.
Die Preußen feuerten viel schneller als die Oesterreicher, aber
ſie konnten nicht sehen, um ihr Ziel zu faſſen ; die Häuser, Bäume und der Rauch von dem feindlichen Feuer verdeckten Alles .
Gedeckt durch Alles dies feuerten
die österreichischen Jäger blindlings dahin , wo sie den Feind kommen hörten, und ihre Schüsse wirkten schrecklich in die geschlossenen Glieder der Preußen . Aber die Lezteren verbesserten allmählich ihre Position ;
wenn
auch langſam
und durch die Kraft des Muthes und der Ausdauer drangen sie endlich durch, obgleich sie auf jedem Schritte Verluste erlitten und auf einigen Stellen den Boden wirklich mit ihren Gefallenen bedeckten.
Dann , um der Infanterie zu
helfen, wandte die preußische Artillerie ihr Feuer, ohne die feindlichen Batterien weiter zu beachten , gegen das Dorf und richteten schreckliche Zerstörung unter den Häusern deſſelben an .
Mekrowans und Dohalig geriethen beide in Brand,
und die Granaten fielen schnell und mit schrecklicher Wirkung unter die Ver-
174
Schlacht bei Königgrätz (Sadowa).
theidiger der brennenden Dörfer.
Die österreichischen Geschüße arbeiteten eben-
falls gegen die angreifende Infanterie, aber zu dieser Zeit war diese bereits dagegen gedeckt durch die dazwischen liegenden Häuser und Bäume. In und um die Dörfer dauerte das Gefecht unter dem schrecklichſten Kampfgeschrei während beinahe einer Stunde. Dann zog die österreichische Infanterie, durch einen Anlauf der Preußen vertrieben , etwas gegen die Höhe hinauf in eine Linie mit ihren Batterien. Das Gehölz über Sadowa ward tapfer behauptet
und
das
zwischen Sadowa
hemmte den Fortschritt der 7. Division.
und
Benatek ,
voll
von
Schüßen,
Aber General Fransecky , welcher diese
Division commandirte, war nicht leicht aufzuhalten, er sandte seine Infanterie gegen das Gehölz und wandte seine Artillerie gegen die österreichischen Batterien ; die 7. Division begann ein Feuer gegen das Gehölz , konnte aber damit keinen Eindruck hervorbringen , da der Feind hinter den Bäumen gedeckt war , dann aber ging sie mit dem Bajonnet darauf. Die Desterreicher wollten nicht weichen, sondern erwarteten das Handgemenge und in dem Gehölze über Benatek ward einer der heftigsten Kämpfe ausgefochten, welche je ein Krieg gesehen hat.
. www
Das 27. preußische Regiment ging mit etwa 3000 Mann und 90 D fizieren hinein und kam auf der andern Seite heraus mit etwa nur zwei Of
175
Schlacht bei Königgrät (Sadowa).
fizieren und etwa 3- oder 400 Mann auf den Beinen, alle übrigen waren todt oder verwundet. Auch die andern Regimenter haben viel gelitten, doch nicht im gleichen Maße ; aber das Gehölz war genommen.
Die österreichische Linie war
nun auf beiden Flanken zurückgeschlagen, aber ihr Commandeur bildete nun eine neue Schlachtlinie etwas höher an den Hügel hinauf um Lipa und immer noch das Gehölz behauptend, welches oberhalb Sadowa liegt. Dann wurde die preußische Artillerie über die Bistriß gesandt und begann auf die neue Aufstellung der Oesterreicher zu feuern. Zur ſelben Zeit wurde von Rauch von General Herwarth's Avantgarde allmählich gegen die österreichische Linke vorgehen geſehen , denn sie hatte in Nechaniß, einem Dorfe etwa 7 Meilen abwärts von Sadowa an der Biſtriß, eine Brigade von sächsischen Truppen mit einiger österreichischer Cavalerie angetroffen, und trieb sie gegen die Position von Lipa, indem er in solcher Richtung folgte, daß es schien, als ob er die linke Flanke der Oesterreicher umgehen würde. Aber der österreichische Commandeur ſchien entſchloſſen ſeine Poſition zu behaupten und schwere Massen von Infanterie, und
Cavalerie waren
auf dem Gipfel der
Hügel zu sehen. Die preußische Infanterie , welche die Dörfer Sadowa und Dohaliz ge nommen hatte, wurde nun gegen das Gehölz gesandt, welches über dieſen Pläßen längs der Straße von Sadowa und Lipa hinläuft : ſie ging gegen dasselbe vor, aber ihr Feuer machte keine Wirkung , da die Desterreicher hinter den Bäumen. gedeckt waren; auch feuerte eine ganze Batterie vom anderen Ende des Holzes zwischen den Bäumen her auf die Preußen und mit schrecklicher Wirkung .
Aber
die Angreifer fochten fort , brachen endlich die Hinderniſſe des Einganges nieder und gingen dann darauf los .
Das Gefecht ging von Baum zu Baum , und die`
Desterreicher machten manchen Anlauf, um die verlorene Position des Gehölzes wieder zu gewinnen , aber in diesem Handgemenge fielen ihre jungen Soldaten wie Kegel vor den starken Männern der achten Division ; aber sobald die Vertheidiger sich etwas zurückgezogen und ihre Artillerie in die Bäume spielte, litten die Preußen erschrecklich , und etwa halbwegs aufwärts in's Holz kam das Gefecht zum Stehen. Um diese Zeit führte die österreichische Artillerie ein glänzendes Feuer aus , und um 1 Uhr konnte die ganze preußische Schlachtlinie keinen Boden mehr gewinnen und mußte hart kämpfen , um nur die einmal gewonnene Pofition zu halten.
Einmal ſchien es sogar, als ob sie dieselbe aufgeben würde,
176
Schlacht bei Königgrät (Sadowa).
da ihre Kanonen durch das österreichische Feuer demontirt waren, in dem Waldgrunde das Zündnadelgewehr keine freie Bahn fand und das Infanteriegefecht ganz gleichſtand.
Da schickte Prinz Friedrich Karl die 5. und 6. Diviſion vor.
Diese legten ihre Helme und Tornister ab und rückten an den Fluß vor.
Der
König war in der Nähe der Bistriß, und die Truppen jubelten ihm laut zu, als ſie in die Schlacht zogen. Sie gingen über die Sadowabrücke und verschwanden im Walde.
Bald verrieth das stärker werdende Gewehrfeuer , daß das Gefecht
begonnen hatte, aber die österreichischen Kanoniere schleuderten Salve auf Salve zwischen sie hinein , und sie brachten das Gefecht kaum einige hundert Schritte weiter vorwärts , denn sie fielen selbst zurück und konnten den Feind nicht erreichen.
Nicht nur die Granatſplitter flogen unter sie hin, Tod und Wunden
in ihre Reihen schmetternd, sondern auch die Aeste und Splitter der Bäume, zerriſſen von den Geschossen , flogen häufig umher und verursachten sogar
noch
schrecklichere Verwundungen. Auch General Herwarth auf der Rechten schien gehemmt zu sein.
Der
Rauch seiner Geschüße, welcher bis dahin beständig avancirt hatte, stand für eine Zeit lang still.
Fransecky's Leute fonnten nicht vorgeschickt werden , um das
Sadowaer Gehölz anzugreifen, denn sie würden sich ausgesezt haben, von hinten her beschossen zu werden durch die Artillerie auf der Rechten der österreichischen Linie vorwärts von Lipa.
Alle Artillerie war engagirt , außer acht Batterien,
und für den Fall einer Niederlage , mußten diese acht Batterien zurückgehalten werden,
denn zu
einer Zeit
und das
der preußischen Artillerie auf dem Abhange beinahe , als ob es gegen
die Bistrig zurückginge.
schien
das
Feuern
im
Sadowaer
Gehölz
Die erste Armee war jedenfalls gehemmt in ihrem Vor-
marsche, wenn nicht wirklich zurückgeschlagen , da begannen die preußischen Generale ängstlich nach der Linken aufzuschauen, nach der Ankunft des Kronprinzen. Einige österreichische Kanonen sah man gegen die preußische Linke feuern , und man hoffte, sie möchten gegen die Vorhut der zweiten Armee gerichtet sein ; aber um 3 Uhr war noch kein Anzeichen da , daß preußische Colonnen gegen Lipa vorrückten.
Die Generale wurden ernstlich besorgt und zogen die Infanterie
aus dem Gefechte; Cavalerie wurde ebenfalls zuſammengezogen , so daß sie bereit war zum Verfolgen der Oesterreicher oder um deren Verfolgung aufzuhalten, und der General von Voigts- Rez ging selbst , um nach der zweiten Armee zu ſehen.
Er kehrte bald mit der Nachricht zurück, daß der Kronprinz seinen An-
griff auf Lipa formirte und daß die Kanonen auf der österreichischen Rechten
Schlacht bei Königgräß (Sadowa).
177
gegen seine Truppen gefeuert hätten. Dann faßte die erste Armee wieder frischen Muth; das Gehölz von Sadowa ward genommen und die Batterie dahinter wurde durch die Jäger erſtürmt.
Um halb vier Uhr sah man des Kronprinzen
Colonnen sich über den Abhang gegen Lipa bewegen, denn seine Artillerie hatte die österreichischen Geschüße zum Schweigen gebracht , und General Herwarth drängte aufs Neue vorwärts gegen die österreichische Linke.
In einer Viertel-
stunde war des Kronprinzen Infanterie bei Lipa engagirt, und ihr schnelles Gewehrfeuer, rasch vorgehend, zeigte, daß die Deſterreicher im vollen Rückzuge waren . Die erste Armee ging sofort vor , die Artillerie proßte auf und galoppirte den Abhang hinauf, jede Gelegenheit benugend, um ihre Granaten in die retirirenden Bataillone zu werfen .
Prinz Friedrich Karl stellte sich selbst an die Spize seines
Regiments und sprengte über die Brücke von Sadowa und die Heerstraße entlang, gefolgt von seiner ganzen leichten Cavalerie.
Als die Höhe des Abhanges von Lipa genommen war , sah man die retirirenden Bataillone der Oesterreicher durch eine Vertiefung des Terrains laufen, welche sich zwischen den Dörfern Lipa und Streſelig erstreckt, welches leztere etwa zwei Meilen südlich liegt.
Die preußische Artillerie machte Halt auf der Höhe
von Lipa und feuerte mit Granaten , welche mit schrecklicher Präciſion über den Köpfen der Flüchtigen explodirten.
Die Cavalerie flog zur Verfolgung, aber der
Prinz, nachdem er diese eine kurze Zeit geführt hatte, mußte die allgemeine Leitung übernehmen, denn die österreichischen Batterien hatten auf den Höhen von Strefeliz Posto gefaßt und gaben ein entseßliches Feuer auf die verfolgenden Preußen .
Dann ging die Cavalerie vor und griff in kleinen Abtheilungen die
öſterreichiſchen Bataillone an , aber diese, obgleich schnell retirirend, wurden nicht gesprengt und schlugen in manchen Fällen die Cavalerie zurück, welche auch viel von der österreichischen Artillerie litt, deren Granaten wiederholt in die SchwaAber die öster dronen einschlugen und Mannschaften und Pferde tödteten. reichischen Batterien wurden durch das schwerere Feuer der zahlreichen preußiſchen Artillerie von ihrer Höhe vertrieben , und dann wurde die Verfolgung wieder fortgesezt.
Einige der Oesterreicher wandten sich nach Königgräß , andere nach
Pardubig, und auf beiden Wegen wurden Truppen zu ihrer Verfolgung abgesandt.
Die Verwundeten, welche am Boden lagen, ſchrieen vor Angst, als ſie
die Cavalerie gegen sich heransprengen sahen , aber Prinz Friedrich Karl sorgte dafür, daß sie umgangen wurden , und hielt sogar einmal die Verfolgung auf, um ſeine Reiter nicht durch ein Stück Kornfeld zu führen, in welchem verwundete 12
178
Schlacht bei Königgrätz ( Sadowa).
Oesterreicher Schuß gesucht hatten.
Diese , als sie die Ulanen herankommen
sahen , glaubten , sie sollten massacrirt werden , und schrieen jammervoll, indem sie mit weißen Tüchern schwenkten , als Zeichen der Ergebung , aber sie hatten keine Ursache zur Furcht.
Große Mengen von Gefangenen wurden gemacht,
denn die Verfolgung wurde bis an die Elbe fortgesezt und es war 9 Uhr , ehe alles Feuern aufgehört hatte. Ganz übereinstimmend mit dieser den Times - Gorrespondenten entnom menen Schilderung dieser größten Schlacht der Neuzeit
giebt der militärische
Schriftsteller Hans Wachenhusen über die Theilnahme der Elbarmee unter Herwarth von Bittenfelds Befehl an dieser Schlacht folgende Schilderung :
" Gegen
8 Uhr sticß unsere Avantgarde bei Nechaniß
auf den Feind .
Nach leichtem Gefecht ward er über die Bistrig vertrieben ; er konnte nur unvollständig die Hälfte der Brücke zerstören, räumte sichtbar überrascht das Städtchen Nechaniß und eben so, leisem Drucke nachgebend, eine vortreffliche Höhen-Position mit sorglich vorbereiteten . eingeschnittenen
Geſchüßſtänden ,
welche , wenn ſie
rechtzeitig besetzt gewesen wäre , uns das Debouchiren über das einzige Defile Nechaniß sehr blutig gemacht haben würde.
Die Batterien unserer Avantgarde
gewannen schnell dieſe Höhe , und nun sah man in eiligem , sehr geordneten Abzuge , mit mehrfach geänderter Direction einige Bataillone , ein Cavalerie- Regi ment und etwas Artillerie.
Es war eine sächsische gemischte Brigade , welche
Benedek bei seiner projectirten Offensive als Deckung seiner Flanke, in die schöne Stellung von Nechanig disponirt hatte. Anmarsches,
Das Regenwetter während unseres
welches auf unserer Seite nur den Stiefeln schadete , hatte die
Sachsen am Sehen verhindert, so daß sie beinahe überfallen wurden .
Dieser
heilsame Regen ist es allein , durch welchen sich Benedek's Entschuldigungsphraſe in seinem erſten offiziellen Telegramme über die Niederlage erklären läßt, daß die Preußen " begünstigt durch Unwetter “ vorgerückt ſeien. Vorschreitens war jedoch nur von kurzer Dauer.
Diese Leichtigkeit unſeres
Sehr schnell wurden die uns
auf 2000 Schritt gegenüberliegenden Höhen von Przim und Problus mit ſtarken sächsischen gezogenen Batterien gekrönt; ein wohlgezieltes , heftiges Feuergefecht erfolgte.
Erst nach und nach gelang es uns , über die einzig disponible ,
eiligst
hergestellte Brücke die gezogenen Batterien der 15. und dann der 14. Diviſion heran zu ziehen und ,
den linken Flügel unserer Artillerielinie allmählig ver-
längernd , in Poſition zu bringen.
Als dieser nach Verlauf mehrerer Stunden
auch einige gezogene Batterien der inzwiſchen herangekommenen Reserve-Artillerie
1
179
Schlacht bei Königgrätz (Sadowa).
folgen konnten, gewann unser Feuer merklich die Oberhand .
Unsere Artillerie-
linie begann zu avanciren . Gleichzeitig sahen wir in der Richtung auf Sadowa lebhaftes Feuergefecht.
Die Elbarmee konnte sich deshalb nicht auf eine Kano-
nade beschränken , sondern mußte an weiteres Vorgehen mit allen Kräften zur Entscheidung des Tages denken.
Es wurde zunächst die 15. Diviſion, Canſtein .
gegen den feindlichen linken Flügel
durch das
waldige Terrain von Hradek
gegen Przim dirigirt ; weiterhin, da das Gefecht von Sadowa feine entscheidende Wendung zu nehmen schien, die 14. Diviſion, Münſter, zu einem Vorstoß gegen die feindliche Hauptſtellung von Problus dirigirt.
Die 14. Diviſion entfaltete
unter Hurrahruf der Bataillone in der Massenstellung hart östlich von Nechaniz ihre Fahnen , defilirte , durch eine Höhe gedeckt, durch Lubno , entfaltete sich brigadenweiſe, ſchwenkte , nachdem das nöthige Terrain hierzu gewonnen , mit Brigaden rechts und avancirte , wie auf dem Exercierplage , mit klingendem Spiele gegen die 2000 Schritte entfernte feindliche Höhenstellung von Problus und Przim.
Die Division wurde von diesen Höhen her in der Front und in der
linken Flanke von Strefelig mit Granaten überſchüttet.
Beim weiteren Vor-
marsche fam noch das Infanteriefeuer aus dem vortrefflich fortificirten Dorfe Problus hinzu .
Die hierauf stoßende Brigade Schwarzkoppen stuzte nicht einen
Augenblick , drang in das Dorf und nahm es nach hartnäckigem Infanteriegefechte.
Die rechte Flügelbrigade Hiller stieß in Fronte auf die feindlichen
Batterien. Als sie unter den Schuß derselben gelangt war , zogen die Batterien a' . Zwei sächsische Infanterie-Bataillone in Linie traten an deren Stelle; sie wurden in ſietem Vorgehen mit klingendem Spiel geworfen und bis in einen , einig : Schritte rückwärts gelegenen Wald , deſſen viſiére ſtark verhauen war , verfolgt. Auch diesen Wald nahm die Brigade Hiller im ernſten Anlauf. (Dieser Sturmangriff der Division des Generals Grafen Münster nahm 20 Minuten in Anspruch und kostete der Diviſion 700 Todte und Verwundete) . Zum Schluß schildert der Verfasser das Ende der Schlacht. entschwand unserem Auge ,
„ Der Feind
das Feuer verstummte auf allen Seiten , nur die
Batterie , Eynatten , die sich auf der Höhe des Dorfes Streſeliß aufgestellt hatte, feuerte noch gut gezielte Schüsse in die sächsischen Battaillone, welche wir in der Ebene marschiren sahen. Es waren die legten Schüſſe. Zuſchauend ſtand ich noch um 8 Uhr todesmüde bei dieser Batterie und sah dem Einschlagen der Kugeln vor den feindlichen Bataillonen zu , während die Abendsonne die Thürme von Königgräß vergoldete und den Johannesberg mit feurigem Scheine umgab. 12
180
Bericht des preußischen ,,Staatsanzeigers"
Uebrigens ist ein tolleres Geſchüßfeuer in keinem der neueren Kriege unterhalten worden.
Die Bravour
unserer Leute war eine heldenmüthige.
Troß einem
Marsche, der um 3 Uhr Morgens begonnen, troß dem Umstande, daß es keinem Bataillon möglich geweſen, abzukochen, hungernd und durſtend, war jeder Mangel vergessen , als sie in's Feuer kamen ; unbefümmert um das wüthende , um ſie her einschlagende Geschüßfeuer , gingen sie , meist mit klingendem Spiele , drauf und nahmen die formidabelſten Höhen.
Und als der Kampf schwieg , als wie-
derum keine Aussicht auf irgend welche Nahrung war , bezogen sie siegesfreudig, nachdem sie neunzehn Stunden marſchirt und gekämpft , ihre Bivouacs auf dem Schlachtfelde um Problus .
Hier lagen sie während der Nacht ohne jede Ver-
pflegung, sogar ohne Waſſer, nur gekräftigt durch das Bewußtsein des großen Sieges." Bielen unseren Lesern dürfte es erwünscht sein , auch den amtlichen Bericht des preußischen „ Staatsanzeigers " kennen zu lernen und wir laſſen denselben hier folgen , da er doch geeignet ist das Gesammtbild dieser Schlacht zu vervollständigen. " Der Erfolg vom 3. Juli war das Ergebniß der glücklich ausgeführten Vereinigung von drei bis dahin getrennten preußischen Heeren auf dem Schlachtfelde selbst, und die Tapferkeit der Truppen steigerte den Erfolg zum vollſtändigen Siege.
· Die österreichische Heeresmacht stand in Böhmen auf der inneren Operationslinie zwischen der Mark und Schlesien . militärisch in der Abwehr.
Preußen befand sich politisch wie
Die Vertheidigung jener Provinzen fonnte nicht von
einem Punkt aus bewirkt werden.
Die Eisenbahnen aus dem Westen , Norden
und Osten der Monarchie enden an der Landesgrenze bei Halle, Torgau, Görliz und Schweidniß.
Die weitere Vereinigung von dort aus lag nach vorn , also
auf feindlichem Gebiet, und war nur durch die Offenſive zu erreichen.
Desterreich
hatte die Initiative der Rüstungen ergriffen , Preußen erfaßte die des Handelns. Das Einrücken in Sachsen hatte nicht sowohl die Besißnahme des Königreiche zum Zweck, als den strategischen Aufmarsch der Elbarmee und der ersten Armee auf der Linie Dresden-Baugen. dehnung von 25 bis auf 7 Meilen.
Er verkürzte die anfängliche Frontaus-
Für die weitere Vereinigung aller Streit-
fräfte war die Gegend von Gitschin im nördlichen Böhmen als Sammelplag bezeichnet worden.
Um dahin zu gelangen , lag der schlesischen Armee ob , An-
gesichts der versammelten feindlichen Hauptmacht aus dem Gebirge zu debouchiren .
181
über die Schlacht bei Königgrät.
Diese schwierige Aufgabe löste der Kronprinz von Preußen in wiederholten und ernsten Gefechten.
Die Standhaftigkeit , mit welcher das 5. Armeecorps unter
General von Steinmez während drei Tagen
alle
Angriffe des
überlegenen
Gegners abſchlug , gewährte den Gardecorps die Möglichkeit eines glänzenden Erfolges und degagirte das 1. Corps aus den Engpäſſen. Während so die schlesische Armee von Glaß und Landshut her , sich bei Königinhof an der oberen Hälfte concentrirte, war Prinz Friedrich Karl ihr mit der ersten und der zweiten Elbarmee , denen niedere Streitkräfte entgegenſtanden, noch über den verabredeten Sammelpunkt hinaus bis Horziz entgegengerückt. Er hatte dabei die siegreichen Postengefechte von Podol , Turnau , Münchengräß und Gitschin gehabt.
Die strategische Verbindung war somit hergestellt und wenn
das taktische Zuſammenwirken richtig combinirt wurde, so mußte es zu der Umfassung des Gegners in der Schlacht führen. Man vermuthete das österreichisch-sächsische Heer in einer Position : die Elbe vor der Front , die Festungen Josephstadt und Königgräß auf den Flügeln. Diese Stellung war überaus stark , indeſſen ſtand die ſchleſiſche Armee in ihrer rechten Flanke.
Ein unmittelbares Heranziehen jener Armee nach Horziz lag
daher nicht in der Absicht.
Am 2. Juli Abends nach 11 Uhr ging bei dem
Obercommando die Nachricht ein , daß die feindliche Armee über die Elbe vorgegangen sei und in bedeutender Stärke den Abschnitt der Bistriß besezt habe. Der Entschluß , mit allen Kräften dort anzugreifen , wurde sogleich gefaßt.
Um
12 Uhr gingen die betreffenden Befehle ab , um 4 Uhr früh des 3. Juli waren ſie in Händen des Armeecommandos und um 7 Uhr befanden sich alle Corps auf dem Marsch.
Die erste Armee stand dem Feinde zunächst.
Von derselben
ging die Division Franſecky von Cerekwiz gegen Benatek und die Diviſion Horn auf der Chaussee gegen Sadowa vor.
Das zweite Corps blieb auf dem rechten
Flügel der Division Horn, das dritte Corps dahinter in Reserve.
Als die Tête
der Division Horn sich gegen 8 Uhr Morgens Sadowa näherte , fielen gegen dieselben einige Kanonenschüsse. Zu dieser Zeit traf Se. Majestät der König auf der Höhe bei Dub ein und unternahm sofort eine Recognoscirung der feindlichen Aufstellung , während die Avantgarden-Batterien der Diviſion Horn und das 2. Corps ihr Feuer eröffneten.
Die Recognoscirung ergab, daß der Feind die Dörfer und Wälder an
der Bistriz besezt und
des Baches Stellung genommen hatte.
Kräften und in welcher Weise blieb indessen unbekannt.
Mit welchen
Der Nebel , der hin
182
Bericht des preußischen „ Staatsanzeigers"
und wieder durch Regen unterbrochen wurde, behinderte die Fernsicht. Man vermochte nur aus dem an verschiedenen
Punkten
eröffneten Artilleriefeuer zu
schließen, daß mehrere feindliche Batterien in Thätigkeit gekommen waren.
Jen-
seits der Bistriz steigt das Terrain an und ist von stärkeren wie von schwächeren Mulden derartig durchschnitten , daß es die in denselben stehenden Truppen der Einsicht wie der Feuerwirkung des Gegners entzieht.
Die Höhen bieten günstige
Artillerieſtellungen und eignen sich vortrefflich zur Infanterie-Vertheidigung.
Die
Dörfer sind zum Theil maſſiv , zum Theil von Fachwerk gebaut , die Wälder bieten gute Stügpunkte. Um an diese von Natur ſehr ſtarke Stellung zu gelangen, muß man den Bistrißbach überschreiten , der ein entschiedenes militärisches Hinderniß bildet und nur mittels Brücken zu passiren ist. Den höchsten Punkt bildet die Höhe , auf welchem das Dorf Chlum liegt.
Sie dominirt das anliegende
Terrain nach allen Seiten. In dieser Stellung entwickelte der Feind immermehr Artillerie.
Da man
preußischerſeits , troßdem der Nebel nachgelassen hatte, der Terrainfalten wegen die Aufstellung der feindlichen Infanterie nicht bemerken konnte , so kam es darauf an, den Feind zur Entwickelung seiner Kräfte zu zwingen .
Zu diesem
Zweck ertheilte Se. Majestät um 9 Uhr an die erste Armee den Befehl , die Bistriß zu überschreiten .
Die Division Horn ging gegen das Wäldchen von
Sadowa vor , rechts von ihr das zweite Corps , links in der Richtung auf Benatek die Division Fransecky . Es entbrannte auf der ganzen Linie ein hartnäckiger Infanteriekampf, indem es sich um den Besiß der von den Oesterreichern beseßten Wälder handelte. Man erkannte bald , daß man es mit sehr bedeutenden Kräften des Feindes zu thun habe, der die Stellung zur Vertheidigung künstlich verſtärkt hatte.
Die
Distancen waren von demselben markirt , die Wälder verhauen , und Schüßengräben wie Epaulements für die Batterien hergestellt.
Unter diesen Umständen
das Centrum des Feindes unter großen Opfern zu durchbrechen, konnte nicht die Absicht sein.
Es kam vielmehr darauf an, hier ein hinhaltendes Gefecht zu
führen , bis der Kronprinz und General von Herwarth einzugreifen im Stande Se. Majestät befahl demgemäß , daß der Kampf in der Front hauptsächlich durch Artillerie geführt werde , während der General von Herwarth die Bistriz bei Nechaniß überschreiten sollte.
Das Eingreifen der 2. Armee konnte
man vor 11 Uhr nicht erwarten. Während von der ersten Armee rechts und links der Chaussee zwischen
183
über die Schlacht bei Königgrät .
Benatek und Tresowig
gekämpft wurde ,
stellte
die Avantgarde der Elbarmee
unter dem Schuß der Artillerie auf dem diesseitigen Ufer die Brücke über die Bistriß her und begann den Bach zu überschreiten.
Das Dorf Lubno und die
Höhe wurde von denselben befest. Die Sachsen entwickelten dagegen ihre Artillerie in guter Stellung.
Um
dieselbe zu delogiren, wurde die Diviſion Canstein auf Hradeck dirigirt. Von hier ſollte sie gegen den linken Flügel in Prim vorrücken.
Zur Unterſtüßung dieſes
Angriffes ging die Diviſion Münster gegen Problus vor. verblieb noch in Reserve. Prim
gekämpft wurde,
Die Diviſion Eyel
Während hier um den Besitz der Dörfer Problus und behaupteten die Divisionen Fransecky und Horn ihre
Stellung im Wäldchen standhaft, wenn auch unter sehr großem Verluste.
Die
5. und 6. Diviſion, sowie eine Diviſion des Cavalerie-Corps und die ReserveArtillerie verblieben noch immer verfügbar in Reserve. Die Armee des Kronprinzen hatte den Marsch in der Weise angetreten, daß das 1. Corps gefolgt von der Cavalerie-Division von Ober-Praußnig östlich 'Miletin auf Groß-Burgliz , die Garde von Königinhof auf Jercirk und Lhota, das 6. Corps, nach Detachirung einer Brigade gegen Josephstadt , von Gradlig auf Hustinow und Neckasow und das 5. Corps in Reserve auf Ghoteborek vorging.
Im Allgemeinen nahm man die Direction auf Horenowes .
Um 11 Uhr
15 Minuten traf die Tête des Garde- Corps auf der Höhe von Choteboref ein. Aus
dem Geschüßfeuer des Feindes konnte man
seinem rechten Flügel bei Horenowes stand. zweiten Armee.
erkennen ,
daß derselbe mit
Gegen denselben traf der Stoß der
Oesterreichiſcher Seits hatte man eine ſehr ausgedehnte Stellung
hinter der Bistrit mit der ganzen Armee genommen.
In dieser Linie standen
5 Corps und die Sachsen , während zwei Corps , nämlich das erste und 6., in Reserve bei Rosberig à cheval der Chauſſee von Sadowa nach Königgräß verblieben .
So weit es sich durch österreichische Gefangene feststellen ließ , ſtand
rechts und links der Chauſſee bei Sadowa das 4. Corps rechts von demselben bis Horenowes das 3. und 2. Corps links von demselben, nach Nechaniß das 8. und 10. Corps und die Sachsen.
Das preußische Garde-Corps entwickelte sich sofort und zog seine ganze Artillerie vor.
Diese wurde von 4 Batterien des 6. Corps unterstüßt, hinter
welchem 17 Bataillone zum Gefecht auseinander gezogen wurden. Das 1 Corps war noch zurück und konnte noch nicht in die erste Linie einrücken . die Bestimmung,
Es hatte
die Verbindung zwischen der 1. und 2. Armee herzustellen.
184
Bericht des preußischen ,,Staatsanzeigers"
Das 5. Corps sollte in Reserve verbleiben. ſeine Stellung zu verändern. ersten Armee beschoß ,
Dieses Vorrücken zwang den Feind,
Die Artillerie , welche den linken Flügel der
gab die innegehabte Position auf und stellte sich auf
die Höhen östlich Horenowes , von wo sie 11 Uhr 40 M. das Feuer gegen die Garde und das 6. Corps begann. Inzwischen gelang es der Division Franſecky , nach blutigem Kampf das Wäldchen bei Maslowed gegen bedeutende Ueberlegenheit in Besiß zu nehmen.
Hierdurch wurde es möglich, um halb 1 Uhr die Reserve-
Artillerie der 1. Armee zwischen Sadowa und Maslowed zu entwickeln ,
nach-
dem die Artillerie des 2. Corps bei Dohalicka bereits wirksam war. Man kann annehmen , daß preußischerseits um 1 Uhr Mittags ungefähr 500 Geschüße in Thätigkeit waren , und daß der Gegner mindestens die gleiche Zahl in seiner verschanzten Stellung entwickelt hatte. Während des Artilleriekampfes blieb die Colonne der Armee des Kronprinzen im Avanciren und bald nach 1 Uhr begann die österreichische Artillerie die Stellung von Horenowes zu verlassen.
Die Infanterie der Garde und das
6. Corps griffen nunmehr die Dörfer Maslowed und Cistowes an und nahmen dieselben nach_hartnäckiger Gegenwehr.
Wiederholte Versuche der Oesterreichen , das verlorene Terrain zurück zu gewinnen, scheiterten an der festen Haltung der preußischen Ulanen. Der Kampf
185
über die Schlacht bei Königgrät.
wurde hier immer lebhafter und entscheidender. schanzten und besezten Höhe vor Chlum.
Man näherte sich der stark ver-
Während die Infanterie , unterſtüßt
von der Armee , gegen diese Stellung vorgeführt wurde, kämpfte man in der Front noch immer um den Besit des Wäldchens von Sadowa , in der linken Flanke aber um die Dörfer Problus und Ober-Prim . wurde benachrichtigt ,
General von Herwarth
daß der Kronprinz den Desterreichern
den Rückzug
auf
Josephstadt verlegt habe, und es nun darauf ankäme, den linken feindlichen Flügel zu umfaſſen . Sobald die Avantgarde des 1. Corps zwischen der Armee des Kronprinzen und der des Prinzen Friedrich Karl eingetroffen war , wurde sie zur Unterſtügung des Garde-Corps gegen Chlum vorgeführt und die Höhe troß der tapfersten Gegenwehr genommen . entscheidend.
stügpunkt der Stellung. der Front.
Dieser Erfolg war für den Ausgang der Schlacht
Mit der Höhe von Chlum verloren die Desterreicher ihren HauptDas Feuer der Oesterreicher erlosch mehr und mehr in
Se. Majestät der König ging an der Spize der Reserve-Cavalerie
der 1. Armee zwiſchen Sadowa und Maslowed in der Richtung auf Streſelig zur Verfolgung vor.
Es war einhalb 4 Uhr.
Dieses Vorgehen war das Signal für die allgemeine Verfolgung , welche in der Front hauptsächlich von der 5. und 6. Diviſion geführt wurde. Auf dem rechten Flügel waren inzwiſchen von der 14. und 15. Diviſion , wie einer Brigade der 16. Diviſion die Dörfer Problus, Prim und Charbuſiß genommen, ſo daß die dort befindliche Diviſion des Cavalerie - Corps in der Richtung auf Streselig zur Verfolgung vorgehen konnte. ſuchte über Königgräß zu entkommen . tung auf Pardubiß.
Die
österreichisch- sächsische Armee
Ein Theil der Cavalerie nahm die Rich-
Seßten auch einzelne Abtheilungen derselben an günſtigen
Terrainabſchnitten den verfolgenden Truppen zeitweisen Widerstand entgegen , so war doch die tactische Ordnung der österreichischen Armee vollständig gebrochen und die Verfolgung wurde bis zum Einbruch der Dunkelheit fortgeseßt.
174
Geschüße , etwa 18,000 Gefangene , und 11 Fahnen fielen in die Hände der Preußen. Oesterreichischer
Seits wird der Gesammtverlust auf 40,000 Mann be-
rechnet, während derselbe preußischer Seits die Zahl von 15,000 nicht übersteigt. Eine derartige Niederlage hatte die österreichische Armee bisher nie erlitten. Noch in den nächsten Tagen war es ihr nicht möglich, die Ordnung herzustellen. Stehen gebliebene Geſchüße und Wagen, weggeworfene Gewehre , Tornister und
186
Bericht Benedeks an Kaiser Franz Joseph.
Säbel, vor allem die große Zahl der eingebrachten Gefangenen zeugten von vollständiger Auflösung der Armee. “ Für die Desterreicher war der 3. Juli ein Unglückstag erster Classe, denn die Nordarmee war so total geschlagen und durch ihr Mißgeschick so sehr unfähig geworden, dem Feinde möglicherweise mit Erfolg die Stirne zu bieten, daß Erzherzog Albrecht, der bei Eustozza die Italiener geschlagen, die Führung der Nordarmee übernehmen sollte , bei deren Inspicirung er den Ausspruch abgab : mit dieser Armee getraue er sich keinen Sieg zu erkämpfen .
Ja , Benedeks Armee
war moralisch geschlagen und Soldaten, welchen der moralische Muth , das Vertrauen, Sieg zu erringen , gebricht, ſind nicht fähig , dem Feinde irgend einen Widerstand zu leisten .
Erst jezt nach dieser furchtbaren Niederlage zerstiebte jene
fast an's Lächerliche streifende Verſion , der sich an Benedeks Unüberwindlichkeit fest Glaubende mit wunderbarer Ausdauer hingegeben hatten.
Nach dieser Ver-
ſion wären die Ereignisse auf dem Kriegsschauplage, wie sie bisher auf einander folgten, in dem österreichischen Feldzugplane berechnet gewesen , um eine Schlacht auf dem Terrain vorzubereiten , wo sie soeben geschlagen worden war, weil Benedef den geschwächten Feind in der günstigen Stellung bei Königgräß zu erdrücken gedenke.
Es gehört gewiß mehr als Schwäche des Denkvermögens da-
zu , um sich dem Glauben hingeben zu können , Benedek habe absichtlich seine Truppen erst schlagen lassen, um mit den geschlagenen Truppen dann einen glänzenden Sieg zu erfechten.
Für unser Jahrhundert paßt solcher , gelinde gesagt,
Aberglaube schlecht und straft sich selbst. Feldmarschall Benedek berichtete an Kaiser Franz Joseph Folgendes : „Hohenmauth , 4. Juli 3 Uhr Morgens. Nach mehr als fünfstündigem Gefechte der ganzen Armee und der Sachsen in theilweiſe verſchanzter Stellung von Königgräg , mit dem Centrum in Leipa. gelang es den Feinden, sich unbemerkt in Chlum festzusehen.
Das Regenwetter
hielt den Pulverdampf am Boden, so daß er eine bestimmte Aussicht unmöglich machte.
Hierdurch gelang es dem Gegner , bei Chlum in unsere Stellung vor-
zudringen.
Plöglich und unvermuthet in Flanke und Rücken heftig beschossen,
wankten die nächsten Truppen und ungeachtet aller Anstrengung konnte es nicht gelingen , dem Rückzuge Einhalt zu thun.
Derselbe ging Abends langsam vor
sich, nahm jedoch an Eile zu , je mehr der Feind drängte , bis sich Alles über die Kriegsbrücken der Elbe, sowie nach Pardubig zurückzog. nicht zu übersehen, ist aber gewiß ſehr bedeutend .“
Der Verlust ist noch
187
Schlacht bei Königgrätz (Sadowa).
In der That hatte Benedek auch Ursache, von großem Verluste zu sprechen, denn die von den Preußen gemachten Gefangenen mehrten sich stündlich, ſo daß schon am Abende des nächsten Tages deren Zahl 22,000 war . Der eilige Rückzug der Oesterreicher ,
oder besser gesagt , deren Flucht,
hatte den Preußen eine keineswegs angenehme Aufgabe hinterlaſſen, nämlich die Abräumung der Schlachtfelder , weil derjenige , der im Besiz desselben geblieben. ist, sich dieser Arbeit unterziehen muß .
Die zu Tausenden auf dem Schlachtfeld
gefundenen österreichischen Tornister wurden , nachdem sie ihres Inhalts entleert waren, auf Haufen zusammengeschichtet und verbrannt, alle Gewehre und sonstige Armaturſtücke indeß auf Wagen geladen und über die Grenze nach Schlesien gebracht.
Das Schweidniger Landwehr-Bataillon sammelte alle Zündnadelgewehre
und da es ſelbſt nur mit Gewehren anderer Art ausgerüstet war, armirte es ſich mit den gefundenen, denn der preußische Verlust an Todten und Schwerverwundeten war ein sehr bedeutender.
Die Desterreicher hatten sich wie die Löwen ge-
ſchlagen , das wurde von den Preußen allgemein anerkannt, sowie
daß einige
österreichische Generale nicht so ihre Pflicht erfüllt hatten, wie sie es wohl hätten. thun sollen. Bis 10 Uhr des Morgens war das Schlachtenglück den Oesterreichern günstig gewesen, nach dieser Stunde drangen die Preußen so unaufhaltſam vorwärts, daß die Gegner weichen mußten und von dem Momente an famen sie auch zu feinem Vortheil mehr.
Die Hauptaction war zwischen Sadowa und
Horris (auch Horsig geschrieben), und erst gegen 2 Uhr entwickelte sich der Kampf zwischen Nechaniß ,
Sadowa und Libſchan .
Um und zwischen diesen genannten
Ortschaften boten die Felder einen Grausen erregenden Anblick.
Das kleine Dörf-
chen Sadowa bildet ungefähr den halben Weg zwischen Horsiz und Königgräg. Horsig liegt nördlich und abwärts von dieſem Orte liegt Nechaniß an der Biſtrig und Liebschan an der Straße nach Königgräß.
In dieser Richtung bewegte sich
der Rückzug der Oesterreicher . Nach der bis zur Schlacht von Königgräß angefertigten Liſte für die auszuzahlende Löhnung war die Ziffer der österreichischen Nordarmee 287,656 Mann, nach der Schlacht von Königgräß ſoll ſie bis 180,000 Mann herabgeſunken ſein. Dieser Verlust scheint fast unglaublich und wird es noch mehr, wenn die Angaben von sonst gut unterrichteten Wiener Blättern Wahrheit sein sollten, nämlich daß nur noch 150,000 Mann übrig geblieben seien.
Sagte doch die Wiener „ Preſſe“ ,
daß diese Schlacht in Bezug auf die tragische Größe des Ereigniſſes
ſich nur
188
Schlacht bei Königgräß (Sadowa).
mit dem Uebergange der französischen Armee über die Beresina vergleichen lasse.“ Erklärlich wird der ungeheure Verlust der Nordarmee durch die Zerstiebung derselben, denn die Fliehenden zerstreuten sich in verſchiedene Richtungen . Von Wien aus wurde der Minister Graf Mensdorff-Pouilly zur Nordarmee geschickt , um ſich mit eigenen Augen von deren traurigem Zuſtande zu überzeugen. Minister war über den Ort , wo sich Benedeks Hauptquartier befand ,
Dieser eben so
unwiſſend, wie man es darüber in Wien war, er mußte es erst suchen . Zu Tausenden ertranken die sich flüchtenden Soldaten der Nordarmee in der Elbe und wer glücklich über diese gekommen war, der fand in den mit Waſſer hochgefüllten Gräben der Festung Königgräß noch vielleicht seinen Tod. In den der Schlacht folgenden Tagen war die Zahl der in der Hand der Preußen befindlichen Gefangenen auf 35,000 Mann gestiegen, die der erbeuteten Geſchüße vermehrte ſich ebenfalls mit jedem Tage , so daß bald 180 zuſammengebracht waren.
Der Verlust so vieler Geſchüße konnte nicht allein das Ergeb-
niß der preußischen Tapferkeit sein, sondern mußte einer Ursache entſtammen, die für jeden Unkundigen so lange ein Räthsel bleibt, bis es ihm von mit Geſchüßwesen vertrauten Leuten gelöst wird .
Die Wiener „ Militär-Zeitung " fand die
Erklärung dieses so seltsamen und auffälligen Umstandes für nothwendig und wir glauben uns verpflichtet, dieselbe dem Leser mitzutheilen.
Sie lautet : „In der Schlacht von Königgräß hatten wir (die Oesterreicher) die Geschüße auf dem Hange einer Anhöhe in drei Reihen hinter-, oder beſſer gesagt, übereinander postirt, und konnten, des abhängigen Terrains wegen , die Prozen (zweirädrige Vordergestelle) nicht verbunden werden.
Obschon dieses Verbinden
unerläßlich ist , wenn einerseits das rechtzeitige Abfahren der Geſchüße bei Bedrohung des Gegners erleichtert, andererseits das Ausharren der Artilleristen im feindlichen Feuer, bis zum legten Momente des Kampfes, ohne einen Verlust der Geschüße beſorgen zu dürfen , ermöglicht werden soll , so
würden eben in jener
Aufstellung bei der Geſchüßbedienung, d . h . das Laden , Richten , Feuern , Vorwärtseinführen, nach dem jedesmal abgefeuerten Schuſſe, ſchnelles Umwenden der Proßen und deren rasches Fahren, vor dem allenfallſigen Rückzug , von den, von den Geschüßen entfernt aufgestellten Prozen sehr erschwert und gehemmt geweſen sein.
In der Aufstellung der Geschüße bei Königgräß fonnte , wie gesagt , das
Geſchüßtau in den eisernen Ring an der Proze (Dofe genannt) nicht eingehängt werden.
Troßdem harrte die Bedienungsmannschaft so lange aus , bis die stür-
189
Schlachtscenen.
menden Truppen eindrangen , und so wird der namhafte Verlust an Geſchüßen flar , wozu noch jene kommen , welche beim Rückzug über die Elbe aus dem ſumpfigen Uferboden nicht weiter fortgeschafft werden konnten.
So beklagens-
werth diese Verluste auch sein mögen , so werfen sie nichtsdestoweniger auf die heroische Bedienung während des Kampfes und die von der Mannschaft an den Tag gelegte ruhige , faltblütige und zähe Ausdauer ein glänzendes Licht, zumal da es bei der Terrainbeſchaffenheit, der heldenmüthigen Ausdauer und dem heftigen Andringen des Feindes unmöglich war, die nöthige Zeit im Moment des angetretenen Rückzuges zu gewinnen, um mit den Proßen zweimal wenden und das gelöste Tau in dieselben einkerbeln zu können. " Zu den besonders wichtigen Trophäen gehören 11 österreichiſche Fahnen, die das Berliner Zeughaus schmücken werden .
Unter den Gefangenen befanden
sich die Fürsten Lichtenstein und Windischgräß, drei Erzherzöge waren verwundet worden, der Corpscommandant Feſtetits hatte ein Bein verloren, ein zweiter Corpscommandant einen Kopfschuß
davon getragen , Oberſt Binder und ein anderer
Stabschef und eine bedeutende Zahl österreichischer Offiziere aller Grade deckten das Schlachtfeld mit ihren Leichen.
Glücklich die , welche sofort getödtet waren .
An denkwürdigen Einzelnheiten , welche gewiß für alle die, welche deren Augenzeugen waren, unvergeßlich für die ganze Lebensdauer bleiben werden , ist diese Schlacht eine wahre Fundgrube und wir wollen dieſen Abſchnitt mit Erzählung einiger dieser Scenen schließen. In dieser Schlacht stürmte eine Compagnie des ersten Garderegiments gegen
eine österreichische Batterie an , welche vor dem Dorfe Chlum, und mit
Granaten meisterhaft schoß.
Die Desterreicher hatten erwartet , die Compagnie
werde mit geschlossenen Gliedern anrücken und wahrscheinlich wäre dann kaum ein Mann übrig geblieben.
Aber plößlich löste die Compagnie ihre Glieder in
eine lange Kette von Tiralleurs auf, dieſe ging muthig auf die Batterie los und gab dann einige Minuten lang Schnellfeuer aus dem Zündnadelgewehre, wobei jeder Schuß scharf gezielt wurde.
Die Batterie gab nur noch einmal Feuer,
dann stand nicht ein Mann , nicht ein Pferd mehr von derselben , Alles war niedergeschmettert.
Nur ein einziger Oesterreicher war noch übrig und dieser ein-
zige Mann war so muthig, daß er noch ganz allein ein Geschüß weiter bediente, und noch einmal einen Granatschuß abfeuerte, der leider einem preußischen Offiziere die Schulter fortriß.
Gleich nach diesem Schuß siel auch dieser tapfere
Oesterreicher, wie ein Sieb von preußischen Kugeln durchlöchert.
190
Tod des General Hiller von Gärtringen.
Der General Hiller von Gärtringen ritt auf die betreffende Com pagnie des ersten Garderegiments zu , indem er ihr Glück zu ihrer Tapferkeit wünschte und die von ihr genommene österreichische Batterie als ihr Eigenthum proclamirte. Gleich darauf riß eine österreichische Granate General nieder.
aber den wackeren
An seiner Leiche weinten der König von Preußen und die Prinzen seines königlichen Hauses aufrichtige Thränen des Schmerzes , tenn in dem Gefallenen
ST
W.
hatten sie ein treues, ihnen und seinem Vaterlande unwandelbar ergebenes Herz verloren und die Trauer , welche die Insassen seines Herrensizes in der Nähe Laubans an den Tag legten, war eine wirklich von Herzen kommende , denn er war ihnen jederzeit ein milder und freundlicher Herr gewesen. Ueber die österreichische Infanterie sind merkwürdiger Weise alle preußische Berichterstatter in ihrem Urtheile einig gewesen , indem sie nichts zu ihrem Lobe sagten, manche dieser Berichte sogar Aeußerungen enthielten, die keineswegs zum Ruhme derselben beitrugen.
Ein ganz gleiches Urtheil traf die österreichische Ga-
valerie , man bezeichnete sie als bedeutungslos , da sie nie zu einer Verfolgung
191
Armeebefehl König Wilhelms.
der Preußen kamen und weil ein Angriff von Seiten der Cavalerie gegenüber einem mit Zündnadelgewehren bewaffneten preußischen Corps als ein Ding der Unmöglichkeit sich erwies .
Durch die Kugeln dieser Schußwaffe werden die
Pferde förmlich niedergemäht , kehren auch in vielen Fällen , wenn sie sich verwundet fühlen, um , laufen in die Infanterie hinein und richten unter ihr arge Verwüstungen an.
Bekanntlich ist jedes von Furcht und Schreck ergriffene Pferd
wie völlig blind und läßt ſich ſchwer beruhigen. gegen ist von allen Berichterstattern als
Die österreichiſche Artillerie da-
eine ausgezeichnete Truppe geschildert
worden, wenngleich in allen Referaten der Umstand hervorgehoben ist, daß die österreichische Artillerie sich des Vortheils , die Beseßung der Höhen für sich gehabt zu haben, nicht unerwähnt gelaſſen wurde und die Preußen die allerdings sehr mißliche Aufgabe hatten, diese im wahren Sinne des Wortes feuerspcienden Höhen ohne sehr gedeckt zu sein , stürmen zu müssen.
Daher sind die meisten
Verwundungen der preußischen Soldaten, namentlich der Offiziere, durch Artilleric, durch Granatsplitter verursacht worden. Am nächsten Tage erließ König Wilhelm folgenden Armeebefehl : Soldaten Meiner in Böhmen verjaminelten Armee! Eine Reihe blutiger und ruhmreicher Gefechte hat die rechtzeitige Vereinigung unserer sämmtlichen Streitkräfte in Böhmen möglich gemacht. Aus den Mir vorliegenden Berichten ersebe Jch , daß dieses Resultat durch die sichere Führung Meiner Generäle und durch die Hingebung und Tapferfeit sämmtlicher Truppen erreicht worden ist. Unmittelbar darauf hat die Armee frog aller Anstrengungen und Entbehrungen der vorhergehenden Tage unter Meiner Führung den Feind in einer festen Stellung bei Königgräs energisch angegriffen, die gut vertheidigte Position nach hartem Kampfe genommen, und
einen glorreichen
Sieg erkämpft.
Viele
Trophäen ,
über
hundert eroberte Kanonen, Tausende von Gefangenen, geben auf's Neue Zeugniß von der Tapferkeit und Hingebung, in welcher alle Waffen mit einander gewetteifert haben.
Der Tag von Königgräß hat schwere Opfer gefordert,
aber er ist ein Ehrentag für die ganze Armee , mit Stolz und Bewunderung blickt.
Ich weiß ,
auf welche das Vaterland Ihr werdet auch ferner
Meinen Erwartungen entsprechen , denn preußische Truppen wußten stets mit dem Heldenmuth diejenige Mannszucht zu vereinigen, ohne welche große Erfolge nicht erkämpft werden können.
Hauptquartier Horsiz, den 4. Juli 1866. Wilhelm ."
192
Brief eines preußischen Militärs.
Es ist hier die Bemerkung anzuführen , daß man im genannten Hauptquartiere am Tage nach der Schlacht noch nicht die ganze Zahl der erbeuteten Kanonen und der gefangenen Desterreicher kannte , denn erst einige Tage später ließ sich darüber eher etwas Bestimmtes aussprechen. Wir schließen diesen Abschnitt mit folgendem Briefe eines gebildeten preuBischen Militärs : Horsiz, 3. Juli.
Noch höre ich den Donner der Geschüße, noch
summt mir das Krattern des Gewehrfeuers , das Wirbeln der Trommeln, das Schmettern der Trompeten in den Ohren. Es war eine furchtbare Schlacht, die wir geschlagen und gewonnen haben.
Heute früh schon um 5 Uhr
Morgens begann die Blutarbeit , und noch jezt am Abend ist der Kampf immer noch nicht beendet, die Verfolgung des Feindes hat noch nicht aufgehört.
Der Kanonendonner ist zwar schwächer geworden, aber ab und zu
www.
fällt noch ein Kanonenschuß und unterbricht die fürchterliche, Stille , die au dem Schlachtfelde herrscht.
Ich schreibe diese Zeilen auf dem erbeuteten
Tornister eines gefallenen Desterreichers , dem ein Vierpfünder beide Beine
193
Brief eines preußischen Militärs.
weggerissen hat.
Ein schrecklicher Anblick !
Neben mir, vor mir und hinter mir
liegen die zerrissenen Körper meiner Kameraden und der Oesterreicher.
Hier liegt
ein Arm , dort ein Bein , eine dicke Blutmasse bedeckt den Boden, das Getreide ist zerstampft und in den Gräben liegt Leiche an Leiche , diese von einer Kugel durchbohrt, jene hat noch ein Bajonnett im Leibe stecken. entseglicher Anblick.
Es ist ein schrecklicher,
Ab und zu wird die schauerliche Stille durch ein leises
Wimmern oder durch herzergreifenden Ruf "Wasser! Wasser!" unterbrochen. Die blutige Schlacht bei Königgräß wurde von der 7. Diviſion der erſten (Kronprinz) Armee bei Sadowa aufgenommen .
Die Oesterreicher waren mit ihren sämmt-
lichen Armeecorps engagirt und mit zahlreichem Geschüß versehen , welches namentlich zu beiden Seiten auf der Straße nach Königgräß Das Feuer der Oesterreicher war entseßlich.
aufgeflanzt war.
Ein wahrer Feuerregen überschüttete
die 7. Division, die lange Zeit der ganzen feindlichen Armee die Spize bot. Die ehernen Feuerschlünde spieen ihre Verderben bringenden Blize auf unsere braven Truppen ,
auf Wälder und Dörfer aus ,
die alsbald in Flammen aufgingen.
Die Luft dröhnte ordentlich von dem Donner der Geschüße , von den Knattern des Gewehrfeuers und dem Wirbeln der Trommeln wieder. Dichte Pulverdampfwolfen umlagerten den Horizont und ließen kaum die Freunde von dem Feinde unterscheiden.
Längere Zeit näherten sich die Desterreicher wieder Horsiß ;
Kampf schwankte långer im Centrum und auf dem rechten Flügel. der Kronprinz mit frischen Truppen. wir in's Gefecht.
der
Da erſchien
Bataillonsweise , unter Hurrahruf eilten
Die Desterreicher wurden auf dem rechten Flügel angegriffen.
Nach einigen furchtbar Verderben bringenden Gewehrſalven wurde zum Bajonnett gegriffen , die Garde-Füßiliere und die Grenadiere des ersten Garde-Regiments gingen zuerst in's Feuer. Dorfe Lipa inne.
Der Feind hatte eine feste Position in und bei dem
Dieſe Poſition mußte genommen werden.
Es war ein ent-
ſeßlicher Kampf; dreimal griffen wir an, dreimal stürmten wir, und noch hatten wir nichts gewonnen.
Da hieß es noch einmal : Vorwärts, über die blutenden
und zuckenden Körper der Kameraden fort!
Wir wurden mit Kartätschen be-
schossen , ein wahrer Höllenregen war es, in den wir uns stürzten , aber wir wankten nicht.
Lipa brannte ; wir stürmten hinein in die brennenden und Blige
speienden Gassen des Dorses.
Ein schauerliches Handgemenge, ein Kampf Mann
gegen Mann, wie es nicht toller bei Zorndorf und Kunersdorf sein konnte , entspann sich. Wie gemäht stürzten die Deſterreicher, ganze Reihen von ihnen lagen blutend und zuckend am Boden. Kriegsereignisse.
Der Sieg neigte sich auf unsere Seite, Garde13
194
Brief eines preußischen Militärs.
reserven erschienen und verjagten vollends den Feind, der seine Waffen fortwarf und in schmählicher Flucht retirirte.
Wir nahmen viele Kanonen , die Garde
allein etwa fünfzig Stück und mehrere Fahnen. erstürmt werden .
Die lezte Batterie mußte noch
Wir hielten zweimal das Kartätschenfeuer aus.
Uns brachte
dasselbe wenig Verlust, da wir uns niederwarfen, dann aber drangen wir in die Geschüßlinie und schlugen die Artilleristen mit den Kolben nieder. um Pardon bat, wurde niedergeschossen
oder niedergeschlagen.
Was nicht
Aber auch so
Mancher ſank von uns. Die österreichischen Artilleristen hieben mit ihren Wischern mit heldenmüthiger Todesverachtung
um sich und schlugen manchen
braven
Kameraden zu Boden. Jezt ergaben sich die Oesterreicher haufenweiſe ; sie warfen die Waffen fort und baten um Pardon.
Unsere Gewehre und Kanonen hatten
den Feind furchtbar mitgenommen ; an mehreren Plägen lagen manchmal vierzig bis fünfzig auf einen Haufen , während die Verwundeten flehendlich ihre Hände ausstreckten und uns mit herzdurchdringender Stimme baten, ſie von ihren Leiden zu befreien und sie todtzustechen.
Ach , ein schrecklicher Anblick !
ich diese Stunden wieder vergessen .
Niemals werde
Es ist auch für den stärksten Menschen, für
das härteste Gemüth entseglich , eine lange Stunde ein Schlachtfeld zu ſehen, Freund und Feind mit gräßlichen Wunden bedeckt und entstellt niedersinken zu sehen.
Mehrere meiner Freunde sind gefallen.
Ueber 4000 Gefangene wurden
bereits im Laufe des Nachmittags an uns vorüber geführt. ist besäet mit Todten und Verwundeten . wir zu machen ,
um
Das Schlachtfeld
Uebermenschliche Anstrengungen haben
die zerriſſenen Körper der stillen Erde zu
übergeben.
Schmerzliche Opfer haben wir gehabt, faſt ſämmtliche Offiziere von unserem Bataillon sind gefallen. Wohl ſehr natürlich, da wir es zuerst mit einer gewaltigen Uebermacht zu thun, und von zwei Seiten Granaten- und Kartätschenfeuer auszuhalten hatten.
Als sich unser Bataillon , nachdem der Feind geflohen, geſam-
melt hatte, stimmten wir, wie unsere Väter und Vorfahren bei Leuthen, das Lied an: „Nun danket Alle Gott. "
Der Gesang war ergreifend und manche Thräne
floß in den Bart des Kriegers und manchen ſtillen Gruß ſandte er der Heimath zu.
Wunder und Tapferkeit sind von einzelnen Leuten verrichtet ,
doch spare
ich mir dies für ein andermal auf, denn ich bin müde und möchte nach den Anstrengungen des Tages einmal schlafen.M “ US H IS EU IT M BR
195
Einzelnheiten während und nach der Königgräßer Schlacht. Königgräß , ein Hügelplateau krönend , taucht aus der Pardubizer Ebene auf als eine die Fläche weit hin beherrschende Stadt.
Schon in uralter Heiden-
zeit hat hier ein zahlreich bewohnter Ort gestanden, wenigstens zeigen die Funde, welche man bei
Anlegung der Festungswerke machte : zahlreiche Aſchenkrüge,
Todtengebeine, Metallschmucksachen , Gögenbilder, Waffen u . s. w. für dieſe Annahme.
Es giebt außer Prag in Böhmen wenig Städte, die in der Geschichte
des Landes so viel genannt werden wie Königgräs. Der Umstand , daß in dieser steinarmen Gegend die Gebäude sämmtlich aus Ziegeln aufgeführt werden mußten , wie man noch heutigen Tages an der Domkirche sieht , gab der Stadt, die Gräß an der Elbe genannt wurde , welcher Name aus dem slawischen Aradec oder Gradec abgeleitet war , auch den Beinamen Rothgräß, Ziegelgräß.
Der Name Königinnengräß trat an Stelle dieser
Bezeichnungen , nachdem die Wittwe König Rudolfs 1. (1307) und die Karls IV. hier Residenz nahmen .
Beide hohe Frauen hießen Elisabeth und da es viel
Unzuträglichkeiten veranlaßt haben würde, die Stadt als Wittwenresidenz Eliſabeth der ersten oder Elisabeth der zweiten zu benennen , so fand man den vernünftigen Ausweg, sie kurzweg Königinnengräß zu heißen, damit war der Nagel für alle Zeit auf den Kopf getroffen.
Dadurch , daß die Stadt eine wenn
auch kleine königliche Residenz geworden war, bekam sie viele Rechte und Freiheiten und sie wuchs bedeutend an Einwohnerzahl , denn hier gab's viel Gewerbetrieb, was dadurch bezeugt wird, daß diese Wittwen-Residenz vor der HuſFitenzeit schon 47 Brauereien zählte. Das Bürgerthum von Königinnengräß erstarkte unter den zahlreichen Begünstigungen und Vorrechten, die der Stadt zu Theil geworden waren, ganz besonders, und daher kam es , daß diese Stadt fast an allen böhmischen Händeln und Kämpfen , und deren gab es nicht wenige , sich betheiligte. Der dreißigjährige und der siebenjährige Krieg brachten Königgräß man hatte im Verlaufe der Zeit den Namen dergestalt verkürzt, mundrechter gemacht — in ſchweres Leid und in der Zeit von 1766 bis 1789 ward sie in eine Festung umgewandelt.
Der Bahnhof ist ein kleines halbes Stündchen von Stadt und Festung
entfernt.
Die Sümpfe , welche ehedem sich hier befanden , sind meiſt in üppige 18
196
Die Stadt Königgräß.
Wiesenkessel verwandelt, zwischen denen Dämme mit hübschen Alleen angenehme Spaziergänge bieten . An der Südwestseite der Stadt fließen die Elbe und Adler zusammen.
Die Festung nimmt das Plateau eines etwa 25 Klaftern hoch auf-
steigenden Hügels ein, um deſſen Fuß sich die eigentlichen Festungsgebäude und Festungswerke ausbreiten.
Die Vertheidigung wird durch den Wasserreichthum
erleichtert, denn mit Hilfe von Schleußen und anderen Vorrichtungen wird die nächste Umgebung unter Waſſer gesezt. Die Stadt selbst ist freundlich und hat eine Anzahl hübscher Gebäude. Als historische Denkwürdigkeit dürfte es anzusehen sein, daß die Leiche des blinden Ziska, des Huſſitenführers , anfänglich in der auf dem höchsten Punkte von Königgräß gelegenen Kathedralkirche zum heiligen Geiſt begraben worden war , bis man dieselbe aus welchem Grunde ist unbekannt nach Czaslau in die dortige Pfarrkirche überführte.
Die Einwohnerzahl zählt über 5000, die Häuſer-
zahl dürfte sich an drittehalb hundert belaufen. Diejenigen Orte, welche bezüglich der Schlacht vom 3. Juli viel genannt worden sind, wie Horsiz (Horig) , Nechaniz , Sadowa und andere , ſind nur wenige Meilen von der Stadt entfernt, Horsig 3 Meilen, Sadowa ¼ Meilen, Nechaniz 2 Meilen, Chlumez 3 und eine halbe Meile, Cerekwig 2 und eine halbe Meile, Nedelischt 1 Meile.
Kaffeetrinkern wird eine Reise in dieser Gegend , so
reizend sie auch iſt, denn das Elbland bis gegen Skaliz hin wird gemeinhin „die goldene Ruthe (zlatá zila) " wegen seiner großen Fruchtbarkeit bezeichnet, sehr wenig behagen, weil hier das richtige Cichorien-Paradies und von einem unverfälschten Mocca keine Rede ist.
Zwiſchen Königgräß und Plotitsch (Dorf) giebt
es ausgedehnte Cichorienplantagen und in der ganzen Gegend von Königinhof, Jaromer, Kuflena u. s. w. sind die Cichorienfabriken in ziemlicher Anzahl vorhanden. Um die Schilderung der Umgegend von Königgräß , welches der Schauplaß der Kämpfe des preußischen Heeres gegen die Nordarmee geworden, zu vervollständigen, müssen wir der Festung Josephstadt , Jaromer , Kukus , Hermaniß und Königinhof erwähnen.
Die von Königgräß nach Josephstadt führende
Eisenbahn zieht sich durch die schon erwähnte „ goldene Ruthe “ hin, der Reiſende fährt wie durch einen Garten.
Hat der Zug die dritte Station erreicht, befindet
sich der Reisende schon auf dem Josephstädter Gebiet , von wo aus die Festung eine starke Viertelstunde entfernt iſt.
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Josephstadt und Jaromer.
Josephstadt ist ein Kind des vorigen Jahrhunderts.
Als Friedrich der
Große 1778 (der einjährige Krieg) zum legtenmale in Böhmen und zwar aus dem Glaziſchen über Nachod (auf demselben Wege, den in dieſem jeßigen Kriege die Armee des Kronprinzen von Preußen verfolgt hat) eingebrochen war, drängte die Nothwendigkeit in dieser dem Nachoder Passe so nahen Gegend eine Festung anzulegen.
Man rasirte das am Einflusse der Aupa und der Mettau stehende
Dorf Ples und erbaute daselbst Josephstadt , welches
anfänglich den Namen
Ples führte, der dann dem Kaiser Joseph 11. zu Ehren in Josephstadt verwandelt wurde.
Die Festungswerke erstrecken sich über das rechte Ufer der Elbe und der
Mettau, ſodaß diese beiden Flüſſe, die sich im Rayon der Festung befinden, nördlich derselben sich vereinigen , innerhalb der Festung fließen und für den Festungsbedarf sorgende Mühlen treiben.
Die Festung hat drei Thore, das Königgräger,
Jaromerer und das Neustädter, außerdem mehrere Ausfallpforten.
Die maſſen-
haften Festungswälle bergen Caſematten zur Aufbewahrung von Sträflingen. Die Straßen sind breit und gepflastert, die bürgerliche Bevölkerung beträgt 2550 Einwohner . Kaum ein halbes Stündchen entfernt liegt das Städtchen Jaromer , mit dem Josephstadt bis zum Jahre 1833 gewissermaßen eine Stadt bildete, da die Civilbevölkerung von Joſephſtadt dem Magistrat von Jaromer unterſtand . Verhältniß engster Zusammengehörigkeit ist aufgehoben.
Dies
Von Jaromer läßt ſich
nicht viel weiter sagen , als daß es eine Stadt ist , welche , obwohl sie eigentlich nur aus einer einzigen langgestreckten Gaſſe und zwei Thoren beſteht , doch viel Schlimmes in früheren Jahrhunderten erfahren hat.
Der Getreide- , Obſt- und
Grünzeughandel wird in Jaromer sehr stark betrieben, denn von hieraus verſorgt sich ein großer Theil der Gebirgsgegend , an deren Schwelie sich Jaromer besindet, mit diesen unentbehrlichen Bedürfnissen.
Auch spannt sich über die Elbe,
soviel uns bekannt, die erste der Kettenbrücken aus, die dieser Strom von seinem Ursprung im Riesengebirge bis hier über sich sieht. Diese Kettenbrücke ist 140 Fuß lang und 18 Fuß breit. Königinhof, Hermanig und Kukus finden in dem Kriegstrauerspiele , das in Nordböhmen seine blutigen Acte aller Welt zum Staunen aufführte , öftere Erwähnung , und wir geben dem Leser daher eine kurze Schilderung derselben. Auf dem Josephstädter Bahnhof zweigen sich zwei Eisenbahnen ab, die eine nordwärts der Elbe entgegen, die andere in weiteren Bogen sich ostwärts dem Aupathale entlang (nach Skaliz und Kostelez) zu ziehend .
Die der Elbe entgegen
198
Hermanis und Kulus.
sich streckende Bahn führt nach Hermaniß.
Das ist ein kleines unscheinbares
Dörfchen, von höchstens 40 bis 50 Häusern , dessen Kirchthurm zwischen lichten Baumgruppen von rechts herüber nach der Bahn schaut, die hier von den Wine dungen der Elbe links abgewichen ist.
Dieses unbedeutende Dörfchen hat jedoch
einen geschichtlichen Ruhm , denn hier verbrachte der größte kaiserliche Kriegsfürst (außer Prinz Eugen von Savoyen, der jedoch Pimontese war) Wallenstein seine Kindheitsjahre.
Von dem Schloſſe ſeiner Eltern , das sich hier befand, iſt keine
Spur mehr vorhanden, ein Bauernhaus steht an deſſen Stelle.
Zu Ende vori-
gen Jahrhunderts ward nämlich das bescheidene, nur als Ruinen noch bestehende, Herren- und Elternhaus Wallensteins abgetragen , man brauchte in dieser steinarmen Gegend zum Bau von Joſephstadt Bausteine, welche gut bezahlt wurden. Der Bauer, dem der Steinklumpen von Ruine gehörte, kümmerte sich nicht um die historische Bedeutung des verfallenen Baues, er machte ein sehr einträgliches Geschäft mit diesem Uebereſte aus verklungenen Tagen und das war maßgebend genug für ihn. Die nächste Station Kufus ist ein Dorf, das im vollsten Sinne des Wortes ein Spital , ein Hospiz, genannt werden kann , denn seine Bevölkerung besteht aus barmherzigen Brüdern , Bauersleuten.
armen Spitaliſten , Kranken und wenigen
Das Bad und Stift Kukus verdankt ſein Dasein einem im vori-
gen Jahrhunderte lebenden böhmischen Tavalier, dem Grafen Spork, der zugleich unter die wenigen Sterblichen gehörte, die mit ungeheuerem Vermögen begabt sind und dies , wenn auch auf extravagante , aber für Kunst, Wiſſenſchaft und namentlich für
Menschenwohl fördernde Weise verwenden.
Dieses
Mannes
Ansehen und Reichthum war so groß , daß Kaiser Karl VI., August der Starke und König Friedrich Wilhelm 1. von Preußen den von ihm bei Gelegenheit einer Jagd , zu der der Kaiser ihn nach Brandeis eingeladen hatte, 'gestifteten Sanct Hubertus-Jagdorden trugen.
So ist denn das von diesem Nabob unter den
böhmischen Cavalieren gestiftete Kukus bis heutigen Tages ein Ort für arme Kranke, die daselbst eine gute Verflegung finden, geblieben.
Ein beſſeres Grab-
monument hätte sich dieser Trösus nicht zu sezen vermögen und hätte er die kostbarsten Bauten ausgeführt. Das Hospiz zu Kukus ist ein lebendig bleibender Segenswunsch für den lange dahin geschiedenen Stifter desselben. Immer herrlicher präsentirt sich die Gegend , aus des Elbthales saftigen Garten und Wiesengründen tritt Königinhof und eine Menge Dörfer dem sich
199
Königinhof.
umſchauenden Blicke entgegen und außer den Naturreizen üben hier kriegshiſtorische Erinnerungen auf den Fremden ihre Anziehungskraft.
Für die Preußen
mußte das hiesige Terrain besonders intereſſant ſein, denn Friedrich des Großen Heer lagerte im Jahre 1778 , als er über Nachod in Böhmen eingebrochen , bei Wölsdorf zwischen Kukus und dem Bokauscher Walde.
Auf der das Elbthal
beherrschenden Hügelkette, wo jezt die Locomotive wie im Fluge hinbraust, hatte der österreichische Feldmarschall Lascy 300 Kanonen aufgestellt.
um die preu-
ßische Armee vom weiteren Vorrücken abzuhalten und heutzutage noch sollen sich die Spuren der damals aufgeworfenen Wälle und Graben im Walde erkennen laſſen. Königinhof zählt in 600 und einigen ſiebenzig Häusern ohngefähr ſechstehalbtausend Einwohner , die sich viel mit Baumwollenweberei beschäftigen.
In
früherer Zeit haben Kriege und Feuersbrünste das Möglichste gethan, den Wohlstand des Ortes zu schädigen.
Die Tuchmacher und Pfefferküchler von Königin-
hof waren ehemals stark im Rufe , jezt sind diese beiden Gewerbe hier dem Erlöschen nahe.
Der Name Königinhof stammt aus gleicher Duelle wie der
Königingräs (Königgräß).
Wenzels 11. Wittwe , die den Ort , welcher , ehemals
nur den Namen „Hof“ führend, ihr als Leibgedinge gehörte, mit Mauern, Thürmen und Wällen umgeben ließ, erlebte die Freude, daß deſſen dankbaren Bewohner ihre Stadt „Königinhof“ von der Zeit an benannten , welcher Name denn auch geblieben ist.
Ein Denkmal aber besigt das sonst nicht viel bedeutende Königinhof
denn doch auch und zwar eins, was der neuesten Zeit angehört und ein schönes Zeugniß von der Liebe der Königinhofer zu ihrer Vaterſtadt giebt. Am 29. September 1857 wurde unter großer Feierlichkeit auf dortigem Marktplaß eine in Ueberlebensgröße aus Horfizer
Sandstein von dem jungen
Königinhofer Bildhauer Franz Wagner gehauene Figur auf einem aus demſelben Material bestehenden Felsen stehend ,
aufgestellt.
Dies
Denkmal
heißt
der
„Zaboj “ , und es knüpft sich folgender Vorfall daran : Am 16. September 1817 entdeckte nämlich ein junger Gelehrter , ein Bauersohn aus dem nur wenige Stunden entfernten Dorfe Horenioves , als er in der sehr alten Dechanteikirche in einem Gewölbe des Kirchthurmes unter dem Chore nach alten daselbst aufbewahrten Denkwürdigkeiten umherſtöberte, ein Bündel hussitischer Pfeile, die er betrachtete und als er sie wieder auf das Gerümpel an ihren alten Plaz zurücklegen wollte, bemerkte er mit Erstaunen , daß ſie auf einer Schicht beſchriebener Pergamentblätter gelegen hatten.
Wenzel Hanka, ſo
200
Gradlitz und Skalių.
hieß der junge Gelehrte, zog dieſe Blätter hervor und suchte ſie zu entziffern und siehe da, die Mühe belohnte sich. Er hatte das Bruchstück einer alten Liedersammlung aus dem 9. bis 13. Jahrhundert gefunden , von welcher Niemand Ahnung gehabt hatte.
eine
Unter dem Namen, die „ Königinhofer Handſchrift “, machte
dieſer literarische Fund in den gelehrten Kreiſen ungemeines Aufſehen , in zahlreichen Auflagen verbreitet , mehrfach in's Deutſche und außerdem noch in 13 andere Sprachen überseßt , erregte dies Bruchstück einer Liedersammlung aus so lange vergangenen Jahrhunderten ſelbſt Göthe's Aufmerksamkeit.
Die Bewohner
von Königinhof ſich nicht wenig geſchmeichelt fühlend , daß, ſo zu sagen, der Name ihrer Stadt in allen Städten Europas und somit in allen Kreiſen hochgebildeter Männer dieses Welttheiles genannt wurde, beschlossen in ihrem Patriotismus den Ruhm ihrer Stadt durch ein Denkmal zu verewigen. Zum Gegenstand dieſes Denkmals wählten sie eine Gestalt aus der genannten Liedersammlung , eines Helden und Sängers zugleich, mit Namen „ Zaboj “ , der in der Heidenzeit seine Stammesgenossen durch Lied und That aneiferte, die Herrschaft der Fremden, die ihre alten Götter zu stürzen ſuchten, zu brechen.
Der Vers
„ Auf den Felsen tritt der starke Zaboj “ ist durch die auf einen Felsen kühn herausfordernde herkulische Gestalt Zaboj's versinnbildlicht worden. Das in den von der zweiten oder kronprinzlichen Armee veröffentlichten Schlachtberichten genannte Gradlig ist ein Marktflecken mit einer Burgruine, der sich am linken Elbufer an der Lehne der waldgekrönten Höhen befindet , die sich terrassenförmig scheinbar über einander thürmen. Böhmischen Hradist , verdeutſcht : Burgstätte.
Ursprünglich heißt Gradlig im
Diese einſt ſtolze , jezt verfallene
Burg hat viele Schicksale erlebt , ihre Erbauer sollen die Tempelherren geweſen sein, was beinahe von allen Schlössern und Burgen Böhmens erzählt wird. Das durch die daselbst von dem preußischen General von Steinmez den Desterreichern gelieferte siegreiche Schlacht bekannt gewordene Skaliz ist eine Landſtadt , die durch ihre Georginenzucht weithin im böhmischen Lande und in
dem nahen
preußischen Schlesien sich einen Ruhm errungen hat. Wir endigen diese in möglichster Kürze zusammengedrängte Schilderung der durch die Kriegsereignisse namhaft gewordenen Orte mit einer Angabe der Entfernungen einiger derselben von Jaromer und Josephſtadt aus .
Von Jaro-
mer bis Sfalig 12 Meilen, bis Nachod 2½ Meilen, nach Trautenau 4 Meilen . Von Josephstadt nach Reinerz (preußischer Badeort in der Grafschaft Glag)
201
Benedet's gesunkener Ruhm.
4 und eine halbe Meile , nach dem gleichfalls im Glaßischen gelegenen Bade Cudowa , 1 und eine halbe Stunde hinter Nachod gelegen , 3 und eine halbe Meile.
Nach Hermanis, Kukus, Königinhof führt Eisenbahn . Wenden wir uns nun der großen, im Gesammtbilde dem Leser vorgeführ-
ten Catastrophe von Königgräß zu. Der Eindruck dieses gleichsam aus dem Gebiete des unmöglich Scheinenden in die Wirklichkeit hinein fallenden Ereignisses war für die gesammte österreichische Monarchie ein Entsezen erregendes.
Man hätte gern daran gezweifelt,
aber die Bestätigung der schrecklichen Wahrheit ließ sich nicht wegzweifeln. Kaiſer Franz Joseph soll bei der ihm von der Niederlage der Nordarmee gemachten Meldung ohnmächtig geworden sein. Das ist nicht sehr zu verwundern . Der Umschwung von der aus Ueberschäßung seiner eigenen Kraft hervorgegangenen Siegesgewißheit zu dem in circa sieben Tagen erfolgenden Zusammensturz derſelben war zu groß, der Bruch aller Hoffnungen von zu übermächtiger Wirkung, als daß der Eindruck solches Unglücks nicht eine Ohnmacht veranlaſſen könnte. Armer Benedek! wie schnell wandelte sich das felsenfeste Vertrauen zu Dir um, als man in der Reichshauptstadt erkannte, daß Dein Siegeszug nach Berlin nur ein schöner, aber überaus flüchtig verrauschter Traum gewesen sei! Diese Entnüchterung von verfrühtem Jubel theilte sich mit Sturmeseile allen Schichten der Bevölkerung mit. Du erlebtest das Schicksal der alten Götter, die, wenn sie die Wünsche der zu ihnen Flehenden und auf sie Hoffenden nicht erfüllten, weil sie als selbstgefertigte Holz oder Thonbilder dies nicht konnten, von den ärgerlichen Gläubigen bespöttelt und beschimpft wurde.
Jezt wußten die
früher ein viel höheres als das bekannte trojanische Pferd reitenden österreichischen Zeitungen sofort eine Menge Dinge über den Mangel Benedek's an Strategie und sein Haschen nach Popularität zu erzählen , „Kreuzige ihn
daß man recht derb an das
freuzige ihn ! " erinnert wurde .
Und doch beruhte das Unglück , das dieſen ſonſt ſo wackeren General getroffen hat, nur in dem traurigen Umstande, daß man , anstatt ihm einen rüſtigen, thätigen Offizier an die Seite zu geben , den Generallieutenant von Henikſtein , einen nervösen und reizbaren Mann , zum Chef seines Stabes gemacht hatte.
Diesem Generalstabschef und dem Chef der Militärcanzlei , Baron von
Krizmaniß , wirft man vor , daß sie es unterließen , die Befehlshaber der verschiedenen Armeecorps mit der erforderlichen Weisung zur vortheilhaften Cooperation mit einander zu versehen.
Benedek traf die Beschuldigung , daß er seine
202
Unfähigkeit der österreichischen Tommandeurs.
Truppen zu oft ohne Noth dem verheerenden Feuer des Zündnalgewehres ausgesezt habe.
Graf Clam Gallas der Befehlshaber des 1. Armeecorps hatte, wie
sich herausstellte, den rechten Flügel der preußischen ersten Armee (Prinz Friedrich Karls) angegriffen, statt sich, wie ihn befohlen, streng in der Defenſive zu halten. Der allgemeine Unmuthsausdruck über die Kopflosigkeit der drei genannten Generäle konnte nur dadurch beschwichtigt werden , daß man sie vor eine kriegsgerichtliche Untersuchung zu Neustadt bei Wien brachte.
Das ungarische
Blatt „ Pesti Naplo “ sprach sich sehr scharf über dieſe drei Verhafteten aus.
In
dem sie betreffenden Artikel war Folgendes zu lesen: „Im Grafen Clam Gallas sehen wir das non plus ultra der Unfähigkeit eines Heerführers.
Wenn man einst
die Geschichte dieses kurzen ,
aber denk-
würdigen Krieges schreiben wird , so wird die Welt staunend sehen , wie das Clam Gallas'sche 1. Armeecorps zwecklos kreuz und queer zog , wie es dort erſchien , wohin es Niemand beordert hatte , dagegen sich vergebens da erwarten ließ , wo man seiner dringend bedurft hätte.
Die obſchwebende Unterſuchung
wird dem Geſchichtsschreiber intereſſantes und authentisches Material liefern, welches darthun wird , daß Clam Gallas fein Verräther war , aber von Armeeführung keinen Begriff hatte.
Henikstein und Krizmaniz waren die Chefs
des Generalstabs des Hauptquartieres , respective der Operationscanzlei. ſind rechtſchaffene Menschen mit nicht geringen theoretischen Kenntniſſen ;
Beide aber
einen Feldzug hat noch keiner von beiden geleitet, und von den practiſchen Anforderungen einer solchen Stellung haben sie, wie die Erfahrung zeigt , keine Ahnung.
Zum Beweiſe deſſen führen wir blos eine Thatsache an.
Die erſte
Aufgabe des Chefs des Generalstabes ist es , für die Sicherheit des Hauptquartieres Sorge zu tragen ; denn wenn dem Hauptquartier ein Unglück widerfährt, so verliert die Armee buchstäblich den Kopf.
Selbst diese Elementar-Regel ver-
gaßen aber diese Herren so sehr, daß während der Entscheidungsschlacht die Preußen für einen Moment das Hauptquartier ſelbſt von rückwärts bombardirten ; ja man nennt selbst den Namen eines Adjutanten Benedek's (Graf Grünne), der bei diesem Anlaſſe ſeinen Tod
gefunden , so daß das Hauptquartier ſich
kopfüber retten und die Armee wenigstens für einige Zeit ohne Führung laſſen mußte. " Der Wunsch , daß die Untersuchung der drei Generäle eine öffentliche ſei, wurde, so gerecht er auch gewiß Jedem erscheinen mag , nicht beachtet , obwohl dieser Wunsch sehr, sehr laut ausgesprochen
und auch von den Zeitungen ener-
Die Sünden des Grafen Clam Gallas .
203
gisch als eine zu fordern könnende Gerechtigkeit verlangt wurde, der „ Wanderer“ ließ sich also vernehmen :
„ Sollte es sich , was noch durchaus nicht bewiesen,
herausstellen, daß Graf Clam Gallas, Baron Henifstein und General Krizmaniz wirklich nicht blos unglücklich , sondern auch schuldig sind , daß das Vaterland dieſe Männer für den Verlust jener Legionen , welche die Tage von Skalig, Trautenau und Königgräß gekostet haben , verantwortlich machen kann , dann mag die gerechte Strafe ſie treffen , wo nicht — nicht. Aber öffentlich soll die Verhandlung sein, nicht zwischen vier Mauern, sondern im Angesicht von Himmel und Erde, vor ganz Europa soll es entschieden werden , wer die Schuld trägt, daß die größte Armee , die Oesterreich jemals hatte , vernichtet ist und daß das Reich heute blutend und zerschmettert zu Boden liegt. "
Nun , zur öffentlichen
Untersuchung kam es nicht, das war vorauszusehen . Wie übel die Herren Corpsführer ihre Soldaten geführt haben , das war allein aus den lezteren laut und offen ausgesprochenen Zornäußerungen über deren schlechte Vorsorge und wahrhaft empörende Art der Führung zu vernehmen. Diesen einstimmigen Aussagen über einzelne Vorkommnisse zufolge ist zu zweifeln, daß z . B. Graf Clam Gallas ganz bei Sinnen gewesen sein kann oder vielmehr seine Sinne in einem Ausnahmszustand versezt gewesen sein müſſen. Seine Soldaten hatten seit 3 Tagen nichts gegessen , seine Dispositionen z B. bei Gitschin sollen vollkommen unſinnig gewesen sein.
Die meisten Bataillone
wurden, wahrscheinlich ohne genügende Zahl Patronen, zur Schlachtbank geführt und ganze Regimenter im ärgsten Kugelregen ohne alles andere Commando als hier und dort stehen zu bleiben , gelaſſen, ſodaß natürlich der Feind ganze Reihen und Glieder niederstreckte.
Das Regiment Khevenhüller wurde in einen Sumpf
dirigirt, in dem
es bis auf wenige Ueberbleibsel wehr- und hilfslos nieder-
geschossen wurde.
Das 18. Jägerbataillon schoß mehrere Stunden lang auf das
Regiment „ König von Preußen “, bis es bei Tagesanbruch des Irrthums gewahr wurde.
Sein Oberst wurde , als er voll Unmuths darüber seinen Säbel zer-
brechen wollte , von einer Kanonenkugel getroffen .
Ein Theil des Regimentes
Gyulai gerieth in einen Teich und Alle, bis auf den Fahnenträger Kopanißſch, dem auch die Fahne zu retten gelang , ertranfen oder wurden von den Preußen erschossen.
Daß
österreichische Bataillone
und
Abtheilungen stundenlang
in
Thälern und Schluchten aufgestellt , dem Feuer der die Höhen besezt haltenden Preußen ausgesezt blieben, wird von mehreren Orten erzählt. Die ſchauderhafteſten Dinge aber werden von dem linken Flügel der Desterreicher in der Schlacht
204
Vergleiche mit früher Geschehenem.
bei Königgräß erzählt , der umflügelt und vom Centrum durch das Eindringen des Feindes abgeschnitten war , ohne daß Clam Gallas , sein Commandant sich veranlaßt fand, davon dem Centrum Nachricht zu geben. Das Folgende dürfte als Beleg
was für militärische Sündenböcke in
neuer Form im österreichischen Heere zum Verluste großer Schlachten beigetragen haben, dem Leser nicht unintereſſant erscheinen. Eine Nummer der „" Neuen Preußischen Zeitung " vom Jahre 1859 brachte in einem Artikel mit der Ueberschrift " Magenta und Solferino “ Folgendes : Die „ Times " schreiben :
„ Es war am Morgen der Schlacht von Ma-
genta, als der österreichische General Clam Gallas mit einem Theil seines Corps Stand zu halten hatte.
Er schickte einen Adjutanten an den Oberbefehlshaber
Grafen Gyulai, damit ihn dieser ohne Verzug Verstärkung zusende.
Der Adju-
tant legte den zehn englische Meilen langen Weg in wenig mehr denn zwanzig Minuten zurück und erhielt vom Grafen Gyulai folgenden characteristischen Beſcheid :
„Ich werde mich unverzüglich zur Tafel begeben und dann die nöthigen Ordres ertheilen. Und à propos ! Sie müssen auch zu Mittag essen. " Der Graf setzte sich ruhig an die Tafel und durfte Clam Gallas nach der verlorenen
Schlacht, als er von Gyulai die Weiſung erhielt, ſein Corps zur Wiederaufnahme der Schlacht bereit zu halten, den Ausruf thun : „ Sagen Sie Sr. Excellenz, daß ich überglücklich sein werde , die Muskete zu erfaſſen , um mich mit der übrigen Armee zu schlagen , wenn sie gesammelt werden kann , daß aber mein eigenes Corps nicht in der Verfaſſung iſt, irgend etwas zu leiſten. “
" Wie ganz anders hätte es kommen müſſen, wenn Clam Gallas rechtzeitig unterſtügt worden wäre !
Im Jahre 1848 war Venedig für Oesterreich verloren
gegangen, weil der commandirende General ſein Soupee nicht missen wollte, und im Jahre 1859 wird eine Provinz einem Diner zu Liebe verloren.
Graf Gy-
ulai mußte abtreten und hatte den moralischen Muth , als Oberst zu ſeinem Regimente zurückzukehren .
Anfangs war er gebeugt , aber man bemerkte , daß er
nach der Schlacht von Solferino sich wieder aufrichtete. lag noch schwer auf der Armee.
Der Gyulaische Alp
Aber er tröstete sich mit dem Gedanken , daß
Heß (Feldmarschalllieutenant) die Sache nicht besser gemacht hatte.
Ein Rückblick
auf Solferino fan: für Jeden, der Interesse an dem militärischen Ruhme Desterreichs hat , nur ein sehr schmerzlicher sein .
Es ist überflüßig , wieder darauf zu-
rüď zu kommen , daß die Oesterreicher die Schlacht in den aller ungünſtigſten Stellungen anzunehmen gezwungen wurden.
Es wirkten noch andere Momente
205
Berhaftung der Generäle Clam Gallas. Henifstein und Krizmaniş.
mit.
Magenta ging durch die Unfähigkeit des Obercommandanten verloren, bei
Solferino fehlte jedes oberste Commando , jeder General that so ziemlich, was ihm in den Sinn kam , und ein ganz besonderes Unglück war es ,
daß gerade
dem bei Magenta so arg mitgenommenen Clam Gallas'schen Corps vor allen anderen die Aufgabe zufiel, jene Position zu halten, deren Vertheidigung die größte Energie und Entschlossenheit erheischte. Hier zeigte es sich, daß Graf Clam Gallas wieder nicht der rechte Mann war. Ein General mag persönlich noch so tapfer ſein, aber wenn er nicht weiß, wo seine Reserven stehen , verdient er gewiß mehr als gewöhnlichen Tadel ; das war leider bei Graf Clam Gallas bei Solferino der Fall.
Es wurde eine kost-
bare Zeit vergeudet , bis seine aus 6 Batterien bestehende Reserve aufgefunden werden konnte, die eine deutsche Meile entfernt von dem Punkte (bei Volta) stand, wo sie hätte ſtehen sollen.
Und als sie endlich ausfindig gemacht wurde , hatten
die Franzosen Solferino bereits beseßt.
Nicht genug an dem, war auch General Zedwiß mit 15,000 Mann und 36 Geschüßen unbegreiflicher Weise in Goito stehen geblieben und hatte dadurch alle Anstrengungen des österreichischen linken Flügels paralyſirt (gelähmt) .
Ver-
gebens wartete dieser linker Flügel auf die Artillerie und schwere Cavalerie.
Sie
erschien den ganzen Tag nicht. Mann?
Und wo ſtand Lichtenstein mit ſeinen 25,000
Ganz wie Zedwig , ohne sich zu nähern.
Nachträglich ist es für die
österreichische Armee ein karger Trost, daß Clam Gallas, Lichtenſtein und Zedwiß das Schicksal Gyulai's theilen mußten.
Wir fragen, ist das, was jezt 1866 ge-
ſchehen, nicht ein Abklatsch, eine genaue Copie von den Unfähigkeiten des Jahres 1859 ? Das Sprichwort, Zeit macht klug, scheint sich hier nicht bewährt zu haben, es sind diese sieben Jahre vielmehr für
den Betreffenden vielleicht die sieben
mageren Kühe in Pharao's Traum gewesen , welchen dereinst Joseph auslegte. Generalstabschef Feldmarschalllieutenant von Henikstein und der Souschef Generalmajor von Krizmaniß, nebst Graf Clam Gallas, wurden nach Wien beordert.
Jedenfalls ahnten sie , was ihrer daselbst wartete.
Auf dem Nordbahn-
hofe zu Wien angekommen. erwartete sie ein Offizier der Adjutantur , welcher jedem von ihnen ein versiegeltes Billet überreichte.
Graf Clam Gallas las den
Inhalt des seinen mit sichtbarer Erregung und sprach dann zu dem Offizier : „Ich stehe zur Verfügung “ .
(Siehe Illustration auf folgender Seite.)
Schwei-
gend folgten die beiden Generäle dem vom Grafen Clam Gallas ihnen gegebenen Beiſpiele, den zu ihrer Verhaftung geschickten Offizier, zu begleiten. Ueber
206
Clam Gallas.
den Feldmarschalllieutenant Henikstein verlautete, daß er sich eben nicht als ein Brunnen von Talent und Geschick in seinem Wirkungskreise in Italien bewiesen habe. Er ist ein Emporkömmling, ein getaufter Jude und man sieht es für eine Merkwürdigkeit an, daß er zu so hohem Posten gestiegen ist ; über das Wie und Wodurch ist bis jest Niemand klar geworden.
Das sind so hübsche Geheimniſſe,
welche auch so leicht Niemand durchschauen wird.
Der einzige historische Name unter diesen drei Verhafteten ist der des Grafen Clam Gallas. Diese Familie stammt ursprünglich aus Kärnthen und führte früher den Namen Perger von Höchenberg.
Aus Kärnthen im Jahre 1334 gewaltsam ver-
trieben, machte sie sich im Erzherzogthum Oesterreich seßhaft und erwarb 1524 das Schloß Clam, von dem sie den Namen annahm .
Die Clame verstanden sich
beliebt zu machen und so kam es , daß Kaiser Ferdinand 30jährigen Kriege in den Freiherrnstand erhob.
I. sie 1655 nach dem
Die verwittwete Gräfin Gallas,
mit deren Gemahl der Stamm der Gallas ausgestorben war , vererbte im Jahre 1759 die großen Gallas'schen Besizungen
(böhmische Herrschaften) Friedland,
Reichenberg, Grafenstein , Lämberg , Brodeß und Klepam an ihren Neffen, den
207
Clam Gallas.
Freiherrn Christian Philipp Clam unter der Bedingung, daß alle Mitglieder der Familie Clam den Namen und das Wappen Gallas den ihren hinzufügen sollten. Wo lebt der Sterbliche, der eine solche Bedingung nicht eingehen wollte und obwohl sich der nun von Maria Theresia wegen diesem ungeheueren Befisstand zum Grafen erhobene Christian Philipp erinnern konnte, daß die großen Gallas'ſchen Gütercomplexe dem im 30jährigen Kriege als kaiserlichen General bekannten Gallas als Lohn seiner Verrätherei am Herzog Wallenstein, zugefallen waren, so war doch diese Erbschaft zu angenehm, als sie sich verbittern zu laſſen durch den Gedanken , sie bestehe ursprünglich aus ungerechtem Gut.
Der jezt
in Rede stehende Clam Gallas , 61 Jahre alt, begleitet das Oberst-Erb-Landmarschallamt im Königreiche Böhmen und war Inhaber des 10. k. k UlanenRegimentes.
Ein prächtiger Pallast in Prag zeigt von seinem Reichthume.
Die kriegsgerichtliche Untersuchung fällte aber kein hartes Urtheil über ihn.
Er
ward in Disponiblität versezt, d . h. auf die höflichste Weise zum Rücktritt von der militärischen Laufbahn verwiesen . Erzürrnt verließ er auf kurze Zeit den seine Verdienste nicht anerkennenden Kaiserstaat und wendete sich nach Brüſſel, wo es sich für reiche Leute ganz gut lebt. Bei Herrn von Henikstein ſoll man Spuren von jeweiligem Irrsinn entdeckt haben, weswegen er natürlich als unverantwortlich jeder ihm zur Laſt gelegten Schuld gegenüber zu betrachten war und Herr von Krizmaniz hatte sich ebenfalls einer so milden Anschauung zu erfreuen.
Die Schlacht war ein-
mal verloren und was half da noch die Strafe der Schuldigen , die Todten wurden doch nicht wieder lebendig.
Wenden wir uns nun den siegenden Preußen zu . Das große königliche Hauptquartier würde in Horsiß (Horriz, Horrig) aufgeschlagen, der König machte einen Ritt über einen großen Theil des Schlachtfeldes.
Sein Gesicht deutete an , welche Empfindungen
Entseßens seine Seele durchzogen.
des Schauders
und
Gewiß , es giebt keinen schrecklicheren Anblick
als den eines Schlachtfeldes , nur entmenschte Krieger können dergleichen ohne Gefühl kaltherzig sehen , Alles rings umher ist Zerstörung , Tod und Elend und doch scheint in dieſem entseßlichen Chaos noch ein gewiſſer Rangſtreit zu herrschen, ein Anblick ist immer schrecklicher wie der andere.
Es war schon spät gegen
Abend, als mitten unter diesem Graus auch eine Scene frohen Wiederſehens stattfand.
Der König und der Kronprinz begegneten sich auf dem Schlachtfelde
ohne Verabredung.
208
Begegnung des Königs von Preußen mit dem Kronprinzen auf dem Schlachtfeld e.
M
Der Kronprinz war von dieser Ueberraschung sowie von der furchtbaren Umgebung, in welcher diese Begegnung stattfand , so sehr ergriffen, daß ihm die Thränen aus den Augen stürzten. pour le mérite (Verdienstorden) um .
Der königliche Vater hing ihm den Orden Als der König in seinem Hauptquartier
sich allein befand und die Nacht all' die Schrecken verhüllte, welche der vergangene Tag geboren hatte, mag wohl mancher Gedanke, von dem keine Spur zur Kenntniß nach Außen drang, ihn beschäftigt haben. feldes giebt zu denken.
Der Anblick eines Schlacht-
Eine solche Schau von Entseßlichem muß einem Erd-
beben zu vergleichen sein, das Berge und Thäler in ihrem Fundamente erschüttert, auch Herz und Geist des Menschen werden in ihren Tiefen von dergleichen Anblick aufgerüttelt . Aus einem Schreiben des Königs von Preußen an die Königin , datirt aus Horfiz vom 4. Juli, wurden folgende Säße veröffentlicht : „So concurrirte denn wieder die Infanterie bis zum Thalrande der Elbe, wo jenseit dieses Flusses noch sehr heftiges Granatfeuern erfolgte , in das ich auch gerieth , aus dem mich Bismarck ernstlich entfernte.
Ich ritt aber nun
noch immer umher, um noch ungesehene Truppen zu begrüßen , wo ich Mutius, Württemberg und Bonin auch traf. lich!
Alle diese Wiedersehen waren unbeschreib-
Steinmez und Herwarth fand ich nicht.
Wie sah das Schlachtfeld aus!
209
Brief des Königs von Preußen an die Königin.
Alles lag voller Gewehre, Tornister, Patrontaschen; wir rechnen bis heute 12,000 Gefangene ; hier befinden sich 50 gefangene Offiziere. . . Unser Verlust ist noch nicht ermittelt, er wird hoch sein.
Daß General Hiller von der Garde gefallen
ist, wirst Du schon wissen ; ein großer Verlust !
Anton Hohenzollern hat vier
Gewehrfugeln im Bein ! ich weiß nicht , wie es ihm heute geht. brav gewesen sein.
Er soll enorm
Erdkert ist schwer blessirt, ebenso Oberst Obernig am Kopf.
. . . Endlich begegnete ich noch spät , 8 Uhr, Friß mit seinem Stabe ! Welch' ein Moment nach allem Erlebten und am Abend dieses Tages ! Ich übergab ihm selbst den Orden pour le mérite , so daß ihm die Thränen herabſtürzten , denn er hatte mein Telegramm mit der Verleihung nicht erhalten ! Also völlige Ueberraschung!
Einstens Alles mündlich !
Erst um 11 Uhr war ich hier, ohne
Alles, sodaß ich auf einem Sopha campirte. - " Wer nur hatte flüchten können ,
der war mit den Seinen und dem
Wenigen seiner Habe , das fortzubringen ihm möglich erschien , entflohen , darum war die Gegend weit umher von Bewohnern entblößt, nur Diejenigen , die unmittelbar an die Scholle gebunden sich fühlten, wie Ortsbeamte, Kranke u. s. w. blieben zurück, weil ſie ſich dazu gezwungen sahen.
Daß in des Königs Haupt-
quartier zu Horiz , troßdem dies eine Stadt von 5000 Einwohnern ist und ein Schloß und Bezirksamt hat, in Friedenszeiten die Horizer Märkte und der durch ſie betriebene Handel den Ort sogar den Anstrich der Wohlhabenheit verleihen, ziemlich schlecht für die Bequemlichkeit gesorgt war, dürfte wohl aus des Königs eigenem Briefe hervorgehen, wo er von dem Sopha spricht, das ihm zum Nachtlager gedient hat.
Die Böhmen , vorzüglich die des nördlichen Theiles , dieſes
von Gott so reichgesegneten Landes, scheinen in jenen Schreckenstagen auf einer Völkerwanderung begriffen gewesen zu sein , was natürlich die Lebensmittelnoth den Preußen doppelt empfindlich machte , denn da schon die Soldaten der sächsischen Armee als Verbündete Oesterreichs bittern Hunger auszuhalten hatten , weil die Böhmen (Ausnahmen hat es freilich auch gegeben) keineswegs Freunde der Fremden sind , um wie viel mehr mußten die Preußen vom Hunger leiden , die mit wahrhaft fanatischem Hasse von den Landesbewohnern betrachtet wurden . Leider ist der Character des böhmischen Volkes kein freundlicher und die Corruption , welche überhaupt an den Schichten der Bevölkerung in den österreichischen Staaten gleich einem unheilbaren Krebsſchaden nagt , trägt unendlich dazu bei , die Verrottung und Verdummung stereotypen Wurzel des Uebels zu machen.
der großen Volksmaſſe zu einer
Wo feine Denk
und Geistesfreiheit 14
210
Böhmens Land und Leute.
ist, kann folgerecht auch keine Veredelung des eigenthümlich schon verſchloſſenen Volkscharacters stattfinden .
Ueber die Ursachen der üblen Znstände laſſen wir
Nachstehendes folgen :
" Stolze Schlösser reicher Mitglieder des hohen böhmischen Adels sieht man nur zu viele in Böhmen.
So sehr sie der Landschaft auch zum Schmucke
gereichen , so ist ihr Dasein doch bisher der Fluch des Landes gewesen .
Fast
aller Grundbesig war bisher in großen, untheilbaren Majoratsgütern in den Händen des hohen böhmischen Adels, der sich, einzelne Ausnahmen natürlich abgerechnet, durch alles Andere mehr, als durch Bildung , Humanität, Thätigkeit, Umſicht oder irgend wie andere geistige Begabung auszeichnete.
Ein wohlhabender eigener
Bauernstand und eine Menge freier , intelligenter kleiner Landwirthe , die allein einem Landbewohner gedeihlichen Wohlstand zu verschaffen vermögen, fehlten hier fast gänzlich.
Dazu herschte in ganz Böhmen bis zum Jahre 1849 das fluch-
würdige Rabot- Syſtem mit allen ſeinen scheußlichen Folgen in einem Umfange und wurde mit einer Härte ausgeführt ,
wie dies glücklicher Weise in ganz
Deutschland nirgends in der Art mehr geschah.
Die Folge davon war, daß
fast alle böhmischen Dörfer einen schmußigen, verfallenen , oft wirklich anwidernden Anblick gewähren und Armuth und Elend in Böhmen nur zu sehr zu Hause sind. Oft neben dem ſtolzen , mit Zinnen und Thürmen geschmückten Grafenoder Fürstenschlosse, von dem aus die mächtige Fahne mit dem Familienwappen hoch in den Lüften flattert, um die zeitweilige Anwesenheit des Beſizers zu verkünden, liegt eine Menge von hölzernen Kaluppen (so heißen in Böhmen diese Wohnungen) die wirklich oft mehr Schweineſtällen, als menschlichen Behausungen gleichen. Dieser materielle Druck und zugleich die geistige Unbildung, in der man das Landvolk absichtlich hielt, bewirkten auch, daß es selten eine stumpfere, ungebildetere, sitttlich verkommenere, von der friechendsten Unterwürfigkeit sogleich zur brutalſten Rohheit übergehendere Bevölkerung giebt, als dieſe böhmischen Bauern im Allgemeinen bilden.
Dabei erzeugten diese großen , schlecht bewirthschafteten Majorats-
güter in den Händen des hohen Adels noch einen zweiten großen Uebelstand. Nur in den allerseltensten Ausnahmefällen bekümmerten sich diese großen Grundbesizer selbst nur im allermindeſten um die Bewirthschaftung ihrer Herrſchaften, sondern überließen solche ihren Wirthschafts -Directoren, Intendanten, Forſtmeistern, kurz den großen Schaaren aller der zahllosen Beamten , welche unter den verschiedensten Benennungen auf einer so großen Majoratsherrschaft umherlungern.
211
Böhmens Land und Leute.
Unter dieser Claſſe von Menschen ist schamlose Betrügerei, Bestechlichkeit, kriechende Höflichkeit gegen Höherstehende und brutaler Uebermuth gegen Untergebene oft nur zu sehr verbreitet.
Wie eine schlimme Seuche pflanzten sich diese bösen Ei-
genschaften aber in immer weitere Kreise fort.
Besonders aus diesen herrschaft-
lichen Beamtenfamilien gehen auch oft die vielen Tausende böhmischer Beamten hervor , welche alle österreichischen Provinzen überschwemmen
und gar manche
schlimme Eigenschaften aus den engen heimischen Kreisen in die weiteren des Staatslebens mit übernommen haben.
Wenn die Italiener Desterreich ſo grim-
mig haſſen, in Ungarn der Geist der Revolution im Jahre 1860 wieder so mächtig emporschlug, so sind die vielen böhmischen Beamten, welche man diesen Ländern octroyrte , Sedlnigdy ,
wesentlich
mit
Schuld daran.
Ebenso
wie die
Collowrat,
Clam Gallas u . s. w. die aus den Reihen der böhmischen Aristo-
kratie hervorgingen, in ihrem hohen Staatsämtern dem Kaiserstaate nur Unſegen brachten, so haben auch gar viele böhmische Beamte unteren
und mittleren
Grades Desterreich niemals Segen und Nußen bereitet. Diese schamlose Betrügerei fast aller ihrer Beamten bewirkt auch, daß ein bedeutender Theil der hohen böhmischen Aristokratie, troß des colloſſalen Grundbesizes, der sich noch immer in ihren Händen befindet, oft in einer nicht sehr glänzenden finanziellen Lage ist.
Der große Theil des Ertrages aller Güter bleibt
ſtets in den Taschen der zahlreichen Beamten , und zur Bewirthschaftung eines Gutes, wozu man in Norddeutſchland nur einen Inspector bedarf, hat man in Böhmen 3-4 verschiedene Beamte, die aber zusammen nicht so viel leiſten , als dieser einzige Mann, nothwendig.
Wer so recht den gewaltigen Unterschied, den
Fleiß , Umsicht, Rechtlichkeit und freie , auf Geſeß und Recht geordnete Staatsverwaltung zwischen einem Lande, wo gerade das Gegentheil hiervon ſtattfindet, hervorbringen können, erkennen will, der braucht nur von Sachsen nach Böhmen zu reisen.
Wie ganz anders sehen die sächsischen Dörfer gegen die böhmischen
aus, welche Rechtlichkeit und Tüchtigkeit herrscht überall in Sachsen im Vergleich zu den Zuständen in Böhmen, und auf welch ungleich höherer Stufe befindet sich die sächsische Landwirthschaft im Vergleich zur böhmischen ! Mindestens um 50 Jahre in der Cultur und Bildung seiner Bewohner ist Sachsen Böhmen voraus.
Und doch ist Lezteres ein so fruchtbares , von der
Natur so überreich begabtes Land, wie es wohl wenige in ganz Deutschland (wenn man Böhmen noch zu Deutschland rechnen will, was freilich nach meinen. Nationalitätsbegriffen sehr zweifelhaft ist) selten finden wird. Gerade bei meinen 14*
212
Ein frommer Kaplan auf dem Schlachtfelde.
jeßigen Kreuz- und Querzügen in diesem Lande, habe ich die vielen natürlichen Vorzüge Böhmens wieder so recht erkennen gelernt.
Das Königreich besteht zum
größten Theil nur aus überaus fruchtbarem Boden und ist reich an Wäldern, Wiesen, Flüssen, Teichen , Bergwerken , kurz eigentlich an allem was es sich nur wünschen kann. Es müßte eigentlich hiernach ein wahres Land der Ueppigkeit ſein — und was ist es jezt ? Man vergleiche nur z . B. die Provinz Brandenburg mit ihrem weit über die Hälfte sterilen Boden , ihren Sand- und Haideflächen gegen dieses fruchtbare Böhmen, und doch wie ist in ersterem Alles weit, sehr weit gegen die böhmischen Culturzustände vorgeschritten ! Der blutige Tag vor Königgräß war durch so viele menschlich schöne, obwohl traurige Einzelnheiten ausgezeichnet, daß, um sie alle aufzuzählen , der vorliegendem Werke gesteckte Raum ungebührlich überschritten werden müßte, wir erwähnen daher nur einiger dieser menschlich schönen Thaten, leider sind sie auch vom Gefolge abscheulicher Unthaten begleitet worden . Die Schlacht wüthete an manchen Punkten so fürchterlich, daß die Soldaten Preußen wie Desterreicher und Sachsen einstimmig aussagen, daß das Kanonen-
gebrüll förmlich den Boden unter ihren Füßen zittern gemacht habe und sie sich in einem Zustand von Rausch befunden hätten, der sie auf das eigene Leben habe
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Benedek im Kugelregen.
vergessen lassen.
Mitten im heftigsten Kugelregen bemerkten die Oesterreicher
einen jungen katholischen Geistlichen , keinen ihrer Feldpaters , ſonden jedenfalls einen Kaplan aus irgend einem der umliegenden Ortschaften , welcher auf den Knieen
mit Hilfe seiner Hände auf dem Boden
fortrutschend die Sterbenden
tröstete und ihnen die heilige Communion reichte.
Erfurchtsvoll vor diesem er-
habenen Priesterwerke wichen die Oesterreicher, so gut es ſich thun ließ, zur Seite, um diesen Engel des Trostes in lezter Lebensnoth Plaz zu machen.
Er sprach
die Verwundeten und Sterbenden in deutscher, böhmischer, polnischer und italienischer Sprache an. Gewiß dieser junge Priester, voll hohen Glaubens an die Göttlichkeit ſeines Berufes, bot ein Beiſpiel der edelſten Aufopferung; aber auch ihn, der mit vollem Herzen über Sterbende den Segen ſprach, riß der Tod mitten in seinem erhabenen Wirken nieder, eine Kanonenkugel tödtete dieſen edlen, wir dürfen wohl ſagen, durch ſeinen freudigen Muth in der Ausübung der lezten Gnadenſpenden, welche seine Kirche dem Sterbenden bietet, heiligen Menschen, getroffen von dem todtbringenden Geschoß , sank er auf den Leichnam eines Soldaten nieder. nur schwer verwundet ;
Vielleicht war er
aber wer hätte Zeit zu solcher Untersuchung gehabt!
Der Rückzug war schon im Beginnen, die österreichischen Regimenter wichen und vielleicht ſezten die in Trab retirirenden Kanonen , wie die im Galopp zurückbrausende Cavalerie über den vielleicht noch lebenden Körper
dieses frommen
Priesters hinweg, ihn zermalmend. Benedek von der ganzen Wucht des Unglücks , die Schlacht verloren zu haben, beherrscht, scheint den Tod auf dem Schlachtfelde absichtlich geſucht zu haben, denn er ſezte sich dem heftigsten Kugelregen aus ; aber es war ihm nicht beschieden, als Soldat unter seinen Kameraden zu sterben, das Schicksal behütete ihn vor den feindlichen Geschossen. des
Ein sächsischer Offizier, welcher die Absicht
österreichischen Oberbefehlshabers erkannte,
blieb troz dessen wiederholter
Aufforderung, umzukehren , immer an der rechten Seite deſſelben , ihn so mit dem eigenen Körper deckend .
Und wahrhaftig ward er dadurch Benedek's Retter.
Plöglich von einem Schuß in die rechte Schulter getroffen , stürzte der Schüßer vom Pferde, doch troß seiner schweren Verwundung blieb er am Leben.
Aus
dem Mordgewühl hinweg getragen, wurde er nach langem schmerzlichen Krankenlager wieder hergestellt.
Benedek war indeß nicht undankbar , er meldete den
Kaiſer die Großthat des sächsischen Offiziers und dieser empfing als Auszeich
214
Der Lebendige unter Leichen. — Vater und Sohn.
nung den Maria-Theresia-Orden.
Dieser Brave ist der sächsische Rittmeiſter
Senfft von Pilsach. Eine nicht minder schöne menschliche That erwähnt der Brief des im Lazareth zu Nachod seiner Genesung entgegenſchenden österreichischen Feuerwerkers Anton Ulzer an seinen in Wien lebenden Vater, wie folgt : „Die Schlacht bei Königgräß hatte sich zu unserem Nachtheile gewendet, und die Preußen rückten gegen unsere Batterie, als ich eine Kugel in die Brust erhielt und für todt liegen blieb ; kurz darauf zog sich die Batterie , durch die Stürmenden gedrängt, auf eine Anhöhe zurück, von wo aus sie ein verheerendes Feuer gegen die vorrückenden Preußen eröffnete.
Diese, um sich vor dem Feuer
zu schüßen, ſuchten die herumliegenden Leichname zusammen und häuften ſie über einander zu einem Walle , auch mich , der ich leblos mit einer Bruſtwunde dalag, nahmen sie ebenfalls und warfen mich auf den Leichenhaufen , hinter welchem sie verschanzt das Feuer der Batterien erwiederten.
Durch dieses furcht-
bare Lärmen und das Schmerzen meiner Wunde wieder zur Besinnung gelangt, ersah ich erst, in welch entſeßlicher Lage ich mich befand ; rings um mich schlugen die Kugeln in die Leichen und jeden Augenblick mußte ich auch eine gewärtigen. Mit Zusammenraffung aller meiner Kräfte bat ich einen hinter mir stehenden preußischen Soldaten , mich aus meiner Lage zu befreien .
Voll Ueberraschung
ließ dieser das Gewehr fallen und mit Lebensgefahr, da er dadurch eine Bresche in den Leichenwall machen mußte, die ihn bloßstellte, rettete mich der brave Friedrich Schumann heißt er --- aus meiner furchtbaren Lage und
Mann
veranlaßte, daß ich aus der Schlachtlinie getragen wurde , worauf ich in das Spital zu Nachod kam. " Ein junger österreichischer Feldwebel rettete die Fahne ſeines faſt aufgeriebenen und auf der Flucht zerstreuten Regiments .
Mit ihr warf er sich in
die Elbe und erreichte glücklich das andere Ufer des Flusses.
In der immer
tiefer niedersinkenden Dämmerung bemerkt er auf den Fluß zurückschauend , einen ebenfalls nach dem rettenden Ufer Schwimmenden , aber gleichfalls drangen ihm auch Hilferufe
desselben in's Ohr.
Dem Ufer nahe gekommen , scheint dem
Schwimmer die legte Kraft zu verlaſſen und er dem Untergange nahe zu ſein. Wie? einen Kammeraden in der Todesnoth ohne Beiſtand zu laſſen, das hätte sich der Feldwebel nie verziehen .
Sofort stürzt er sich wieder in den Fluß und
reicht dem fast Versinkenden die Fahnenstange entgegen, an der dieser sich anflammernd, von ihm glücklich an's Ufer gezogen wird. Aber welche Ueberraschung!
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Horitzer Chaos.
Der Gerettete ist sein eigener Vater, Hauptmann bei einem anderen Bataillone desselben Regiments und verwundet von der Kugel eines preußischen Zündnadelgewehres . Dem zum Tode ermatteten Vater mit Aufbietung aller Kräfte tragend, bringt er ihn und sich glücklich in Sicherheit und der Kaiser belohnte den braven Fahnen- und Vaterretter durch Ernennung zum Offizier. Die Ueberschau des Schlachtfeldes am Tage nach der Schlacht bot so viel Entſeßliches, daß ein großer starker Muth dazu gehörte, diese Bilder des Schreckens, dieses Chaos eines wilden blutigen Durcheinanders ohne Zittern und Beben zu sehen.
Horiß , das Hauptquartier des Königs von Preußen, war fast ein ein-
ziges großes Lazareth zu nennen, die meisten Häuser trugen als Zeichen , daß in ihnen Verwundete lägen, die bekannten weißen Fahnen mit dem rothen Kreuze. Da doch nicht alle Leute weißes Zeug zu diesen Aushängeschildern vorräthig hatten , so war man nicht säumig aus Bettlacken , weißen Unterröcken , weißen Schürzen und überhaupt mit allem, was nur halbwege passend erschien , dieſen Mangel abzuhelfen.
Horiz selbst hatte weniger von Kugeln gelitten, als dies zu
Gitschin der Fall gewesen war und wenn dies auch für die Bewohner immerhin ein großes Glück war , so steht doch fest, daß sie den Abend des Schlachttages , sowie die nächstfolgenden Tage nicht so leicht vergessen werden. Der Ort glich einem ungeheueren Becken, in dem sich alle Wässer der Umgegend ergießen und zu einer
Verderben bringenden Staunung zuſammen
häufen. . Endlose Colonnen von Leiterwagen, auf denen Verwundete lagen, bewegten sich langsam, Wagen hinter Wagen, in der Mitte der Straße nach dem Orte zu entlang, an der Seite von und nach Horiß hin sprengten Offiziere mit Depeschen vorüber, Couriere allen möglichen Cavalerie-Regimentern angehörend, jagten wie im Fluge dahin. post,
Generäle mit ihren Stäben, Fouragewagen, Wagen der Feld-
des Feldtelegraphenamtes, requirirte Wagen mit Aerzten , Beamten aller
Branchen,
große Züge gefangener Oesterreicher,
abgehungert,
ermattet, voll
Schmug, viele in den ſonderbarſten Costümen an Stelle der zerrissenen und traurig aussehenden Uniformen, wandten sich durch das Wagengewirr. Das Durcheinander beim babylonischen Thurmbau kann nicht toller gewesen sein, denn eine Menge Sprachen waren bei diesem wilden , scheinbar aller Ordnung entbehrenden Gewühls gleichzeitig zu hören . Es würde dieses Bild eines kaum auseinander zu wirrenden Wirrwarrs vielleicht noch einen heiteren Character getragen
216
Das Schlachtfeld.
haben, wäre nicht das schmerzliche Stöhnen, die Angstschreie der armen Verwundeten gewesen, das die härteste Menschenseele zerknirrscht machte. Und welchen traurigen Anblick boten die Felder.
Zu beiden Seiten der
Straße lag das Getreide so niedergetreten , daß man leicht auf die Vermuthung fommen fonnte, sie wären mit Strohmatten belegt.
An den Straßen und
Wegen hatten sich kleinere und größere Bivouaks etablirt , die ihre Leute ausgeschickt hatten, etwas zum Eſſen herbeizuſchaffen , was nun allerdings zu den Kunststücken gehörte und doch sah man Soldaten , die glücklich genug geweſen waren, sich in den Besiß von einer Gans, eines oder einiger Ferkel, vielleicht gar einer Kuh zu sehen.
Zu diesem Leckerbissen wurden die harten Commisbrode
oder der halbversteinerte Brodzwieback genossen und man schlief unter Leichen und Verwundeten ein, von denen die ersteren auf Frachtwagen gleich Häringen hoch übereinander geschichtet wurden, um in die aufgeworfenen Gruben geworfen zu werden.
Das große preußische Lager befand sich auf den Feldern um Klaniß.
Hier erst gab es ein wahres Menschengewimmel , denn hier rasteten an zweihunderttausend Mann von allen Truppengattungen.
Dieses Lager breitete ſich
auf weite Flächen hin aus , und die Nacht machte wenig Unterschied in dem ohrbetäubenden Trubel , denn wohl kaum die Hälfte dieser Menschenmasse fand Erholung im Schlafe. Weiterhin zu beiden Seiten der Straße konnte man faſt auf den Gedanken kommen , die Israeliten hätten hier ein Laubhüttenfest improviſirt, denn die Seitenfelder waren von Tausenden derartiger Hütten Werk der
österreichischen
Jäger
und der
Angriff der Preußen abgewartet hatten.
Infanterie
bedeckt, welche ein
waren ,
Der schöne Wald
die hier den war in seinem
äußeren Kreise bis auf die Baumsturzeln raſirt, die man aus dem Boden hervorragend hatte stehen lassen , um dadurch dem stürmenden Feinde Bodenhinderniſſe zu bereiten , und wenn auch diese Absicht sich als eine zweckmäßige Vorbereitung, das Herandrängen des Feindes abzuhalten, als beſonders probat zeigte, so war es doch die österreichiſche Artillerie selbst, welche hier furchtbare Berheerungen angerichtet hatte, die Waldbäume glichen aufrecht gestellten Besen und die Opfer, welche die österreichiſchen Granaten von den Preußen gefordert hatten, waren enorm. Die Straßengräben waren mit Leichen gefüllt und deren lagen überall umher und ganze Strecken auf den Feldern glichen militärischen Rumpelkammern, Tornister, Käpis, Helme, Kochgeschirre, Bajonnette, Seitengewehre, Kugeln, österreichische Büchsen, Zündnadelgewehre, Alles durcheinander gemengt, mit Menschen-
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Brand von Cistoves.
leichen, Pferde-Cadavern und Bluttümpeln abwechselnd.
Und doch war dieser
Anblick noch nicht der furchtbarste , das Hauptschlachtfeld begann erst bei dem kleinen Dorfe Sadowa ,
nach dem eigentlich die Schlacht den Namen tragen
sollte, denn hier blizten die Armeecolosse aufeinander , hier wurde die Hauptblutarbeit des Tages gethan, das Terrain derselben zieht sich auf beiden Seiten der Königgräger Straße bis hinter Lipa und Chlum. Lipa liegt / Meilen von Königgräß auf einem Bergrücken, der sich nach der Elbe zu abdacht. Hier ereignete sich eine furchtbare Catastrophe.
Bei dem Sturm auf die
Lipaer Ziegelei wurde auch das Dorf Cistoves in Brand geschossen und in diesem rasch um sich greifenden Feuer verbrannten fast sämmtliche verwundete Desterreicher , die von ihren Landsleuten hierher gebracht worden waren.
Mit Mühe
nur vermochten die Desterreicher einige dieser Unglücklichen aus dem Brande zu retten.
Das Geschrei dieser unfähig sich selbst helsen zu könnenden Unglücklichen
ſoll entseßlich gewesen sein, sodaß es selbst zwischen dem Kanonengebrüll hindurch zu hören war.
Bei Lipa lagen die Todten zu Hunderten, hinter den Schanzen jedoch in der Ebene nach Königgräß zu lagen nur Desterreicher , die hier von den preuBischen Kugeln
niedergestreckt
worden waren.
Der Tod hatte einen Festtag
218
Brief eines preußischen Soldaten.
gefeiert, diese Ebenen , die Umgegend der Lipaer Schanzen , das weite Schlachtfeld von Sadowa, die Schanze bei Chlum waren seine Festtafeln gewesen.
Der
Kampf bei Chlum muß ein wahrhaft grauenvolier gewesen sein , denn noch am nächsten Tage konnte man diesen Theil des Schlachtfeldes nur mit Vorsicht begehen, wollte man nicht auf die hier oft übereinander liegenden Leichen, die gleich einer reich aufgegangenen Saat sich hier häuften, mit Füßen treten. Zu den Wundern schrecklicher Art gehört die Hyänennatur jener ſchändlichen ihr Gewerbe bei Nacht treibenden Menschensorte, welche keine Scheu vor den mit offenen Augen, schmerzverzerrten Zügen daliegenden Todten hat und ſie um das wenige Werthvolle,
was sie noch in den lezten Momenten
ihres
Lebens besessen haben, bestiehlt. Jede Tasche der Kleidung eines Gefallenen, und wäre diese auch noch so sehr blutüberströmt, wird durchsucht, Uniform und Beinkleider mit Gier den Todten auf dem Leibe zerrissen, um des möglicherweise auf bloßem Leibe der Todten geborgene Geld habhaft zu werden . Einen Beitrag zur Kunde dieses verabscheuungswürdigen und verbrecherischen Treibens giebt der Inhalt des Briefes eines preußischen Soldaten , den wir hier folgen laſſen :
" Neu-Königgräß an der Elbe, 5. Juli. Meinen leßten Brief schrieb ich auf dem Schlachtfelde.
Heute schreibe ich
nach dem Einzuge in Neu-Königgräß , nachdem wir auf der eiligen Flucht des Feindes noch einen heftigen Zusammenstoß gehabt hatten.
In der Nacht zum
4., gleich nach der siegreichen Schlacht , wurde Generalmarsch geschlagen ; unser Bataillon war mit zwei Schwadronen Gardehusaren und zwei Batterien GardeArtillerie ausersehen, an der Verfolgung Theil zu nehmen, und unsere ermüdeten Kameraden abzulösen.
Dreißig Wagen standen für uns bereit.
Mit Hurrahruf
schwangen wir uns in die bereitstehenden Leiterwagen , und vorwärts ging es an den Ufern der Elbe entlang. Es war eine kostbare Nacht.
Der Regen hatte vollständig aufgehört, die
Wolfen waren am Himmel verschwunden und die Sterne flimmerten so hell und klar da oben und beschienen die Todten und Verwundeten, die auf allen Wegen zwiſchen Tornistern und Gewehren , Gepäck und Wagen , zerbrochenen Geſchüzen und todten Pferden umherlagen. Marsch unternehmen ,
Nur mit großer Vorsicht konnten wir unſern
da versprengte Oesterreicher in der Nähe noch umher-
schwärmten und die Arrièregarde des Feindes in der Nähe war.
Jedes Gebüsch
vermeidend, famen wir, etwa gegen 3 Uhr Morgens, an ein Wäldchen. Hundert
219
Brief eines preußischen Soldaten.
Schritt vor demselben wurde Halt gemacht.
Wir verließen die Wagen , und
vierzig Mann von uns nebst zehn Husaren ritten nach rechts nach dem Saume des Waldes.
Alles schien still und ruhig , kein Baum, kein Zweig bewegte sich.
Da plöglich, als unsere Leute näher kamen , ein jäher , die Gegend weithin erhellender Bliz , ein Donnern und Rauschen , Brausen und Plazen in der Luft , dazwischen das Knattern des Gewehrfeuers . hatte uns empfangen.
Eine ganz anständige Salve
Schleunigst zogen wir uns zurück.
Als wir in einiger-
maßen gesicherter Stellung waren , griff unſere Artillerie mit Entſchiedenheit an. In kurzer Zeit brannten mehrere Bäume und bei der grellen Beleuchtung bemerkten wir , daß die Desterreicher sich zurückzogen , um das Gros zu erreichen. Mit gefälltem Bajonnett gingen wir jezt zum Sturm.
Ein kurzer aber hart-
näckiger Widerstand wurde uns entgegengeseßt, dann aber trieben wir den Feind vor uns her und machten viele Gefangene, eroberten außerdem die am Rande des Waldes aufgestellten sechs Geſchüße. Der Kampf hatte im Ganzen nur etwa eine Stunde gedauert und doch den Oesterreichern sehr viele Verluste beigebracht.
Unsere Granaten hatten furcht-
bar aufgeräumt und ganze Reihen von ihnen niedergemäht.
Schrecklich war der
Anblick der wackeren Krieger , die sich , man muß es ihnen lassen , mit wahrem Löwenmuth geschlagen hatten.
In den brechenden Augen lag noch ein gewiſſer
Grad von Troß und Heldenmuth.
Die aufgehende Sonne beleuchtete die Ge-
fallenen und das verwüstete Wäldchen. Links von uns brannten mehrere Dörfer und Kanonendonner hallte zu uns herüber.
Der Feind erwiederte nur schwach
das Geschüßfeuer , er wurde immer entmuthigter und verzweifelter.
In wilder
Flucht warfen schließlich ganze Bataillone ihre Waffen fort und ergaben sich. Auf der Verfolgung stießen wir auf mehrere Bauern ,
die wenigstens
zwanzig preußische und österreichische Soldaten , die hilflos und verwundet am Boden lagen, erst ermordet und dann ausgeplündert hatten.
Wir ergriffen die
Barbaren, und da gerade in der Nähe mehrere Bäume ſtanden, so hängten wir in den Zweigen derselben die drei Leichenschänder auf, nachdem sie vorher noch von unseren empörten Leuten auf das übelste zugerichtet worden waren.
Schreck-
lich war das Geheul der Elenden, als die hanfene Schlinge ihnen um den Hals gelegt wurde; mit Abscheu wandten wir uns von den Mördern ab. Nicht weit davon sahen wir einen Jungen .
Derselbe machte soeben An-
ſtalt, einen Desterreicher die Uhr abzunehmen. Durch die ungeschickten Bewegungen des Knaben fam der Verwundete wieder zu sich.
Er zog unbemerkt ein Pistol
220
Schandthaten an Berwundeten.
aus der Taſche und jagte dem jungen Taugenichts eine Kugel durch den Kopf, jedenfalls für uns Zeit ersparend , da ſicherlich ſonſt unsere Leute den Jungen den Garaus gemacht hätten. " Nur entmenschte Naturen können dergleichen Räubereien ausführen und noch sind diese Galgenvögel, die jeder Regung von menschlichem Gefühle ſpotten, nicht die Schlimmſten, denn ſie begnügen sich nur mit dem was Werth hat , ſie durchsuchen die Torniſter, die Taſchen am Leibe.
Eine weit schlechtere Brut giebt
es noch, welche sogar die Todten nackt ausziehen und sich also ihrer Kleidung bemächtigen. Nicht allein in Böhmen sind dieſe abscheulichen Räubereien vorgekommen, sondern auch nach der Schlacht von Langensalza, wo der Abhub der Bevölkerung der umliegenden Dörfer sich diesem nächtlichen Geschäfte widmete.
Auch die
Pferde-Cadaver entgehen der Plünderung nicht , denn man reißt ihnen die Hufeisen ab und raubt ihnen die Mähnen und Schweife, dergleichen kann in Geld umgesetzt werden. Daß in Böhmen auch noch empörendere Schandthaten von fanatischem Volke , der untersten Hefe des Plebs angehörend , an wehrlos daliegenden Verwundeten ausgeübt worden sind, ist allerdings mehr als bloße Sage. Da Beispiele allemal als unwiderlegliche Beweise anzusehen sind, ſo möge hier aus der Menge der bekannt gewordenen Greuel fanatiſchen Böhmengesindels gegen preußische Verwundete nur eins angeführt werden, welches leider schlagend genug ist , um noch einen Zweifel aufkommen zu laſſen, wie verthiert dort ein Theil des gemeinen Volkes ist. Der Musketier Kzik vom 18. Infanterie-Regimente wurde behufs einer Augen-Operation nach Berlin gebracht.
Dieser Unglückliche erzählte :
„In dem
Treffen bei Trautenau lag ich nebst Anderen in einem Kornfelde versteckt, um den feindlichen Vorposten zu beunruhigen ; als der Befehl zum Avanciren gegeben wurde, sprangen wir auf und stürmten vorwärts ;
ich hatte noch keine drei
Schritte gemacht, als ich, durch eine Kugel getroffen , bewußtlos niederfiel.
Als
ich aus meiner Betäubung erwachte , dämmerte schon der Abend , die lautlose Stille , welche um mich herrschte , gab mir die Ueberzeugung , daß das Gefecht ſchon längst vorüber sei .
Unfähig mich zu regen , und meine Seele Gott befeh-
lend , schloß ich die Augen,
als ich plöglich in meiner Nähe etwas rauschen
hörte; aus der fremden Sprache, welche die Leute führten, konnte ich vernehmen, daß es Böhmen waren.
Alle meine Kräfte zusammen nehmend , rief ich um
221
Schandthaten an Verwundeten.
Hilfe.
Im nächsten Augenblicke sah ich zwei schmußige Weiber und einen Mann
an meiner Seite stehen.
Die Leute betrachteten mich mit wilden Blicken.
Zu-
nächſt wurde mir mein ledernes Geldtäschchen, welches ich auf dem bloßen Leibe trug, geraubt , sodann die Kleidungsstücke vom Leibe geriſſen , und ich ſchließlich von der einen Frau vermittelst eines scharfen Instrumentes in beide Augen gestoßen.
Wie lange ich nun, da ich abermals das Bewußtsein verlor, in meinem
Todtenſchlafe gelegen hatte , weiß ich nicht.
Als
ich erwachte , fühlte ich , daß
meine Lippen mit Branntwein befeuchtet wurden und hörte aus den Verwünschungen gegen die Uebelthäter, daß meine Landsleute mich pflegten. " Laut der Veröffentlichung dieses scheußlichen Greuels im „ Fr. Bl. “ ist das linke Auge des Mannes gänzlich zerstört und auf dem rechten Auge nur noch ein Schimmer vorhanden ; ob es der ärztlichen Kunst gelungen ist, dieſen Schimmer noch zu retten, zu erhalten, wiſſen wir nicht. Also selbst Weiber betheiligten sich an diesen Schändlichkeiten , was allerdings noch um so trauriger ist, als man vom Weibe , selbst vom ungebildeten, feinere Empfindungen verlangt, obwohl es leider bestätigt ist ,
daß die weibliche
Natur zu Schandthaten sich fähig zeigt, vor der der roheste Mann ein gewiſſes Grauen nicht überwinden kann.
Welche Scheußlichkeiten begingen 1789 in der
französischen Revolution Weiber aus dem Volke , sie überboten darin die Männer; Spanien, Italien, England, Holland haben solcher Greuel in ihrer Ländergeschichte nicht wenige aufzuweisen ; auch Deutſchland ist leider nicht arm , wenn es der Aufzählung derartiger Beweise von Entmenschung des Weibes gilt.
Ist
doch bei Hinrichtungen das weibliche Geschlecht stets am meiſten unter der Zuschauermasse vertreten !
Wir wollen unsere Leser nicht mit Einzelnheiten der
Rubrik " Schandthaten
an Verwundeten"
belästigen ,
aus Achtung
vor dem
menschlichen Gefühle, dem dergleichen widrig ist, darum übergehen wir derartiger Schilderungen und geben hier ein versöhnendes Gegenbild weiblicher Mildherzigkeit und kleine Miscellen aus der Schlacht von Sadowa. Ein preußischer Soldat , welcher auf dem Schlachtfelde schwer verwundet liegen geblieben war , erzählte über die Art seiner Auffindung und der ihm zu Theil gewordenen Pflege Folgendes : „ Mehrere Stunden lag ich bewußtlos, und als ich wieder zur Beſinnung kam, war
es schon dunkel ; ich sah
nichts als blutige Leichenhügel ,
meine
Schmerzen waren unsäglich , aber soweit mein Auge reichte , war kein lebend Wesen zu erblicken.
Ich glaubte mich schon dem Tode nahe , als plößlich wie
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Mildherzigkeit eines böhmischen Mädchens an Verwundete.
ein rettender Engel ein junges Mädchen mit einem großen Weinkruge in der Hand erschien und , als sie meiner ansichtig wurde, mir zu trinken gab , meine
Wunde wusch und verband ; ebenso labte sie noch viele meiner verwundeten und auf dem Schlachtfelde liegen gebliebenen Kameraden und entfernte sich dann mit dem Versprechen , das Nöthige zu unserer Weitertransportirung zu veranlaſſen. Sie hielt auch treulich Wort ; es langten später mehrere Männer mit Tragbah ren an, welche uns in das nächstgelegene Spital beförderten.
Nur mit vieler
Mühe konnte ich den Namen dieser heldenmüthigen Wohlthäterin erfahren : dieselbe heißt Josepha Kalina und ist die einzige erst 18 Jahre alte Tochter eines Gutsverwalters nächst Königgräs. " Solche hochedle Thaten tragen die Engel des Herrn in das ewig offen vor Gottes Auge liegende Buch ein, das der gesammten Menschheit wie des Einzelnen Thun und Denken als Saat des Segens oder des Fluches in sich schließt. Viele Orden werden von den Fürsten der Erde gespendet , diese junge Samariterin hätte sicher an Stelle manches zum Helden proclamirten Kriegers einen solchen verdient, obwohl sie den ruhmreichsten und ehrenvollsten, das Bewußtsein, Gutes, Menschlichschönes und Erhabenes aus freiem Antriebe gethan zu haben, schon in sich trägt.
Solch einen Orden kann kein Fürst verleihen.
223
Miscellen aus der Königgräger Schlacht.
Am Wege lag der Leichnam eines ſächſiſchen Offiziers und wurde von ſeinem kleinen Pinscher, der zuweilen sehr klägliche Laute ausstieß, bewacht.
So
flein das Thierchen war, so versuchte es doch, seinen todten Herrn vor jeder Berührung Fremder zu schüßen.
Man verscheuchte es endlich und trug den Offizier
nach dem nächsten offenen Grabe.
Der kleine Pinscher begleitete seinen Herrn
und bellte deſſen Träger grimmig an , als wollte er ihnen Vorwürfe machen daß sie ihm seinen Herrn entrissen.
Man hatte Mühe , das treue Thier abzu-
halten, daß es dem in die Grube Gebetteten nachsprang, es wollte sich nicht von dem Todten trennen und stieß ein markerschütterndes Geheul aus, als die Grube zugeworfen wurde und es seinen Herrn nicht mehr ſah. Bei dem Rückzuge der Oesterreicher war der Wagen eines der höheren Offizieres der flüchtigen Armee stecken geblieben und die verfolgenden preußischen Füsiliere bemächtigten sich desselben.
Dem Aeußeren nach zu schließen , konnte
auch Werthvolles in den inneren Sizkästen und Taschen enthalten sein, weshalb ein bärtiger Füsilier den Schlag öffnete und sich hineinbog ,
aber schnell noch
fuhr er zurück und ein böses Knurren begleitete dieſe unfreiwillige Rückwärtsbewegung.
Auf dem Sammetſize hatte es sich eine prächtige Windhündin mit
ihren vier saugenden Jungen
bequem gemacht und bedrohte Jeden ,
der die
Ruhe ihrer kleinen Familie stören würde, mit einem tüchtigen Biß. Die Füſiliere zogen sich lachend zurück. Die Gefangennahme eines sächſiſchen Sergeanten geschah nach seiner eigenen Aussage auf folgende Weise :
„Beim Bajonnettangriff auf einen Wald
erhielt ich von einem preußiſchen Musketier einen Schuß , der mich leicht verwundete.
Ergrimmt fasse ich mein Bajonnett fester und durchrenne mit ihm
den Gegner.
Dieſer ſinkt zusammen mit dem Rufe : „ Gott erbarme sich meiner
armen Frau und Kinder! " widerstehlich.
So wie ich diese Worte hörte, ergriff mich's un-
Ich ziehe mein Bajonnett zurück, warf mein Gewehr weg , fange
den Soldaten mit meinen Armen auf, reiße Taschentuch und den ersten Verband um-
aus meinem Tornister, mit allen Mitteln suche ich das Blut zu stillen ſonst! Ein trauriger Blick,
ein leßter langer Seufzer und - es ist vorbei.
Kurze Zeit darauf war ich gefangen.
Nie aber wird der jammervolle Ton von
meinen Ohren verklingen , mit welchem Jener seine Lieben der Barmherzigkeit Gottes empfahl, ewig werde ich den brechenden Blick vor meinen Augen sehen, mit dem Jener mir die Seinen gleichsam übergab einmal, wer er war!"
und doch weiß ich nicht
224
Miscellen aus der Königgräßer Schlacht.
Wie aber auch in der finsteren Wetternacht ein glänzendes Mondlicht auf Augenblicke durchbricht , so auch ergaben sich in dem Kriegsgetümmel jeweilig heitere Scenen, die die im blutigen Excesse so tief gesunkene Heiterkeit wieder erregten.
Das nicht enden wollende Kanonengekrache und die vielleicht in nächster
Nähe geplaßten Granaten hatten die Hasen der ganzen Gegend so vollständig confuse gemacht, daß ſie wie blind dahin rannten, wohin sie gerade geriethen .
In
eine Musketier-Compagnie , die schwer ermüdet von den Anstrengungen , ſich auf den Boden gelagert hatte, um sich in etwas zu erholen , flüchtete sich ein Haſe und es schien ihm da so gut zu gefallen, daß er vor Vergnügen über die Sicherheit dieſes Aſyls Männchen über Männchen machte.
Kaum hatte einer der
Musketiere den waceren Lampe erspäht , als der Ruf:
„ Ein Hase ! fangt ihn!“
sogleich die ganze müde Compagnie auf die Beine brachte und nun eine höchſt lächerliche Heze losging , bei der Manche , denen die Ermattung schwer in den Gliedern lag, über ihre eigenen Füße fielen.
Lampe entkam ; aber dieſe Jagd
brachte lauten Jubel und Gelächter unter die Leute in demselben Momente, wo der Tod jeden Einzelnen von ihnen hundertfach drohte. Das sind so kleine Wechselbilder, die, man sollte es nicht glauben, ungemein dazu beitragen , den Soldaten wieder in die rechte Stimmung zu verſeßen, wenn seine phyſiſchen Kräfte allzu hart mitgenommen sind .
Ein einziges
gesundes Wigwort, zu rechter Zeit ausgesprochen, ist im Stande einen schon ver loren scheinenden Trupp wieder so viel Spannkraft zu geben , daß er dem drohenden Untergang
mit Muth und Kühnheit zu entgehen weiß.
Da mit der
Schlacht bei Königgräß und dem damit verbundenen Rückzuge der gesprengten Nordarmee nach Mähren Böhmen den Preußen als erobertes Land offen lag, so war es selbstverständlich, daß diese nicht unterließen , die Einwohner dieſes schönen von Gott so reich gesegneten Landes sich möglichst zu Freunden zu machen, wenn das überhaupt bei der bekannten Abneigung derselben gegen alles Preußische denkbar war, wenigstens sollte ihnen die Furcht benommen werden, welche sie von den durchziehenden oder
als Besagung stehen bleibenden preu-
bischen Truppen hegten. Das preußische Obercommando in Böhmen erließ folgende Ansprache an die Einwohner dieses Königreichs . "In Folge des gegen unsere Wünſche vom Kaiser von Oesterreich herbeigeführten Krieges betreten wir nicht als Feinde und Eroberer , sondern mit voller Achtung für Euere historischen und nationalen Rechte Eueren heimathlichen
225
Ansprache des preuß. Obercommando's an die Bewohner Böhmens .
Boden.
Nicht Krieg und Verheerung,
sondern Schonung und Freundſchaft
bieten wir allen Einwohnern ohne Unterschied des Standes , der Confeſſion und Nationalität.
Lasset Euch von unseren Gegnern und Verläumdern nicht ein-
flüstern ,
wir aus
daß
Eroberungssucht
diesen jezigen
Krieg
hervorgerufen !
Deſterreich hat uns zum Kampfe gezwungen , indem es mit den deutschen Regierungen uns überfallen wollte ; aber nichts liegt uns ferner , als die Absicht, Euerer Entwickelung entgegen zu treten. Eingedenk der vielen fast unerschwinglichen Opfer, welche Euch zur Vorbereitung für den jezigen Krieg die kaiserliche Regierung
bereits abverlangte,
ſind wir weit entfernt, Euch weitere Laſten aufzuerlegen und verlangen wir von Niemandem , daß er gegen seine Ueberzeugung handle, namentlich werden wir Euere heilige Religion ehren und achten, doch können wir offenen Widerstand nicht dulden und namentlich müssen wir hinterlistigen Verrath strenge strafen.
Wenn
Ihr uns freundlich entgegen kommt, werdet Ihr uns nur als Freunde und nicht als Feinde kennen lernen.
Namentlich handelt Ihr thōricht , wenn Ihr
Eueren Wohnungen fliehet und Ihr dieselben der Zerstörung Preis gebt.
aus Ihr
thut besser, wenn Ihr die Soldaten freundlich erwartet und Ihr mit ihnen friedlich wegen der Lebensmittel unterhandelt, welche durchaus nothwendig sind . Die Militärbefehlshaber werden dann von Euch nichts mehr verlangen, als was durchaus nöthig ist und Euer Eigenthum schüßen , welches Ihr durch die Flucht dem Raube und der Plünderung Preis gebt.
Das Uebrige überlaſſen
wir mit voller Zuversicht dem Gott der Heerschaaren ! Sollte unsere gerechte Sache obsiegen, dann dürfte sich vielleicht auch den Böhmen und Mähren der Augenblick darbieten, in dem sie ihre nationalen Wünsche gleich den Ungarn verwirklichen können. Möge dann ein günstiger Stern ihr Glück auf immerdar begründen !"
Die
Sächsische Armee.
Man erzählt, daß das altehrwürdige Lied :
„ Verzage nicht Du Häuflein
klein" von dem schwedischen Heldenkönig Gustav Adolf bei seinem Heere, das, als es in Deutschland einrückte, eben nicht sehr zahlreich war, eingeführt worden sei, ja man behauptet , er selbst sei der Verfasser desselben. Nun die sächsische Armee und das muß ihr zum unvergeßlichen Ruhme angerechnet werden war auch nur ein kleines Häuslein im Betracht der preußischen Uebermacht und 15
226
Abschied des Königs von Sachsen von seiner Familie in Prag.
hat nichts von Verzagtsein gezeigt , denn im Gegentheil hat sie sich die Achtung ihrer Gegner durch mannhaften Muth und Ausdauer in allen Kämpfen , bei welchen sie betheiligt war , erworben .
Als sie mit dem König in's böhmische
Land einzog , da waren die Geschicke noch nicht in der Waagschale wilder und blutiger Schlachten aufgewogen , wenngleich der Friede aus dem Sachsenlande hinweggescheucht war. Man erzählt, daß der König, als er an den ersten schwarzgelben Schlagbaum gekommen sei, einige Secunden lang sinnend angehalten, als ob der ernste Schritt, den er eben zu thun im Begriff stand , sich ihm zu tiefer Beurtheilung aufdränge. Dann soll er sich aufgerafft und entschlossen gerufen haben: "Wie Gott will !" Ach ja, es war ein sehr ernſter Schritt , den der greise König that ! leider führte er zu großen und schmerzlichen Verlusten für ihn und sein königliches Haus und für das sächsische Volk, das mit Blut und Gut denselben bezahlt hat. Zu Prag fand der König den weiblichen Theil seiner Familie, die sächsischen Truppen zogen über Prag dem Schauplage der künftigen Schlachten zu.
8
war am 22. Juni, als die Königin von Sachsen mit ihrer Schwiegertochter, der
A
Prinzessin Georg und deren Kindern, ihren Enkeln, Prag, der vielleicht in Nähe dieſer Hauptstadt sich ereignenden Gefechte wegen , verlassen sollte, um in Re-
227
Die Sachsen in der Schlacht bei Münchengräs .
gensburg ein Asyl gesicherter Ruhe zu finden.
Alle Diejenigen, welche Zeugen
des Abschieds waren , den die beiden hohen Frauen von dem zurückbleibenden ehrwürdigen königlichen Familienoberhaupte und deſſen beiden Prinzen, Kronprinz Albert und Prinz Georg nahmen, sind einstimmig in der Aussage, daß es ein tiefergreifender Moment gewesen sei, als ob die Ahnung, unter welchen traurigen Verhältniſſen ſie ſich wiedersehen würden, schwer auf sie niederdrücke.
Als aber
das zweite Signal zur Abreise ertönte , da schienen beide hohe Frauen den lezten Rest von Fassung zu verlieren, sie brachen beide in heftige Thränen aus. Der König umarmte die Scheidenden und wechselte, sie zu dem Waggon begleitend, während die anwesenden Diplomaten und Genräle zurücktraten, noch einige Worte mit ihnen. Langsam sezte sich der Zug in Bewegung unter dem Lebewohlrufen der Menge. Die österreichischen Zeitungen ergingen sich in
einer Menge von Lob-
sprüchen über das sächsische Militär und man konnte beim Lesen dieser Lobeserhebungen fast auf den Gedanken kommen, deren Verfaſſer hätten sich nach der oft mit gutem Erfolg gebrauchten Schablonen bei günstigen Kritiker für eine Sängerin oder Tänzerin, deren Puß, Stimme und Spiel sie herauszustreichen hätten gerichtet.
Eins war in dieſen österreichiſchen Zeitungsberichten sicher zu lesen, daß
aus den Mienen der sächsischen Soldaten eine todesmuthige Entschiedenheit leuchte. Zum Glück bestätigte sich diese etwas in's Weite gehende Schmeichelei durch die wackre Haltung dieser Armee in den Schlachten der nächsten zwei Wochen, wenngleich das Resultat derselben nicht ſiegbringend für die Oesterreicher und Sachſen ausfiel.
Ge-
naue Schilderungen über die Antheilnahme der Sachsen werden erst in späterer Zeit gegeben werden können, uns bleibt nur die Möglichkeit Hervorragendes aus dem großen Kampsbilde zu geben, indem wir zugleich mehrere Briefe sächsischer Militärs und Angaben anderer kriegsverständiger Personen hier folgen lassen. Ueber die Betheiligung der Sachſen in der Schlacht bei Münchengräß am 28. Juni können wir nur bemerken, daß daselbst die Gardereiter , das Leibregiment „ Friedrich August“ und die Jäger activ gewesen sein sollen und in ihrem ersten Zusammentreffen
eine große Bravour an den Tag legten.
Die
Verluste, welche das Leibregiment erlitten , wurden als beträchtlich geschildert, indeß das Gerücht gleicht in derlei Dingen dem Munde eines von der Freßgier Befallenen.
Er stopft hinein , so viel nur hineinzubringen ist , wodurch er die
Unmöglichkeit des Kauens heraus zu geben.
herbeiführt und sich genöthigt sieht ,
Alles wieder
Klarer und bestimmter sind die Angaben über den Antheil
der Sachsen an der Schlacht von Gitschin.
15*
228
Brief eines sächsischen Soldaten.
Unsere folgende Schilderung ist dem Briefe eines bei diesem Kampfe selbst betheiligt Gewesenen entnommen, demnach authentisch : „Am 29. Juni früh 3 Uhr rückten wir aus unserem Bivouak (den Namen des Ortes weiß ich nicht mehr zu nennen , da ich leider mein angelegtes Tagebuch verloren habe) marſchirten ohne weiteren Aufenthalte bis in ein Dorf, rechts seitwärts von dem Städtchen Gitschin ; dort angekommen , machten wir Halt, fochten ab , nicht ahnend , daß wir noch gegen Abends 5 Uhr in's Feuer fommen würden. Ich muß bemerken , daß hier nur die zweite Diviſion,
alſo Leib- und
erste Infanterie- Brigade „ Kronprinz “ nebst der dazu gehörigen Cavalerie und Artillerie zugegen war.
Brigade „Kronprinz " , namentlich das zweite Bataillon,
war, als wir in unserer Stellung auf dem äußersten rechten Flügel einrückten, starf im Feuer; dieses Bataillon im Verein mit mehreren Compagnien des ersten Jägerbataillons stürmte ein Dorf links von uns, wo ein weit überlegener Feind ſtand ; ebenfalls zeichnete ſich die 8. gezogene Batterie (Hauptmann Richter) ungemein aus ; wir, die wir in unserer Stellung nicht zum Feuern kamen, konnten von da aus die Wirkungen des mörderischen Feuers dieser Batterie sehen , fast keine Kugel fehlte; die preußischen Bataillone, welche dort wenig gedeckt standen, litten furchtbar; die Geschosse machten förmliche Straßen durch die Colonnen.
Der hierauf
erfolgte heftige Angriff der Croaten, welche wie Wüthende mit dem Bajonnett auf die Preußen stürmten, brachte.es dahin, daß selbige das Dorf räumten ; Oberst von Borberg und viele Brave fanden hier den Heldentodt ; ersterem wurde von einer Kugel ein Bein förmlich abgerissen.
Er starb später in einem der böhmischen
Lazarethe. Die Preußen kamen jedoch mit Uebermacht in das brennende Dorf zurück, zerstreuten unsere Truppen und bemächtigten sich der Straße nach Gitſchin und drangen vor.
Unsere Brigade und das 4. Jägerbataillon hatten eine vortheil-
hafte Stellung, die wir nicht verlassen durften.
Es war mittlerweile finster ge-
worden , wir hatten von diesen Vorgängen nichts bemerkt , als von mehreren Desterreichern , die versprengt worden waren , unser Oberst davon benachrichtigt wurde.
Unsere Brigade verließ sofort die Stellung und zog sich um die Stadt,
sonst wären wir alle gefangen genommen worden ; marſchirten hierauf in die Stadt, glaubend , sicher zu sein , kamen auf den Marktplaß und es sollten die Gewehre angesezt werden. plage hereinführte ;
Unser Bataillon stand an einer Straße, die rechts vom Markteine dergleichen führte vor unserer Fronte aus der Stadt.
229
Brief eines sächsischen Soldaten.
Hauptmann Döring (14. Bataill . 2. Comp.) ging mit einigen Mann die Straße rechts von uns hinein, als er plößlich angerufen wurde und gefragt : ob er sich ergeben wollte; Jezt bemerkten wir , daß die Preußen in der Stadt waren ; sofort bekamen wir eine furchtbare Salve ; unser Bataillon gerieth dadurch etwas in Unordnung , weil Keiner von uns so etwas vermuthet hatte ; dies hatten die Preußen , welche zwei Regimenter stark waren , benußt und waren eben im Begriff, von der ziemlich langen Straße auf den Marktplag vorzudringen , als das 14. Bataillon, welches größtentheils das Gewehr angesezt hatte, schnell ſein Gewehre ergriff, sich in Sectionscolonnen an beiden Seiten der Straße aufstellte und ein furchtbares Feuer auf die Preußen gab. Hierauf hatten wir uns geordnet und gingen im Sturmschritt mit dem Bajonnett in die Straßen hinein und hinaus.
drängten die Preußen aus
der Stadt
Todte und Verwundete und Glasscheiben lagen genug auf der Straße,
wo wir vordrangen ; das 14. Bataillon hatte allein 20 Stück Gewehre und einen Gefangenen.
Wir haben eine Maſſe Gewehre auf der Straße zerschlagen , weil
wir die Stadt, welche wir doch nicht halten konnten, verließen.
Zulegt war nur
noch eine Compagnie vom 14. Bataillon in der Stadt , die den Rückzug deckte ; - wir hörten diese hat den Preußen , als diese wieder in Maſſen anstürmten ihr Hurrahgeschrei vor der Stadt, wo wir wieder aufgestellt waren - viele Verluste beigebracht.
Unsere Brigade zog sich bei Ankunft der Compagnie un-
belästigt zurück; bei unserem Bataillon fehlten 7 oder 8 Mann, beim 14. gleichfalls so viel , bei den anderen Bataillonen , welche ebenfalls am Ausgange der Stadt in's Gefecht gekommen waren, weiß ich nichts von Verlusten , doch hatten das 16. und 4. Jägerbataillon einige Zündnadelgewehre , das 4. Jägerbataillon einen Gefangenen, die Preußen sollen, wie wir erfahren haben , allein 25 Todte ohne die Verwundeten gehabt haben.
Unsere Mannschaft ging mit wahrer To
desverachtung vorwärts. “ Wir unterbrechen an dieser Stelle den nun von der Königgräßer Schlacht handelnden Inhalt des Briefes,
um
noch Einiges der Schlacht von Gitschin
Angehörende zu schildern. Ein bedeutender Theil der sächsischen Truppen war auf einem Höhenzuge zwischen den Dörfern Brada und Deliz, nördlich von Gitſchin und nahe der nach Turnau führenden Straße.
In den Nachmittagstunden erfolgte hier von den
Preußen ein außerordentlich energischer Angriff auf diese Stellung , vorzüglich auf Deliz , indeß von Seiten der sächsischen Artillerie wurde in die preußischen
230
Die Sachsen in der Schlacht bei Gitſchin.
Reihen ein förmlicher Todeshagel geschleudert.
Indeß auch die Preußen führten
ihre Geschüße auf und der Boden bebte unter dem furchtbaren Kanonenconcert. Delig, vorzüglich von sächsischen Bataillonen beſeßt, wurde mit einer Hartnäckigkeit ohne Gleichen vertheidigt, denn es hatte sich unter diesen Truppen das Gerücht verbreitet, daß König Johann in eigener Perſon in der nächſten Nähe des Kampsplates erschienen sei, um die Gefahren mit seinen tapferen Soldaten zu theilen und dieses Gerücht war die Ursache, daß ſich die in und bei Delig ſtehenden Sachsen mit einer wahrhaften Todesverachtung schlugen. Entseßlich war das Sausen der Granatsplitter und die hageldicht die Luft durchfliegenden Flintenkugeln pfiffen wahrhaft grausig , das Geſchrei der Kämpfenden und das der Verwundeten, Menschen wie Pferde, drang Mark und Bein erschütternd durch Blute
wälzenden
das Schlachtgetümmel , der Anblick der sich in ihrem
schwer Verwundeten
erfüllte
die Herzen mit
Schaudern.
Die lange Dauer des Kampfes um die Delißer Stellungen brachte dem Tode auf beiden Seiten eine zahlreiche Ernte.
Von den Sachsen wurde löwenmuthig
jeder Schritt breit Raum vertheidigt , aber die Preußen, ein mörderisches Kleingewehrfeuer unterhaltend , daß die Kugeln wie rasselnder Sand in einer Büchse in die Reihen der Gegner einschlugen , schienen
aus dem Boden aufzuwachsen
und unter diesen furchtbaren immer mit neuer Macht wiederholten Angriffen war es zulezt den Sachſen unmöglich, Stand zu halten , sie hatten das Möglichste geleistet und mußten Deliß aufgeben.
Der Rückzug von diesem Kampf- und
Schauplage des Todes war kein leichtes Werk und kostete noch manches braven sächsischen Kriegers Blut und Leben. Unter den in dieſem blutigen Gefechte gefallenen Offizieren starb der wegen seiner chevaleresken Liebenswürdigkeit bekannte und bei seinen Untergebenen allgemein
beliebte Schwadronschef im 3. Reiterregiment, Rittmeister von Fa-
brice, einen schönen Reitertodt.
Nach der glaubwürdigen Angabe eines seiner
Unteroffiziere, welcher unmittelbar hinter ihm geritten , erhielt von Fabrice bei der Attaque (siehe Illustration anf folgender Seite) an der Spiße seiner Reiter einen Schuß in die linke Seite, griff mit der Zügelhand nach der Wunde, stürmte aber, den Säbel schwingend und seine Leute durch lautè Zurufe anfeuernd , auf den Feind ein.
Da empfing er den zweiten tödtlichen Schuß , schwang seinen
Säbel hoch in die Luft und stürzte mit dem laut vernehmbaren Rufe : „Hurrah, es lebe Sachsen ! " vom Pferde.
Tod des Rittmeisters v. Fabrice.
Brief eines sächsischen Soldaten.
231
Wenden wir uns nun der Fortsegung des Inhaltes jenes Briefes , welchen wir unterbrachen , wieder zu , um einige Einzelnheiten des Kampfes bei Gitschin unserer Schilderung beizugeben. Der Verfasser bespricht in seinem Schreiben die Betheiligung der sächsischen Armee bei der Schlacht bei Königgräg wie folgt : " Furchtbar war diese Schlacht, wo wir mit einigen Regimentern Desterrei chern nebstArtillerie und 1 Regiment Ulanen den linken Flügel der Armee inne hatten ; wir hatten vorher zwei Tage lang bei einem Dorfe, wo wir aufgestellt und was ziemlich hoch lag , Rast gehabt.
Abends, den 2. Juli , rückte die erste und zweite
Compagnie zur Unterstüßung der Feldwachen , weil wir über Nacht einen Angriff der Preußen auf unser Feldlager, wo unsere sämmtliche Armee lag, erwarteten, dieser blieb jedoch aus.
Um 5 Uhr Morgens rückten wir wiederum in's
Lager zu unserem Bataillon ; wir hatten uns kaum den Kaffe gekocht, als wir um 7 Uhr Kanonendonner hörten.
Unsere ganze Armee brach auf und beseßte
das vor uns liegende Dorf, unsere Brigade stand erst am Kamme der Anhöhe, wo wir entseglich gelitten hätten , wenn wir dort stehen geblieben wären ; wir wurden jedoch bald hinter selbiger aufgestellt. Um 349 Uhr fuhren 3 Batterien (2 gezogene, 1 Granat-Batterie) faum 400 Schritte vor uns auf derselben Stelle,
232
Beief eines sächsischen Soldaten.
wo wir erst standen, auf, und richtetete gegen die preußischen Batterien ein langſames, aber sehr gut gezieltes Feuer. Wir konnten von unserem Aufstellungspunkte fast Alles übersehen, jedoch trafen uns die preußischen Granaten , welche aus 7 Batterien auf die unsrigen geworfen wurden , nicht ; es war von preußischer Seite ein förmliches Schnellfeuer, jedoch unsere Batterien waren nicht zum Schweigen zu bringen.
Unsere
Artilleristen bedienten mit einer bewunderungswürdigen Ruhe ihre Geschüße und richteten unter den prevßischen Batterien tüchtige Verheerungen an, ſodaß ſelbige bald ihr Feuern einstellten.
Wir sahen auf einem Hügel eine preußische Bat-
terie, die eben auffahren wollte , auf dieſe ſchoß die Batterie links von uns , ich ´glaube es war die achte.
Der erste Schuß war zu kurz, beim Schuß vom zwei-
ten Geschüß fiel ein Geschüß der Preußen demolirt um ; beim dritten stürzte das Zweite, die Batterie zog sich schnell zurück, ohne einen Schuß zu thun. Entſeßlich war der Kanonendonner längs der ganzen Schlachtlinie, dieſer dauerte so bis um 1 Uhr Mittags, wo der Donner etwas nachließ, es war bis zu dieser Zeit ein reiner Artillerie-Vernichtungskampf gewesen.
Unsere Artillerie
mußte bedeutende Vortheile errungen haben , denn wir sahen die österreichischen Colonnen vorrücken ,
als auch endlich der Befehl an uns kam , es fonnte so
gegen 1 Uhr sein , unsere Brigade verließ die Anhöhe , wir zogen uns in das Thal und der preußischen Infanterie entgegen, links von der zweiten und dritten Brigade und den Desterreichern , wo sich eine ziemliche Waldung befand , welche die Preußen bereits besezt ; die erste Brigade „Kronprinz " rechts von uns. Wir waren kaum einige hundert Schritte marschirt , das 15. Bataillon uns voraus, das 16. rechts, das 14. links von unserem Bataillon, als eine Granate kaum 20 Schritt vor uns niederfiel , sich aber in die Erde vergrub ; die nächste flog kaum 2 Schritt vom linken Flügel , gleich neben unserem Hauptmann in die Erde , ganze Bataillon.
ohne zu schaden , die Erde und
Steine flogen über das
Jezt kamen wir aber in das Kleingewehrfeuer, wir bekamen
es von 3 Seiten , entseglich flogen die Kugeln über und an uns vorbei , größtentheils gingen sie alle zu hoch. Wir gingen hierauf zu einem Bajonnettangriff über, konnten aber, da die Preußen auf unser Schreien zurückwichen, denselben nicht ausführen.
So hatten
auch unsere übrigen Brigaden den Feind zurückgeworfen und wir hatten viel Terrain gewonnen ; unsere Artillerie feuerte furchtbar in die preußischen Reihen ;
Brief eines sächsischen Soldaten.
233
in dem Walde links von uns lagen die Menschen förmlich haufenweise beisammen.
Unsere Infanterie und Jäger, welche zum Plänkern auseinander gegangen,
schossen Alles nieder, was sich nur vom Feinde zeigte. . Es war Nachmittags um 5 Uhr , viele Brave von uns hatten den Heldentod gefunden , oder waren verwundet , da bewegten sich mächtige Colonnen preußischer Infanterie auf unseren äußersten Flügel , wo selbige herkamen, wußten wir nicht , wir wurden angegriffen und mußten uns wieder zurückziehen , jezt entspann sich ein furchtbarer Kampf in der Waldung und in den Gehöften, die
dort standen , der ziemlich eine Stunde dauerte; entseßlich war das Feuern , die 2. und 4. Compagnie von uns stand in Colonnen , die übrigen 2 Compagnien von uns waren mit im Wald zum Plänkern ; wir mußten uns alle in's Kornfeld legen, sonst wären wir Alle geblieben.
So hatten wir uns eine Stunde lang mit einer furchtbaren Anstrengung, wie wir später erfuhren, gegen die schlesische (kronprinzliche) Armee gehalten, doch es sah wohl ein Jeder ein ,
daß wir weichen mußten und so traten wir denn
den Rückzug an, den unsere Artillerie deckte.
Verluste hatten wir viele an Of-
fizieren , ich glaube einige 70 an der Zahl.
Die der gefallenen Mannschaften
läßt sich nicht so genau angeben , ich glaube so gegen 2000 Mann an Todten
234
Brief eines ſächſiſchen Soldaten.
Verwundeten , Gefangenen und Vermißten. meisten Leute.
Der Rückzug kostete uns aber die
Die ganze verbündete Armee mußte sich zurückziehen ,
unsere
Tapferkeit hatte es nicht verdient!" Bekanntlich ist die sächsische Artillerie zum Theil mit nach preußischen System gezogenen Kanonen bewaffnet , welche der König Wilhelm vor einigen Jahren an Sachſen abgetreten. Diese Artillerie hat eine bedeutende Rolle in der Schlacht bei Sadowa gespielt.
Folgende Epiſode , mitgetheilt von einem Correspondenten der „Köln.
Zeitung " , welcher sich bei der preußischen Reſerve-Artillerie befindet , ist wohl geeignet , eine Idee von der niederſchmetternden Wirkung der Feuerschlünde nach preußischem System zu geben :
„ Unsere 40 Feuerschlünde starke Reserve-Artillerie,
trat erst gegen Ende der Schlacht in Thätigkeit.
Wir erhielten gegen 7
Uhr
Abends Ordre vorwärts zu marſchiren und begaben uns im Galopp auf einen Hügel , von wo aus wir den Feind bei ſeinem Rückzuge zu beschießen hofften. Unglücklicher Weise für uns hatte die sächsische Artillerie Poſition auf einen Hügel genommen , der ungefähr 1000 Schritt von dem Orte war , welchen wir im Begriff waren zn beseßen .
Wir wußten diesen Umstand nicht , ſonſt hätten
wir uns wohl gehütet, so nahe heran zu kommen.
Kaum hatten wir unsere
Batterie aufgestellt, und bevor wir noch einen einzigen Kanonenschuß hatten thun können, drangen die Geschosse des Feindes in unsere Batterie. Es war ein förm licher Eisenregen .
Nie hat ein Batterie ein ähnliches Feuer auszustehen gehabt.
Es war der Art, daß es die Unerschrockensten von uns zittern machte.
In we
niger als 10 Minuten verloren die 2 Stücke der Section , bei welcher ich war, 7 Mann und 10 Pferde , obgleich diese beiden Geschüße 25-30 Schritt von einander waren. Wir hatten das Feuer der sächsischen Artillerie auszustehen, welche mit nach preußischem System gezogenen Kanonen bewaffnet ist, die Sachsen früher von Preußen abgetreten bekommen hat.
In weniger Zeit , als erforder-
lich iſt, es zu beſchreiben, plaßten 6 Knallprojectile, in unsere Batterie.
Haubigen
und Schrapnels
Wir waren gezwungen , uns in aller Eile zurück zu ziehen,
denn das Feuer des Feindes wurde so mörderisch, daß , wenn wir 10 Minuten länger in unserer Position geblieben wären , keiner von uns wieder gekommen wäre. " Wenn es für die sächsische Armee ihrer Haltung wegen überhaupt einer Rechtfertigung bedürfte, was durchaus nicht der Fall ist, da nicht nur deren Offiziere tüchtige , kriegswissenschaftlich gebildete Männer , sondern auch die Mann-
235
Brief eines preuß. Offiziers a. D. über die sächs. Armee.
schaften von einem Geiste beseelt sind, der jeder Armee zu wünschen ist, so genügen die Zeugnisse der Sieger in den auf böhmischer Erde geschlagenen Schlachten allein , um jeden Zweifel an der todesmuthigen Ausdauer der Sachsen niederzuschlagen. Die englische Zeitung ,
Evening
Brief eines preußischen Offiziers a. D.:
Standart" ,
„ Mein Herr
brachte
nachstehenden
Es ist sehr zu beklagen,
daß die englischen Correspondenten im österreichischen Lager verfehlt haben, auch nur die geringste Notiz von dem tapferen Verhalten der kleinen sächsischen Armee während des jezigen Feldzuges in Oesterreich zu nehmen, ja, daß es faſt ſcheint, als hielten ſie die Sachsen theilweis für verantwortlich, hinsichtlich des Unſternes, welcher über Benedek's Armee bei Gitschin und Königgräß gewaltet hat.
Sie
werden mir deshalb vielleicht einige Bemerkung über die Rolle gestatten , welche die Sachsen bisher im österreichischen Feldzuge spielten, und der hohen Meinung zu gedenken , die ihre preußischen Feinde sich über die militärische Wirksamkeit und Tapferkeit derselben einstimmig gebildet haben.
Die sächsische Armee, un-
gefähr 28,000 Mann ſtark, zog sich auf dem linken Ufer der Elbe nach Böhmen zurück , um sich mit der österreichischen Armee zu vereinigen , als die Preußen Mitte Juni in Sachsen einrückten .
Nach dem die Preußen durch Sachsen und
die Laufiz in Böhmen eingerückt waren, überschritten die Sachsen die Elbe unter ihrem Kronprinzen , vereinigten sich mit
dem
österreichischen
1.
Armeecorps
(Clam Gallas) und hatten das erſte Zuſammentreffen mit der preußischen Elbarmee bei Münchengräß
am 28. Juni.
Hier zurückgedrängt , wurden sie am
nächsten Tage, den 29. Juni, bei Gitschin wieder angegriffen, wo sie die Position von Dielec bis spät Abend gegen die achte preußische Diviſion (Horn) vertheidigten, die zur Armee Prinz Friedrich Karl gehörte.
Obgleich ihre Verluste be-
trächtlich waren, besonders nachdem sie genöthigt waren , das Dorf Dielec aufzugeben und sich jenseits Gitschin zurückzuziehen, hatten sie doch mit der größten Unerschrockenheit gekämpft , und die preußischen Truppen waren einstimmig in dem Ausspruche : „ Die Sachsen standen wie die Mauern ! "
Es war bei
dieser Gelegenheit, daß die sächsische Artillerie sehr geſchult geführt, den Preußen große Verluste verursachte und sich den österreichischen weit überlegen zeigte, welche leztere durch die preußischen Batterien Franſecky's (Diviſion Nr. 7) leicht zum Schweigen gebracht wurde. In der großen Schlacht bei Königgräz (3. Juli) nahmen die Sachsen, ungefähr 22,000 Mann ſtark, mit 58 Geſchüßen den linken Flügel der Desterreicher ein, zugleich mit dem 10. Armeecorps Gablenz, und dem
236
Brief eines preuß. Offiziers a. D. über die ſächf. Armee.
achten , welches in Reserve gehalten wurde , da Benedek erwartete , die Preußen würden verſuchen, ſeinen linken Flügel zu durchbrechen und die Verbindung mit Pardubiß abzuschneiden .
Die Sachsen, hinter dem Flusse Bistriß postirt , in und
nahe dem Dorfe Nechaniß, wurden durch das 8. preußische Armeecorps (rheinische) mit großer Heftigkeit angegriffen, hielten aber tapfer Stand bis Nachmittag, wo es Herwarth von Bittenfeld gelang, in ihre Flanken zu fallen, während ungefähr zu derselben Zeit Benedek's rechter Flügel (Kronprinz) bei Chlum durchbrochen wurde.
durch die zweite preußische Armee Obgleich die Oesterreicher gänzlich
zerstreut waren, nahmen die Sachsen doch ihren Rückzug in guter Ordnung gegen Pardubig , wo sie die Elbe wieder überschritten , ungefähr 4000 Mann ( ?? ) und 1 Geſchüß dem ſiegreichen Feinde überlaſſend.
Da ihre Reiterei noch nicht
in Thätigkeit gewesen war , so waren sie im Stande , den Rückz1 g der Destreicher nach der Festung Olmüß zu decken.
Der Zustand derselben nach der Schlacht war ein
ſolcher , daß der österreichische Befehlshaber kein zweites Gefecht wagen konnte. Unter der Deckung der sächsischen Aimee und der österreichischen Brigade Rothkirch gelang es den Desterreichern, einen größeren Theil der Armee von Olmüß durch die Karpathen und das Thal der Waag gegen die Festung Comorn zu führen, während die Sachsen sich nach Preßburg an der Donau zurückzogen, welchen Fluß sie vor dem Gefecht Blumenau und dem Abſchluſſe des Waffenſtillſtandes (den 22. Juli) überschritten.
In der preußischen Armee ist
eine
Meinung, daß die Sachsen die beste Truppe gewesen seien die ihnen im öfterreichischen Kriege gegenüber gestanden , und daß ihre Infanterie die besten österreichiſchen Regimenter übertroffen habe, solche wie „Heſſen“ und „Belgien “, die einſt die berühmte eiserne Brigade bildeten ; in Wahrheit die Sachsen waren das Corps d'élite in der vereinigten Armee.
Die Artillerie feuerte mit größter Ruhe
und Präciſion bei Gitschin ſowohl als bei Königgräß und nur weit überlegene Kräfte brachten sie zum Schweigen ; daß der beste Geist die sächsische Armee befeelte, fann man daraus abnehmen, daß sie ein einziges Geschüß zurückließ, wäh rend ihre österreichischen Kameraden bei Königgräß allein 180 verloren . - Die sächsische Reiterei hatte keine Gelegenheit in Action zu treten , doch wurde diese Truppe immer für eine sehr gute gehalten, und es liegt kein Grund vor, zu bezweifeln, daß, hätte sich Gelegenheit geboten, ſie Thaten verrichtet haben würden, würdig ihrer Väter in dem blutigen Kampfe bei Borodino 1812 , wo das sächsische Regiment Zaſtrow-Küraſſiere die berühmten Rajewski-Schanzen in Ansturm nahm, nachdem mehrfache Infanterie-Angriffe fehlgeschlagen waren.
Bericht eines sächsischen Offiziers über die Schlacht bei Königgrät.
Sie werden gütigst entschuldigen , mein Herr,
237
daß ich ihren kostbaren
Raum so sehr in Anspruch genommen habe , einzig von dem Wunsche beseelt, einer kleinen aber tapferen Truppe Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die durch unglückliche Umstände gezwungen , gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen, ihre militärische Ehre allerwärts bewahrte.
Ein preußischer Offizier a . D. “ Wenden wir uns wieder der ausschließlichen Theilnahme der sächsischen Truppen an der Schlacht von Sadowa oder Königgräß zu . Ueber den Antheil des königlich sächsischen 1. Jägerbataillons an der Schlacht bei Königgräß (am 3. Juli), gab ein Augenzeuge, der königl. sächſiſche Oberlieutenant v . d . A. Richard v. Lindemann, folgenden Bericht, datirt Leipzig, 3. August : „Das königl. sächsische 1. Jägerbataillon hatte am 1. Juli nach einem angestrengten Marsche bei großer Hiße ein Bivouak bei Prim bezogen und denselben auch den folgenden Tag behalten. Infolge des anhaltenden Regens konnte derselbe den ermüdeten Truppen zwar keine große Erholung bieten , vermochte aber auch ihren heiteren Frohsinn nicht zu stören.
Am 3. Juli, früh gegen 8
Uhr, hörten wir Kanonendonner und traten unter Gewehr.
Die 1. Infanterie-
brigade, zu der das 1. Jägerbataillon gehört, nebst zwei Batterien rückte hierauf in dicht geschlossenen Colonnen über den von Nechaniß nach Königgräß führenden Weg einer sanften Anhöhe zu , auf der das Kirchdorf Problus lag , und stellte ſich ſeitwärts dieſes Dorfes, mit der Front nach Nechaniß zu, auf. Während dieser Zeit hatte sich der Kanonendonner verstärkt und von der Höhe aus sah man , namentlich in nördlicher Richtung , einen lebhaften Kampf zwischen zwei langen Geſchüßlinien. Bald aber kräuſelte sich auch nach Nechaniz zu auf einer Anhöhe weißer Dampf gen Himmel, und eine Granate schlug dicht vor uns ein.
Nun fuhren erst eine und so in ganz kurzem Zeitraume sechs Bat-
terien vor unserer Front auf und nahmen den Geſchüßkampf mit den preußischen Batterien an , die auf den mehr verlängerten.
gegenüber liegenden Höhen ihre Linie mehr und
Die feindlichen Geschosse flogen meist über unsere Batterien
weg, und wenn wir weiter rechts gestanden hätten , wären sie in unsere Colonnen gefallen ; so thaten sie uns nur unerheblichen Schaden. Manchmal nahmen die feindlichen Geſchüze das rechts liegende Dorf Problus zum Ziel und zündeten ein Gut nach dem andern an.
238
Bericht eines sächsischen Offiziers über die Schlacht bei Königgrät.
Die Besazung des Dorfes , die 3. Infanterie-Brigade, hatte sich in einen Hohlweg und in alte Lehmgruben postirt und erlitt auch wenig Verluste.
Bis
ezwa Mittags 1 Uhr dauerte dieſer Geſchüßkampf in gleicher Weise fort , während man in nördlicher Richtung die österreichischen Linien ſichtlich avanciren sah und vorbei reitende Generäle und Adjutanten uns den glücklichen Fortgang der Schlacht verkündeten.
Da wurden die vier Bataillone der Leibbrigade mit dem
4. Jägerbataillon in geſchloſſenen Colonnen unter klingendem Spiel an uns vorüber nach dem linken Flügel gezogen, da von dort plößlich Gewehrfeuer tönte, und bald hörten wir das Hurrahrufen dieſer Waffenbrüder und ein knatterndes , ununterbroche, nes Flintenfeuer. Auch die 1. Infanterie-Brigade, und wir mit ihr, rückte nun vorwärts, zwischen dem Dorfe Problus und den fortfeuernden Batterien durch, bis an den Abfall der Höhe.
Dabei kamen wir aber in das Strichfeuer der feind-
lichen Geſchüße, die uns sofort zum Zielpunkt nahmen und Granate auf Granate in unsere Reihen schleuderten. Das 1. Jägerbataillon in halb offener Colonne rückte wie auf dem Exercierplage vor ; die leichte Unruhe, die in einer oder der andern Compagnie entstand, wenn ein paar Rotten unter den feindlichen Geschossen zuſammenſtürzten, war in wenig Secunden stets beseitigt , und wurde der Marsch ruhig und geschlossen fortgesezt.
Die Offiziere marschirten vor ihren Zügen und gaben das schönste Beispiel für ihre trefflichen Leute. - Rechts von der Batterie Richter blieb. endlich das Bataillon halten, während die 4 Infanterie-Bataillone und die übrigen Batterien einige hundert Schritt zurückgezogen wurden , um einen Holzrand zu beseßen, dessen vordere Baumreihen niedergeschlagen und zu einer Art Verhau zusammengefügt waren. Unterdeſſen ſahen wir preußische Colonnen gegen das Dorf Problus anrücken , doch auch in nördlicher Richtung die österreichischen Baiterien noch fortfeuern ; dagegen erregten Rauchwolken rechts rückwärts von uns Bedenken, ebenso auch das links rückwärts sich ziehende Flintenfeuer.
Bei-
des waren Zeichen, daß beide Flügel der Schlachtaufstellung umfaßt waren . Der Befehl zum Rückzug erfolgte.
Die Batterie Richter fuhr ab und wir marschirten nach dem erwähnten Verhau, den wir mit der ersten und zweiten Compagnie beseßten , während die 3. und 4. Compagnie ſich dahinter in Reſerve aufstellten. schüßfeuer war fortwähernd auf uns gerichtet und gräulich in die Baumwipfel ein. kugeln.
Das feindliche Ge-
die Schrapnels schlugen ganz
Bald folgte auch das Pfeifen der Flinten-
Unsere Jäger feuerten aber ruhig und unverdroſſen auf die feindlichen
Zusammentreffen des Kronprinzen von Sachsen mit dem 1. Jägerbataillon.
Linien, welche die Höhe herankamen. im Holze.
239
Da plößlich knatterte es links von uns
Die Preußen hatten den linken Flügel vollständig umgangen, drückten
die uns zur Seite stehenden Bataillone zurück und griffen uns in Flanke, Fronte und Rücken zugleich an.
Die im Verhau stehenden beiden Compagnien waren.
im Augenblick von Kugeln überschüttet, verloren ihre beiden Hauptleute (v. Ende und v. Petrikowsky) , die meisten Offiziere (Oberlieutenant v. Egidy von Hake und Lieutenant Graf von Holzendorff) und eine Menge Leute und mußten sich auf die Reserve-Compagnien zurückziehen. Diese nahmen, aus dem Holze tretend, die 1. und 2. Compagnie auf, formirten sich rasch und seßten, vom feindlichen Flinten- und Kartätschenfeuer überschüttet, den befohlenen Rückzug mit wahrhaft musterhafter Ruhe fort. — Die ganze Fläche war mit flüchtigen anderen Truppen und mit Fuhrwerk aller Art bedeckt. hielt unser Kronprinz.
Hinter dem kleinen Dörfchen Freihof
Das Bataillon hielt bei ihm an, und ein Jäger brachte
ein Hoch auf den geliebten Prinzen aus , der so unerschrocken und im dichtesten Kugelregen in der Mitte seiner Soldaten hielt ; Alles stimmte begeistert ein und
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der Kronprinz sagte:
„Ihr braven Leute, das verdient Ihr aber auch, daß ich
bei und unter Euch bleibe.
240
Bericht eines sächsischen Offiziers über die Schlacht bei Königgrät . Bis nach Pardubiß hielt sich das Bataillon nun fest um den Prinzen
geschaart, ihm gewiſſermaßen als Leibwache dienend.
Während dessen kamen
von allen Seiten sich zurückziehende Truppenmaſſen an und dirigirten sich auf dem Glacis
wegen der im Zickzack dem Thore der Festung zuführenden Straße
ein gräuliches Durcheinander entstand .
Die Wasserwerke waren geöffnet worden
und die quer hinübergehenden Soldaten sahen sich auf einer kaum erst noch trockenen Wiesenfläche plöglich in ein immer tiefer anschwellendes Wassermeer verſeßt; Hunderte ertranken.
Auf dem engen Wege drängte sich nun Alles zusam-
men, Kanonenfuhrwerke stürzten um , die fliehenden Soldaten der italieniſchen Regimenter schossen ihre Gewehre ab, kurz , es war wie beim Uebergang über Das erste Jägerbataillon, den Kronprinzen nicht aus den Augen
die Beresina.
verlierend, wand sich, Mann dicht an Mann gedrängt, und marschirte, die Stadt links liegen lassend , auf der Eisenbahn nach Pardubig. - Der Verfolgung der Preußen war durch die aufgefahrene Geſchüßreſerve Halt geboten worden.
Dieſe
Geschüße sollen Tags darauf dadurch verloren gegangen sein, daß die Brücke bei Pardubiß zu zeitig gesprengt worden ist. — Einen erhebenden Eindruck machten bei dem schrecklichen Durcheinander
zwei Muſikbanden ,
auf der
wälzenden Menschenknäuels
engen Straße dahin
die,
seitwärts
des
sich
auf einer Wieſe
ſtehend, die Nationalhymne und den Radezkymarſch ſpielten , um die Fliehenden zu ermuthigen und zur Ehre zurückzurufen.
Der Marsch nach Pardubiß war
durch die vielen Fuhrwerke, Reiter, u . s. w. einer der beschwerlichsten. Das erste Jägerbataillon ſtand am 28. Juli , nachdem es am 26. Juli durch Preßburg marschirt, in Bruck an der Leitha. " Als
eine zur Schlacht bei Königgräß gehörende Thatsache schrieb der
Special-Correspondent der Pariser „France " Folgendes : Jeder Tag bringt eine Darstellung neuer Epiſoden jener blutigen Schlacht von Sadowa , die unzweifelhaft eine der mörderiſchſten ist, die man in die Annalen des Krieges eintragen kann ; und so theilt man uns heute ein intereſſantes Actenstück über das vom Kronprinzen von Sachsen befehligte Armeecorps mit. Dieses Corps, welches etliche 20,000 Mann zählte, befand sich auf dem linken Flügel zwischen dem 8. und 10. Armeecorps ; überrascht von der Niederlage der Desterreicher, wurde der Kronprinz genöthigt, seinen Truppen den Befehl zu geben, ihren Widerstand einzustellen und sich auf Brünn zurückzuziehen, um die zu seiner Rechten befindliche Brücke zum Uebergang auf das andere Elbufer zu benußen. In dem Augenblicke jedoch, in welchem seine Colonnenspißen die Brücke eben
241
Brief des sächsischen Feldprobsts Dr. Fride.
erreicht hatten , überbrachte ein Adjutant des Generals Benedek Sr. königlichen Hoheit den Befehl , ſich auf Pardubiß zurückzuziehen .
Der Prinz führte dieſe
shwierige Bewegung mit der rulizen Entschlossenheit eines alten Soldaten aus und überschritt das ganze Schlachtfeld mit ſeiner Armee, indem er sich durch die feindlichen Colonnen und die fliehenden Truppen der Verbündeten einen Weg bahnte und ſo in guter Ordnung an dem Punkte anlangte, der ihm angegeben worden war, ohne durchbrochen worden zu sein und unter Erhaltung seiner gefammten 59 Geſchüße zählenden Artillerie , von denen ein einziges , von einer Kanonenkugel demontirtes, in einem Graben zurückgelaſſen wurde.
Die ſächſiſche
Reiterei, welche keine Gelegenheit zum Einhauen gehabt hat, ist intact und haben am 4. Morgens von 22,000 Mann , welche an der Schlacht Theil genommen haben sollen ,
15,000 beim Aufruf geantwortet, Abends ſich aber noch 3000
Verspätete im Lager eingefunden. " Den Schluß dieses Abſhnittes
möge der veröffentlichte Bericht eines
Mannes bilden , dessen Stellung bei der sächsischen Armee eine derartige ist, welche ihm , wenn wir uns das Gleichniß erlauben dürfen, weit eher als jedem anderen nicht unmittelbar zum Generalstabe gehörenden höheren Offizier gestattet hat, das Geschehene genau kennen zu lernen.
Sein Stand shon an und für
ſih giebt seinem Bericht den Stempel größter Glaubwürdigkeit , er macht ihn so zu sagen zum unparteiischen , aber gut unterrichteten Zuschauer. königlich ſächſiſche Feleprobst Profeſſor Dr. Fricke aus Leipzig.
Es ist der
Er schrieb aus
Heßendorf bei Wien folgenden auf manche Unfertigkeiten und Nachläſſigkeiten Seiten der Nordarmee ein starkes Streiflicht fallen lassenden , vom 16. Auguſt datirten Brief: „ Die Liebe zu den Sachsen , die große freundliche Gaſtlichkeit der Oeſterreiher , die stramme , feste, ungebrochene Haltung unserer Soldaten kann ich Ihnen vollständig bestätigen, und wer wie ich den größten Theil der Strapagen in den keineswegs geringen Maßen seiner Stellung mit durchlebt, die doch nicht im Verhältniß stehen zu dem des gemeinen Soldaten, wer das Ungeheuere, was diese Wochen vor allem der fächſiſchen Armee ſeit ihrem Ausmarſche aus Sachſen gebracht haben, in nächster Nähe an sich vorübergehen sah , der darf das allgemeine Urtheil des Feindes und Freundes unterschreiben ,
daß die sächsische
Armee auf den Märschen und in der Schlacht sich in der , wir dürfen ſagen, überraschendsten Weise bewährt hat. Ich hörte in Zwittau kurz nach der Schlacht einen intelligenten Bricgbereignisse.
österreichischen Hauptmann vor einem sehr großen Kreise 16
242
Brief des sächsischen Feldprobsts Dr. Fride.
österreichischer Offiziere unter voller Einſtimmigkeit derselben aussprechen," daß der Preis
der Haltung ,
namentlich
der eisernen Ordnung bis zulet,
auch im
schlimmsten Feuer während der Schlacht bei Königgräß, unleugbar den Sachſen gehöre, und demnächst der „superben " österreichischen Artillerie.
Daß auch die
ſächſiſche Artillerie ganz Ausgezeichnetes geleistet hat , iſt unbestrittenes Urtheil. Und inmitten einer österreichischen Infanterie-Colonne bei Markt-Turnau , in die ich mich unbemerkt mischte, hörte ich kurz nach den Schlachten bei Gitſchin und Königgräß , ausnahmsweise einmal Deutsch, einen gemeinen Soldaten zu den andern buchstäblich sagen: „Die Sachsen, das sind ganze Kerls. nimmt's mit drei Preußen auf. "
So ein Sachſe
Als der gemüthlich daneben Marſchirende es
nicht ganz verstanden hatte und fragte :
„Was ſagſt Du ? " mochte er sich beſin-
nen, daß er doch den Mund etwas voll genommen habe, und wiederholte : „Na, ich sage, die Sachſen , das ſind tüchtige Kerls ; zwei Preußen nimmt Dir einer auf sich.
Wir haben auch wohl solche Regimenter, aber die Sachſen, das
ſind ganze Kerls. “ Ich bin überzeugt und glaube es zu wiſſen, daß die Preußen ähnlich über die Tüchtigkeit der sächsischen Armee haben urtheilen lernen .
Ge-
litten hat die sächsische Armee viel weniger als angenommen wurde.
Die
Wirkung des Schnellfeuers der Zündnadelgewehre ist vielleicht überhaupt faſt mehr noch eine moralische als physische.
Aber weitaus die meiſten und schwersten
Kranken , die ich in den Hospitälern an Typhus , Ruhr , Schmerzen durch den ganzen Leib , Lähmungen 2. gefunden habe, sind in den Zuſtand dadurch gekommen , daß sie nach der Schlacht bei Königgräß, von dem Tageskampf und dann der Retirade erhißt, zum Theil 6-8 Mal durch's Wasser mußten .
Selbst
diejenigen Nichtverwundeten, welche das Glück hatten, in die Festung Königgräg gelaſſen zu werden, mußten zum entgegengesezten Thore noch in derselben Nacht hinaus und lagen in nassen Kleidern selbstverständlich unter freiem Himmel. Ueber die Köpfe der voranwatenden und schwimmenden Infanterie und ſinkenden Cavalerie hinweg sind , wie mir wiederholt Betheiligte in den Lazarethen oder sonst erzählt, die Nachstürmenden wie über Brückenwege zum andern Ufer gegangen.
Es waren entweder keine Brücken da , oder sie waren den Soldaten
nicht bekannt gemacht.
Und obwohl nicht Militär und nicht wissend , daß dort
eine Schlacht stattfinden sollte , habe ich selbst , zwei Tage vor der Schlacht, in Königgräß tiefe Besorgniß ausgesprochen über den Zustand der Brücken , die ich vor mir sah.
Die Oberleitung scheint den Fall des Verlustes der Schlacht nicht
in ausreichende ernste Erwägung gezogen MU zu haben. SE L H S I T I BR
Auch die österreichischen
243
Die ersten Ereignisse nach der Köaiggräßer Schlacht.
Lazarethe zeigen, welche ungeheuere Verluste, namentlich an Kranken, von diesem selbst den Laien unbegreiflichen Verhalten die Folge sind. König ist in Schönbrunn.
Unser verehrter
Der rastlos thätige Kronprinz ist mit der Kron-
prinzessin im sächsischen Hauptquartier zu Heßendorf bei Wien , in dem kleinen aber sehr alten kaiserlichen Schlosse daselbst , welches vor einigen Jahren zur Aufnahme des Erkönigs von Neapel neu eingerichtet worden war. - Eine katholische Kirche für unsern evangelischen Militärgottesdienst zu erlangen , hat bis jezt nicht gelingen wollen .
Nächsten Sonntag (19. August) werden wir,
da sächsische Truppen nahe liegen , zum ersten Mal Gottesdienst in der evangelischen Gumbendorfer Vorstadtskirche zu Wien halten dürfen.
Mit der liebens-
würdigsten Liberalität ist uns dieſe ſchöne, allerdings nur etwa 3000 Mann fassende Kirche Sonntags und Wochentags zur Verfügung gestellt, soweit es nur immer der Gemeindegottesdienst erlaubt, ja selbst über diese Grenze hinaus. Leider liegen, nachdem jezt auch die 12,000 Mann durch Ungarn glücklich nachgekommen sind , unsere Soldaten weit davon .
Und bis zu Wiener-Neuſtadt
hinunter, wo eine ganz kleine proteſtantiſche Kirche ſich befindet, ist in der ganzen Umgegend Wiens kein evangelisches Gotteshaus . " Die Ueberschägung ihrer eigenen Streitkraft und die damit verbundene. Geringachtung des Feindes sind nach allem , was über die nun bereits geschilderten Schlachten bekannt geworden ist , die unsichtbaren Hebel zu dem Mißerfolge geworden , den Oesterreich eingeerntet hat.
Den Kriegslorbeer ſo gleich-
sam im Fluge sich entwunden sehen zu müssen, ist eine harte Prüfung, das wird Jeder zugestehen ; aber ob das erlebte Unglück eine Schule gewesen sein wird, aus der Oesterreich mit ihm aufgezwungenen Erfahrungen eine neue Laufbahn einschlägt , das ist eine Frage, die fast im Voraus mit „ Nein “ zu beantworten ſein dürfte, weil dazu eines Herkules Kraft gehört, um der Welt die zur Wahrheit gewordene Mythe
von Ausräumung
des
Augiasstalles
vor Augen zu
führen.
Die ersten Ereignisse nach der Königgräßer Schlacht. Der Eindruck, den die Niederlage der Nordarmee auf die Bevölkerung Desterreichs hervorbrachte , war um so furchtbarer, als man dem Publikum den Stand der Dinge auf dem böhmischen Kriegsschauplage lange Zeit gefliſſentlich verheimlicht oder gar in ganz entgegengeseßter Weise dargestellt hatte. Natürlich 16*
Oesterreich. -
241
Klagen.
war die Enttäuschung , die Erkenntniß der Wahrheit um so größer.
Wie groß
die Aufregung der Gemüther taturch war , darüber gab folgende vom 3. Juli datirte Schilderung des österreichischen vielgelesenen Blattes
Ost -Deutsche Post"
eine tiefeingehende Anſchauung: „In dem Augenblicke , wo wir diese Zelen niederschreiben , steht das Schicksal der Monarchie auf dem Spiele.
Bis geger 3 Uhr scheint das Glück
der Schlacht uns nicht abbold gewesen zu sein.
Die Positionen im Centrum
des Feintes wurden von uns mit aller Energie behauptet. blicke an aber wendete sich das Schicksal.
Von diesem Augen-
Die in später Nacht uns zugehenden
Telegramme und Privatnachrichten enthalten wir uns zu veröffentlichen.
Wir
zittern, es auszusprechen — aber Alles deutet darauf hin, daß wir uns auf eine große Trauerbotschaft gefaßt machen müssen.
Noch in diesem Augenblicke wird die
mit Löwenmuth gekämpft, aber das Wort erstarrt uns unter der Feder Schlacht scheint verloren ! will es sagen ?
Was die nächsten Tage uns bringen werden
wer
In so düsteren Momenten soll Niemand es unternehmen, ſich
mit der Zukunft zu beschäftigen.
Es gilt, mit Besonnenheit den Anforderungen
des Augenblicks zu begegnen. “
Dann ergeht sich die „ Oft-Deutſche Poſt “ in
Anklagen gegen Baiern.
„ Alle Welt muß sich heute fragen :
Bundesgenossen , die Baiern ?“
„ Wo sind unsere
Höhnisch_rufen uns bereits seit mehreren Tagen
die czechischen Blätter zu : „Wo sind denn Eure deutschen Brüder?
Das Schick-
fal Desterreichs, das Schicksal Sachſens -wer hat es auf seinem Gewissen, als Baiern , das beize in der Stunde in der dringensten Gefahr so schmählich im Stiche ließ, als es die standhafte , chrenhafte hannoverische Armee die Waffen zu strecken nöthigte.
Eind wir das Opfer eines Verrathes?
Sind wir das
Opfer eines Intriguanten, der uns als ein falscher Freund ſicher machte, während er heimlich mit Bismark unter einer Decke spielte?
Die nächste Zeit muß den
Schleier von diesem Geheimniſſe wegziehen. “ Das war em Klagelied des Jeremias , welches ſelbſtverſtändlich in jedes Desterreichers Herz wie ein schneidend Schwert dringen mußte.
Das Lügen.
gebäude, das men so kunstvoll vor den Augen des wackeren österreichiſchen Volkes aufgeführt und mit allen nur denkbaren Mitteln der Perfidie gestügt, war mit der Niederlage am 3. Juli plößlich zuſammea gebrochen. Das österreichiſche Volk befand sich genau in der Lage eines Mannes , der in frühester Kindheit erblindet, durch eine im Mannesalter an ihm vollzogene gewagte Operation sein Argenlicht plöglich wieder erhält und vor ter ungewohnten Helle des
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Gute Lehren aus schlimmen Erfahrungen. Tageslichtes shaudernd zurückfährt.
Alles sicht er mit einem Male anders , als
seine Phantasie es ihm vorgespiegelt hat , er fühlt sich wie nüchtern von einem Rausche werden
er war so eingeweiht in die Träume seiner Blindheit, daß die
Erkenntniß , wie sehr er von Täuſchungen umfangen gewesen, ihn faſt ſinnenwirr machte.
Jr, um das Licht ist es etwas Wunderbares , die Blindheit für
den einzelnen Menschen beklagt Jeder als ein trauriges Geschick,
die geistige
Blindheit eines Volkes ist aber ein nicht überſelbares Unglück. Die österreichischen Zeitungsschreiber boten dem lesenden Publikum einen wirklichen Miſchmasch von Anschauungen über die Lage des Kaiserstaates nach der Königgräger Edlacht , sodaß befangene Leser, wenn sie drei oder vier der verschiedenen Blätter durchstudirt hatten , erst recht nicht wußten, was sie denken und glauben sollten, nur Eins stand fest , daß die Nordarmce zertrümmert wor den war. Die Wiener " Presse" sagte recht bittere Dinge , die manchem Hochgestellten gewaltig in die Nase fahren mußten, weil er sich bewußt war, bei den glücklichen Zuständen Oesterreichs ſeine Hand rührig genug mit im Epicle Folgender Artikel der Wiener „ Presse" konnte als ein wahrer
gehabt zu haben.
Quell bitterer Wahrheiten gelten: „Bei dem höchst vortheilhaften ſtrategiſchen und tactiſchen Dispoſitionen, welche von österreichischer Seite getroffen wurden , muß die Quelle des Mißerfolges unserer Nordarmee in den überlegenen Waffen des Feindes und in seiner hochentwickelten Menöverirkunst gesucht werden.
Es ging uns
in dem Kampfe gegen Preußen, wie so manchem Grundherrn , der von seinen ehemaligen Hinterſaſſen zu Grunde gerichtet wird .
Bei uns fand sich alle jene
Selbstüberhebung und Lässigkeit, die der historische Glanz des Reichs erzeugte ; bei dem Gegner flug berechnendes Abwägen der gegenseitigen Mittel und Kräfte, Rührigkeit, lurz jede Eigenſchaft, die dem Emporkömmling eigen ist. Preußen über das Schlaraffenthum, in das wir uns hineingelebt.
So siegte Die Lehre,
welche wir erhalten haben, wurde unendlich theuer bezahlt mit dem Blute Tansender, bezahlt mit Millionen und den großen politischen Gefahren welche gegenwärtig über dem Reiche schweben : das Alles wird jedoch nicht verloren sein, wenn man bei uns zur Erkenntniß gelangt, daß Unterricht und Arbeit die Grundlagen bitten, auf welchen heutzutage die Staaten aufgebaut werden müſſen ; wenn man in unsern maßgebenden Kreiſen hinfort Desterreich nicht für prädestinirt und gegen alle Gefahren gef.it halten , wenn der Verblendete sich für unfehlbar
246
Großer Entschluß.
haltender Dünkel gewisser Kasten und Stände nicht mehr als bewegende Kraft an unserem Staatsruder stehen wird . " An der aalglatten und hartgesottenen Natur der österreichischen Staatslenfer prallten natürlich diese Pfeile ab , indeß sie machten doch wo anders bei dem denkenden Theil des lesenden Volkes gewaltige Breschen in die gemüthliche Ruhe und Sicherheit, in die sich derselbe hatte hinein zaubern lassen.
Daß der
Erzherzog Albrecht , welcher den Italienern bei Cuſtozza die schon geschilderte Schlappe beigebracht hatte, mittels veröffentlichtem Telegramm an den Kaiser geschrieben:
„ Die Niederlage der Nordarmee ist ein großes Unglück, aber deswegen
doch nichts verloren .
Im Jahre 1809 folgte auf die Niederlage bei Regens-
burg der schönste Sieg bei Aspern.
Auch jezt steht ein Gleiches in Aussicht,
wenn weder bei der Armee noch bei dem Volke Kleinmuth auffommt. " Er brauchte nicht erst aufzukommen , er war schon fix und fertig da, ein Gespenst, das sich nicht so leicht vor Geisterbeschwörungen fürchtet und denselben weicht.
Erzherzog Albrecht ist gewiß ein recht tüchtiger Offizier, aber gegen solche
Feinde, die sich in den Herzen einer Armee und eines Volkes einnisten , wäre e² doch nicht aufgekommen.
Die Preußen ſind eben keine Italiener , gegen die es
vielleicht leichter zu kämpfen und zu siegen ist.
Sie fassen den Stier nicht bei
den Hörnern , wenn sie nicht wissen , daß sie ihm auch in den Seiten und von hinten zu Leibe können .
Benedek erfuhr diese preußische Maßregel zu seinem
Verderben in der Königgräßer Schlacht , als sie in aller Stille die hinter ihm gelegene Stellung von Chlum beſeßten und dadurch den Sieg an ihre Fahne fesselten. angenehm
Und den maßgebenden höchsten Wiener Kreisen mußte es höchst unerscheinen ,
daß
die meisten der Zeitungen der Ueberzeugung Aus-
druck gaben, daß es zur Fortsetzung des Krieges der Anspannung aller Kräfte des Kaiserstaates und eines Aufschwungs des Volkes bedürfen würde , der nur allein durch das Einlenken der Regierung in volksthümliche und verfassungsmäßige Bahnen erzielt werden könnte. In der österreichiſchen Diplomatenwelt gährte ein großer Gedanke , der Preußen gegenüber nichts mehr und nichts weniger als ein Riegel auf deſſen Siegesbahn, 1nd hoffentlich , wenn das Glück günstig sich erwies , ein rettungsloses Niederwerfen dieser Feindesmacht sein sollte.
Die Veröffentlichung dieſes
ungeheueren Gedankens geschah zum Erstaunen der ganzen civilisirten Menschheit mittels folgenden Telegramms :
247
Venetiens Cession .
„ Paris, 5. Juli.
Der heutige „ Moniteur " meldet : Eine wichtige That-
sache hat sich vollzogen.
Der Kaiser von Desterreich hat , nachdem die Waffen-
ehre in Italien gewahrt, unter Zustimmung zu den Ideen des Kaisers Napoleon, die derselbe in seinem, unterm 11. Juni an Drouyn de Chuys gerichteten Briefe dargelegt, Venetien an den Kaiser der Franzosen cedirt und dessen Vermittelung angesprochen zur Herbeiführung des Friedens unter den Kriegführenden.
Der
Kaiser Napoleon hat sich sofort an die Könige von Preußen und von Italien zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes gewandt. “ Es lag so flar auf der Hand , daß Desterreich mit dieser Gession an den Kaiser von Frankreich mit einem Schlage zwei Gegner treffen wollte , denn es war nicht anzunehmen, daß Napoleon einen Besig wie Venetien an die Italiener großmüthig hingeben würde. Dadurch war den mit Preußen alliirten Italienern, wenn sie nicht Frankreich als Feind auf den Hals haben wollten, das fernere Vorgehen gegen Venetien unmöglich gemacht, weil dieses Object, um deſſen Beſiß sie den Krieg begonnen , eben nicht mehr österreichisch, sondern franzöſiſch war und Jedermann erkannte die Absicht Oesterreichs , die Südarmee, die bis jezt Venetien vertheidigt hatte , gegen die Preußen zu verwenden.
Indeß , es giebt
eine alte Wahrheit , daß zuweilen der geschleuderte und anprallende Stein auf ſeines Schleuderers Haupt zurückfällt, Oesterreich erlebte dies Beiſpiel an ſich ſelbſt. Hinsichtlich der dieſer Ceſſion vorhergehenden Umstände erfuhr man Folgendes aus Paris durch ein Extrablatt der „France ": „Wir haben folgende Informationen erhalten.
Es war in der Nacht
vom 3. zum 4. Juli, als der Kaiser von Oesterreich das definitive Reſultat der Schlacht von Sadowa erhielt.
Bereits gegen Morgen fanden vielfache Aus-
wechselungen von Telegrammen zwischen dem Hofe von Wien und den Tuilerien statt.
Drouyn de Lhuys wurde mehreremale nach den Tuilerien beschieden, wo-
ſelbſt er fast den ganzen Tag zugebracht hat. Gegen 8 Uhr Abends suchte Fürst Metternich den Kaiser auf, bei dem er Drouyn de Lhuys fand. Der österreichische Botschafter hatte auf telegraphischem Wege unbeschränkte Vollmacht zur Unterhandlung erhalten.
Als Folge dieser Zusammenkunft ist heute Morgen
die (bereits in obenſtehenden Zeilen erwähnte) Note im „ Moniteur“ erschienen. Bei Abgang der Depesche sing man in Paris an, die Häuser mit Flaggen zu schmücken. Die Hauptstellen des kaiserlichen Briefes vom 11. Juni, welcher nach der neuesten Moniteur-Note die Friedensgrundlage bilden soll, lauten wörtlich:
248
Napelcene III. Brief esm 11. Jrxi.
„Der entstandene Conflict hat drei Ursachen: die schlecht abgegrenzte geographische Lage Preußens , den Wunsch Deutſchlands nach einer ſeinen allgemeinen Bedürfnissen mehr entsprechenden politiſchen Reconstituirung , und die Nothwendigkeit für Italien, ſeine nationale Unabhängigkeit zu sichern. Die neutralen Mächte konnten nicht den Willen haben , sich in die inneren Angelegenheiten fremder Länder zu miſchen , nichts desto weniger hatten die Höfe , welche an den den deutschen Bund constituirenden Vorgängen Theil genommen haben, das Recht zu prüfen, ob die verlangten Veränderungen nicht der Art waren, daß durch sie die in Europa festgestellte Ordnung compromittirt würde.
Wir hätten,
was uns betrifft, für die Nebenstaaten des deutschen Bundes eine engere Vereinigung, cine mächtigere Organisirung ,
eine bedeutsamere Rolle gewünſcht;
für Preußen mehr Homogenität und Kraft im Norden , für Leſterreich die Aufrechterhaltung seiner einflußreichen Stellung in Deutschland.
Wir hätten ferner
gewünscht, daß Oesterreich gegen eine angemessen: Entschädigung Venetien an Italien abtreten könnte ; denn, wenn Cesterreich in Gemeinschaft wit Preußen , und ohne Bedenken gegen den Vertrag von 1852 , im Namen der deutschen Naticnalität einen Krieg gegen Dänemarî geführt hat , ſo ſchien es mir gerecht , daß es dasselbe Prinzip in Italien anerkannte , indem es die Unabhängigkeit der Halbinsel vervollſtändigte. - Dieses sind die Gedanken, welchen wir im Intereſſe der Ruhe Europas Geltung zu verschaffen versucht haben würden.
Heute steht
ez zu befürchten , daß das Loos der Waffen darüber allein entscheide.
Welches
ist Angesichts dieser Eventualität die Frankreich zukommende Haltung?
In dem
Kampfe, welcher auf dem Punkte steht auszubrechen , haben wir lediglich zwei Interessen: die Bewahrung des europäischen Gleichgewichts und
die Aufrecht-
haltung des Werfes, zu deſſen Auſbau in Italien wir beigetragen haben. “ Welch' regen Antheil Napoleon an dem Kampfe Preußens gegen Desterreich und seine Verbündeten nahm, bestätigt dieser Artikel der „France “ vollſtändig und darin liegt der Beweis , wie sehr dieses gekrönte Haupt auf Alles ſein Augenmerk gerichtet hat, was deutsche Verhältniſſe anlangt. seinen politischen Schachzügen riel Unglück.
Desterreich hat mit
Hätte es die Theilnahme an dem
vom Kaiſer Napoleon zuſammenberufenen Congreß nicht ſo entschieden in ciner am 1. Juni nach Paris geschickten Note abgelehnt, so wäre der Krieg nicht zum Ausbruch gekommen , denn Preußen hatte die Einladung zum Congreß bereitwilligst angenommen.
Desterreich war damals zum Anfange Juni freilich
noch von der Gewißheit gehoben , daß seine starke Armee unüberwindlich sei.
2-19
Enttäuschungen .
Deshalb wies es jede Zumuthung einer Gebietsabtretung als mit seiner Ehre und Würde unverträglich zurück.
Das fam nun Alles anders , das stricte Gegentheil von dem erfolgte, was Desterreich erwartet hatte, eine Enttäuschung solgte der anderen und nichts in der Welt ist schmerzlicher als Enttäuschungen und noch gar solcher Art, wie Desterreichs Hoffnungen erfuhren.
In einem kaum zehntägigen Feldzuge ſo zu
Boden geworſen , ſo zerſchmettert zu werden, das gehört allerdings unter die nie dagewesenen Dinge. Keine Menschenseele würde sich verwundert haben, wenn Desterreich einem seiner Gegner Friedenkauerbietungen gemacht hätte.
Würde es
wegen Venetien nach der Schlacht von Cuſtozza, in der die österreichiſche Militärehre doch gewahrt wurde, mit Italien in Verhandlungen ſich gefeßt haben, ſo dürfte es Italien von der Verbindung mit Preußen vielleicht haben loßreißen können, denn im Katechismus der Diplomatic ist das Wort „ Treue“ sehr unleserlich gedruckt und man hat Beiſpiele , daß Staatsmänner ſtatt deſſen „ Reue“ gelesen haben, welcher veränderte Begriff ſie alszann verleitete, ein gutes Anerbieten anzunehmen. Um eine Provinz loszuwerden , die ihm nicht nur entfremdet, sondern eher ein Grund der Schwächung, als der Stärĉe geweſea ist, wendete ſich Sefterreich an einen ausländischen Regenten ! dieſe Handlungsweiſe iſt gerade nicht erhebend für die deutsche Ehre, denn man braucht sehr wenig Klugheit dazu , um einzusehen , daß diese österreichische Geſſion eine Schmeichelei für Napoleon sein sollte, um ihn sich zum guten Freunde zu machen , ihn , dessen Politik nicht von der Art ist, daß Deutschland sich über dieselbe täuschen kann.
Sein Ziel ist,
Deutschland womöglich abhängig zu erhalten; ein großes starkes Deutſchland macht selbstverständlich einen Strich durch diese napoleonsche Rechnung.
Vene-
tiens Abtretung war ein österreichischer Winkelzug, der keine Frucht getragen hat, denn Desterreich errang nichts damit , als daß es eben dieſe Provinz abtrat, die ihm viele Millionen gekostet hat und daß es dem andern Gegner 30 Millionen Gulden beim Friedensſchluſſe zahlen mußte, durch den es ſich zugleich von jeglicher Art Herrschaft und Einfluß in Deutschland ausgeſchloſſen zu erklären sich gezwungen sah. Niemand konnte mit dieſem öſterreichiſchen Geſſionéſpiele sich einverstanden nennen, denn Deſterreich hatte ja erſt vor faum fünf Wochen in seiner CongreßAblehnung behauptet, daß Benetien im Interesse Deutschlands und als Bollwerk für dasselbe festgehalten werden müsse und daher nicht als Object für den Frie-
250
Militärisches.
denscongreß dienen könne.
Wenn das nun wirklich gewesen wäre , so beging
Desterreich ein Verbrechen ohne Gleichen , wenn es dies unumgänglich zur Erhaltung und Sicherung Deutschlands nöthige Bollwerk hingab ; indeß die öſterreichisch gesinnten Zeitungen waren nicht in Verlegenheit , der Welt die Ceſſion Venetiens an Kaiser Napoleon III. als eine Großthat einleuchtend zu machen. Das „Fr. J. “ nannte die Gession sehr blumenreich einen Act der Selbstverleugnung , die Amputation eines Gliedes um den Körper zu erhalten , etwas ausnehmend Muthvolles , ein Beispiel starken Herzens , und doch wußte Jeder , daß ſie ganz entſchieden gegen Preußen gerichtet war.
Einen Nugen trug Oesterreich
allerdings die Abtretung Venetiens ein, nämlich den, daß eine Wunde an seinem Körper sich schloß , durch deren Offenſein es einen ansehnlichen Theil "seiner Kraft verlor. Wenden wir uns wieder den friegerischen Begebenheiten zu , welche der Schlacht bei Königgräg unmittelbar ſich anſchloſſen. Die Beschießung der Festung Königgräß
war die nächste Folge des
Sieges , indeß führten die Preußen keine oder zu wenige Belagerungsgeschüße mit sich, um dieselbe kräftig handhaben zu können.
Die dem Commandanten
der Festung vorgeschlagenen Capitulationsbedingungen erklärte derselbe für unannehmbar, aber er erbot sich , preußische Gefangene auszuwechseln , wenn man die Abführung von 45 höheren österreichischen Offizieren , die dort schwer verwundet lagen, gestatten wolle.
Se. Majestät der König von Preußen erlaubte
sofort, daß alle verwundete österreichische Offiziere, wenn dieselben ihr Ehrenwort geben, in dieſem Kriege nicht mehr gegen Preußen dienen zu wollen , frei in ihre Heimath zu entlaſſen ſeien.
In besonderen Fällen war diese königliche Er-
laubniß auch auf gesunde, gefangene Offiziere ausgedehnt worden. Unterdeß das königliche Hauptquartier sich in Horsiz befand , rückte ein. preußisches Corps auch von Ratibor in Schlesien in Desterreich (Troppau) ein, und wendete sich nach Mähren zu.
Benedek, der sich nach Brünn zurückgezogen ,
wurde auch von Krakau durch den Einmarsch einer preußischen Truppen-Abtheilung abgeschnitten , denn ein Landwehrbataillon rückte nach einem raſchen fünfstündigem Marsche auf der Chaussee unter Führung seines Majors und unter Trommelschlag in Jägerndorf ein.
Sofort verlas auf dem Ringe (Markt) der
Major eine in deutscher und mährischer Sprache verfaßte Proclamation, die auch vielfach vertheilt wurde , daß den Einwohnern , wofern sie sich in das Unvermeidliche fügen würden, kein Haar gekrümmt werden solle. Die anfangs erschrockene
251
Furcht vor den Preußen.
Einwohnerschaft , welche bei der Ankunft des Bataillons
rasch alle Läden ge-
schlossen und den schlimmsten Vandalismus gefürchtet hatte, faßte bald Vertrauen und nahm die ihr octroyrte Einquartierung Haus
nicht unter 10 Mann auf ein
ruhig auf. Auch besezte preußisches unter Commando des Generals von Knobels-
dorf stehendes Militär außer (wie schon gemeldet) Troppau , die Ortſchaften Olbersdorf und Freudenthal in ansehnlicher Stärke.
An allen Straßen in den
beſeßten Orten wurde eine Bekanntmachung angeschlagen , wornach die Grenzstädte Neustadt, Leobschüß, Ratibor, Rybnik, Pleß, Beuten u. s. w . für den Fall einer Verrätherei oder Spionage unter die strengste Militärgerichtsbarkeit gestellt werden. Im ganzen Oesterreicher Lande griff eine Panik um sich, welche durch alle Schichten der Bevölkerung sich Bahn brach ; „ Preußen “ dieser Name brachte die Leute zum Erbleichen.
Obwohl man gegen die preußischen Krieger nichts
aufbringen konnte, was irgendwie deren strenge Mannszucht nur im Geringsten hätte bezweifeln laſſen können, ſo ſchienen die Oesterreicher doch ganz denselben Grausen verfallen zu sein, welches im ſiebenjährigem Kriege die Leute empfanden, wenn es hieß :
„ Die Rothmäntel kommen ! "
Die Rothmäntel gehörten zu den
lieblichen Volksstämmen, von deren Nachkommen noch heutzutage der östlichste Theil des Kaiserstaates bewohnt wird , wie z . B. Panduren,, Sereczaren und andere, die als ausgezeichnete Kopfabſchneider in früheren Zeiten berühmt waren und in der österreichischen Armee , welche gegen Friedrich den Großen kämpfte, ungefähr die Stelle der Bluthunde einnahmen , welche die gutherzigen Spanier bei der Eroberung des mexikanischen Reiches gegen die dortigen Völkerschaften in Anwendung brachte, die auch in neuester Zeit von Seiten der südstaatlichen Barone als sehr brauchbar zur Heße gegen entlaufene Sclaven , ja ſelbſt im Kampfe gegen die Unionsarmee gebraucht wurden. Die Desterreicher verloren förmlich den Kopf in
der Angst vor den
Preußen. Kaiser Franz Joseph erließ in diesen Tagen der Furcht folgendes Manifest, um seine Völker aus dieser Trostlosigkeit wieder ein wenig aufzurichten, ihnen Muth einzuflößen: „Das Unglück, welches die Nordarmee betroffen , hat mein Herz tief erschüttert ; aber mein Vertrauen gegen die Hingebung meines Volkes , auf den Muth der Armee , auf Gott und mein gutes Recht hat nicht gewankt,
232
Kaiserliches Manifeft.
Ich habe mich an den Kaiser der Franzosen gewendet , um einen Waffenstillstand in Italien herbeizuführen.
Der Kaiser ist dem nicht nur auf
das Eiligste entgegengekommen, sondern hat ſogar noch aus eigenem Antricbe seine Vermittelung angeboten, um einen Waffenstillstand mit Preußen und Unterhandlungen über Friedenspräliminarien herbeizuführen.
Ich habe dies
Anerbieten angenommen und bin bereit , einen ehrenhaften Frieden abzuschließen.
Aber ehe ich einem Frieden meine Zustimmung gebe , der die
Grundlage der Macht meines Reiches erschüttern fönnte, bin ich zu einem Kriege auf Leben und Tod entschlossen.
Alle disponiblen Truppen sollen
concentrirt werden, Rekrutirung und Freiwillige sollen die Lücken ausfüllen. Die österreichische Armee ist hart geprüft, aber nicht entmuthigt und gebeugt. Niemals haben die Völker Osterreich;s sich größer gezeigt, als im Unglück. " Mit dieſem Maniſeſte ging die Wiener Zeitung Hand in Hand, denn ſie brachte zur allgemeinen Beruhigung Nachrichten , die aber nicht auf Wahrheit beruhten.
So erklärte sie :
Seiten Napoleons seien sehr energische Schritte zur
Herbeiführung eines Waffenſtillſtandes gethan worden. Flotte nach Venedig segeln.
Er lasse die franzöſiſche
General Leboeuf ſei zum Commiſſar deſignirt, um
auf venetianisches Gebiet zu gehen , General Frossaro aber gleichzeitig in das preußische Hauptquartier gesendet worden, um bewaffnete Vermittelung Frankreichs zu notificiren .
Es sei Napoleons fester Wille, daß die Macht Desterreichs
nicht geschwächt werde. Das Wahre an dieſem officiösen Artikel bestand darin , daß von Seiten des französischen Kaisers allerdings Verhandlungen mit Preußen und Italien an. geknüpft wurden, um einen Waffenſtillſtand herbeizuführen.
Da derselbe doch
hauptsächlich nur Desterreich zu Gute kommen konnte, so würde es sehr erklärlich gewesen sein, wenn diese Macht auch als dessen Basis Friedenspräliminarien beantragt hätte, indeß davon verlautete anfänglich nichts .
Preußen nahm natür-
lich keinen Waffenstillstand an , welcher nicht auf Friedenspräliminarien beruhen sollte , was Kaiſer Napoleon auch in der Ordnung fand und durch seinen in's königliche Hauptquartier geschickten Gesandten um Näher:s über die Grundlage des zu verhandelt werden sollenden Friedens ersuchen ließ.Preußen verlangte erſtens : Ausschließung Deſterreichs aus dem ins Leben zu rufenden nordeutschen Bunde ; zweitens : den ausschließlichen Oberbefehl über die Streitkräfte desselben zu Lande und zu Mecre ; drittens :
die diplomatiſche
Vertretung Deutschlands im Auslande; viertens : Annexion der Elbherzogthümer
253
Breußische Forderungen.
und eines Theiles der von Preußen occupirten Staaten.
Bon Paris aus hicß
cs, Preußen habe als Bedingungen für den Waffenſillſtand den Besitz der Festungen verlangt, die zwischen den preußischen Armeen und den preußischen Grenzen gelegen seien , ferner den Besit der Nordbahn , welche die Verbindung mit Sachsen, Baiern und Schlesien herstelle.
Den Unterhalt der preußischen
Armee während des Waffenfillstandes habe überdem Desterreich zu tragen.
Die
Südarmee (von welcher ein halbes hunderttausend unterwegs ven Venetien nach Wien war, um die decimirte eder vielmehr Halbirte Nordarmee zu ergänzen), müſſe in gleicher Entfernung von Wien wie von dem Festungsviereck in Venetien stehen bleiben, Leſterreich ſich schließlich jeder Art von Werbung und Aushebung enthalten und seine Armeen müßten in derselben Stellung verbleiben, wo sie sich zur Zeit des Waffenstillstands-Beginn befinden. Da Preußen der Bundesg noſſe Italiens war , so lag cs auf der Hand, daß ein doppelter Waffenstillstand in Scene gesezt werden mußte. Der italieniſche Ministerchef Ricafeli bot sogar seine Entlassung an, wenn nicht die vertragsmäßige Solidarität ,
welche Preußen und Italien einen Waffenstillstand oder
Friede elne gegenseitige Zustimmung unmöglich mache , gewahrt bleibe.
Dieſe
Solidarität (gemeinſame Verpflichtung) verhindere Italien, durch Annahme Venetiens als ein Geschenk des Kaisers Napoleon seine Betheiligung am Kriege zu beendigen.
In diesem energischen Auftreten Ricafol's blickt so recht der Wankel-
muth hervor, der in den höheren Kreisen an König Victor Emanuels Hofe damals Plaß gegriffen zu haben ſcheint.
Natürlich, der Krieg hatte den Italienern
eine Schlappe, aber keinen Sieg gebracht und so glaubte man Venetien als napoleonsches Geschenk schon deswegen annehmen zu müssen , um der Möglichkeit einer zweiten und dritten Schlappe zu entgehen, indeß Ricafolis Erklärung schlug durch, und Kaiſer Napoleon fand es für zweckmäßig , seinen Better, den Prinzen Napoleon , nach Florenz zu schicken , um diesen vielleicht allzusehr verwickelnden Handel in's Klare zu bringen, besonders da Nicasoli durch den italienischen Gefandten in Paris, Nitter Nigra , dem Kaiſer unumwunden hatte erklären lassen daß Italien seine Ehre von allem Mafel rein zu bewahren gedenke und unter feinen Umständen, gleichviel von welcher Seite die Pressien komme , sich bestim men lassen werde, feine vertragsmäßigen Verpflichtungen gegen Preußen zu verlegen. Der betreffende Artikel tes preußisch-italieniſchen Allianzvertrages lautete wie folgt :
254
Preußisch- italienischer Allianzvertrag .
„ Von dem Augenblicke der Kriegserklärung an wird der Krieg von Ihren Majestäten (von Preußen und von Italien) mit allen Kräften verfolgt werden welche die Vorsehung zu ihrer Disposition noch Preußen
wird Frieden
gestellt hat und weder Italien
oder Waffenstillstand schließen
ohne
gegenseitige Einwilligung . “ Kaiſer Napoleon mußte demnach Italien wie Preußen gegenüber Rücksicht auf diesen Artikel des zwischen beiden gestifteten Vertrages nehmen und er that dies auch; von einer bewaffneten Vermittelung Frankreichs , wie die Wiener Zeitungen wissen wollten , war also keine Rede.
Es gehörte in die Kategorie
der Träume, wie so Vieles in Desterreich sich, als diesem Bereiche angehörend, erwiesen hatte. Das kgl . Hauptquartier blieb mehrere Tage in Horiz oder Horfig, während die Avantgarden unabläſſig vorwärts marſchirten, um den weichenden und wie in Fächerform auseinander flüchtenden feindlichen Truppen möglichst nahe auf der Ferse zu bleiben.
Die erste, oder Prinz Friedrich Karls Armee rückte nach Brünn zu ,
die zweite, des Kronprinzen Armee ging auf Olmüg los und die Elbarmee unter Herwarth von Bittenfeld marschirte in der Richtung auf Iglau .
Man ver-
muthete nämlich , daß das Hauptquartier der österreichischen Nordarmee sich in Olmüz befinden und diese sich zwischen Olmüß und der Hauptstadt Wien und zwar so concentriren werde, daß Wien dadurch gedeckt ſei. Der König war in Horſig zurückgeblieben, unterdeß seine Armee in voller Bewegung war, dem Feinde abermals an den Puls zu fühlen .
König Wilhelm
hatte sich am 5. Juli nach Chlum in die Bivouaks der daselbst lagernden Truppen begeben, als sich ein öſterreichischer Parlamentär meldete.
Man erstaunte
nicht wenig in ihm den Feldmarschalllieutenant Freiherrn von Gablenz zu ſehen. Da sich die Rückkehr des Königs verzögerte, so wurde beſchloſſen, mit dem Baron von Gablenz Sr. Majestät auf der Chaussee nach Königgräß entgegen zu fahren. Nach Gebrauch vorwärts.
wurden ihm
die
Es war schon Dämmerung,
Augen
verbunden
und
als man den König
zwischen Sadowa und Chlum begegnete.
die Fahrt
ging
auf der Chauſſee
Se. Majestät erblickte den mit ver-
bundenen Augen im offenen Wagen Sigenden und hielt ihn für einen verwundeten hohen österreichischen Offizier, weswegen er sogleich zu halten befahl und sich nach der Wunde und dem Befinden desselben erkundigte.
Welche Ueberraschung , als ihm
die Meldung wurde , es sei der ihm von Schleswig her genau bekannte Feld-
255
Ein hochgestellter Parlamentär.
marschalllieutenant von Gablenz, welcher als Parlamentär in's königliche Hauptquartier gekommen.
Sogleich lies Se. Majestät ihm die Binde von den Augen
nehmen und gab ihm Audienz, über deren Resultat jedoch nichts bekannt wurde, welches taher ein abfälliges gewesen war. Laut einer in der " Wiener Zeitung " befindlichen , vom 8. Juli datirten Mittheilung : die kaiserliche österreichische Regierung habe in der Nacht vom 5. zum 6. Juli Nachricht davon erhalten , daß Feldzeugmeister Benedek Unterhandlungen zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes eröffnet , scheint auf Sendung des Freiherrn von Gablenz nach Horsis zum König von Preußen sich zu beziehen, wenigstens glaubte man dies allgemein und die Resultatlosigkeit des Gablenz'schen Versuches scheint deshalb damit übereinzustimmen , weil Preußen jeden Vorschlag, der einen Waffenstillstand ohne Friedenspräliminarien
betraf, ent-
schieden abwies. Der Vernunft gemäß , lag auch das Recht , seinen Willen und Entschluß zum maßgebenden und entscheidenden zu machen , einzig und allein in Preußens Hand , weil es der Sieger war.
So wunderbar hat noch niemals das Geschick
ein kriegerisches Unternehmen begünstigt als das preußische.
Seit kaum einem
256
Graufiger R.tt.
Monat hatte es den Krieg begonnen und durch seinen Einmarsch in die Mittelstaaten und Böhmen 1612 Quadratmeilen occupirt, davon kommen auf Holstein 155 , auf Hannover C98 , auf Kurheſſen 174, auf Sachſen 271 , auf Böhmen 314.
Die von Naſſau und Darmſtadt occupirten Theile ſind dabei noch nicht
mitgerechnet.
Die auf diesen 1612 Quatratmeilen lebende Bevölkerung war
auf 7,109,000 Köpfe anzuschlagen ; 50,000 Gefangene , COCO Pferte , 40,000 brauchbare Gewehre, 20.000 Seitengewehre und mehr als 300 Kanonen, wovon 200 neue , gezogene waren , und eine ungeheuere Menge von Munitionsgeräthe waren in seinen Vesiß gekommen.
Solches schnellen Glückes konnte noch kein
Eroberer seit den urältesten Zeiten her sich erfreuen.
Um die Dccupirung Böh
mens jedoch vollständig zu machen, mußte es die nächſte Aufgabe für das preuß . Heer sein, die faiserliche Armee nach Mähren zu vertreiben, dann war der Besiß Prags ein vollständig gesicherter und Böhmen in preußischer Hand.
Die Aus-
führung dieser unerläßlichen Nothwendigkeit ließ nicht auf sich warten. Die Schlacht bei Königgräß hatte ſelbſtverſtändlich auch dem preußischen Heere bedeutende Opfer gekostet, der König selbst hatte einen Verwandten zu betrauern , den jungen Hohenzollernschen Prinzen Anton , welcher als Lieutenant in der Garde diente, durch vier Kugeln schwer verwundet worden war und in den Anfangstagen des Augusts in Kön ginhof trop aller ärztlichen Kunst an seinen Wunden starb.
Das königliche Hauptquartier blich , wie schon erwähnt,
einige Tage in Horſip , dann wurde es 7 Meilen südlich nach Pardubig verlegt. Der Weg tahin war feineswegs ein erheiternder , denn in der Gegend des Schlachtfeldes bei Chlum war die Chaussee dermalen ven entlosen Proviants, Munitions-, Lazareth- und Telegraphen-Fuh werk, bedeckt, daß an einigen Stellen ein unbeſiegbarer Aufenthalt entſtand und nur Geduld dieſe Stauung überwinden fonnte.
Noch lange Tage nach der Schlacht bot teren Schauplatz einen herz-
erschütternden Anblick dar, wie folgender Bericht ergiebt: „Verflossenen Sonntag (8. Juli) leß ich mein Pferd ſatteln, um einmal ganz allein das Schauerliche des Schlachtfeltes zu sehen.
Das war jedenfalls
für mich an diesem Tage das beste , da ich recht oft mit bengen Gefühlen nach Hause dachte, und in zu ernster Stimmung, umgeben von meinem Burschen und einem großen schwarzen Jagdhunde , den mir ein sterbender österreichi´cher-Offizier stenkte, in meiner Kemmer ſaß und nicht wußte, was ich anfangen ſollte. Die untergehente Sonne warf bereits ihre lepen Strahlen auf daſſelbe , als ich aus Nedelih heraustilt, und der fühle Abendwind trieb mir den Leichen- und
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Graufiger Ritt.
Blutgeruch entgegen.
Einen , nicht an diesen Geruch Gewöhnten , würde eine
Ohnmacht angekommen sein ; ich, daran gewöhnt , ritt weiter, um nach Chlum und Sadowa zu gelangen, wo die Hauptschlachten geschlagen wurden. - Todtenstille herrschte ringsum, welche nur manchmal durch meinen treuen Begleiter Bella (Pferd) und meinen Hund unterbrochen wurden . Beide vertrugen den scharfen Blutgeruch nicht ; sobald wir an eine Stelle kamen , wo ein Verwundeter gelegen hatte , schnaufte Bella mit weit geöffneten Nüstern und stampfte mit den Hufen auf den Boden, der Hund ging in großen Kreisen um die bezeichnete Stelle herum und heulte fürchterlich.
Erst nach einer
Aufmunterung mit den Sporen ging mein Pferd ruhig über alle hinweg und jagte endlich eine Lerche auf, die zwar singend in die Höhe stieg, aber einen ungewöhnlich flagenden Gesang anstimmte , wie ich sonst bei Lerchen nicht wahrgenommen habe.
Dieser Vogel war seit mehreren Tagen der erste , der mir zu
Gesichte kam , denn wegen des vorangegangenen fürchterlichen Schießens hatten sich die freundlichen Sänger entfernt.
Ohne ein gewisses Ziel zu verfolgen ritt
ich weiter und gelangte zu einer Mutter-Gottes- Statue. Ach, welch' ein trauriges Schauspiel bot sich hier dar. Um sie herum lagen circa 20 Todte, theils mit zum
Himmel emporgestreckten Armen , theils mit geöffneten gebrochenen Augen, die nach dem Muttergottesbilde hingerichtet waren.
Einige hielten Rosenkränze und 17
258
Hauptquartier Pardubit.
Crucifixe in den Händen ; ſie hatten wahrscheinlich bis zu ihrem Ableben gebetet ; nur Einer hatte ein Spiel Karten vor sich liegen, von denen er eine krampfhaft in der erstarrten Hand hielt.
Dieses erinnerte mich an früher gesehene Leichen.
auf dem Ehrenfelde, von denen einige Photographien , jedenfalls von Eltern oder Frauen, oder Bräuten 2., in den Händen trugen und sie mit gebrochenen Augen anstarrten.
An den Leichen zeigten sich die verschiedenartigſten Wunden,
Einigen war das Gesicht dermaßen zerriſſen, daß man nur die weit geöffneten Augen sehen konnte.
Einem von den Garde-Jägern hatte die Kugel den ganzen
Hinterkopf weggerissen, so daß nur der Rumpf mit dem Gesichte dalag.
Jeden-
falls sind an dieser Statue Mehrere gefallen, und andere Verunglückte sind zu ihnen gekrochen, um daselbst ihr Leben zu beschließen. Hier konnte ich dem inneren Drange , für die Todten zu beten , nicht wiederſtehen. Bei meinem Scheiden von hier gewahrte ich in der Ferne vermummte Geſtalten herumziehen, große und kleine, Gespenstern ähnlich , welche mich nicht eher bemerkten, als bis ich in ihrer Nähe war. verbergen.
In der Angst krochen sie in das Kornfeld, um sich zu
Mein Hund fand aber bald ihren Aufenthaltsort.
Alle baten um
Schonung mit dem Bemerken , daß sie in ihre leeren Wohnungen zurückkehrten und auf dem Schlachtfelde nur für die Gefallenen beten wollten. Zufolge meiner freundlichen Ansprache kamen sie aus dem Getreide heraus und zogen ihrer Heimath zu.
Bei dem Einbruche der Dunkelheit zeigten sich
auf den Leichnamen Raben und Krähen, um ihren Hunger zu stillen .
Ihr Ge-
frächze war ein schauerlicher Todtengesang. Als tiefe Dunkelheit das Schlachtfeld bedeckte , kehrte ich in meine ſeit einigen Tagen bewohnte Kammer zurück und legte mich hungrig zu Bett , denn zu essen hatte ich nichts. " Pardubiß, wo am 7. Abends spät das königliche Hauptquartier einrückte, eine Stadt von 560 Häusern und 7000 Einwohnern, an dem kleinen hier in die Elbe einmündenden Flüßchen Chrudinka liegend , ist die ſtattlichste unter den böhmischen Landstädten und zugleich auch die lebhafteſte derselben in Oſtböhmen durch die daselbst abgehaltenen bedeutenden Getreidemärkte , und die berühmten Wettrennen, welche alljährlich zu Anfang October hier stattfinden und denen dann die nicht weniger großen Pardubißer Jagden folgen.
Zur Zeit dieſer Wettrennen
ist die schöne und freundliche Stadt überfüllt mit hochadeligen Herren aus Böhmen, Mähren, Ungarn, Desterreich, Preußisch-Schlesien und aus andern Provinzen. Es wimmelt da von galonnirten Jokeys , Livrèdienern, Reit- und Stallfnechten,
259
Hauptquartier Pardubig. wie das nur in einer Residenz zu sehen ist.
Eine ungeheure Menge Publikum
aus Prag und Umgegend strömt herbei, um die Schauluſt zu befriedigen. Wer in seinem Hause nur einen kleinen Raum ablaſſen kann, vermiethet ihn und das bringt viel Geld .
Die Rennen, für welche auch Staatspreise aus-
gesezt sind , und mit denen ein Bauernrennen und Prämien für Pferdezüchter verbunden sind , werden auf der eigens dazu hergerichteten Rennbahn bei Datſchiz abgehalten und nach Beendigung dieser Vierfüßlerprobe beginnen die Heßjagden, die bis tief in den November hineindauern und zu welchen , von hoher Obrigkeit erlaubten Thierquälereien, die weite Ebene das günstigste Terrain bietet, wie ſich's nur ein Jäger wünſchen kann. Der Bahnhof von Pardubiß ist wahrhaft großartig , er ist nämlich ein fast eine Viertelmeile langer Doppelbahnhof.
An Vorstädten besigt die Stadt
zwei, die grüne und die weiße , die ihre Namen von dem einstigen Anstrich der Stadtthore hat, vor denen sie liegen , beize Vorstädte überragen die Stadt an Häuserzahl und Bevölkerung um ein Bedeutendes .
Der Ringplaß, groß und ge-
räumig, zeichnet sich durch seine hübsche Häuſerumgebung aus, sämmtlich ſtattliche Gebäude mit italienischen Giebeln.
An der Westseite des Ringes steht das Rath-
haus , welches das Wappen der einstigen Herren von Pardubig trägt , das die Stadt zu dem ihren gemacht hat. Es zeigt die Vorderhälfte eines weißen Roſſes im rothen Felde, und es knüpft sich folgende Sage à la Münchhauſen daran, wie denn überhaupt die Böhmen überreich an dergleichen aller Vernunft in's Gesicht schlagenden Sagen und Legenden sind : Ein Ritter Jezeď (Jeschke) war mit König Wladislaw 11. von Böhmen zu
dem
1158
vor Mailand liegenden Heere Friedrich Barbarossa's
gezogen.
Bei einem von den Böhmen, die die Mauern nächtlicher Weise überstiegen hatten, ausgeführten Sturm , gelang es ihnen ein Thor zu öffnen und ihre Reiter einzulassen.
Indeß die Mailänder schlugen ſo mannhaft drein , daß die Böhmen
machen mußten , wieder hinauszukommen.
Bei dieser Gelegenheit geschah es,
daß, als der Ritter von Pardubiz durch das Thor sprengte. ein Mailänder das Fallgitter herabließ , welches wuchtig auf des Pferdes Rücken sinkend , dies in zwei Hälften spaltete.
Ohne sich lange zu besinnen , nahm der edle Jezeck die
ihm zu freiem Schalten und Walten bleibende Vorderhälfte seines Schimmels auf die Schultern und zog damit in's Lager ab vor König Wladislaw's Zelt. Dem gefiel dies Ritterstücklein so sehr , daß er dem Tapfern die Vorderhälfte des Pferdes als Wappen verlieh.
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Empfang des Königs von Sachſen in Wi’n. Das Schloß in Pardubig , an dessen Eingange der kaiserliche Doppel-
adler prangt, hat seine ehemalige Bedeutung als Citadelle ganz verloren , ſeine weiten Räume werden theils zu Wohnungen . Kanzleien und dergleichen benüßt, theils stehen sie leer. Es ist nicht das erstemal, daß Pardubiß Preußen in seinem Bezirke gesehen hat , dies war schon in den Kriegen des großen Friedrich gegen Die Elbe ist hier noch nicht schiffbar, nur Ueberfahrtnachen Der Reichthum der Pardubißer und Flösse schwimmen auf ihrem Rücken. Oesterreich der Fall.
Waldbestände , jährlich in ohngefähr 20,000 Klaftern Holz bestehend , wird ihr zum bequemen Weitertransporte aufgebürdet.
Erst von Melnik abwärts , wenn
der Moldaustrom sich in sie ergossen hat , wird sie schiffbar und trägt auf dem Theil böhmischen Gebietes bis zur ſächſiſchen Grenze ſchon Kähne bis zu 4000 Gentner. In welcher trostlosen Lage sich die Oesterreicher befanden , dürfte daraus hervorgehen, daß der Feldmarschalllieutenant von Gablenz nochmals in's königliche Hauptquartier zu Pardubiz in der Eigenschaft eines Parlamentärs fam und für das Zugeſtändniß eines Waffenſtillſtandes die Räumung von Joſephſtadt und Theresienstadt anbot , worauf er jedoch abermals abſchläglichen Bescheid erhielt. Diese Festungen mußten von selbst fallen , wenn man ihren Besig mit • · Eifer beabsichtigte, darnach aber konnte Preußen nicht trachten. Der Weg nach Wien war seine Aufgabe , vor den Thoren der kaiserlichen Hauptstadt mußte es zur Entscheidung kommen zwischen den sich um die Oberherrschaft in Deutschland ſtreitenden Mächten , Nebenobjecte verloren einem ſolchen Ziele gegenüber ihren Werth. Die Nachrichten von Wien lauteten ganz wirr.
Furcht und Entsegen ,
daß die Unmöglichkeit zur Möglichkeit und die Nordarmee in ein Chaos von Trümmern verwandelt worden war, hatten Aller Gemüther ergriffen . Die Telegramme, welche in der Nacht nach der Königgräßer Schlacht in Wien eingingen, verſeßten die ganze Bevölkerung der Hauptſtadt in fieberhafte Spannung. Der König von Sachsen und Freiherr von Beust kamen um 1 Uhr in der Nacht vom 5. zum 6. Juli auf dem Nordbahnhofe an , wohin ſich Kaiſer Franz Joseph begeben hatte, um seinen königlichen Oheim zu begrüßen, was gegenseitig mit Umarmung und Kuß geschah.
Auch Herr von Beuſt wurde vom
Kaiser mit einem herzlichen Händedruck begrüßt.
Darauf begaben sich beide
Monarchen von Herrn von Beuſt gefolgt in die Hofburg , wo unmittelbar nach
Wiener Verhältnisse.
261
ihrer Ankunft eine Ministerconferenz unter dem Vorsize des Kaisers ſtattfand, der auch der sächsische Premier beiwohnte. „Welch' eine Nacht muß das gewesen sein in der Wiener Hofburg die vom 3. zum 4. Juli, wo Stunde auf Stunde die Unglücksbotschaften von Böhmen ſich drängten, wo der Kaiser eine Kopflosigkeit seiner Generale nach der andern erfuhr, wo er seine glänzende Nordarmee Stück für Stück in Trümmer gehen sah! " rief die „ N. Fr. Ztg . " in einem ihrer Leitartikel mit eben so viel Gefühl als gerechter Würdigung des Unglücks aus, welches an dieſem verhängnißvollen Tage die Hoffnungen und Träume des Wiener Hofes gleichsam mit einem Striche verwehte.
" Da fand er über sich den stärkeren Herrn , da lernte auch er , der
Erbe einer Jahrhunderte langen Reihe von Kaisern , sich beugen vor der Nothwendigkeit des Geschicks ! Welche Berathungen, Zweifel, Bedenken, und nach einmal gefaßtem Entschluß, welch' ein Drängen und Eilen im telegraphiſchen Verfehr mit Paris. verwirklicht!
In zwölf Stunden einen solchen Entschluß gefaßt, formulirt,
Einen ereignißvolleren Tag kennt die Gegenwart nicht ; seine Ge-
ſchichte, richtig und genau geſchrieben, wird sich leſen laſſen wie der intereſſanteſte Roman." In der Wiener Hofburg war die Idee, Venetien an Frankreich zu übertragen, als eine rettende That geboren worden, vorher wenigstens hatte Niemand an dieſen „ Selbstmord “ gedacht , als welchen Oesterreich in der Ablehnung der Congreßeinladung die ihm möglicher Weise zugemuthete Abtretung Venetiens bezeichnet hatte.
Und
war es zu verwundern, daß unterm Volfe eine Panif
Plaz griff vor den kommenden Dingen, als gälte es, sich den höllischen Mächten unrettbar verfallen zu ſehen, da in der Hofburg, wo die Erleuchtesten tagten und beriethen, fein anderes Mittel gefunden werden fonnte, als eine solche Amputation ? gewiß nicht.
Der Wiener Gemeinderath tagte auch in dieser Zeit der
Verhängniß und kam zu dem Beſchluſſe , bei der wirklich eintretenden Gefahr, d. h., wenn die Preußen wirklich vor der kaiserlichen Haupt- und Reſidenzſtadt erſcheinen würden, sich in Permanenz und Wien als eine offene Stadt zu erklären. Und diese Tage des Schreckens brachten noch etwas in ihrem Gefolge mit , woran man im gemüthlichen Oesterreich eigentlich gar nicht denken sollte, weil aus einem Gedanken oft manche andere zu entſpringen pflegen, die der ältesten Loyalität und angeborenen Unterthänigkeit ein Schnippchen schlagen. Es gab nämlich mit einem Male eine ungeheuere Menge Leute , welche ta erkannten , wie viel faul im Staate Desterreich sei und wie wenig das Serr
262
Lefterreichische Verhältnisse.
schende
Regierungssystem als zum Segen und Heile des Kaiserreichs dienend,
gepriesen werden könnte.
Und diese Frucht vom Baume der Erkenntniß war das
Schlimmste , was es geben konnte.
Derlei geistiges Schauen ist revolutionär.
Volk und Armee waren zugleich vom Entsezen ergriffen. „Gegen die Zündnadelgewehre ist jeder Muth vergeblich, wir können uns nicht wie das Vieh abschlachten lassen ! "
Diese Worte hörte man von allen
verwundeten Oesterreichern ausrufen, welche in langen Zügen in wahrhaft herzzerreißendem Zustande in Wien Wiener Bahn aus.
ankamen.
Schrecklich sah es auf der Prag-
Welches grauenhafte Durcheinander ,
welche
Entsezen
als
einzigen Ausdruck tragender Gesichter der zahllosen Flüchtlinge jedes Standes und Alters !
Die Haufen
blutbefleckter, wimmernder Soldaten . Kriegsmaterial,
Pferden , Hornvieh und tauſenderlei Dinge in unbeſchreiblicher Verwirrung dies Alles gewährte ein Schauerbild , welches den, der es sah, mit eifriger Hand die Haare emporsträubte. Und um den Jammer noch mehr zu steigern ,
die Kopflosigkeit noch zu
erhöhen , liefen auch vom äußersten rechten Flügel der Nordarmee bei Kracau schlimme Nachrichten ein. Bei Ccherzanow, einer Bahnstation zwischen Oswieczim und Krakau , war die Brigade des Generals Trontinaglia von
den Preußen
überfallen worden und mußte sich fechtend nach Krakau zurückziehen .
Man kann
sich also denken, in welcher ungeheuren Aufregung die guten Oesterreicher ſich befanden.
Jedes einlaufende Telegramm war eine Hiobspoſt. Die Nachrichten bezüglich der beiden Festungen Joſephſtadt und König-
gräg lauteten ebenfalls nicht aufmunternd.
Die preußische Artillerie machte auf
erhöhtem Standpunkte die tiefer liegende Königgräger Festung zum Ziele ihres Bombardements und es war voraussichtlich , daß sie zusammengeschossen werden würde , sobald das schwere Belagerungsgeschüß Königgräß wie Josephstadt wurden von
erst angekommen sein würde.
zwei preußischen Diviſionen cernirt.
Jedenfalls konnte Josephsstadt sich länger halten , denn es bot dem feindlichen Geschüß nichts als hohe, einen nackten Thurm umgebende Wälle.
Daß beide
Festungen durch die Elbe ringsum unter Waſſer gesezt waren , konnte nur auf kurze Zeit als Schuß dienen. Alle Denkenden in Oesterreich erkannten, daß der unvergleichlichſte Alliirte der Preußen die ihnen innewohnende Intellegenz sei, an der es in den leitenden hohen militärischen Kreisen
des österreichischen Heeres nur allzuſehr mangelte,
statt deren sogar die verrottetste Zähigkeit im Anflammern an das Alte, Herge-
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Das Zünduadelgewehr.
brachte bestand.
Der österreichische Soldat ſuchte die Ursache des Sieges der
Preußen nur in deren Zündnadelgewehren, von welchen der Erzherzog Wilhelm sehr treffend gesagt hatte : „ Das Zündnadelgewehr verhält sich zum Jäger-Tornſtugen wie die Stenographie zur Currentſchrift. “ Und auch ganz Europa staunte ob dieser stenographischen Feuerschrift, die in wenigen Schlachten ein so prächtiges Heer, wie die Nordarmee, zu Boden geworfen und aufgelöst hatte. Das mörderische Zündnadelgewehr hat
in dem jezigen Kriege eine
solche Wichtigkeit erlangt und die allgemeine Aufmerksamkeit in solchem Grade auf sich gezogen, daß einige Notizen darüber unsern Lesern nicht unwillkommen ſein
werden.
Das
Zündnadelgewehr ist
im
Allgemeinen
ein Gewehr ,
bei
welchem die Entzündung des Pulvers nicht durch ein Feuer- oder Percuſſionsschloß , sondern durch eine spiße Nadel bewirkt wird , welche eine Feder in die in der Patrone befindliche Zündmaſſe einstößt. Die ersten Gewehre dieser Art wurden von vorn geladen , die Gewehre neuerer Construction sind aber sämmtlich Hinterladungsgewehre. Im Speciellen bezeichnet man mit dieſem Namen das 1832 von dem Schloſſermeister Dreyſe zu Sömmerda in Thüringen erfundenen Infanteriegewehr ,
welches bis 1835 ſo
weit vervollkommnet wurde , daß es Preußen als Hauptwaffe für die Infanterie annahm , es in großen Maſſen anfertigen ließ und es von 1848 an nach und nach an die gesammte Infanterie mit Einſchluß der Landwehr verausgabte. Die Gewehre werden gefertigt in und Erfurt.
den Fabriken zu Sömmerda , Spandau , Danzig
Das Gewicht des Gewehres beträgt 10-11 Pfund
und gewährt
einen sicheren Schuß bis 700 Schritt. Die großen Vortheile dieſes Gewehres beruhen in dem einfachen , wenig Reparaturen unterworfenen Mechanismus und in dem schnellen, bequemen Laden in jeder Lage.
Das Zündnad elgewehr ist von größeren Staaten nur in Preußen
eingeführt und
von
diesem
Staate an mehrere kleinere Staaten abgetreten
worden , so an die sächsischen Herzogthümer , Waldeck , Mecklenburg , Bremen. In
neuerer Zeit hat
auch
das Kurfürstenthum Hessen
ähnliche Gewehre be-
ſchafft , andere größere Staaten , wie Frankreich und England , machen Versuche mit Zündnadeln .
Für
die Jäger und Schüßen sind in Preußen Zündnadel-
büchsen eingeführt , für die Füsilierrcgimenter Zündnadelgewehre , welche etwas fürzer sind und aufrupflanzende Haubajonnete haben.
Das System des Zünd-
264
Das Zündnabelgewehr.
nadelgewehres findet auch bei den Jagdgewehren vielfach Anwendung unter den verschiedenartigsten Modificationen. Schon hieraus ergiebt sich, daß die Construction des Gewehres kein Geheimniß ist; eben so wenig ist dies der Fall mit der entzündlichen Masse, welche in dem Zündspiegel , einem Papierröllchen ſteckt und durch den Stich der Zündnadel explodirt. Diese Masse ist oftmals chemisch untersucht und man fennt ihre Bestandtheile sehr genau , wie denn ein Apotheker in Bonna ſie in Menge für einen dortigen Büchsenmacher anfertigt, Menge liefert.
der Zündnadel-Jagdbüchsen in großer
Wohl aber soll es noch zweifelhaft ſein, ob die von Nichtpreußen
angefertigte Zündmasse so dauerhaft ist, daß sie nach vielen Jahren durchaus verwendbar ist.
Jedenfalls ist die Art der Zubereitung der Zündmaſſe in den
preußischen Arsenalen, also die Technik bei der Zusammenseßung der verschiedenen Stoffe bisher Geheimniß der Preußen , und es möchte jahrelanger sorgfältiger Versuche bedürfen, um den Standpunkt bei der Bereitung zu erreichen , den die Preußen jest inne haben ;
denn man darf nicht vergessen ,
daß dieſelben ſeit
1832 an dieser Erfindung ſtudirt haben. Das Hinterladungsgewehr an und für sich ist übrigens keine neue Erfindung , sondern nur durch die Intelligenz des rühmlichſt bekannten Dreyſe zu der Vollkommenheit gebracht worden, welche den Preußen so wunderbare Dienste gethan hat.
Zur Geschichte der Hinterladungsgewehre gehört folgende von der
„ D. A. 3. “
gebrachte Notiz : Im 36. Stück des in Schneeberg (Sachſen) er-
scheinenden "1Erzgebirgischen Anzeigers " vom 30. August 1811 (also vor 55 Jahren) findet sich folgende Mittheilung : jezt an einer Flinte ,
„ Der Mechanikus Nagel in Meißen arbeitet
die von hinten geladen wird und mit der man in kurzen
Zwischenräumen viel schneller zu schießen
vermag
als
mit
den
bisherigen
(Flinten).
Somit wäre die Erfindung oder die erste Idee dazu in Meißen zu suchen und es ist mit derselben gerade ſo gegangen wie mit so vielen anderen großen Erfindungen, die anfänglich im Dunkel verſchwanden , bis sie endlich in veränderter Weise, in anderen Zeiten und folgerecht auch unter andern günstigen Umständen wieder
auftauchten und die Welt zum Staunen zwangen.
reichische Regierung , welche so manches
Die öster-
große Genie aus dem österreichiſchen
Volke nur deßwegen elendiglich verkommen ließ oder durch Nichtbeachten deſſen Ideen flügellahm legte, weil das betreffende Genie erstens von obscurer Geburt, zweitens arm , drittens Subalternbeamter war , der seinen gnädigen Herrn Vor-
265
Preußische Kampfweiſe.
gesezten gegenüber ,
des täglichen Brodes willen , nicht mukſen und am aller-
wenigsten denken darf, - als Beispiel diene der geniale Erfinder der Schiffsschraube Joseph Refsel hatte hinsichtlich der Herstellung von Hinterlad ungsgewehren ein solches Beiſpiel der Nichtbeachtung und Zurückweiſung in der Person eines in Graz lebenden Hauptmanns, Piſtolik, gegeben . Seit Jahren hatte sich dieser Mann um Einführung der von ihm erfundenen Waffe bei der Armee gemüht ; aber vergebens .
Die stolzen österreichi-
schen Generäle ließen den „ Schwärmer " nicht zu Worte kommen.
Jezt endlich,
wo die Niederlagen der Nordarmee den Ueberhebungsdünkel der hohen Herren etwas
gedrückt und herunter gebracht hatten , fand man des „ Schwärmers “
Idee als sehr gut und es wurde Befehl zur schleunigen Herstellung solcher Gewehre gegeben .
Es ist nun freilich sehr traurig , daß kopflose Menschen in der
Regel überwiegende Urtheile abgeben können, wodurch viel Gutes verloren geht ; aber der Welt Lauf ändert sich nicht so leicht, nur große Ereignisse sind im Stande, die Augen der Verblendeten zu öffnen , obwohl es dann meist zu spät ist, wie Figura zeigte. Unter die Rubrik „ Spaßhaft“ gehört ohnstreitig die Behauptung, daß die Zündnadelgewehr-Kugeln keine schweren Wunden machen. dieselbe traurige Wirkung , wie andere Kugeln und genug.
das ist doch wohl gerade
Auch die Literatur ist durch ein bei Hofmann
Gedicht betitelt : eingerichtet "
Jedenfalls äußern ſie
„ Das Zündnadelgewehr, in Versen für
in Kassel erſchienenes die kurheſſiſche Armee
bereichert worden , welches in launigſter Weise den Zweck erfüllt,
den Soldaten mit den technischen Bezeichnungen der einzelnen Theile dieſer Waffe bekannt zu machen. War das Zündnadelgewehr für die Oesterreicher schon ein Object , deſſen Wirkungen sie unterlegen waren , um wie viel mehr mußte es die Kampfweise der Preußen sein.
Einer der vielen Verwundeten des österreichischen Heerkoloſſes
äußerte sich über diesen wichtigen Gegenstand im „ Kamerad “ wie folgt : „ Es drängt mich ,
einige Wahrnehmungen ,
gegen die Preußen gemacht habe, mitzutheilen.
die ich in dem Feldzuge
1 ) Wenn ein preußisches Corps
eine Stellung genommen , geht es sogleich daran , ein verschanztes Lager aufzuwerfen, das in unglaublich schneller Zeit geschieht; in ſelbem läßt es das Hornvieh , mit sämmtlicher Bagage und geht ganz leicht gekleidet , in Müzen , der Mann ohne Packung ins Gefecht. Bei uns dagegen, noch dazu bei der enormen Hise, geht Offizier und Mannschaft in Czako, Mänteln, der Mann bepact in die
266
Guter Funb.
Schlacht.
Es ist demnach handgreiflich, um wie viel beweglicher und gewandter
die preußischen gegen unsere Truppen sind .
2) Ich sah in keiner Affaire,
daß
die preußischen Offiziere vor die Fronte getreten wären, um bei einem BajonnettAngriff die ersten in den Feind zu stürzen .
Alle bleiben in ihren Abtheilungen,
verlieren daher nicht so viele , nicht so leicht zu erseßende Offiziere , und dennoch muß man ihnen das Zeugniß geben , daß ſie ſich äußerst tapfer ſchlagen , ohne daß sie ihre Offiziere so unnüz aussehen.
3) Iſt bei uns die Anzahl der be-
rittenen Stabs- und Ober-Offiziere bei einem Regimente unverhältnißmäßig groß, fast überall sind davon in den Affairen der jüngsten Zeit nahe an zwei Drittel gefallen.
4) Was
unsere Kampfweiſe Infanterie gegen Infanterie betrifft , ſo
werden wir troß dem Löwenmuthe unserer tapferen Armee, nie etwas ausrichten, wenn wir gegen die Preußen wie bisher kämpfen , weil uns ihre Infanterie durch die Zündnadelgewehre überlegen ist. „ Ich glaube , die Kampfweiſe müßte viel abgeändert werden ,
es dürfte
nothwendig sein, jedem Regimente eine Anzahl Kanonen beizugeben, welche zuerst mit Vollkugeln, dann bei der Annäherung mit Kartätschen gegen den Feind operiren ſollten ; erſt wenn er erschüttert wäre, käme der Bajonnett- Angriff, dem er bisher nicht widerstehen konnte, durch welche Kampfesweise ihr Vortheil , den ſie vor uns mit den Zündnadelgewehren haben, ausgeglichen würde. " So vernünftig diese Ansichten auch sind , so hat ihr Urheber doch etwas vergeſſen, was den Preußen gar wesentlich zum Siege verhalf. Unter ihnen gab es keine mit Haß gegen die Fahne , unter welcher fie fochten, erfüllte Nationalitäten , wohl aber litt die österreichische Armee an diesem Uebelstande in Bezug auf die aus Italienern bestehenden Regimenter , für die ein Kampf gegen Preußen natürlich allen ihren Gefühlen widerstrebte , weshalb sie nicht nur sehr lässig
in Erfüllung ihrer Pflichten waren , sondern auch sich freiwillig ergaben. . Die Elbarmee, von der ein Theil die Aufgabe hatte , Prag zu beseßen
und nach Iglau vorwärts zu marschiren , böhmischen Hauptstadt
einen
machte zwischen Pardubig
ganz besonderen Fang .
und der
In einer kaiserlichen
Tabaksfabrik fanden diese Truppen das Quantum von 38,000 Ctr. Tabak und 27 Millionen Cigarren und wie ſich von selbst versteht , wurde dieser und zum Entseßen des Directors dieſes großartigen Etabliſſements als gute Beute , da es fein Privateigenthum war , fortgeführt. Rettung
auf in aller Eile requirirte Wagen verladen und
Es war ſicher eine ſtrafwürdige Nachlässigkeit ,
daß man nicht an
und Bergung dieses in Desterreich so viel Zinsen tragenden Kapitals
267
Die Amtsstunde.
KK Pri
TARAKS- FABIK
CISKRANU
gedacht hatte, als noch Zeit dazu da war, denn in der Frist von 5 Tagen (seit der Schlacht von Königgräß) wäre gewiß der sämmtliche Vorrath dieses Rauchmaterials fortzuschaffen gewesen, wenigstens bewiesen die Preußen, daß bei gutem Willen sich dergleichen schnell thun lasse, die Entführung des Tabaks von ihrer Seite ging außerordentlich schnell. Späterer Nachrichten zufolge ist ein Theil dieses Tabaks- und Cigarrenvorraths an den Meistbietenden versteigert worden. Eine nicht minder große Nachlässigkeit war Ursache der durch die Preußen fast zu gleicher Zeit gemachten Beute zwei der reichsten Proviantmagazine. Hier ſpielte die mehr als zopfige Pedanterie des Oberverwalters die Hauptrolle. Dieser Mann , ehemals Offizier in der kaiserlichen Armee , hatte sich seit der langjährigen Zeit seiner Anstellung in dem verrotteten Büreaukratismus, wie er in Desterreich zum Schaden des Volkes existirt, so tief hineingelebt , daß ihn nichts aus seiner Fassung zu bringen vermochte. Er war so pünktlich steif in seiner Pflichterfüllung, daß man genau nach der Zeit, wenn man ihn in sein Büreau gravitätisch wandeln sah, die Uhr stellen konnte, denn die „ Amtsstunde “ war das heilige in seinem Dasein,
268
Die Amtsstunde.
In Kolin, so heißt die Stadt, wo er wirkte und schaffte, standen mehrere Hunderte von Vorspannéwagen bereit, um , wenn Gefahr drohe, mit den Vorräthen der Magazine sogleich beladen und fortgefahren zu werden. verwalter war bei Alt und Jung bekannt , der sich gewöhnlich in einem Munde zeigte.
Der Ober-
ein ansehnlich umfänglicher Mann ,
Schlafrock und mit einer klasterlangen Pfeife im
Als die Nachricht von der Niederlage bei Königgräß einlief, er-
griff alle Bürger von Kolin das größte Entsegen ; der Herr Oberverwalter allein blieb ruhig , trogdem Jeder ahnte , daß die ſiegreichen Preußen gar nicht lange auf sich warten lassen würden.
Im wohlbekannten Schlafrock ,
die dampfende
Klafterpfeife im Munde begiebt sich der Herr Oberverwalter pünktlich um 9 Uhr rüh, wie alle Tage, nicht eine Minute früher oder später, in's Magazinbüreaux und läßt einige der aufgefahrenen Wagen beladen .
Pünktlich um 12 Uhr mit
dem Mittagsläut en wird mit dieser Arbeit aufgehört, erſt um 3 Uhr beginnt die Amtsstunde wieder und dauert bis
6 Uhr.
Im schönen Bewußtsein seiner
Pflichterfüllung begiebt sich der Brave zu Tisch, macht dann sein gewöhnliches Schläfchen und stellt sich pünktlich um 3 Uhr im Schlafrocke und mit dem qualmenden Tſchibuk im Munde im Büreau ein.
Abends 6 Uhr waren gerade
10 Wagen verladen. -- Der Mann schwamm in Entzücken , so viel zu Stande " gebracht zu haben ;
aber um 6 Uhr ist Feierabend , ein Ausnahmezustand , daß
die ganze Nacht verladen werde , kann er seinem Gewiſſen gegenüber nicht verantworten.
Feierabend muß sein , was soll sonst aus der Amtsstunde werden !
Der nächste Tag macht ihn noch viel glücklicher , denn zu Mittag waren netto 13 Wagen beladen.
Wie gut das Alles ging ! ja , ja , nur Ruhe im Gemüth,
die hilft über alle Schwierigkeiten hinweg. Während er sein Schläfchen macht , läuft die Schreckensnachricht ein, die Preußen wären in Elbe-Treinig und könnten morgen zur Frühstückzeit in Kolin sein.
Wie immer im altbefannten Schlafrock, die tragbare Dampfmaschine weit
vorgestreckt , begiebt sich der Herr Oberverwalter um 3 Uhr in's Büreau und läßt mit Seelenruhe verladen , ungehalten über das Bürgerpack ,
das ihn auf-
merksam macht, sich zu beeilen , weil sonst der für die österreichische Armee bestimmte Proviant den Preußen in die Hände fallen könnte.
Bei ihm ist Alles
Drängen und Stürmen vergebens, Ueberſtürzung iſt ſeine Sache nicht. Zwanzig Wagen sind
verladen ,
bald wird das Ende der Amtsstunde 6 Uhr da ſein,
dann Feierabend -o glückliches Bewußtsein gewissenhaft erfüllter Pflicht!
269
Die Noth in Böhmen.
doch was ist das ? warum
rennen die Leute so ängstlich in ihre Häuſer , als
wenn ein Rudel hungriger Wölfe losgelaſſen wäre? „Die Preußen sind schon im Einrücken begriffen ! " ſchreit man ihm auf seine Frage zu .
Herr des Lebens ! was soll nun aus der Amtsstunde werden ?
Es ist ein ſein ganzes Mandarinenweſen ſchwer zerknirschender Gedanke , ſich zum Gefangenen machen lassen zu sollen um der Amtsstunde willen . Zeit des Echauffements da , Uniform
Jezt ist die
entſchloſſen zieht er den Schlafrock aus und die
als kaiserlicher Beamter an und giebt Fersengeld wie viele Andere,
mit oder ohne die Klafterpfeife , davon schweigt die Geschichte.
Sie erzählt nur,
daß die Preußen ſehr erfreut waren, zwei so volle Proviantmagazine und gerade zugleich das nöthige Fuhrwerk dazu zu finden und da diese Heiden keine „ Amtsstunden" kannten, sondern die Zeit nahmen, wie sie ihnen kam, so hatten sie am nächſten Nachmittag die zweihundert Wagen verladen und führten den öſterreichischen Proviant fort als gute Beute.
Die preußischen Armeen hatten , indem sie in die Elbniederungen vorgerückt waren , den von der entseglichsten Noth um des täglichen Brodes willen schwer heimgesuchten nördlichen Theil Böhmens hinter sich, wo sie sich gezwungen gesehen hatten , wollten sie nicht den Hungertod sterben , große ProviantwagenColonnen mit sich zu schleppen.
Wie traurig es in diesem Nordtheile aussah,
davon wird folgende Schilderung , die der Augsb. Allg. Zeitung entnommen ist eine Ansicht gewähren . Gerade im Schooße der Bevölkerung am Fuße des Riesengebirges, meiſtens in den deutschen Gegenden, herrschte ſchon seit vielen Jahren eine entsegliche Noth, welche die Aufmerksamkeit der Behörden in Böhmen zu wiederholten Malen auf sich zog und Anlaß zur Entsendung von Unterſuchungs-Commiſſionen dorthin gab.
In den tschechiſchen Ackerbaudiſtrikten, nach der Elbe zu, leben die
Leute verhältnißmäßig luxuriös gegenüber den deutſchen Fabrikarbeitern am Fuße des Riesengebirges ,
und wie entseglich deren Elend jest nach dem Kriege ,
ihnen das Lezte genommen , sein muß ,
der
mag man aus ihrer Lebensweise vor
demselben erkennen . In Folge der Baumwollenkrisis bereiste eine Prager Commiſſion jene Bezirke und fand, daß die Noth dort bereits weit älter war , als der amerikaniſche Krieg, ja es zeigte sich, daß die vielbcjammerten ſchlesischen Weber dieſen armen Menschen gegenüber noch eine erträgliche Existenz fuhrten.
Der durchſchnittliche
Wochenverdienst für eine Familie betrug 1 , höchstens 1 2 Gulden , und
dieser
270
Die Noth in Böhmen .
Noth, die noch immer anhält , sollte durch Zufuhr von Nahrungsmitteln abgeholfen werden.
Am 23. September 1863 hielt das Comitè eine Sigung in
Königinhof, und als dort Brodvertheilungen zur Sprache gebracht wurden , erklärte sich der anwesende Bezirksarzt gegen diese Maßregel, weil die Leute weder diese Nahrung vertragen noch fortseßen könnten ; soweit waren sie bereits physisch herunter.
Man mußte sich auf die Vertheilung von Mehl, Kartoffeln und Salz
beschränken . Kaffee trinkt man dort nicht und Kühe besißt unter dieser Bevölkerung Niemand. Wie jammervoll gering der Verdienſt iſt, erkennt man noch daraus, daß die Ausgaben für Salz überhaupt zehn Procent aller ihrer Ausgaben betragen, denn wöchentlich conſumiren sie ein Pfund Salz für 10 Kreuzer. lautet jedoch nichts .
Davon ver-
daß die Regierung das lästige Salzmonopol dieſem Elende
gegenüber beschränkt oder aufgehoben hätte.
(In Sachsen , wo das Salz leider
auch Monopol war, kostet das Pfund nur 1 Groschen, gleich 5 Neukreuzer.) Die meisten Arbeiter sind dort Baumwollenspinner.
Als die Verarbeitung des ost-
indischen Surategarns ſtatt der amerikaniſchen Baumwolle aufkam ,
verdienten
ſie nur 60 bis 70 Kreuzer wöchentlich, denn dieses Garn kostet in der Herstellung dreimal so viel Zeit.
Nicht besser sieht es mit der dort uralten Leinenindustrie
aus, namentlich da, wo nur Handspinnerei gebräuchlich ist.
Im Bezirk Norken-
bach (größtentheils tschechisch, westlich von den Elbequellen), wo es lauter Leinenhandspinner giebt, beträgt der tägliche Verdienst 12 bis 2 Kreuzer ! Die selbstständigen ,
nicht von Fabrikherren abhängigen Arbeiter kaufen
den nahen Flachs zu 6 bis 7 Gulden den Centner , also 7 Kreuzer per Pfund. Ein Pfund spinnen ſie in zwei Tagen und erhalten 10 Kreuzer für das fertige Product, oft nicht einmal so viel.
Im April ziehen sie in die gesegneten Acker-
baudiſtrikte des Leitmerißer Kreises, wo sie sich als Arbeiter verdingen und zehn bis fünfzehn Gulden ersparen , werden.
die während
der Winternoth wieder zugesezt
In den Maſchinenſpinnereien der deu.schen Trautenauer Gegend ſind
die Verdienste etwas besser , denn dort verdient selbst ein Kind bis 40 Kreuzer wöchentlich, dafür dauert jedoch die Arbeitszeit von früh 5 bis 11 Uhr Abends, und wie unter ſolchen Umständen dieſe weißen Sclaven körperlich zu Grunde gehen müssen , liegt auf der Hand. ganze Gesundheitszustand jammervoll .
Augenkatharr ist allgemein verbreitet , die Wohnungen sind entseglich ,
der
und die
Kinder schlafen geradezu oft in Schweineſtällen . Es ist ein Bild voller Grauen , das wir hier aufstellen müſſen , aber die
271
Prager Angst.
Thatsachen sind wahr, sie sind einem Bericht des verdienten Directors K. Nobak entnommen, welcher jene Gegenden bereiste , um sich durch den Augenschein von dem Nothſtand zu überzeugen.
So sah
es dort vor dem Krieg
stelle man sich die Zustände vor , die dort Plag gegriffen haben ,
aus .
Nun
nachdem die
Furie des Krieges mit allen Schrecken gerade über jene unglückselige verarmende Gegend losgebrochen iſt. Wie sehr sich die Preußen jest wohl fühlen mußten , in Gegenden zu kommen , die gegen das
eben geschilderte Schauerbild der Verkommenheit ein
vollständiges Kanaan zu nennen sind ,
liegt auf der Hand .
Sie hatten
das
Schlimmste in jeder Beziehung überwunden , denn weder an Hunger noch an große Schlachten war bei dem einer Auflöſung der kaiserl. Nordarmee fast gleichenDie Division
den Zustande nicht so bald , vielleicht gar nicht mehr zu denken . Rosenberg rückte guten Muthes gegen das nahe Prag vor.
Und wie sah es in dieser Hauptstadt des glorreichen Königreichs Böhmen aus ?
Privatbriefe von daher
entwarfen davon fast an's Komische streifende
Bilder und wir entnehmen einem derselben folgende Schilderung : „ Die in der Bevölke ung herrschende Angst vor den Preußen , vor decen Einmarsch, hatten wir (der Verfasser und seine Freunde) ſelbſtverſtändlich nicht getheilt, wohl aber waren wir in großer Sorge wegen des hiesigen Pöbels (die Podskaler sind in der
Beziehung
berüchtigt) .
Sämmtliche hiesige Behörden
haben nämlich in unbegreiflicher Verblendung das Hasenpanier ergriffen, als die Preußen nahten.
Die Polizei war die erste Behörde, die Reißaus nahm ! Die
Post , die Zollbehörde, Statthalterei u . s. w. folgten in fabelhafter Verwirrung ; in den lezten zwei Tagen vor dem Einzug der Preußen haben notoriſch 20,000 Menschen Prag in wilder Haſt verlassen.
Man muß
es gesehen haben, um es
zu glauben, wie sie mit ihren Betten, Kiſten und Kaſten in blinder Angst fortſtürmten , für einen Wagen wurden damals für ganz kurze Strecken mehrere Hunderte Gulden gezahlt. Schiller sagen :
Man konnte beim Anblicke dieſes Zuſtandes nur mit
„ Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens !"
Die
Sicherheit der Stadt und der Zurückbleibenden war vier bis 5 Tage lang , nur einer aus Bürgern gebildeten ſtänden athmeten wir auf ,
Schuhmannschaft vertraut.
Unter solchen Um-
als die Preußen endlich Besiz von Prag_nahmen. “
Beizufügen ist noch, daß die Prager Zeitungen , welche früher ihr Möglichstes gethan, um die Preußen als Unholde zu ſchildern, vor denen jeder Christenmensch sich befreuzigen müſſe und die ganz genau zu der Sippschaft paßten,
272
Einrücken der Preußea in Prag.
an die man bei der siebenten Bitte : „ Und erlöse uns von dem Uebel" denkt, sich in die merkwürdige Lage versezt fanden , zur Beruhigung der Bevölkerung einzugestehen , daß Alles , was sie Schönes und Liebes hinsichtlich der Preußen ihren Lesern aufgetischt hätten , in den Bereich der Lügen gehört haben , die Preußen sich im Gegentheil durch strenge Mannszucht auszeichneten , Niemand seines Eigenthumes oder persönlichen Mißhandlungen
deshalb
wegen in Angst
zu sein brauche. Es war am 8. Juli in den Vormittagstunden von 8 und 9 Uhr , als die Preußen, ohngefähr 6000 Mann unter Führung des Generalmajors v. Rosenberg ihren Einmarsch in Prag hielten.
Vorher hatte man den Kardinal Erz-
bischof Fürst Schwarzenberg und den Bürgermeister Dr. Belsky ihnen entgegenfahren sehen, weiße Fahnen aus ihren beiden Wagen hängend.
Vor der Stadt
trafen fie mit dem genannten preußischen Corpsführer zusammen und hielten Ansprachen an ihn, ihm die Landeshauptstadt zur Schonung empfehlend .
General
GEN
von Rosenberg empfing sie auf's Artigste und beruhigte sie über die Befürchtungen, welche man hinsichtlich der Unantastbarkeit des Privateigenthums und der persönlichen Sicherheit hege.
273
Besetzung Prags. - Der Hradschin.
Das Hauptquartier ward auf den Hratschin verlegt. Der Hradschin , der uralten , muthmaßlich von der berühmten EzechenKönigin Libusja im Jahre
722 gegründeten Hauptstadt Prag höchster Punkt,
bietet nicht nur eine prächtige Uebersicht der wenigstens 4 Stunden im Umfange sich zu beiden Seiten der Moldau hinziehenden hochalterthümlichen Königsſtadt und ihrer Umgebung , sondern gewährt auch von ferne einen herrlichen Anblick. Auf einem Berge
chemals der Schweineberg ,
wahrscheinlich der zahlreich
hier hausenden wilden Eber wegen genannt - erhebt sich die böhmische Königsburg, der altehrwürdige Dom, der Schloßgarten und eine Reihe der prächtigſten Paläste der böhmischen Großen ? Und doch ist der Hradschin
der stillste Theil
von Prag, das macht seine Entfernung von dem Stadtgewühle und der Umstand, daß die stolzen Paläste nur im Winter bewohnt werden. In alter grauer Zeit war die Burg nur aus Holz aufgeführt ; 12. Jahrhundert war sie schön einem gewaltigen Steinbau gewichen .
aber
im
Welche
Geschicke und Wechselfälle , die das Land und seine Hauptstadt trafen , sind an dem Hradschin vorübergezogen!
ja die Zeit webte viele bunte Bilder , aber in
den böhmischen Zeitbildern iſt die Hauptfarbe immer das Blutroth. Wohl . selten hat ein Land einer so reich an Kämpfen aller Art ausgestattete Geſchichte aufzuweisen als Böhmen.
Hier gährten die wildesten Leidenschaften , die nur je in
Menschenherzen aufkommen können .
Stolz , Haß , Nache , Eifersucht ,
religiöser
Fanatismus und wie alle die Laster und Verkehrtheiten heißen , fanden einen höchst fruchtbaren Boden im Charakter des Böhmervolkes.
Der Hradschin hat
dieſe Geburten stürmischer und finsterer Jahrhunderten an sich vorüber ziehen ſehen und er wird die Ereigniſſe kommender Jahrhunderte, die ſeltſamen Wechſelspiele des Schicksals mit derselben Schemenhaftigkeit an seiner Höhe vorüber wallend erblicken. Böhmen ist das Land, auf dem die Hand der Habsburger schwer gelastet ; Prag, der Ort, wo auf ihren Befehl die Henker ein großes Feld für ihre ſchreckliche Thätigkeit fanden.
Wer gedenkt nicht der entseßlichen Blutgerichte , welche
der fanatische Pfaffenkaiser Ferdinand I. und die bigotte Maria Theresia in dieſer Hauptstadt abhalten ließen ! wem ist es nicht erinnerlich, daß dem Protestantismus, dem fast zwei Drittel des böhmischen Adels und Volkes angehörten , von den schlauen Jesuiten ein Grab bereitet worden ist, natürlich unter kaiſerlicher Zustimmung, ein Grab, in welchem heute noch des böhmischen Volkes Geiſt im Todesschlafe ruht! 18
274
Besetzung Prags .
Es sind mehr denn 120 Jahr vorüber gegangen ,
daß die Preußen die
Herren von Prag auf die Dauer von 10 Wochen waren. Damals schrieb man das Jahr 1744.
Friedrich der Große belagerte es
mit 100,000 Mann , bei
welcher Gelegenheit ein Theil der Neustadt vernichtet wurde , ehe sich die Stadt ergab.
Eine zweite jedoch vergebliche Belagerung der Preußen im Jahre 1:57
legte beinahe 900 Häuser in Schutt.
Und jezt nach einer so langen Reihe von
Jahren waren die Preußen wieder die Herren Prags.
Seit dem 8. Juli wehten
die schwarz-weißen Fahnen vom Hradschin herab und zwar von jenem Theil des Schlosses, welchen der Kaiser Ferdinand bewohnte, ehe man, um ihn dem möglichen Kriegstrubel zu entziehen, ihn nach Insbruck brachte. Generalmajor von Rosenberg-Grusczynski bewohnte nebst dem Generalstabschef ,
den Adjutanten und den Offizieren en suite die königliche Burg , in
deren Stallungen die sämmtlichen
Pferde dieser neuen und unliebſamen Be-
wohner untergebracht worden waren , während im dritten Burghofe eine bedeutende Zahl von Bagagekarren in Sicherheit ſtanden. Als etwas sehr Unheimliches und auf den Ernst der Zeit Deutendes mußten jedem Prager die vor der Fronte der Hofburg schußfertig ſituirten zwölf abgeproßten Geſchüße erscheinen, besonders da sie so aufgestellt waren , die Spornergaſſe beherrschten ;
daß zwei die neue Schloßſtiege und zwei
die übrigen acht
aber der Stadt zugewendet
waren. Am Hradschiner Plage war eine Proviantcolonne des etwa 40 Wagen aufgestellt.
7. Armeecorps,
Die preußische Hauptwache befand sich auf der
linken Seite vom Hauptschloßthore ,
während die Räumlichkeiten der Haupt-
wache den Bedienungsmannſchaften der aufgestellten Geſchüße eingeräumt waren. Bei Beseßung Prags fanden die Preußen
20 Locomotiven und
2000
Eisenbahnwagen vor. Gewiß ist es zu verwundern, daß die kaiserlichen Beamten diese Maschinen und Waggons
nicht zu bergen
gesucht hatten , als es noch
Zeit war. Generalmajor von Rosenberg Grusczynski erließ bald nach der Besißnahme von Prag eine Proclamation , welche auf die Prager einen sehr guten beruhigenden Eindruck hervorbrachte.
Alles Privateigenthum ,
hieß
es
darin,
bleibe unangetastet, vereinzelte muthwillige Excessſe follten nur als Ausschreitungen Einzelner angesehen , strenge Mannszucht geübt und Alles vermieden werden, Die städtische der ganzen Bevölkerung erregen könnte.
was den Unwillen
Polizei solle in ihrer Function ungestört verbleiben und nur im Nothfalle, und auf
Kaiserliches Manifest an die Tyroler.
275
die preußischen
Truppen ihr Aſſiſtenz
Ansuchen des Bürgermeisters ,
würden
Diese Milde schienen die Prager nicht erwartet zu haben und erwiesen
leisten.
ſich höchlichst überrascht davon, wodurch ſich ein ziemlich gutes Verhältniß zwischen ihnen und den Preußen herstellte.
Es famen feine Excesse vor, was immer ein
Zeichen von gegenseitiger Zufriedenstellung zu ſein pflegt. Daß der Prager Presse ein wenig der Zügel ſtraffer gehalten wurde, lag in der Kenntniß der Preußen, wie diese Zeitungen sich in keineswegs freundlichen Ausdrücken gegen die Maßnahmen
der preußischen Regierung ausgesprochen
Es wurde den Redactionen einfach mitgetheilt , sich nicht in Angriffen
hatten.
gegen Preußen zu ergehen und nichts zu schreiben, was die preußischen Truppen erbittern
könnte.
Zuwiderhandlungen würden die sofortige Unterdrückung der
betreffenden Blätter herbeiführen . Somit war das Königreich Böhmen in preußiſchen Besig gekommen und die vreußischen Armeen rückten , wie schon erwähnt , in drei verschiedenen RichPrag war für
tungen nach Mähren , um sich vor Wien wieder zu vereinigen.
den Nachzug von 50,000 Mann friſcher aus Sachſen kommender Truppen eine Art Durchgangsstation geworden und Alles deutete darauf hin , daß,
wenn
es
nicht gelänge in kurzer Zeit einen Waffenstillstand herbeizuführen , Wien das Trauerspiel einer Schlacht vor seinen Thoren erleben würde . In diesen Tagen der Angst hatte der Kaiser den Erzherzog Albrecht und einen Theil der Südarmee von Venetien
abberufen , um
einen siegreichen
Führer und Ersaß für die halbirte Nordarmee , welche wieder zu einem neuen Ganzen gesammelt werden sollte , zu gewinnen , denn der Glaube an Benedek war vollständig vernichtet.
In Rücksicht auf die Schwächung der Südarmee er-
ließ Kaiser Franz Joseph eine Proclamation an die Tyroler,
welche wie folgt
lautete: An mein treues Volf von Tyrol !" „ Die unglücklichen Ereigniſſe auf dem nördlichen Kriegsschauplage haben die Verstärkung Meiner Nordarmee durch einen Theil Meiner siegreichen Südarmee zu einer gebieterischen Nothwendigkeit gemacht.
Leider steigern
sich hierdurch die Gefahren , welche die Grenzen Meines theuern Landes Tyrol bedrohen , und jest gilt es mehr denn je , daß die gesammte Bolks- kraft, daß alle waffenfähigen Männer sich Meiner tapferen Armee zur Seite stellen.
An Mein allezeit getreues Tyrolervolk richte ich den Ruf, für die
Vertheidigung seines heimathlichen Bodens nun mit verdoppelter Kraft ein15*
276
Desterreichisch-baieriſche Nebereinkunft
zustehen und in edler Aufopferung für die heiligsten Güter, für Gott, Kaiser und Vaterland mit meinen braven Truppen zu wetteifern. Ahnen würdig werden sich ihre Enkel zeigen.
Glorreicher
Dieses Vertrauen wurzelt
unerschütterlich in der Brust Eures Kaisers.
Franz Joseph m. p. Das blutige Schlachtenspiel hatte indeſſen zum Glück ſeinen Hauptakt abgespielt, mit dem lezten Donner der Königsgräßer Schlacht war es gleichsam in der Hauptsache abgethan ; nur kleinere Kämpfe folgten noch, die von günſtigen Resultaten für die stetig vorwärts drängenden Preußen,
also von Nach¹heilen
für die österreichische Armee begleitet waren , aber eben deshalb ungemein viel Einfluß auf die Raschheit ausübten, mit welcher der Wiener Hof auf Grund der von den Preußen unterbreiteten Friedenspräliminarien den ersehnten Waffenſtillstand abschloß. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun dem mittel- und westdeutschen Kriegsschauplage zu ,
auf dem es fast in eben so wunderbarer Weise wie auf
österreichischer Erde nur preußische Siege gab.
Der Kriegsschauplatz in Mittel- und Westdeutſchland.
Jedem Unbefangenen hat sich gewiß schon die Frage aufgedrängt : haben die Regierungen der deutschen Mittelstaaten das Bundesrecht , von dem sie so viel sprachen, als Richtſchnur ihres Verhaltens im Auge gehabt ? auf dieſe inhaltschwere Frage wird die am 14. Juni d. J. in Olmüß zwiſchen Oesterreich und Baiern abgeschlossene Uebereinkunst , dieser beiden Staaten gegen
auf welche sich das Kriezsbündniß
Preußen stüßte ,
Antwort
geben.
Sie lautete
wörtlich: „Nachdem Se. Majestät der Kaiſer von Deßerreich wiederholt und seierlich hat erklären laſſen, daß den Gedanien Allerhöchst desselben nichts serner lizge, als ein Angriff auf Preußen und daß die kaiserlich königliche Regierung die Vorschriften des Art. 11 der Bundesacte strenge zu beobachten entſchloſſen ſei, mithin die gemeinschaftliche Anwendung_militäriſcher Kräfte gegen Preußen nur
Defterreichisch-baierische Uebercinlunft.
auf Grund eines legalen Bundesbeſchluſſes ,
277
oder im Fall eines gewaltsamen
Angriffs Preußens auf einen Bundesgenoſſen, Plag greiſen kann, ſind die Unterzeichneten , erhaltenem Auftrag ihrer höchſten Regierung gemäß , für den bezeich, neten Fall über nachstehende Punktationen übereingekommen : 1 ) Die königlich baiersche Armee in der Stärke von 40-50,000 Mann bleibt fortwährend ſelbſtſtändig unter ihrem eigenen Oberbefehlshaber, dem Feldmarschall Prinzen Karl von Baiern. königl. Hoheit. 2) Unter dem baierischen Oberbefehlshaber stehen auch die Contingente des Königreichs Würtemberg ,
der Großherzogthümer Baden und Hessen
und des Herzogthums Naſſau , in Gemäßheit der von den Regierungen dieser Staaten mit der baierischen Regierung getroffenen Vereinbarungen. 3) Der Faiersche Oberbefehlshaber wird die Operationen der unter ihm ſtehenden vereinigten Armeen nach einem gemeinschaftlichen und einheitlichen Operationéplan , so wie nach dem hierauf gegründeten Directiren anordnen und leiten , welche ihm hierfür von dem k. k. österreichischen
t Obercommando mitgetheilt werden. Bei der Feststellung dieses Operationsplans wird in gleicher Weise darauf Rückſicht zu nehmen sein , daß die Operationen stets im Einklang mit den Landesinteressen der Staaten der vereinigten Aimeen bleiben, und daß ebenso auf Deckung der eigenen Gebiete ihrer Kriegsherren Rücksicht genommen werde, als auf Erreichung der Hauptzwecke des Kriegs durch möglichste Vereinigung der Streitfräfte. 4) Um die gegenseitigen Beziehungen noch zu vermehren und den Vollzug der Operationen zu erleichtern , wird ein österreichischer General oder Oberst das baierſche Hauptquartier stets begleiten , ſowie zu demſelben Zweck ein baierscher General oder Oberst dem österreichiſchen Hauptquartier beigegeben. 5) Die königl. baiersche Armee wird bis zum 15. Juni 1. J. in Franken und in der Nähe von Eisenbahnen eine Aufstellung genommen haben, von welcher aus es ihr möglich wird , je nach den Verhältnissen , ihre Bewegungen dem verabredeten Kriegsplan entsprechend einzurichten. 6) Da die militärischen Operationen auf Grund des Bundesrechts stattfinden, wird auch der Friedensschluß in bundesgemäßer Weise erfolgen, und die k. k. österreichische Regierung verpflichtet ſich insbeſondere, keine
278
Desterreich sch-baierische Uebere‹ukunft.
einseitigen Friedensverhandlungen mit Preußen solche Verhandlungen
zu führen , vielmehr
nur unter Theilnahme eines Bevollmächtigten
der f. baierschen Regierung einzuleiten und im Einverständnisse mit dieser abzuschließen. 7) Für den Fall, daß die nicht vorher zu ſehenden Wechſelfälle des Krieges es unvermeidlich machen ſollten , daß bei dem Friedensſchluß Territorialveränderungen in Frage kämen , verpflichtet sich die t. f. österreichische Regierung ,
aus allen Kräften dahin zu wirken , daß Baiern vor Ver-
lufte bewahrt werde, jedenfalls aber mit solchen nur im gleichen Verhältniß zu allen verbündeten Staaten belastet , und für etwaige Abtretungen demgemäß entschädigt werde. 8) Die Ratificationen gegenwärtiger Punktationen
durch die Allerhöchſten
Souveräne bleibt vorbehalten. Dieselbe ſoll binnen acht Tagen erfolgen, und es sollen dadurch gegenwärtige Punktationen die Natur und Kraft eines förmlichen Staatsvertrages erhalten. Olmüş, den 14. Juni 1866. Daraus ersieht Jeder , daß von
der damals viel in Frage stehenden
Bundesrechte, wenigstens was Baiern betraf, keine Rede mehr war , denn wenn diese Regierung den Bundesstandpunkt wirklich für anwendbar gehalten hätte, würde es ſich nur um Aufbietung der Bundescontingente und um die Bestellung eines Bundesoberfeldherrn gehandelt haben.
Schuß- und Truzbündniſſe zwiſchen
den einzelnen Regierungen waren aber dem Bundesrecht entgegen.
Also schon
vor dem 14. Juni , dem Tage der verhängnißvollen Bundestagssigung , befanden fich Baiern , Würtemberg , die Großherzogthümer Hessen und Baden und das Herzogthum Naſſau nicht mehr auf dem Bundesrechtsstandpunkte , denn ſtatt mit dem Bunde schloß Baiern mit Oesterreich die erwähnte Convention ab und die Regierungen Würtembergs , der Großherzogthümer Hessen und Baden und des Herzogthums Nassau hatten laut des Punktes 2 mit Baiern Vereinbarungen getroffen , welchen zufolge sie ihre Contingente unter den baieriſchen Oberbefehlshaber stellten.
Sachsen ließ ohne Weiteres seine Armee zu der kaiser-
lichen Roßen, obwohl dem kaiserlichen Oberbefehlshaber durchaus nicht eine einzige bundesfeldherrliche Eigenschaft zustand . Der später von Oesterreich mit Preußen abgeschlossene Friede zeigte deutlich, daß dieſe Macht sehr wohl wußte , wie bei den vorhergängigen Vereinbarungen zwischen den Mittelstaaten unter sich und mit Desterreich das Bundes-
279
Baierische Friedensablehnung.
recht als aufgehoben zu betrachten
gewesen sei , denn sonst
hätte
es
nicht
allein für sich und ohne Rücksicht auf seine Bundesgenossen Frieden schließen fönnen. Das ist abermals ein trauriges Kapitel mehr in der Geschichte Deutschlands (in der es leider an ähnlichen eben nicht fehlt) , vielleicht aber für die fünftigen Generationen Lebre.
des deutschen Vaterlandes
Als in den am 28.
eine mit Blut geschriebene
August gepflogenen Ausschußverhandlungen
baierſche Abgeordnete Fischer an den Staatsminister richtete:
„ ob die vielfach aufgestellte Behauptung ,
Schlacht von Königgräß
von Seite
der
des Aeußeren die Frage
daß wenige Tage nach der
der königlich preußischen Regierung dem
baierschen Staatsministerium Anerbietungen wegen Abschließung eines Friedens gemacht . diese Anerbietungen aber von Seiten Baierns zurückgewiesen worden seien , auf Wahrheit beruhe? " lautete die Antwort des Herrn Staatsministers im Wesentlichen dahin : „ Es sei thatsächlich richtig , königlich preußische Botschafter zu Paris , dem
daß zur angegebenen Zeit der dortigen königlichen
baieriſchen
Gesandten erklärt habe, Preußen ſei jezt zu Anknüpfungen von Friedens-Unterhandlungen mit Baiern bereit und daß dies Anerbieten durch den baierschen Gesandten nach München gemeldet worden sei.
Die königliche baierſche Staats-
regierung habe aber damals geglaubt , ein solches Anerbieten entschieden ablehnen zu müſſen ,
weil man in dem Eingehen auf einseitige Verhandlungen
einen Vertragsbruch gegenüber seinen Bundesgenossen erblickt hätte. “ Das war sicher eine sehr lobenswerthe Treue , die aber von Oesterreich gar nicht gewürdigt wurde , denn als es ſeinen Frieden mit Preußen schloß, erinnerte es sich nicht ,
daß ein Baiern in der Welt ſei.
Die Geschichte ist eine
gute Lehrmeisterin, namentlich die Geschichte Baierns , wo es doch auf mancher Seite zu lesen ist ,
daß dergleichen delicate Handlungsweise ,
wenn
es sich um
deutsche Interessen handelte, zu den ungewöhnlichen Dingen gehört.
Daß das
baiersche Land und Volk unter der Abweisung des Friedensanerbietens leiden werde und müſſe , das scheint dem Staatsministerium außerm Auge gelegen zu haben.
Ueberhaupt hat sich Baiern in diesem Kriege keinen Freund erworben,
im Gegentheil die Unzufriedenheit Aller, mit denen es verbunden wor. Der bessere Theil des baierschen Volkes war empört über die Art und Weise der Kriegführung, es erhoben sich laute Stimmen, die des Generallieutenants Freiherrn von der Tann, Verhalten scharfer Rüge unterzogen.
Besonders war es
280
Baierische Firebensablehnung.
der "! Volksbote ", der ein verständliches Deutsch redete.
Nicht nur über die un
glückliche Oberleitung des Bundesheeres, ſondern beſonders gegen den Herrn von der Tann trat cine höchst gereizte Stimmung und leider nicht ohne Grund zu ... Glaubte man auch nicht an den ihm vielfach vorgeworfenen Verrath ..
Tage.
denn, sagte man , mag er in seinem Herzen noch so preußenfreundlich gesinnt sein , wie schon lange vor Ausbruch des Krieges behauptet wurde , so sei doch unmöglich anzunehmen, daß er, wie der Cooper'sche Spion, dieser Vorliebe ſeine militärische Reputation zum Opfer bringen würde ... so ging doch Aller Meinung dahin,
daß er als Generalstabschef einen Posten übernommen , dem er
nicht gewachsen war , weil es eben zweierlei ſei : mit einem Freicorps in Schleswig- Holstein ein paar kühne und glückliche Sprünge zu machen , und brauchbaren großen Kriegsplan zu entwerfen und durchzuführen.
einen
Herrn von der
Tann's Freunde sezten zwar noch einen dritten Fall als denkbar , nämlich , daß er mit seinen Rathſchlägen höheren Ortes nicht durchgekommen sei.
Wäre das
der Fall gewesen , entgegneten Andere , tann würde es offenbar seine Pflicht gewesen sein, von einem Poſten, auf dem er nichts wirken konnte , mit lauter Verwahrung zurückzutreten. Als besonders unangenehmes Merkmal seiner „ Wirksamkeit " wurde cine Betheiligung an der durch D. Klopps Erklärung in ihrer grausen Nacktheit dargelegten baiersch-hannöver’ſchen Epiſode bezeichnet, wo der Herr Generallicutenant, nicht zufrieden pro parte virile die Hannoveraner in der Patsche stecken zu laſſen, auch noch die in der Leitung der hannöverſchen Armee gemachten Fehler rügte. Der „ Volksbote “, welcher, wie schon erwähnt, in bedeutend großer Fraktur schreibt und die Kinder beim rechten Namen nennt , veröffentlichte geradezu, daß General Zoller , einer der ehrenwertheſten Offiziere der baierschen Armce , nicht weniger als dreimal zum raschen Vorrücken . um die Hannoveraner zu unter stügen, gemahnt, aber zulest sehr ungnädigen Bescheid erhalten habe. Vielleicht hätten die in Mittel- und Westdeutſchland ſtattfindenden Kämpfe ganz andere Reſultate geliefert, wenn die Baiern den Hannoveranern zu Hilfe gekommen wären ,
wenigstens hätte König Georg dann keine Capitulation zu
unterzeichnen gebraucht , die seine tapfere Armee für die Dauer dieses Krieges verschwinden machte.
Dieſe baieriſche Unterlaſſungsſünde bildete den Anfang der
für Baiern so ruhmlos endenden Kämpfe und man kann da wohl sagen : wie der Anfang so das Ende. Wolle der Leser das Vorstehende als eine Art Einleitung betrachten zu
Die beiden Bunbesarmeccorps.
dem glücklosen Feldzuge der Baiern und des
281
achten Armeecorps
unter dem
Prinzen Alcxander von Heſſen , wenigstens finden sich in dieser Einleitung hinreichend Andeutungen , wie es nach dem Erzählten eben nicht anders kommen konnte, als es gekommen ist. Unwillkürlich erinnert die von regem Bedenken und von einem Halbmuth zeugende Politik und Heerführerschaft Baierns an Schillers Wort:
Louise, Deine Limonade ist matt."
Gehen wir nun über zur Schilderung der Thaten der Baiern und des Bundesarmcecorps 8. . Seit die deutshe Bundeskriegsverfassung besteht , hat ihre Untauglichkeit, so oft das Gegentheil auch behauptet wurde, sich niemalsſo ſonnenklar und deutlich gezeigt,
als in dem gegenwärtigen Kriege.
Gleich einer vom Zahn der Zeit
zerfreſſenen Ruine, die verfällt, wenn man an einer ihrer Mauern rüttelt, mußte ter Mobiliſirungsbeschluß auch dieses morsche Eebäude vollends zerbrechen und während Preußen mit seiner einheitlich organisirten Armee bereits Entſcheidungskämpfe im Herzen Oesterreichs geliefert hat und Sieg auf Sieg errang , von Wien aus immer noch der vergebliche Ruf:
ertönte
Wo bleiben unsere Bundesge-
nossen ? Ach ja, wo blieben sie? Da, wo sie nicht hätten bleiben sollen. Das eben ist der erste Anlauf zum Siege , wenn man vorwärts geht, dem Feinde die Stirne bietet. Die Preußen haben ihrem stetigen Vorwärtsgehen die Reſultate zu danken , welche ſie errangen , obwohl der Feind in Böhmen im Besize aller der Vortheile war, deren Wahl auf seinem Grund und Boden ihm natürlicher Weise zustand! Die Thätigkeit des unter Oberbefehl des Prinzen Alexander von Hessen ſtehenden Bundesarmeecorps gab gleich am 2. Juli ein Beiſpiel, was der Krieg außer Blutvergießen und Tod noch für Uebel im Gefolge hat, und zwar erfuhr die
ehemalige
alte
freie
Reichsstadt
des
Oberrheinischen
lar, dieses erste Lebenszeichen kriegerischen Auftretens.
Kreises ,
Wez-
Um 1 Uhr Nachts näm-
lich rückten etwa 4000 Mann Infanterie und Jäger mit 6 Geſchüßen in Weglar cin und requirirten 2100 Flaschen Wein. 4200 Pfund Feisch, x00 Brode, 200 Rationen Fourage , 20 Ctnr. Hafer und 12 Ctr. Heu.
Das Telegraphen-
Bureau wurde bescht , jedoch nicht zerstört, indeß zogen diese Truppen, nachdem fie sich gestärkt hatten, in den Nachmittagsſtunden zwiſchen 4 und 7 Uhr wieder und zwar in kleinen Abtheilungen in der Richtung auf Gießen ab.
Jedenfalls
würde es den Weglaern angenehmer gewesen sein, wenn dieſe Krieger ſtatt der Lebensmittel einen Theil der noch mit 80,000 Fascikeln (Actenhefte) in ihrer
282
General Vogel v. Falkenstein.
Stadt lagernden Archivs des weiland so sehr wegen seiner schnellen Expedirung der Processe
manche wurden 200 Jahre hindurch verschleppt -- hochberühm
ten Reichskammergerichts requirirt hätten. Das alte Wezlar und seine 5000 Einwohner kamen im Ganzen mit dieser Requiſition billig genug weg, weder ein verlorenes Menschenleben noch ein demolirtes Bürgerhaus waren zu beklagen. würde
es jedenfalls nicht so
Wären ihre Gäste Baiern gewesen,
anständig zugegangen sein ,
wie die in Schleu-
ſingen und anderen Orten durchgeprügelten Brauer und sonst schwer tribulirten Einwohner dies zu ihrem größten Leidwesen erfahren hatten. In Coburg waren Baiern eingerückt und die Erwartung, daß es nun bald zu blutigen Zusammenstößen zwischen den Preußen und ihnen kommen würde, erfüllte sich bald . An der Spige der Preußen stand
der General Vogel von Falkenstein.
Es war eine schwere Aufgabe, die der alte Krieger durchzuführen hatte . Heer zählte 55,000 Mann.
Sein
Unter ihm commandirten die Generale von Man-
teuffel, von Göben, Generalmajor Beyer und der Diviſionär von Flicß.
Ihnen
gegenüber standen zwei , an Zahl überlegene Heere, die noch dazu die Vortheile besaßen , in ihren eigenen Ländern , die ihnen so nahe waren und bald ſelbſt Schaupläge des Krieges wurden , die beste Stüge zu finden.
General Vogel v.
Falkenſtein konnte nur dann den Sieg erringen , wenn es ihm gelang, die beiden Bundes- Corps aus einander zu halten und einzeln zu schlagen.
Nicht wenig
mögen die Nachrichten glänzender Siege ihrer Kameraden in Böhmen dazu beigetragen haben , den in Mittel- und Westdeutschland kämpfenden Preußen einen hohen Aufschwung friegerischen Muthes zu verleihen , besonders hat aber die beispiellose schlechte Kriegführung von Seiten der beiden Bundescorps und die umsichtige, jeden Fehler der Feinde sofort geschickt benußende Leitung des preußischen Oberbefehlshabers , der Main-Armee zu Siegen verholfen. Vogel von Falkenstein , 1797 in Schlesien geboren , trat 1813 unter die reiwilligen Jäger , in das damalige westpreußische Grenadierbataillon.
Er war
ſeiner Mutter davon gelaufen, um dem Aufruf zu folgen ; aber er war so schwach und dürr , daß man Anfangs Anſtand nahm , ihm die Büchse zu geben. deſſen , als wackerer Soldat bewies
In-
er sich gleich im ersten Gefecht nach dem
Uebergang über die Kazbach und avancirte hierdurch zum Fähndrich, im December zum Lieutenant.
Bei Montmirail, wo York den Russen zu spät zu Hilfe
fam , führte er das Bataillon , da alle anderen Offiziere kampfunfähig geworden
283
General Vogel von Fallenstein.
waren.
Das eiserne Kreuz und die Ernennung zum Capitän war der Lohn für
die Auszeichnung, die er in dem siegreichen Feldzuge an den Tag gelegt.
Im Jahre 1818 war er es auch, der mit einem Bataillon des „ GardeFranz-Regiments " , welches mit einem Bataillon von „ Garde-Alexander" den Ehrendienst bei den zum Congreß von Aachen versammelten Monarchen zu versehen hatte, dahin commandirt wurde. Mit dem Eintritt in die höheren Grade wurde Falkenstein vielfach zum Generalstabe zugezogen, da er sich als ein äußerst wiſſenschaftlicher Soldat bemerkbar gemacht.
Am 18. März wurde er beim Kampf
in Berlin bleſſirt, ohne daß ihn dies verhinderte, noch den Feldzug in Schleswig mitzumachen.
Im Herbst, nach dem Waffenstillstand, bekam er das Commando
über das Garde-Schüßen-Bataillon , aber schon im folgenden Jahre zog ihn der General Wrangel in seinen Generalstab , von wo aus er für einige Zeit in's Kriegsministerium commandirt wurde. Dann erhielt er die Division in Frankfurt a. d . D., und im Jahre 1864 war er der Chef des Generalstabes von Wrangel in Schleswig-Holstein . Als die Truppen nach Jütland vorrückten, übernahm er das Commando eines Theiles derselben und überschritt mit ihnen den Limfjord.
Als Comman-
284
General Bogel v. Falkenstein.
dirender von Jütland zeigte
er den troßigen Dänen ,
daß er keinen schlechten
Spaß verstehe, und machte sie durch ein paar scharfe Contributionen firre, sprengte ihnen auch die mißbrauchte Eisenbahn in die Luft.
Nach dem Frieden
erhielt er das Commando des 7. Armeccorps, mit dem er beim Ausbruch des jezigen Krieges die schwere und verantwortungsreiche Aufgabe erhielt, die Armee des bundestäglichen Deutſchlands zu bekämpfen. Während Vogel von Falkenstein seine Preußen den Baiern und dem 8. Bundesarmeecorps entgegenführte, war auch, nachdem der Gouverneur der Rheinprovinz , Fürst zu Hohenzollern, dem Herzog Acolf von Naſſau auf ſein etwas stark ironisches Schreiben eire ruhige sachliche Antwort zugeschickt hatte, sofort der Einmarsch der Preußen in nassauisches Gebiet an trei verschiedenen Stellen gleichzeitig erfolgt, und zwar marſchirte ein preußiſches Bataillon von Coblenz nach Ems , ein anderes nach Nieder- und Oberlahnstein. schah am 28. Juni. burg vor,
Dieser Einmarsch ge-
Das zweite Bataillon drang bis Braubach und Marks-
wo es die dort befindlichen Vorräthe an Pulver und Waffen mit
Beschlag belegte und sie nach Coblenz schaffen ließ .
Ein drittes Bataillon war
von Bacharach in der Richtung nach Wiesbaden vorgerückt. Wɔ man herzogliche Kaſſen fand , in denen noch etwas vorhanden war, ein Umstand , der jedoch zu den Seltenheiten gehörte , weil die Beamten sie vorher ausgeleert hatten , wurde das Geld ebenfalls mit Beschlag belegt.
Auch der Rüdesheimer Wein gehörte
unter die mit Beschlag belegten Gegenstände .
Seine ſeinen Cabinetêweine Hatte
der Herzog vorsorglich nach Straßburg flüchten laſſen , von wo die preußiſche Regierung sie später in geseßlichem Wege zurück verlangte. Die Baiern rückten auf die Nachricht, daß die Preußen im Anmarsche ſeien, eiligſt am 2. Juli mit Sack und Pack aus, nachdem ſie überall von Fourage u. s. w. soviel mitgenommen, als sich nur eben fortſchaffen ließ. In Suhl hatten sie die Telegraphenverbindung zerstört. Am 3. Juli rückten sie aus dem Werrathale: Schwallungen, Waſungen, Wernshausen, Niederschmalkalden durch den Roßgrund und lagerten Nachts, vom 3. zum 4. Juli , in Rosa , Eckards , Roßdorf, um am nächsten Morgen ihren Weitermarsch über Wiesenthal, Dermbach und Ostheim nach Hünfeld fortzuſegen. Eine Brigade befand sich zu Kaltennordheim.
Dieser leztere Ort ,
deſſen
Einwohner alle Ursache bekemen, ihren Enkelfindern noch von der Brutalitāt und Rohheit der Baiern zu erzählen , ist ein kleines Städtchen von 1500 Menschen bewohntes, aber troß seiner Kleinheit durch die industrielle Thätigkeit seiner
285
Zusammenstoß der Preußen mit den Balern.
Bewohner recht lebhaftes Städtchen im sogenannten weimarer Oberlande an der Fulda gelegen.
Die Kaltennordheimer haken eine Linnenfabrik, Barchent- und
Zeugweberci . Gerberei und Schuhmacherei , die ihnen reichliche Beschäftigungen gewähren und bei Arbeitslust über die härteſte Lebensſorge, die um's tägliche Brod, hinweghelfen.
Das zuchtlose Benehmen, die an Beſtialität ſtreifende Roh-
heit der Baiern hat sich in diesem Städtchen ein Denkmal gesezt , über welches wir am Schluſſe dieſes Abſchnittes eingehend sprechen werden.
Wenden wir
für jeßt unsere Aufmerkſamkeit dem Vorgehen und ersten , sehr blutigen Zusammenstoße der Preußen mit den Baiern zu . „Nachdem die unter Befehl des Generals von Falkenstein stehende Armee am 29. Juni die Capitulation der hannöverschen Trupp : n bei Langensalza erzwungen hatte, concentrirte sie sich am 1. Juli in der Gegend von Eisenach und trat am 2. ihren Vormarsch in der Richtung nach Fulda an.
Man wußte, daß
sowohl im Werrathale, als im Thüringer Walde baierſche Truppen umherſchweiſten. Es konnte jedoch nicht Aufgabe der Armee ſein, auf dieſen weit zerstreuten Feind Jagd zu machen, und hatte man bei dem Vormarsch nur darauf zu achten, ob dieselbe sich etwa concentriren und in unſere Nähe kommen würde, um ihm dann einen kräftigen Stoß zu versehen. Nachdem am 2. Juli Abends dieser Feind einen Ueberfall unserer linken Flagelfelewache bei Salzungen versucht, sich dabei aber blutige Köpfe geholt hatte, meldete am 3. Nachmittags der Generalmajor von Kummer , welcher mit einem starken Detachement in unserer linken Flanke über Lengefeld nach Dermbach (im Feldathale) dirigirt war, daß er dort auf den Feind gestoßen ſei, welcher sich nach Zurücklassung von einigen 40 Todten, Verwundeten und Gefange nen auf stärkere Posten zurückgezogen habe.
Die Truppen des Generals von
Kummer hatten keinen Verlust erlitten. Recognofcirungen ergaten , daß der Feind tie in der Nähe von Dermbach gelegenen Dörfer Neidhardshausen, Zelle und Wiesenthal besezt hatte, auch hinter demselben noch stärkere Truppenmassen von ihm standen.
Es waren dies
offenbar die vor einigen Tagen im Gebirge zerstreut geweſenen , jezt in aller Eile zusammengezogenen
und in westlicher Richtung nach einer Vereinigung
mit dem 8. Bundescorps strebenden baierschen Divisionen Hartmann und Zollern.
So nahe der linken Flanke dei vormarſchirenden Armee durfte der Feind
natürlich nicht geduldet werden , und erhielt daher der General von Göben den Befehl, durch einen kurzen Vorstoß den Feind zurückzuwerfen. “
286
Gefecht bei Lermbach.
Als Erläuterung zu dieſer militärischen knapp gehaltenen Angabe wird Folgendes dienen : Nach der Capitulation der hannöverſchen Armee hatte Vogel von Falkenstein die ihm untergebenen drei Divisionen Manteuffel ,
Göben und Beyer in
und um Eisenach, wie es in militärischer Sprache heißt , concentrirt.
In ge-
wisser Beziehung entsprach diese Concentration auch der Lage Eisenachs im Herzen Deutschlands , denn das Herz verſendet ja das ihm zuſtrömende Blut in die nach den äußeren Körpertheilen jührenden Kanäle. im
deutschen Vaterlande,
dieses
Es ist ein schöner Fleck Erde
zu Sachsen-Weimar
gehörende
Fürstenthum
Eisenach zwiſchen dem Thüringer Walde und dem Rhöngebirge gelegen, und daher sehr beigreich.
Ueberall rührige Induſtrie und überall auch der heitere herzene-
biedere thüringische Volkscharacter ausgeprägt. Wie Eisenachs, der zweitgrößten Stadt im Weimariſchen , Straßen durch ihre Reinlichkeit einen ungemein freundlichen Eindruck auf Jeden bewirken , der zum erstenmale hierher kommt, so auch das natürliche , nicht gemachte Wesen seiner Bewohner , deren Zahl sich an die 12,000 beläuft. hier ihre vorzügliche Heimath aufgeschlagen.
Die Romantik hat
Die Burg aller Burgen Deutsch-
lands, die nur eine halbe Stunde von der Stadt ferne Wartburg, berühmt aué dem frühesten Mittelalter durch ihren Sängerkrieg , später durch Luther, dem sie als Aſyl gedient und in neuerer Zeit durch das Wartburgfeſt ( 1817), zu dem ſich die studirende Jugend
des Gesammtvaterlandes daſelbſt einfand und die jezt
noch das Ziel aller Reisenden ist, welche diese von fürstlicher Munificenz als ein heiliges Denkmal aus lange verflungenen Tagen erhaltene und restaurirte Stätte, die im Verlaufe der Zeiten so viel Großes und Herrliches gesehen , zu besuchen , für ein unumgängliches Gebot betrachten. Der Krieg freilich hat nichts Romantisches ,
im Gegentheil ist er
ein
Würgengel des stillen , nur im Frieden gedeihenden Bürgerglücks , aber gewiß werden Viele in den in und um Eisenach concentrirten preußischen Diviſionen gewesen sein , Stätte ſei.
welche
deſſen
bewußt
waren ,
daß
hier
eine
deutſch-claſſiſche
Doch wenden wir uns den Einzelschilderungen des ersten zwiſchen Preußen und Baiern und zwar unter der Bezeichnung :
Gefecht bei Dermbach und Roß-
dorf bekannten Kampfes zu. Am Morgen des 4. Juli stieß ein baierisches Jägerbataillon ganz unerwartet auf die preußischen Vorposten und es entſpann ſich ſofort ein für die
287
Gefecht bei Dermbach.
Baiern von einem ungünstigen Resultate begleitetes Scharmügel, denn die PreuBex rückten 6000 Mann stark über Marksuhl , Salzungen nach Dermbach , in dessen Nähe der Kampf sich entsponnen hatte. Baiern sich gezwungen, sich zurückzuziehen .
Von dieser Uebermacht sahen die
Sie warfen sich auf Wiesenthal, und 4
auch da hart bedrängt, wichen sie nach Roßdorf zurück.
A
Zwischen Roßdorf und Wiesenthal liegt eine sehr steile und bewaldete Höhe, der Nebelberg .
Auf dessen Abhang nahmen die in größter Eile herbei-
kommenden baierischen Batterien Stellung, während die Preußen einen zwischen den Dörfern Dermbach, Roßdorf und Wiesenthal befindlichen langgestreckten Hügel mit ihren Batterien besezt hatten, mit denen sie Tod und Verderben auf die im Vormarsche herankommenden baierischen Bataillone schleuderten.
Ein wüthender
Geschützkampf fand nun statt, oft kreuzten sich 15 Schüsse in der Minute. Kanonengebrüll wurde über 6 Stunden weit gehört.
Das
Es dauerte von Mor-
gens halb 9 Uhr bis halb 4 Uhr Nachmittags. Die Preußen hatten ausschließlich gezogene Geschüße , die Baiern meist glatte, nur eine Batterie gezogener Kanonen war in ihrem Besige und diese eine
288
Gefecht bei Roßderf.
hatte früher der König von Preußen an den König von Baiern geschenkt. Unter diesem Donnergefrache besezten die aus den hinterliegenden Dörfern heranrückenden bairischen Bataillone die Spize des Nebelberges , deſſen bewaldete Höhe ihnen eine sehr gutgeschüßte Stellung bot. Vor ihrer Fronte vermehrten ſich die unterdeß mehr und
mehr anlangenden baierischen Batterien .
Es war ein wahres
Höllenfeuer, das sie theils auf die preußischen Batterien, theils auf die preußischen Bataillone richteten , welchen die Aufgabe geworden war , die Höhe des Nebelberges zu nehmen , die baieriſchen Truppen aus ihrer Stellung herauszuwerfen und zugleich die baierischen Vatterien zum Schweigen zu bringen.
Dies war eine harte und blutige Arbeit , da die Preußen gezwungen waren , ungedeckt die Ebene zu durcheilen und dann erst durch Getreidefelder hindurch die steile Höke zu erſteigen.
Daß die Preußen bei Ausführung dicſes
Befehls große Verluste erlitten, iſt ſelbſtverſtändlich, indeß sie vollzogen ihn , gestüßt auf eins ihrer Bataillone, das hinter Wiesenthal sich auf den linken Flügel der Baiern warf.
Die Höhe wurde gestürmt, die baierischen Batterien und Ba-
taillone von ihr nach dem Thale hinabgetrieben.
Indeß die Baiern ließen nicht
so leicht ab vom Kampfe. Wüthend über den von den Preußen gewonnenen Vortheil sezten sie sich am Roßdorfer Kirchhofe fest und verstärkt durch Unterſtüßungen nahmen sie den Kampf wieder auf. Generallieutenant von Göben's Diviſion , denn sie allein bestand diesen Kampf, einmal im Siege. ließ nicht nach mit Angriffen und die Baiern zulezt fürchtend, daß sie im Rücken angegriffen würden, zogen ſich hinter Roßdorf nach der Höhe von Eckords zurück und stellten sich da abermals in Schlachtordnung auf.
Nachts zogen sie sich durch den Kaggrund zurück.
Der baierische General-
lieutenant von Faust , Commandeur , war gleich im Anfange des Gefechtes gefallen , was die Wirkung hatte, daß die Baiern eine Weile lang Führerlos fortkämpften. Von Seiten der Preußen würde der Kampf, durch den die Wahlstadt mit 700 Todten und Schwerverwundeten bedeckt worden war , am nächsten Morgen wieder eröffnet worden sein, aber die Baiern waren über Nacht abgerückt.
Für
militärisch gebildete Leser dürfte der Einzelnkericht über diesen von der Diviſion von Göben errungenen Sieg von großem Intereſſe ſein, weswegen er hier Plag finden mag.
Vorher sei noch bemerkt, daß das in Rede stehende Dermbach ein
von 1100 Einwohner belebter Markiflecken ist, welcher in das Eachsen-Weimar’sche gleichnamige Amt im
Kreise Eisenach gehört.
Seine
Einwohner ,
Weber,
289
Das Gefecht bei Wiesenthal.
Holzschnißer und Waldarbeiter sind
arm ,
ihre gebirgige heimathliche Scholle
bietet nicht nur wenig Annehmlichkeiten, denn das Klima ist rauh , sondern auch wenig Gelegenheit, sich in anderen Induſtriezweigen mehr zu erwerben, als was gerade das Nöthigſte iſt. „Am 4. Juli Morgens 5 Uhr erhielt die 26. Infanteriebrigade v. Wrangel in Oechsen den Befehl von Sr. Exellenz dem Generallieutenant v . Göben mit der gesammten Brigade über Oberalba auf Dermbach vorzugehen , um der Brigade des General v . Kummer , 25. Brigade, welche Neidhartshausen angreifen ſollte, als Soutien zu dienen.
In Dermbach angekommen ,
wurde infolge der
eingegangenen Meldung Nachstehendes angeordnet : Der Generalmajor v. Kummer ſollte von seiner Brigade, mit der er auf Neidhartshausen vorging, zwei Bataillone unter dem Obersten Gellhorn zurücklaſſen , welche das Defilé von Lindenau zu beseßen hatten , während die 26. Brigade den Auftrag erhielt, Wiesenthal zu nehmen und die dort sich zeigenden starken feindlichen Kräfte von einem etwaigen Vordringen abzuhalten. Infolge dessen wurde die Schwadron Wolter , 8. Huſarenregiment , zur Aufklärung des Terrains vorgeschoben . Unmittelbar darauf folgte das Bataillon Rüstow (2. Bataillon 15. Regiments) in Compagniecolonnen längs der Chauffee nach Wiesenthal.
Noch war die Höhe vor Wiesenthal nicht erreicht ,
als die
Truppen mit Geſchüß- und Gewehrfeuer empfangen wurden ; der starke Regen verhinderte anfänglich jede Uebersicht , troßdem blieb Alles im Avanciren und der Feind wurde nach dem verbarricadirten Wiesenthal hinein und nach den Höhen rechts hinaufgetrieben .
Kurz vor Wiesenthal angekommen , hörte der
Regen etwas auf und man ſah, daß der Feind Wiesenthal zu räumen begann und am Fuße des Nebelberges mit vier Bataillonen, einer Batterie und einigen Schwadronen stand. Unsererseits war das 2. Bataillon 13. Regiments (Oberstlieutenant v . Dörre) von Lindenau bereits vorgegangen und stand südlich Wiesenthal eben im Begriff, über die Wiesen zu debouchiren.
Das Bataillon Rüstow ging am nördlichen
Eingangé des Dorfes über die Thalschlucht ; das nunmehr herangekommene Bataillon Gozkow (2. Bataillon 55. Regiments) wurde nach der Mitte von Wiesenthal hineindirigirt, um eine Verbindung und Unterstügung der fechtenden Truppen herbeizuführen. Dem Obersten v. Gellhorn wurde das Commando über diese drei Bataillone übergeben, mit dem besonderen Befehl nicht zu weit vorzugehen, da es in der Intention Sr. Exellenz des Generallieutenants v . Göben lag , ſich 19 Kriegsereigniffe.
290
Gefecht bei Wiesenthal.
in dieser Richtung mehr defensiv zu halten. pfündige gezogene Batterie (Köster)
Gleichzeitig hiermit war die vier-
eiligst vorgeholt worden und von dem
Commandanten der 26. Brigade auf den dicht nordwestlich liegenden Höhen von Wiesenthal aufgestellt , von wo aus sie eine vortreffliche Wirkung gegen die feindliche Aufstellung hatte.
Die vier andern Bataillone der Brigade und die
12pfündige Batterie Cynatten 11. waren östlich der Pillersmühle als gemeinſchaftliche Reserve aufgestellt, woselbst sich auch das 1. Bataillon 13. Regiments einfand.
Bald wurden indeß die drei Reservebataillone 26. Brigade ( 1. und Fü-
filierbataillon 15. Regiments und Füsilierbataillon 55. Regiments) auf besonderen Befehl Sr. Grellenz dem General Kummer (25. Brigade) zur Unterstützung zugeführt , während die beiden Bataillone des fehl der 26. Brigade traten.
3. Regiments nunmehr unter Be-
Es blieb also das Bataillon Borries ( 1. Bataillon
13. Regiments) und Bataillon Böcking (1. Bataillon 55. Regiments), sowie die 12pfündige Batterie zur Reserve, und wurden als solche in eine deckende Stellung näber nach Wiesenthal nun herangezogen . Die ausgezeichnete Wirkung der vierpfündigen Batterie und das ungestüme Vordringen der Compagniecolonne der vorgeschobenen Bataillone veranlaßte bald, daß drei Bataillone des Feindes sich vollständig auflöſten und in die bewaldete Kuppe des Nebelberges hineinliefen. Das vierte Bataillon des Feindes ging nördlich, ebenfalls aufgelöſt, in sehr beschleunigter Gangart um- den Nebel berg herum ; die feindliche Artillerie nahm Stellung.
gleichfalls
eine mehr rückwärtige
Cavallerie verschwand ganz.
Unaufhaltsam drangen die diesseitigen Tirailleurschwärme dem weichenden Feinde nach und nahmen bald die Lisière des Waldes auf dem Nebelberge. Bald darauf erschienen zwei neue baieirsche Bataillone mit verstärkter Artillerie, die von Norden her den Nebelberg wieder zu gewinnen ſuchten und bis an die Liſière vordrangen.
Indeß die ausgezeichnete Bravour der diesseits engagirten
Truppen und
außerordentlich wirksame Feuer der 4pfündigen gezogenen
das
Batterie, dem sich auch das Feuer der rasch vorgeholten 12pfündigen Batterie anschloß, trieben den Feind zurück. tung des Nebelberges KanonenBermuthung erregte ,
daß die Abtheilung von dem Corps Sr. Excellenz des
Generals v . Manteuffel, welche gehen sollte,
Nunmehr hörte man in nordöstlicher Rich-
und Gewehrfeuer , was diesseits allgemein die
wie uns bekannt
von Lengsfeld aus vor-
den Weg über Urnshausen und Bernshausen wohl eingeschlagen MU SEvorgehend, in jenem Gebirgsthale haben könnte und von da aus aegen Roßdorf LY H IS T I BR
291
Das Gefecht bei Wiesenthal.
in ein partielles Gefecht verwickelt sein könnte.
Späterhin ergab sich ,
daß der
Kanonenschall davon herrührte , daß eine Batterie östlich Roßdorf die Kuppe des Nebelberges beschoß und der Wiederhall in den Bergen obenerwähnte Täuſchunz veranlagt hatte.
Um diese Abtheilung , (Manteuffels Armeecorps) zu degagiren
und überhaupt noch festeren Fuß zu fassen , wurde der ganze Nebelberg genommen.
Auf's Neue wurde vom Feinde wiederholter Angriff gegen denselben
gemacht, indeß eben so entschieden zurückgeschlagen , wie der vorige.
Ein noch-
maliger Befehl von Sr. Exellenz v . Göben veranlaßte die Brigade wiederholt, den Truppen bestimmt anzubefehlen, „Hait“ zu machen und den bereits eingeleiteten Angriff auf Roßdorf zu unterlassen ,
welcher allerdings große Resultate
bätte geben können. Die Abtheilungen fingen darauf an auf Suhl ſich allmählig abzuziehen, und wurde das Bataillon von Börking ,
3 Schwadronen und die 12pfändige
Batterie durch das Dorf durchgeschoben, nahmen daselbst eine Aufnahmestellung, wodurch der ungestörte Abzug der im Gefecht geweſenen Truppen
und
das
Zurückbringen der Verwundeten und Todten mit Ruhe bewerkstelligt werden Als der Abzug fast vollendet war ,
konnte.
erschienen nördlich des Nebelberges
wiederum zwei Bataillone und ein Cavalerieregiment Baiern. Kaum jedoch hatten die Truppen ihre flankirende Aufstellung nordöstlich Wiesenthal genommen , als einige wohlgezielte Schüsse der 4pfündigen Batterie die Bataillone vollständig auseinanderſprengten und das Cavalerieregiment eiligst verschwinden ließ .
Der
weitere Abzug wurde vom. Bataillon Böcking in zweckmäßigſter Art gedeckt und wurde vom Feinde nicht mehr beunruhigt. Nach Aussage der Gefangenen hat die Diviſion des Generals Hartmann mit 10 Bataillonen , standen .
2 Batterien und einem Cavalerieregiment gegenüber ge-
Die gemachten Gefangenen sind vom 4., 5. und 9. Regiment und
einem Jägerbataillon.
Die Bravour der im Gefecht gewesenen Truppen fann
nicht genug gelobt und muß auch ganz besondere Anerkennung der außerordentlichen Trefffähigkeit der 4pfündigen Batterie hiermit ausgesprochen werden . “ Das Schlachtfeld bot einen traurigen Anblick.
Da lagen sie hingestreckt
die kräftigen baierischen Männer , zerrissenen Leibes mit verstümmelten Gliedern und daneben traulich wie im Tode ausgeföhnt mit ihnen , ihren Gegnern , die Preußen, keine so strammen, starkgliedrigen knochenfesten Gestalten wie ſie , aber dafür schlanker, im Aeußern auf mehr Schnellkraft deutend .
Der Tod hatte sie
Alle gleich gemacht , die leblosen Krieger predigten Frieden , den sie im blutigen 19**
292
Das Gefecht bei Hünfeld.
Schlachtentod gefunden .
Die Baiern hatten 300 ihrer Blessirten liegen lassen
und nur einen einzigen ihrer Aerzte fand man beschäftigt, sie zu trösten in ihren Schmerzen, denn sie zu verbinden, fehlte ihm das Nöthige, seine Herren Collegen hatten beim Ausreißen alles Verbandzeug mitgenommen .
Unter dieſen Unglück-
lichen war die Noth so groß, daß die preußischen Offiziere für sie um Proviant baten, damit sie nicht dem Hungertode verfielen. Die Baiern hatten sich während der Nacht vom 4. auf 5. Juli eiligſt auf Fladungen und Ostheim zurückgezogen.
Sie zu verfolgen lag nicht in der
Absicht der Preußen, denn hätte die Division Göben diese Verfolgung allein ausgeführt, so würde sie von dem übrigen preußischen Corps durch das hohe Rhöngebirge sich getrennt gesehen haben, hätten aber sämmtliche preußische Diviſionen diese Verfolgung zu ihrer Aufgabe gemacht, so würden sie gerade das Gegentheil von dem bezweckt haben, was ihr eigentliches Ziel, Verhinderung der Vereinigung zwischen den Baiern und dem 8. Bundesarmeecorps , sein mußte.
Sie hätten
die Baiern vor sich hergetrieben und dadurch ihnen die Nothwendigkeit aufgedrängt, sich mit dem Bundescorps unter dem Prinzen Alexander von Hessen zu vereinigen.
Dieser Verbindung zuvorzukommen, sie zur Unmöglichkeit zu machen,
war General Vogel von Falkensteins einziges Augenmerk und deshalb wurde der durch den Kampf bei Dermbach unterbrochene Vormarsch auf Fulda am 5. Juli fortgesezt. Fast zu gleicher Zeit als die Diviſion Göben bei Wiesenthal und Roßdorf kämpfte, hatte auch die an der Spize marschirende Division Beyer einen Strauß mit den Baiern bei Hünfeld auszufechten .
Es war nur ein Vorpostengefecht,
dem eine höchst seltsame und lächerliche Episode unmittelbar nachfolgte. Das Corps
des Generalmajor von Beyer stieß nämlich in aller Frühe
des 4. Juli vor Hünfeld, welches ein kleines an der Haun gelegenes, fuldaiſches (furhessisches) Landstädtchen mit 2200 Einwohnern ist , bei dem Neuen Wirthshause von Kirchhaſel auf zwei bairiſche Schwadronen mit zwei Geſchüßen .
So-
fort beim Anblick der Preußen begann die baierische Artillerie Feuer auf sie zu geben , indeß es war unwirksam und verfehlte sein Ziel.
Generalmajor von
Beyer ließ sogleich zwei gezogene Geſchüße auffahren , von denen gleich der erſte Schuß so glücklich traf, daß zwei Offiziere , mehrere Reiter und Pferde stürzten und hierauf, ehe noch der zweite Schuß abgefeuert werden konnte, die beiden Schwadronen (Küraſſiere) unter Zürücklaſſung davon eilten.
einer Kanone in wildester Flucht
Die Preußen lachten hell auf, als sie die schwerfälligen Burschen
293
Baierische Banif
in gestreckter Carriere davon eilen sahen.
Indeß jenseits Hünfeld hielten die
Flüchtigen an und es schien, als ob sie nun Stand halten wollten. General von Beyer ließ abermals einige Schüsse auf sie abfeuern und nun erst begann ein so wüthendes Davonjagen der Gegner als brenne der Boden unter ihrer Pferde Hufen.
Die Preußen lachten wieder, denn dergleichen Reißausnehmen war ihnen
noch nicht vor die Augen gekommen. Die Sache schien nun abgethan zu sein, der Vormarsch der Preußen auf Fulda erfuhr keine Hemmung mehr ; aber die Fortsegung dieser kleinen Bataille spielte bis über die baierische Grenze hinüber.
Ein im Bade Kissingen (baieriſch)
befindlicher Correspondent der Londoner „ Times " veröffentlichte Folgendes : „ Vorigen Donnerstag gab es hier ein Schauspiel von großer Aufregung. Am Morgen kam ein auf dem Rückzug befindlicher Trupp Cavalerie in die Stadt (Kiſſingen) , darunter Trainſoldaten und Pferde mit augenscheinlich zerschnittenen Strängen.
Sie berichteten , daß auf ihrem Vorrücken auf Fulda in
einem Hohlwege von den Preußen auf ſie gefeuert worden wäre, daß die Preußen vorrücken und bereits bei Brückenau seien.
Dieser Trupp passirte in leidlicher
Ordnung ; aber gegen 1 Uhr Mittags fand eine reguläre Flucht des Restes der Reiter durch die Stadt statt.
Lanciers , Dragoner, reitende Artillerie , die Leute
ohne Lanzen und Säbel und um's Leben fortgaloppirend, der kläglichſte Anblick, den ich je gesehen habe.
In Kiſſingen erwartete man nun voller Schrecken und
Angst die Ankunft der Preußen.
Unter den Gastwirthen und Handelsleuten wie
unter den Kurgästen, meist Russen, von denen Biele sich sogleich aus dem Staube machten , griff eine entsegliche Panik um sich.
Als jedoch im Laufe des Nach-
mittags die Nachricht einlief, die Preußen seien nirgends zu sehen , legte sich die Aufregung.
Der ganze Vorfall lief, so viel ich hörte, darauf hinaus , daß die Avantgarde der baierischen Reiterei aus Furcht vor einem Ueberfall vorsichtig ihres Weges zog , ging.
als in einem finstern Hohlwege des Nachts zufällig ein Piſtol los-
Das beunruhigte diese Reiter so sehr , daß
das Hauptcorps zurückgaloppirten , in dasselbe gerade hineinritten.
sie Kehrt machten und auf
aber da sie im Finstern nicht sehen konnten,
Das Hauptcorps in der Meinung , es habe die
ganze preußische Armee auf dem Nacken, feuerte die Pistolen auf dieselben ab, und stürzte sich dann , zur Flucht umkehrend , ganz und gar besinnungslos auf die Artillerie und die Bagage. zerschnitten eiligst
Das Entsezen ward nun allgemein, die Fahrer
die Stränge und flohen , was die Pferde nur laufen fonnten.
294
Baierisch.
ant.
Der ganze Trupp jagte über Hals und Kopf nicht nur durch Brückenau, ſondern . unauſhaltſam bis Kiſſingen und durch, obwohl die Pferde bis zum Umfallen erschöpft waren. " Und an all diesem Wirrwarr waren blos die wenigen Schüsse schuld, welche Generalmajor von Beyer hinter Hünfeld auf die beiden Kürassierſchwadronen und deren zwei Geschüße hatte abfeuern lassen. Ueber dieses nicht einmal ein Scharmüzel zu nennendes Zuſammentreffen , nachstehender furzer Bericht:
erfolgte in der Kölner Ztg.
Hünfeld , 4. Juli. Als ich heute früh von Grüsselbach aus eine Kanonade in der Richtung auf Hünfeld hörte, begab ich mich gleich darauf hin .
Kaum zwei Stunden vor-
gerückt, fand ich die ersten Opfer des Zusammentreffens ! Es waren ein Offizier und fünf Kürassiere der baierischen Armee ,
die neben ihren Pferden blutig da-
hingestreckt lagen, sie hatte eine Kartätsche weggerafft. Ein paar Hundert Schritte weiter lag eine Gruppe von acht Todten , ebenfalls Baiern ; und wieder weiter fanden sich noch einzelne Leichen und todte Pferde.
Baierischerseits sind nur
Cavalerie und Artillerie im Gefechte gewesen ; preußischerseits Artillerie und In-fanterie (39. Regiment). Während die bairische Artillerie fast alle die heute früh gehörten Kanonenſchüſſe abgefeuert hatte ,
ohne zu treffen (preußischerſeits ist nur, ſo viel ich er-
fahren, 1 Mann verwundet) , haben die wenigen von der preußischen Artillerie geschossenen Kartätschen
alle Gruppen von Todten geliefert.
Ein schwer ver-
wundeter bairischer Lieutenant , v . Grafenſtein , ist hier in Hünfeld im Hoſpital. Unter den bairischen Leichen befand sich eine , welche in der rechten Hand das Schwert, in der linken das Portemonnaie hielt einem Kameraden zu überreichen. ßen so sehr,
wahrscheinlich um es sterbend
Der Anblick rührte vorbeimarschirende Preu-
daß sie das Portemonnaie nahmen und die wenigen
findlichen Kreuzerstücke als Andenken unter sich vertheilten.
darin be-
Ein gefülltes Porte-
monnaie und eine Uhr dagegen wagte Niemand anzugreifen,
gewiß ein
schönes Zeichen . In einem nachgeführten baierischen Küraß fanden sich 6 Eindrücke von Flintenfugeln , die sämmtlich nicht durchgegangen waren, während ſchließlich eine Kartätſchenkugel den lange Beſchüßten hinweggerafft hat ; der obere Theil des Kürasses
war verschwunden.
wenige Stunden von uns. Fuße.
Das
8. Bundesarmeecorps
ist nur
Unserm Corps folgt das Falkenstein'sche auf dem
Hoffentlich wird unser Vorwärtsgehen , so viele deutsche Brüder es leider
295
Die Preußen in Fulda. auch kosten mag , doch nicht gehemmt werden.
Hünfeld ist der Knotenpunkt der
Hauptstraßen von Kassel, Eisenach und Fulda. Selbstverständlich war es , daß eine solche schandbare Flucht in einer Tour von 24-26 Stunden , wobei die Pferde vollständig zusammengeritten wurden , bedeutendes Aufsehen erregte.
Das einzig Wahre an derselben war,
daß die bei Hünfeld flüchtig werdenden Schwadronen sich in blinder Angst auf baierische Avantgarde stürzte ,
wodurch die
grauenhafteſte Kopflosigkeit unter derselben , Alle ſo beherrschend ,
um sich griff,
die einen Hohlweg durchziehende
daß in der gewiſſen Ueberzeugung , sie würden von den Preußen zusammengehauen , Jeder flüchtete , wie er nur fonnte. Nur fort! nur das theure Leben retten ! einen anderen glorreicheren Gedanken hatten diese glorreichen Reiter nicht. Bewundernswerth aber waren die lügenhaften Aussagen , durch welche Ausreißer ganz Unterfranken in Schrecken versezten.
diese
Sie beschuldigten ihre
Offiziere und Generäle laut des schändlichsten Verrathes und gaben an, ſie hätten sich nur mit Mühe retten können, denn die Preußen hätten das baierische Hauptquartier gefangen genommen. gericht gestellt.
Natürlich wurden diese Braven vor ein Kriegs-
Welchen Lohn ſie für ihre lügenhaften Erfindungen und für den
außerordentlichen Ritt, den sie zum Verderben ihrer Pferde gemacht hatten, empfangen haben, erfuhr man nicht.
Ging es nach Recht und Gerechtigkeit hätten
nach beendigtem Feldzuge noch ganz andere Leute vor's Kriegsgericht gestellt werden müſſen, indeß davon verlautet eben auch nichts . Die Division von Beyer erreichte,
da nichts ihren Vormarsch mehr
hemmte, am 6. Juli in Gemeinschaft mit dem übrigen Corps Fulda , wo sie in dieser Stadt und Umgebung bivouafirten. Baiern die Stadt besezt gehalten.
Anderthalb Tage vorher hatten
Nach den eingezogenen Nachrichten
erfuhr
man, daß ein Theil des 8. Bundesarmeecorps in der Gegend von Lauterbach und Schliz (Großherzogthum Heſſen) mit ſeinem Hauptquartiere in Stockhausen gestanden habe , um eine Vereinigung mit den Baiern anzubahnen , die jedoch durch die raſchen Bewegungen der Preußen und den eiligen Rückzug der Baiern vereitelt worden war.
Unverrichteter Sache, da die allzugroße Nähe des Feindes
doch sehr gefährlich war, zog sich Prinz Alexander von Heſſen mit seiner Reichsarmee vorsichtig nach Gießen zurück.
Es war nicht zum erstenmal, daß Fulda in preußischer Hand sich befand . Ehemals gehörte die Provinz Fulda zu Preußen , wurde aber nach der Entscheidung des Wiener Congreſſes ( 1814 , 1815) von dieſem an Kurhessen abge-
296
treten.
Eine Anklage.
Im Haupttheil grenzt ſie an die Provinz Nieder- und Oberheſſen , an
Hessen-Darmstadt ,
an die Provinz Hanau ,
an das baierische Unterfranken mit
Aschaffenburg und
an Sachsen-Weimar.
Sie gehört durchaus nicht zu den --
überschwänglich glücklichen Ländern der Erde, denn wegen ihrer hohen Lage liegt doch ihr tiefster Punkt 860 Fuß über dem Meere ! und wegen ihrer vielen Berge ist das Klima sehr rauh, so daß sich oft schon im September das Rhöngebirge mit Schnee bedeckt, der erst im April ſchmilzt.
Dieser Lage und dem
Klima zufolge ist der Ackerbau sehr wenig bedeutend , nur im südlichen Theile steht es damit etwas besser.
Diesen Mangel erseßt die Bevölkerung durch
industrielle Thätigkeit, vorzüglich in Damast und Leineweberei. Fulda, die Hauptstadt ist als alte Bischofsstadt stockkatholisch und überall drängen sich die Spuren dieses bilderreichen Cultus
vor des Fremden Auge , selbst außerhalb zeugt der
Calvarienberg mit seinen Gebet-Stationen dafür.
Die Einwohnerzahl, 10,000,
ist übrigens sehr betriebſam. Den gut-katholischen Baiern würde natürlich längerer Aufenthalt in dieſer alten Bischofsresidenz weit beſſer behagt haben , als im nachbarlichen proteſtantischen Weimarer-Oberlande.
Besonders haben sie sich daselbst in Kaltennordheim
wie schon angedeutet durch ein scheußliches Gebahren ein wenigstens für lange Zeit aushaltendes Denkmal im Gedächtniß der dortigen Einwohner gesezt, mit welcher Schilderung wir diesen Abschnitt schließen.
Für alle die ,
welche Nach-
barn des Hessenlandes sind , steht die Erinnerung an jene noch nicht gar zu lange vergangene Zeit fest im Gedächtniß , wo man die baierische Soldateska mit den sehr treffenden Namen „ die Strafbaiern “ bezeichnete. diese Erinnerung
zu den vielen
unvergänglichen
Für die Heſſen ſelbſt wird gehören ,
die
das
Geschick
ihnen seit langer Zeit aufgebürdet hatte. Ein Däne , Dr. Mahler , entrüstet von dem, was man von dem schändlichen Gebahren , der in Kaltennordheim und Kaltensundheim in den Anfangstagen des Juli einquartirten Baiern erzählte, reiste an Ort und Stelle, um sich mit eigenen Augen oder Ohren von der Wahrheit oder Unwahrheit dieses Gerüchtes zu überzeugen.
Er veröffentlichte das Resultat seiner Nachforschung
in vielen öffentlichen Blättern und zwar, indem er die baierische Regierung aufforderte, ihn vor das Gericht zu fordern , um Zeugenſchaft für die schweren Beschuldigungen ablegen zu können , welche er als in Kaltennordheim geschehene Unthaten der baierischen Soldaten veröffentlicht.
Nicht nur, daß sie höchst übel
daselbst gehauſt, das Eigenthum der Bewohner auf's Schändlichste ruinirt , ſich
297
Baierische Entgegnung.
gleich wilden Horden gegen die legteren benommen, sie hätten auch ihrem dummbigotten Keter-Hasse den Zügel gelassen, indem sie Luthers Bild in Kirchen- und Privatwohnungen weggerissen und in abscheulich zotiger Art und Weise demſelben mitgespielt.
www
0
Der Aufforderung Dr. Mahlers an alle ehrlich mit der geistigen Bildung es meinenden Redactionen von Zeitungen seine Anklage gegen die baierische Bestialität zu veröffentlichen, wurde von Vielen genügt und die baierische Regierung sah sich dadurch gezwungen , Antwort darauf zu geben. schen Hauptquartier wurde der in ganz Europa viel gelesenen
Aus dem baieriAllg. Zeitung"
folgende Entgegnung zur Veröffentlichung zugeschickt : „ Zu der vom Herrn Dr. Mahler in verschiedenen Blättern veröffentlichten Schilderung des Benehmens der baierischen Truppen im weimarischen Oberland (Kaltensundheim und Kaltennordheim) wird bemerkt, daß zwar in diesen Ortschaften von den dortſelbst bivouakirenden Truppen verschiedene Ungehörigkeiten durch die Beschädigungen an Gebäuden , deren Einfriedigungen , sowie an den von den geflohenen Einwohnern geborgenen Lebensmittel- und sonstigen Vor-
298
Baierische Entgegnung.
räthen vorgekommen sind , solche wurden aber hauptsächlich durch das Flüchtiggehen der Mehrzahl der Ortseinwohner schon vor Ankunft der Truppen , und durch den Umstand veranlaßt, daß von den Ortsbehörden, welche sich nicht sehen ließen und nur schwer oder gar nicht aufzufinden waren, gar keine Vorkehrungen für die Unterkunft und Verpflegung der Soldaten, besonders in Kaltensundheim, getroffen waren . fortdauernd höchst
Dadurch waren dieſe absolut nicht in der Lage für die unter ungünstigen Witterungsverhältnissen fortgeseßten
Bivouaks
auch nur die nöthigſten Bedürfnisse , wie Lagerstroh und Brennholz ,
auf regel-
mäßige Weise zu erlangen. „Son ie das Commando der mobilen baierischen Armee von diesen Ungehörigkeiten Kenntniß erhielt, wurde im Auftrag desselben von dem im Hauptquartier verweilenden k. baierischen Oberlandes -Commissar mit Schreiben vom 6. Juli 1. J. (noch an demselben Tag ,
an welchem das Hauptquartier von
Kaltensundheim verlegt wurde) an die großh. weimarsche Direction des vierten Verwaltungsbezirks zu Dermbach das Ersuchen gestellt : über die vorgefallenen Beschädigungen saleunigst verlässige Erhebungen und Abschägungen vorzunehmen und die Verhandlungen mitzutheilen, damit für die baldige Entschädigung Sorge getragen werden könnte.
Unterm 28. Juli 1. J. wurde die Erledigung dieses
Ersuchens in Erinnerung gebracht, von der benannten Verwaltungsdirection jedoch am 2. August erwidert,
daß die sogleich nach Empfang des Ersuchſchreibens
eingeleiteten Schadenserhebungen noch nicht definitiv abgeſchloſſen ſeien , und, wie dies geschehen , das Ergebniß werde mitgetheilt werden.
Solches aber ist bis
jezt noch nicht erfolgt. „ Auffallend ist es, wie Herr Dr. Mahler, welcher doch an Ort und Stelle von diesen Schadenserhebungen Kenntniß
erhalten mußte, hierüber in seiner
Anklage ganz mit Stillschweigen hinweggegangen ist.
Von einem muthwilligen,
in der rohesten Weise vorgenommenen Vernichten des Privateigenthums ist dem Commando der mobilen baierischen Armee von feiner Seite eine Anzeige zugekommen, noch viel weniger von dem , auch ganz unwahrscheinlichen Wegreißen des Bildnisses Luthers
an den Wänden in Kirchen und Privatwohnungen .
Jedenfalls aber ist von dem
obigen Commando unverzüglich alles geſchehen,
um den Beschädigten vollkommene baldige Entschädigung zu sichern. " In dieser Entgegnung ist zwischen den Zeilen das Zugeständniß zu lesen, wie nichtswürdig das Benehmen der baierischen Truppen gewesen sein muß, daß man noch an selbem Tage im Hauptquartier ſich ſchon gedrungen sah , Erörte-
299
Baierische Kriegführung.
rungen über diese abscheulichen Vorkommnisse anzustellen. Die Entschuldigungen, welche in dieser aus dem baierischen Hauptquartiere
kommende Antwort ange-
führt sind , hätten etwas für sich , wenn der Grund , auf dem sie sich eigentlich stügen wollten , nicht einer neuen Anklage gegen die unverantwortliche Transportweise enthalten hätte, welche mehr als nachlässig von der baierischen ArmeeVerpflegungsbehörde beliebt wurde.
Ueber das baierische Misère ließ sich das
durch eigene Anschauung begründete Urtheil eines sehr gewiegten Mannes folgendermaßen vernehmen : Nie sind in den Annalen eines Krieges so viele Unfertigkeiten , Schwerfälligkeiten, Mangel an den Eigenschaften , die zur militärischen Führung unentbehrlich sind, ja ſelbſt Mangel an gutem Willen, Ueberfluß an eitler Selbstüberschäzung und gänzliche Verwahrlosung aller Pflichten so offenbar vertreten gewesen, sozusagen zur Tagesordnung gehörend, als in der baierischen Kriegführung des Jahres 1866.
Baiern scheint in den Kämpfen dieses Jahres das Kunſtſtück
beabsichtigt zu haben , Alles , was bei einer Armee nicht vorkommen soll , zum warnenden Beispiele für alle Kriegführenden aufstellen zu wollen, und es hat in dieser Musteraufstellung das non plus ultra erreicht .
Dieser Rachruf bleibt ihm,
denn er ist in der Geschichte des Jahres 1866 als grell abstechender Gegensag zu den vielen denkwürdigen Beiſpielen von leuchtenden kriegerischen Erfolgen verzeichnet. Baiern hatte es in der Hand , Sachsen ,
Kurhessen und Hannover zu
entſegen und den westlichen Theil Preußens vom östlichen abzuschneiden , wenn nämlich die baieriſche Armee in Mitte Juni wirklich 40 bis 50,000 ſchlagfertiger Soldaten gezählt hätte und daß es zu der Zeit kein solches schlagfertiges Heer stellte, obwohl es in der Convention mit Desterreich sich verpflichtet hatte. war schon ein halber Verrath.
Preußen hatte nur die 20-30 Meilen getrennten
Corps der Generale Manteuffel, Beyer, Göben entgegen zu sehen. Der baierische Oberbefehlshaber ließ saumselig , fast möchte man sagen , vorsäglich, die Hannoveraner im Stich, und das war eine Treulosigkeit.
Es lag ihm ebenfalls gar
nicht an , sich mit dem 8. Bundesarmeecorps zu vereinigen , wie es ihm ebenso wenig am Herzen gelegen zu haben scheint, ob er die Zeit durch müßiges vierzehntägiges Stehenbleiben an der thüringischen Grenze vergeudete.
In diesen
14 Tagen konnte er, wenn ihm der Krieg wirklich Ernst gewesen wäre, den noch nicht zum Ganzen vereinten Preußen empfindliche Schläge versezen. Mußte denn das baierische Bundesarmeecorps so jammmervoll geführt werden wie das achte Bundesarmeecorps ?
300
Baierische Krisgführung.
Kaum drei Tagemärſche ſtanden dieſe beiden ruhmwürdigen Bundesarmeecorps von einander entfernt ,
ohne daß nur der
Schatten einer preußischen
Pickelhaube dazwischen gestanden hätte und doch kam es zu feiner Vereinigung zwischen
ihnen.
O
diese durchlauchtigen
Reichsarmeeführer ſind
aus
guter
Schule. Die Baiern allein waren stärker als die Preußen , nachdem deren drei Corps sich vereinigt hatten ,
die zusammen nach den
höchstens 65,000 Mann zählten .
officiellen Berichten 60
Bei den Baiern war alles verwahrlost , Ber-
pflegung, Marschordnung und Disciplin.
Auf offenen , unbedeckten Wagen
führten sie in dem schrecklichen Regenwetter ihren Brodvorrath mit sich und mußten denselben eben so wie das aus gleicher Ursache in Fäulniß übergegangene Fleisch als ungenießbar in die Werra werfen .
Das war Vorsicht.
Und welch' ein ge-
waltiger Train schleppte sich wie ein mit der baieriſchen Armee festverwachſener Polyp fort!
Der Oberbefehlshaber , Herzog Karl, machte es wie der Sultan.
er hatte fast seinen ganzen Haushalt bei sich und der war nicht gering — und dann den Schweif von Kutschen, in denen Berwaltungsbeamte, Aerzte, Auditoren u . s. w . ſich befanden .
Die Offiziere, meist kenntnißlos, hatten eine Menge Ge-
päck bei sich, aber was ihnen besonders nöthig gewesen wäre, Karten, diese führ ten sie nicht bei ſich. Als sie die Grenze überschritten hatten, kam ihnen der Drang, zu wiſſen, wo sie sich eigentlich befänden und sie kauften sogar Schulknaben Blätter aus kleinen Handatlassen ab.
Geographie . Topographie gehörten nicht in den bai-
erischen Offizierskatechismus.
Daher kam es ,
daß sie höchst confuſe Märsche
machten, oft 10-12 Stunden brauchten, um einen Ort zu erreichen, der nur 3 Stunden entfernt war.
Und was mußten die Mannschaften dabei leiden!
In
glühender Hiße und in dichtesten Regengüssen diese Irrfahrten durchzumachen, brachte die ſtarken, ſchwerfälligen Burſchen ganz herunter. Der baierische Offizierskatechismus enthält Vieles , was nicht löblich ist. Ein wahrhaft erstaunenswerther Vorrath von Fluch- und Schimpfwörtern lebte im Munde der Offiziere gegenüber ihren Soldaten und langte dieser Vorrath nicht aus, sezte es Püffe, Knüffe, Maulschellen nach rechts und links — iſt das Offiziersbildung? Rede sein.
Natürlich kann da von einer Zuneigung des Soldaten keine
Alle die, welche diese Soldateska haben kennen lernen , sind einstim
mig in dem Urtheil , daß deren Hauptgrundzug Mißmuth , Gleichgiltigkeit, Störrigkeit in Mienen und Worten sei. Der Bierduſel ist daher einer von den ſieben
301
Baierische Kriegführung .
Seligkeiten des baierischen Soldaten , in diesem Zustande erhebt er sich entweder über den verstockten Grimm, den er gegen seinen Vorgesezten in der Seele hat oder er beachtet den Letteren gar nicht.
Es ist platterdings unmöglich, daß ein
auf baieriſche Manier verſacermentirter und mit Maulschellen regalirter Soldat Liebe zu seinem Offizier haben kann oder etwas von Ehre weiß , sobald dieſe mehr beansprucht ,
als
bei
einer gemeinen Keilerei
derb
baierisch drein zu
schmeißen. Wenn jemals das Lied :
„ Nur immer langſam voran “ eine Wahrheit
enthalten hat, so sicher bei den Vaiern.
Dies zeigte sich beim Stellen der Com-
pagnien, da kam jeder noch zurechte , wenn er auch ganz zulezt kam . Pferdearbeit für Offizier und Unteroffiziere.
Das war
Ein preußisches Regiment ist in der
halben Zeit gestellt als eine baierische Compagnie.
Ueber Eins aber waren sie
Alle einig, Feldmarschall, Capitain, Lieutenant und Gemeiner, daß sie ohne Weiteres die Preußen in Grund und Boden schlagen würden , denn daß der Krieg auch moralische Kraft , Gewandtheit und Verschlagenheit bedingt , davon wußten, wie es den Anschein hatte , Feldmarschall , Capitain , Lieutenant nnd Gemeiner nichts.
Jezt , nachdem dieser für Baiern so ruhmreiche Feldzug , von dem der
baierische Ministerchef, von der Pfordten , sagte:
„Die Baiern hätten es nicht
einmal zu einer tüchtigen Niederlage gebracht “, beendigt ist, dürfte vielleicht eine Spur davon, was Einheit und moralische Kraft vermögen, über Biele im baierischen Heere gekommen sein.
Gewiß , es war auffallend merkwürdig , daß die
Baiern , troßdem fie jederzeit die besten Positionen hatten und überall die an Zahl und an physischer Kraft Stärkeren waren, zurückgedrängt wurden. Beim Marsche nach Eisenach sollen ſie 30,000 Mann stark gewesen sein. Mit dieser ansehnlichen Macht hätten ſie Großes leiſten können, aber ſie leiſteten nichts , weil sie ohne einheitliche Leitung, ohne Verband unter einander und ohne rechtzeitige Unterstüßung blieben. Karl,
Wo war denn der Oberbefehlshaber , Herzog
als es da zum Kampfe kam ?
Man erzählt sich, er habe gemächlich im
Hauptquartier beim Frühstück geſeſſen,
als der Kampf schon lange begonnen.
Das Allerunglaublichſte, aber nach allen Berichten doch Wahre, ist, daß selbst der beſſere Theil der baierischen Offiziere auch gar keine Kenntniß von den Päſſen des Röhngebirges hatte, troßdem der Kampfplaß daselbst nur ein paar Stunden von der baierischen Grenze , von der Stadt und dem Schlosse Tann , dem alten Stammsiße des baierischen Generalstabschefs , Herrn von der Tann , der daselbst einen Theil ſeiner Jugend verlebte und faſt alljährlich dahin zu Beſuch kommt,
302
Baierische Kriegführang.
entfernt war.
Hätten die Preußen einen solchen Generalstabschef gehabt, fie
wären sicher nicht über Reichenberg ins Böhmerland eingedrungen. Die Cavalerie-Division fonnte auch etwas von kluger Führung erzählen. Mit Reiterei aufs Geradewohl in einen Wald vorzudringen, fann nur dann gerechtfertigt sein , wenn der Wald vorher gehörig durchsucht ist und zur Seitendeckung Patrouillen vorgehen , aber Se. Durchlaucht hatte dieſe Sicherheitsmaßregeln, die jeder Gefreite fennt, unterlassen und das Resultat dieses Heldenmuthes war, daß , als die Baiern das bewaldete Defilée durchzogen, preußischer Kartätschenhagel sie überraschte und dann preußische Reiterei eines so forcirten Angriff machte , daß
drei
baierische Schwadronen ganz aufgerieben und die übrigen
Schwadronen nach allen Seiten hin versprengt wurden.
Das nennt man Kunſt-
stücke, bei denen es nicht darauf ankommt, wie viele Leute darauf gehen. Die Baiern schlugen sich brav, am Feststehen fehlts bet ihnen nicht und daher verwunderte sich alle Welt , daß sie , welche z . B. bei Hammelburg und Kissingen, besonders bei letterem Orte eine der besten Positionen hatten, die man ſich denken kann , dennoch unterlagen.
Die einzige lange und schmale Brücke
über die daselbst ziemlich breite Saale , mit 18 trefflich postirten Geſchüßen zu vertheidigen , wodurch sie zugleich die ganze Stadt beherrschten und doch den Kürzern zu ziehen, das war wahrlich stark. Ueberhaupt war es eine ungeheuere Rückſichtslosigkeit , einen Kampf um bei und in Kissingen ſtattfinden zu laſſen, wo so viele zur Kur daselbst anwesende Fremde sich befanden. Die baierische Kriegführung zeigte immer und überall die Unfähigkeit seines Führers, der sich nicht einmal des allgemeinen Vertrauens erfreute.
Herzog Karl hat vor 50 Jahren in den napoleonischen Kriegen in der
Armee hohe Chargen begleitet ;
aber Niemand wird so schwach am Berſtande
ſein , zu glauben , daß ſeine militärischen Talente ihm diese Würden verſchafft haben denn ein Jüngling von 20 Jahren besißt noch nicht die Erfahrungen eines Kriegers, der den Krieg aus langer Praxis fennt.
Seine fürstliche Geburt ver-
ſchaffte ihm dieſe hohen Stellungen, nicht sein eigenes Verdienst ; und Nopoleon 1. kannte seine Leute , er wußte , wie sie anhänglich an ihn zu machen waren und Baiern war damals gut napoleonisch, bis ein plögliches „ Kehrt machen “ ersprießlich schien und es sich für die Untreue, die es an dem durch die Leipziger Schlacht zur Rückkehr nach seinem Frankreich gezwungenen Napoleon I. beging, bei Hanau derbe Schläge verdiente.
Jeder Deutsche freute sich damals dieser Züchtigung
303
Baierische Kriegführung
für den Ischariotsstreich.
Die enge Freundschaft mit Napoleon 1. warf nichts
mehr ab , ja ſie ſchien gefährlich zu werden und darum wurde der bis dahin treu ergebene Freund und Bundesgenosse an ihm zum Schergen . nen ist eine schöne Devise.
Farbe befen-
Der von einsichtsvollen Militärs gehegten starken Zweifel an der Befähigung des Freiherrn von der Tann als Generalstabschef zu functioniren, bestätigten sich leider in Folge der Kämpfe. Zum Generalstabschef bedarf es etwas mehr als den Ruhm ein persönlich muthiger Offizier zu sein.
Sein erster und
die ganze baierische Kriegführung kennzeichnender Fehler war, daß er die Hannoveraner im Stiche ließ, und zwar, da dies ohne Aufbietung großer Kräfte zu bewerkstelligen war , denn das preußische Corps des Generals Beyer war viel zu schwach, um den mit den Hannoveranern vereinten Baiern ein ernstliches Hinderniß entgegenseßen zu können .
Ja, entschuldigten ihn seine guten Freunde,
ſeine Vorstellungen, den Hannoveranern eiligst zu Hilfe zu kommen, scheiterten an dem Bedenken des Höchstcommandirenden . In diesem Falle hätte es die Ehre des Herrn von der Tann erfordert , von einem Posten zurückzutreten , wo er nichts wirken konnte.
Andere aber erhoben gegen ihn den Vorwurf, daß er sich
sogar spöttelnd über die Leitung der Hannoveraner ausgesprochen habe.
Wie
gesagt, dieser baierische Feldzug ist ein wunderbares Gemisch von militärischer Unfähigkeit der Führer und von einer Laßheit in der Kriegführung, wie sie wohl noch nicht dagewesen.
Dieser Feldzug Baierns zeichnet sich in der Geschichte des
Jahres 1866 als eine kopflose Verschwendung von Menschenleben und Geld aus, abgesehen von dem Unheil, welches die Orte traf, wo gekämpft wurde. Ein an der weimarischen Grenze lebender badischer Offizier schilderte die baierische Infanterie wie folgt : „Wie können Truppen so zurückkommen wie diese Infanterie! Rohheit, Unwissenheit, Mangel an Achtung gegen ihre Führer , Mangel an allen Vorsichtsmaßregeln .
Von allen diesem könnte ich ein Buch schreiben , müßte aber
befürchten , daß man diese Darstellung für eine geflissentliche Unwahrheit und Uebertreibung halten würde. und Haaren auffreſſen!
Und diese (Baiern) wollten die Preußen mit Haut Ich habe, nachdem ich diese Truppen von außen
und innen betrachtet, keinen Augenblick an den Resultaten gezweifelt, wie sie gekommen sind, ja ich habe alles wörtlich vorhergesagt.
Einen solchen wahnsinnigen
Krieg in den Röhnbergen zu führen, aus solchen Positionen sich von einer Hand voll Feinde in ein paar Tagen und bis
über den Main zurückwerfen zu
304
Baierische Kriegführung.
lassen!
Eine Position die man mit 2000 schwarzwälder Bauern im Gu
erillafrieg dreiviertel Jahr hätte halten und völlig unsicher machen können . “ Die Folgen waren auch darnach und nicht nur das baieriſche Militär selbst, sondern auch das Volk waren schwer entrüstet , über die Reſultate eines Feldzuges ,
der mit einem Worte,
„Baier" herbeiführte.
eine großartige Blamage für den Namen
Zweiter
Theil .
Die Kämpfe bei und in Kissingen ,
Nüdingen und
Laufach.
Fulda im Besiße der Preußen glich dem Griffe eines Fächers , der sich nach rechts und links ausbreitet. Die Preußen standen
an einem Punkte , wo die Wahl der Richtung,
wohin sie sich wenden sollten , eine sehr schwierige war , strategisch gebildete Militär
denn auch der nicht
erkannte die Nothwendigkeit , den Hauptfeind, und
das waren die Baiern , zu keiner Ruhe kommen zu lassen.
Die Reichsarmee,
von welcher , wie schon erwähnt , ein starkes Detachement bei Lauterbach, 1 Meile von Fulda, bivouakirt hatte , zog sich in westlicher Richtung weiter , um den Preußen aus dem Wege zu kommen. Sie zu verfolgen, wäre wenig praktisch gewesen , sie war nicht sehr zu fürchten und überdies hatte sie durch ihren Abmarsch freilich nicht mit Absicht den Preußen indem sie deren Besorgniß ,
eine große Gefälligkeit erwieſen,
im Rücken angegriffen zu werden , aufs Vollstän-
digste gehoben hatte. Hätte
General Vogel von Falkenstein seine Main- Armee direct über
Hanau auf Frankfurt am Main marſchiren laſſen, ſo würde es den Baiern vielleicht gelungen sein , vereinigen.
sich in seinem Rücken mit dem 8. Bundesarmeecorps zu
Das einzig Rathsamste war ,
sofort sich auf die Baiern zu werfen,
um sich diese vollständig vom Halſe zu schaffen und dieser Plan, wohl erwogen, ſand ſeine schleunigste Ausführung . tern, Bad Brückenau
Das Corps Beyer marſchirte über Schlüch-
auf Hammelburg zu, die Division Göben wurde über
Stadt Brückenau auf Kissingen
dirigirt ,
das Manteuffel'sche Corps folgte der
Division Göben und bekam die Ordre von Geroda aus auf Waldaſchaſch zu gehen. 90
306
Gefecht bei Hammelburg.
Es lag den Preußen sehr am Herzen mit den Baiern anzubinden , denn beim Dermbacher Gefecht hatten sie, die Preußen , harte Verluste erlitten , weil ihre Gegner in guten geschüßten Stellungen sich befanden , sie aber meist ungedeckt den Kampf hatten führen müſſen.
Die Baiern dafür auszuzahlen, war der
Preußen Bestreben und an Kämpfen mit ihnen, fehlte es gerade nicht, um dieſes Vorhaben auszuführen . Der Marsch über das hohe Rhöngebirge war ein außerordentlich ermüdendes Stück Arbeit, nicht allein der oft sehr steil ansteigenden Passagen wegen, sondern weil auch ein dreitägiger Verpflegungsbedarf mitgeführt werden mußte. Indeß die ihnen bestimmten Ziele wurden von den drei Corps Beyer, Göben und Manteuffel zur richtigen Zeit erreicht. und um Brückenau in Baiern . der Sinn gelegen.
Am 9. Juli ſtanden ſie in
Brückenau ist ein freundliches Landstädtchen an
Ein hübsches Schloß befindet sich in dem idyllisch von
wiesenreicher Gegend umgebenen Städtchen, deſſen anderthalbtauſend Bewohner viel Verdienst durch das
ebenfalls Brückenau heißende und nur ein halbes
Stündchen fern in einem lieblichen Thale liegende Bad haben , welches hinſichtsich seiner berühmten drei Mineralquellen sehr stark von den Landeseinwohnern und von Fremden besucht wird. Am Morgen des 10. Juli rückte das Corps Göben auf der Straße über Gerode nach Kiſſingen , das Manteuffel'ſche Corps als Reserve folgte auf derselben Straße, das Corps Beyer über Oberlautersbach gegen Hammelburg vor. Gegen 10 Uhr Morgens
trafen
die preußischen Corps
auf der Straße über
Gerode bei Claushof und auf der zweiten Straße bei Neu-Wirthshaus die Vortruppen der baierischen Diviſionen. Das sich sogleich entſpinnende Gefecht endete damit, daß die Baiern auf ihre festen Positionen bei Kissingen und Hammelburg zurückwichen.
Dem Corps Beyer , das
ohne Zögern auf Hammelburg
marschirte , standen daselbst 3000 Mann baierische Infanterie mit 2 Batterien gegenüber.
Ein einstündiger Geſchüßkampf entſchied nicht , wohl aber eine ge-
schickte umgehung Hammelburgs , das nun von den Preußen mit dem Bajonett genommen wurde.
Zugleich gewannen die Preußen die Saal-Uebergänge.
Die
Baiern hatten sich eiligst zurückgezogen und das Corps Beyer bivouakirte nun in und um Hammelburg, das bei dem Kampfe gar nicht gelitten hatte. Dies Hammelburg ist eine kleine baierische Stadt Unterfrankens , mit 2700 Einwohnern.
Sie liegt am rechten Saale-Ufer und zählt zu den wohl-
habenden Ortschaften, wo außer Obst- und Weinbau und starker Viehzucht auch
307
Gefecht bei Auffenau .
viel industrielle Thätigkeit herrscht.
Es verkehren wegen der Schönheit ihrer
Umgegend daselbst viele Fremde, welche das nahebei befindliche hinsichtlich seines berühmten Weinbaues bekannte alte Schloß Saaleck, Kloster-Altstadt, die Marienkapelle Steinthal und die alte Bergschloßruine Amalienburg besuchen. Die guten Friedensengel fliehen vor dem Donner der Kanonen und sie entwichen wirklich aus dieser heiteren herzerfreuenden Gegend , denn das kriegerische Toben stillte sich keineswegs so rasch , wie ein bald vorüberziehendes Gewitter. Fast zu gleicher Zeit wurden die Würtemberger , welche den Spessartpaß bei Auffenau (ein baierisches Dorf nahe bei der Stadt Orb) mit 4000 Mann und 16 Geſchüßen besezt hatten , von den Preußen heftig angegriffen , aber troz Aufbietung aller Kräfte wurden sie nach dreimal vergeblichen Stürmen von den Würtembergern und zwar mit großem Verlust zurückgeworfen . zwiſchen Gelnhausen und Schlüchtern und ist dieselbe Position ,
Auffenau liegt deren Nichtbe-
ſegung durch den baierischen Feldherrn Wrede im Jahr 1813 den Verlust der Hanauer Schlacht und die schwere Niederlage der Baiern herbeiführte. Die Hauptaufgabe war an diesem 10. Juli der Diviſion Göben übertragen gewesen , welche, wie vorstehend
erwähnt ,
auf der über Gerode nach
Kiſſingen führenden Straße eben so gleichzeitig wie die Beyer's vordrang. Kissingen in Unterfranken an der fränkischen Saale gelegen , Stadt von über
ist
eine
dritthalbtausend Einwohnern , die alle Ursache haben , frohen
Sinnes zu sein , denn das Kiſſinger Thal ist ein verjüngtes Paradies und aus dem Schooße der Mutter Erde sprudelt in Gestalt der dasigen drei berühmten Heilquellen reicher Segen nicht nur für die kranke Menschheit, sondern namentlich für die Kissinger selbst reicher Verdienst durch die hierher in großer Anzahl kommenden Badegäste.
Dieser Waſſerſeegen hat Kissingen , welches schon im 9.
Jahrhundert unter dem Namen „ Kipziche “ oder „ Kizzigheim “ exiſtirte, zum Wohlstande erhoben.
Wer sollte nicht vom Kissinger „Kur-
oder Ragozzibrunnen “,
vom „ Pandur ", vom „ Maximilians- oder Sauerbrunnen "
gehört haben ? sie
find wohlbekannt und Tausende haben durch den Gebrauch dieser Heilquellen ihre Genesung von langen , schweren Körperleiden erlangt.
Wie in allen reno-
mirten Bädern der gesundmachende Gottessegen meist nur den mit Reichthum Begabten zu gute kommt, so auch in Kissingen.
Die großstädtischen Preise wie
in Berlin, Wien. Paris u. s. w. ſind auch hier gebräuchlich , der arme Geſundheitbedürftige, dem es zum schweren Opfer wird , die Summe , welche ihn der dortige Aufenthalt und die Kur kostet, aufzutreiben , verschwindet unberücksichtigt 20*
308
Gefechtsvorbereitungen bei Kiffingen.
neben dem Glanze , der hier von den reichen Leuten , besonders Ruſſen, entfaltet wird.
In den lezteren Jahren ist Kissingen besonders durch die zur Kur an
wesende Kaiſerin von Oesterreich zum Sammelplag von europäischer Vornehmen geworden und die Einwohner des freundlichen Kissingen, denen außer der Badeoder Trinkzeit die hier stationirte Beamtenschaft des Bezirks- , Berg- und Hauptsalzamtes schon einen guten Verdienst gewährt, fonnten sich vergnügt über ihren Glückstern die Hände reiben.
Und in dies Familien anwesend -
es war gerade die Kurzeit und
beſonders viele ruſſiſche
schöne Kissinger Paradies dröhnte jezt Unheil verkündend
der Kriegsdonner hinein !
Es war eine außerordentliche Rückſichtslosigkeit von
Seiten des baierischen Oberbefehlshabers , den Schreck und die traurigen Folgen des Krieges absichtlich über Kiſſingen zu bringen. sischen Familien - Viele waren schon geflohen gegen dieses kopflose Verfahren protestirt.
Die anwesenden hohen ruſhaben in öffentlichen Blättern
Und daß nicht auszuweichende Unfälle
die Baiern dahin gebracht hatten , den Rückzug und also nur einen schnell vorübergehenden Kriegstrubel über Kiſſingen zu bringen , ſondern daſſelbe absichtlich zum Schauplage blutigen und vernichtenden Kampfes zu machen , geht aus den Anstalten hervor , die man getroffen
hatte , den hierher den Baiern folgenden
Preußen zu begegnen. Von Kissingen hatte man alle Saal- Uebergänge bis auf die große über die Saale führende ſteinerne Brücke abgebrochen ; die Gradirwerke von Friedrichshall sowohl wie die Häuser der nordwestlichen Liſière (Einfaſſung) von Kiſſingenwaren zur Schüßenvertheidigung eingerichtet, auf den Höhen südöstlich Kissingens standen sechs baierische Batterien , überhaupt befanden sich vier Divisionen bei Kissingen.
Kiſſingen war
alſo
absichtlich zum Kampfplage gewählt worden.
Die preußischen Batterien unter Göben stellten sich westlich von Kloſterhauſen auf einer Anhöhe auf und es begann nun ein 2½ſtündiger Geſchüßkampf,
der
damit endete, daß es den Preußen gelang, die baierischen Batterien zum Schweigen und zum Abziehen zu bringen. Die angreifende preußische Infanterie hatte ein außerordentlich schweres Stück Arbeit vor sich.
Unter den ungünſtigſten Verhältniſſen bewerkstelligte sie
den Uebergang über die Saale auf Balken , meistens zu einem Manne gehend, dennoch gelang es ihr mittels einer Flankirung über Eurendorf, südwestlich von Kissingen gelegen und durch den mit großer Bravour ausgeführten Sturm die
Uebergang über die Saale.
309
Stadt Kissingen zu nehmen und die Baiern gegen Arnshausen und Pferdedorf zurückzudrängen.
F
S
Besinders zeichnete sich bei dieser glänzend gelungenen Waffenthat das Bataillon Lippe aus , dessen tapferei Commandeur Major von Rodewald dabei den Tod fand , so wie auch das genannte Bataillon bedeutende Verluste an Kameraden zu beklagen hatte. Gleichzeitig unternahm die Avantgarde des Corps Manteuffel vereint mit dem 4. Kürassier-Regiment der Göben'schen Division eine Flanfirung über Aschach um dem abziehenden Feinde so viele Nachtheile als möglich zuzufügen.
Der Straßenkampf in Kissingen, so wie die Erstürmung der
Höhen südlich von der Stadt wurden von den Infanterie- Regimentern 13. , 53., 15. und 55., 19. und 59. mit ungemeinem Aufwand von Muth nnd Ausdauer ausgeführt. Ein Badegast aus Hamburg schrieb in einem am 11. Juli in Kissingen zur Post an seine Familie gegebenen Brief Folgendes : „Ich habe gestern hier einen schrecklichen Tag erlebt.
Die baierische
11,000 Mann starke Armee, welche sich in und um 24 Kissingen concentrirt und eine sehr feste Position eingenommen hatte, wurde von den Preußen nach einem
310
Der Baiern Rückzug .
vierstündigen harten Kampfe , welcher sich bis in die Straßen unseres Badeortes erstreckte, in die Flucht geschlagen.
In mein Wohnzimmer , welches ich glück-
licherweise kurz vorher verlassen hatte , sind vier Kugeln eingedrungen , wovon eine meine Müße, welche auf dem Tisch lag, durchlöcherte. Heute sind etwa 20,000 bis 30,000 Mann Preußen unter dem Commando des Generals von Falkenstein hier eingerückt und marſchiren in einigen Stunden weiter nach Schweinfurt und Würzburg, wo sich das Gros der baieriſchen Armee befindet. ſeßlich aus.
In dem sonst so reizenden Kissingen sieht es leider ent-
Die meisten Häuser sind zu Lazarethen eingerichtet, in denen mehr
als 1200 Verwundete, wie es heißt, liegen. dünstungen, die Hiße
Dazu die Blutlachen , die Aus-
kurz, das Elend ist größer, als es sich beschreiben läßt.
Einige Hundert Badegäste, welche noch hier sind, warten mit mir sehnsüchtig auf Fahrgelegenheit, um abzureisen. " Die Anzahl der auf beiden Seiten Gefallenen und Todten war sehr be. trächtlich,
die Preußen sollen 400 ,
die Baiern 600 Mann verloren haben.
Einen ſehr ſchmerzlichen Verlust erlitten die Baiern durch den Tod des trefflichen Generals von Zoller.
Generalstabschef von der Tann wurde verwundet.
baierische Feldmarschall , Herzog Karl soll selbst commandirt haben.
Der
Am Abend
dieses Bluttages bezog die Division Göben südöstlich von Kissingen Bivouaks . Der commandirende General Vogel von Falkenstein,
welcher persönlich
dem Kampfe bei Hammelburg beigewohnt hatte , kam noch am selben Abend nach Kissingen,
um daselbst die Ordres für den folgenden Tag
auszugeben.
Die Verfolgung des Feindes , der in der Richtung nach Schweinfurt abgezogen, wurde dem Corps Manteuffel übertragen, fie war aber resultatlos. Folgender amtlicher Bericht über den Kampf bei Kissingen
dürfte als
Schilderung der dabei obwaltenden Umstände bezüglich des militärischen Standpunktes von Intereſſe ſeien. „Auf dem Marsche von Waldfenster nach Kissingen am 10. Juli hörte man bei Kiſſingen Kanonenfeuer ,
das von der Brigade Kummer herrührte,
welche dort mit den Baiern engagirt war.
Bei Schlimphof angekommen , ging
der Befehl ein , zwei Bataillone über Pappenroth und Klaushoff auf Kiſſingen zu dirigiren, welche zum Füsilierbataillon 15 von hier aus unter dem Commando des Obersten Freiherrn v . d . Golz dahin abrückten und in ein selbstständiges Gefecht bei Friedrichshall verwickelt wurden.
311
Militärischer Bericht über den Kiffinger Kampf.
„ Als die 26. Brigade sich Kissingen näherte , erhielt sie den Befehl auf den rechten Flügel der Brigade Kummer vorzugehen , namentlich den Altenberg zu nehmen und den Feind womöglich rechts zu überflügeln . das Terrain über Gariß hinaus
durch eine Schwadron
Es wurde ſofort
aufgeklärt.
Das 1 .
Bataillon des 15. Regiments wurde demnach als Avantgarde direct auf den Altenberg zu dirigirt und
die 4pfünd . gezogene Batterie Köster fuhr auf den
nordwestlichen Abhang des Altenberges auf, von wo sie sofort mit gutem Erfolge in das Gefecht eingriff.
Der Altenberg war theilsweis vom 53. Regi-
ment schon besezt. Nachdem die 2. Compagnie des 1. Bataillons 15. Regiments (Hauptmann v . d . Busche) den Berg von feindlichen Schüßen vollständig geſäubert hatte, wurde die Compagnie gegen eine südlich Kiſſingen liegende Saalbrücke dirigirt, welche vom Feinde zerstört war. ſelbe (durch einzelne Balken) soweit hergestellt, paſſiren konnten.
Mit großer Mühe wurde diedaß die Leute einzeln darüber
Hauptmann v. d . Buſche überschritt zuerst die Brücke , ihm
nach seine Compagnie, und einzeln lief jeder nach der gegenüberliegenden Straße, vom feindlichen Feuer bedeutend belästigt.
Dieser Compagnie folgte sofort die Compagnie unter Premierlieutenant v. d . Busche und demnächst die beiden andern Compagnien . reichte bald ein Gehölz südöstlich Kiſſingen ;
Das Bataillon er-
es wurde dort eine Colonne ge-
bildet und mit derselben in Verbindung mit dichten Tirailleurschwärmen gegen Kissingen vorgegangen.
Diesem Bataillon folgten bald zwei Compagnien des
Lipper Bataillons über die noch nicht hergestellte Brücke.
Die beiden anderen
Compagnien des Bataillons wurden an der Chauſſee zurückgehalten , als drittes Bataillon ging das erste Bataillon 55. Regiments (Oberstlieutenant v . Böcking) über jene Brücke , ſo daß nun 2½ Bataillone vom Süden her gegen Kiſſingen vordrangen und bald in ein heftiges Straßengefecht verwickelt wurden . Die anderen Theile der Brigade (zwei Compagnien Lippe und zwei Bataillone 55 . Regiments ) wurden nun auf dem rechten Saalufer auf der Chaussee bis an die Hauptbrücke bei Kissingen herangezogen.
Der Feind war aus Kissingen ge-
worfen, sezte sich aber auf den öftlichen Höhen zum zweiten Male und ein erneuerter Kampf begann . Die 26. Brigade erhielt den Auftrag ,
die Berge südlich der Chauſſeen
nach Nüdlingen vom Feinde zu säubern , was vom Füsilier- und 2. Bataillon 55. Regiments nunmehr in erster Linie ausgeführt wurde.
Das 1. Bataillon
55. Regiments , fast ganz in Tirailleurſchwärmen aufgelößt, drang unaufhaltſam
312
Zeitungsenten.
längs der Chaussee vor.
Die andern
Truppen folgten succesive.
Winkels und Nüdlingen erstarb das Gefecht.
Zwischen
Das 19. Regiment unter Befehl
des Generals v. Kummer ging noch weiter vor, nahm den Wald von Nüdlingen und sezte sich dort fest.
Die Brigade erhielt Befehl, vor Winkels die Vorposten
zu beziehen und Stellung aufzunehmen.
Es war 4 Uhr Nachmittags. " über diesen Kampf bei
Wenden wir uns den baierischen Nachrichten Kissingen zu.
Der Lügen oder mindeſt geſagt , Ungenauigkeiten gab es darüber in den Tagesblättern natürlich in Menge.
Die baierische Staatszeitung behauptete die
Preußen hätten Kiſſingen bombardirt , welche Unwahrheit dieſe einfach mit der Bemerkung zurückwiesen , daß die Baiern selbst dies gethan hätten, denn nur auf der östlichen Seite fänden sich Kugelspuren an den Häusern , nicht aber auf der westlichen Seite ,
wo preußische Batterien gestanden hätten .
Feuer ausgebrochen , das Gasthaus baierische Vollkugeln
gelitten ;
Auch sei nirgends
zum Wittelsbacher Hof" habe nur durch
übrigens hätten sich die Kissinger unfreundlich
gegen sie, die Preußen benommen . --- Allerdings wäre es auffallend geweſen , wenn die Kissinger große Freude den Preußen gegenüber hätten äußern wollen, obgleich das Sprichwort
zum bösen Spiele gute Miene machen" ein uraltes ist
und oft charakterlos genug ausgebeutet wird.
Es ist zu zweifeln , daß die Ein-
wohner einer preußischen Stadt ſich vergnügt zeigen würden , wenn ihre eigenen Landeskinder in
Verlust
gerathen
und Feinde sich zum Herrn
der Stadt
machen. Wenn Alles das wahr
gewesen
wäre ,
was
die Zeitungen über die
Kiſſinger Affaire für schreckliche Meldungen brachten , so gäbe es heutzutage eben fein Kissingen mehr ; aber auch andere Zeitungen wandelten in diesen schönen und ausgetretenen Fußtapfen.
So zum Beispiele liebt es die Kölner Zeitung
schauerliche Telegramme zu bringen , sie will ihren Lesern Gänsehaut octroyiren. Sie veröffentlichte folgendes . recht furchtbar klingendes Telegramm vom 10. Juli : „Sieg der Preußen über die Baiern. geschossen.
Der
Kissingen ist von vielen Seiten in Brand
„ baierische Hof (Hotel) "
und
das Telegraphenamt brennen."
Wenn preußische Zeitungen derlei erfundene Dinge der Welt aufbinden konnten, so war es wahrlich nicht zu verwundern , daß baierische Blätter den Preußen eine Niederlage nach der andern zuschrieben , bis es denn zulegt nicht mehr abzuleugnen war, daß diese so freigebig Rechnung der Baiern kamen.
ausgetheilten Niederlagen lediglich auf
313
Zwei baierische Todesfälle.
Es ist schon erwähnt , daß der General von Zoller im Kiſſinger Kampfe fiel.
Dieſes Offiziers Tod war für die Baiern ein größerer Verlust ,
der Kampf noch 1000 Mann gekostet.
als wenn
Er war nicht nur einer der geachtetsten
sondern auch der kenntnißreichsten Offiziere der baierischen Armee und man glaubt, daß dieser Ehemann den Tod absichtlich gesucht habe , um sich Verhältniſſen zu entreißen , die keineswegs ihm ehrenvoll erscheinen konnten , im Gegentheil ihn mit bitterem Gram erfüllen und das Leben ihm zum Ueberdruß machen mußten. Ihn hat die tief verlegte Ehre und den Schmerz unter einem Oberbefehlshaber zu dienen, der für alles Andere nur nicht für diese hohe Stellung paßte, in den Tod getrieben, wie man unter den Baiern ſelbſt ſagte. Oberbefehlshaber ,
Er war es , der den
Herzog Karl von Baiern , zur Entsegung der Hannoveraner
zu bewegen suchte.
Er wurde einfach zurückgewiesen.
Ein zweiter Versuch lief
etwas schlechter ab, der Herzog sprach in sehr ungnädigem Tone sein Mißfallen an dem dringenden Rathe aus.
General Zoller glaubte , einen dritten Verſuch
nicht unterlassen zu dürfen ; aber da seine vernünftigen Vorstellungen feinen Eingang bei dem Durchlauchtigen fand , konnte er sich nicht der Vorwürfe enthalten. daß man so unverantwortlich wackere Bundesgenossen im Stiche laſſe und absichtlich aufopfere.
Dieser Freimuth trug ihm drei Tage Arrest ein.
unverdiente Strafe blieb in der
Seele des tapferen Generals
Und diese
ein nagender
Wurm, den sein auf dem Kiſſinger blutgetränkten Grund und Boden gefundenen Tod erst zum Stillschweigen brachte. Ein zweites Beiſpiel , welcher Art die baierische Kriegsführung war , iſt Folgendes.
Der Rittmeister Stromer wurde von seinem General dem Prinzen
Ludwig beordert einen dichten von preußischer Infanterie besezten Wald zu säubern.
Auf seine
ehrerbietige
Entgegnung ,
daß sich
dies schwerlich mit
Kürassieren bewerkstelligen lasse , wurde ihm der Befehl wiederholt .
Als er es
mit seiner Pflicht als Offizier unvereinbar erklärte , seine Leute so gegen alle entgegnete man ihm,
er möge sein
Commando niederlegen , wenn er nicht den nöthigen Muth habe.
Regel- und Zweckmäßigkeit aufzuopfern ,
Stromer ritt
zu ſeinen Leuten zurück und sagte zu ihnen :
„ Kameraden !
man hat mir be-
fohlen, den Preußen den Wald zu nehmen ; es ist mir unmöglich, euch so zur Schlachtbank zu führen, aber beweisen werde ich, daß ich den Tod nicht fürchte. “ Vei diesen Worten zog er die Pistole aus dem Halfter und erschoß sich vor der Front.
So erzählte der „ St. B. " aus München und viele baierische Blätter. Als charakteristisches Zeichen einer total unfähigen Kriegsführung mag
314
Bollsurtheil.
die Erzählung dieses Selbstmordes wohl gelten, der gesunden Vernunft gegen über aber ist eine solche That gänzlich zu verwerfen , denn wegen der Unvernunft eines Andern sich den Tod zu geben , ist ebenfalls unvernünftig .
Will
man einen Schluß aus diesem Selbstmord ziehen , so fällt er allerdings sehr beNur die sicherste Ueberzeugung,
schimpfend für die baierische Offiziers ehre aus.
daß es gewiſſenloſe Offiziere noch hinreichend gäbe, die ohne Bedenken den kopflosen Befehl ausführen und ihre Schwadron nußlos aufopfern würden , wenn er, Stromer, blos einfach sich der Vollziehung dieser Ordre widerseße und sein Commando niederlegte, konnte den Rittmeister zu dem Entschlusse getrieben haben, durch seinen Selbstmord das ſchlummernde Ehrgefühl ſeiner Offizierskameraden aufzurütteln , daß sie Scheu empfänden , einen Auftrag durchzuführen . bei dem eine offenbare und nußlose Vergeudung von Menschenleben in gewisser Aussicht ſtand und den ſein freiwilliges Sterben im Voraus als eine mit der Offiziersehre unverträglichen bezeichnet habe. llebrigens waren die baierischen Soldaten gar sehr von der Untauglichfeit ihrer Generale überzeugt, wie folgende hübsche Anekdote , die sich von den Kämpfen bei und
in Kissingen datirt und bei den Preußen zu deren großen
Ergößen die Runde machte, ziemlich schlagend beweist.
Ein baierischer Soldat
wurde nach heftiger Gegenwehr von einem preußischen verwundet und gefangen genommen.
Bei näherem gegenseitigen Besehen erkennen sich Beide , sie haben
schon in Frankfurt am Main mit einander garniſonirt. Kamerad " ,
fragte
der Preuße
den Baier ,
„ daß
„Wie kommt es denn,
ihr jezt immer
Schläge
friegt , während wir Preußen in der Garniſon zu Frankfurt bei Schlägereien immer den Kürzeren zogen?" ― Dos will i dir schon sogen, Bruder , dos hot ſeinen guten Grund , in Frankfurt behielten wir die Oberhand , weil kaan Generol dabei war.
Jezt aber ist's umgekehrt. "
Der Unwille der denkenden Klaſſe Baierns sprach sich am lauteſten und noch obendrein in sehr anzüglicher Weise in dem in Bamberg erscheinenden ultramontanen Volksboten aus.
Da hieß es zum Beiſpiel :
„Hier waren die ehrlichen und verständigen Leute von Civil und Militär längst darüber einig , was von der ganzen Rüstung und Kriegsführung Baierns zu halten sei.
Du hättest nur das kopfloſe Treiben sehen sollen, wie man Regi-
menter dreimal hin- und herfuhr, Brücken baute,
abtrug, wieder baute, Lager
ſchlug, abbrach und dann 4000 Mann her, nach Bamberg nämlich, schickte ohne einen Strohhalm.
Bei Hof (erste baieriſche Stadt an der sächsischen Grenze)
315
Der Kampf bei Nüblingen und[Winkels.
standen gegen 45,000 Mann und die Preußen zu 120 bis 200 Mann besezten Städte in Sachsen, nahmen baierische Locomotiven und Wagen und Alles blieb ruhig stehen !
Das sind halt
die
„ militärischen Operationen“ ,
welche
laut dem Regierungsorgan (baierische Staatszeitung) ja Niemand versteht ! freilich nicht!" Aus dieſem bittern sarkastischen Tone gingen später , als die totale Unfähigkeit des Oberbefehlshabers und ſeiner hohen Offiziere , Krieg zu führen, ſich als unbestreitbar herausgestellt hatte, Anklagen hervor, die zur Untersuchung der Oberstaatsanwaltschaft überwiesen werden mußten , aber und das ist merkwürdig ― genug keineswegs zur Rechtfertigung für diese hohen Herren vom Militär ausfielen.
Beklagenswerth war der Soldat , dessen Leben
der Führung dieser
kenntnißlosen Herren anheim gegeben war , denen für ihre eminenten Talente kein Haar gekrümmt wurde und die eben nur das verloren , was die Hofkreiſe ſich von ihnen einbildeten, den Nimbus fabelhafter hoher strategischer Kenntniſſe. Nehmen wir die Schilderung der ferneren in der Nähe von Kiſſingen stattfindenden Ereignisse wieder auf. Das Corps Göben hatte füdöstlich von Kissingen Bivouaks bezogen , indeß die Ruhe ſollte den von Marsch und Kampf abgematteten Truppen nicht lange zu Theil werden . Bei Einbruch des Abends wurde die preußische Vorpoſtenstellung plöglich von 9 frischen baierischen Bataillonen mit außerordentlicher Heftigkeit
angegriffen.
Es
entwickelte sich ein wüthender Kampf,
die
Preußen konnten dem Anprall nicht Stand halten und mußten ſich zurückziehen, indeß die Siegesfreude der Baiern dauerte nicht lange.
Der amtliche Bericht
über diesen Kampf lautet wie folgt. „ Die 26. Brigade hatte eben begonnen, sich in den Bivouaks nordöstlich Winkels einzurichten , und das 2. Bataillon 55. Regiments war im Vorrüden begriffen, um die Vorposten zu übernehmen und das 19. Regiment, welches für dieſe Nacht unter Befehl des Generals von Wrangel gestellt war , abzulösen, als um 17 Uhr etwa die Meldung einging, daß von Nüdlingen her der Feind vor. zugehen beabsichtige.
Sofort erhielt das Füfilierbataillon 55. Regiments ,
die
12pfündige Batterie und die Schwadron des 8. Huſarenregiments (Rittmeiſter von Tranach) den Befehl vorzugehen und dem 19. Regiment zur Unterſtüßung zu dienen.
Zwei Compagnien des 55. Regiments wurden gleich Anfangs rechts
Hinauf in die Berge entsandt und Trabe vor.
die Batterie und Schwadron kamen im
316
Fortsetzung.
General von Wrangel begab sich zu den Vorposten, und als der Oberstlieutenant von Henning die bezüglichen Meldungen über die Aufstellung machte. erfolgten plöglich von den nördlichen Höhen Flintenschüsse in die dicht zusammengedrängten Colonnen des 19. Regiments. Der Feind war von Norden her, wie die Gefangenen
aussagen ,
mit 9 frischen Bataillonen herangerückt , hatte die
nördlich der Chaussee liegenden Höhen genommen und drängte rasch vor.
Die
Batterie und Gavalerie gingen rasch zurück ,
Das
ebenso das 19. Regiment.
eben anmarschirende Füsilierbataillon 55. Regiments beseßte aber sofort ein Ravain und gab der rückgängigen Bewegung vorerst Halt , mußte aber den überlegenen feindlichen Kräften gegenüber succesive auch sich abziehen.
Es wurde
nun auf den nächsten Höben nordöstlich Winkels eine Position genommen , wo rin die beiden Batterien aufgefahren wurden und das 1. Bataillon 55. Regiments und das Bataillon „ Lippe “ die erste Aufstellung fanden.
Alle zurückkehrenden
Truppen wurden in dieser Hauptstellung eingefügt , und das Gefecht kam hier zum Stehen. Nunmehr wurden zwei Compagnien „ Lippe“ und das ganze 2. Bataillon 55. Regiments in die Berge entsandt , südlich der Chauſſee; zwei Compagnien
" Lippe “ und ein Bataillon 19. Regiments in die Berge nördlich der Chauffee, und ſobald dieſe Flankengruppen ihre Stellungen eingenommen hatten, avancirte die ganze Brigade mit schlagenden Tambours , trieb Alles vom Feinde her und eroberte, allerdings mit großen Verlusten an Menschen , die vorige Auſſtellung wieder.
Der Sturz von dem tödtlich verwundeten Pferde zwang den Brigade-
Commandanten, auf etwa eine Stunde das Commando der Brigade dem Oberſt Stolz zu übergeben. Da die Truppen auf's Aeußerste erschöpft und die Reihen gewaltig gelichtet waren , wurde auf Ansuchen höhern Orts ein Bataillon vom 36. Regiment vorbeordert zum Beziehen der Vorposten. Das 1. Bataillon 55. Regiments blieb als Reglis der Vorposten hart vorn liegen, alles Andere rückte in's Bivouaf Die Verluste sind auf beiden Seiten sehr bedeutend , fonnten aber augenblicklich nicht gleich bestimmt festgestellt werden. Die Verluste , welche an diesem Abende Baiern und Preußen erlitten, waren weit bedeutender als der beiderseitige_im_Kampfe um Kissingen am Vormittage es
gewesen .
Nüdlingen ist ein ziemlich ansehnliches Pfarrdorf von
1250 Einwohnern , die besonders viel Wein- und Kleebau treiben.
Die Baiern
zogen sich nach den schlechten Erfolgen dieſes 10. Juli südwärts nach Schwein-
317
Beränderte Marschrichtung der Preußen.
furt , um dort den Feind zu erwarten und eine Schlacht anzunehmen , indeß General Vogel von Falkenstein hatte nichts weiter beabsichtigt
als sie und das
8. Bundesarmeecorps zu trennen und sie einzeln zu schlagen .
Um das Leztere
vollständig zu erreichen und eine Vereinigung Beider ganz unmöglich zu machen zogen sich plöglich sämmtliche preußische Truppen auf das rechte Saalufer zurück über Lohr und marſchirten am 12. Juli bis Gemünden am rechten Mainufer. Die Kunde von dieſem westwärts gerichteten Marſche allarmirte das in Frankfurt stehende 8. Bundesarmeecorps außerordentlich , man ahnte es, daß Vogel von Falkenstein der alten freien Reichsstadt und namentlich deren Vertheidigern, der Reichsarmee, zu Leibe wolle.
Vor allen Dingen galt es , die Preußen am
Uebergang über den Main zu hindern , deshalb wurden eiligst aus Frankfurt und über Darmstadt nach Aschaffenburg Truppen geworfen. Das Ansehen , in welchem die Reichsarmee stand , war in Wahrheit fein ſonderlich günstiges.
In einem aus Frankfurt vom 13. Juli datirten und in
einem Pariser Blatte veröffentlichten Schreiben hieß es : „Das 8. Bundescorps hat in weniger als 25 Tagen Thaten vollbracht, die man auf dem ersten Blick für unmöglich halten würde.
Ja, wahrlich würde
man es für unmöglich halten , daß ein Corps von 50,000 Mann die Hannoveraner capituliren ließ , ohne ihnen zu Hilfe zu kommen ; man würde es für unmöglich halten, daß dieses Corps um den Erfolg seiner militärischen Occupationen zu sichern , fünfzehn Tage daran wandte, um am Taunus Botanik zu treiben, caß es von demselben für unnüz oder für zu verwegen gehalten wurde, seine Verbindung mit der einen Büchsenschuß weit entfernten baierischen Armee, in's Werk zu ſeßen . man würde es endlich nicht glauben , daß nach so vielen Märschen und Contremärschen, nach so viel eingeregneten Bivouafs, denn es regnete unaufhörlich, dieſes Corps endlich auf seinen Ausgangspunkt (Frankfurt, wo es ſich ſammelte) zurückkehren werde bedeckt mit unendlich viel Koth und unendlich wenig Ruhm. “ Nach dieser satyrischen Schilderung ist abzunehmen,
wie man hinsichtlich
etwaiger Großthaten , welche von der Reichsarmee in's Leben gesezt werden ſollten, kein Vertrauen hegte und man hatte sich auch ganz und gar nicht darüber getäuscht.
Am Nachmittage des 13. Juli traf die Avantgarde der preuß.
Division Göben bei Laufach auf der Straße von Gemünden nach Aschaffenburg drei Bataillone Darmstädter als die ersten Truppen des 8. Bundesarmeecorps, welche sich dem Vorwärtsmarsche der Preußen in den Weg stellten.
318
Das Gefecht bei Laufach.
10
Ohne Zaudern griffen die wackeren Darmstädter an ,
aber das
Glück
hielt nicht gleichen Schritt mit ihrem Muthe. Ihre Niederlage war mit enormen Verlusten verbunden , unter welche auch der Tod ihres Regiments-Commandeurs und mehrerer Hauptleute zählte.
Der
amtliche Bericht sagt Folgendes über
diesen Kampf: „ Am 13. Juli war die Brigade Wrangel eben im Begriff, aus den Defiléen des Spessarts bei Hain zu debouchiren, als von der vorgeschobenen Husaren-Schwadron von Schmidt gemeldet wurde , daß feindliche Eavalerie und Infanterie von Laufach her längs des Eisenbahndammes im Marsch auf Hain wären.
Mit möglichster Beschleunigung wurde nunmehr das Füsilierbataillon
55. Regiments , welches an der Tête der Infateriecolonne marschirte, bis an die Lisière vorgeschoben , entwickelte sich sofort in Compagniecolonne und trieb den Feind, der villeicht 1-2 Bataillone zeigte mit leichter Mühe vor sich her.
Das
Dorf Laufach wurde genommen, der Eisenbahnhof besezt und der davor liegende Abschnitt zur Vorpostenaufstellung bestimmt. In Anbetracht der Nähe des Feindes erhielt der Oberst v. d . Golz den Befehl, mit seinen 3 Bataillonen und 1 Schwadron die Vorpostenstellung ein
319
Das Gefecht bei Laufach.
zunehmen und das Füsilierbataillon abzulösen. hart bei Laufach.
Alles andere bezog ein Bivouak
Die Ablösung des Füsilierbataillons 55. Regiments war noch
nicht vollständig erfolgt , als der Feind mit 8 bis 9 Bataillonen und 1 bis 2 Batterien gegen die Stellung angriffsweise vorging .
In Anbetracht der großen
Ermüdung der Truppen , welche bereits seit Morgens 5 Uhr unausgeseßt marſchirt waren, nahm die Brigade das Gefecht stehend an.
Das Dorf Frohnhöfen
in der Fronte war mit drei Compagnien beſeßt , rechts und links die Höhen mit sechs , respective sieben Compagnien und etwas vor dem standen die anderen Truppen als Reserve.
Eisenbahnhofe
Der Feind ging auf allen Punkten
zugleich zum Angriff über , ſodaß ſucceſive nach dem Dorfe Frohnhöfen nach der linken Flanke mehrere Compagnien zur Unterstüßung gesandt werden mußten. Den Hauptangriff machte der Feind gegen den rechten Flügel der Aufstellung.
Die Brigade Wrangel sah sich genöthigt, die Batterie uno die Schwa-
dronen dorthin zu dirigiren und auch das 1. und 2. Bataillon 55. Regiments dahin zu schieben. herab
Ein Offenſivstoß des Obersten v . d . Golz von den Höhen
in Verbindung mit dem Vorgehen der Schwadron Schmidt und das
Feuer der 12pfündigen Batterie, schlugen auch diesen Angriff ab,
und beim
Dunkelwerden zog sich der Feind auf allen Punkten gegen Aschaffenburg zurück, mehr als 100 Gefangene, sehr viele Verwundete und Todte, sowie einen großen Theil seines Gepäcks auf dem Schlachtfelde zurücklaſſend. Der Vortheil des Zündnadelgewehres in einer Defenſivstellung hatte sich heute glänzend bewährt.
Ganze Reihen von Leichen der Feinde fand man vor
der Position liegen , und bis zum frühen Morgen hin wurden Verwundete und Waffen des Feindes
zurückgebracht.
Unser Verlust
ist verhältnißmäßig
sehr
gering." An dem Verlust dieses Treffens war hauptsächlich die beklagenswerthe Führung des Obercommandos der Reichsarmee schuld .
Die Nachricht, daß die
Preußen sich plößlich westwärts gewendet hätten , brachte eine solche Verwirrung über das Obercommando zu Frankfurt, daß es in aller Eile dem vordringenden Feinde Truppen entgegenwarf, diese aber kamen vereinzelt an , ein Umstand, der in der Regel schlechte Folgen nach sich zieht , weil der anstürmende Gegner dem nur kurzen und schwachen Wiederſtand leisten könnenden Feind über den Haufen wirft. dem
Die Darmstädter waren die ersten auf dem Plaze und zwar kurz vor Laufacher Gefecht erst angekommen.
Das vom Feldmarschall-Lieutenant
Grafen Neipperg commandirte österreichische Hilfscorps traf erst am 14. Juli in
320
Des baierischen Fe: dmarschalls Friedensreise.
Aschaffenburg ein , wohin die Darmstädter zurückgeworfen worden waren.
Auch
ſollen kurhessische und andere Truppen mit den Oesterreichern in die genannte Stadt gekommen ſein.
Indeß wird auch -- die Unternehmungen des 8. .Bundesarmeecorps hatten immer Etwas Geheimnißvolles , was kriegsverständige Leute nicht ent-räthseln fonnten — erzählt, daß verleitet durch baierische Zeitungsberichte, welche alle Niederlagen der Baiern stets als große Sicge über die Preußen auspoſaunten, der Commandeur der Hessen-Darmstädter eine Offensivbewegung auf Laufach zu unternehmen für rechtzeitig gefunden , um daſelbſt die „ geſchlagenen und zersprengten über Gemünden und Lohr geflohenen Preußen " beim Durchbrechen aus dem Spessart in Empfana zu nehmen .
Ist diese Erzählung wirklich ge-
gründet, so mag allerdings die plögliche Erkenntniß , daß sie es hier mit keinem fliehenden Heere, sondern mit einem siegreich vorrückenden zu thun hätten , ſchon ein bedeutender Niederschlag geweſen ſein.
Voraussichtlich knüpfte ſich an dies
Gefecht bei Laufach für den nächsten Tag ein weit gewichtigerer Kampf um den Besiz Aschaffenburgs.
Der Kampf um Aschaffenburg , der Bundestag und
der
Einzug der Preußen in Frankfurt a. M. Die schlechten Erfolge , welche die Baiern bisher erzielt hatten , obwohl sie überall die besten Positionen vor den Preußen voraus hatten , weil sie Herren des Lances waren , brachten den baierischen Feldmarschall , Herzog Karl, zu der Ansicht, daß bei Fortseßung dieses Krieges Lorbeeren einzuernten eine Unmöglichkeit sein dürfte und da dieser hohe Herr wohl ahnte , daß die Ehre der baierischen Armee,
wenn noch mehrere solche Schlappen und Niederlagen sie
träfen , zum Spott für ganz Deutſchland und noch etwas über deſſen Grenzen hinaus werden könne , so entschloß er sich kurz und reiste mit Extrazug nach München zu dem jungen König, ſeinen Großneffen , um dieſem vorzustellen, wie nothwendig gerade jegt ein Friedensschluß mit Preußen sei , dessen Uebermacht überall zu groß wäre und fortgesetter Kampf nur ein unnüßes Blutvergießen ſein würde .
321
Aschaffenburg.
Dieſe menſchenfreundliche Anschauung stammte wohl weniger aus einem von Menschenliebe heiß erfüllten Herzen,
als aus der Ueberzeugung ,
daß
an
einen Sieg nicht leicht zu denken sei; nur der Schimmer einer Hoffnung der Preußen Herr zu werden, hätte sicher den guten Friedensgedanken bei ihm nicht aufkommen laſſen.
Was die Uebermacht der Preußen betraf, ſo war dies aller-
dings eine Illuſion, die eigentlich keinen Grund hatte. War doch das 8. Bundesarmeecorps, an 70,000 Mann zählend , allein schon stärker, als die ganze preuBische Mainarmee .
Wäre ein gemeinschaftliches Handeln zwischen ihr und den
Baiern , die ebenfalls in einer bedeutenden Anzahl , mindestens 40,000 Mann, agirten , gleich von Anfang an gesucht worden , wo diese beiden Armeen ohne alle Schwierigkeiten dies bewerkstelligen konnten, da die Preußen noch fern waren, so hätte diesen eine Armee von doppelter Stärke entgegen gestanden ; aber dazu hätte natürlich auch wieder ein Feldherr gehört ,
der nach dem Vernunftſage
handelte : nur Einigkeit macht stark. Es hieß , der den Friedensschluß befürworten wollende Herzog Karl habe vor seiner Abreise nach München Befehle gegeben , jedes feindliche Zusammentreffen mit den preußischen Truppen zu vermeiden und das muß wahr geweſen ſein , denn wenigstens wurde von Seite der Baiern nichts eher gethan , als bis die Preußen ihnen wieder auf den Leib rückten und diese Bewegung ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Richten wir nun unſere Aufmerkſamkeit auf die Ereigniſſe , welche dem Kampfe bei Laufach folgten. Die nächste Aufgabe für die Preußen war Aschaffenburg zu nehmen. Dem Menschenfreunde mußte das Herz bluten, wenn er daran dachte , daß diese vom Schöpfer mit ſo herrlichen Naturreizen wilden Mordes werden könne.
ausgestattete Gegend Schauplaz
Gewiß , Ober- und Unterfranken sind liebliche
Theile unseres deutschen Vaterlandes .
Schöne Gegenden und heitere Menschen.
die den fruchtbaren Boden fleißig anbauen sind hier auf's Innigste vereint, ſo daß der hier Reisende sich immer neu
und wohlthuend
angesprochen fühlt.
Aschaffenburg am Main und der Aſchaff gelegen, mit fast 10,000 Einwohnern, ist eine sehr belebte Stadt Unterfrankens, eingerahmt von einer schönen Gegend. Der Weinbau scheint aller Orten , wo er betrieben wird , ein bedeutender Factor zu ſein, der das Menschengemüth zu heiterem Lebensgenuß lenkt. Das baierische Bier verleugnet seinen Einfluß auf das Wesen der Bewohner von Stadt und Land nie, sie sind etwas schwerfälliger Natur, der Wein21
322
Gefecht bei Aschaffenburg.
länder dagegen zeichnet sich durch ein viel heitereres , rührigeres, berzlicheres Wesen aus , so ist's auch in den Main- und Rheingegenden und die Aschaffenburger machen keine Ausnahme von dieſer Regel , ſie ſind aufgeweckten frohen Sinnes und außer ihren großen Gärtnereien, Obst- und Weinbau industriell thätig. Das daselbst befindliche schöne Schloß mit großer auswahlreicher Bibliothek, Gemäldeund prächtiger Kupferſtichſammlung gereicht der freundlichen Stadt zum Schmucke. Für höhere Bildung ist hier durch ein Gymnaſium, auch Lyceum , ein Seminar gesorgt ,
außerdem besteht hier eine Forstakademie , eine Landwirthschafts- und
eine Gewerbeschule , desgleichen ein Wechsel- und Mercantilgericht erster Instanz und ein Forstamt. Und hierher trug der Krieg sein Unheil und sein Verderben ! Am Morgen des 14. Juli übernahm das Corps Göben ( 13. Diviſion) den Vormarsch gegen Aschaffenburg und schon um 9 Uhr Vormittags stand es den Desterreichern und den kurhessischen Truppen gegenüber , westlich von Hösbach und begann den Kampf.
Südöstlich Aschaffenburgs um die sogenannte
Fasanerie und die nächſtanliegenden , mit hohen Steinmauern eingefriedigten Gärten kämpfte das 13. und 53. preußische Regiment. Diese beiden Regimenter hatten hier einen bösen Stand und viele Westfalen fielen hier in Gemeinschaft mit ihren Commandeuren.
Unterdeß marschirten das 15. und 55. preußische
Infanterieregiment auf der Chauffee nach Goldbach und von da sosort gegen das feindliche Centrum , während die preußischen Regimenter 19 und 59 gegen die Eisenbahn vorrückten.
Die preußische Artillerie betheiligte sich mit allen
Batterien an dem Kampfe und hatte eine sehr günstige Aufstellung auf den östlichen Höhen bei Aſchaffenburg . Der Kampf dauerte im Ganzen nicht ſehr lange, denn der Feind benugte den ihm Main.
gebliebenen einzigen Uebergang über den
Nun galt es , den in großer Haſt auf dem linken Mainufer Abziehenden
Nachtheile zuzufügen und der auf der Chaussee von Aschaffenburg nach Hanau marſchirenden feindlichen Infanterie den Weg zu verlegen.
Beides
gelang ;
die 3. reitende Batterie nahm am rechten Mainufer eine sehr glückliche Position und ihre Geschosse schmetterten manchen am linken User Flüchtenden darnieder, während
das 4. Kürassier- Regiment durch die Umgehung der Stadt nördlich
längs der Eisenbahn die Chauſſee von Aschaffenburg nach Hanau zu gewinnen bestrebt war, wodurch es möglich wurde ,
daß der Feind zum Ergeben sich ge-
zwungen sah. Auf diese Weise wurden in Aschaffenburg 2000 Mann meist Dester- gefangen genommen reicher von den Regimentern Wernhard, Nobili, Reischach
323
Gefecht bei Aschaffenburg.
Schon um 12 Uhr rückte General von Göben in Aschaffenburg ein , der Kampf hatte also die Zeit von drei Stunden gewährt.
Preußischer Seits wird
die Zahl ihrer Todten und Verwundeten auf 60 , die der auf feindlicher Seite Gefallenen und Verwundeten auf 3-400 angegeben. Dieser Ungleichheit gegenüber und wenn man sich erinnert , daß die Oesterreicher doch ziemlich gedeckte Stellungen besessen hatten , drängt sich gewiß Jedem die Verwunderung ausdrückende Frage auf: Womit mögen die Oesterreicher nur geschossen haben , daß gar so Wenige ihrer Feinde bleiben oder verwundet wurden ? oder haben sie das Schießen so sehr verlernt , daß ihre Kugeln nicht trafen?
Um dem Gefecht
noch einen glänzenden Abschluß zu geben, gewann der Rittmeister von Studnig vom preußischen 4. Küraſſierregimente, der mit seiner Schwadron auf die Arriéregarde des Feindes fangene.
einen glücklichen Choc machte ,
noch 175 Mann als Ge-
Unter die Merkwürdigkeiten dürfte die in manchen preußischen Be-
richten vorkommende Behauptung „ die Stadt hat gar nicht gelitten " , wie z . B. in dem , wo über den Kampf in und bei Hammelburg referirt wurde ,
und die
in dem Berichte über den Aschaffenburger Kampf vorkommende Clausel : Die Stadt selbst hat durch das Geschüßfeuer nicht gelitten, - zu zählen sein, während Augenzeugen gänzlich anderer Anschauung waren , wie dies folgender Brief unumwunden ausspricht. Frankfurt, 16. Juli , Abends. Schauerlich sieht es in und um Aschaffenburg und Hammelburg aus. Ueberall Todte und Verwundete , zerbrochene Munitionswagen und Geschüße. Die Stadt Aschaffenburg ist fast gänzlich zerstört , die Häuser zerschossen oder in Flammen aufgegangen . und
Auf den Straßen und Gassen liegen die Verwundeten
werden in die umliegenden Lazarethe geſchafft.
Ueberall die größte Verwüstung ; meiſtentheils verbrannt.
Ein schrecklicher Anblick.
die Saatfelder sind niedergetreten , die Dörfer
Die Einwohner sind mit ihrer besten habe entflohen,
und zwar aus Angst vor den Preußen, die doch wahrlich in Böhmen und Mähren gezeigt , daß sie nicht mit den Einwohnern wehrloser Städte , sondern nur mit den verschiedenen Armeen Krieg führen. Ich besuchte das Schlachtfeld bei Aschaffenburg. blick vergessen, der sich mir darbot . reicher und Hessen da .
Nie werde ich den An-
Reihenweise lagen die Darmstädter , Dester-
Mit nicht zu verkennender Bravour wurde von beiden
Seiten gefochten. Mann gegen Mann ſtanden ſie ſich gegenüber , die deutschen Bruderstämme, um - sich zu tödten. Düstere Nacht lag auf dem Schlacht21*
324
Gefecht bei Aschaffenburg.
felde, als ich gestern dasselbe betrat. Noch rauchten die Trümmer der zerschossenen Stadi, noch dampften die Häuser der umliegenden Dörfer.
Ueberall Todte und
Verwundete, Pferdecadaver und zerbrochene Munitions- und Lazarethwagen . Wie es bei Aschaffenburg aussieht , sieht es auch bei Hammelburg aus . Dasselbe Schlachtfeld, Todte und Verwundete, zerrissene und zerschmetterte Bäume und Häuser , rauchende und noch glimmende Balken , umgestürzte Wagen, todte Pferde und todtes Hornvieh. " Es waren Tage heißer und schwerer Blutarbeit gewesen, welche die Mainarmee durchgemacht hatte und ein Ruhetag daher sehr nothwendig für sie und dies war der 15.
Juli.
Der nächstfolgende Tag , 16. Juli , sah sie auf dem
Marsche über Hanau nach Frankfurt am Main, während das Corps Manteuffel nach Aschaffenburg vorrückte,
gleichsam als Ersatz für diese Position und Ge-
neralmajor Beyer mit seinem Corps schon Mittags am 16. Juli in Gelnhausen eintraf.
Und wo blieb das 8. Bundesarmeecorps ,
Hauptquartier hatte ?
welches in Frankfurt sein
ach, das war eine traurige Geschichte !
Kaum hatte der
Telegraph seine Schuldigkeit gethan und den schlechten Ausgang der Aschaffenburger Affaire nach Frankfurt gemeldet, als auch das Thurmrennen losging.
Abzug der Reichsarmee aus Frankfurt.
325
Am 16. Juli verschwand der legte Rest dieser Reichsarmee aus Frankfurt und vom rechten Mainufer.
Dieses Verſchwinden, denn es konnte eigentlich Niemand
mit Bestimmtheit sagen, wohin sie gezogen war , brachte sie in gleiche Situation wie Schillers Mädchen aus der Fremde", von dem es heißt: „Doch schnell war seine Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abschied nahm . " Sie war fort, fort über alle Berge und hinterließ , weil der Abmarſch ſo inbändig eilig vor sich ging , der Nachkommenschaft , d . h. den Preußen, eine Schiffbrücke , ungeheure Wein- und Mehlvorräthe u. s. w. , freilich nicht aus Edelmuth, weil es in der Schrift heißt , man soll dem Feinde goldene Brücken bauen , ſondern weil der Rückzug oder Wegzug in größter Ueberstürzung geschah und die allgemeine Losung :
„ Nur fort, fort!" in die Herzen dieſer ſo wunder-
bar gut geführten Truppen sich so tief eingeprägt hatte, daß man nicht an das zurückbleibende Eigenthum dachte und die Zeit mit kürzester Elle gemeſſen war. Wenn Deutschland in dieſem ſeltſamen Thatendurſt der Reichsarmee das traurige Vergnügen hatte,
eine Reminiscenz
aus dem siebenjährigen Kriege und den
Schlußvers des damals auf die Reichsarmee gedichteten Spottliedes :
" Gelt die Preuß'n Könna weisen
Döi mit ihren Frig'n . Woi Plutona Un Kanona Thun im Feuer blig'n.
Oiza habt' er's g'sehn z'am, Merkt's fei schön und bleibts derham. Schlimm, mei Mouterla, schlimm! Die Reichsarmee ist hin, Der Friß hat ä blau Röckle oh, Un jägt die Reichsarmee davoh. Schlimm, mei Mouterla, schlimm! " verlebendigt zu ſehen, ſo gewährte dies Misère einen noch viel traurigeren Eindruck durch den kleinen Zeitungsfrieg, den die beiden Oberbefehlshaber der südstaatlichen Heere gegeneinander führten.
Prinz Karl von Baiern behauptete
nämlich, das 8. Bundesarmeecorps habe darauf verzichtet, sich mit der baierischen
326
Eingabe des Frankfurter Senats.
Armee in Verbindung zu sehen, was Prinz Alexander von Hessen allerdings bestritt und kathegorisch leugnete.
Das war unter allen Umständen mehr als un-
erquicklich und nur das Eine ſtand in ſicherer Aussicht , daß von einer Lorbeerernte weder für die Baiern noch für das & . Bundesarmeecorps die Rede sein könne. Es hatten sich in Frankfurt während den wenigen Tagen, daß die Kämpfe bei Kiſſingen, Nüdlingen , Laufach und Aschaffenburg stattgefunden , wunderbare Dinge ereignet, Dinge, welche zwei Monate früher als Ausgeburten eines hirnverbrannten Schwindlers angesehen worden wären. Der Bundestag hielt seine lezte Sigung am 11. Juli. Senat hatte eine worin es hieß
lange Eingabe gegen die Verschanzung der Stadt gemacht,
die Befestigungen
könnten entweder nur die Sicherung der
Bundesversammlung, oder die der Stadt zum Zweck haben. an, daß
Der Frankfurter
die beabsichtigte Sicherung
Nehme man nun
der hohen Versammlung eine große Be-
schädigung, wenn nicht eine Vernichtung der Stadt Frankfurt zur Folge haben könnte , ſo dürfte der Senat vertrauen , daß die Bundesversammlung mit einem solchen Opfer ihre Sicherung nicht werde erkaufen wollen.
Handle es sich da-
gegen lediglich um Sicherung der Stadt Frankfurt , so werde dieser Stadt wohl vergönnt sein, auch ihr Wort dabei einzulegen und ihre Auffaſſung dabei zur Geltung zu bringen. der Senat offen und Verhältnisse eines
Dann: hieß es weiter : " Die Stadt Frankfurt bedarf, wie unverhohlen ausspricht ,
militärischen Schußes nicht.
in der gegenwärtigen Lage der Sie ist der Ansicht ,
daß die
militärischen Maßregeln , welche zu ihrem Schuße zur Zeit angeordnet und ausgeführt worden , für sie gefährlicher ſind , als die Gefahren , vor welchen sie geschüßt werden soll , und kommt damit zu der Ueberzeugung ; daß sie,
wenn sie
wahrhaft vor Nachtheil und Verderben bewahrt werden soll , als offene , unbefestigte und unvertheidigte Stadt betrachtet und behandelt werden müſſe. “ Daran knüpfte sich der Antrag :
Hohe Bundesversammlung wolle beschließen und ver-
ordnen , daß alle , sei es zur Sicherung dieser hohen Versammlung , sei es zur Sicherung der Stadt in der Umgebung derselben und ſonſten bis jezt getroffenen militärischen Anordnungen einzustellen und hinwegzuziehen seien.
Die Bundes-
versammlung beschloß sofort , davon dem Commando des 8. Bundesarmeecorps unter dem Anheimgeben Mittheilung zu
machen , den Wünschen
der Stadt
Frankfurt, soweit es die militärischen Operationen verstatten , zu
entſprechen.
Zugleich beschloß man die Verlegung des Bundestages nach Augsburg , was dem Senate mit folgendem Schreiben angezeigt wurde :
327
Schreiben an den Senat.
„Die Bewegungen der feindlichen Truppen legen der Bundesversammlung die Pflicht auf, für die Freiheit ihrer Berathungen und den ungestörten Verkehr der Bundestagsgesandten mit ihren Regierungen Sorge zu tragen.
Aus dem
Ernste der Zeiten erwachsen der Bundesversammlung neue schwere Obliegenheiten, die sie zu erfüllen fest entschlossen ist, und dieselbe glaubt es den im gemeinsamen Kampfe für Deutschlands Recht und Freiheit zusammenstehenden Regierungen und Völkern gleichmäßig schuldig zu sein , die oberste Bundesbehörde in freier Thätigkeit zu erhalten , da sie die Unauflöslichkeit des Nationalbandes und die Zuſammengehörigkeit aller deutschen Länder in geseßlicher Form vertritt. Sie hat daher beschlossen , ihren Sit provisorisch nach Augsburg zu verlegen und das beim deutschen Bunde beglaubigte diplomatische Corps einzuladen , ihr zu folgen.
Indem sie Frankfurt zeitweilig verläßt , ſpricht ſie ihre lebhafte An-
erkennung der vaterlandstreuen Gesinnungen aus, welche diese freie Stadt durch manchen Wechsel der deutſchen Geſchicke unverändert bethätigt hat.
Diese Ge-
ſinnungen wird Frankfurt bei seinem regen Gefühl für Deutſchlands Größe und Freiheit auch ferner bewahren .
Die in dieser Versammlung vertretenen
bundestreuen Regierungen werden fest und ungebeugt zur Sache des Vaterlandes und des Rechts gegen Sonderbund und Vergewaltigung stehen, und die Bundesversammlung darf daher im Vertrauen auf den endlichen Sieg der guten Sache die Hoffnung aussprechen, daß in den Mauern dieser an Erinnerungen deutscher Größe reichen Stadt sich die Vertreter der Fürsten und Völker zusammenfinden werden, um Deutſchlands Macht und Freiheit dauernd zu begründen. Der Unterzeichnete hat die Ehre, im Namen der hohen Bundesversammlung Vorstehendes zur Kenntniß Sr. Hochwohlgeb. des ältern regierenden Bürgermeisters, Herrn Senators Fellner, zu bringen und ergreift zugleich dieſen Anlaß zur erneuerten Versicherung seiner ausgezeichnetsten Hochachtung.
(gez.) Kübed. Der Bundestag
rückte also aus.
Daß viele Frankfurter ihm mit tief=
bekümmerten Herzen nachschauten , ist gewiß ,
denn die Mitglieder dieser hohen
Versammlung hatten durch ihren ſtändigen Aufenthalt in dieſer luſtigen Mainstadt viel Geld in Fluß gebracht und wohner guten Meticai segeben , nach , denn es erinnerte sich ,
einer ganz ansehnlichen Zahl der Ein-
Deutschland
aber weinte ihm keine Thräne
daß in seiner mehr als 50jährigen Eriſtenz nur
ein Lichtpunkt, ein einziger , zu finden gewesen sei und dieser einzige Lichtpunkt trug
das Datum vom 12. Juli 18
wo er nach der Wahl des Reichsver-
228
Uebereinstimmende Phasen zwischen Parlament unb Bundestag.
wesers (Erzherzogs Johann) seine Thätigkeit für beendet erklärte.
Er war ein
trauriges Ueberbleibsel aus der Zeit des Wiener Congreſſes, ein Metternich'ſches Polizeiinstitut, das jeden Hauch von Volksfreiheit mit allen Mitteln , die ihm zu Gebote standen , zu jeder Zeit zu unterdrücken bereit war und diese Aufgabe auch vollkommen erfüllte.
Wer erinnerte sich nicht , wie himmelschreiend sich der
hohe Bundestag benahm, als es galt , dem armen kurhessischen Volke in seinem langwierigen schweren Verfassungskampfe gegen
eine unverantwortlich schlechte
Regierung zu helfen ? Dazu konnte er sich nur mit Wehmuth entschließen. Einer merkwürdigen Ironie des Geſchickes müſſen wir noch gedenken , ehe wir dieſen allerdings nicht erquicklichen Gegenstand Bundestages hatten
verlassen.
Die leßten Phasen des
eine ungemeine Aehnlichkeit mit der lezten des deutſchen
Parlaments. Nachdem Preußen (Friedrich Wilhelm IV.) die ihm durch eine Deputation des deutschen Parlamentes angebotene Kaiserkrone abgelehnt hatte , weil sich die übrigen bedeutenderen Bundesstaaten der Reichsverfassung nicht fügen wollten. ſchieden mehr und mehr Abgeordnete aus dem Parlamente aus.
Desterreich.
Preußen, Sachsen , Hannover und andere Staaten riefen sie nach Hauſe zurück. Ein Gleiches geschah dem Bundestage, seitdem Preußen am 14. Juni ſeinen Austritt aus dem Bunde erklärt hatte. burg, Sachsen-Coburg-Gotha ,
Seitdem hatten Anhalt , Sachsen-Alten-
Sachſen-Weimar ,
Schwarzburg-Sondershauſen,
Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, Reuß- Gera, Oldenburg , Meklenburg- Schwerin ,
Meklenburg-Streliß ,
Lübeck , Bremen und
Hamburg ihren Austritt erklärt. Durch das Ausscheiden der Mehrzahl der Abgeordneten ſchrumpfte das Parlament zu einem Rumpfparlamente zusammen , durch den Austritt so vieler Mitglieder wurde der Bundestag zu einem Rumpf-Bundestag.
Das Rumpf-
parlament beschloß , als die Preußen gegen Frankfurt marſchirten, am 30. Mai 1849 nach Stuttgart überzuſiedeln , kaum hatten am 14. Juli die Preußen die Bundestruppen bei Aschaffenburg
geschlagen ,
als
der Rumpf-Bundestag ſich
schleunigst zur Ueberſiedelung nach Augsburg entschloß und das Palais in der Eschenheimer Gasse verließ. „ Es ist Alles schon dagewesen , " sagte der weise Ben Akiba und wenn er niemals Recht gehabt hätte, in der Aehnlichkeit der leßten Daseinsphaſen zwischen Parlament und Bundestag hätte er zuverlässig Recht.
Sie gleichen ſich
329
Frankfurts alte Zeit.
bis auf kleine Abweichungen , die nur charakteristische Zeichen
der verſchiedenen
Zeiten sind, in denen dieſe hier erwähnten Ereigniſſe ſtattfanden. Es ist noch nachzutragen, daß da der Senat von Frankfurt das Anſinnen des Prinzen Alexander von Hessen ,
einen Vorschuß von 200,000 Gulden ihm
zur Ausführung des Schanzenbaues zu gewähren, mit dem Bemerken, Frankfurt sei eine offene Stadt,
rund
abgeschlagen
die Kosten dieser Werke im Betrage von Bundescaſſe an das Bankhaus Rothschild wiesen hatte.
der Bundestag , übel oder wohl, 168,000
Gulden von Seiten der
und Söhne zur Auszahlung
ange-
Und die Schanzen brachten eben keinen anderen Nußen , als daß
eine Menge Leute bei deren Bau Verdienst fanden , denn wie bei einem todten Körper die Seele fehlt, so auch fehlten, als die Sache zum Ernste gediehen, den Schanzen die sie vertheidigenden Soldaten. Einer an Begebenheiten reicheren und großartigeren Vergangenheit als das aus Karls d . Gr. Zeit stammende Frankfurt am Main kann sich keine Stadt Deutschlands rühmen.
Frankfurt war seit langen Jahrhunderten der Punkt in
Deutschland, wo das politiſche Alpha und Omega der deutschen Kaiser zuſammentraf.
Sie wurden in dieſer alterthümlichen freien Reichsstadt,
deren Patricier-
geschlechter eben ſo ſtolz wie die größten Barone des gesammten deutschen Reiches waren,
gewählt und gekrönt ,
es ging hier lustig und traurig zu , je nach der
Zeiten Lauf, an Abwechslungen fehlte es in Frankfurt niemals.
Es ist gewiß
nicht zu viel behauptet , daß bei den vorkommenden Wahl- und Krönungsfeierlichkeiten der deutschen Kaiſer der dem Volke zur Ergözung auf offenem Plaze zum Besten gegebene gebratene Ochse oft auch das einzig Beste war , was durch die Kaiſer für das gute Deutſchland abfiel und der weiße und rothe Wein, der ebenfalls zur Erheiterung dem Volke als Springbrunnen auf dem Römerplage sprudelte , fand nicht selten seine spätere Deutung in den bitteren Thränen und reichlich vergossenem Blute , mit denen Deutschland der hohen Herren Kriegsluft und politiſche Schnißer bezahlen mußte. Frankfurt allein ſtand ſich in der Regel dabei gut, ſeine Bürger wurden fett durch die bei solchen Gelegenheitsfestlichkeiten von den Großen verschwendeten Summen, welche vorher erst anderen Orts von den armen Unterthanen erpreßt worden waren . Das reiche ſtolze Frankfurt , deſſen vornehme Bürgergeschlechter in vieler Beziehung Stockariſtokraten ſind, hat nur ein Landgebiet von 1,83 Quadratmeilen und enthält das außer der Stadt 2 Flecken (Bonamös und Bornheim) und 6 Dörfer (Ober-Rad, Nieder-Rad, Nieder-Lonbach, Dortweil, Hausen, Nieder-
330
Die Stadt Frankfurt.
Ursel) mit 91,900 Einwohner umfaßt , von den Leßteren kommen auf die Stadt und ihre Gemarkung 75,590, auf's Landgebiet alſo 15,410. Frankfurt hat mehr als viele andere deutsche und weit größere Städte den Vorzug die alte und neue Zeit in sich zu vereinen und zwar durch eine Menge enger winkliger Gassen und durch Prachtgebäude.
Wer einen Gang durch diese alte berühmte
Stadt macht, deren Messen einst von weit und breit her besucht wurden , was jezt doch gewaltig abgenommen hat, freut sich gewiß über die schöne Zeil (Hauptstraße) mit ihren reichen Verkaufsläden , prächtigen Hotels und überhaupt Häusern.
Auf dem Rozplaze prangt eine herrlich galvanoplastisch gearbeitete
Brunnengruppe , welche die drei Träger der größten Wohlthat , die jemals von Menschen ihren Mitmenschen erwiesen worden ist ,
darstellt, nämlich die drei
Gestalten der Erfinder und Pfleger der Buchdruckerkunst ; Gutenberg, Fuſt und Schöffer, desgleichen das erzene Standbild des Wolfgang Göthe, dessen Elternhaus sich am Hirschgraben befindet. Unter den 16 Kirchen der Stadt ist der Dom mit unvollendetem Thurm ein historisch bedeutender Vau , denn in ihm wurden die deutschen Kaiser vom Cardinal-Erzbischof von Mainz gefrönt.
Der Römer , jeziges Rathhaus , ein
ehrwürdiges Alterthum , an dem die Jahrhunderte hingezogen sind gleich leiſen Windshauch schließt heutigen Tages noch
die Bildniſſe ſämmtlicher deutscher
Kaiser, von Konrad 1. bis mit Franz 11. , in seine Säle ein ; noch zum Theil erhaltenes Ueberbleibsel
der Saalhof, ein
der kaiserlichen Pfalz
lange vertlungenen Jahrhunderten , und das fürstlich Thurn
(Residenz) aus und Taxis'ſche
Palais in der Eschenheimer Gaſſe, Aſyl des in's Nichts versunkenen Bundestages sind für jeden Deutschen , gehöre er auch, welcher Partei er wolle , Gegenstände nachdenklicher Schau , denn mit jeder dieser erwähnten Bauten ist ein Stück deutscher Geschichte verknüpft. Von einer heiteren Natur umgeben ist auch das Naturel des Frankfurters zur Leichtlebigkeit geneigt. ſammen zu scharren ,
Er ist kein Hungerleider, der nur arbeitet um zu-
er liebt auch den Genuß des Verdienten .
Ein richtiges
Frankfurter Kind unterscheidet sich vom gebürtigen Berliner durch weniger Anmaßung und mehr Gutmüthigkeit, man könnte den Frankfurter den Wiener des Westens nennen und gewiß ist es schon ein Vorzug , nichts von dem stachlichten Wesen des Berliners zu beſigen. Und in diese reiche altberühmte freie Reichsstadt zogen am 16. Juli die Preußen ein.
Es war zum Beginn der Abendzeit als 7000 Mann von der
331
Einzug der Preußen in Frankfurt.
Division
Göben mit klingendem Spiel und unter Gesang der Soldaten in
Frankfurt einzogen , deren lezte Stunde hatte.
als freie Reichsstadt somit geschlagen
Der commandirende General Vogel von Falkenstein befand sich an der
Spize des 15. und 25. Infanterie-Regiments der Brigade Wrangel , sowie des vierten Kürassier-Regiments und 8. Husaren Regiments der Brigade Treskow, Reitende und Fußartillerie folgte diesen Truppen. waren gedrängt voll Menschen,
Die Straßen der Stadt
aus mehrern Häusern wehten Tücher und zu-
weilen brachte die gaffende Menge den einmarschirenden Preußen Hurrah's ; aber so recht einstimmig war das Jauchzen doch nicht ,
das dunkle Gefühl , daß jezt
für Frankfurt ein neues Regime beginnen werde, scheint die Oberhand gehabt zu haben und es täuschte sich auch Niemand darin. Als die Nachricht vom Tode der Kaiserin Maria Theresia dem großen Friedrich von Preußen gebracht wurde, sagte er zu seinen Ministern : „ Messieurs , voila une nouvelle ordre ! "
Die Frankfurter hatten auch une nouvelle ordre
(eine neue Ordnung der Dinge) zu gewärtigen , die Gewißheit darüber ließ gar nicht lange — und zwar zum Entsegen der Einwohner auf sich warten. General von Falkenstein telegraphirte Folgendes an seinen königlichen Kriegsherrn. "
" Seit dem 1. Juli hat die Mainarmee unter meiner Leitung das Glück gehabt, die Vereinigung der feindlichen Streitkräfte zu verhindern , die baierische Armee nach siegreichen größeren Gefechten bei Neidhartshausen, Zelle Wiesenthal, Hammelburg, Kiſſingen und Winkels (Nüdlingen) über den Main zu werfen und in Folge des als nothwendig mir bezeichneten Rechtsabmarsches nach den glänzenden Gefechten bei Laufach und Aschaffenburg , welche in entschiedener Weise die Niederlage der Reichsarmee zur Folge hatten, am 16. Abends in Frankfurt einzurücken.
Der Feind ist nach einem Gesammtverlust von mehr als 5000
Mann überall in voller Flucht über den Main gezogen und seßt seinen Rückzug immer weiter fort.
Die Länder nördlich des Mains liegen jezt zu Ew .
Königlichen Majestät Füßen. “ In diesem lezten Sage lag das künftige Geschick der Länder nördlich des Mains ausgesprochen und somit natürlich auch das Frankfurts.
Dies Geschick
bestand in der Zugehörigkeit zu Preußen, gewiß waren sie ein höchst angenehmer Zuwachs für dies nordische Königreich.
Die preußischen Truppen bedurften der
Erholung nach so viel Marsch- und Kampf-Strapazen , auch mußten für die durch den Tod in die Regimenter gemachten Lücken wieder durch Zuzug von
332
General
v. Fallensteins Abschiedsschreiben von der Mainarmee.
Ergänzungstruppen aus Preußen geschlossen werden. in Anspruch.
Dies nahm einige Tage
General Vogel von Falkenstein erließ an seine Truppen folgende
Ansprache :
" Soldaten der Mainarmee! " Am
14. d. M. haben wir bei Aschaffenburg den zweiten Abschnitt
unsrer Aufgabe erfüllt . unſer Arm reichte ,
Mit diesem Tage ist das rechte Mainufer , so weit
vom Feinde gesäubert worden.
Bevor wir zu neuen
Thaten übergehen, drängt es mich, Euch Allen meine Anerkennung auszusprechen für die Freudigkeit , mit der Ihr die enormen Strapagen dieſer Zeit ertragen habt, die unvermeidlich waren für unser Gelingen. Doch das ist es nicht allein, was ich zu loben habe.
Eure Tapferkeit ist es und der
Ungestüm , mit welchem Ihr Euch in sechs
größern und vielen fleinern
Gefechten auf den Feind warfet , jedesmal den Sieg an Eure Fahnen knüpftet und Tausende unsrer Feinde zu Gefangenen machtet.
Ihr schlugt
in zwei glänzenden Gefechten am 4. d. M. die Baiern bei Wiesenthal und Zelle, überſtiegt das Rhöngebirge um
am 10. abermals die baieriſchen
Truppen , und zwar an vier Punkten zugleich , über die Saale zu werfen, bei Hammelburg , in Kissingen , bei Hausen und bei Waldaschach; waret ihr Sieger.
Und schon am
überall
dritten Tage nach der blutigen Ein-
nahme von Kiſſingen hatte dieselbe Division
den Spessart überschritten,
um nunmehr das 8. Bundesarmeecorps zu bekämpfen. „Der Sieg der 13. Diviſion über die Darmstädier Diviſion bei Laufach ■ m 13. und die Erstürmung der von den vereinigten Bundestruppen , alſo auch von
den Oesterreichern , vertheidigten Stadt Aschaffenburg
waren der Lohn ihrer Anstrengungen und ihrer Tapferkeit.
am 14.
Am 16. schon
wurde Frankfurt von ihr besezt.
Ich bin verpflichtet, dieser Division meinen
besonderen Dank auszusprechen.
Begünstigt , meist an der Tête des Corps
und somit der Erste an den Feind zu sein , war sie sich dieser ehrenvollen Stellung bewußt, was ihr tapferer Führer mit Intelligenz und Energie auszubeuten verstand .
Hauptquartier Frankfurt , 19. Juli 1866. Der Oberbefehlshaber der Mainarmee, v. Falkenstein. " Am 17. Juli besezten die Preußen noch das westlich von Frankfurt gelegene Höchst, eine am Main gelegene nassauische Stadt mit 2600 Einwohnern, von der unfern die Nidda einmündet , und gleich am darauf folgenden Tage
wurden die
Wechsel im preußischen Obercommando .
333
furhessischen Provinzen Hanau und Fulda
durch den preußischen
Administrator in Kurhessen , Präsidenten von Möller , Namens der preußischen Regierung in Besitz genommen .
Wer behaupten wollte ,
daß die Preußen in
Bollziehung ihrer Maaßnahmen säumig gehandelt hätten, würde eine der größten Unwahrheiten an das Tageslicht fördern.
Invasion und Annection gingen bei
ihnen rasch von der Hand , das muß ihnen ihr erklärtester Feind zugestehen, von zögerndem Besinnen war keine Spur vorhanden. ganz Herr des rechten Mainufers zu sein , nommen .
Die Mainarmee hatte ,
um
auch ihre Aufstellung darnach ge-
Die Diviſion Göben hielt Frankfurt, die Division Beyer Hanau und
das Corps Manteuffel Aschaffenburg besezt. Das Leztere , dem Feinde am nächſten ſtehende Corps erhielt folgerecht auch die zuverlässigsten Berichte über die Bewegungen und Vornahmen Bundestruppen und der Baiern.
der
Von den Ersteren blieben die Nachrichten in-
soweit unflar, als dem Obercommando dieser Reichsarmee wahrscheinlich ſelbſt das , was jezt unter so tristen Umständen zu thun , unklar genug sein mochte. Man erfuhr nur, daß die Bundestruppen durch den Odenwald sich zurückzogen, die Baiern aber die Straßen Würzburg-Aschaffenburg bis zum Mainübergange Heidenfeld ; sowie dieſen ſelbst nicht besezt hatten. Eine telegraphische Depesche berief plöglich den oft genannten General Vogel von Falkenstein nach Prag , um daselbst als General-Gouverneur functioniren.
zu
Am 19. Juli ſchon verließ er Frankfurt am Main , um sich über
Dresden nach der böhmischen Hauptstadt , seinem neuen Wirkungskreise zu begeben.
An seine Stelle trat als Oberbefehlshaber der Mainarmee der General-
lieutenant von Manteuffel.
Ihm blieb es vorbehalten, das Kriegsspiel am Main
zu Ende zu führen . Wir wenden uns nun jenem wichtigen Abschnitte in der Geſchichte des Feldzugs von 1866 zu , der dem Abschluß des Friedensvertrages zwischen Preußen und Desterreich kurz vorher ging.
334
Biographie des Königs von Preußen.
Nach Brünn und
Olmük.
Gewiß dürfte es in der Ordnung sein, einen Blick auf die Vergangenheit des Königs von Preußen zu werfen , der eine der hervorragendsten Hauptfigur in diesem Kriege ist , über welche die Weltgeschichte dereinst zu Gerichte ſizen den Zeitgenossen steht selten ein entscheidendes
wird , denn den Mitlebenden ,
Urtheil zu , weil Vorliebe oder Abneigung daſſelbe nur allzu leicht leiten könne. Friedrich Wilhelm Ludwig , geboren den 22. März
1797 zu Berlin,
zweiter Sohn des Königs Friedrich Wilhelms III. und der Königin Louise, genoß von früh an eine sorgfältige Erziehung , welche die Vorzüge ſeines Gemüths und Charakters bald hervortreten ließ
Bekannt ist die Aeußerung , welche
ſeine Mutter über die Richtung seines Geistes that , und wie sie in ihm das Ebenbild seines Vaters erfannte. Gleich allen Prinzen
des
preußischen Königshauses trat auch Prinz
Wilhelm als Knabe in den Heeresdienst.
Mit Ablauf des 10. Jahres , am 22.
März 1807, erfolgte die Ernennung zum Seconde-Lieutenant und die Verleihung des Hausordens
vom schwarzen Adler.
Die Neigung , welche der Prinz von
früh an für das Militärwesen hatte, konnte er fortan auf das Regste bethätigen. So erblickte man ihn denn auch in den Reihen der Kämpfenden während der Kriegsjahre 1813-15 , und es war dem siebenzehnjährigen Jünglinge vergönnt, in der Schlacht bei Arcis-ſur-Aube das Eiserne Kreuz zu verdienen.
Nach dem
Frieden des Jahres 1815 sehen wir den Prinzen von Stufe zu Stufe steigen, wobei er sich den Obliegenheiten des Dienstes mit einem Eifer und einer Ausdauer unterzog , daß die allgemeinſte Anerkennung und das Lob des in Dienstsachen strengen aber gerechten königlichen Vaters nicht ausblieb. Während der Prinz, gewissenhaft in allen Stücken , den an ihn gestellten Forderungen im vollen Maße genügte , verlangte er aber auch von den Untergebenen Genauigkeit und Pünktlichkeit , die er durch die ihm eigene Milde und ein seltenes Wohlwollen zu erzielen wußte.
Diese Eigenschaften und die vom
Vater ererbte Gerechtigkeitsliebe, wie das tiefe und innige Intereſſe, das er dem Kriegswesen von ganzem Herzen entgegentrug ,
erwarben ihm die ungetheilte
Verehrung der Armee. In allen ſeinen militärischen Verhältniſſen, an der Spize der Compagnie, des Bataillons, des Regiments , der Brigade, der Division und
335
Biographie des Königs von Preußen .
des Armeecorps :
überall blieb Prinz Wilhelm sich
gleich.
Für Alle und
Alles hatte er den gleichen Sinn , den gleichen Blick , Wohlwollen und Theilnahme. Während der Regierung des königlichen Vaters konnte der Prinz sich ungetheilt dem ihm lieb gewordenen Militärdienste hingeben und fand Erholung von den Kriegsgeschäften
in dem Kreise
Jahren erst gegründet hatte.
der
Familie , die er sich in reiferen
Am 11. Juni 1829 hatte sich der Prinz mit der
hochgebildeten und feinfühlenden , durch Geist und Herz gleich ausgezeichneten Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar , Enkelin Karl August's, vermählt.
einer Tochter Karl Friedrichs , einer
Aus dieser Ehe sind der Prinz Friedrich
· Wilhelm (jeßiger Kronprinz) und die Prinzessin Louise (jezt regierende Großherzogin von Baden)
entſproſſen.
erwähnen , daß der Prinz im
Noch ist zu
Juni 1840, furz vor dem Ableben seines Vaters, in den Freimaurer-Orden trat und Protector der preußischen Logen wurde , denen er später , zu einer Zeit der Anfeindung, ein echter und rechter Beschüßer blieb. Bei dem Tode des Königs Friedrich Wilhelms
. ist der Prinz General-
Lieutenant und commandirender General gewesen . Den Thron hatte sein königlicher Bruder Friedrich Wilhelm IV. bestiegen , und da dieser finderlos war , hielt der Prinz Wilhelm die Thronanwartſchaft.
er-
Nach dem unter Friedrich dem
Großen (der bekanntlich auch kinderlos gewesen) beobachteten Vorgange beſtimmte König Friedrich Wilhelm IV.,
gleich nach seinem Regierungsantritte , daß der
Prinz Wilhelm " Prinz von Preußen" fortan titulirt würde. In der Eigenschaft als Kronerbe ward der Prinz auch Statthalter von Pommern, eine Würde, die seit Friedrich Wilhelm 1. alle preußischen Thronfolger bekleiden.
Gleichzeitig ernannte ihn der königliche Bruder zum Vorsigenden des
Staatsministeriums, wodurch er die beste Gelegenheit fand, ſich mit den Staatsgeschäften vertraut zu machen.
Der Prinz, beharrlich und treu, wie er war, er-
griff auch diese Aufgabe mit ganzer Gewissenhaftigkeit und wurde ihr gerecht. Bei der am 10. September 1840 vollzogenen Erbhuldigung
zu Königsberg in
Preußen ward der Prinz zum General der Infanterie befördert, und damit ihm da die höchste militärische Würde , die eines Feldmarschalls , den preußiſchen nicht verliehen wird - die weitere Beförderung ge-
Prinzen observanzmäßig schlossen.
Die Veränderungen , die der König mit den ständischen Einrichtungen vornahm , sollen nicht durchweg die Zustimmung des Prinzen bei den deshalb
336
Biographie des Königs von Preußen.
angeordneten Berathungen gefunden,
er sich auch mit dem Prinzip des 1847
eingeführten vereinigten Landtags nicht einverstanden erklärt haben . und betonte es aber , daß er der erste Unterthan des Königs sei ,
Er wußte und bei der
herzlichen Liebe, mit der er dem ältern Bruder anhing, führte er Alles in ſeinem biedern Sinne zum Besten.
Der Prinz nahm an den Berathungen der Herren-
Curie des vereinigten Landtages einen regen Antheil . Das Jahr 1848 brachte eine Umwälzung hervor : constitutionelle Monarchie geworden .
Preußen war eine
Der Prinz begab sich nach England , um
die socialen Einrichtungen jenes Landes aus eigner Anschauung kennen zu lernen. Diese Reise brachte ihn dem Prinzen Albert, dem Gemahle der Königin Victoria, nahe , deren älteste Tochter der Sohn des Prinzen heimzuführen berufen war. Das, wenn ihm
auch nicht fremde, doch eigenthümliche Feld jener Thätigkeit
ſeſſelte den Prinzen , deſſen hier gesammelte Erfahrungen bald der in Berlin gegründeten gemeinnüßigen Baugeſellſchaft, deren Protector der Prinz 1849 wurde, zu Gute kommen sollten.
Der Kreis Wirsiz in der Provinz Posen hatte den Prinzen zum Abgeordneten für die preußische verfaſſungsgebende (National-) Verſammlung gewählt. In der Sizung vom 8. Juni 1848 erschien der Prinz und sagte in seiner von der Rednerbühne herab gehaltenen Rede ,
daß durch diese Versammlung
„ eine
Vereinbarung mit unserm Könige herbeigeführt werden soll , welche für lange Zeit die Schicksale des preußischen Volkes und ſeiner Könige feststellen wird . . Die conſtitutionelle Monarchie ist die Regierungsform , gehen uns vorgezeichnet hat.
welche unser König zu
Ich werde ihr mit der Treue und Gewissenhaftig-
keit meine Kräfte weihen, wie das Vaterland ſie von meinem ihm oft vorliegenden Charakter zu warten berechtigt ist. landsfreundes , vor allen
also
Dies ist die Pflicht eines jeden Vater-
die meinige ,
als
des
ersten Unterthanen
des
Königs." Die Revolutionskämpfe in Baden und der Pfalz machten 1849 preußiſche Hülfe nothwendig .
Das siegreiche Hülfscorps besehligte der Prinz.
Bei dem
Uebergange über den Rhein bei Germersheim gegenwärtig , erfocht er die Siege bei Waghäusel und Abstadt.
Ueberall befand sich der Prinz im heftigsten Feuer,
wogegen seine Umgebung vergebliche Vorstellungen machte. Mit Stolz sahen die Soldaten , daß ihr Feldherr jede Gefahr mit ihnen theilte und väterlich für sie besorgt war.
Mit der ihm eigenen Bescheidenheit lehnte er , am Schluſſe des
Feldzuges , jedes Lob ab und vindicirte den Ruhm der Thaten seinen Soldaten,
Biographie des Königs von Preuß en.
337
an denen er immer eine Stüße der Treue , des Gesezes und der Gerechtigkeit gefunden habe.
Der königliche Bruder gedachte aber des Feldherrnruhmes des
Prinzen gern. Am 31. Januar Staats
erlaſſen und
schworen worden.
150
war
die Verfassungsurkunde des preußischen
am darauf folgenden 6. Februar von dem Könige be-
Den Verfassungskämpfen blieb der Prinz fern, trat auch, als
1854 das Herrenhaus gebildet wurde, in daſſelbe nicht ein , so wenig wie irgend ein anderer der königlichen Prinzen .
Der Prinz residirte, schon als Militär-
Gouverneur Westphalens und Rheinlands, meist in Coblenz. Im Juni 1854 feierte
der Prinz
an der Seite seiner Gemahlin auf
Schloß Babelsberg bei Potsdam die Feier seiner Silberhochzeit, wobei gar viele Beweise der Ehrfurcht und Liebe den Gefeierten dargebracht wurden. Der König verlieh am 20. Mai selbigen Jahres seinem Bruder, der vorher schon Protector der 1849 gegründeten Landesstiftung für Veteranen geworden war , eine im föniglich preußischen Heere bis dahin nicht übliche Würde , die eines „ GeneralOberst der Infanterie “, mit dem Range eines Feldmarschalls. Im März 1857 feierte der Prinz den Tag, an welchem er vor 50 Jahren in das Kriegsheer getreten war.
Das gesammte Offizierscorps überreichte ihm
einen prachtvollen Schild , dem der König (mit Anspielung darauf, daß ihm zwei Jahre vorher,
aus gleicher Veranlaſſung , ein Degen in goldener Scheide mit
einer erleſenen Klinge dargebracht worden) folgende versificirte Inschrift gegeben : „ Der König nahm das Schwert,
Nimm Du das Schild, Gerettet ist der Heerd, "1 Stürmt es auch draußen wild. Das Jahr 1857 bildete einen Wendepunkt in dem Leben des bereits 60jährigen Prinzen.
König Friedrich Wilhelm IV. war nämlich im October dieses
Jahres so schwer erkrankt , daß er zu seinem Stellvertreter den Prinzen ,
als
nächsten Agnaten, berief. Die Stellvertretung wurde, von drei zu drei Monaten, ' bis zum October 1858 verlängert , um welche Zeit , da eine dauernde Verhinderung des Königs die Regierung zu führen, vorlag, auf Grund der Verfaſſungsurkunde eine Regentschaft eingesezt werden mußte. Am 26. October 1858 leistete der Prinz, im weißen Saale des Schloſſes, vor den versammelten Kammern den vorgeschriebenen leiblichen Eid und war damit Regent des Reiches. Im November berief er ein neues Ministerium unter 22 Kriegserdigniffe.
338
Biographie des Königs von Preußen.
dem Vorsize des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern und eröffnete demselben das so berühmt gewordene Programm, in welchem der Prinz-Regent , ohne geradezu mit der Vergangenheit zu brechen, die Besserung der Zustände empfahl, Versprochenes zu halten als Pflicht erklärte , moralische Eroberungen zu machen als eine schöne Aufgabe erachtete und das treffliche Wort sprach:
„ Die Welt
muß wissen, daß Preußen das Recht zu schüßen bereit ist. “ Mit ungewöhnlichem Jubel begrüßte das Volk den Regenten und trug ihm wie seinem Ministerium das vollste Vertrauen entgegen .
Im Innern war
eine Reformpolitik und eine durchaus ehrliche Verwaltung unverkennbar.
Auch
nach außen wurde, so weit es sich schon thun ließ, mit der Olmüßer Politik gebrochen, wovon das Verhalten gegen Kurhessen Kunde gab . Die Mobilmachung i. J. 1859 , wegen des in Italien ausgebrochenen franzöfifch-österreichischen Krieges, in den der Prinz-Regent thätig eingreifen wollte, davon aber, wie wir gesehen, durch den österreichischen Kaiser verhindert wurde, welcher lieber dem Kaiser Napoleon eine Provinz abtrat, als preußische Hülfe annahm, wurde der Anlaß zur Heeres-Organiſation. Im folgenden Jahre näherte sich Napoleon dem Regenten , der ihm die erbetene Zusammenkunft in Baden-Baden am 16. Juni 1860 gern gewährte, sämmtliche deutsche Fürsten jedoch zuzog und dabei versicherte, daß kein Fuß breit deutschen Bodens verloren gehen dürfe.
Bald darauf hatte der Prinz eine
Zuſammenkunft mit dem Kaiſer von Oesterreich in Teplig.
Leztern Ort hatte
er aus Pietät für den Königlichen Vater , der hier alle Sommer eine Badecur gebrauchte, ausersehen. So im eignen , wie im Auslande geehrt , bestieg der Prinz den Thron. Am 2. Januar 1861 war Friedrich Wilhelm IV. von seinen Leiden erlöst und Wilhelm
1. König
geworden.
Die
bei diesem Regierungs-Antritte erlassenen
Proclamationen zeugten von der Liebe des Königs zu Bruder.
Eine der ersten Regierungshandlungen war ,
dem hingeschiedenen
am 12. Januar ,
eine
Amnestie für politische Vergehen und Verbrechen und dann , am 18. Januar, die feierliche Vertheilung der Fahnen an die neugebildeten Regimenter , womit die Armee-Organiſation in das Leben getreten war. Diese Organiſation rief viele Parteikämpfe hervor, welche den König später zu einem Ministerwechsel veranlaßten, namentlich aber im Auslande scharf befritelt wurden.
Ein Fanatiker , ein junger Student, Oskar Becker , machte MU S H am 14. Juli 1861 in Baden-Baden, zur Cur war, einen MordIS wo derEUKönig T M I R
339
Biographie des Königs von Preußen.
anfall auf den König , der glücklicherweise gar keine Folgen für die Gesundheit des Monarchen hatte.
Der Frevler, der die Unthat ohne Mitschuldige mit einer
Schußwaffe begangen hatte, verbüßte die verdiente Strafe in Bruchsal. *) Dieses Attentat blieb
auf die Politik des Königs
ohne allen Einfluß,
ſo daß Presse und Vereine die Folgen jenes Mordversuchs nicht empfanden. Im October 1861 machte der König dem Kaiser Napoleon in Compiegne einen Gegenbesuch und begab sich dann nach Königsberg , wo er sich am 18 . October frönen ließ.
Diese Feier hatte seit 1701 , da der Kurfürst Friedrich II.
von Brandenburg , König in Preußen geworden war, nicht stattgefunden und war bei den folgenden Regierungswechseln Stände ersezt worden.
durch
eine " Erbhuldigung “
der
Da diese aber in dem 1850 entstandenen Verfassungs-
*) Die Bitten der Familie Becker nach Eintritt der dem abgeschlossenen Frieden folgenDen, vom König Wilhelm I. gegebenen Amnestie um Begnadigung des jugendlichen Attentäters blieben anfänglich wirkungslos , bis der Herr Pastor Weber in Hosterwit bei Pillniß, ein Onkel Ostars, sich an den Hofprediger des Königs in Berlin wendete und durch diesen hochgestellten Geistlichen des Monarchen Herz zur Vergebung gestimmt wurde. Ein Schreiben König Wilhelm's an den Großherzog von Baden gab dem Jünglinge die Freiheit. 22*
340
Biographie des Königs von Preußen.
ſtaat Preußen die frühere Stellung verloren hatten , ſo beſchloß der König, die Krönung zu erneuern , wobei er sich und der Königin die auf dem Altare der Schloßkirche ruhenden Kronen aufſeßte.
Der König hielt auf der Rückkehr von
Königsberg einen feierlichen Einzug in Berlin. Bald darauf, im November 1861 fanden, da die 1858 begonnene Legislaturperiode abgelaufen war , Neuwahlen für das Haus der Abgeordneten ſtatt. Die Wahlen fielen gegen das Miniſterium und in dem Sinne , der inzwiſchen gebildeten , der Heeres-Organisation widerstrebenden aus.
deutschen Fortschrittspartei
Das Haus wurde, auf den Antrag des Miniſteriums, dem der König ſein
Vertrauen bezeigte , am 11. April 1862 aufgelöſt , eine Woche darauf aber das Ministerium selbst bis
auf den Kriegsminister von Roon und den Handels-
minister von der Heydt entlassen , der leztere zum Finanz- und eigentlichen leitenden Minister ernannt.
Der Präsident des Herrenhauſes , Prinz von Hohen-
lohe, wurde der Namens -Premier-Miniſter. Die im April 1862 vorgenommenen Wahlen brachten lediglich die Mitglieder des aufgelösten Hauses zurück. Im September 1862 ward auch der Finanzminister von der Heydt entlaſſen , am 24. September der Gesandte zu Paris , von Bismark, zuerst interimiſtiſch und am 9. October 1862 definitiv zum Ministerpräſidenten und Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Eine neue Politik hatte der König inaugurirt , 1864 wurde der Krieg gegen Dänemark mit Deſterreich, 1866 der Krieg gegen Oesterreich von Preußen mit nur wenigen kleinstaatlichen Bundesgenossen geführt.
Des Heeres Umge
staltung, des Königs eigenstes Werf, hatte sich glänzend bewährt. Der Tag von Königgräß war der entscheidende zwischen Preußen und Oesterreich , des Leßteren Uebermacht lag zertrümmert am Boden , Deutschland war somit von der Möglichkeit befreit , daß
es im Verlaufe der Zeiten unter
österreichischem Fittich allmählig in ſeinen religiösen wie ſocialen Verhältniſſen bedroht werden könne.
Die schweren Opfer, welche dieſer 1866er Krieg deutſchen
Ländern auferlegte, werden verwunden werden , die Thränen , die viele Tauſende von Familien um
ihre auf den Schlachtfeldern gefallenen Theuren vergoſſen
haben und noch vergießen , werden trocknen , die Zeit hat für alles Leid ihren mildernden Balsam ; aber der größte Schlag, welcher eine große Nation wie die Deutschen treffen konnte, wäre die österreichische Jesuitenherrschaft geweſen , die in der Niederhaltung der Geister ihren Hauptzweck hat. Desterreich und Freiheit ſind ſo grelle
341
Begräbnißfeier.
Contraste wie tiefe Wetternacht und sonnenglänzender Tag.
Die österreichischen
Zustände bezeugen das hinlänglich. Am Schluß dieser Schilderung des Lebensganges des Königs Wilhelm 1. ſei einer erhabenen und tiefergreifenden Feier gedacht , welche nach der Königgräßer Schlacht auf der Höhe von Chlum , wo der Kampf am heftigsten getobt, vom König, der aus seinem zwei Stunden weit entfernten Hauptquartier Horsit in Begleitung der Prinzen Friedrich Karl und Albrecht (Sohn) dazu herbeige. kommen, abgehalten wurde.
Eine große Zahl der hier gefallenen Krieger, deren
Leichen im Laufe des Tages (4. Juli) gesammelt worden waren, in ihrer Mitte die des Generals Hiller von Gärtringen (Commandeur des Garde-Corps) und des Oberstlieutenant von Helldorf (vom 1. Garde-Regiment zu Fuß) wurden auf einem hochgelegenen Plaze, von dem man das Schlachtfeld konnte, zur Ruhe bestattet.
überblicken
Deputationen aller Truppentheile der 1. Garde-
Infanterie-Division waren um die offenen Gräber (Gruben)
aufgestellt.
Der
Divisions-Prediger Rogge sprach nach kurzer Rede und einem Gebet den Segen über die Gräber, worauf die Ehrensalven gegeben wurden, und in sichtlicher Bewegung nahm Jeder, König wie Soldat, die üblichen drei Hände voll Erde
342
Waffenftillstands-Vorschläge.
um ſie auf die in der Tiefe schlummernden Kameraden hinabzuwerfen. war eine tiefergreifende und
manches Kriegers
Auge mit Thränen
Es
füllende
Feier. Nach König Wilhelms Ankunft in Pardubig wurde Kriegsrath gehalten und am nächsten Tage brach die ganze Armee in südöstlicher Richtung auf, der Kronprinz mit der schlesischen Armee marſchirte auf Mährisch Trübau zu , die erste Armee unter Prinz Friedrich Karl hatte um und in Chrast, freundlichen Stadt mit einem biſchöflichen Palais
einer fleinen
auf zwei Tage Dauer can-
tonnirt und ſezte sich nach Hohenmauth hin in Bewegung, während die Elbarmee unter Herwarth von Bittenfeld ihr Ziel nach Iglau und Znaym verfolgte, welchergestalt also die preußische Armee gleichsam drei riesige Arme nach dem Herzen des Kaiserstaates, Wien, ausstreckte. Ein Beweis , wie nothwendig und wünschenswerth für Desterreich ein Waffenstillstand ſei, konnte jeder preußische Soldat aus der abermaligen Ankunft des Feldmarschalllieutenants von Gablenz erkennen. Sein Anerbieten lautete dahin : ein Waffenſtillstand von mindestens acht Wochen und längstens drei Monate sollte abgeschlossen werden. Während dieſer Zeit hätten die beiderseitigen Truppen ihre gegenwärtigen Stellungen innezubehalten , ein Gürtel von 5 englischen Meilen , 2 Stunden Wegs ungefähr, sollte zwischen den Vorposten beider Armeen neutraler Boden sein. Als Compenſation dafür sollten an Preußen die beiden Festungen Joſephsstadt und Königsgräß jedoch nach freiem Abzug (schon früher im Hauptquartier Horſiß angeboten) der österreichischen Besaßungstruppen mit Waffen und Kriegsmaterial - übergeben werden. Es gehörte unter die Rubrik „ unbegreifliche Dinge " , wie man öſterreichischer Seits nur glauben konnte, Preußen könne und werde auf einen solchen Vorschlag eingehen. " Es ist nicht zu viel gesagt, daß in demselben das Anſinnen an Preußen lag, es solle ſeinen Sieg bei Königgräß mit eigener Hand verstümmeln , zu Nichte machen , sich den Desterreichern gegenüber, welche die Frist von 8 Wochen oder 3 Monaten sicherlich nach Kräften benußt haben würden, um ein Heer auf die Beine zu bringen, das möglicherweiſe, unterſtüßt durch alle nur denkbaren Mittel , dem Feinde Schlag um Schlag hätte beibringen können, fest fahren, die Hände binden und geduldig deſſen
gewärtig sein , was Gutes
oder Schlimmes vom Geschid oder vielmehr von dem wiederaufgerafften Desterreich über es verhängt werden würde.
243
Marsch burch Böhmen.
eine Audienz vom König Wilhelm bewilligt
-- Gablenz erhielt nicht einmal -
Selbstverständlich wurde dieser Vorschlag
zurückgewiesen ,
General von
Moltke, der preußische Generalstabschef, erklärte in einem höflichen Briefe an den österreichischen Feldmarschalllieutenant ,
daß Sr. Majestät der König unmöglich
auf Verhandlungen eingehen könne , die solche Vorschläge zur Baſis hätten. Gablenz verließ das königliche Hauptquartier,
um denen , die ihn
abgeschickt
hatten , die Kunde zu bringen , daß Preußen vorrücken werde und dies geschah denn auch sofort. Anfänglich war der Marsch der Armeen , wenn auch von einem manchmal durchwärmenden und daher trocknenden Sonnenschein unterbrochene Regenwetter etwas unangenehm gemacht , doch ein ganz erträglicher , denn der Zug ging durch fruchtbares und zugleich wohl angebautes Land, deſſen Bewohner sich freundlich gegen die frem den Soldaten zeigten.
Und das war eine Art morali-
ſcher Sonnenblick für die Truppen, denn die böhmischen Landstriche , die ſie bis jezt durchzogen hatten , waren mit Ausnahme des Landes an der Elbe eben nicht sehr erquicklich gewesen und freundliche Gesichter der Bewohner hatten auch nicht zur Tagesordnung gehört.
Es gab auf diesem Marsche einige ganz unbe-
deutende Scharmügel , die allemal
mit
raschem Rückzuge
der kleinen umher-
ſchwärmenden österreichischen Abtheilungen endeten ; aber die Freude durch ein lachendes, blühendes Land zu marſchiren, dauerte nicht lange, bald ging's wieder bergauf und zwar nicht auf der Hauptstraße , welche über das Hochland , das Böhmen von Mähren trennt, hinführt , ſondern auf Nebenwegen
und immer
traurigeren Ansehens wurden die Landſchaften. Sie sahen öde aus , die Luft wurde falt und wo sich noch Anbau erblicken ließ , sah man , obwohl faſt Mitte Juli war , das Korn kurz und grün, an manchen Stellen noch ganz ohne Aehren .
Selbst das Gras war kurz und
dürftig , dafür aber ragten kalte nackte Felsen aus der Erde hervor , der Boden war mit Steinen besäet, zwischen denen hin und wieder traurig verkrüppelte Lärchenbäume ſtanden, für die man nur Mitleid haben konnte, denn ſie ſahen aus, als suchten ihre Wurzeln vergebens Boden.
Und
um das ohnehin düstere Berg-
landſchaftsbild mit noch mehr Schatten zu füllen , hoben sich an den Bergſeiten längs der Straße dichte schwarze Tannen- und Fichtenwälder vom grauen Nebel verhüllten Himmel ab.
Der lustige Singfang unter den Marschcolonnen hatte mitzudenn Jeder hatte vollauf zu thun , um ――
ſeine Endſchaft gefunden , kommen.
Der Regen neste in einem fort die schweigend lehnan Marschirenden
344
Benebel im Unglück.
die sich auf dem schlechten Wege unendlich plagen mußten , noch viel ſchwerer aber wurde es der Artillerie und dem mit Munition und Fourage beladenen Train, zu folgen.
Die Pferde keuchten in Schweiß gebadet unter den heftigen
Anstrengungen und vom Train brach manche Achse , manches Rad .
Als echte
Söhne und Töchter dieses traurigen Hochlandes erwiesen sich die schmußigen Bewohner der hin und wieder zerstreuten Dörfer , deren Häuser oder Hütten erbärmlich aussehend , von der großen Armuth wie von der Unsauberkeit ihrer Besizer Zeugniß gaben. Während dieses eben nicht freudereichen Zuges war das königliche Hauptquartier am 9. Juli von Pardubiß nach Hohenmauth verlegt worden , welches eine im Chrudiner Kreise gelegene Stadt mit fast 6000 Einwohner ist . Es blieb nur einen Tag hier , bis der Bericht einlief, daß die nächste zum Hauptquartier bestimmte Stadt vollkommen sicher sei vor feindlichem Andrängen. Der Oberbefehlshaber der f. Nordarmee hatte nach der Königgräger Niederlage einige Stunden in Hohenmauth gerastet und diesem Umstande verdanken wir die Kenntniß einer Aeußerung von seiner Seite über sein Mißgeschick, wie er sie gegen einige Correspondenten für die großen Wiener Zeitungen gethan. Ein österreichischer Brief von Hohenmauth, 4. Juli, also vom Tage nach der verlorenen Schlacht bei Königgräß
datirt ,
erzählet Folgendes :
Benedec
sprach uns Journaliſten heute an und fragte : „ wo wir am Schlachttage waren “ Jeder antwortete. „Nun könnt Ihr Alles sagen und schreiben das Unglück kann man nicht bemänteln , sprach er. " Wir wiesen auf die mancherlei Ursachen hin, welche das Mißlingen herbeigeführt , er aber sprach : „ ein gentiler Feldherr nimmt alle Schuld auf sich.
Ich trage alle Verantwortung."
Das war kurz nach dem
Momente , in welchem er mit seinem Stabe zu Pferde hier angesprengt kam . Und in einem um einen Tag späteren Schreiben desselben Correspondenten heißt es von Benedek :
„Das Herz thut uns weh , als der Mann , vor Kurzem noch
ein gefeierter Held, uns sagte : „ Ich habe mein Renomee verloren !" Gewiß, er hatte sein Renomee verloren.
Sein im österreichischen Kriegs-
dienste hingebrachtes langes , treues und an Aufopferungen reiches Leben bot gegen die von seinen vielen Gegnern - nicht etwa die auf preußischer Seite gegen ihn im offnen Kampfe zuſammengestandenen, ſondern gegen die im guten dankbaren Desterreich selbst zahlreich vorhandenen Speichellecker und kaßenbuckelnde aufgeblasene Heuchler ihm nun im Unglück keinen Schild gegen die ihn treſſenden
345
Benedek vor dem Kriegsgericht.
Berunglimpfungen und Spöttereien.
Eine der Wiener Zeitungen veröffentlichte
jedoch folgende ihn betreffende Rechtfertigung : „Bekauntlich wurde eine kriegsgerichtliche Untersuchung über ihn verhängt. Er erschien vor den ihn gesezten Richtern und sprach: „Ich stelle mich nur dies eine Mal und dann nicht wieder.
An Sr. Majestät ist es mich zu rechtfertigen
und jeder Schuld mich zu entlasten , die man auf mich bringen möchte.
Ich
habe so viel gethan , als ich konnte , für das Unglück tritt der Kaiſer ein , er allein weiß , was er mir zugesagt.
Fragt ihn. "
Das war eine allerdings sehr
räthselhafte Antwort , die die Herren ein wenig in Verwirrung brachte.
Und
was hatte der Kaiser ihm zugesagt? Als Franz Joseph , wenn auch selbst kein Krieger, doch wohl wissend , daß zum Feldherrn etwas mehr gehört , als ein guter und muthiger Soldat zu sein , ihm den Oberbefehl anbot, schlug Benedek denselben aus , indem er offen bekannte, daß zu ſolchen hohen, viel verantwortlichen Posten ihm das ſtrategiſche Wiſſen mangele.
Der Kaiser sagte ihm , daß
er der Mann sei, auf den Armee und Volk festes Vertrauen sege und er brauche nicht zu fürchten , daß es wirklich zum Kriege käme.
Er gäbe ihm das Wort,
es beträfe nur eine großartige Demonstration, nichts weiter, alles Uebrige werde er (der Kaiser) verantworten.
Selbstverständlich konnte Benedek seinem Kaiser
und Herrn nun feine Weigerung entgegenseßen. " Wie die Preußen die kriegerischen Anstalten Oesterreichs nicht als eine bloße Demonstration angesehen hatten , die gleich einer Theater-Couliſſe hin und her geschoben und beseitigt werden kann, so auch konnte Benedek einmal in dem Poſten eines Oberbefehlshabers eingetreten, so zu sagen, der ganzen Welt proclamirt,
unmöglich, schon seiner eigenen
Ehren
wegen ,
zurücktreten
und be-
kennen, daß er so hoher , viel verantwortlicher Stellung nicht gewachſen ſei. Das Mißgeschick wollte , daß er es mit einem Strategen, wie dem preußiſchen General von Moltke, und mit einer einheitlich organiſirten Armee zu thun hatte, während die österreichische aus den einander wiederstrebendsten und sich einander selbst in Bezug auf die Sprache nicht verstehenden Elementen zusammengesezte Armee besteht und mehrere ihrer Führer für alles Andere besser, als für ihre Stellungen taugten. Am 10. Juli überschritt die erste Armee unter Prinz Friedrich Karl die mährische Grenze bei der kleinen Stadt Swatka und stieg in das Thal bei Neustadt hinab, um am nächsten Morgen wieder bergauf zu steigen.
Schon ein
paar Tage früher hatten zur zweiten oder ſchleſiſchen Armee gehörende Truppen
346
Wichtige Entdeckungen der Preußen.
die mährische Grenze überschritten und bei Zwittau einen Zusammenstoß mit österreichischen und sächsischen , ein Colonnen - Magazin deckenden Abtheilungen, über welchen nächtlichen Kampf, wobei eine österreichische Proviant-Colonne verloren ging, der Wiener „Kamerad " Folgendes meldete : „ Während des Rückzuges des Hauptquartiers wurde beim Train desselben, wo Stabscavalerie und Infanterie nebst Gendarmen des Kriegsflügels gegenwärtig sind, die Ordnung nicht gestört, dagegen herrschte bei den Colonnenmagazinen oft die
gräulichste Verwirrung.
Ein Beispiel
einer solchen Verwirrung
fand am 7. Juli Nachts in Zwittau statt, wo ein in größter Unordnung marſchirendes Colonnen-Magazin die Passage der Stadt sperrte , und als das vor der Stadt befindliche Lager der Sachsen vom Feinde mit Granaten beworfen wurde, nicht fähig war, sich marschfertig zu machen. Die sich zurückziehenden Sachsen , beiläufig 2000 Mann mit vier Batterien , mußten sich mit Gewalt den Weg durch den Train bahnen, welcher circa 40 umgeworfene Wagen mit Proviant im Stiche und dem Feinde zur Beute lassen mußte.
Der Rest des Trains zog sich nach Brüſau zurück, die Sachsen
retirirten gegen Olmüz. “ Jezt am 10. Juli war die ganze Umgegend von Zwittau eclärirt , d . H. von allen Feinden gesäubert und das königliche Hauptquartier ſiedelte am genannten Tage dorthin über.
Zwittau ist eine mährische zum Brünner Kreiſe
gehörende Stadt mit über 5000 Einwohnern.
Die hier entspringende Zwittawa
fällt nach nicht allzulangem Laufe im südlichen Mähren in die Schwarzawa . Wenn bisher die Preußen nur durch die Vermuthung geleitet worden daß sie die f. Nordarmee vor Olmüß wieder finden würden, so verwandelte sich diese Vermuthung doch schnell in Ueberzeugung , als vorwärts Mährisch-Trübau die Cavalerie-Diviſion der kronprinzlichen Armee , welche in schnellen Märſchen die Fühlung
mit dem Feinde ſuchten ,
der sich durch eilige Flucht jeder Be-
obachtung zu entziehen gewußt hatte, eines österreichischen Feldpoſtillions habhaft wurde.
Man fand in dem von ihm gefahrenen Postkarren neben sehr inte-
reſſanten Privatbriefen, die Alle auf's Neue die furchtbare Niederlage der Desterreicher bestätigten ,
die Befehle und Marsch - Tableaux Benedek's in mehrfacher
Ausfertigung für die verschiedenen Corps
und Intendanten.
Nun war das
Räthsel gelöst , man erfuhr , daß die ganze österreichische Armee nach Olmüß gegangen ſei und daß nur das vollſtändig aufgelöſte 10. Corps (das Gablenz'sche) und die Cavalerie-Diviſion „ Prinz Holstein “ nach Brünn eilten.
347
Brief des Königs von Preußen an den General von Steinmez.
Die preußischen Offiziere konnten es nicht begreifen , wie die Oesterreicher, die so viel von ihrer Kriegserfahrung sprechen , einen so großen Fehler zu begehen im Stande waren , dergleichen wichtige Befehle durch einen Postillon zu befördern.
Preußischer Seits
bewegungen der Armeen.
kam
nun
Leben in
erhöhtes
die
Vorwärts-
Die kronprinzliche rückte unverweilt vor , um ſich Ol-
müß und der österreichischen Nordarmee gegenüber aufzustellen.
Die drei Heer-
arme begannen sich nun in Mähren auszustrecken, die Elbarmee über Iglau nach Znaym marschirend rückte nach der Grenze des Erzherzogthums Oesterreich, die erste Armee rasch vorwärts nach Brünn, der kronprinzlichen Armee Aufgabe war, wie eben erst erwähnt , die Aufſtellung vor Olmüß. von Wien abzuschneiden. Czernahora verlegt.
Es galt die Oesterreicher
Das königliche Hauptquartier ward am 12. Juli nach
Dies ist eine Stadt . welche 5 Meilen südlich von Zwittau
und 3 Meilen nördlich von Brünn, auf der Straße nach Brünn, liegt. So kurz auch die Zeit war , daß König Wilhelm in Czernahora ſich befand und so viele einlaufende Rapporte über die Bewegungen seiner Armee er zu lesen hatte, so fand er doch noch Muse, um den hochverdienten General von Steinmez , dem Sieger von Nachod und Skaliz , ein abermaliges Zeichen seiner dankbaren Erinnerung zu geben.
Er schrieb folgenden, später veröffentlichten
Brief an ihn :
Czernahora , 13. Juli 1866. Vergeblich suchte Jch Sie am glorreichen 3. Juli auf dem Schlachtfelde, um Ihnen die Auszeichnung zu ertheilen , die Ich Ihnen für Ihr heldenmüthiges und ſiegreiches Handeln in den Tagen vom 27. bis 30. Juni zuerkannt habe.
Dann hoffte Ich immer auf unserem weiteren Vormarsch
in Ihre Nähe zu kommen, um persönlich Ihnen Meinen schwarzen Adler zu übergeben. Leider hat ſich dies nicht ermöglichen laſſen, und nun ſehe Ich Mich nur mehr genöthigt, Ihnen dieſe ſo hochverdiente hohe Auszeichnung durch Meinen Sohn zugehen zu laſſen , jedoch immer innig bedauernd , daß Ich nicht selbst den Helden jener Tage ſchmücken konnte. Ihr treu ergebener (gez.) Wilhelm. P. S.
Haben Sie Mein Telegramm vom 29. aus Berlin erhalten , in
welchem Ich Ihnen Meine Anerkennung
ausspreche und aufgab, Ihrem
Corps Meinen Dank zu sagen? Zu den beſonderen Schwierigkeiten für eine im Feindesland vordringende Armee gehört in erster Linie die Fortſchaffung der Proviant- und Munitions-
348
Preußischer Proviant- und Munitions-Colonnen-Transport.
Colonnen.
Sie sind, wenn man den Vergleich wagen darf, so recht eigentlich
die Feder in dem großen Triebwerke des ganzen Heer-Coloſſes.
Auf dem ſchon
geschilderten schlechten Wege über das vom Regen aufgeweichte böhmisch-mährische Grenz-Hochland war das Fortkommen dieser Colonnen eine fortgesezte Qual für Menschen und Thiere und der Times- Correspondent , dessen Schilderungen überhaupt nicht nur auf tiefen militärischem Verständniß und in dies Fach einſchlagende Kenntniſſe beruhten, ſondern auch durch eigene Anschauung das Eransportsystem in der preußischen Armee dasselbe vollkommen kennen lernte, gab davon folgende Erklärung in seinen Marschberichten :
" Es hat sich herausgestellt ,
daß Eisenbahnen in Feindesland für den
Gebrauch einer Invaſionsarmee während
ihres
Vorrückens nuplos sind ;
die
Armee, welche in der Defensive ist, zerstört sie und die Bahn kann nicht schnell genug ausgebessert werden , um Truppen darauf befördern zu können ; dagegen sind die Bahnen zum Transport von Proviant und andern Gegenständen unschäzbar.
Je schneller eine vorrückende Armee die Schienen legen kann , desto
schneller kann sie vorwärts kommen und um so freier sind ihre Bewegungen, denn die Bahnlinie ist die große Arterie , die von den Herzen ausgehend , alle äußersten Endpunkte der Armee mit den Bedürfniſſen des Lebens und Kampfes versorgt. „Beim Ausbessern der zerstörten Linien war das Arbeitercorps , welhas die preußische Armee begleitete , außerordentlich geschwind zur Hand und mit großem Erfolg ; aber so schnell sie auch arbeiteten , waren sie doch nicht ſchnell genug , denn der Transport fand einige Tage auf den Landſtraßen statt, ſelbſt nachdem Prag besezt war und kein Feind die Güterzüge auf der Bahn hemmte. Eine zerstörte Brücke , selbst wenn die betreffende Stelle nur einige Ellen breit war, verursachte einen sofortigen Stillstand aller Weiterbeförderung und es bedurfte viel Zeit , um die Güter , von dem Zuge auf der einen Seite der zerstörten Bahn nach dem der andern Seite umzuladen.
Ein Ingenieur , der im
Stande wäre, Feldbrücken so zu construiren , daß sie das Gewicht eines Eisenbahnzuges tragen können , würde die Kriegskunst außerordentlich fördern. Straßentransport der preußischen Armee ist sehr gut organifirt ,
Der
aber große
Strecken , schnelle Märsche , hügelige Wege und unvorhergesehene Zufälle waren in vielen Fällen selbst für diese Kräfte zu viel . „Bei jedem Armeecorps befinden sich fünf Proviant-Colonnen, jede Colonne zählt zweiunddreißig Wagen, jeder ist von vier Pferden gezogen; außerdem
349
Preußischer Proviant- und Munitions-Colonnen-Transport.
befinden sich mehrere Handpferde bei der Colonne, um diejenigen Pferde zu erſeßen, die lahm oder sonstwie unbrauchbar werden.
Diese fünf Colonnen stehen
unter der Controle der Intendantur und werden niemals zu einem andern Zwecke verwendet , als dazu, die Soldaten mit Lebensmitteln zu versorgen ; das Futter für die Pferde wird
auf Wagen nachgefahren , welche in Feindes Land
requirirt werden und ſtehen dieſe ebenfalls unter Controle der Intendantur. „ Uniformen und Waffen werden so viel als möglich mit der Eisenbahn versandt und von der nächsten Bahnstation vermittelst Frachtwagen gebracht, die unter Controle des General-Quartiermeisters stehen ; jedes Bataillon führt außer einem Medicinkarren einen Wagen für Reserve-Munition mit, einen Wagen für die Offizier-Equipage und einen Wagen, welcher die zum Ausbeſſern der Kleider und Stiefel nöthigen Materalien enthält und sich stets bei den Truppen befindet, ſo daß das alte Sprichwort, „ ein Stich zu rechter Zeit, erhält das ganze Kleid “, sich möglichst bewähren kann . „Für den Munitions -Transport dagegen ist der commandirende ArtillerieOffizier allein verantwortlich und wird dieser vermittelst Wagen-Colonnen geleitet, die unter seiner alleinigen Controle stehen.
Für jedes Armee- Corps sind neun
Munitions-Colonnen vorhanden ; jede Colonne beſteht aus dreiunddreißig Wagen und ist so zusammengeseßt, daß sie Munition für Infanterie , Cavalerie, Bierpfünder-, Sechspfünder- und Zwölpfünder-Kanonen mit sich führt.
Jeder In-
fanterist trägt sechzig Patronen mit sich und fernere dreißig werden im BataillonsReserve-Munitions - Wagen für ihn mitgeführt, jede Munitions - Colonne führt außerdem noch neun Patronenpakete von je 10 Stück für jeden Infanteristen im Armeecorps.
Als die Truppen vor Königgräg in's Feuer rückten , folgten
die Bataillons- Munitions- Wagen den
Kämpfenden so weit als möglich und
wurden, so bald sie leer waren , nach der nächsten Munitions-Colonne gebracht und dort von Neuem gefüllt.
„ Bei Beginn einer Schlacht folgten nur ein oder zwei Munitions- Colonnen dem Corps, der Rest blieb in Reserve. Sobald ein Wagen leer ist, wird er sofort nach dem Reserve-Depot zurückgesandt , welches sich gewöhnlich zwei oder drei Tagemärsche hinter der Armee befindet ; und sobald eine Schlacht beendet, hat sich jeder Soldat mit der vollen Zahl Patronen wieder zu versehen. Ebenso werden die Bataillons - Reſerve - Munitions - Wagen nach dem Kampfe wieder gefüllt und die leeren Wagen gehen in's Depot zurück.
Bei der Schlacht bei Kö-
niggräß befand sich das Reserve - Munitions - Depot in Turnau.
Während des
350
Preußischer Proviant- und Munitions- Colonnen-Transport.
Kampfes verließen die Artillerie - Munitions - Wagen und die Bataillons - ReserveMunitions-Wagen öfter die Schußlinie, um sich aus den Wagen des MunitionsTrains von Neuem zu versorgen, und diese gingen, so bald sie leer waren, nach Turnau ab.
Sollte möglicherweise Material zur Belagerung einer Festung, oder
zur Eröffnung von Laufgräben erforderlich ſein, ſo formirt man einen beſonderen Train, welcher den
Transport aller Schanzwerkzeuge und
des Belagerungs-
materials unter Controle des General-Quartiermeisters besorgt.
Jedes Armee-
Corps ist mit großen und kleinen Ponton-Brücken-Trains versehen die unter den Befehle der Ingenieur-Offiziere ſtehen. „Wenn auch das so organisirte Transport-System der preußischen Armee sich nicht stets als vollkommen gezeigt hat, so ist doch gewiß, daß es niemals den Dienst ganz versagte, denn die Schuld für das Ausbleiben des Proviants am Tage vor der Schlacht von Königgräß traf nicht die Transport-Verwaltung. Wenn man berücksichtigt, wie lang der Weg bis Turnau ist (der lezten fahrbaren Eisenbahn-Station) und daß der ganze Proviant für diese große Armee jenen Weg passiren mußte , über hügelige und unebene Straßen im schlechten Wetter, während die zu verſorgenden Truppen ſich inzwiſchen täglich durch raſche Märsche weiter von ihren Proviant-Colonnen entfernten, daß sie ferner öfter die Straße selbst so überfüllten , daß Wagen nicht herankommen konnten , so muß man bekennen , daß der Erfolg der Transport - Organisation und die Art des Verwaltungs-Systems immerhin bewundernswerth ist. “ Der miserable Weg über das mährisch-böhmische Hochland hatten den Weitermarsch der preußischen Truppen nur ein wenig in der Schnelligkeit verringern , - jedoch nicht allzu lange aufhalten können. Wie ein sich beim Herabstürzen ausbreitender Waſſerfall , welcher rechts und links ſeine näſſenden Strahlen wirft, gings ,
als die schwierige Bergparthie überwunden war ,
in das gesegnete Mähren herab.
nun
Ein Marsch der Art, wo Mensch und Thier
über Gebühr ihre Kräfte anstrengen
müſſen , raubt beim Soldaten ,
der sein
ganzes Hab und Gut mit sich schleppt, die frohe Laune, Alle sind ermüdet , im Stillen verwünscht Jeder den schlechten Weg und die Eintönigkeit des Marsches ; aber schnell ist diese niedergedrückte Stimmung in Lust verwandelt, wenn es eine Veränderung giebt oder ein Gefecht in Aussicht ſteht.
Im Nu ist der alte
Muth wieder da und dem Feinde eins auszuwischen , ist Jeder sofort bereit. Gelegenheit zu derartiger Erholung sollte sich bald finden und der Bericht darüber erzählt die Vorgänge folgendermaßen :
351
Gefecht in Saar. „Die Monotonie des Marsches
nach Brünn wurde durch ein lebhaftes
Cavalerie-Scharmügel in der kleinen Stadt Saar unterbrochen , welche etwa 6 (englische) Meilen westlich von Neustadt liegt. die österreichischen Husaren
vom
Gestern Abend (9. Juli) hielten
Regiment Hessen-Kassel
Saar
besegt.
Die
preußische Cavalerie ſollte heute (10. Juli) bis Jammy, eine Viertelstunde diesseits der Saar, vorrücken, die Ulanen vom 11. Regiment bildeten deren Avantgarde.
Die Desterreicher beabsichtigten ,
sich heute nach Brünn zurückzuziehen,
und die Huſaren waren gerade im Begriffe , ſich zur Inſpection vor dem Abmarsche zu versammeln, als die ersten Patrouillen der preußischen Ulanen raſſelnd in die Stadt sprengten. „Die Oesterreicher kamen gerade aus den verschiedenen Häusern und Scheunen hervor , ritten Zügel ,
nach dem Marktplage oder führten ihre Pferde am
als sie durch irgend einen Fehler ihrer Vorposten überrascht wurden.
Auf dem Marktplage begann ein lebhaftes Gefecht.
Die berühmte österreichische
Cavalerie wurde von den etwas ermatteten preußischen Reitern angegriffen und die Lanze kam in offnen Kampf mit dem Säbel.
Die zuerst in die Stadt ein-
gerittenen Soldaten waren zu schwach an Zahl, um anzugreifen ; die Verzögerung hatte den Husaren Zeit gegeben, sich zu sammeln, und als die Ulanen ihre Verstärkungen herangezogen hatten, waren die Husaren bereits beinahe geformt. Die Ulanen bildeten eine Linie quer über die Straße , gingen eine kurze Strecke im Schritt vor , dann eine Strecke im Trab , die Lanzen hoch mit den schwarzweißen Fähnchen im Winde flatternd ; aber wo sich die Straße zum Marktplage verbreitert , erſchallte ein kurzes , ſcharfes Commandowort , ein helles Trompetenſignal, die Lanzenspigen ſenkten sich, und die Pferde ſeßten sich in Galopp , die Reiter die Zügelhand tief, herabgebeugt auf die Pferde, die Lanzenschäfte in feſter Hand, die Spigen mit den flackernden Fähnchen in der Fronte hervorstarrend . „ So wie die Preußen im Galopp ansesten, waren die Oesterreicher auch in Bewegung.
Mit mehr lockerem Schluß und
in rascherer Bewegung jagten
ſie heran , die blauen , gelbgestickten Pelze von der linken Schulter fliegend , den Schwertarm frei laffend, den Säbel hoch, bereit zum Hiebe, die kleinen sehnigen Gäule scharf im Schluß, kamen ſie näher , gewandt und leicht , und stürzten ſich auf die Preußen ,
als wollten sie über die Lanzenspißen wegspringen.
Ulanen wogten schwer zurück vor dem Anpralle , drangen dann vor, nur im Schritt.
Die
aber sie hielten ihn aus
Die Gegner parirten mit dem Säbel wohl
die Lanzen , konnten den Reiter aber nicht erreichen , bald auch war der Boden
352
Der Soldat im Mißgeschick.
bedeckt mit niedergerittenen Pferden und Reitern , welche sich wieder zu erheben versuchten ;
entsattelte Husaren haschten nach ledigen Pferden , einzelne Linien
ſprengten zerstreut davon.
Die Ulanenlinie blieb ungebrochen, aber die Huſaren
waren bald zerstreut : sie waren gegen die feſtere preußische Linie angeritten, wie eine Welle, die gegen eine Klippe brandet, und wie eine solche zerstäubt. In dem kurzen Momente , wo die Linien zusammenstießen , war das Gedränge so dicht ,
daß Säbel und -Lanze kaum gebraucht werden konnten.
Preußen , stärkere und
Die
größere Männer , auf schwereren Pferden , brachten die
kleinen Husaren und ihre leichteren Pferde durch die bloße Wucht und körperliche Kraft zum Weichen und aus dem Sattel , ja , oft war der Choc so stark , daß Roß und Mann zurückprallend, rasselnd auf den Boden rollten. Die Oesterreicher, welche im Sattel geblieben waren, fochten noch eine Zeit lang, um die Preußen zurückzuhalten ,
aber sie machten keine Wirkung auf die Ulanen , und die Enge
des Weges ließ keinen Raum zum Zurückgehen auf die Reſerven , um eine neue Charge zu machen. Linie.
Die Preußen gingen ruhig vorwärts in undurchbrechlicher
Bald kam preußische Verſtärkung nach, die Huſaren retirirten ; die Ulanen
verfolgten ſie aber nur bis zum Ausgange der Stadt , wo die leichtern Huſaren entfamen. Ein österreichischer Offizier und 22 Mann wurden gefangen , 40 Pferde erbeutet. Einige der Gefangenen waren verwundet, mehrere Huſaren und 2 bis 3 Preußen blieben todt auf dem Plaze. Allerdings war dies nur ein unbedeutender Zusammenstoß, aber da deſſer Ausgang so entschieden günſtig für die Preußen war , gehörte er immer zu den Hebeln , welche den Soldaten gleichsam im Handumdrehen weiterem Kampfe begierig machen.
erheitern und
zu
Es ist wohl zu zweifeln, daß die Desterreicher
sich nach Zusammentreffen mit den Preußen gesehnt haben , denn, fühlt sich der Soldat einmal durch fortdauerndes Mißgeschick verfolgt , wird er zum Fataliſten, d. h . er ſieht es als ein trauriges Verhängniß an, daß die Fahne, unter der er kämpft , troß aller soldatiſchen Tapferkeit vom Siegesglücke geflohen wird .
An
Stelle eines fröhlichen Kampfmuthes tritt ein schwerer Groll, eine tiefe Erbitterung bei ihm ein und das geringste Zeichen , daß der neue Kampf, in den er geführt wird, nicht zu Gunsten seiner Partei enden dürfte, wirklich lähmend auf ihn ein. Eine Panik ergreift den Kühnsten , die , wäre das Glück ihm früher nicht so abhold gewesen , ganz sicher keinen Raum in seinem Herzen und Gemüthe gefunden haben würde und das ihn verlaſſende Selbstvertrauen wird nun in der
353
Tischnowißer Gefecht.
That zur Ursache des Verlustes eines Gefechtes , das unter anderen Umständen fich leichtlich noch zu seinen Gunsten hätte gestalten können.
Nur dies allein
macht das fortdauernde Mißgeschick der Oesterreicher erklärlich. Am nächsten Tage gab es abermals ein Vorpostengefecht in Tischnowig, einer kleinen Stadt an der Schwarzawa , wo österreichische Cavalerie ihre Poſition genommen hatte.
Der Weg zur Stadt geht gerade durch das Thal hin
und freuzt mittels hölzerner Brücken mehrfach den Strom, der hier etwa fünfzig Fuß breit ist.
Als der Herzog von Mecklenburg mit der Avantgarde herankam,
sah er, daß der Feind eine starke Macht von Reiterei in der Stadt hatte mit Artillerie in der Ebene darüber hinaus , wo er eine Position einnahm , die nicht umgangen werden konnte wegen der steilen Hügel an beiden Seiten .
Aber die
Desterreicher hatten außer der Reiterei in der Stadt und diesseits derselben drei Schwa ronen vorgeschoben, von welchen eine die Brücke im Centrum besezt hielt und die zwei andern links und rechts in die Kornfelder hinausgeworfen waren.
Die Vorposten der preußischen Avantgarde waren gegen die Brücken vorgeritten und hatten die erste beinahe schon betreten, ehe sie den Feind bemerkten, 28
354
Tischnowitzer Gefecht.
und sahen, daß sie in beiden Flanken bedroht und die Cavalerie in der Front bereit war ,
auf sie zu
chargiren.
Diese preußische Avantgarde bestand aus
Dragonern vom zweiten Garde-Regiment.
Die österreichische Schwadron waren
Ulanen , und es schien , als ob hier das gestrige Gefecht in umgekehrter Weiſe wiederholt werden sollte.
Aber der Lieutenant, welcher die schwachen preußischen
Borposten commandirte, ging ein wenig zurück, bis wo ihm eine leichte Erhebung des Bodens einigen Vortheil der Stellung versprach, und erwartete dort den Angriff, der auch bald erfolgte. Die Oesterreicher kamen schnell über die Brücke und bildeten eine Linie zum Chargiren , als eine Salve aus den Carabinern der Preußen sie plöglich stugen und innehalten machte, zu ihrer Ueberraschung wurden sie inne , daß ein Carabiner bei der Reiterei zu noch was Anderem, als zum bloßen Puffen, dienen Fönnte.
Die Preußen warteten aber nicht, um den Effect ihres Feuers zu beob-
achten . sie retirirten nochmals ; die Oesterreicher chargirten abermals , und abermals brachte sie eine Salve zum Halten , und dies wiederholte sich noch zweioder dreimal, bis endlich die Maſſe der Dragoner herangekommen war. Nun griffen die Preußen ihrerseits an und die Oesterreicher gingen ihnen entgegen .
Die österreichischen Ulanen schienen eine undurchdringliche Linie zu
bilden , aber die Dragoner mit vorwärts ausgelegten Säbeln und die Pferde fest im Zügel, kamen stramm auf sie heran , ließen erst im lezten Momente ihre Pferde los und stürzten zwischen die Ulanen hinein .
Ihr Major, v . Schack, fiel
schwer verwundet , aber seine Leute gingen so dicht in den Feind , Lanzen unbrauchbar wurden.
Das Handgemenge dauerte nur
blicke , dann wandten die Ulanen Dragoner verfolgten sie,
daß deſſen
einige Augen-
und zogen sich in die Stadt zurück.
Die
aber ihre Offiziere hielten strenges Commando , ſie
kamen nicht aus der Ordnung .
Als sie die Straße gewonnen hatten , wandten
die Ulanen , aber die Preußen fielen wieder auf sie und drängten ſie durch das bloße Gewicht der Pferde und die Kraft der Hiebe zurück. Das harte Gefecht dauerte lange.
Die Reiter waren so dicht ineinander
gedrängt, daß sie kaum die Waffen gebrauchen konnten , fie rausten miteinander und suchten sich von den Pferden zu reißen ; dieſe , erschreckt und wild gemacht, stampften, bäumten sich und schlugen aus.
Die Wucht der Preußen aber über-
wog , sie drängten ihre Gegner nach dem weiteren Plage inmitten der Stadt zurück , wo ein Madonnenbild von hoher Säule auf den Kampf herunter sah. Hier wurde ein österreichischer Offizier von einem langen preußischen Dragoner
355
Der Marsch gegen Bränn.
mit solcher Macht aus dem Sattel geworfen, daß er am Postamente der Marienſäule ſein Hirn versprigte; Gegners so
gewaltig
ein
anderer Oesterreicher wurde vom Griffe ſeines
im Sattel hintenüber gedrückt , daß ihm das Rückgrat
brach; die leichteren österreichischen Reiter konnten überhaupt der größeren Gewalt nicht widerstehen, wandten sich und eilten zur Stadt hinaus, wo eine starke Macht von Cavalerie aufgezogen stand, mit einer Batterie reitender Artillerie. Dieſe übrigens ritt ab lezteres läßt sich nur begreifen ,
ohne Gefecht und die Artillerie ohne Schuß ; wenn es wahr ist ,
was die Leute vom Orte
ſagten, es wäre keine Munition vorhanden gewesen . Preußischer Seits wurden die in wildester Flucht , was nur die kleinen ungarischen Pferde zu laufen vermochten ,
davon jagenden Ulanen
Stunde Wegs verfolgt, indeß ohne Resultat.
machte,
da morgen
eine
Die Erwartung , daß die öster-
reichische Cavalerie den Eingang in die Stadt Brünn , vertheidigen werde ,
auf
Mährens Hauptſtadt,
dahin vorgegangen werden sollte, es
nöthig, die Dispositionen darnach zu treffen.
Die Oesterreicher ſollten überrascht
werden , indem man ganz zeitig aufbrechen wollte.
Jeder glaubte , daß Brünn
vertheidigt werden würde , und man machte sich deshalb auf einen sehr ernstlichen Kampf gefaßt.
Die Infanterie hatte , da man eine solche Vertheidigung
als eine Gewißheit vorausseßen zu können , sich berechtigt hielt ,
den Tag über
einen langen anstrengenden Marsch gemacht , um zur Einſchließung Brünns auf der andern Seite verwendet werden zu können und so wurde dann früh aufgebrochen, obwohl die Soldaten noch sehr ermüdet waren. Als man die aufgestellten Vorposten bei dem kleinen Dorfe Hradschau erreichte, wurde Halt gemacht und der Herzog von Mecklenburg , der Commandeur der Avantgarde, ließ nun die Truppen in Marschordnung treten. Dragoner-Regiment voraus , hinterher die Ziethen-Husaren und reitender Artillerie;
Das zweite eine Batterie
dann kam ein Bataillon Jäger , gefolgt von dem Reste der
Infanterie und Artillerie und ein Regiment Ulanen schloß den Nachtrab .
Als
man sich in Bewegung sezte, war Aller Aufmerksamkeit auf das Krachen eines Schusses gespannt ,
denn die voranziehenden Dragoner hatten Patrouillen nach
allen Seiten vorausgeſchickt, um nach dem Feinde zu
pähen. Alles blieb ruhig,
kein Feind war zu spüren, demnach krachte auch kein Carabiner als Lärmzeichen. Das seßte Alle in Verwunderung. Sie werden uns vor der Stadt einen guten Morgen bieten , sagte man und das ſchien Jedem glaubbar.
Man war bis zum Dorfe Tſchepen gekommen, 28*
356
Rückzug der Defterreicher.
wo man vermutbete , daß der Feind bivouakirt haben würde . indeß auch dieſe Vorausseßung bestätigte sich nicht ; jedoch sagten die Bauern von Tschepen aus, die österreichische Cavalerie sei durch Brünn retirirt und auch die wenige Reiterei, die in der vor ein paar Stunden abgelaufenen Nacht vor dieſer Stadt bivouafirt, habe am Morgen denselben Weg genommen und diese ganze Cavalerie befände sich nun auf der Straße nach Wien. Sollte es möglich sein, daß die Oesterreicher es so ganz und gar aufgegeben hätten, Brünn dem Feinde streitig zu machen ?
Da konnte leicht eine Liſt da-
Vom Dorse Tschepen aus zog sich ein schmales Defilée bis über
hinter stecken .
das Dorf Gurein hinaus .
Wenn irgend eine Straße günstig war, einen Angriff
auf die daselbst Marschirenden zu machen so war es
eben diese.
Zu ihren
beiden Seiten gab es hohe waldige Abhänge, ganz geſchaffen zum Versteck, ſelbſt die einzelnen Bauernhäuſer längs dieſes Paſſes taugten vorzüglich dazu , Desterreichern eine gute Stellung zur Vertheidigung zu gewähren . meiner Vorsicht begann der Zug durch dies Defilée ,
den
Mit unge-
nachdem ein langer Halt
gemacht worden war , während welchem die Jäger die Abhänge und Häuſer ab- und durchsucht hatten. Nach und nach kam man , da auch gar nichts das Vorhandensein vom Feinde verrieth, das Defilée ohne Belästigung passirt war und mehrere Anhöhen überſtiegen waren , wovon jede ein vortheilhafter Standpunkt für die Oesterreicher gewesen sein würde , wenn es in ihrer Absicht gelegen hätte , den Marsch der Preußen zu hindern, zu der Ueberzeugung, daß die Oesterreicher wirklich retirirt seien und dem Einzug der Truppen in die Hauptstadt Brünn kein Hinderniß entgegenstehe.
Und so war es auch wirklich.
Ein paar Reisende ,
die aus Brünn famen
und von dem preußischen
Vortrab angehalten und zum Oberbefehlshaber gebracht wurden, ſagten aus, daß fich kein einziger österreichischer Soldat mehr in der Stadt befände .
Obwohl
dies nach der vollständigen Spurlosigkeit des Feindes ſehr glaubhaft erſchien, wurde doch die aufmerkſamſte Vorsicht fortgesezt, um gegen jede mögliche Ueberraschung gesichert zu sein.
Jedoch die Wahrheit , daß die Oesterreicher den Rück-
jug angetreten hatten , bestätigte sich sofort , als man die leßte Anhöhe
vor
Brünn erstiegen. Da lag die vom
herrlichsten Sonnengolde eines Prachtmorgens über-
ſtrahlte Hauptstadt der Markgrafschaft Mähren
und zwar im Friedensschmucke,
d. h. weiße Fahnen wehten von jedem Thurme , selbst der Spielberg , der ehe-
357
Einzug der Preußen in Brünn.
malige Festungskerker für Räuber , Mörder und politische Verbrecher
weil
nach altem Styl jede andere Meinung als die der kaiserlichen Regierung hegen und äußern, unter die Verbrechen gehörte, die noch weniger milde Berücksichtigung fanden, als die Echauer- und Greuelthaten eingefangener Raubmörder , so hatte Haus Habsburg in
den scheußlichen Kerkerhöhlen des Spielbergs ein ſicheres
Asyl für diese Unglücklichen, um sie unter den teuflichsten Qualen dem Leben zu entfremden und sie moralisch zu tödten, der phyſiſchen oder körperlichen Tödtung war man im Voraus gewiß , dafür sorgte der scheußliche Aufenthalt an dieſem Orte des Fluches allein , vorausgeseßt, daß der politiſche Verbrecher nicht eine allen Angriffen widerstehende Riesengesundheit hatte also selbst, der Spielberg, jezt nur als Citadelle vom Militär benugt , hatte ein ungeheuer großes weißes Tuch am Flaggenstocke befestigt. Mit diesem Anblick war
jede Besorgniß vor einer feindlichen Ueber-
raschung beseitigt und da zugleich auf dieſem mit so schöner Fernsicht ausgestatteten Abhange Halt gemacht wurde, ſo genoß die Avantgarde das Vergnügen, ſich dieses reizenden Anblicks zu erfreuen . aus denen weiße Fahnen wehten .
Man sah mehrere Wagen heranrollen,
Man ahnte, daß es eine Deputation ſein
werde und es beſtätigte sich . Es war eine Deputation von Seiten des Magiſtrats mit der Anzeige abgeschickt, daß die Stadt von den österreichiſchen Soldaten ganz verlassen sei , und
mit der Bitte , sie nicht
der Plünderung Preis zu
geben. Die Furcht vor Plünderung, die man aller Orten hatte , war nur die Frucht der albernen Schilderungen , welche die österreichischen Zeitungen über die Preußen gebracht hatten, Schilderungen nach denen Panduren, Sczekler, Sceraczner und wie dieſe lieblichen unter Oesterreichs Fittig lebenden Völkerſchaften immer heißen mögen, Engel des Lichts und der Menschenliebe waren, Leute, bei denen jeder Blutstropfen ein Triumph höchſter Civilisation zu nennen sei , während die Preußen als nordische Ungeheuer mit allen Tücken und Grauſamkeiten roher Scythen überfüllt nur in Vereinbarung von Mord und Scheußlichkeiten ſich wohl befänden. Lächelnd erklärte der Herzog von Mecklenburg der Deputation , daß von Plünderung keine Rede bei preußischen Truppen ſein könne und die Einwohner Brünns nicht Angst um ihr Eigenthum zu haben brauchten. nur , daß man für seine 8000 Mann ,
Er beanspruche
die heute früh sehr zeitig aufgebrochen
wären und noch nichts genossen hätten, Mittagessen und für 2500 Pferde Futter
358
Einzug der Preußen in Brünn.
besorgen möge.
Mit diesem Auftrage fuhr die Deputation nach der Stadt
zurück und nach einstündigem Halt seßten sich die Preußen in bester Laune wieder in Marsch, denn ihr Weg, die Landstraße, zeigte sich von schönen Villen eingefaßt, was die Aussicht auf gute Verpflegung sicher machte. Kurz vor der Stadt kam der Bürgermeister mit ſämmtlichen Magiſtratsperſonen dem Herzog in mit weißen Fahnen drappirten Wagen entgegen gefahren.
Brünns Bürgermeister, Dr. Giskra , ist ein durch die Zeitungen viel ge-
nannter Mann , denn seine Reden als Liberaler im Wiener Abgeordnetenhauſe ſind durchdacht und werthvoll , weswegen er unter seinen Mitbürgern auch hohe Achtung genießt. Als Ausdruck ihrer Friedensliebe trug jeder von den Magiſtratsherren eine weiße Binde um den Arm .
Der Herzog erwies sich sehr freundlich
gegen sie und nun begann der Einmarſch, jedoch mit aller der Vorsicht , wie ſie in Feindeslande geboten ist.
Die Stadt zeigte ſich förmlich in Weiß gekleidet,
wie eine junge Dame bei einer officiellen Feierlichkeit in weißem Kleide erſcheint, aus allen Fenstern hingen weiße Fahnen und Tücher , die Einwohner bildeten neugierig Spalier zu beiden Seiten der Straßen und erwiderten frenndlich die Grüße der Soldaten , die mit klingendem Spiel nach dem großen Ring (Markt) jog, während Dragoner und Jäger vorauseilten, um die Brücke auf der anderen Seite der Stadt zu beseßen und den Bahnhof, das Post- und Telegraphenamt in Beſchlag zu nehmen. Sofort erhielt auch der Spielberg seine Besaßung und die Hauptstadt Mähene war somit in preußischer Hand. Vergessen waren bei den Soldaten die Anstrengungen, welche das böhmischmährische Hochland ihnen bereitet hatte , hier sahen ſie ſich in ein Kanaan verſeßt, wo sie wenigstens nicht zu darben brauchten, denn wenn auch ihre Proviantcolonnen bei den noch vorkommenden Märschen einmal nicht gleich bei der Hand waren, so hatten sie in dem gesegneten Mähren doch nicht Hunger zu erwarten, wie dies in Nordböhmen der traurige Fall gewesen war. Die Hauptstadt Brünn , 19 Meilen nördlich von Wien , an der WienPrag-Dresdener Eisenbahn und zwiſchen den beiden kleinen Flüſſen Schwarzawa und Zwittawa auf einem von Ost nach Weſt ſanft aufsteigenden , gegen Süden aber schroff abfallenden Hügel in einem sehr fruchtbaren Thale gelegen, hat über 59,000 Einwohner.
Hier herrscht großstädtisches
Leben ,
daß sich schon
im
Aeußern der Häuſer bekundet , ſie ſind alle hübsch gebaut , nichts Kleinliches, Gedrücktes in ihren Façaden.
Den guten Eindruck, den die freundlichen und
359
Brünn.
sauber gehaltenen Straßen gewähren, erhöhen die ansehnlichen freien Pläge als Zierden der Stadt, wie der sogenannte „ Große Plah" mit der stattlichen Hauptwache und der Mariensäule, der Krautmarkt mit dem schönen Brunnen und der Dominikaner-Plag. Außer den 16 Kirchen und 6 Kapellen ist hier auch kein Mangel an andern schönen Gebäuden zu verspüren .
Das alte gothische Rathhaus kann
geradezu unter die sehenswerthen Schauſtücke gezählt werden, an daſſelbe ſchließen ſich die biſchöfliche Residenz, die sogenannte Jeſuiten-Caſerne, das Damenſtift und noch viele andere Bauten an.
Selbſtverſtändlich ist hier, als in der Hauptſtadt,
der Siz der Landesbehörden , des Bischofs mit dem Domcapitel, des Consistoriums und der evangelischen Superintendentur. An Klöstern fehlt es auch nicht, es giebt hier deren 7 , aber auch eine Menge Lehr- und Wohlthätigkeits -Anstalten sind hier zu finden. Wie Reichenberg
in Böhmen berühmt als Fabrikstadt ist, so
auch in
gleicher Weise Brünn , ſie ist eine der wichtigsten Fabrikstädte Deutſchlands in Tuch- und Schafwollenwaaren und in lezterer Branche sind allein über 18,000 Arbeiter beschäftigt.
Der Gesammtwerth der Schafwollenfabrikation beläuft sich
jährlich auf 20 Millionen Gulden Silber.
Der Handel Brünns , durch sieben
große Märkte unterstüßt, welche bedeutende Summen einbringen, ist kein geringer und dieſe Thätigkeit im Handel und Induſtrie hat die Stadt wohlhabend gemacht. Natürlich giebt sich diese Wohlhabenheit nach Außen kund ,
die Stadt
sieht an und für sich schon so wohlhäblich aus , das ganze Wesen der Einwohner ist nicht auf's Hungerleiden zugeschnitten und hat etwas Angenehmes, Leichtlebiges, ſodaß die Preußen sich sehr bene daselbst befanden.
Freilich mochte es
nicht ganz in den Kram der Brünner paſſen , daß noch am Abend Prinz Friedrich Karl an der Spiße der Division Mannſtein in ihre Stadt einzog , denn wo der Geldbeutel angeſtrengt wird , hört die Gemüthlichkeit auf, indeß ſie machten gute Miene zum bösen Spiele , von Furcht vor den Preußen war keine Rede mehr.
Das freundliche Brünn hatte eine ganz ungewöhnliche Lebhaftigkeit ge-
wonnen , es entfaltete sich in seinen Straßen und
auf den freien Pläßen ein
ganz eigenthümliches Bild von Rührigkeit , wie es in der Weise und zwar zum Heile der Stadt ein nur seltenes war. Das Gros der ersten Armee hatte Rasttag , die Avantgarde war weiter vorwärts nach Medwig abgerückt.
Besonders nöthig war für die große Masse
der Soldaten die hier gemachte Rast , denn die meisten hatten derartig zerrissene
360
Die Preußen in Brünn.
Stiefelfohlen , daß sie buchstäblich bei weiterem Marſche barfuß gelaufen wären, die fteinigten , kothigen Hochlandswege hatten dem Geſchühde gräulich zugesezt. Alle der löblichen Schuhmacherei nur einigermaßen Kundige, wurden zu dem menschenfreundlichen Werke, den Nächsten zu versohlen und ihm zu einem neuen Podium auf fernerer ungewisser Laufbahn zu helfen , herangezogen , desgleichen hatten die Schneider alle Hände voll zu thun, denn wenn auch der Soldat verpflichtet ist, das Futter seiner Kleidung selbst im Stand zu halten, so waren doch bei den überstandenen Strapagen so viele äußerlich sichtbare Schäden zu Tage gekommen , daß eine Reparatur über Hals und Kopf als ein höchst nothwendiges Erforderniß sich herausstellte. Wer in aller Ruhe das Treiben in den Straßen beobachten konnte, hatte alles Recht über Langweile zu klagen , gründlich verloren. Die Soldaten flanirten zu Tausenden durch die Straßen , nach Möglich. feit geschniegelt und die unentbehrlichen Pfeifen , welche aus trifftigen Gründen eine Weile in Ruhestand verſcht gewesen waren , dampften wie Schornſteine war das ein Glück!
Die Pfeifenhändler, Tabak-Trafficanten (traffico , ein italie-
nisch Wort bedeutet Verkehr, Verschleuß, Verhandeln, im Oesterreichischen werden die Tabakverkäufer so genannt) und die Bierwirthe konnten kaum fertig werden mit Bedienen ihrer ausländischen Gäste und erst das tolle Leben auf den großen Plägen, wo sich einzelne Regimenter häuslich niedergelaſſen hatten ,
an hoch-
auflodernden Feuern Fleisch in riesigen Keſſeln brodelte zum Gaudium der glücklichen Theilnehmer dieser Diners im Hotel
unter freiem Himmel “ , welche seit
mehreren Tagen nichts als Kommisbrod zu essen hatten.
Vor wenigen Stunden
hatten die Ochsen , die jezt in höchſt anſehnlichen Stücken zertheilt , Chicane des Geschicks,
die legte
die Erweichung im kochenden Wasser durchmachten, noch
fich des Lebens bei einem Bunde Heu erfreut.
Hausfrauen schaudern bei dem
Gedanken frisch geschlachtetes Fleisch auf den Tisch bringen zu sollen, der Soldat ist meist mit gutem Gebiß und einem unverwüstlichen Appetit geſegnet, alſo über die Scrupel zwischen frisch- und
altschlachten
hinweg.
Der Magistrat , der für
die Verpflegung verantwortlich gemacht worden war, hatte die Rationen reichlich geliefert.
Wenn auch jedes Haus 20-25 ja 50 Mann Einquartierung erhalten,
so waren die Wirthe doch aller Beköstigung enthoben, es wurde von ihnen nur Raum , mehrere Bunde Stroh und Mitbenußung
des Küchenfeuers gefordert,
alles zum Leben Erforderliche lieferte die Stadt im Ganzen, die Brünner konnten fich also ziemlich gemüthlich den Trubel mit ansehen und wahrhaftig es war
Die Preußen in Brünk.
361
viel, viel Trubel , mehr als wenn alle die sieben großen Märkte Brünns an einem einzigen Tage abgehalten würden . Die Läden waren alle geöffnet , die Fabriken sämmtlich in Thätigkeit, der Marktplag bot das Bild einer auf und nieder fluthenden Menschenmenge, die sich nicht davon genirt fand , daß daselbst Gewehrpyramiden nnd Artilleriewagen aufgefahren waren.
Die Bauernweiber saßen auf den Deichseln der
Wagen, hockten zwischen den zusammengestellten Gewehren und machten brillante Geschäfte mit den Preußen , die ihnen viel Obst abfauften , welches hier wirklich
östlich ist .
Und in den nächsten Straßen wirbelten die Trommeln mit ihren
treuen Begleitern, den Querpfeifen, und lustige Marschmusik tönte hinterher, ein Regiment folgte dem andern mit klingendem Spiel , die Bajonnete bligten im Sonnenglanz und diesen einzeln anlangenden Regimentern donnerten die schweren Wagen mit der Reserve-Munition nach und die traurigen Lazarethwagen - Leid bei Lust! Die kleine Industrie hatte sich sofort emancipirt, Zeitungen , Nachrichten aus Wien enthaltend, wurden für ein paar Kreuzer verkauft. zu lesen, wie z . B.:
Darin war vieles
362
Armeebefehl des Erzherzogs Albrecht.
Des Kaisers
apostolische Majestät habe den Erzherzog Albrecht, dem
Sieger von Custozza , zum Obercommandirenden der gesammten österreichiſchen Armee und den Feldmarschall John zum Chef des erzherzoglichen Generalstabes ernannt. - Desterreich wolle eine Anleihe von 200 Millionen Gulden machen, ein Tropfen auf glühendem Stein. - Der Kaiser habe beschlossen , die Stadt Wien solle nicht vertheidigt, sondern zur offenen Stadt erklärt werden, um sie nicht einem etwaigen Bombardement auszuseßen, der Krieg werde fortgesezt werden, wenn gleich die österreichischen Truppen Wien verließen, denn 120,000 Mann würden aus Venetien nach der Donau gebracht, um sich um Wien herum mit der wieder organisirten Nordarmee zu vereinigen. Des Erzherzog Albrechis Armeebefehle befanden sich auch in diesen Tagesblättern, der eine an die in Venetien stehende Südarmee, der andere an die Nordarmee, zu der die erwarteten 120,000 Mann der Südarmee und auch wieder die Sachsen stoßen sollten. Des Erzherzogs erster Armeebefehl, worin der Abzug des Gros der Südarmee angezeigt und die Behauptung der Festungen in Venetien amtlich beſtätigt wird, war aus Galliera, den 11. Juli, datirt und lautete : „Soldaten der Südarmee! Unsere Waffen im Norden waren bei den ersten Kämpfen vom Glücke nicht begünstigt, doch vermochte der Unfall, der sie betroffen, das Vertrauen unseres erhabenen Monarchen auf unser gutes und heiliges Recht und unſere Kraft nicht zu erschüttern , und unerschütterlich wie er ,
ist die ganze
Armee , ja ganz Desterreich zum Kampfe auf das Aeußerste entſchloſſen, ſo lange kein ehrenvoller Oesterreichs Machtstellung sichernder Friede erreicht wird.
Durch den im kaiserlichen Manifeste vom 10. Juli verkündeten
Allerhöchsten Entschluß wird uns eine veränderte Aufgabe zu Theil.
Wäh-
rend die nothwendigen Kräfte zurückbleiben, um die hierländischen Feſtungen zu behaupten und , im Verein mit der treuen und muthigen Bevölkerung die Grenzen Tirols und Inner-Oesterreichs und die Küſte zu ſchüßen, ziehe ich mit dem Reste der Armee zur Verstärkung unserer Norden, wo die Entscheidung liegt.
Streitmacht nach
Waffengefährten ! Ich weiß, Ihr könnt
den Schauplaz Euers jüngsten Triumphes nur mit schwerem Herzen verlaſſen , doch möge hierfür die Hoffnung auf neue Siege Euern freudigen Muth, Eure Kraft auch neu beleben.
Ihr seid berufen: im Norden zu vol-
lenden, was Ihr im Süden ſo glänzend begonnen ! “ Der zweite Armeebefehl des Erzherzogs lautete wie folgt :
363
Armeebefehl des Erzherzogs Albrecht.
Soldaten von Norden und Süden!
Treue wadere Verbündete aus
Sachsen! Vereint, wie unsere Gefühle ſtets geweſen, wird nun auch unser Wirken ſein!
Mächtiger als je zuvor sammelt sich eine Armee aus fampfgeübten,
an Tapferkeit und Ausdauer gleich bewährten Kriegern , die mit dem Bewußtsein einerseits schon
errungenen
Sieges, und
andererseits
mit dem
heißen Verlangen, ein unverdientes Mißgeſchick zu rächen, sich nach der Gelegenheit sehnen , dem Uebermuthe des Feindes ein Ende zu machen! Laßt uns
mit vereinten Kräften “ das große Werk vollbringen und uns
hierbei stets in Erinnerung halten ,
daß der Erfolg denjenigen zu Theil
wird , der Kopf und Herz am rechten Flecke hat , der gleichzeitig ruhig zu denken und energisch zu handeln weiß , und daß - möge das Glück be günstigen , wen
es wolle -
nur derjenige verloren ist , der sich ein― Laßt uns also unerschütterlich ſchüchtern läßt und ſich ſelbſt aufgiebt! vertrauen auf Gott, der die gerechte Sache schüßt , auf unsere Monarchen, welche von uns die Wohnung der Wohlfahrt ihrer Völker erwarten ; laßt uns vertrauen auf unsere eigene Kraft , die ſich mit jeder neuen Aufgabe neu belebt , und dann getrost zum Entſcheidungskampfe schreiten mit dem alten Rufe: es lebe der Kaiser !" Somit stand es mit dem Frieden noch im weiten Felde , Desterreich ſchien sich in einem Aufschwung von Muthe zu befinden , der eine nachhaltige Vertheidigung im Gefolge haben würde. Nachmittag um 3 Uhr, am 13. Juli, zog König Wilhelm in Begleitung des Prinzen Friedrich Karl und des Großherzogs von Mecklenburg in Brünn ein.
Man hätte meinen sollen, die Einwohner würden Kopf an Kopf gedrängt
in den Straßen stehen , um den norddeutschen Monarchen von Angesicht zu sehen, indeß war nach der Versicherung
des Times-Correspondenten
dies ganz
und gar nicht der Fall, nur wenige Leute hatten sich beim Palais der f. Statthalterei am Lazansky-Plaze, wo ihm Wohnzimmer bereitet worden waren , versammelt.
Dem Wagen des Königs sprengten die Ulanen
und Husaren
der
Stabsbedeckung voraus bis vor's Palais, an dem eine Compagnie Ehrenwache des Leibregiments mit reich geschmückter Fahne zur Bezeigung der militäriſchen Honneurs aufgestellt war.
Der Bischof, Graf Schaffgotsch, mit der Geistlichkeit
nebst der Deputation der Stadt, an ihrer Spiße der Bürgermeister, Dr. Giskra,
364
Mährens Befignahme durch die Preußen.
der in gewählten Worten die Stadt dem Schuße und der Milde des Siegers empfahl, harrten sein.
Der König antwortete hierauf :
Allerdings hat mich der Sieg zu Ihnen geführt ; aber Ihr Monarch hat Mich zu diesem Kriege gezwungen. Darum führe Jch auch nicht mit den friedlichen Einwohnern seines Landes , sondern mit seinen Armeen Krieg , der Mir bisher günstig gewesen ist. Ich habe ein so zahlreiches Heer versammeln müſſen . daß es wohl nicht verwundern könnte, wenn etwa einzelne Fälle auch zu gerechten
Beschwerden
Anlaß
geben.
Das
muß
aber
ertragen
werden .
Im
Ganzen werden Ihnen meine braven Truppen keine Veranlassung geben , sich über mehr zu beklagen, als was der Krieg überhaupt mit ſich bringt. “ Mit dem König war Graf Bismarck und der Kriegsminister von Roon Da die kaiserlichen Behörden das Davonlaufen scheint unter diesen Herren epidemisch gewesen zu ſein ſich ſammt und sonders aus dem angekommen .
Staube gemacht hatten , so übernahm der preußische Feldpolizei Director Stieber sofort die städtische Organiſation und es ist gewiß für den guten Geist der Verträglichkeit unter den Brünnern bezeichnend , daß obwohl an 100,000 Mann die Stadt starf die durchzichenden Regimenter mindestens auf halbe Tage genug in Anspruch nahmen, kein einziger Exceß vorgekommen ist. Mähren war am 14. Juli ſchon so gut wie ganz in den Händen der Preußen.
Die Elbarmee unter General Herwarth von Bittenfeld hatte, nach em
ſie über Iglau vorgerückt war , Südgrenze Mährens
am 14. Juli Znaym an der Thaya ,
nahe der
besezt und überschritt bei Jezelscorf die Grenze des Erz-
herzogthumes Nieder-Oesterreich , ihren Marsch nach Winthofen fortseßend .
Bei
Jezelsdorf warfen die preußischen Truppen die sich ihnen entgegen stellende österreichische Brigade Wallis nach kurzem aber heftigen Gefechte zurück. Während dieses Vormarsches auf Wien zu hatten die Preußen von Schlesien aus Troppau beſeßt und
rückten ebenfalls am 14., da andere preußische Truppen zie legtge-
nannte Stadt beseßten, in's Innere Cesterreichs , um ter bei - Olmüß stehenden Nordarmee in die Flanken zu kommen und ihre fernere Verbindungen mit Kracau zu verhindern .
Nachträglich ist noch zu bemerken , daß die Preußen in
Böhmen sich ausbreiteten, so beseßten ſie am 11.Juli den Eger-Bezirk im nordwestlichen Böhmen. Bis auf Olmüz befand sich Mähren in preußischer Hand . Die kronprinzliche Armee hatte die Aufgabe erhalten , diese durch ein verschanztes Lager bedeuteud starke Festung zu beobachten , die dort versammelte Nordarmee möglichst
365
Olmüş.
nach Ungarn hinüber zu drängen
und
zu verhindern ,
Eisenbahn Verstärkungen nach Wien geschafft würden. reichern in so weit gelungen , daß sie
daß von Olmüß per
Lezteres war den Oester-
9 Militärzüge nach Wien hatten spediren
fönnen, indeß eine Mehrbeförderung wurde durch die Preußen zur Unmöglichkeit gemacht. Ehemals , bis 1640 , war Olmüß die Hauptstadt des Markgrafenthums Mähren.
Es ist eine gut gebaute Stadt zwischen zwei Armen der March (Fluß)
gelegen.
Der Erzbischof von Olmüz hält sich meist in Kremsier auf, trogdem
fehlt es daſelbſt nicht an Geistlichkeit, die vielen Kirchen und die Existenz mehrerer Klöster zeugt dafür. russischem und
Die 20,000 Einwohner treiben Handel mit Leinwand und
moldauischem Vieh.
Die Tuchfabrikation ist daselbst sehr im
Schwunge. Diese alte mährische Hauptstadt hat auch manche herbe Tage erlebt. Im Jahre 1642 (30jähriger Krieg) ward sie mit stürmender Hand genommen von den Schweden . welche sechs volle Jahre bis zum Frieden 1648 daſelbſt den Herrn spielten, eben nicht zum Heile der Einwohner.
Auch für die Preußen ist
Olmüß ein historisches Souvenir. Im Jahre 1758 ward Olmüß von des großen Friedrichs Truppen belagert, indeß der in der festen Stadt commandirende öſterreichiſche General von Marschall vertheidigte sie in Gemeinschaft der Bürger ſo lange, bis Graf Daun, der Generalismus der österreichischen Armee, zum Ersat heran rücken konnte.
Die Kaiserin Maria Theresia belohnte die tapfere Bürger-
ſchaft für ihre muthige Ausdauer dadurch, daß sie das Stadtwappen mit einem Lorbeerfranz und ihrem Namenszug vermehrte, entgeldlich in
den Adelsstand erhob ,
die meisten Rathsherren un-
Andere mit goldenen Schaumünzen und
Ketten beschmückte, den erlittenen Schaden bezahlen ließ und jährlich am 2. Juli, als dem Befreiungstage , wo Daun zum Entsag anrückte und die Preußen die resultatløse Belagerung aufheben muß.en , ein feierliches Vogelſchießen zu halten befahl, wozu die Staatskasse jedesmal 800 Gulden zu zahlen angewiesen wurde. Jezt, nach 104 Jahren zogen wieder die Preußen heran , um ihre Kräfte an dem festen Olmüß zu verſuchen, Zeit und Umstände waren freilich sehr verändert, aber durchaus kein Grund vorhanden , sich mit einer schnellen Einnahme der Festung zu ängstigen. Da mußte es sehr hart kommen, ehe sie in preußische Hand überging.
Der Weg durch die kleinen Karpathen , so beschwerlich er auch
ist, blieb der Nordarmee noch immer, um über Preßburg und die Donau zu gehen und Wien auf deren rechten Ufer zu erreichen. Ereignisse rückte mit jedem Tage des Juli näher.
Der Ernst der nächsten
366
Gefecht bei Czechuwel.
Die kronprinzliche Armee war von den Elbübergängen zwischen Pardubiß und
Königgräß
über Hohenmauth
und Mährisch-Trübau direct auf Olmüz
marschirt und die Avantgarde unter General von Buddenbrock kam am 14. Juli in Proßniz an, um Festung auszusehen. Brünner Chaussee.
daselbst zu bivouakiren und Vorposten gegen die
Proßniz liegt im Süden der Festung , an der OlmüßDer Zweck der Oesterreicher war. das Vorrücken der Preußen
in der Richtung der Eisenbahn-Verbindungsstation Prerau aufzuhalten und die Absicht derselben , so schnell als möglich sich Preraus und somit der Eisenbahn
" zv bemächtigen, zu vereiteln.
Der preußische amtliche Bericht über den am 14.
Juli erfolgten Zuſammenstoß zwischen beiden Kriegsparteien lautet : General von Buddenbrocks Brigade war durch Artillerie und das erste Leib-Husaren-Regiment verstärkt.
Lezteres wurde auf die Nachricht von der An-
näherung feindlicher Truppen in östlicher Richtung gegen Wrahowiß vorgeſchickt, die 2. Escadron des Rittmeisters v. Winterfeld
an der Tête.
Schnell wurde
das Dorf paſſirt und die Höhe erstiegen , an deſſen Rande dasselbe gelegen, auf dem Plateau bemerkte man feindliche Flanceurs, die, mie sich später herausstellte, einem sächsischen Dragoner- Regiment angehörten.
Das Gefecht wird sofort auf-
genommen, der Flanceurzug unter dem Lieutenant v. Holzendorff schwärmt aus, und der Feind zieht sich nach unserer rechten Flance in scharf südöstlicher Richtung längs des Höhenrandes auf Kralız zurück, während sich einzelne Flanceurs durch ein kleines dazwischen
gelegenes Dorf Czechuwek
Lieutenant v. Holzendorff.
abziehen.
Dieſen folgt der
Während dessen haben auch die andern 3 Züge der
Escadron unter dem Rittmeister v. Winterfeld die Höhe erstiegen und sind rechts geschwenkt, um sofort 2 feindliche Escadrons zu attaciren, welche rechts Tzechuwek sich zeigten. Der Rittmeister ſezte mit 3 Zügen zur Attace an, der 4. Zug debouchirte aus Czechuwek, ihm hatte sich der Hauptmann von Versen vom der combinirten Cavalerie-Diviſion
angeschlossen ;
Generalstabe
der Hauptmann
rief
dem
Lieutenant von Holzendorff zu . sich in die linke Flanke des Feindes zu werfen . Dieser erwartete den doppelten Angriff stehenden Fußes, gab eine Salve , wurde aber durchbrochen, geworfen und ging in Eile auf Kraliß zurück. - Hier mußte er zwischen 2 Mauern gerathen ; Rittmeister von Winterfeld , ſammelte 2 Züge seiner auseinandergekommenen Escadron ,
dies
bemerkend,
griff den Feind ſo-
fort wieder an, und es fam nun zu einem wüthenden Handgemenge ; in welchem unsre Husaren tapfer einhauen und den Sachsen bedeutende Verluste beibrachten ;
367
Gefecht bei Kralty.
eider wurden hier auch die Lieutenants von Keudell und von Holzendorff lverwundet. Nach alter cavaleristischer Regel wurde indeſſen auch dem Feinde noch keine Ruhe gelassen ; derselbe hatte ſich rückwärts Kralih bereits wieder gesammelt und stand vollständig ſeine Reiter so
geschlossen da ;
viel als möglich ,
der Rittmeister v . Winterfeld ſammelte
unternahm eine dritte Attace , warf seinen
doppelt überlegenen und geſchloſſenen Gegner zum dritten Male und verfolgte ihn bis gegen Biskupig hin , wo ihn das Feuer feindlicher Infanterie und ArNoch an demselben Tage er-
tillerie zwang , von der Verfolgung abzustehen.
dem 4. und 44.
hielt der General v . Malotki den Befehl mit seiner Brigade Regimente
und der 4pfündigen Batterie des Hauptmann Magnus am 15 .
Juli bei Tagesanbruch über Proßnig und Hrubschig gegen Tobitschau
und
Traubeck in der allgemeinen Richtung von Westen nach Osten vorzugehen , sich jener Ortschaften zu bemächtigen und die dortigen Uebergänge so lange beſeßt zu halten , bis die Cavalerie-Diviſion das lange Defilée paſſirt habe und von einer ihr aufgetragenen Unternehmung gegen Prerau , dem Vereinigungspunkte der Olmüßer Flügelbahn und der Nordbahn, zurückgekehrt sei. Der übrige Theil des Armeecorps hatte der allgemeinen Disposition gemäß seinen Marsch in südlicher Richtung gegen Urschiß und Ottaſlawig fortzuſeßen. Am 15. Juli konnte man schon von Hrubschig
aus lange feindliche
Colonnen beobachten , welche von Olmüz her auf der Straße marschirten , die aus der Festung bei der stattlichen , hohen und weit sichtbaren Kirche von Bub vorüber gerade gegen Süden über Tobitschau nach Kremsier führt und von der Marschrichtung der Brigade Malotki fast senkrecht getroffen wurde. Auf den ersten Blick erkannte man , daß eine feindliche starke Abtheilung, welche viele
Wagen mit sich führte , im Begriffe stand ,
gegen Süden , wahrscheinlich nach Wien hin abzuziehen.
aus der Festung
Die Brigade Malotki
hatte nun die doppelte Aufgabe zu lösen, einerseits die Avantgarde des Gegners und
damit das feindliche Corps wieder gegen Norden , nach Olmüß , zurückzu-
werfen und sich andererseits der Uebergänge bei Tobitschau und Traubeck zu bemächtigen , um das Vorgehen der Cavalerie-Diviſion gegen Osten nach Prerau , wie befohlen zu decken und etwaigen von dort kommenden Angriffen entgegen zu treten. Am Sonntag den 15. Juli erfolgte ein ſiegreiches Gefecht bei dem rechts an der March gelegenen und nur 1500 Einwohner habenden Städtchen To-
368
Kampf bei Tobitſchau.
bitschau zwischen Proßniß und Prerau , über welches der preußische amtliche Bericht Folgendes meldet : Die 3. Infanterie-Brigade , General Malotki von Trzebiatowsky , 3. ostpreußisches Grenadier-Regiment Nr. 4 , Oberst von Wedell, 7. oſtpreußiſches Infanterie-Regiment Nr. 44 , Oberst von la Chevallerie , 1. vierpfündige Batterie Feldartillerie-Regiments Nr. 1 , Hauptmann Magnus, wurde am 15. Juli 1866 bestimmt, die Straße Tobitschau-Prerau für die Cavalerie-Diviſion des Generals von Hartmann zu öffnen, welche einen Vorstoß über Prerau machen sollte.
Der
Vormarsch ging von Plumenau über Proßniz und Kraliz bis in die Nähe des Wibliger Vorwerks .
Hier traf die Meldung ein , daß sich feindliche Bataillone
in dem dahinter gelegenen Wäldchen zeigten.
Zugleich sah man Colonnen von
Infanterie und Artillerie auf dem Wege von Olmüz nach Tobitſchau . Die Batterie Magnus wurde vorgezogen und eröffnete ihr Feuer. des 1. Treffens
Infanterie-Regiments Nr. 44
gegen das Vorwerk vor. ments Nr. 4
folgten.
Compagnie-Colonnen
gingen mit Entſchiedenheit
Die Bataillone des 2. Treffens
Grenadier-Regi-
Beide Treffen wurden von überlegener feindlicher Ar-
tillerie mit Granaten und Schrapnellfeuer überschüttet. Dieser Moment war schwierig. mäßigt werden.
Das feindliche Artilleriefeuer mußte ge=
Der Oberst von Wedell warf daher die 5. Compagnie, Haupt-
mann Anders, ſeines Grenadier-Regiments aufgelöst in die linke Flanke, zur Beschießung der feindlichen Artillerie. Zugleich das 44. Regiment das Wäldchen an , in seiner rechten Flanke durch das Grenadier- Regiment Nr. 4 unterstügt. Die 44er gingen mit dem Bajonnet und mit ihnen
er gerade mit einem Befehl hierher
gesandte Adjutant der Brigade , Premier Lieutenant Riebes , welcher, sofort abge= ſeſſen, den Stoß in der ersten Linie mitmachte. Der Wald wurde genommen , nicht ohne Verlust.
Hier fiel der Oberst-Lieutenant von Beer an der Spiße seiner
Sturmcolonne, ein ritterlicher Führer , hier wurden verwundet :
der Premier-
Lieutenant Weißermel, der Seconde-Lieutenant und Regiments- Adjutant Martens , viele Unteroffiziere und Soldaten. Aber das Feuer der Füßliere Nr. 44 und der Grenadiere des Hauptmann Anders erzwang dafür den Abzug der dahinter aufgefahrenen großen Batterie des Feindes,
16 Geschüße, welche zum Abfahren
gezwungen und hierbei von einer gerade eintreffenden Escadron des 5. KüraſſierRegiments ereilt wurde.
Die Kürassiere sollen nur einen auf 20 Schritt und
ohne Wirkung abgefeuerten Kartätſchenschuß erhalten haben. Der Feind hatte sich wieder hinter der Chaussee gesezt , welche von To-
369
Gefecht bei Tobitschau.
bitschau
auf Olmüß führt.
„ Toscana-Infanterie " .
In
Tobitschau selbst hatte er drei Compagnien
Gegen die Chauſſee wandte sich das Füſilier- und zweite
Bataillon Nr. 44, unterstützt durch drei Compagnien tes zweiten Bataillons Nr. 4, welche links geschwenkt und im zweiten Treffen waren. worfen.
Der Feind ward
ge-
Die Chaussee fand man im wahren Sinne des Worts mit todten und
verwundeten Oesterreichern bedeckt.
Gegen Tobitschau waren die Fäſiliere des
4. Regiments. Oberst-Lieutenant von Pannewig, dirigirt. ohne viel Verlust , aber nur mit dem Bajonett.
Sie nahmen den Ort
Der Feind stand nie dem
Hurrah, wenn er auch in Deckungen dem Feuer Stand hielt.
Oberst-Lieutenant
von Pannewiß verfolgte den aus Tobitschau geworfenen Feind auf der Straße nach Prerau.
Aus diesem durch Waldungen und durch mehrere Arme der
March und Berzwa sehr günstig für die Vertheidigung gestalteten Terrain vertrieb die Compagnie des Hauptmann von Danzen den bis auf 1½ Bataillon angewachsenen Feind aus allen Stellungen
in ihrer linken Flanke gedeckt durch
die Compagnie von Schulzendorf und soutenirt durch die übrigen Compagnien des 2. Bataillons vom 4. Grenadier-Regiment , welche nunmehr hierher gezogen
waren. Mit dem Gewinn des Dorfes Traubeck hatte General von Malotki den ihm gewordenen Auftrag erfüllt , und die Offenhaltung der Straße TobitschauTraubeck-Prerau durch die Aufstellung von 7 Compagnien in und vor Traubeck ausreichend gesichert.
Gewiß war es ein schwerer Entschluß für den General,
einen so bedeutenden Theil seiner Kräfte hierher zu entsenden, denn nördlich von Tobitschau wogte der Kampf noch unentschieden , doch gerade solcher Entschluß kündet den Führer ! Der Feind hatte sich auf Virovan zurückgezogen und brachte neue große Maſſen von Artillerie in das Feuer.
Er soll , nach Aussage von
gefangenen Offizieren , im Ganzen 52 Geſchüße in Thätigkeit gehabt haben. Heftiges Granatfeuer -man zählte in der Minute 60 Schuß - sollte unser Vordringen aufhalten. In diesem Augenblick traf die 4. 4pfündige Batterie des Hauptmanns Behnke ein, wurde weit vorgeschoben und im Verein mit der Brigade-Batterie Magnus so glücklich postirt, daß die eine große feindliche Batterie in der Flanke gefaßt wurde. Die wundervolle Präcision, mit welcher beide Batterien arbeiteten, erzwang den Abzug dieser Batterie.
Zur Deckung des Abzuges ging ein feind-
liches Küraſſier-Regiment vor , wurde aber übel zugerichtet , ebenso wie die abziehenden Geschüße. Nun nahmen das 2. Bataillon Nr. 44 und die Com 24
370
Gefecht bei Tobitschau.
pagnie Anders Nr. 4 Virovan.
Durch die Entsendung gegen Prerau geschwächt,
war es unmöglich, den Sieg weiter auszubeuten.
Artilleriefeuer verfolgte den
abziehenden Feind. Die Brigade bezog auf dem Gefechtsfelde Bivouak. Die Oesterreicher verloren 18 Geſchüße , 4-500 Gefangene und etwa eben so viel an Todten und Verwundeten. lazareth, welches
das
Schmehling , nahm.
Außerdem in Virovan ein Feld-
1. Bataillon des Regiments Nr. 4, Hauptmann von
Dieses glänzende Resultat wurde erkauft mit dem Verlust
von etwa 100 Todten und Verwundeten.
Im Gefecht waren vom Feinde die
Brigade von Rothkirch mit 7 Bataillonen der Regimenter Mamula- und ToscanaInfanterie, 1 Regiment Küraſſiere und 52 Geſchüße.
Unsere Truppen waren
faltblütig im Feuer und gingen mit mehr Ordnung und Apell vor, als bei den Mannövern des Friedens . Die österreichische Infanterie hielt nicht Stand, daher die Nothwendigkeit , ihr durch starke Artillerie Stüße zu geben . Artillerie war brav und gut.
Die österreichische
Wenn troßdem unser Verlust so gering war , so
danken wir dies dem Ueberschießen der feindlichen Geschüße. Die Oesterreicher waren auf Olmüß nach mehrstündigem heftigem Kampfe zurückgeworfen.
Die starke Stellung des Feindes wurde von den Unſern muthig
erstürmt und ihm 18 Geſchüße abgenommen.
Von den lezteren gehörten 16
einer großen Batterie an, welche, während sie noch feuerte, von dem westpreußischen Kürassier-Regimente Nr. 5 durch
eine
glänzenden Attake erobert wurde.
Die andern 2 Geſchüße nahm das ſchleſiſche Küraſſier-Regiment Nr. 1.
Nach
dem Gefecht wurden noch von Cavalerie-Abtheilungen der Division Hartmann mehrere feindliche Carrées niedergeritten und dabei 300 Mann zu Gefangenen gemacht. Dieser Sieg sette den Kronprinzen in den Stand , Prerau zu beseßen.
So
wurde den feindlichen Truppen in Olmüß der Weg auf der Eisenbahn versperrt und es blieb ihnen für einen Abmarsch nach Süden nur noch die weiter östlich nach Ungarn führende gewöhnliche Landstraße übrig. Um aber den Desterreichern für den Rückzug von Olmüß nach der Donau auch diese Landstraße zu verlegen , gingen Theile der ersten Armee (Prinz Friedrich Karl) am 17. bei Holiß über die March und nahmen dort Stellung.
Da-
durch war dem Feinde der Rückzug auf Preßburg abgeschnitten und ihm nur jenseits der kleinen Karpathen in der Nichtung auf die ungarische Festung Komorn zu ein Weg übrig gelassen.
371
Desterreichische Lügenelique.
Als Einzelnschilderung sei Nachſtehendes hinzugefügt : „ Das für Preußen ſo glücklich ausschlagende Gefecht bei Tobitſchau ward dadurch merkwürdig “ , schrieb ein preußischer Offizier , „ daß die Oesterreicher in unbegreiflicher Nachläſſigkeit und Sorglosigkeit und von unserer Annäherung nichts ahnend, ruhig einhermarſchirten.
Das 5. Küraſſier-Regiment, welches die Spize
unserer Avantgarde bildete, wurde von den österreichischen Truppen für ihr eigenes Kürassier-Regiment Horwarth gehalten.
(Die weißen Uniformen der preu-
ßischen Kürassiere veranlaßten diese Täuſchung. )
Als sie endlich ihren Irrthum
erkennend , fünf Batterien auffuhren , attakirte das 5. Küraſſier-Regiment sofort in vollem Galopp und obwohl es eine Artillerie- Salve, die einigen Schaden anrichtete, erhielt, so gelang es ihm doch , zwei vollſtändig bespannte Batterien zu erbeuten.
Die Oesterreicher retirirten nach Olmüß zurück und wäre der Erzherzog
Leopold beinahe von einem verfolgenden Küraſſier , der ſchon ſeine Piſtole auf ihn abgeschossen batte, gefangen genommen worden , nur die Schnelligkeit seines Pferdes vermochte ihn zu retten. " Wie schon früher erwähnt worden , hatte sich in diesem Feldzuge eine Lügenclique in Desterreich auffällig hervorgethan. Von ihr gingen die abſurdeſten, dümmsten und mit der Wahrheit im grellsten Gegensaße stehenden Nachrichten aus, ſodaß wirklich die Wahl schwer wurde, ob man die unermüdliche Erfindungsgabe, welche diese saubere Clique im Lügen entwickelte, oder die Frechheit, mit der sie log, mehr anstaunen sollte. In österreichischen Zeitungen wurde das eben nach preußischem amtlichen Bericht geschilderte Gefecht in Tobitschau in mehr als wahrheitswidriger Weise solchergestalt erzählt ,
als wäre der Kampf zu höchsten Ungunsten der Preußen
ausgeschlagen. Dies wunderbar den Sachverhalt verdrehende und das Publikum schaamlos belügende Schriftstück lautete wie folgt : „ Sonntag, 15. Juli , Kanonendonner.
nach 8 Uhr hörte man in Olmüß den
erſteu
Ueber die Entfernung des Kampfes war die Bevölkerung lange
Zeit im Zweifel, nach der Stärke des Schalles zu urtheilen , verlegte man den Kampfplag in die Nähe von Brünn, bald jedoch wurde gemeldet, es ſeien unsere Truppen bei Dub von den Preußen angegriffen worden , und es scheine, bereite sich in der genannten Gegend, ein größerer Kampf vor. Rothkirch , welche Morgens
aus
dem Lager von Olmüß
als
Die Brigade
aufgebrochen war,
wurde nämlich in der angegebenen Zeit , halb 9 Uhr , von den Preußen überfallen.
24
372
Falscher Bericht.
Die Brigade bestand , wie uns berichtet wird , aus den Infanterie-Regimentern Toscana Nr. 71 und Freiherr v. Mamula, dem 24. Jägerbataillon und zwei zugetheilten Batterien.
Das Regiment Toscana ward zuerst ange-
griffen und hatte demnach durch einige Zeit den Anprall der Preußen allein zu ertragen.
Das ohnehin durch die bedeutenden Schlachten in Böhmen hart mit-
genommene Regiment hatte infolge dessen auch sehr bedeutende Verluste erlitten, namentlich war die Zahl der Verwundeten groß. halb 9 bis 2 Uhr Nachmittags ununterbrochen.
Der Kampf wüthete von
Von Olmüz konnte man von
den hochgelegenen Objecten (Thürmen) denselben genau verfolgen; indeß
ge-
stattete der Pulverdampf nur einen schlechten Einblick in die Entwickelung des Kampfes.
Der Kampfplag umfaßte die Strecke zwischen Proßniz , Tobitſchau,
Prerau, Traubec, Dub und ſoll bei den Orten Wranowig , Kraliz, Klenowiß und Dub am heftigsten gewesen sein.
In der Entwickelung des Kampfes schwankte
das Kriegsglück und neigte sich eine Zeit lang auf Seite der Preußen , welche mit bedeutender Uebermacht die Unsrigen drängten. wurde namentlich unsere Artillerie ,
Bei dieser Gelegenheit
deren wohlgezieltes Schießen den Preußen
ſehr große Verluste beigebracht hatte, von den Feinden bedrängt.
Nach Aus-
sagen der Verwundeten ſuchten die Preußen jedes Mal nach Kräften unsrer vorzüglichen Artillerie an den Leib
zu
rücken
und sie zum
Schweigen zu
bringen. „ Auch am 16. Juli verfolgten die Preußen dieſes Ziel mit aller Energie, und die Folge davon war , daß die Batterien 8 und 9 , welche in den Kampf verwickelt waren ,
namhafte Verluste erlitten und dadurch eine ganze Batterie,
wie es heißt, den Feinden preisgegeben war.
Sie erfreuten sich übrigens nicht
lange dieſes Erfolges ; eine Abtheilung österreichischer Huſaren und die ſächſiſche Cavalerie , deren Tapferkeit nach dem einstimmigen Urtheile über alles Lob erhaben war , hatte den Preußen sehr bald ihre Beute wieder abgejagt und überdies mehrere Kanonen der Feinde, man spricht von 8 Stück, erbeutet.
Ein Theil unsrer kämpfenden Truppen erhielt in der ersten Nachmittags. stunde Ordre, sich gegen Olmüß
zurückzuziehen , und
dies war
der Grund,
weshalb Viele sogar befürchteten , unsre Truppen wären im Nachtheil geblieben . Wagen mit Verwundeten waren in großer Zahl in Olmüß eingetroffen ; ` man schäßt dieselben auf 150 Mann , die Mehrzahl ist dem Regimente Toscana angehörig.
Der Kampf dauerte indeß fort und wurde erst in später Abendſtunde
abgebrochen.
Die Preußen haben um jeden Preis , wie es scheint , die Bahn
373
Falscher Bericht.
erreichen und
dieselbe zerstören wollen.
Bei Prerau wurde auch thatsächlich
die Bahn zerstört , ohne daß wir bis jezt angeben können , ob durch unsre oder durch preußische Truppen.
Bei der Station Bodek wurden die Preußen zurückgeworfen und , wie es heißt, bis gegen Olschau verfolgt.
Abends wurde gemeldet,
eine größere Ab-
theilung des dritten Armeecorps wären gleichfalls bei Prerau engagirt geweſen, und
eine größere Anzahl Preußen , man spricht 4000 bis 6000 Mann , im
Bohorer Walde eingeſchloſſen worden.
Diese Nachricht wurde heute, Montag,
vielfach bestätigt , und zugleich hinzugefügt , der Wald wäre in Brand gesteckt worden. In den ersten Morgenstunden wurde der Kampf heute (am 17. Juli) wieder aufgenommen, und zwar, wie wir hören, mit günstigem Erfolge für uns. Heute Mittag angelangte verwundete Offiziere des Regiments Mamula bestätigten dies und fügten hinzu ,
die Preußen wären in die Flucht geschlagen worden.
Heute
9
Vormittag
nach
Uhr erschien
ein
preußischer
Parlamentair
beim
Festungscommando in Olmüß, angeblich um Capitulation der im Bohorer Walde eingeschlossenen Preußen zu unterhandeln. verbundenen Augen
in Begleitung
Derselbe verließ nach 10 Uhr mit
des Geniedirectors
zu Wagen die Stadt.
Das Reſultat des Kampfes , scheint , wie wir erwähnt, zu Gunsten der Unsrigen ausgefallen zu ſein ;
die beabsichtigte Vereinigung des von Leipnik kommenden
preußischen Armeecorps mit dem von Proßnig kommenden ist nicht gelungen. Genaue Angaben fehlen bis zur Stunde.
So viel ist indessen gewiß,
daß wir 600 Gefangene gemacht haben , welche zur Hauptarmee transportirt wurden , da man in der Festung Olmüß die Anhäufung von Gefangenen zu vermeiden suchen muß.
Desgleichen wird uns mitgetheilt , daß ein preußischer
General mit stolzem fürstlichen Namen in die Hände unsrer Truppen gefallen ſei, und es iſt vielleicht nicht grundlos zu vermuthen , daß die öftere Anwesenheit preußischer Parlamentairs beim hiesigen Festungscommando mit der Gefangenuahme dieser hohen Persönlichkeit im Zuſammenhange stehe. " Wer das liest, wird darauf schwören , daß dies nicht gelogen sein könne, denn dies für die Oeffentlichkeit beſtimmte und überall verbreitete Schriftstüc ſchlägt den Ton eines sehr bescheiden auftretenden Berichterstatters an , den man buchstäblich vertrauen darf und doch hängt eine Lüge an der andern , sogar der die Neugier des Lesers ganz sicher aufstachelnde Ton des Geheimnißvollen , mit welchem die Lüge von der Gefangennahme eines preußischen Generals mit stol-
374
Desterreichischer Telegrammenschwindel.
zem fürstlichen Namen und die damit in Verbindung stehen sollende öftere Anwesenheit preußischer Parlamentaire in der Festung erzählt wird , ist schlau berechnet, die Täuschung vollkommen zu machen.
Es zeigte sich auch bald , was
man damit beabsichtigt hatte, denn preußische Zeitungen veröffentlichten ein paar Wochen später etwas Näheres über die in Rede stehende Lügenclique und brachten auch ein neues Zeugniß von deren beispielloſer Frechheit.
Der betreffende,
dies schaamloſe Treiben kennzeichnende Artikel lautete : Die Bevölkerung in Mähren, städtische und ländliche, benimmt sich muſterhaft; aber die von ihren Posten fortgegangenen kaiserlichen Beamten, die sich in die kleinen Städte und auf das Land zu Verwandten und Bekannten zurückgezogen , unterhalten eine Agitation , die auf die Länge unleidlich wird .
So ist
von Brünn aus das Exemplar einer Abschrift eingesandt, welche in Hunderten von Exemplaren vor einigen Tagen in der Hauptstadt Mährens verbreitet wurde . Sie lautet:
20,00
„ Telegramm .
Erzherzog Albrecht an Sr. Majestät den Kaiser .
Gänserndorf,
20. Juli , 7 Uhr 5 Minuten Abends.
Großer Sieg,
Todte und Verwundete , gegen 12,000 Gefangene, 17,000 Zündnadel-
gewehre ,
nebst viel Munition in unsern Händen.
3 Generäle todt,
Friedrich Karl schwer verwundet.
Unfrerseits große Verluste.
4 preußische Generäle gefangen.
Prinz
Alle Positionen in unsern Händen.
Gänz-
mehrere verwundet.
licher Rückzug der Preußen nach Schlesien ! " Noch jest glauben die Landleute an den ihnen zugesteckten Zettel , erwarten aber freilich vergeblich die Trümmer dieser so total geschlagenen preußischen Armee bei sich vorbei nach Schlesien retiriren zu ſehen , während dieselbe zwei Tage später schon vor Preßburg ſtand. Dieses falsche Telegramm fand auch seinen Weg nach Hannover, Sachſen u. s. w., und es gab gegen Ende Juli eine Menge Leute , welche steif und fest die Lüge für die ehrlichste Wahrheit hielten und überzeugt waren, diese fürchteriche Niederlage werde von den Preußen absichtlich geheim gehalten. Ueberhaupt hat die österreichische Presse sich in diesem Kriege ganz besonders ausgezeichnet, sie belog ohne Scheu alle Welt, indem sie Berichte über österreichiſche Siege veröffentlichte, die geradezu erfunden waren, denn es stellte sich allemal bald darauf heraus, daß diese österreichischen Siege Niederlagen gewesen.
Ein zweites Man-
növer dieser phantasiereichen Presse bestand in haarsträubenden Berichten über die Behandlung österreichischer in preußische Gefangenschaft gefallener Offiziere
375
Preußische Berdächtigungen.
und Soldaten. Zum Glück glaubte kein vernünftiger Mensch diese niederträchtige Beschuldigung und zur Ehre der vielen Gegner Preußens in den von dessen Kriegsmacht occupirten Staaten ſei es gesagt, daß, ſo aufgebracht dieselben auch gegen Alles, was preußisch hieß , waren , sie sich doch solcher unehrenhaften Anſchuldigung nicht schuldig machten.
Selbst nach dem Waffenstillstands-Abſchluß
spieen die österreichischen Zeitungen noch Gift und Galle gegen das Verhalten der Preußen als „ dem Völkerrecht und allem Herkommen Hohn sprechend “ . Woher aber kam das ? nun , der Grund ist einfach in der Corrumption der österreichischen Zustände zu suchen .
Wo der staatliche Grundbau so unter-
wühlt ist von Uebelständen und Mißbräuchen aller Art , wo die Wahrheit als Quell revolutionären Treibens
gehaßt und verfolgt wird ,
wo Derjenige am
Besten durchkommt , der unter der Maske erheuchelten Patriotismus durch Denunciationen und mittels anderer schönen Kunstmittel sich zu Ansehen, Würden und Belohnungen zu helfen versteht , da kann die Corrumption der Presse nicht Wunder nehmen, ein Baum der Holzäpfel trägt, bringt nimmermehr Borsdorfer als Frucht - Eins entspringt aus dem Andern und das Dichterwort : „ Das eben ist der Fluch der bösen That, Daß sie fortzeugend Böses muß gebären "
wird, hier angewendet, die unwiderstreitbarste Wahrheit. Da eben von Wahrheit , welche einen großen Theil der Menschheit sehr zuwider ist und Viele nicht selten Ohrenschmerzen verursacht, die Rede ist , so würde es mehr als ungerecht sein , zu verschweigen , daß auch Berliner Blätter ſtark in Lügen „ machten “, welche nicht weniger schandbar waren , als die öſterreichiſche Beſchuldigung gegen Preußen hinsichtlich schlechter Behandlung kriegsgefangener Desterreicher.
Mit frecher Stirne wurde nämlich von einigen Ber-
liner Zeitungen die Anklage in die Welt geschleudert, die in den Dresdener Lazarethen liegenden preußischen Verwundeten würden ſchlecht verpflegt. Eine ſolche Anklage , weil derselben nur böswillige Erfindung zum Grunde lag , mußte um ſo mehr empören, als sie lediglich darauf berechnet war, das sächsische Volk als ein in Haßsucht versteiftes darzustellen.
Diese schändliche wahrheitswidrige Be-
ſchuldigung gelangte auch zum Ohr der verwittweten Königin Marie von Sachſen, welche nicht nur ſelbſt ſehr viel für die unglücklichen Opfer
der Schlachten,
welcher Nationalität sie auch angehörten , that, ſondern auch durch eigene Ueberzeugung
wußte,
daß samaritanische
Tugenden des Sachsenvolkes ,
Barmherzigkeit
nicht zu den geringsten
namentlich der Dresdener Bevölkerung,
gehört
376
Berliner Zeitungsenten.
und sogar ernste Zurückweiſung der vielen mit Erfrischungen für die Verwundeten die Lazarethe förmlich Umlagernden aus hatte erfolgen müssen .
allen Schichten der Einwohnerschaft
Die hohe Frau , empört von so schnöder Anklage, ver-
anlaßte eine Untersuchung zu dem Zwecke, die abscheuliche Lüge als das öffentlich zu brandmarken , was sie war , als ein Product der Infamie.
Der preußische
Generallieutenant von Torschke fam nach Dresden und das Resultat seiner Ueberzeugung , wie die verwundeten Preußen gepflegt wurden , war der erste Schlag auf das Haupt des Lügners ;
der zweite ging von dem in Dresden
stationirten preußischen Generalstabsarzt Dr. Werlig aus.
Er referirte seiner Re-
gierung, daß an der Beschuldigung auch gar nichts Wahres sei und die Preußen in preußischen Lazarethen nicht beſſer und sorgsamer abgewartet werden könnten, als in den Dresdenern. Dergleichen saubere Lügen haben Berliner Blätter, wenn es galt, die Sachsen zu schmähen , noch mehrere gebracht, bis denn endlich eine solche Lüge, nach welcher in der Gegend von Königstein die auf dem Felde beschäftigten Bauern mit allerlei Werkzeugen unbarmherzig auf zwei Berliner Reisende , an deren
Dresdener
Lohnfuhrwerk ein Rad
gebrochen
und
der Kutscher ſeine
Passagiere den Bauern als „ Preußen " angegeben , losgedroschen haben sollten, zu scharfer Untersuchung aufforderte.
Da in dieser Erzählung Alles so wahr-
heitsgetreu dargestellt ſchien , ſo machte sich die Berliner und die sächſiſche Po . lizei an Feststellung
des Thatbestandes.
Das Ergebniß davon war , daß die
ganze Geschichte ein oder ein paar Jahre früher und auch in ganz anderer Weiſe, und in Baiern geschehen war !
Ein unehrenhafter Zeitungsscribler hatte , um
dem Publikum etwas Pikantes zu erzählen, es für paſſend gefunden, das beliebte Thema vom „ſächſiſchen Haſſe gegen Preußen “ auszubeuten, seine geographischen Kenntnisse von der Umgegend des Königsteines dazu angewendet, den Vorfall in dieselbe zu verlegen. Der geneigte Leser verzeihe diese Abweichung , die lediglich darin baſirt, um jeden Vorwurf der Parteilichkeit zu begegnen . Nun zu einem Gegenstande , der , erwähnt zu werden , in unserm Jahrhunderte nicht mehr vorkommen sollte und eben deshalb , daß er doch noch erwähnt werden muß , ein sehr ungünstiges Licht auf die Volksbildung wirft, indem er dem denkenden Menschen den Beweis liefert ,
daß der Aberglaube , wie er
unter den Kriegsleuten des dreißigjährigen Krieges herrschte, heutzutage ebenſo, wenn auch hinundwieder in etwas anderer Gestalt , seinen Scepter über die un-
377
Schutzbrief. teren Volksschichten breitet.
Ehemals kaufte sich der Soldat einen sogenannten
Passauerzettel, der ihn gegen Hich, Stich und Schuß sichern , oder wie man sich zu jener Zeit auszudrücken beliebte, „ gefroren “ machen sollte.
Solche Zettel sind
nun freilich aus der Mode gekommen , dafür aber die „ heiligen Schußbriefe “ in Cours gesezt worden.
Auf den böhmischen Schlachtfeldern wurden dergleichen
bei gefallenen Soldaten gefunden und wir laſſen hier den Inhalt eines solchen folgen : „Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und heiligen Geistes ! So wie Christus im Celgarten still stand , so sollen alle Geschüße still stehen. dieſes bei ſich trägt . Feindes Geschüß .
Wer
dem wird nichts schaden , es wird ihn nicht treffen des
Denselben wird Gott kräftigen , daß er sich nicht fürchtet vor
Dieben und Mördern ; es soll ihm nicht schaden Geschüß , Degen und Pistolen Durch deinen Befehl und durch deinen Tod, Jeſus Chriſtus , müſſen ſtill ſtehen alle Gewehre , die man auf mich loshält ; es müssen still stehen alle sichtbaren und unsichtbaren Gewehre durch den Befehl des Engels Michael und im Namen Gottes , des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes Amen. Gott sei mit mir !
Wer diesen Segen gegen die Feinde bei sich trägt,
der wird vor Gefahren beschüßt bleiben ;
wer dieses nicht glauben will ,
der
schreibe es ab und hänge es einem Hunde um den Hals und schieße nach ihm, so wird er finden , daß es wahr ist .
Wer diesen Brief bei sich trägt , der wird
nicht gefangen noch durch die Waffen verlegt werden .
Amen .
„ So wahr es ist , daß Christus gestorben und gen Himmel gefahren , und auf Erden gewandelt hat , kann nichts gestochen ,
geschlagen ,
noch an meinem
Leibe verlegt werden , Fleisch und Gedärme , Alles soll mir unbeschädigt bleiben . Ich beschwöre alle Gewehre auf dieser Welt beim lebendigen Gott, Vater, Sohn und heiligen Geist.
Ich beschwöre mich im Namen des Blutes unsers Herrn
und Heiland's Jesu Chriſti, daß mich keine Kugel trifft, ſie ſei von Gold, Silber oder Blei.
Gott im Himmel macht mich vor Allem sicher frei , im Namen
Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes .
Amen.
„Dieser Brief ist vom Himmel gesandt und in Holstein gefunden worden , 1724.
Er war mit goldenen Buchstaben geschrieben und er schwebte über der
heiligen Taufe. Jemand den baren. "
Wenn man ihn angreifen wollte , wich er zurück , bis 1791
Gedanken
befam
ihn abzuschreiben und
der Welt zu offen-
1 378
Ansprache des Königs von Preußen an den Bürgermeiſter in Brünn.
Mit welcher Zuversicht auf ihre Unverleglichkeit mögen die Inhaber solcher Schußbriefe in die Schlacht gegangen sein ! Vielleicht war ein solches Patent des Aberglaubens die lezte Liebesgabe eines kummervollen Mutterherzens an den geliebten Sohn und nun lag er todt niedergestreckt in seinem Blute.
Der Schuß-
brief hatte weder Kugel noch Bajonnet von ihm abgewehrt, wie überhaupt der Aberglaube in sein Nichts ſinkt.
Daß solcher Wahn noch bestehen kann , gehört
auch unter die Zeichen der Zeit , aber nicht unter die guten, lobenswerthen, auf die wir als denkende Menschen stolz sein dürfen . Sie ſind dunkle Flecke auf dem ſtrahlenden Schilde, das wir Aufklärung nennen.
Nach
Wien .
Das königliche Hauptquartier in Brünn wurde am 18. Juli nach Nicolsburg verlegt.
Als König Wilhelm I. aus dieser Hauptstadt Mährens ſchied,
hielt er an den bei der Abfahrt gegenwärtigen Bürgermeister Dr. Giskra folgende Ansprache : „Ich freue Mich, daß Meine Erwartungen und Ihre Zusagen bei Meiner Ankunft hier so vollständig in Erfüllung gegangen sind .
Sie sind Meinen
Truppen freundlichst entgegengekommen, obgleich Ihnen das bei der großen Anzahl derselben schwer geworden sein muß. Brünn.
Dafür danke ich der Stadt
Aber Sie werden sich auch überzeugt haben, daß Ich Recht hatte,
als Ich Ihnen sagte, daß Meine Truppen nichts Unbilliges fordern würden. Ich kenne Meine brave Armee ! werden, wo es auch sei !
Das Nöthige muß und soll ihnen aber
Sagen Sie das mit Meinem Dank den Bewoh-
nern Brünns ! “ In der That hatte diese Stadt eine bedeutende Laſt zu tragen, denn um mehrere Tage hintereinander 100,000 Menſchen zu ſpeiſen und das nöthige Futter für die dazu gehörente Menge von Pferden herbei zu schaffen , das will etwas ſagen.
Die Brünner hatten jedoch Alles aufgeboten , um den an sie geſtellten
Anordnungen gerecht zu werden , was ihnen natürlich viele Unannehmlichkeiten. ersparte und die preußischen Soldaten ihnen zugeneigt
machte.
Einen großen
Schreck flößte den Preußen die Kunde cin, Herr Benedetti , der beim Berliner
379
Falſche Gerüchte unter den Preußen.
Hofe accreditirte französische Gesandte , sei angekommen , um im Auftrage ſeines Kaiſers Waffenſtillstand und Friede zu vermitteln.
Der Wunsch , als Sieger in
der Kaiserstadt Wien einzuziehen , war bei Allen gleich groß und jezt , wo man der Erreichung dieses Wunsches so nahe war , Halt machen , umkehren , ohne die Donau überschritten zu haben.
das packte tief bei Jedem und die Soldaten
hatten unendlich viel über diesen Gegenstand zu debattiren . Alle Vorkommnisse im Hauptquartier wurden jest sorgsam beobachtet und als es bekannt wurde, daß ein Stabsoffizier unter Parlamentärflagge mit einem Schreiben an die österreichischen Vorposten geschickt wurde, bemächtigte sich Aller eine große Niedergeschlagenheit, denn nun war jedenfalls der schöne Traum, ſich als Sieger in Wien umzusehen , vernichtet, die Diplomaten fochten mit den Gänsefielen und zulegt fam am Ende noch ein fauler Friede zu Stande , das gab eine Art Krisis ,
nicht etwa nur für die Soldaten, sondern auch für die
Offiziere, die ebensowenig wie ihre Leute etwas von dem erfuhren , was im Hauptquartier verhandelt wurde, denn die Herren Bismard, v. Roon, Moltke und wie ſie alle hießen , die des Königs Rath ausmachten , blieben stumm wie die Fische über alle Vorgänge im Hauptquartiere. kamen da in Umlauf!
Was für eine Menge von Gerüchten
Jeder , der nur halbwege ein wenig in der Geographie
sich umgesehen, düftelte etwas Pifantes aus. So brachte das Gerücht. Napoleon III. habe an Italien wegen des Einmarsches in Venetien den Krieg erklärt , die kriegerischen Gemüther bedeutend in Wallung, denn das fernere Geschick der preußischen Armee hing sehr eng mit der italienischen Sache zusammen.
Gestattete Kaiser Napoleon den Italienern
den Durchzug durch Venetien nicht , so konnte die österreichische Südarmee ganz bequem von der italienischen Grenze nach Wien spedirt werden und die Preußen würden sich in einen Kampf verwickelt gesehen haben , bei dem sie nicht hoffen konnten , daß die Italiener ihnen zu Gunsten etwas in der Flanke gegen die Desterreicher zu unternehmen in der Lage sich befanden .
Eine Hoffnung bliste
jedoch für die preußischen Soldaten auf, als bekannt wurde, daß die Unterhandlungen zwischen Brünn und Wien hinsichtlich eines dreitägigen Waffenstillstandes abgebrochen sei.
Preußens Vorschläge für
eine dreitägige Waffenruhe waren
folgende: 1 ) Das zwischen der Stellung des preußischen Heeres und der Thaya liegende Gebiet wird ſofort von den österreichischen Truppen geräumt.
380
Preußische und österreichische Waffenstillstandsvorschläge. 2) Alle preußischen , sowie alle österreichischen Truppen der Nord- und Südarmee und die sächsische Armee, sowie ihre Artillerie und Kriegs , zufuhren bleiben an dem Orte stehen, an welchem sie sich an dem Tage der Unterzeichnung der unmittelbaren Vereinbarung befinden werden. 3) Die preußischen Truppen werden sich bis zum Ablauf der vereinbarten Frist in einer Entfernung von drei Meilen von Olmüz halten. 4) Die Eisenbahn zwiſchen Dresden und Prag wird für die Proviantzufuhren des preußischen Heeres offen ſein. Diese vier Artikel gewannen den Beifall der Militärpartei in der Wiener
Hofburg durchaus nicht.
Diese Herren wollten ungebunden in ihrem Thun und
Laſſen ſein, nur die Preußen wünschten sie eingepfercht zu ſehen, und zu dieſem Ende erfolgte der Gegenvorschlag, daß zwischen dem öſterreichiſch-ſächſiſchen Heere einerseits und dem preußischen Heere anderseits eine Demarcationslinie gezogen werden solle , welche weder von der einen noch von der andern Seite während dieser drei Tage überschritten werden dürfe.
Diese Demarcationslinie solle der
Thayafluß von seiner Quelle an bis zu einem Punkte zwei Meilen östlich von Lundenburg bilden.
Im preußischen Hauptquartier wurde dieser Vorschlag, wie
ganz natürlich, aus dem Grunde verworfen , weil das preußische Heer dadurch während der drei Tage in Unthätigkeiten versezt ,
den Oesterreichern aber die
Freiheit zugestanden worden . wäre , ihre Bewegungen ganz
nach Gutdünken
fortzusehen. Die Preußen begannen also den Vormarsch auf Wien.
Wir übergehen
die Einzel-Schilderungen der zu diesem Zwecke ſtattfindenden Märsche, die der glühenden Sonnenbige wegen, außerordentlich beschwerlich waren. Eine Diviſion Preußen blieb vorläufig zur Bewachung des königlichen Hauptquartiers in Brünn zurück , während die erste Armee vorwärts zog.
So groß die Beschwerden des
Marsches in der Hiße waren, mit so viel Freude wurden sie überstanden , denn jezt war es Jedem klar, daß ein energisches Vorgehen auf Wien erfolgen werde, es war wenigstens schon begonnen .
Wie ? riefen die Soldaten , halten
die
Desterreicher uns Preußen für so dumm , daß sie uns gar so leicht hintergehen können ? wir sollen ſtehen bleiben ,
wir die Schächer mit gebundenen Händen,
während sie mit Bequemlichkeit ihre Verstärkungen von Olmüß noch Wien ziehen fönnten! fängt.
Oh, wir werden's ihnen flar machen, daß man uns nicht wie Mäuse
381
Zerstörung der Eisenbahn durch preußische Vorposten.
Der Befürchtung , daß
auch ferner von Olmüz Militärzüge nach der
Hauptstadt geschickt werden würden . machten die Cavalerie-Patrouillen der preußischen Vorhut ein Ende, als sie am 15. Juli Nachmittags die Eisenbahnstation Göding, auf der Linie zwischen Olmüz und Lundenburg, erreichten .
Als diese
Reiter die genannte Eisenbahnstation erblickten , bemerkten sie zu ihrem Eistaunen, wie zwei mächtig lange Züge von tiefſchnaubenden Locomotiven fortbewegt nicht allzurasch nach Lundenburg fuhren. fand kein Zweifel statt.
Das mußten Militärzüge sein, darüber
Diese beiden Züge einzuholen , war unmöglich , aber
fernere Truppenſendungen unmöglich zu machen , das ſtand in ihrer Macht und ſie gingen sogleich an's Werk.
Sofort stiegen einige Reiter von den Pferden,
ſuchten sich in den nächſtliegenden Hütten Aexte und Schaufeln zu verschaffen und im Besiz dieser Werkzeuge ging es nun
an's Zerstören der Eisenbahn.
Wie sorglos die Oesterreicher in Allem zu Werke gingen , zeigte sich wieder klar bei dieser Gelegenheit.
Kein einziger österreichischer Reiter oder Jäger ließ sich
zum Schuße der Eisenbahn sehen, obwohl eine solche Vorsicht nicht nur ganz in der Ordnung sondern auch geboten gewesen wäre.
Die preußischen Reiter er-
fuhren durchaus kein Hinderniß bei ihrem Zerstörungswerke.
Kaum hatten ſie
die Arbeit vollendet, als auf's Neue ein Zug von Olmüz herankeuchend in Sicht kam .
Indeß der Locomotivenführer erblickte noch rechtzeitig , ehe er bis an das
zertrümmerte Schienenlager gelangte , die preußischen Reiter, als er sofort den Zug zurückgehen ließ. Es wäre freilich ein höchst überraschender Schmerz für die Desterreicher gewesen , einen ihrer Militärzüge von den vorschwärmenden preußischen Reitern sozusagen mit Mann und Maus abgefaßt zu wissen , indeß , für diesmal rettete ſie glücklicher Weise der Maschinist. Der Marchfluß, ein sehr träge fließendes Gewässer , bildet die Scheide zwischen Mähren und Ungarn.
Göding , auf dessen Eisenbahnstation preußische
Cavaleristen die Rolle von Eisenbahnarbeitern gespielt und der Olmüßer Nordarmee den fernern Gebrauch der nach Süden führenden Bahn unmöglich gemacht hatten, liegt am rechten oder mährischen Ufer.
Fast gegenüber liegt Skaliß auf
dem linken oder ungarischen Ufer, 3½ Meilen nordöstlich von Lundenburg, dem Knotenpunkt der Brünn-Wiener und der Olmüß-Wiener Bahn. Auch führt von Olmüß her bei Skaliz zwischen der March und den kleinen Karpathen die Straße nach Preßburg. Die Truppen der 7. und 8. Diviſion des 4. preußischen Armeecorps beſegten Göding und Skaliz. Weiter hinauf hatte die kronprinzliche Armee das 3 Meilen südlich von Olmüß gelegene Prerau beseßt und am 16. Juli
382
Der Marsch nach Lundenburg.
war die preußische vom Herzog von Mecklenburg befehligte Vorhut in Lundenburg an der Thaya eingerückt. Der Marsch auf Lundenburg zu gehört in die Kategorie der Strapagen, an welche die ihn mitgemacht habenden preußischen Soldaten wohl lebenslang denken werden.
Die Sonne war förmlich versengend ,
die Straße mit einer
tiefen Schicht Staub bedeckt, der unter den Fuß- und Huftritten hoch aufwirbelnd die Marschirenden in eine so dichte Nebelwolke hüllte , daß Mensch und Thier faum zu athmen vermochten und vor Durst fast verschmachteten.
Die Soldaten,
denen der Schweiß über die Gesichter lief, sahen scheckig aus, der feingemahlene Staub, vermischt mit dem rinnenden Schweiße, bildete graue Striemen auf Stirn und Backen , auf den Monturen konnte man bequem schreiben und die Pferde hatten gleichsam einen grauen Ueberzug bekommen und pruhsteten unter der Staubbelästigung fürchterlich.
Eins war voraussichtlich.
Hatte der Infanteriſt
hinlänglich zu thun , um ordonnanzmäßig sich und seine Kleidung zu reinigen, so stand der Cavalerie im vollen Sinne eine Pferdearbeit in Aussicht , nämlich außer ihrer eigenen Person und allem dem, was d'rum und d'ran gehörte , auch noch ihre vollständig eingepuderten Thiere wieder in den Stand der Sauberkeit zu bringen. Man freute sich als man Lundenburg erreicht hatte ; aber der Erholung und Labung war da wenig zu finden.
Die Oesterreicher hatten die Absicht ge-
habt, diese Stadt zu vertheidigen , zu welchem Zweck von vielen Häusern die Dächer abgedeckt und
in den Wänden gewaltsam ausgebrochne Oeffnungen,
Löcher, die zu Schießcharten dienen sollten , sich wiesen.
Die österreichische In-
fanterie-Brigade Mand'l, welche aus dem 12. Jäger-Bataillon, dem 10. Regimente zu Fuß (Maguhelli) , dem 12. Regiment zu Fuß (Herzog von Parma) , nebſt einiger Artillerie und der Cavalerie-Diviſion des Generals von Edelsheim beſtand, hatte Befehl gehabt , Lundenburg bis auf's Aeußerste zu vertheidigen.
Natürlich
waren die Einwohner , als sie sahen , wie ihre eigenen Landestruppen die Stadt zu zerstören und deren Häuser zu Citadellen umzuwandeln begannen , entflohen, denn gänzliche Demolirung des Ortes stand ja in Aussicht , sobald sich hier ein Kampf entspann.
Lundenburg war den Desterreichern
als Knotenpunkt
der
Eisenbahn ein höchst werthvolles Vertheidigungsobject , verlor aber sofort ſeine militäriſche Bedeutung für ſie, als die Preußen sich, wie ſchon erwähnt, Gödings bemächtigt hatten.
383
Oesterreichischer Geniestreich.
Man redet zuweilen von Schwabenstreichen , aber auch die Oesterreicher haben Geniestreiche ganz besonderer Art von Stapel gelassen. des Folgenden wird das beweisen. hatte ,
Die Erzählung
Der französische Gesandte, Herr Benedetti,
um die gebietenden Herren in der Wiener Hofburg doch noch zu einem
Waffenstillstande umzustimmen ,
der doch eigentlich nur in ihrem ,
d . h . öſter-
reichiſchem Intereſſe, zu Stande gebracht werden sollte, die Reise aus dem königlich preußischen Hauptquartier nach der Kaiserstadt angetreten. Karl gab ihm , wie das üblich ist ,
Prinz Friedrich
einen Offizier vom Generalstabe mit , den
Lieutenant von Ragdowiß. Die in Lundenburg stehenden Desterreicher gestatteten jedoch nicht daß der genannte Lieutenant sofort, als er den Gesandten bis dahin begleitet, nach seinem (Prinz Friedrich Karls) Hauptquartier zurückkehre , weil er verrathen könnte, daß sie Lundenburg aufgeben wollten.
Er wurde veranlaßt,
den Gesandten noch weiter per Eisenbahn bis Weibendorf, nach Wien zu, zu begleiten ,
und von da erst durfte er ,
aber auch nur auf der Landstraße und in
einem eben nicht übermäßig schnell fahrenden Bauernwagen , nach Pawlowig, dem Hauptquartier Prinz Friedrich Karl's, zurückkehren , was natürlich einen Aufwand von Zeit kostete.
Die Oesterreicher ſchienen vergessen zu haben ,
daß
ein preußischer Lieutenant ganz geſunde Augen haben könne, um Beobachtungen zu machen, und in dieſem Irrthum befangen, boten sie durch die langſame Fahrt mitten durch's Land und ihre Truppenmacht dem Lieutenant die schönste Ge= legenheit, Bemerkungen zu machen , die auf keine andere Weise dem preußischen Hauptquartier zur Kenntniß gefommen sein würden.
Das war sicher ein Genic-
streich, wie er nicht alle Tage vorkommt. Lundenburg war also in preußischer Hand und während die Vorhut der ersten preußischen Armee am 17. Juli über die March ſezte und bei Holitsch Stellung nahm (wodurch der von Olmüß nach Ungarn retirirenden Nordarmee der Weg nach Preßburg abgeschnitten und sie gezwungen wurde, einen bedeutend anstrengenden Marsch in der Richtung auf die ungarische Festung Komorn zu machen) rückte die Diviſion des Generals von Mannſtein nach Nikolsburg vor. Wenn in diesem Feldzuge die Einwohnerſchaft einer österreichischen Stadt die gegründetste Ursache zur Verwunderung hatte , so kann dies von der Nikolsburger mit Recht gesagt werden .
Das verhielt sich so .
Es wäre mehr als
lächerlich gewesen , wenn die Desterreicher nicht alle denkbaren Versuche hätten machen sollen , ihren Feinden Hemmniſſe in den Weg zu legen. denn auch redlich.
Das geschah
Bei ihrem Rückzuge hatten sie die große Brücke über die
384
Ein Gefecht im Waſſer.
Thaya, bei Mariahilf, zerstört.
Sie dachten , die vorrückenden Preußen dadurch
eine geraume Zeit lang aufzuhalten, denn um über den Fluß zu kommen, mußte von dieſem erst eine sogenannte Nothbrücke geschlagen werden.
Die Ufer des
Thayafluſſes ſind besonders bei Nikolsburg ſehr morastig , was natürlich den Uebergang bedeutend erschwert. eine Weile ruhig zu ;
Die preußischen Tirailleurs sahen dem Baue
aber es wurmte sie , daß der Feind am jenseitigen Ufer
unbelästigt bleiben ſollte, bis die Pontonbrücke fertig sei.
Da tauchte der Ge-
danke bei ihnen auf, auch einmal sich selbst ein Vergnügen zu machen.
Rasch
entschlossen sie sich , Uniform und Gepäck wurden abgelegt. und nur das Hemd und die Unterbeinkleider auf dem Leibe behalten , sonst baarfuß, nur mit Müge, Patronentaschengürtel und Gewehr
ging der Marsch durch den von der großen
Hige etwas seicht gewordenen Fluß. Dergleichen Kampfluſt hatten die österreichischen Husaren allerdings nicht erwartet und der richtige Instinkt, welcher ihnen sagte , daß diese ausgeschälten preußischen Tirailleurs nicht des Spaßes wegen herüberfämen , gab ihnen den Gedanken , sich eiligſt ſtatt durch die Stadt , um dieselbe herum in's Weité zu ziehen.
Dies ist eine kleine hübsche militärische Episode, die eben ihrer Sonder-
barkeit willen und weil sie den in der preußischen Armee waltenden Geist scharf characteriſirt , nicht unerwähnt bleiben durfte , wenigstens möchte es in den bisherigen Kriegen wohl noch nicht vorgekommen sein , daß feindliche Truppen in solcher Metamorphose sich präsentirten.
Auch die Vorhut der Elbarmee hatte ein ähnliches Scherzando durchzumachen.
Bei Wolfranißkirchen vor Znaym geriethen die preußischen Reiter an
ein Regiment Savoyen-Dragoner, griffen es an und schlugen es in die Flucht. Die Oesterreicher jagten verfolgt durch die Stadt , ihr Versuch , auf dem Marktplage Widerstand zu leisten, lief übel für sie ab und ihre Flucht begann daher auf's Neue. Sie retteten sich an das Ufer der südlich tief unten am Fuße der Stadt fließenden Thaya, ein Theil von ihnen floh über die Steinbrücke bei der Ingenieurschule und sprengte dieselbe hinter sich durch Petroleum .
Einige an-
dere Abtheilungen sollten über andere Brücken gehen , wurden aber von den preußischen Husaren so hart gedrängt, daß sie sich mit den Pferden in den Fluß ſtürzten, indeß die Preußen scheuten eben so wenig das Waſſer und so entwickelte sich denn mitten in dem Flusse ein Gefecht in welchem eine Partie Gefangener gemacht wurde.
Scherzend nannten die preußischen Huſaren diesen Kampf im
Wasser, ein Seegefecht zu Pferde.
385
Nicoleburg.
Wenden wir uns nun der örtlichen Schilderungen von Nikolsburg zu, welches in diesem 1866er Feldzuge als Alpha und Omega aller Friedensfreunde so viel genannt worden ist. Nikolsburg ist eine ziemlich alte Stadt an der Südgrenze der Markgrafschaft Mähren. In früheren Zeiten hat sie bereits die ruhmreiche Auszeichnung genossen, die Stätte zu sein, auf welcher Friede zwischen kriegführenden Parteien auf Grund von Präliminarien herbeigeführt wurde. So z. B. ſchloß der Cardinal Fürſt Dietrichstein im Nameu Kaiſer Ferdinands II. nach der (1620) Schlacht am Weißen Berge bei Prag , welche die tiefgesunkene kaiserliche Macht wieder auf einen grünen Zweig brachte, mit den Verbündeten der rebelliſchen Stände Böhmens und Mährens, dem Siebenbürgischen Fürſten Bethlen Gabor (welcher den kaiserlichen General Dampierre bei Preßburg geschlagen und bereits den Mähren und Böhmen zu Hilfe in Mähren eingerückt war) Friede.
Nach der Schlacht bei Austerliß , die das
österreichische Kaiserreich in Napoleons Hände gab , wurden gleichfalls in Nikolsburg die Präliminarien zum Preßburger Frieden festgestellt. Zu diesen wichtigen Geschäften diente natürlich das Schloß, ein altes Beſißthum der fürstlich Dietrichstein'ſchen Familie, welche sich jezt noch im Besiß der zweiten Tochter des lezten Fürſten Dietrichſtein, der Gräfin Mensdorff-Pouilly , Gemahlin des österreichischen Ministerchefs ( 1866) befindet.
Es ist eins der großartigen
Schlösser, wie man ſie eben nur in Oesterreich findet, wo es eine Hocharistokratie giebt, die den Namen „ reich“ hinsichtlich ihrer ausgedehnten Besißthümer verdient.
Das Nikolsburger Schloß
erinnert bezüglich seiner Lage,
Größe und
theilweise auch durch seine architectonische Zier an das berühmte Heidelberger Schloß. König Wilhelm I. von Preußen, welcher sein Hauptquartier am 18. Juli nach Nikolsburg verlegte , wohnte in demselben Zimmer , in welchem nach der Schlacht von Austerlit Napoleon I. am 9. December 1805 gewohnt hat.
Von
Nikolsburg aus zog der genannte französische Kaiser in Wien ein. Uebrigens war es nicht das erste Mal, daß preußische Truppen in Nikolsburg debutirten.
Im ersten schlesischen Kriege am 22. Februar 1742 rückte da-
selbst ein preußisches Corps unter General Poſadowski daſelbſt ein. Alle Welt blickte jezt mit gespannteſter Aufmerkſamkeit nach Nikolsburg, von dort mußte Heil und somit Friede oder Wehe , oder was dasselbe ist , der Krieg kommen.
Die preußische Armee war guter Dinge, denn ſie glaubte an
Krieg, fie träumte vom Einzug in die Kaiserstadt. Krieg ereignisse.
Welche glückliche Stimmung 25
386
Nikolsburg.
unter dieser bisher ſiegreichen Soldateska ! ' und doch ſtand Alles für sie auf dem Spiele.
"„ Ein Augenblick kann Alles umgestalten “ , heißt es.
Wenn solch ein
Augenblick für die preußische Armee erschien, war all das vergossene Blut umsonst geflossen. Wankte ihr Glückstern, dann hätte die Welt ein ähnliches Schauspiel vielleicht erlebt , wie der Rückzug der französischen Armee 1812 bot, nur mit dem Unterschiede, daß dann nicht die Winterkälte die siegreichen Preußen zu Boden warf, sondern ihre Feinde , durch deren Provinzen sie sich zurückziehen mußten, um die Grenzen ihrer Heimath zu erreichen und men, daß es dann kein Preußen mehr gab.
leicht durfte es fom-
Doch wozu dies Bild weiter aus-
malen! Gottes Hand hat die preußische Armee beſchüßt und daß die Friedenspräliminarien wirklich zu Stande famen, war für sie vielleicht eine wunderbare Fügung, um Schlimmes von ihr abzuwenden , denn sie stand auf dem Punkte, eine gefährliche Aufgabe lösen zu ſollen. Um nach Wien zu gelangen , mußte sie die Donau überschreiten. Uebergang über einen Strom ist stets
Der
ein gefährliches Unternehmen und be-
stätigte sich das Gerücht, daß ein bedeutender Theil der Südarmee in oder nahe an Wien sei und die Schanzen von Floridsdorf befeßen , desgleichen eine starke Streitmacht von Ungarn her mit der aus Olmüß sich zurückgezogenen Armee bei Preßburg vereinigen werde, so stand der preußischen Armee eine so schwere Blutarbeit bevor ,
deren glückliche Lösung nur durch
eine Schlacht erfolgen
fonnte, gegen welche die bei Königgräß vielleicht unbedeutend zu nennen war.
Der lekte Kampf und
der Waffenßtillstand .
Und wie sah es in Wien aus ? Da war Angst und Furcht vor dem zu erwartenden nahen Geschick eingefehrt.
Wie die wohlhabenderen Einwohner der
alterthümlichen Königsstadt Prag ihr Heil in der Flucht gesucht hatten, so machten es auch die Wiener.
Auch hier stellte sich das Bild einer Völkerwanderung
im Kleinen heraus , bei welcher Niemand profitirte als Fuhrleute, Fiaker und Kärner mit Handwagen.
Eine vollkommene Panik beherrschte die Gemüther,
aber nicht nur in der Stadt , sondern auch in der Umgegend . Von der Haft vor den Preußen und dem mit ISicherheit vor Wien erwarteten furchtbaren SH T RI
Furcht vor den Preußen.
387
Kampfe sich zu entziehen , gab der Wiener Correspondent der " Kölner Zeitung " folgende Schilderung : „ Aus Znahm , Brünn, Krems und den kleineren Ortschaften des Marchfeldes flüchtet eine solche Menge von Familien nach Wien, daß die Hauptstraße außerhalb der Taborlinie, die Wege von Zwischenbrücken und Floridsdorf mit Fuhrwerken aller Art förmlich überfüllt sind.
Die Polizei hat bereits das
Hinausfahren auf diesen Wegen untersagen müſſen, weil die dadurch verursachten Stopfungen und Unordnungen im Gewühl sich zu sehr vermehrten ; auch mußten besondere Polizeiorgane zur möglichsten Beseitigung von Streitigkeiten und Unzukömmlichkeiten dort aufgestellt werden.
Viele dieser Flüchtlinge haben sich und
ihre Wagen und Karren mit dem unnüßesten alten Hausrathe beladen , andere haben Haus und Hof, wie es stand , ja , selbst die bereits eingesammelte Feldernte im Stiche gelassen , um nur sich selbst in Sicherheit zu bringen , denn die
Furcht vor den " grimmigen" und
wuthschnaubenden " Preußen ist unbeschreiblich.
Die Winzer des Manhartsberges und anderer Weingegenden bringen alle ihre Weinvorräthe nach Wien.
Manche der Flüchtlinge und auch die Residenzbewoh-
ner fühlen sich jest auch hier nicht mehr sicher , sondern eilen nach Graz, Innsbrud u. f. m. ,
wie denn auch im Arsenal sämmtliche Waffenvorräthe , die 25*
388
Furcht vor den Preußen.
Maschinen zur Geſchüßfabrikation und die Sammlungen historischer Gegenstände bereits eingepackt sind, um im Fall der Noth nach Insbruck geſchafft zu werden. Besonders groß zeigt sich die Furcht in den unmittelbar vor den Linien Wiens gelegenen Ortschaften unter denjenigen Familien , die hier nur Sommerwohnungen bezogen haben.
Sie sind überzeugt , daß die Hauptmasse der Preußen
in die unmittelbare Umgebung Wiens gelegt werden und daß es dabei ohne Raub, Plünderung u . s. w. nicht abgehen wird ; sie packten daher mit aller Hast ihre Sachen, und man sieht die hochgethürmten Möbelwagen schaarenweise nach der Stadt zurückkehren. Bei dieser ängstlich aufgeregten Stimmung der Bevölkerung ist es erklärlich , daß man sich überall von Spionen umgeben glaubt , und täglich wird einer oder mehrere derselben (die wohl zuweilen ganz harmlose Fremde sind) von der argwöhnischen Menge verhaftet und der Behörde überliefert , was einige Male nicht ohne arge Mißhandlung abgegangen ist.
Viele Familien halten es auch,
mit Rücksicht auf die bevorstehende Invaſion , für nöthig , ſich auf längere Zeit zu verproviantiren, und
kaufen deshalb große Vorräthe von allen möglichen
Mehlwaaren, Hülsenfrüchten, Obst, geräuchertem Fleisch, Wurst und sonstigen Lebensmitteln ein. " Welcher Wandel des Geschicks und der Anschauungen ! früher Hohn, bittrer, beißender Spott gegen die Preußen und jezt die ungezügeltste, alle Vernunft über den Haufen stoßende Angst vor ihnen.
Der Wirrwar , den die Kopflosig=
keit der Leute anrichtete , überſtieg jede gesunde Vorstellung.
Die Wiener_illu-
ſtrirten das Schlaraffenthum, in dem ſie bisher gelebt, durch ihr eigenes Beiſpiel. Ihre Furcht vor den Preußen war um so unvernünftiger, als kein Beispiel aufzubringen war, daß irgendwie die Plünderung einer Wohnung, oder Sengen und Brennen in
einer der Städte und Ortschaften ,
die diese durchzogen hatten,
um bis Wien vorzudringen, vollbracht worden und doch regierte nicht der Stock in der preußischen Armee, wie dies der Fall im österreichischen Heere ist, wo das sprichwörtlich bekannte „Kaiserliche Frühstück “
von
Fünfundzwanzig
die be-
deutendste Rolle spielt. Man kann's eben nicht wissen, ob , wenn die Oesterreicher so siegreich in Preußen vorgedrungen wären , wie die Preußen in Oesterreich, nicht Manches geschehen sein würde , was sich unter die Rubrik " Schon früher dagewesen" hätte zählen lassen. Die „ affenähnliche Geschwindigkeit “ der Preußen und ihr „ Flederwisch “ (Zündnadelgewehr), welche Kunstausdrücke ein Wiener Redacteur in seinem viel
389
Das Schanzenwerk zu Floridsdorf.
geleſenen Blatte als seine Erfindung veröffentlicht hatte , jagten Armee und Volk in Oesterreich Entseßen ein.
Mit welchen überschwänglichen Träumen hatte
man sich, vorzüglich in Wien, vor und bei Beginn des Krieges getragen !
Ber-
lin hatte man schon in der Tasche, das war nicht zu bezweifeln, Preußen mußte wie eine Mumie unter dem wuchtigen Auftreten der kaiserlichen Heereskraft zuſammenſchrumpfen und noch war kein ganzer Monat vergangen,
daß die Preu-
Ben die Grenze Böhmens überschritten hatten und jezt befand sich das königlich preußische Hauptquartier in Nicolsburg und die preußischen Truppen standen bereits auf dem Marchfelde vor Wien !
Was war gethan , um ihnen die Beſignahme
der Kaiserstadt Wien zu erschweren oder mögligst sie daran ganz zu verhindern ? Man hatte zu Floridsdorf ein Schanzenwerk erbaut , über welches der Correspondent des großen englischen Blattes " Herald " sich folgendermaßen aussprach.
" Floridsdorf, 13. Juli. Da sich gegenwärtig das meiste Interesse auf die Floridsdorfer Linien concentrirt, so machte ich von hier hin, um mit eigenen Augen zuzusehen. Als ich vor vier Wochen diese Befestigungen besuchte, war ich erstaunt über den schwachen Fortschritt, den sie gemacht hatten ; keine einzige Kanone war damals aufgeſtellt ; kein Soldat zu erblicken ; alle befanden sich , wie man thörichterweiſe annahm, auf dem Marſche nach Berlin.
Heute ist die Scene eine andere.
und Felder und die ausgedehnten Baulichkeiten in der Umgegend melt von Bewaffneten.
Die Gaſſen alles wim-
Die Erdwerke und die Ziegelauskleidungen der Ecken
sind , wenngleich erst oberflächlich , doch genügend fertig .
Die Heerstraßen ſind
durchbrochen und in Zickzacklinien in die Vertheidigungslinie verflochten, während gewaltige Kanonen ihre drohenden Mäuler gegen alle wichtigeren Zugänge richten. Zwar ist die Ruhe und Ordnung völliger Bereitschaft noch nicht, aber doch schon im Treiben, wie es der Vollendung der Vorbereitungen vorausgeht, wahrzunehmen . Den ganzen Tag ziehen Truppen von verschiedenen Seiten ein , Sieger von Custozza und Besiegte von Königgräß.
Die einziehenden Truppen , durch-
gängig tüchtige junge Burſche , ſehen frisch genug aus , aber die Nachzügler , die ſich hinter jeder Abtheilung hinschleppen , bilden einen erbarmenswürdigen Anblick: den Ezschako in den Nacken geworfen und den Mund weit geöffnet, so erscheinen sie als leibhaftige Bilder der Verzweiflung und des Stumpffinnes , wie die äußerste Abmattung sie hervorbringt. Eine neue Ordnung muß dieses Chaos ändern ,
ein heller Kopf einen bessern Kriegsplan entwerfen , glänzende Thaten
und die kaiserliche Gegenwart müssen den Geist der
Truppen wieder beleben
390
Florisdorf.
oder das nächste Mal wird neue preußische Siege und völlige Auflöſung des Heeres bringen . Hände befißt dieses Reich genug, was ihm fehlt, ist die belebende Seele. " Floridsdorf ist ein von 1000 Einwohnern belebtes Dorf, das hinsichtlich seiner schönen Häuſer ein hühsches Entree für alle nach Wien Reisende bietet. Die Nähe der Hauptstadt begünstigt die hier heimische Gewerbthätigkeit außerordentlich. Indem man nun in Wien annahm , daß preußischerſeits alle Anstrengungen auf die Einnahme der Kaiserstadt gerichtet sein würden, hat man an dem Straßenknoten bei Floridsdorf, am linken Donauufer gegenüber der Hauptstadt, Befestigungen in bedeutender Ausdehnung angelegt und solchergestalt eine Art Düppelstellung in's Leben gerufen.
Eine Donauinsel und die sie umfließen-
den beiden Stromarme trennen Wien selbst auf etwa 2000 Schritte Wegs von Floridsdorf.
Die Schanzwerke und Befestigungen reichten weit über den Ort
vor und so hätte es möglich sein können , eine Vertheidigung zu führen , ohne die Hauptstadt von vornherein der Gefahr auszusehen, unter dem gezogenen Geschüß des Angreifers zu leiden . Mit welchen Gefahren die Preußen zu kämpfen haben würden, um über die Donau zu kommen, darüber machte sich keiner ihrer Generale eine trügerischeIllusion, ſie wäre ein trauriger Selbstbetrug gewesen.
Das jenseitige hochgelegene Ufer der
Donau war in feindlicher Hand, und dem Feinde stand drüben zugleich eine Paralellbahn zu Gebote, die nicht vom dieſſeitigen oder linken Ufer beherrscht werden konnte, was ihm also die Freiheit der Operationen gestattete. Eins glaubte jeder preußische Soldat mit Gewißheit, daß man preußischerseits Floridsdorf unbehelligt lassen und Uebergänge suchen werde, von denen sich die Oesterreicher noch nichts träumen ließen . Am Wiener Hofe herrschte nicht weniger Verwirrung als unter den Einwohnern der kaiserlichen Reſidenzſtadt, ſelbſt die Militär- und die Friedenspartei rangen mit einander um den Preis , den Kaiser für ihre so entschieden auseinander laufenden Zwecke zu bestimmen .
Zu allem Glück war die Friedens-
partei durch den Wunſch Napoleons III ., Frieden anzubahnen, bedeutend verſtärkt, ſodaß es sich voraussehen ließ, was das Reſultat der vermittelten Bemühungen des Herrn Benedetti sein würde. Gleich einer Epidemie verbreitete sich die Preußenfurcht weit in's Herz von Oesterreich hinein.
Wie hätte es aber auch anders sein können ! von Wien
ward ja dazu das Beispiel in der auffälligsten Weise gegeben.
Die kaiserliche
Familie selbst ging darin voran ; der Erzherzog Karl Ludwig und Gemahlin ,
391
Flucht der Wiener Noblesse.
Erzherzog Wilhelm , Erzherzogin Marie , Gemahlin des Erzherzogs Rainer , die Erzherzoginnen, Töchter des Erzherzogs Albrecht, (der zum Feldherrn Auserſehene) siedelten nach Schloß Eggenberg bei Graz über. Alle Vornehme, die nicht nothwendig in Wien bleiben mußten, ſtoben nach allen Richtungen hin, nur um ſich weit davon ist gut vorm Schuß "
zu sichern.
Alle Werthgegenstände
der öffentlichen Institute Wiens wurden fortgeschafft , nach Graz oder nach Ungarn
in die Festung Komorn, nach Lezterer brachte man die Pretiosen der
Schazkammer, der Silberkammer , des Münz- und Antikencabinets . prächtige Bildergallerie des Belvedere entfernte man , Ambraser Sammlung, sie kam nach Insbruck.
Auch die
desgleichen die kostbare
Der österreichische Adel hatte in
dieser Drangfalszeit Flügel bekommen , er flatterte nach Kräften hinaus in's Freie , wo keine Preußen zu fürchten waren ; aber der in der Hauptſtadt zurückbleibende Bürgerſtand , die Tausende respectabler Leute mit ſonſt ganz geſundem Verstande , den leider die clericale Verdummungspartei niederzuhalten ſich möglichst angelegen sein läßt , weil bekanntlich mit denkenden Menschen sich nicht so leicht nach Belieben umſpringen läßt , wurde etwas aufſeßig , was man im gewöhnlichen Leben unzufrieden nennt, und kaum merkten Wind, so hingen sie auch den Mantel darnach.
die Zeitungen dieſen
Besonders trat die „ Wiener
Presse " , mit sehr anzüglichen Aeußerungen hervor und regte die Gemüther nur noch mehr auf, wofür denn auch die Confiscirung einer ihrer Nummern erfolgte, in der sie sich folgendermaßen ausgesprochen hatte : „ Auf den Feldern von Königgräß haben Tausende für den sogenannten „ deutschen Beruf“
Oesterreichs
geblutet.
Vor den Schanzen von Floridsdorf
werden Tausende für die angebliche „ deutsche Sendung “
Desterreichs fallen.
Die Minister aber , welche die Tausende in's Feuer und in den Tod senden, haben Alles gethan , um das Deutschthum aus Desterreich zu verdrängen .
Sie
haben zu Gastein das deutsche Bundesrecht geopfert, sie haben im September das deutſche Verfassungsrecht , das deutsche Element in Oesterreich untergraben. Wer für Swatopluk und Arpad streitet , der schließe Frieden mit Preußen und vergieße keines Mannes Blut für die Sache, die nie die Seinige war. " Man kann allerdings einer Regierung nichts Unangenehmeres als dergleichen nicht wegzuleugnenden Vorwurf sagen , indeß ist die Wahrheit in dieſer Manier, die viel Aehnliches mit der Procedur eines stubengelehrten Naturforschers hat, der einen Mohren weiß waschen will , um der natürlichen Schwärze auf den Grund zu kommen , immerhin ein des Zweckes willen sehr verdienstliches
392
Flucht der Wiener Noblessen.
Werk.
Die Mißstimmung unter der Wiener Bevölkerung nahm besonders des-
halb bedenklich zu , da sie sich in einer ganz vernünftigen Erwartung getäuscht sah.
Das schimpfliche Ausreißen der kaiserlichen Behörden, respective Beamten ,
bei Annäherung der Preußen, wie z. B. in Prag , Brünn und an allen andern Orten, hatte eine allgemeine tiefe Entrüstung bewirkt.
Glichen sie nicht auf's
Haar jenen Miethlingshirten , von denen in der Schrift die Rede ist , daß sie davonlaufen, wenn der Wolf in die Heerde bricht ? wurden fie dafür bezahlt, sich in guten Zeiten zu mästen, aber in den Tagen der Gefahr nur an sich, nicht an ihre Verpflichtung zu denken ? Und weil Jedermann ein solches Preisgeben des Postens als ein Vergehen am Staate betrachtete ,
glaubte man allgemein ,
daß von Seiten der
Regierung nicht nur eine harte Rüge , ſondern auch eine Strafandrohung , eine Verordnung erfolgen werde, nach welcher die Ausreißer zur Rechenschaft über ihr unverantwortliches Thun zu ziehen seien ;
aber nichts erfolgte , gar nichts , es
war gar keine Rede von solcher Maßregel , die doch Pflicht der Regierung gewesen wäre.
Und
dieſe Enttäuſchung übte dieselbe Wirkung wie ein Bliß in
stockfinstrer Wetternacht , man erblickt wenigstens für die Dauer eines Moments seine ganze bisher in trostloses Dunkel gehüllte Umgebung.
Die Unzufriedenheit
mit den Zuständen sprach sich daher ziemlich laut aus , die Spigeln , der Polizei treue Wachthunde, wagten keine Denunciation , denn sie trauten nicht recht, die Zeit war zu kritisch , ihre Künste konnten schlecht belohnt werden und deshalb schwoll die Unzufriedenheit zu solcher Höhe , daß der Wiener Gemeinderath sich gedrungen fühlte, den allgemeinen Wünschen einen Ausdruck vor kaiserlichem Throne zu geben. Dr. Zelinka, der Oberbürgermeister Wiens, an der Spiße einer Deputation des Gemeinderathes überreichte dem Kaiser eine Adresse folgenden Inhalts :
" Eure k. f. apostolische Majeſtät ! „ Als Eure Majestät Ihren getreuen Völkern den Beginn des Krieges um Oesterreichs Machtbestand und Deutſchlands Unabhängigkeit verkündeten, haben die Vertreter der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien den Gefühlen ihrer Loyalität und ihrer Hoffnungen an den Stufen des Throns Ausdruck gegeben.
Seither haben schwere Schicksalsschläge Desterreich getroffen, und
wieder haben Eure Majestät
zu Ihren
treuen Völkern gesprochen .
Der
Gemeinderath von Wien hält es in dieser ernsten Stunde für seine unabweisliche Pflicht, neuerdings vor Eure Majestät zu treten und ebenso den
393
Abreffe des Wiener Gemeinderaths an den Kaiſer.
Gefühlen der Ergebenheit an die Perſon Eurer Majeſtät als den Hoffnungen und Erwartungen der Völker Ausdruck zu leihen.. „Blühende Provinzen des Reiches sind vom Feinde besezt, selbst das Stammland der Monarchie ist bedroht, Tausende unsrer Söhne und Brüder haben auf den Schlachtfeldern erfolglos geblutet. Zeit will die Vertretung Wiens nicht
In so bedrängnißvoller
alle Ursachen erörtern , welche die
gegenwärtige , tiefernste Lage des Reichs verschuldet haben, das Eine aber darf sie aussprechen ,
daß diese Lage weniger durch die lezten Mißerfolge
im Felde, als durch die unglückliche Politik herbeigeführt wurde , welche die Rathgeber der Krone zum Theil schon seit einer langen Reihe von Jahren sowohl im Innern als nach Außen verfolgten. Doch jezt gilt es, vorwärts zu schauen und sich des erhabenen Wortes Eurer Majestät würdig zu bewähren , daß Oesterreichs Völker sich nie größer zeigten als im Unglücke. Ja die Vertreter der getreuen Stadt halten an der Ueberzeugung fest , die Völker Desterreichs werden sich als dieselben bewähren ,
welche wiederholt
zahlreichen und glücklichen Feinden gegenüber den Muth nicht ſinken ließen, sondern sich treu und fest um ihren Monarchen schaarten. „ Sie halten sich jedoch zu der Erwartung berechtigt , daß Ihr Kaiſer, in Verwirklichung jener Grundsäße , die er wiederholt als die leitenden Gedanken seiner Regierung Räthen , welche in
der
ausgesprochen hat ,
Volksvertretung die
unter Mitwirkung
festeste Stüße
von
des Thrones
und des Reiches sehen , und im Einklange mit dieser eine kraftvolle und wahrhaft freisinnige Politik in's Leben rufen werde.
Eure Majestät haben
in Ihrer hohen Einsicht sich veranlaßt gesehen, die Führung Ihrer tapfern Armee andern , hoffentlich glücklichern Händen anzuvertrauen. Majestät zu dem segensreichen Entschlusse kommen ,
Möge Eure
auch zur Leitung der
Staatsgeschäfte solche Männer zu berufen , deren entschiedene Thatkraft und politische Gesinnung den Völkern Oesterreichs die Gewähr einer bessern Zukunft zu geben geeignet ist. Dadurch würde in uns Allen jenes Selbstvertrauen und jene Thatkraft entflammt ,
welche
den
größten
Gefahren
gewachsen
ist und die
schwersten Wunden des blutigsten Kriegs in kurzer Zeit zu heilen vermag . Auch zeigen.
die Reichshauptstadt Wien
wird sich ihrer Vergangenheit würdig
Wien ist keine Stadt von gestern ; oft schon hat sie sich von seind.
lichen Schaaren umringt geſehen , aber niemals hat in solchen Tagen die
394
Erklärung des Kaisers an den Wiener Gemeinderath.
Treue der Bürger geschwankt.
Eine ruhmvolle Vergangenheit , große Er-
innerungen erheben eine jegliche Brust, und unerschüttert in schwerer Stunde, vertrauend auf das Wort des Monarchen und den endlichen
Sieg des
Rechts ſieht die Bevölkerung Wiens der Zukunft muthig entgegen. „ Gott segne, Gott schüße, Gott erhalte Eure Majeſtät ! “ Wie wenig aber in den allerhöchsten Kreisen Desterreichs auf Wünsche des Volkes Gewicht gelegt wird , wenn sie nicht zufällig mit denen der Regierung übereinstimmen, das bestätigte sich bei dieſer Gelegenheit schlagend und fand auch später den unzweifelhaftesten Ausdruck in allen dem , was nach Herbeiführung des Friedens geschah oder eigentlich nicht geschab.
Der Kaiser erklärte den
Deputirten des Gemeinderathes etwas ungnädig , daß ſie ſich um andere Dinge als die zur Verwaltung der Stadt gehören , nicht zu
kümmern und er das,
was sie in der ihm überreichten Adresse
von
Regierungssystems angedeutet hätten ,
seiner Gnade nur
in
nothwendiger Aenderung des als
einen rein
persönlichen Wunsch, durchaus nicht als den Ausdruck einer Behörde erkennen wolle , deren Wirkungskreis ein ganz anderer und die gar nicht berechtigt ſei sich in derlei Uebergriffen zu ergehen.
Somit war die Hoffnung auf's Beſſer-
werden der Zustände aus dem Felde geschlagen und der Gemeinderath des gemüthlichen Wiens begab sich unverrichteter Dinge nach Hauſe. Zu diesen Vorkommniſſen in der Kaiserstadt, vor der die Preußen standen und auf die Ergebnisse harrten, welche der fortgeseßte oder vielmehr wieder neu aufgenommene Vermittlungsversuch des Herrn Benedetti haben werde , gehörte auch noch eine Zeitungs- Schrulle, die allgemeine Heiterkeit erregte.
Die Wiener
" Preſſe “ meldete ganz ernsthaft : es würden zwei telegraphische Luftballons ausgerüstet, die der Telegraphendirector Mayerhofer erfunden habe und die bis zum 27. Juli fertig ſein sollten.
Den Telegraphendienſt im Ballon versorge Herr
Mayerhofer selbst und würde demselben nur ein Generalstabsoffizier zur leichteren Uebersicht der allfälligen (preußiſchen) Truppenbewegungen mitgegeben. Der Ballon werde, um vom Winde nicht fortgetrieben zu werden, an gewissen Stellen durch Seile fixirt und so eingerichtet . daß er ohne weitere Gasfüllung sich 7–8 Stunden in der Luft halten könne. So erwünſcht für die große Allgemeinheit der Waffenstillstand war, unter dessem Schuße der Friede zur Vollziehung kam , so ist es gewißlich sehr zu beflagen ,
daß dieſe Luftballontelegraphie
nicht zur Ausführung
gelangte.
Die
Aeronautik hat jedenfalls dadurch einen Verlust an Gloire erlitten, vielleicht wäre
Pariser-Vorschläge des Prinzen Reuß an den König von Preußen.
395
es später möglich gewesen , auch noch die himmlischen Heerschaaren zum Kampfe zu engagiren. Zum Glück erlangte die, wie schon
erwähnt,
auf Kaiser Napoleonê
Wünsche gestüßte Friedenspartei am Wiener Hofe das Uebergewicht. In Folge der vom Prinzen Reuß an den König von Preußen aus Paris überbrachten Vorschläge wurde schon am 20. Juli aus dem königlichen Hauptquartier Nicolsburg
an Kaiser Napoleon zurücktelegraphirt , daß das Berliner
Cabinet in den von Sr. Majestät dem Kaiser von Frankreich aufgestellten Bedingungen genügende Garantien finde , sie daher annehme und sich zu einer fünftägigen Einstellung der Feindseligkeiten bereit erkläre, falls auch Desterreich diesen Vorschlägen als Grundlage der Friedensverhandlungen
beistimme.
Es
würde den lezten Reſt Theilnahme an Oesterreichs Geſchick in ganz Europa vernichtet haben , wenn die Wiener Politik ſich jezt hätte auf's hohe Pferd seyen und Napoleons Vermittelung zurückweiſen wollen. Theils mag dieser Grund das Wiener Cabinet zur Annahme dieser Friedensverhandlungen geleitet haben , vielleicht hatte auch das Bewußtsein , daß die Stimmung in der Hauptstadt schlecht sei und unter Umständen die zuſammengewürfelten Völker im Kaiſerſtaate aufständisch werden könnten , beigetragen , ſich für Annahme des Friedens zu entscheiden , wenn er halbwege so beschaffen ſei, daß die Oesterreich daraus erwachsenden Bedingungen nicht allzu hart wären . Einer von gut unterrichtet sein wollenden Personen ausgehender Angabe zufolge, habe die Friedenspartei die Abwesenheit des friegerisch gesinnten und an der Spige der Militärpartei stehenden Erzherzog Albrecht rischer Angelegenheit nach Ungarn gereist
er war in militä-
benügt , um den Kaiser zum Nach-
geben gegen Preußen zu bestimmen.
Am 21. Juli wurde also von beiden Seiten ein fünftägiger Waffenstillſtand abgeſchloſſen , der mit dem Mittagsschlage 12 Uhr am nächsten Tage beginnen sollte ; aber diese Ruhezeit, aus der, wie zu hoffen war und alle Menschenfreunde wünſchten, ein Friedenswerk, wenigstens hinsichtlich der nothwendig vorhergehenden
Grundbedingungen
(Präliminarien) Wurzel schlagen möge , sollte
noch mit Blutvergießen eingeleitet werden.
Und dies kam so.
Die Aufstellung der ersten (Prinz Friedrich Karls) Armee war folgende : Die Avantgarde derselben ſtand in Gänserndorf, das Cavalerie-Corps in Angern , zwei Divisionen auf der andern Seite der March in Stampfen und Bisteriß, der Rest stand rings um Ebenthal, wo das Hauptquartier ſich befand,
396
Nächtlicher Ritt des Generals Häfeler.
Die zweite Armee unter dem Kronprinz war im Begriff, nachdem sie genugsame Macht zurückgelassen hatte , um für alle Fälle gegen Versuche von Olmüş aus gedeckt zu sein, sich der ersten Armee anzuschließen und bei der bekannten raschen Beweglichkeit der preußischen Truppen war der Anschluß schnell zu erwarten, wenn er nämlich als nothwendig gefunden wurde.
Die Elbarmee unter Her-
warth von Bittenfelds Leitung stand auf der Hauptstraße von Nicolsburg nach Somit war die ganze preußische Macht concentrirt und gut zur Hand
Wien.
und es war kein Zweifel , daß . wenn die Unterhandlungen abgebrochen werden ſollten , mit bligesschneller Geschwindigkeit ein Schlag gegen das Herz des österreichischen Kaiserstaates geführt werden würde. Welches Resultat er haben werde, das freilich lag noch verhüllt im Rathschlusse des Himmels. Karl hatte noch keine Kunde davon erhalten
Prinz Friedrich
daß eine Entscheidung über eine
Waffenruhe stattgefunden habe , dagegen aber in der Nacht vom 21. zum 22. Juli , die Meldung , daß die Oesterreicher den Weg in der Nähe des Dorfes Bisterig zu sperren versuchen wollten, und verhindern.
demgemäß Ordre gegeben dies zu
General Fransecky hatte den Auftrag auszuführen .
Drei ſeiner Diviſionen hatten am 2. Juli Nachmittags an der Straße, welche die linke Seite der March hinunter von Göding nach Preßburg führt bivouakirt, ihre Stellung war auf dieser selben Straße zwischen den Dörfern Stampfen und Bisterig , ihre Borhut war ein wenig vor das leztere Dorf vorgeschoben.
General von Stülpnagel , General-Quartiermeister der ersten Armee,
begleitet vom Grafen Häfeler, vom Generalstab, kamen von einer Recognoscirung der österreichischen Stellungen im Norden der Donau in Franseckys Bivouafs zur Abendzeit an und
das Resultat ihrer Untersuchung ging dahin ,
Desterreicher das an derselben Straße ,
daß die
wie Stampfen und Bisteriz , liegende
Dorf Blumenau, das nur zwei Stunden von Preßburg entfernt liegt, mit starker Truppenmacht besezt hätten ,
um somit den Weg nach Preßburg zu verlegen .
Diese Nachricht war von großer Wichtigkeit für die Preußen , denn nur von Preßburg aus konnten sie hoffen , einen leichten Donauübergang zu gewinnen . War aber Preßburg nicht in ihrer Hand , so fiel natürlich dieſe Hoffnung von selbst weg.
Es galt alſo ſich dieser Stadt zu bemächtigen und zwar so schnell
als möglich, damit die Oesterreicher sich nicht erst lange in Blumenau festsegen fonnten .
·
Graf Häfeler eilte demnach nach Prinz Friedrich Karls Hauptquartier mit der Bitte,
um Erlaubniß ,
die Oesterreicher
aus Blumenau werfen und
397
Marsch ber Preußen nach Preßburg. Preßburg nehmen zu dürfen.
Das war die Kunde, von der vorstehend als dem
Prinzen in der Nacht zugekommen , bereits die Rede gewesen.
Die Erlaubniß
wurde natürlich sofort gegeben , denn man durfte nicht dulden , daß die Oester-. reicher in aller Bequemlichkeit der preußischen Armee den Weg nach Preßburg verlegten und eine Stellung gewannen , aus der sie später nur mit großen Anſtrengungen und vielen Opfern der Angreifenden zu bringen gewesen sein würden . Es war Mitternacht vorbei, als Graf Häfeler aus dem Ebenthaler Hauptquartier nach Bisteris zurückritt. Wie von dem in der Nacht vor der Königgräger Schlacht geschehenen Ritte des Lieutenants von Normann nach Miletin zum Kronprinzen von Preußen sozusagen das Geſchick des Feldzuges abhing , so auch jezt der Erfolg des in Rede stehenden Kampfes von dem nächtlichen Ritte Graf Häfelers nach den Bivouafs des Generals Fransecky, denn es sind 30 englische Meilen schlechten Weges von Ebenthal bis Visterih und dazu eine dunkle unheimliche Nacht ; aber mit dem Morgengrauen langte der wackere Stabsoffizier glücklich an seinem Ziele mit seinem
todtmüden ,
von Schweiß triefenden Renner an.
Franſecky traf sofort Anstalten um bieten.
den Oesterreichern
General
eine Ueberraschung zu
Die fünf englische Meilen lange Straße von Bisterig nach Blumenau läuft dicht unter den äußersten westlichen Abhängen der kleinen Karpathen hin und diese Berghänge bildeten einen , den marſchirenden Preußen zur Linken bleibenden hoch empor ragenden Wall, oft von ſteilen und rauhen Schluchten durchbrochen , durch welche kleine Gewässer hinunter strömen und ihren Lauf in ununterbrochenen Wasserstürzen
nach der March oder der Donau zu nehmen ,
zwischen dem Laufe dieser kleinen Flüſſe dehnen sich die Abhänge des Gebirges in rauhen , wellenförmigen Maſſen bis in die Ebene aus , March fließt.
durch welche
die
Das Terrain an den Seiten der Gebirge ist überall rauh und
coupirt , große Steine liegen zerstreut darüber hin und an vielen Stellen ragen jackige Felsblöcke aus dem Boden hervor und bilden natürliche Festungen , um den Uebergang von Truppen über die Berge zu verhindern . Ein dichter Wald , deſſen Eichen und Tannen bisher unausgenußt waren und die so enge aneinander gewachſen ſind , daß ihre Aeste und Zweige einem Neße aus dunkelgrünem Laube gleichen , durch welches ein Mensch kaum durchzudringen vermag , befindet sich an den Seiten der Schluchten und auf den minder steilen Höhen der Berge und zieht sich längs des Weges von Bisterig
398
Die kleinen Karpathen.
bis Preßburg an den Seiten der Berge hinauf.
Es führen nur wenige Pfade
durch den Wald und diese sind weit von einander entfernt und auch nur für Infanterie passirbar , marschiren. Linie
weil es
derselben möglich ist in schmalen Gliedern zu
Von Blumenau geht die Straße links ab und läuft in gerader
durch das bergige Defilee nach Preßburg .
Die von Gänserndorf nach
Preßburg führende Eisenbahn durchschneidet bei Blumenau die erwähnte Straße und wendet sich dann nach Ueberschreitung derselben links , indem sie weiter durch das gedachte Defilee sich hinzieht. An der Seite der Straße und der Eisenbahn, Blumenau gegenüber, ungefähr 25 Minuten Wegs entfernt, ist das kleine Dorf Kaltenbrunn, auf rauhen, durchbrochenen Hügeln, die Thebenberge genannt, gelegen, die mit Fichten bedeckt sind und das ganze Dreieck zwischen der Eisenbahn , der March und der Donau ausfüllen.
Ungefähr fünf bis ſechs Viertelstunden von Blumenau näher nach
Preßburg zu gehen die Straße und die Bahn neben einander über einen kleinen Fluß, der zwei sich gegenüber liegende Waſſermühlen treibt,
oberhalb dieſer
Mühlen erhebt sich links ein Hügel, der etwas höher als die ihn umgebenden Höhen und weniger bewaldet ist , er führt den Namen „ Gämſen (Gemſen) berg . “ Ein Fußweg, welcher die Heerstraße von Bisteriz verläßt , führt links von der Straße die Berge hinan, an einem ſteilen abſchüſſigen Abhange wieder hinunter und verbindet sich mit der Hauptstraße hinter den schon gedachten Wassermühlen an der Seite des Gämſenberges. Dieſer für Militär außerordentlich schwierig zu paſſirende Bergweg wurde von den Preußen nicht gescheuet. Regimenter , das
General Bose hatte nämlich Befehl , zwei
21. und 71. , jedes aus drei Bataillonen bestehend und zu-
ſammen 5000 Mann ſtark (der Krieg hatte ihre volle Zahl ſo gemindert), von Biſteriß aus über diesen Bergweg zu führen , um dem Feinde in der Nähe des Gämsenberges in den Rücken zu fallen, und ihm ſolchergestalt den Rückzug nach Preßburg abzuschneiden, während General Franſecky selber entschlossen war, mit ſeinen übrigen Truppen die österreichiſche Poſition in der Fronte anzugreifen. Eine genaue Recognoscirung ,
die natürlich mit großen Schwierigkeiten
verbunden war , hatte über die österreichische Stellung Folgendes ergeben :
Sie
war durch den Wald und durch das coupirte Terrain dem Blicke entzogen. Die Desterreicher standen mit bedeutenden Kräften da , ihr Centrum hielt die Dörfer Blumenau und Kaltenbrunn und das dazwischen liegende Terrain beseßt , der linke Flügel stand im Fichtengehölz am Thebenberge , sich nach der March hin
399
Marsch der Preußen gegen Blumenau.
ausdehnend.
Ihr rechter Flügel reichte nach dem Dorfe Blumenau , ungefähr
eine halbe Meile bis zu den unteren Höhen der Karpathen.
Die Stellung war
sehr stark, der Böden für die Vertheidigung außerordentlich günstig , da er für die Wirkung des Zündnadelgewehrs kein offenes Feld ließ .
Während General
Boſe mit ſeinen beiden Regimentern wegen des beschwerlichen und langen Weges schon um 5 Uhr aufbrach, ließ General Franſecky ſeine Truppen erst um 6 Uhr den Vormarsch gegen Blumenau antreten. Die Avantgarde rückte nun schnell vor, der Rest der kleinen Armee folgte in Schlachtordnung nach.
Tirailleure drangen durch die Felder zur Linken und
hielten ſich dicht an das Gehölz der Bergſeite, ihre Unterſtügung folgte in kleinen Abtheilungen hier und dort hinterher, ein größerer Truppenkörper marschirte die Straße entlang, hinter dieſem rechts und links ausgebreitet die mächtigen Heersäulen der Infanterie und in breiter Frontlinie die Batterien der Artillerie. Zur Rechten der Straße ritt eine Schwadron Husaren mit dem lustigen Klirren der Säbel über die Matten und ebenen Stoppelfelder, stets Patrouillen vorausſchiebend , die mit dem Carabiner in der Hand ſich fächerartig vor dem Hauptcorps
ausbreiteten .
Kaum
hatten
die
Truppen
sich
in Bewegung
gesezt,
als die Morgensonne hell aus den Wolfen über den Karpathen heraustrat und glänzend die blanken Säbel der Cavalerie und blißenden Bajonnete und Gewehre und selbst einen Schimmer auf dem dunkelgebräunten Stahl der Kanonen hervorrief. Die marschirenden Colonnen begrüßten die Morgenſonne mit Jubel als eine sie erwärmende Freundin , denn sie fröstelten noch vom Nachtbivouaf , die Nacht war sehr fühl gewesen.
Langsam und fest geſchloſſen zogen die Colonnen
dahin, Alle schweigſam , denn Jeder fühlte jene ernſte und bange Empfindung, welche jedesmal vor der Schlacht auch des Muthigsten Bruſt durchſtrðmt.
Kein
froher Sang war zu hören , nur der Schall des gemessenen Schrittes der Bataillone und das Raffeln der Geſchüße. Die Vorhut näherte sich bis auf 3000 Schritt jenem Punkte , wo die Eisenbahn durch die lange Reihe Telegraphenstangen ersichtlich ist und wo sie sich der Straße zur Rechten nähert , dort wo die grünen Fichtenbäume dahinter die Stellung der Oesterreicher bezeichneten. Vom Feinde war bis auf zwei Schwadronen Ulanen keine Spur zu ſehen, die eine war bedeutend weiter zurüd als die andere, die auf dem ebenen Terrain
400
Das Gefecht bei Blumenau .
rechts von der Straße vor der Eisenbahn bewegungslos wie Statuen, die Fähnlein der Lanzen im Winde flatternd, stand . Plöglich brach der bekannte weiße Rauch , das Zeichen , daß eine Kanone abgefeuert wurde , von dem erhöhten Terrain zwischen Blumenau und Kaltenbrunn hervor, und sausend flog eine Granate über die Köpfe der Husaren durch die Luft.
Die preußischen Kanonen kamen bald in den Kampf, sie eröffneten
ihr Feuer sofort gegen jenen Punkt, woher der erste Schuß gekommen, dem aus derselben Stellung mehrere andere dicht hintereinander folgten den
Pulverdampf als
die Poſition
und
der durch
der feindlichen Batterien kenntlich war.
Während des Artillerie- Gefechtes ritten die zur Rechten postirten grünen Husaren in vollem Carriere gegen die österreichischen Ulanen los ; auch diese fingen an, sich in Bewegung zu sehen ; erst langsam . dann immer schneller ritten ſie den Husaren entgegen ;
als sich die beiden Schwadronen bis auf einige hundert
Schritt genähert hatten, trieben sie ihre Pferde zur größten Schnelligkeit an und stießen mit mächtigem Geraſſel gegen einander. Die harte Umarmung währte nur einen Moment, dann waren die Ulanen zersprengt und flohen , die Huſaren ſtärker und beſſer beritten , warfen durch ihr Gewicht die Reihen der Lanzenreiter, verfolgten sie eine kurze Strecke und machten mehrere Gefangene ; sie konnten aber nicht weiter folgen, da andere Schwadronen Ulanen drohend bereit standen und den Husaren keine Reserve zur Hand war. Das Cavalerie-Gefecht ,
obgleich nur kurz , war doch heftig , viele Leute stürzten
auf beiden Seiten , dem Major von Hymen ,
der die Husaren commandirte,
wurde die eine Seite des Gesichts gespalten , er verließ troßdem nicht das Feld und commandirte seine Schwadron während des ganzen Tages weiter. Inzwischen war die Kanonade im Centrum stärker geworden ,
immer
mehr preußische Kanonen wurden in's Gefecht gebracht , ebenso feuerten viele österreichische Geschüße zwischen Blumenau und Kaltenbrunn ; um 8 Uhr , als der Kampf bereits eine Stunde gedauert hatte ,
donnerten vierzig österreichische
und sechsunddreißig preußische Geſchüße gegen einander los ; die Verluste wurden größer, besonders hatte eine preußische Batterie sehr schnell die Pferde verloren, da die Oesterreicher gut zielten und ihre Granaten zumeist im richtigen Moment plagten. Eine halbe Stunde später traf vom Prinzen Friedrich Karl die Nachricht ein, daß ein Waffenstillstand abgeschlossen sei, der um 12 Uhr Mittags anfange; Fransedy konnte aber den Kampf nicht abbrechen , weil von Bose mit seiner
401
Gefecht bei Blumenau und Kaltenbrunn.
Brigade in den Bergen steckte und sobald der große Frontangriff aufhörte, wahrscheinlich noch vor der Mittagsstunde gefangen worden wäre.
Es wurde
indeß keine Infanterie vorgeschickt, und der Kampf blieb volle zwei Stunden auf das Artilleriefeuer allein beschränkt. General Fransecky war immer noch wegen Boſe beſorgt ,
er beſchloß
daher einen energischen Angriff gegen die österreichische Stellung.
Er sandte
den General Gordon mit vier Batterien über einen Gebirgsweg , der von der Straße nicht weit von der Stellung der Artillerie abzweigt und über niedrigere Berge als die von Bose überschrittenen führt und bei Blumenau wieder zur Straße herabkommt.
Zugleich wurden zwei Bataillone gegen das Fichtengehölz
bei Kaltenbrunn zum Angriff gegen den österreichiſchen linken Flügel abgesendet, um
wo möglich das Dorf zu nehmen , während das Haupt-Corps und die
Artillerie geradeaus gegen die Front vorgehen sollten. Die Kanonen wurden aufgeproßt , die zwei Bataillone rückten über die Ebene vor Kaltenbrunn vor;
Gordon war bereits auf den Hügeln und
das
Haupt-Corps avancirte tausend Schritt , die Kanonen proßten ab , kamen in's Gefecht und erneuerten ihr Feuer gegen die österreichischen Batterien.
Um eilf
Uhr waren die zwei Bataillone dem Gehölze von Kaltenbrunn näher gerückt und wurden von den österreichischen Schüßen mit heftigem Feuer empfangen ; hinter den Geſchüßen zwischen Blumenau
und Kaltenbrunn konnten sie die
Massen Infanterie- Colonnen sehen , die den Frontangriff zurückschlagen sollten. Die preußischen Bataillone entwickelten sofort ihre Glieder und feuerten auf die Infanterie im Gehölz ; ihre Gegner waren durch Bäume gedeckt, und es ſchien, als ob die Preußen durch ihr Feuer den im Walde Befindlichen wenig Abbruch thun fonnten. Inzwischen traf die Nachricht von Bose ein , daß er im Begriff sei , den Gämſenberg zu umgehen und daß er dort die berühmte schwarz-gelbe österreichische Brigade gegen sich habe. Boſe hatte einen harten Kampf zu fechten , da
die Oesterreicher eine
Salve nach der andern gegen die Spiße seiner Colonnen sandten , sobald dieſe aus dem Gehölz heraus kommen wollten , und dabei war das Gebüsch ſo dicht, daß die preußischen Schüßen sich kaum durchzuarbeiten vermochten, um tirailliren und von zwei Seiten das Feuer gegen die Desterreicher eröffnen zu können. Nach geraumer Zeit endlich gelang es ihnen , zwischen den dicken Baumſtämmen und dem verschlungenen Gehölze hervorzubrechen , den Gämsenberg zu umgehen 26
402
Gefecht bei Blumenau und Kaltenbrunn.
und sich zu entwickeln .
Unter fortwährendem Kampf wurden
die Oesterreicher
Schritt für Schritt zurückgetrieben , zuleßt beseßte Bose die beiden Wassermühlen, stellte seine Brigade quer über die Straße nach Preßburg und sandte eine Ordonnanz an General von Fransecky mit der Nachricht , daß der Rückzug des Feindes abgeschnitten sei und der Frontangriff mit Macht forcirt werden könne. Das Eintreffen dieser Nachricht war der Anlaß zum Hauptangriff, ehe jedoch das Gefecht noch beendet werden konnte, wurden dem General Fransedy die Lorbeeren, die er sich durch die Gefangennahme des Feindes erworben hätte, und der Sieg , der ihm durch seine geschickten Dispositionen unzweifelhaft ſicher war, entriſſen. Die Zeit rückte vor und
ehe noch der Frontangriff entwickelt werden
konnte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel, war die Mittagsstunde herangekommen.
Einige Minuten später kam ein österreichischer Offizier aus der
Stellung von Blumenau mit einer Parlamentärflagge heraus , und
auf die
Linie der Preußen zu, wo ihm ein preußischer Offizier entgegen kam, dem er die Nachricht brachte, daß ein Waffenstillstand abgeschlossen sei, der Mittags 12 Uhr beginne, und diese Zeit bereits verflossen sei.
In wenigen Minuten wurde das
Signal zum Einstellen des Feuers längs der preußischen Reihen gehört und das Gefecht war abgebrochen.
Dies
plögliche Schweigen machte einen eigenthüm-
lichen Eindruck; der Lärm des Kampfes war wie abgeschnitten , keine einzeln fallende oder aus der Entfernung nachhallende Schüsse waren zu vernehmen, wie dies gewöhnlich bei einer endenden Kanonade der Fall ist; im Nu ſchwieg der Donner der Kanonen und das Gepraſſel des Kleingewehrfeuers , während auffallend lautes Gespräch aus den Reihen der Soldaten hervordrang . Zuerst wollten die Oesterreicher nicht glauben ,
daß ihr Rückzug abge-
schnitten und daß sie in der größten Gefahr gewesen waren, gefangen genommen zu werden ; sie hatten von ihrer Nachhut keinen Rapport erhalten und waren der Meinung , daß sie die Straße von Preßburg beherrschten. zeugten sie sich,
Bald aber über-
daß sie in Wirklichkeit abgeschnitten waren , da sie bei ihrem
Rückmarsch fanden , daß die preußischen Truppen die einzige Straße, welche beim Rückmarsch für ihre Artillerie verwendbar war, abgesperrt hatten.
Zwar führt
von Kaltenbrunn ein gewöhnlicher Landweg bis zum Ufer der Donau , aber er ist höchstens für Infanterie paſſirbar, Artillerie kann auf demselben nicht geführt auerden und daher ist einzig und allein die Straße, welche General von Boſe besezt hatte, die für das Fortkommen des Geschüßes verwendbar bleibende.
403
Kamerabschaft zwischen Oesterreichern und Preußen.
Die Oesterreicher genossen in der That die Ueberraschung , zwischen den beiden preußischen Regimentern Boses wie durch eine Gaſſe ihren Rückmarſch nach Preßburg nehmen zu müſſen.
Bei diesem Kampfe konnte die Ueberlegen-
heit der Preußen nicht dem Zündnadelgewehr aufgebürdet werden, denn für dasſelbe gab es hier, wie ſchon angedeutet, kein Terrain und deshalb sagte ein öfterreichiſcher Offizier zu einem preußischen Kameraden :
" Euer Zündnadelgewehr ist eine capitale Waffe und wir wissen aus Erfahrung .
was
es werth ist; was uns aber mehr schadete ,
das waren Eure
Generale, die das Manövriren verteufelt gut verstehen . “ Die Zahl der auf beiden Seiten Kämpfenden war ziemlich gleich.
Die
Preußen hatten zwei Divisionen , zusammen aus 25 Bataillonen bestehend , im Felde mit 48 Kanonen , wovon 12 stets in Reserve blieben.
Die Oesterreicher
hatten dagegen die 1., 2. und 4. Brigade ihres zweiten Armeecorps und Mandl's Brigade vom zehnten Armeecorps mit 40 Geschüßen im Gefecht.
Sie verloren
bei dem Blumenauer Kampfe zwischen 500-600 Mann , von denen 100 gefangen genommen wurden, und über 300 Verwundete . Der Verlust der Preußen. wurde auf 300 Todte und Verwundete angegeben. Ein höchst eigenthümliches Bild gewährte die Kameradschaft , Desterreicher und Preußen mit einander schlossen. welche
quer
über
die
Straße standen ,
waren
welche
Die Leute von Boſses Brigade, jezt
von
dichten
Gruppen
öſterreichischer Soldaten umgeben , man tauschte Tabaf mit einander , tranf brüderlich aus einer und derselben Flasche , man schwazte und lachte über den Krieg und da es Mittag war, fochten die Blauröckler und die Weißröckler untereinander gemischt ihre Rationen zuſammen , denn Hunger hatten Alle.
Dieſe
untermischten Gruppen an den Feuern machten sich prächtig und für die Nacht bereitete sich ein auf diese Weise durcheinander gemischtes höchſt intereſſantes und seltenes Bivouak vor , welches
an jene Nacht nach der Schlacht von Torgau
(2. November 1760) erinnerte , wo ganz kameradschaftlich Kroaten , preußische Grenadier ,
Tiroler Scharfschüßen und Ziethenſche Husaren im Walde beim
Wachtfeuer lagerten. Unterdeß die Blauröckler
und
die Weißröckler sich höchst gemüthlich
unterhielten , waren General von Stülpnagel und Graf Häfeler nach Preßburg . gerittten, um mit dem österreichischen Plaßcommandanten die von den Truppen während
des
Waffenstillstandes
innezuhaltende
Demarcationslinie festzusehen.
Indeß da dies nicht so schnell ging , und es darüber schon spät am Tage ge26*
404
Ziehung der Demarcationslinie.
worden war , so bewilligten die österreichischen Offiziere, daß die auf dem den österreichischen Truppen bestimmten Grund und Boden stehenden Preußen, daſelbſt bivouakiren konnten und erst mit Tagesanbruch das ihnen angewiesene Terrain besehen sollten . In einem kleinen Dorfe zwischen Gänserndorf und
der Donau wurde
von den Commiſſarien Oesterreichs und Preußens die Demarcationslinie gezogen, welche während des Waffenstillstandes beide Parteien scheiden sollte. Die preußischen Commissarien waren der General von Podbielski vom Generalstabe des Hauptquartiers des Königs , und
der Major von Caprivi , vom Stabe des
Prinzen Friedrich Karl; die österreichischen Commiſſarien waren General John und mehrere Offiziere des österreichischen Hauptquartiers . Demarcationslinie wurde wie folgt bestimmt.
Die in Rede stehende
Sie begann zur Rechten der
Preußen an der Donau , folgte dem nördlichen Ufer
des Stromes bis nach
Stockerau, von dort zog sie sich im Bogen bis an das Flüßchen Hollsbach nahe bei Hollabrunn ; von dort in der Linie bis zum Dorfe Weinstrig stieß sie an das kleine Flüßchen Roßbach, dicht am Dorfe gleichen Namens und folgt dem Laufe des Stromes bis Leopoldsdorf, dann die Straße entlang bis zum Dorfe Lasse, und vermittelst
einer angenommenen geraden Durchschnittslinie bis zur
Eisenbahn über die Marh bei Marchegg.
Links von der March ist die gerade
Linie von der Eisenbahnbrücke bis zu dem Dorfe Bisteriß , von wo aus sie der östlichen Ecke des Fahrenwaldes folgt, bis sie an die Hauptstraße von Skaliz (an der March) nach Tyrnau stößt. Auch wurde festgeseßt, daß die Befehlshaber der Festungen sich mit den Blokadegeneralen wegen der betreffenden Demarcationslinie besonders verständigen ſollten . So war denn das preußische Heer in Mähren von dem österreichischen Heere factisch für die Zeit des Waffenstillstandes getrennt. Dem Gebrauche gemäß stießen österreichische Zeitungen
in die Allarm-
trompete , um der Welt den Sieg ihrer Landsleute bei Blumenau zu verkünden, indeß wie jede Unwahrheit eine Seifenblaſe iſt, die anfänglich in ſchönen Regenbogenfarben schillert und dann - zerplagend , nichts
als einen verrinnenden
Tropfen hinterläßt , so gings auch mit dieser Siegesfanfare, man erfuhr bald, daß gerade das Gegentheil davon wahr sei.
Dies wurde auch durch Briefe von
Preßburg bestätigt , wie wir hier als Beleg den Inhalt eines solchen, veröffentlichten mittheilen :
405
Preßburger Brief.
Preßburg, 23. Juli. Vor einer feindlichen Invasion wären wir nun in Folge der gestern Mittag eingetretenen Waffenruhe für fünf Tage gesichert.
Doch müssen wir ge-
stehen, daß dieselbe für uns gerade zur rechten Zeit in Wirksamkeit trat.
Eine
Stunde später und Preßburg wäre bereits von den Preußen beſeßt. Die Preußen waren in drei getrennten und doch mit einander in inniger Verbindung stehenden Corps bei Holitsch, Saſſin und Gänserndorf-Marchegg in Ungarn eingedrungen, und bewegten sich concentrisch über Malazka , Stampfen und Neudorf gegen Preßburg.
Am Knotenpunkt dieser Straßen , in Blumenau , kaum eine Stunde
vor Preßburg , stießen die Preußen auf österreichische Vorposten und eröffneten ein Tirailleurfeuer, das mit kurzen Unterbrechungen den ganzen Tag währte. Am 22. d . Morgens wurde der Kampf auf's neue aufgenommen .
Die
Preußen hatten indeß neue Truppen an sich gezogen , während auch den Oesterreichern Verstärkung, das Regiment Belgier, aus Theben nachrückte.
Der Kampf
drohte in eine förmliche Schlacht überzugehen , und man konnte mit Hilfe eines guten Fernrohrs die Details deſſelben genau beobachten. Die Preußen verfolgten ihre gewöhnliche Tactif.
Sie entrollten ihre Streitkräfte nach der ganzen Schlacht-
linie fast gleichförmig , engagirten so das österreichische Corps in der ganzen Dimenſion , der Kräfte.
und
nöthigten es zu einer ähnlichen gleichförmigen Vertheilung
Der Kampf wogte bereits mehrere Stunden mit wechselndem Glück ; da begann plöglich der rechte und linke Flügel der preußischen Armee zurückzuweichen, während das Centrum Stand hielt.
Das Zurückweichen der beiden Flügel war
aber nichts anders als ein Zuſammenziehen der Kräfte gegen das Centrum und eine Deckung desselben. glaubten ,
Die Desterreicher , welche ihnen nachrücken zu müſſen
dehnten dadurch
den rechten und linken Flügel in divergirender
Richtung weit aus und ſchwächten so das Centrum.
Mit Angst und Zittern
sahen wir nun den unglückseligen , verhängnißvollen Moment herannahen , in welchem sich die concentrirte feindliche Macht auf unsere Truppen werfen und die Linie durchbrechen würden.
Da wurde mit einem Male , wie durch Zaubermacht , das Feuern auf beiden Seiten eingestellt.
Es wurde die Waffenruhe verkündet.
Eine Stunde
ſpäter, und unsere Truppen waren geworfen, Preßburg von den Preußen beſeßt. Was uns aber wundert, ist, daß , nachdem die Preußen ihre Siege bei Nachod, Trautenau , Münchengräß , Josephſtadt und Königgräß der angeführten Tactik
406
Waffenstillstandsbeschluß.
verdanken, wir nicht auch unsere Kampfesweise entsprechend ändern.
Ein Nach-
rücken anstatt in divergirender Richtung concentrisch gegen die Mittellinie müßte unser Centrum bedeutend verstärken und dem feindlichen Stoß einen kräftigen Widerstand bieten. Nach Einstellung der Feindseligkeiten zogen sich unsere Truppen nach Theben und Preßburg zurück, und bietet besonders lepterer Stadt ein lebendiges Bild des Kriegslebens im Frieden. “
Die
Friedenspräliminarien
und
die
Heerschau
auf
dem
Marchfelde.
Während der fünftägigen, von Mittag des 22. bis Mittag des 27. Juli dauernden zwischen Preußen und Oesterreich vereinbarten Waffenſtillſtandes war alle Welt gespannt ,
ob Oesterreich den von Preußen aufzustellenden Friedens-
präliminarien seine Beistimmung geben werde.
Davon hing natürlich Alles ab .
Fand ein solches Eingehen von Seiten des österreichischen Cabinets nicht statt, so begann um 12 Uhr Mittags, am 27. Juli, der Kampf auf's Neue, der Donner der Geſchüße verkündete den Beginn neuen Blutvergießens und einer noch gar nicht in ihren Folgen zu übersehenden unvermeidlich kommen müſſenden Katastrophe, mochte sie ausfallen , zu wessen Gunsten sie auch wolle.
Oesterreich
schien jedoch mit Ernst an die Sache gehen zu wollen, denn am 23. Juli langten Nachmittags 6 Uhr der frühere österreichische Kriegsminister, General v. Degenfeld, der frühere Gesandte Oesterreichs am königlich preußischen Hofe, Graf Karolyi, der früher
bei
der
österreichischen Bundestags- Gesandtschaft beschäftigte Herr
von Brenner , und der österreichische Attachée , Graf Kuefſtein in Nicolsburg an, wo sie in einem Hotel der kleinen Stadt Wohnung nahmen. Während
diese Herren ihr ernstes Völkerwohl- und Wehe betreffendes
Geschäft zu erfüllen trachteten , rührte sich auch zum Ergößen Soldaten und
der preußischen
zur Schaam für alle mit ihrem großen schönen Vaterlande es
aufrichtig meinenden Oesterreichern jene abscheuliche Lügenclique wieder und veröffentlichte Telegramme, welche nur der unerreichbarste Blödsinn erfinden konnte. Hier ein paar Proben davon :
407
Desterreichische Zeitungslägen.
Offizielles Telegramm :
Am
23.
d . M.
Auf dem
Marchfelde
Centrum des preußischen Heeres geschlagen. Prinz Carl gefangen .
das
Von unserer
Seite viele Verluste . Offizielles Telegramm: Am 23. d. Mts . gestürmt; jedesmal wurde der Sturm fangenen Preußen sind 28,000 . 60,000 Baiern in Pilsen.
Floridsdorf wurde siebenmal
abgeschlagen.
Der gefallenen und ge-
Preußisches Hauptquartier wieder in Pardubiz. Mensdorff.
Wenn es ebenso niederträchtig als lächerlich war , solche himmelschreiende Lügen in die Welt zu schleudern, um das eigene Volk und seine Bundesgenossen zu täuschen , so war es nicht minder sogar ein Verbrechen , die Namen so hochstehender Männer als Unterzeichner dieser lügnerischen Telegramme zu fingiren . Der
als Berichterstatter sich bei der Elbarmee aufhaltende Schriftsteller Hans
Wachenhusen erzählt,
daß ihm ein österreichischer pensionirter Hauptmann in
Prag versichert habe , daß solche Lügenzettel unter den Augen der preußischen Armee überall verbreitet und geglaubt worden wären .
Und wie schon erwähnt,
beschränkte sich die Ausbreitung dieser Lügen nicht etwa auf Mähren, Desterreich und Böhmen , sondern es fanden sich eine Menge heimlicher Colporteure außerhalb der Grenzen dieser Länder, welche es sich emsigst angelegen sein ließen, diese Teufels-Ausgeburten an den rechten Mann zu bringen pc.com und wie viele ſolcher rechten Männer gab
es , welche sich gern belügen ließen , weil das im
Einklang mit ihrer Abneigung gegen Preußen stand. Von Nicolsburg entwirft Wachenhusen einen sehr hübschen Bericht. Dies kleine Städtchen hatte , wenn auch nicht gerade im Aeußeren , denn die Häuſer blieben nun einmal Häuser, jezt fonnte ihnen , selbst wenn es höchst nöthig ge= wesen wäre , Niemand einen andern Anstrich geben lassen , einen gewissermaßen großstädtischen Pli erhalten.
Das Leben auf den Gassen war natürlich rein
militärisch , man hätte glauben sollen in der Residenz Berlin zu sein , wo die Offiziere geschniegelt umherwandeln .
Man sah da „ Berlin im Auszuge “ , denn
der königlich preußische Feldpolizeidirector und andere Berliner Polizei-Hauptleute waren anwesend , Johanniterherren mit rothgekreuzter Armbinde, Diplomaten mit zugeknöpften Gesandtschaftsmienen , Herren mit Glaçehandschuhen und weißen Gravatten
Alle fin , nobel, mit grauen und schwarzen Cylinderhüten.
Hoch
über dem Plaze (Ring) erhob sich das schöne imposante Schloß , in dem der König jezt residirte und wo über die Friedenspräliminarien verhandelt werden. ſollte und die schon genannten Herren von Wien und der italienische General
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Hauptquartier Nicolsburg.
Gavonne als König Victor Emanuels Bevollmächtigter Sr. Majestät dem Könige Wilhelm I. vom Ministerpräsidenten Grafen Bismark vorgestellt wurden.
Die preußischen Offiziere nannten diese fremden Diplomaten , denn es fanden sich natürlich auch die unvermeidlichen Franzosen und Engländer in Nicolsburg ein, scherzweise
die Badegäste des Hauptquartiers."
Wäre es den preußischen Offizieren nachgegangen, würde die Welt weder einen Friedenspräliminarienvertrag , noch zu Prag
einen wirklichen Friedens-
vertrag, wenigstens nicht so bald, erlebt haben, denn daß es diesen Herren nicht in den Kopf wollte, ohne in Wien eingezogen zu sein , wieder den Rückmarſch nach der Heimath antreten zu sollen , bedarf keiner Versicherung.
Alles in
Nicolsburg sah soldatisch aus , die wenigen fremden Diplomaten abgerechnet. Die " Restauration des königlich preußischen Hauptquartiers " daselbst , bezeichnete sich durch eine aus der Bel-Etage eines Hauses heraushängende weiße Fahne. Diese das königliche Hauptquartier stets begleitende Restauration gehörte dem Besizer des " Hotel de l'Europe " in Berlin.
Selbstverständlich ist es , daß sich
die Nicolsburger für die Dauer der Anwesenheit des königlichen Hauptquartiers ganz wohl befanden, denn es rollirte viel Geld zu dieser Zeit in dem Städtchen. Unter die Fremden, welche sich einen guten Empfang wünschten, zählte auch der baierische Ministerchef, Herr von der Pfordten , der nicht nur im Auftrage seiner
4.09
Bräliminarfriedensvertrag.
Regierung , sondern auch in dem der Süddeutſchen Staaten gekommen war , um den Frieden mit Preußen anzubahnen. Während die Diplomaten über die Friedenspräliminarien berathschlagten, machte König Wilhelm I. einen Ausflug nach dem nur zwei Stunden entfernten Schlosse Eisgrub , in dem der Kronprinz sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Eisgrub
dürfte unter
den Schlössern
der
österreichischen Hocharistokratie als
Nummer 1 bezeichnet werden.
Mit einer leidenschaftlichen Vorliebe hat der ver-
storbene Fürst Lichtenstein
das Lichtensteinsche Fürstenhaus ist das reichste
unter den vielen Fürstenhäusern Desterreichs
dies Prachtschloß gebaut und
auf's Herrlichste eingerichtet, die Parkanlagen ſind grandios ſchön, nur ein Cröſus, der über die großartigſten Mittel gebietet, konnte Aehnliches schaffen. Der jezige Fürst scheint Eisgrub weniger als sein seliger Vater zu lieben, nur zur Jagdzeit fommt er nach Eisgrub. Was ganz Deutschland mit fieberhafter Spannung ersehnt hatte, erfüllte sich, die Bevollmächtigten Desterreichs wurden mit dem Grafen Bismark über die Friedenspräliminarien einig und folgerecht auch über den Waffenstillstand.
Die
Kunde davon trug der Telegraph mit Blizesſchnelle nach allen Richtungen. Das unterzeichnete Instrument lautete : Präliminar friedensvertrag. Ihre Majestäten der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen, beseelt von dem Wunsche , Ihren Ländern die Wohlthaten des Friedens wiederzugeben, haben zu diesem Ende und behufs Feststellung von Friedenspräliminarien zu ihren Bevollmächtigten ernannt : Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich: Ihren wirklichen Geheimen Rath und Kämmerer, außerordentlichen Geſandten und bevollmächtigten Minister Alois
Grafen Carolyi v . Nagy
Karolyi und Ihren wirklichen Geheimen Rath und Kämmerer, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Adolph Freiherr v . BrennerFelsach. Se. Majestät der König von Preußen: Jhran Ministerpräsidenten und Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, Otto , Grafen v. Bismark-Schönhausen , welche , nachdem ihre Vollmachten ausgetauscht und in guter und richtiger Form befunden , über folgende
410
Präliminarfriedensvertrag.
Grundzüge als Basis kommen sind. Art. 1.
des
demnächſt abzuschließenden Friedens übereinge-
Der Territorialbestand der österreichischen Monarchie , mit Aus-
nahme des lombardisch-venetianiſchen Königreichs, bleibt unverändert. Se. Majeſtät der König von Preußen verpflichtet Sich , Seine Truppen aus den bisher von denselben occupirten österreichischen Territorien zurückzuziehen , sobald der Friede abgeschlossen sein wird , treffenden
Maßregeln
vorbehältlich der
wegen
einer
im
Garantie
definitiven Friedensſchluſſe zu der
Zahlung
der
Kriegsent-
schädigung. Art. 2.
Se. Majestät der Kaiſer von Oesterreich erkennt die Auflöſung
des bisherigen deutschen Bundes
an und
giebt Seine Zustimmung zu einer
neuen Gestaltung Deutschlands ohne Betheiligung des österreichischen Kaiſerreichs. Ebenso verspricht Se. Majestät das engere Bundesverhältniß anzuerkennen, welches Se. Majestät der König von Preußen nördlich von der Linie des Main begründen wird , und erklärt Sich damit einverstanden , daß die südlich von dieser Linie
gelegenen
deutschen Staaten
in
einen Verein zusammentreten ,
deſſen
nationale Verbindung mit dem norddeutschen Bunde der nähern Verständigung zwischen Beiden vorbehalten bleibt. Art. 3.
Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich überträgt auf Se.
Majestät den König von Preußen
alle Seine im Wiener Frieden vom 30.
October 1864 erworbenen Rechte auf die Herzogthümer Holstein und Schleswig, mit der Maßgabe, daß die Bevölkerungen der nördlichen Distrikte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen geben, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden sollen . Art. 4.
Se . Majestät der Kaiser von Oesterreich verpflichtet Sich, behufs
Deckung eines Theils der für Preußen aus dem Kriege erwachsenen Kosten , an Se. Majestät den König von Preußen die Summe von 40 Millonen Thalern zu zahlen.
Von dieser Summe soll jedoch der Betrag der Kriegskosten , welche
Se. Majestät der Kaiser von Desterreich laut Art. 12 des gedichten Wiener Friedens vom 30. October 1864 noch an die Herzogthümer Schleswig und Holstein zu fordern hat , mit 15 Millionen Thalern, und als Aquivalent der freien Verpflegung , welche die preußische Armee bis zum Friedens chluſſe in den von ihr occupirten österreichischen Landestheilen haben wird , mit 5 Millionen in Abzug gebracht werden, so daß nur 20 Millionen baar zu zahlen bleiben.
411
Bräliminarfriebensvertrag.
Art. 5.
Auf den Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von
Oesterreich
erklärt Se. Majestät der König von Preußen Sich bereit, bei den bevorstehenden Veränderungen in Deutschland den gegenwärtigen Territorialbestand des Königreichs Sachſen in seinem bisherigen Umfange bestehen zu laſſen, indem Er Sich dagegen vorbehält , den Beitrag Sachsens zu den Kriegskosten und die künftige Stellung des Königreichs Sachsen innerhalb
des
norddeutschen Bundes durch
einen mit Sr. Majestät dem Könige von Sachsen abzuſchließenden beſonderen Friedensvertrag näher zu regeln. Dagegen verspricht Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich, die von Sr. Majeftät dem Könige von Preußen in Norddeutschland herzustellenden neuen Einrichtungen, einschließlich der Territorialveränderungen, anzuerkennen. Art. 6.
Se. Majestät der König von Preußen macht Sich anheischig,
die Zustimmung Seines Verbündeten , Sr. Majestät des Königs von Italien, zu
den Friedenspräliminarien
und
zu
dem auf dieſelben zu begründendem
Waffenstillstande zu beschaffen, sobald das venetianische Königreich durch Erklärung Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen zur Disposition
Sr. Majeſtät
des
Königs von Italien gestellt ſein wird . Art. 7.
Die Ratificationen
der
gegenwärtigen
Uebereinkunft werden
binnen längstens zwei Tagen in Nicolsburg ausgetauscht werden. Art. 8.
Gleich nach erfolgter und ausgetauschter Ratification der gegen-
wärtigen Uebereinkunft werden Ihre beiden Majeſtäten Bevollmächtigte ernennen, um an einem noch näher zu bestimmenden Orte zuſammen zu kommen und auf der Baſis des gegenwärtigen Präliminarvertrages den Frieden abzuschließen und über die Detailbedingungen desselben zu verhandeln. Art. 9.
Zu
diesem Zwecke werden die contrahirenden Staaten , nach
Feststellung dieser Präliminarien , einen Waffenstillstand für die kaiserlich öfterreichischen und königlich sächsischen Streitkräfte einerseits und die königlich preußiſchen andrerseits abschließen , dessen nähere Bedingungen in militärischer Hinsicht ſofort geregelt werden sollen.
Dieser Waffenstillstand wird am 2. Auguſt be-
ginnen und die im Augenblicke bestehende Waffenruhe bis dahin verlängert. Der Waffenstillstand wird gleichzeitig mit Baiern hier abgeschlossen und der General Freiherr v. Manteuffel beauftragt werden, mit Würtemberg, Baden und Hessen-Darmstadt einen am 2. August beginnenden Waffenſtillstand auf der Grundlage des militärischen Besißstandes abzuschließen , sobald die genannten Staaten es beantragen.
412
Waffenstillstandsconvention.
Zu Urkund des Gegenwärtigen haben die gedachten Bevollmächtigten dieſe Uebereinkunft unterzeichnet und ihr Siegel beigedrückt.
Nicolsburg , den 26. Juli 1866. Karolyi m. p.
v. Bismark m. p.
Brenner m. p . Waffenstill stands convention. Die Unterzeichneten : der f. f. österreichische Feldzeugmeister Graf v . Degenfeld und der königlich preußische General der Infanterie Freiherr v . Moltke, nachdem sie von Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich und Sr. Majestät dem König von Preußen dazu bevollmächtigt worden sind und ihre Vollmachten gegenseitig in Ordnung gefunden haben, schließen ein Waffenstillstand unter nachstehenden Bedingungen: Nachdem heute die Unterzeichnung der Friedenspräliminarien stattgefunden hat , hören die Feindseligkeiten zwischen den k. k. österreichischen und königlich sächsischen Truppen einerseits und den königlich preußischen Truppen andererseits nunmehr auf, und tritt am 2. August ein vierwöchentlicher Waffenstillstand ein . Während desselben gelten folgende Bestimmungen : §
1.
Während des Waffenſtillstandes behalten die königlich preußischen
Truppen einen Rayon , der westlich von einer Linie Eger-Pilsen-Tabor-NeuhausZlabings-Znaym begrenzt wird , die vorgenannten Ortschaften mit inbegriffen . Südlich macht die Thaya bis zu ihrem Einfluß in die March, östlich der legtgenannte Fluß aufwärts
bis Napajedl und von hier eine gerade Linie nach
Oderberg die Grenze. § 2.
Um die Festung Olmüz bleibt ein zweimeiliger, um die Festungen
Josephstadt, Königgräß, Theresienstadt ein einmeiliger Umkreis von der Belegung preußischerseits ausgeschloſſen , und können die gedachten Festungen aus Rayons ihre Verpflegung beziehen .
Die Festung Olmüß
erhält
diesen
durch den
preußischen Rayon eine Etappenstraße über Weißkirchen nach Maeseritsch , welche preußischerseits nicht belegt werden soll . § 3.
Zur Erreichung des in § 1 feſtgeſeßten Rayons aus ihren jezigen
Aufstellungen stehen den preußischen Truppen auch die Etappenstraßen einerseits über Meißau-Scheitelsdorf-Wittingau nach Tabor , andrerseits über MalatſchkaSkaliz nach Napajedl mit einem Belegungsrayon im Umkreis von zwei Meilen an denselben zur Verfügung.
413
Waffenstillstandsconvention.
§ 4.
Innerhalb des den preußischen Truppen gemäß § 1 überlassenen
Rayons steht denselben während der Dauer des Waffenstillstandes
die unge-
hinderte Benußung sämmtlicher Land- und Wasserstraßen und Eiſenbahnen zu, und dürfen dieſelben in ihrer Benußung durch die in § 2 genannten Festungen in keiner Weise gehindert werden.
Ausgeschlossen hiervon bleibt während des
Waffenstillstandes die Eisenbahnstrecke zwischen Prerau und Trübau , insoweit sie durch den Festungsrayon von Olmüß führt. § 5.
Die f. f. österreichischen Truppen werden die am 22. d . M. ver-
abredete Demarcationslinie
nicht eher überschreiten , als bis die Queue der
föniglich preußischen Truppen die Thaya passirt hat .
Der betreffende Termin
wird der f. f . Regierung alsbald mitgetheilt werden . § 6.
Den Kranken und den zu deren Pflege in dem von den königlich
preußischen Truppen zu räumenden Landestheile zurückbleibenden Aerzten und Beamten verbleiben die innehabenden Räumlichkeiten.
Außerdem wird ihnen
österreichischerseits die Unterstügung der Behörden , Verpflegung und Transportmittel gewährt.
Ihrem Rücktransport in die Heimath , auf welchen preußischer-
ſeits baldmöglichst Bedacht genommen werden soll , dürfen weder während, noch nach dem Waffenstillstand Hindernisse in den Weg gelegt werden . § 7.
Die Verpflegung der königlich preußischen Truppen geschieht seiten
der von ihnen belegten Landestheile.
Geldcontributionen werden preußischerſeits
nicht erhoben. § 8.
Das k. k . Staatseigenthum, k. k. Magazine und Vorräthe, insoweit
dieselben nicht schon vor Eintritt des Waffenstillstandes in Besitz genommen waren, sollen preußischerseits nicht mit Beschlag belegt werden. § 9.
Die k. k. Regierung wird dafür Sorge tragen ,
daß ihre Civil-
beamten sich baldigst auf ihre Posten zurückbegeben , um bei der Verpflegung der preußischen Armee mitzuwirken . In der Zwischenzeit vom 27. Juli bis 2. August werden sich die österreichisch-sächsischen Truppen von der unter dem 22. d . M. verabredeten Demarcationslinie , insoweit dieselbe auf dem linken Donauufer liegt , überall auf eine halbe Meile entfernt halten , wogegen preußischerſeits keine Ueberschreitung der vorerwähnten Demarcationslinie stattfinden darf.
Nicolsburg , den 26. Juli 1866 . August Graf v. Degenfeld - Schonburg m. p. Feldzeugmeister. Hellmuth Freiherr v . Moltke m. p. General der Infanterie u. Chef d . Generalstabs.
414
Preußische Heerschau. Am 28. Juli , also zwei Tage später , wurde zwischen Preußen und
Baiern ein Waffenstillstand derart abgeschlossen , daß derselbe ebenfalls am 2. August beginne und die Dauer von 3 Wochen haben solle. Wenn Würtemberg, Baden, Hessen-Darmſtadt einen solchen verlangen würden, ſo ſei Generallieutenant von Manteuffel zur Verhandlung mit ihnen ermächtigt. Der 28. Juli war noch dadurch ausgezeichnet , daß die Ratificationen zwischen Oesterreich und Preußen ausgetauscht wurden.
Die Abreise des Königs Wilhelm und der Prinzen ſeines
Hauſes nach Berlin ſtand ſonach bevor , militärisches Schauspiel statt, was
doch vorher fand noch ein großes
allerdings Oesterreich gegenüber nicht ganz
ohne Bedeutung war, nämlich eine preußische Heerschau auf dem Marchfelde im Angesicht der Kaiserstadt Wien. Dergleichen hatte man im lustigen Wien vor einem Monat nicht geträumt. Derselbe Gegner,
deſſen Wehrkraft man in kopflosester Ueberschäßung seiner
eignen Großmächtigkeit verachtet , verlacht, verhöhnt hatte , hielt jest vor der Hauptstadt des Kaiserreiches als Sieger Heerſchau !
Darin lag eine tiefe De-
müthigung für Oesterreich; aber auch zugleich die Andeutung der weisen Lehre Solon's: " Preise dich nicht vor dem Tode glücklich" sich zu erinnern , eines Spruches , der im deutschen Volksmunde zwar etwas profaner klingt, aber ganz dasselbe sagt : „ Lobe den Tag nicht vor dem Abend. "
Am Sonntag, den 29. Juli, fuhr König Wilhelm von Nicolsburg nach dem Marchfelde vor Wien und hielt am Montage zwischen Ladendorf und dem Stockauerer Walde über die vom General Herwarth von Bittenfeld commandirte Armee ,
am folgenden Tage aber zwischen Schönkirchen und Gänserndorf über
einen Theil der ersten Armee (Prinz Friedrich Karl) große Heerschau, über welch Leztere der Timescorrespondent folgenden Bericht veröffentlichte : Die 5., 6., 7. und 8. Infanterie-Diviſion und die Cavalerie-Corps der ersten Armee waren den 31. Juli früh 9 Uhr auf dem Marchfelde zur Revue vor dem Könige aufgestellt. Die Truppen waren in vier Linien formirt, mit der Front nach Süden, von wo aus troß des Dunſtes , der stets an einem warmen Tage über einer großen Stadt schwebt , der hohe Stephansthurm der Hauptſtadt zu sehen war.
Die linke Flanke ſtand bei Gänserndorf, von wo aus sich
die Linien über eine wellenförmige Ebene eine und
eine halbe englische Meile
weit ausdehnten ; die Ernte war bis Auersthal bereits eingeführt. vordern Linien bestanden aus Infanterie-Bataillonen ,
Die beiden
in Compagnie-Colonnen
formirt , wobei die dunkelblauen Vierecke sich scharf gegen die gelben Stoppel-
415
Preußische Heerschau.
felder markirten ; hinter der Infanterie ftanden die langen Linien der Cavalerie unter dem Commando des Prinzen Albrecht , und bildeten ein Reiterheer von 10,000 Pferden .
Zur Rechten stand die schwere Brigade des Generals Pfuel,
aus den beiden Küraſſier-Regimentern „ Kaiſer von Rußland “ und „ Herzog von Coburg "
bestehend.
Große starke Leute ,
auf starken Pferden ,
Helme und Küraſſe wie Gold in der Sonne blizten.
deren blanke
Nächst ihnen zur Linken
stand Reinhagens Brigade , Garde-Cavalerie , ein Regiment Dragoner und zwei Ulanen-Regimenter. Wilhelm
Neben der Garde-Brigade stand die Brigade des Herzogs
von Mecklenburg ,
welche seit
dem Uebergang über die Elbe bei
Przelautſch die Avantgarde der ersten Armee bildete , und eine solche schreckliche Mezelei unter den österreichischen Küraſſieren nach der Schlacht bei Königgräß anrichtete.
Sie besteht aus den Ziethen-Husaren, den berühmten gelben Ulanen,
vom Prinzen Hohenlohe commandirt, und dem zweiten Garde-Dragoner-Regiment, dessen eine Schwadron die österreichischen Ulanen bei Tischnowiß niederritt.
In
der nächsten Brigade standen die gelichteten Schwadronen der 3. Dragoner , die mehr als die Hälfte in der großen Schlacht verloren hatten , neben den hellblau mit Weiß unformirten Thüringischen Husaren , die ebenso große Verluste wie die 3. Dragoner bei demselben Angriff erlitten hatten . Der linke Flügel der Cavalerie-Linie war aus Goltz's schwerer Brigade formirt; dem neuen Regiment „Königin-Küraſſiere “ und dem neunten UlanenRegiment, in deſſen Hände die Lanze den Preis über den Säbel im CavalerieGefecht in Saar davontrug .
In der vierten Linie , gegen zweihundert Schritt
hinter der Cavalerie , standen die Ambulance- und Munitionswagen , die Telegraphen-Abtheilung und zur Linken die Batterien der Reſerve- Artillerie.
Zwischen
den Infanterie-Bataillonen und den langen Reiterlinien standen die Feldbatterien, welche zu den Infanterie-Diviſionen gehören , in abgeſchloſſenen Colonnen zu je vier Batterien mit einem Cavalerie-Regiment zur Seite. Um halb 10 Uhr galoppirte Prinz Friedrich Karl über das Terrain und übernahm das Commando der gesammten Armee. ſeiner Ankunft noch nicht völlig formirt , Stellungen eingenommen .
Die Truppen waren bei
aber in kurzer Zeit hatten sie ihre
Offiziere wurden abgeschickt,
zu sehen , die Cavaleristen saßen
um nach dem Könige
ab und standen neben ihren Pferden , die
Infanteristen stellten ihre Gewehre zuſammen und ruheten daneben, die Ankunft des Königs erwartend .
Eine halbe Stunde darauf kam ein Offizier von rechts
her in vollem Galopp angesprengt, und ehe er noch den Ober-Commandirenden
416
Breußische Heerschan.
erreicht, schallten schon die lauten Commandoworte, die Bataillone und Schwadronen in Reih und Glied rufend , die Linie entlang ; in wenigen Minuten waren die Reiter in den Sätteln , die Compagnien formirt , die Kanoniere auf ihren Posten, und die ganze Armee stand regungslos ſtill.
Die Bajonnete ragten
aus den Gliedern der Infanterie hervor , die Lanzen und Säbel bildeten eine vollkommen gerade Linie die sämmtlichen Tavalerie-Diviſionen entlang, deren Reiter ruhig wie Statuen ſaßen,
da die Pferde
während
des Feldzuges das
Stillſtehen gründlich gelernt hatten ; in dem ganzen mächtigen Heere bewegten sich nur die wehenden Fahnen der Infanterie und die flatternden Fähnlein der Ulanen. Eine Reitergruppe kam von der wellenförmigen Anhöhe rasch auf das Centrum der Linie zugesprengt ;
ein großer Mann in Generals-Uniform mit
grauem Haar und Schnurbart ritt voran. Sobald der König sich dem Centrum der ihm gegenüberstehenden Armee näherte, salutirte Prinz Friedrich Karl. Dies war das Signal für alle Offiziere , ebenfalls zu ſalutiren ; auf das Commando „präsentirt“ erklang die preußische Nationalhymne , zu Ehren des Königs , der sich,
mit dem Degen ſalutirend , auch nach vorne neigte , darauf brach lauter
Jubelruf plöglich aus den geordneten Heeresmassen hervor und übertönte fast die Musik.
Dies dauerte einige Minuten, dann verhallte der Jubelruf, um noch
die legten Noten der Muſik hören zu laſſen. Der König ritt zuerst nach rechts die vorderste Linie entlang , hielt hin und wieder an und sprach mit einzelnen Soldaten , die sich ganz besonders ausgezeichnet hatten , oder reichte den commandirenden Offizieren die Hand . Bataillon präſentirte als
Jedes
er vorbei kam , der König sagte dann stets einige
Worte des Lobes, die es für besondere Auszeichnung im Kriege verdient; ebenso ritt er die zweite Linie , die Cavalerie und Artillerie entlang , und nahm dann ſeine Stellung für den Vormarsch ein. Zuerst kam die fünfte Diviſion , commandirt vom General v. Tümpling, der gegen eine stärkere österreichische Macht bei Brada in der Nähe von Gitschin gefochten und sie besiegt hatte. Bekanntlich hatte die gesammte preußische Infanterie während des Krieges bewiesen , daß sie lange Strecken auf schlechten Wegen, in bösem Wetter mit außerordentlicher
Ausdauer
und
Schnelligkeit zurücklegen
Revue auf dem Marchfelde bewies vollkommen , daß
kann ;
die heutige
diese Ausdauer mit der
Genauigkeit des Parade-Marsches wohl zu vereinigen ist. Die Truppen marſchirten
Preußische Beerschau.
417
in langgestrecktem Paradeschritt , in gerader Linie mit solchem Takte, daß sie es nicht besser hätten machen können , wenn ſie die lezten zwei Monate anstatt zu bivouafiren und zu kämpfen , nichts anderes gethan hätten , als den Parademarsch einzuexerciren.
Die in Mitte eines jeden Bataillons getragenen Fahnen
waren meist von Kugeln durchlöchert , und manchmal ſo zerfeßt, daß nur noch einige Lappen des zerriſſenen Zeuges an der Stange herabhingen. In der fünften Diviſion waren das 8., 12., 18. und 48. Regiment vereinigt, alle unter ihrer gewöhnlichen Stärke , da die Verluste von Gitschin noch nicht erseßt , und
der Nachschub der Ersagmannschaften beim Friedensabschluß
zurückbehalten war.
Der Infanterie folgte das 3. Ulanen-Regiment , welches
dieser Division beigegeben ist ; das vollkommene Marſchiren der Infanterie ſchien ſich auf die andern Truppen-Abtheilungen (-Gattungen) zu übertragen , denn die Schwadronen zogen in solch'
gerader Linie vorbei , daß die Reiter auf den
äußersten Flügeln die übrigen verdeckten.
Dann kamen die Batterien , immer
zwei neben einander, die Kanonen unverhüllt, als ob sie zum Gefecht zögen. Die 6. Division unter General Manstein folgte der 5. in derselben Ordnung; sie ist aus dem 24., 64., 60. und 35. Regiment zusammengesezt und marſchirte ebenso gut als die vorhergehende. Sie sahen ſchön aus, dieſe ſtarken, breitschultrigen, meist älteren Leute mit vollen Bärten, die beim Vorbeiziehen den schweren gelben Tornister mit Leichtigkeit auf den Schultern trugen. Ihnen folgte ein Bataillon Jäger in dunkelgrüner Uniform , Schulter an Schulter, wie eine Mauer dicht geſchloſſen , marſchirend, als ob ſie ſtets in geschlossenen Reihen gewesen wären , tirailliren verwendet wurden.
obgleich sie während des Krieges nur zum
Die Cavalerie der Division, die bekannten branden-
burgischen schwarzen Dragoner in hellblauen Waffenröcken mit schwarzen Sammetkragen (woher die Bezeichnung stammt) contraſtirte in der Farbe mit den dunkelgrünen Schüßen ; an ihren geſchloſſenen Schwadronen erkannte man ſofort die gut trainirten Pferde und geschulten Reiter. General Fransecti's Division war die nächste , die Helden von Benatel und des Angriffs gegen den österreichischen rechten Flügel an der Biſtrig, wo ſo viele ihter Kameraden geblieben waren ; dem General folgten das 26., 66. , 67. und 27. Regiment , das leßte zeugte durch seine gelichteten Reihen von der Hiße des Feuers, der es so lange in dem stark vertheidigten Gehölze oberhalb Benatek ausgesezt geweſen, ſowie von dem heißen Kampfe späteren Datums bei Blumenau. Mit dieſer Diviſion zogen die dunkelgrün und gelb uniformirten Magdeburger 27
418
Preußische Heerschau.
Husaren vorbei , eine Schwadron derselben hatte die erfolgreiche Charge gegen die österreichischen Ulanen vor Kaltenbrunn gemacht. Die legte Infanterie-Division , die vorbeimarschirte, war die achte, früher vom General Horn commandirt , der aber jezt das Commando der Infanterie des ersten Reserve-Corps übernommen hatte ; sie wurde vom General Schöler geführt.
Eine Brigade dieser Division focht das erste Infanterie-Gefecht in der
engen Straße Nachts in Podol , wo sie außerordentlich litt.
Diese Division
ſtürmte das Dorf Sadowa am Morgen des 3. Juli und brachte den größten Theil des Tages im oberen Gehölze zu , wo sie gleichzeitig dem Artillerie- und Gewehrfeuer ausgesezt war.
Die Compagnien waren von den vielen Kämpfen
arg gelichtet , aber die Leute , die unversehrt geblieben ,
marschirten vor ihrem
Könige mit stolzem Selbstgefühl vorüber , mehr frischen Truppen, die in die Schlacht ziehen, gleichend , als solchen , die eben einen Feldzug beendet haben. Sie alle sahen prachtvoll aus und riefen Bewunderung hervor. Ein lautes freudiges Gemurmel
entstand in den Gruppen der hinter
dem Könige postirten Offiziere, als die großen Magdeburgischen Jäger in ſchnurgerader Linie vorbeizogen.
Diese Leute aus dem Harz, im Walde aufgewachſen,
ſind das wahre „ beau ideal " des leichten Infanteristen ; groß , muskulös und stählern , mit scharfem Blick, ſind ſie ausgezeichnete Schüßen.
Sie bleiben ſo
falt im Feuer und so sicher ihres Zieles , daß man von ihnen , wie von den englischen Bogenschüßen in alter Zeit sagen kann ,
„ ſie tragen mit jeder Kugel
ein Menschenleben in der Patrontasche. " In der der Infanterie folgenden 1 Cavalerie sah man jede Gattung preußischer Reiterei vertreten : schwere breitschultrige Küraſſiere auf großen starken Pferden ,
welche unter dem Gewichte
ihrer gepanzerten Reiter Staubwolken in die Höhe trieben, die den ſchimmernden Glanz der Helme halb verdeckten ; lange geschmeidige Ulanen trugen mit leichter Hand ihre langen Lanzen, deren bewimpelte Spigen in geraden Linien über den Köpfen hervorragten ; leichte Dragoner mit Säbel und Karabiner bewaffnet und noch leichtere Huſaren , kleine flinke Leute auf starken kurzbeinigen Pferden mit reich geschmücktem Sattelzeug, hatten ſie faſt ein orientaliſches Aussehen. `Hinter der Cavalerie rolite die Reserve-Artillerie langsam vorüber, gefolgt von dem Lazareth-Train mit den nun zuſammengelegten Tragbahren , die früher von den Krankenträgern benugt waren ; häßliche , rothe Flecken
an den Vorhängen der
Ambulance-Wagen zeigten , daß sie jüngst im Gebrauch gewesen. gulegt kam die außerordentlich
Endlich ganz
nüzliche Feldtelegraphen- Abtheilung mit neun
419
Preußische Heerſchau.
Wagen , die alle Apparate und Geräthschaften , um 30 englische Meilen Draht legen zu können, mit sich führten.
Als Alles vorüber war , versammelte det König die commandirenden Offiziere um sich und sprach, soweit ich es verstehen konnte: "Meine Herren , ich kann nicht zu allen Soldaten unter Ihrem Commando sprechen, es sind deren zu viele; aber Ihnen vor Allen muß ich meinen „Dank aussprechen für die Führung und das Benehmen dieser Armee während „ des Feldzuges , der durch Ihre Bemühungen zu einem solch' glorreichen Ende " geführt worden ist.
Ich will nicht über die Tapferkeit Ihrer Truppen in der
轉 Schlacht von Königgräß in's Einzelne eingehen , die stundenlang das gesammte
„Feuer der österreichischen Armee aushielten , jedem Versuche des Feindes , sie zu „vernichten , erfolgreichen Widerstand leiſteten und schließlich das Centrum der „feindlichen Schlachtlinie durchbrachen. „ Sichrow , „ Neffen ,
Ich kann nicht, so gern ich möchte , von
Münchengräß , Podol und Gitschin sprechen , ich kann nur meinen Ihren Commandeur, als den Vertreter von Ihnen Allen umarmen .
„Ich kann Ihnen nur meinen Dank aussprechen und daß Ihr König und das „Vaterland fühlen, daß Sie Ihre Pflicht ehrenhaft erfüllt haben. Ich bin über„zeugt, daß ich Nichts sagen könnte, was preußischen Soldaten so lieb wäre, “ Lauter Jubel und Hochs folgten der Rede . als der König sein Pferd wandte und in der Richtung nach Schönkirchen abritt. Prinz Karl, Vater des Prinzen Friedrich Karl, und Prinz Adalbert haben vom Könige den Orden pour le mérite erhalten, den der Kronprinz früher auf dem Schlachtfelde von Königgräß empfangen hatte. ist zum
General von Voigts-Rheez
Gouverneur von Hannover ernannt und viele andere Offiziere und
Soldaten erhielten militärische Auszeichnungen .
Prinz Friedrich Karl konnte
Nichts erhalten, da er bereits alle Ehrenzeichen , die der König zu vergeben hat, beſigt; aber er iſt zufrieden , da die unter seinem Commando ſtehenden Truppen sich einen Ruf nicht nur ihrer Tapferkeit , Disciplin und Ausdauer wegen erworben haben , sondern auch wegen der Theilnahme gegen die verwundeten Feinde und wegen Rücksicht gegen die friedlichen Bewohner der eroberten Länder, ein Ruf, der bleiben wird, so weit die Geschichte reicht. Von Schönkirch aus kehrte der König am nächsten Tage,
1. Auguſt,
nach Nicolsburg zurück und begab sich am 2. Auguſt, die Rückkehr nach Berlin antretend, nach Brünn. 27*
420
Kossuths Aufruf an seine Landsleute.
Zum Schlusse dieſes Abſchnittes müssen wir noch einer Episode gedenken, die auf Großes angelegt, in ihrem Anfange schon stecken blieb, weil der Waffenstillstand und
der nun zu verhandelnde Friede den Feindseligkeiten zwischen
Preußen und Desterreich ein schnelles Ende machte. quartier König Victor Emanuels Ungarn ,
erlassen , jezt ,
Kossuth hotte vom Haupt-
aus einen Aufruf an seine Landsleute , die
wo sich ihnen die günstigste Gelegenheit böte zur Los-
reißung von Oesterreich, oder was eins und daſſelbe ist, vom Hauſe Habsburg, da daſſelbe bezüglich des Krieges mit Preußen , nicht Macht haben werde , ſie zum Ruhehalten zu zwingen, sie im Gegentheil auf den Beistand der unter Oesterreichs Doppeladler noch fechtenden
ungarischen Regimenter ,
welche auf
den Ruf ihres Heimathlandes sofort Oesterreichs Fahnen verlaſſen würden, ſicher rechnen könnten . Der Eindruck dieses Aufrufes auf die Ungarn war kein sonderlicher, nicht etwa
aus Liebe und Anhänglichkeit für Oesterreich, sondern weil Kossuth in
ihren Augen ein im Verlaufe der Zeit abgewelfter Agitator geworden war ; ganz anders agitirte der bekannte ungarische General Klapka.
Da es unter friegführenden Parteien Brauch ist , daß alle Mittel angewendet werden , um dem Gegner Verlegenheiten zu bereiten , seine Wehrkraft zu zersplittern, ſo gestattete auch Preußen den gefangenen Ungarn , sich zu einem Frei-Corps zu bilden, das vom General Klapka über die nahe ungarische Grenze geführt, daselbst das Volk zur Erhebung aufrufen sollte.
Ein aufständisches Un-
garn würde für Desterreich eben so viel gewesen sein , als wenn ein Kämpfer an einer Hand und an einem Fuß fest an eine Säule gebunden, sich nicht vom Plaze rühren und seines von zwei Seiten ihn packenden Feindes nicht erwehren kann.
Die
friegsgefangenen Ungarn standen ,
ohngefähr 540 Mann, im zu
ihrer Aufbewahrung hergestellten Lager zu Glogau, auch in den Festungen Coſel und Neiſſe. Ueber das zu Groß-Glogau zur Unterbringung der österreichischen Kriegsgefangenen etablirte Lager brachte ein daselbst wohnhafter Correspondent der Schlesischen Zeitung folgende interessante Schilderung : Auf dem großen Infanterie-Exercirplage zwischen der Straße nach der Vorstadt und dem Empfangsgebäude der niederſchlesischen Zweigbahn erhebt sich der in einem länglichen Quadrate errichtete hölzerne Bau , welcher auf drei Seiten geschlossen ist und mit der vierten Seite sich an die sogenannte Galgenschanze, welche armirt ist, und von welcher zwei gezogene Geſchüße gegen das
421
Defterreichische Gefangene in der Festung Groß-Glogan.
Lager gerichtet sind , anlehnt.
Die hölzernen Baracken sind hoch, luftig , bequem
und gegen eine jede Witterung geschüßt ; in ihnen befinden sich die Lagerstellen der Gefangenen , vor denselben sind Bänke angebracht , kurz , es ist für Alles gesorgt, was ein Soldat beanspruchen kann.
Drei Thore führen zum Lager , fie
ſind von Militär beseßt, der Eintritt ist nur den Offizieren der Garniſon und Denen , die mit einer Erlaubnißkarte des Festungscommandanten versehen sind, gestattet.
Im Innern befindet sich ein starkes Wachtcommando von ungefähr
150 Mann, mit Zündnadelgewehren versehen.
Hier sah ich Gefangene, die sich
ihre Wäsche wuschen , dort wurden Montirungssachen geflickschneidert, hier barbirt, dort frisirt.
Dort promenirte ein Trupp im ernsten Gespräch, ein anderer Trupp
war lustig und heiter , als ob ihnen die Gefangenſchaft eine angenehme wäre. Alles war mit Tabakspfeifen bewaffnet, aus denen edler Ohlauer (die von den untersten Sorten Tabak unterste Sorte) gequalmt wurde.
Bald hatte ich mich
vermittelst einer gefüllten Cigarrentasche mit den Leuten bekannt gemacht , die Conversation wurde schnell eine lebhafte und an mancher Stelle eine zutrauliche. Den widrigsten Eindruck machten die Italiener und die Galizier ; fie schienen Die froh , den Strapagen und Gefahren des Krieges entronnen zu sein. Italiener schimpften auf die österreichische Kriegführung , Einrichtungen u . s. w. , während sie für Preußen schwärmten, ob aus Heuchelei oder Ueberzeugung, laſſe ich dahingestellt sein.
Die Galizier sehen zerlumpt aus , und sprechen in einem
friechenden Tone die Besucher des Lagers um eine Gabe an. verſchloſſen ,
der Nationalhaß ,
Die Czechen sind
verbunden mit Rohheit und zurückgehaltenem
Rachegefühl, blickt aus ihrem ganzen Verhalten hervor.
Mit einem düstern, die
Wuth kaum bekämpfenden Antlig, schauten sie mich an , meine freundlichsten Worte ohne eine jede Antwort lassend .
Die deutschen Böhmen ,
meist aus der
Gegend von Teplig, Karlsbad u. s. w . , sind treuherzige Menschen, die sich mit großer Theilnahme nach den Schicksalen ihres Vaterlandes
erkundigten , und
denen man es ansehen konnte, wie weh ihnen das Herz ist.
Am Imponirendsten fand ich die Ungarn ;
militärisches Ehrgefühl und
Accuratesse tritt mehr hervor , als bei ihren Kameraden der anderen Nationalitäten.
Sie geben nur dem preußischen Zündnadelgewehre die Schuld
ihrer
Niederlage und fügten sich, ohne widerseßlich oder mürrisch zu sein, in ihr gegen. wärtiges Schicksal.
Ich war bald von einem großen Trupp Ungarn umringt,
die von mir wissen wollten, wie es mit ihrem Kaiſer ſtände und ob in Ungarn die Revolution losgebrochen sei. Sie erzählten mir, daß ungarische und italienische
422
Klaptas Broclamation.
Offiziere sie gestern besucht und aufgefordert hätten , für die Befreiung Ungarns zu kämpfen.
Auf mein
Proclamationen waren vertheilt worden.
Ersuchen
brachte man mir eine solche Proclamation. Da sie jedoch in ungarischer Sprache abgefaßt war, ſeßte sich ein Ungar neben mich und dictirte die Ueberseßung mir wörtlich in's Notizbuch.
Sie lautet wörtlich :
Tapfere Krieger! Das Vaterland hat
Vertrauen in
mich gesezt ;
ich übernehme den
Oberbefehl der ganzen ungarischen Armee , als Führer spreche ich zu Euch! Unser armes Vaterland
ist nicht mehr verlassen.
Die mächtigen Könige
von Preußen und von Italien bieten uns hilfreiche Hand.
Zur Befreiung
des bedrückten Vaterlandes eilen aus Italien Garibaldi , gegen die Donau Türr, nach Siebenbürgen Bethlen und hier führe ich die tapfere Armee. Kossuth Lajos
(Ludwig) wird
mit uns sein !
So
vereint
wollen
und
werden wir das Habsburgiſche Herrscherhaus vertreiben , das unsers Vaterund neuerdings werden wir uns
landes Blut und Eigenthum
raubte ,
den Besiz des Arpadslandes ,
das unser Eigenthum ist , sichern.
In den
Jahren 1848 und 1849 haben wir uns ewigen Ruhm erworben, nun aber harrt unser der Lorbeer- und Ruhekranz, wenn wir unser Vaterland befreien. Vorwärts also ! drängt Euch um die ungarische Fahne ; wo sie weht, ist der Plan jedes Ungarn !
Nur einige Tage entfernt liegen die
heiligen Vaterlandes , dahin führe ich Euch!
Triften
des
Eilen wir somit dahin , wo
Eltern , Geschwister , Geliebte mit offenen Armen uns erwarten.
Wählet
nun zwischen einer elenden Gefangenschaft und der Ehre , ruhmvoll für die Freiheit unsers Vaterlandes zu kämpfen.
Es lebe das Vaterland.
Klapka , ungarischer General. " Man kann nicht anders sagen, als daß die in dieſer Proclamation jedem Zweifel fern liegende Siegesgewißheit für rasche , leicht entzündliche Gemüther von großem Eindruď ſein mußte ,
wenigstens waren die Träume , wer ihnen
thätige Hilfe und Beistand bei dem Befreiungswerke leisten werde , sehr lockend und doch gab es genug Ungarn , die gar nicht so recht daran glauben wollten, daß in Ungarn selbst die Revolution Anklang finden werde und könne.
Die Meisten
beschlossen, erst noch abzuwarten, was sich ereignen würde und diese hatten allerdings den besten Theil erwählt , denn die Ereignisse der Zeit machten aus dem großen mit so vieler soldatischer Beredtsamkeit eingeleiteten Unternehmung einen
423
Bilbung eines ungarischen Freicorps.
im Sande verlaufenden Putsch.
Der Gang dieses au ſchnellem Erstickungstod
hinsterbenden Unternehmens war folgender : Sie für besagtes Freicorps oder Legion zu engagiren, kamen der Generallieutenant Vetter, im Jahre 1849 ungarischer Kriegsminister. später der ungarische Oberlieutenant Stavesky und der Rittmeister Czez nach den genannten Festungen, und wenn auch eine ganz ansehnliche Zahl dieſer kriegsgefangenen Ungarn nicht auf ihre Lockungen eingingen , ſo gab es doch genug unter denselben , welche zuſagten. In Neiſſe wurden sie eingekleidet und vollſtändig armirt . Sie beſtanden aus Infanterie und Cavalerie.
Ihre Uniformirung bestand in grauen Hosen.
blautuchenen Blouſen mit rothen Lizen und rothe Käppis mit der ungarischen Cocarde.
General Klapka stieß an der Grenze Schlesiens zu ihnen , als sie im
Leobschüßer Kreise des Befehls zum Aufbruche in ihr nahes Vaterland erwarteten. Der Waffenstillstand und der anzubahnende Friede ward Ursache, daß diese Legion , welche den beabsichtigten Einbruch wirklich unternahm , unter dem veränderten Verhältnisse nicht darauf rechnen konnte , ein günstiges Reſultat zu erringen und weil die Leute in Ungarn aus Erfahrung wiſſen , was Aufſtand für Segnungen im Gefolge hat ,
daher auch keine Theilnahme dafür an den Tag
legten, wieder nach Preußen zurückkam. Die österreichischen Zeitungen hatten nach ihrem gewöhnlichen Brauche eine Menge Meldungen über dies Freicorps gebracht, so daß sich General Klapka, der mit den in Paris lebenden polnischen und ungarischen Flüchtlingen in Verbindung steht, gedrungen fühlte, dagegen sich öffentlich zu vertheidigen. Pariſer Blätter brachten folgendes Schreiben : „In verschiedenen französischen und deutschen Blättern wird
eine an-
geblich von mir an die ungarischen Kriegsgefangenen in Preußen berichtete Proclamation veröffentlicht , an deren Redaction ich keinen Theil nahm und deren Verbreitung mir zu spät zur Kenntniß
gelangte.
In
denselben
· Blättern, ſowie in telegraphischen, meist aus Wien datirten Berichten wurde ferner die Nachricht verbreitet , daß ich mit ſechs- bis siebentausend früheren Kriegsgefangenen in Ungarn eingebrochen sei , wo mich , kaum angelangt, die meisten derselben verlassen hätten und zu ihren respectiven österreichischen Fahnen wieder zurückgekehrt wären.
Zur Berichtigung all' dieſer irrigen
und absichtlich entstellten Behauptungen Folgendes :
Die ungarische Legion
in Preußen , bei deren Organisation ich mich direct nicht betheiligte , deren Commando ich aber Ende Juli auf die Aufforderung meiner Landsleute
424
Mapla's Vertheidigung.
und Freunde übernahm, ſtand am 1. Auguſt, zur Zeit als die österreichischen [ Blätter
bereits
deren Versprengung verkündigten , ruhig und unbetheiligt
in ihrem Lager bei Schillersdorf nächst
Oderberg in Preußisch-Schleſien.
Dieselbe brach erst an diesem Tage, und zwar um 4 Uhr Abends , und nicht in der Stärke von 7000 Mann und 1500 Pferden auf, um die von Schlesien nach Ungarn führenden Karpathen-Päſſe zu
recognosciren und
eventuell sich in den Thälern jenseits des Gebirges festzuseßen.
Am 3.
August überschritt die Legion die ungarische Grenze , beſeßte den Ort Thurzerfa , erhielt noch auf dem Wege dahin die Nachricht von der vierwöchent lichen Verlängerung dieses Waffenstillstandes und kehrte hierauf, sich den Bedingungen dieses Waffenſtillstandes fügend und die Karpathen wieder passirend , nach der preußischen Demarcationslinie zurüd , wo sie am 7. bei Pohl in Mähren eintraf. Die Legion hatte auf ihrem Streifzuge zwei Mal, und zwar auf den ſchlechtesten Gebirgswegen die Karpathen überſtiegen, hatte dann auf ihrem Rückzuge in Mitte feindlicher Colonnen , die ihr von mehreren Seiten nachgesandt wurden, und auf mährischem, sowie feindlichem Gebiete , noch drei Märsche bis zur preußischen Demarcationslinie zurückzulegen und kam daselbst in der musterhaftesten Ordnung und ganz in derselben Stärke an , wie sie sechs Tage früher das Lager bei Schillersdorf verlassen hatte.
Das ist der einfache Sachverhalt , und Sie würden
mich verpflichten , selben als Widerlegung der österreichischen Lügenberichte in mehreren Blättern zu veröffentlichen. Ronkau (Oberschlesien) , 12. August 1866.
G. Klapfa. Etwas in diesem Vertheidigungsschreiben Klapkas ist auffällig .
War es
möglich, daß die Nachricht von dem in Nicolsburg am 26. Juli ſchon zu Stande gekommenen Abschluß des Waffenstillstandes auf Grund der vereinbarten Friedenspräliminarien dem General Klapka noch am 1. August unbekannt sein fonnte ? Im Uebrigen hat Ungarn es jedenfalls nicht zu beklagen, daß diese Freipartei resultatlos verlief, wenigstens schildert ein Olmüßer Bericht aus Karlowig dieſelbe wie folgt : Am 4. August verbreitete sich hier die Nachricht, daß in Karlowig ungarische Freischärler eingerückt waren.
Der Gensd'armerie- Commandant patroullirte so-
gleich dahin, fiel jedoch der Bande in die Hände. Sonntags früh 9 Uhr sprengten plöglich berittene Freiſchärler in die Stadt , visitirten mit gespannten Revolvern
Ungarische Freischürler.
425
die Gensd'armerie-Kaserne , wo sie jedoch Niemanden fanden , und beseßten alle Ausgänge.
Bald nachher fam das Hauptcorps unter dem Commando Klapka's ;
dasselbe zählte noch 1515 Mann , davon auch einige Hundert Reiter , sie waren mit blauen Flanell-Blouſen bekleidet , und trugen als Kopfbedeckung rothe französische Müzen.
Bei dem Corps waren zwei Generäle, vier Oberste und eine
Menge Stabsoffiziere, darunter Franzosen und Italiener , die Mehrzahl aber waren Ungarn.
Das Corps lagerte sich auf allen passenden Plägen , requirirte
Fleisch, Brod, Hafer, Heu, Leinwand , Charpie und Medicamente und zahlte alles baar mit preußischem Silber.
Gegen Abend spielte eine Zigeunerbande auf dem
Plaze, während die Offiziere vor dem Rathhaus saßen, als plöglich ein Trompeter angesprengt kam und Allarm blies . darauf gegen Mesertisch ab.
Alles lief zusammen und marschirte bald
Die Ursache des schnellen Abmarsches waren kaiser-
liche Ulanen , welche von Frankstadt herankamen , und einen ungarischen Major, der sorglos
auf der Straße nach Frankstadt gefahren war , gefangen hatten.
Zugleich hörte man, daß eine kaiserliche Brigade den Freischaaren von Karlowig und rückte auch wirklich - aber erst den nächsten
her auf dem Fuße folgte,
Morgen um 8 Uhr - das Regiment Roßbach, Jäger, Ulanen und eine Batterie in Soznau ein.
426
Des Königs Heimkehr und Ankunft in Berlin.
Die Ungarn waren indessen unbehelligt nach Pohl marschirt , von wo sie mit zwei Bahnzügen über Oderberg nach Preußen befördert wurden. Die faiſerlichen Truppen , welche durch die beschwerlichen Märſche ſehr erschöpft waren, wurden bestens empfangen und bewirthet.
Von den Ungarn waren zwei Mann
freiwillig zurückgeblieben und ein dritter stark betrunken.
Ueber das weitere
Schicksal dieser Leute wird noch verhandelt. Selbstverständlich war es , daß die Mannschaft der unverrichteter Dinge auf preußischen Grund und Boden zurückgekehrten Legion auch wieder in das frühere Verhältniß der Kriegsgefangenſchaft eintraten, bis sie nach vollkommen abgeschlossenem Frieden in ihr Vaterland ſpedirt wurden.
Hatte auch diese ver-
unglückte Expedition feine weitere Bedeutung angenommen , weil ihr erstens die Zeit und zweitens die Stimmung ihrer eigenen Landsleute zu einer Revolution ungünstig waren , so gehörte sie doch als
eine militärische Epiſode in dieſem
gleichsam mit Dampf betriebenen Krieg in die Reihe unserer Schilderungen .
Des Königs Heimkehr und Ankunft in Berlin. Es war am 2. August , als König Wilhelm 1. , der Kronprinz , Prinz Friedrich Karl, der Ministerchef Graf Bismarck , der Kriegsminister von Roon, der Generallieutenant von Moltke, der große ſchweigsſame Stratege und das Gefolge hoher Offiziere von Nicolsburg abreisten.
Die Tour war über Brünn,
Prag, Reichenberg , Zittau und Görlig beſtimmt worden.
Könige reiſen ſchnell
und so hielt König Wilhelm am nämlichen Tage noch über die 9. Diviſion des Generalmajors von Löwenfeldt und die Cavalerie-Diviſion des 5. Corps unter Commando des . Generalmajor von Hartmann , welche zwischen Austerlig und Wiſchau bei Brünn aufgestellt waren , Heerschau.
Bei dieser Gelegenheit führte
der König sein Grenadier-Regiment Nr. 7 (2. westpreußisches) persönlich an den Kronprinzen und den alten wackeren Infanterie-General , von Steinmez , dem Commandeur des 5. Armeecorps vorüber, indem er Beiden zurief: „ Der König seinen commandirenden Generalen ! "
Zu dieser besonderen Ehre für den Kron-
prinzen und dem General von Steinmez gesellte sich noch eine ehrenvolle Auszeichnung für das von ihm geführte Regiment selbst. ſeinen Degen und rief den Grenadieren zu :
Er zog vor demſelben
427
Des Königs Heimkehr und Ankunft in Berlin.
„Ich ehre Euch heute dadurch , daß Ich vor Euch Meinen Degen ziehe und Euch salutire ,
weil Ihr Mir (es war sein eigenes Regiment) und Euch
selbst Ehre gemacht!" Und mit zum Salut gesenkten Degen ritt der König bis zum linfen Flügel des Regimentes. Eine halbe Meile nordöstlich stand die 10. Division unter Generalmajor von Kirchbachs Befehl , zu ihr begab sich der König . begleitet vom Kronprinzen, dem General von Steinmez und sämmtlichen Stabsoffizieren .
Nach dem Vor-
übermarsche dieser Division versammelte der König die Generale und Stabsoffiziere um sich und sprach ihnen seinen Dank und seine Anerkennung
aus.
Als General von Steinmeß darauf erwiderte, wie die Armee stolz darauf ſei, in einer so entscheidenden Schlacht von ihrem Kriegsherrn commandirt worden zu ſein, antwortete der König :
„ Meinen Lohn habe Jch in den Augen Meiner
Soldaten gelesen. " Es war am Sonnabend , den 4. August ,
als König Wilhelm gefolgt
vom Kronprinzen , Prinz Friedrich Karl , Graf Bismarck und der übrigen hohen Suite von Prag abreiste, wo er, wie zu Brünn, über Nacht geblieben war. Unterdeß hatten sich Vorkommnisse ereignet, welche sehr stark gegen den vereinbarten Waffenstillstand verstießen.
So war am 30. Juli eine etwa 50
Mann starke österreichische Infanterie-Abtheilung unter Anführung eines Oberlieutenants früh
um 9 Uhr in Troppau eingerückt ,
begab sich sofort in die
Quartiere der den Abend vorher angekommenen preußischen Fouriere, entwaffnete dieselben unter Androhung
des Erſchießens und führte sie als Gefangene
ab.
Dem zum Civilcommiſſarius von Troppau ernannten königlich preußischen Landrath, Herrn von Selchow und dem ihm zur Aſſiſtenz beigegebenen preußischen Polizeiinspector Böhme, wurden in ihren Wohnungen, respective Amtslocalen die Degen, dem genannten Polizeiinspector auch eine Uniform , einem preußischen Gensdarm Seitengewehr, Büchse, Tornister, Helm u. s. w. abgenommen , worauf fie ebenfalls als Gefangene abgeführt wurden .
Die wiederholten Berufungen
auf den eingetretenen Waffenſtillſtand wurden mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß man hiervon nichts wisse . Maſſen einfand ,
Der Pöbel ,
der sich alsbald in ungeheuern
begleitete die Gefangenen und machte , ermuthigt
durch das
unverhoffte Eintreffen der Soldaten , seiner so lange unterdrückten Wuth durch die boshaftesten und gemeinsten Redensarten Luft.
428
Standal in Troppau.
Nur dem energischen Einschreiten des Bürgermeisters von Troppau , der sofort die Feuerwehr allarmiren ließ, gelang es, die wenigen preußischen Männer vor den gröbsten Insulten zu schüßen und den Anführer der Soldaten unter Hinweis auf den eingetretenen Waffenſtillſtand zur Entlaſſung der Gefangenen zu bewegen.
Dieſelben wurden hierauf, ohne daß man ihnen die Waffen und
das ihnen sonstig Abgenommene zurückgab , von der Feuerwehr nach der Stadt zurückgeleitet und so lange vor etwaigen weiteren Gefahren geschüßt , bis das (eben von den Fourieren) bereits angemeldete preußische Bataillon ankam , was gegen 1 Uhr Nachmittags geschah.
Der heldenmüthige Oberlieutenant verließ
mit seinen 50 Mann zwei Stunden vorher die Stadt.
Daß dergleichen kein
gutes Blut machen konnte, ist erklärlich, indeß immer noch zu entschuldigen , denn es war jedenfalls der Drang nach einer wohlfeilen Heldenthat ,
durch die sich
der Herr Oberlieutenant doch wenigstens etwas Aehnliches wie Lorbeer erobern wollte und von Seiten des Troppauer Janhagels war es ein pöbelhafter Streich, viel schlimmer mußte der Ausfall aus der böhmischen Festung Thereſienſtadt in die Waagschaale fallen, da er ein vollständiger Waffenſtillstandsbruch war. „ Am 28. Juli gegen 2 Uhr Morgens bewegten sich an 1500 Mann in zwei Colonnen gegen Neratowiß, wo ein Bataillon preußischer Landwehr-Infanterie übernachtete.
Auf die Waffenruhe vertrauend , wähnte sich dieses Bataillon in
vollster Sicherheit und stellte nur zwei Mann Vorposten vor dem Orte aus , die von den Desterreichern festgenommen und hierdurch verhindert wurden , ihren Truppen die nahende Gefahr zu ſignaliſiren .
Die Mehrzahl der Preußen ſchlief.
Sie wurden aus den Betten herausgeholt und gefangen genommen. Die Gegenwehr war nur sehr kurz . Vergebens ſuchte der preußische Major seine Truppen zu ordnen , vergebens ſie anzufeuern , indem er selbst mittelst eines Revolvers wüthend in die Desterreicher hineinschoß.
Diese antworteten ebenfalls
mit
einigen Schüſſen,
wobei ein Preuße getödtet , ein zweiter schwer verwundet wurde.
Der Leztere
machte am nächstfolgenden Tage in Melnick Testament.
Er erklärte , Vater von
sechs Kindern zu sein und bat den Ortsbürgermeister ,
die bei ihm gefundene
Baarschaft von 50 Thalern sowie seine Pretiosen seinem Weibe zu übermitteln , an welches er noch einige Abschiedsworte ſchrieb. Nach Gefangennehmung der feindlichen Truppen
wurde die Zerstörung
der Bahn ausgeführt, indem die Pfeiler der über die Elbe führenden Brücke gesprengt wurden."
429
Sprengung der Leitmeriser Elbbrücke.
XX
In welcher kopflosen Verwirrung mußte sich das Wiener Militärdirectorium befinden ,
daß es sogar die Anzeige von dem geschlossenen Waffenstillstand an
den Festungscommandanten zu senden unterlassen konnte ! Und ist es nicht ebenso auffällig , daß sich der Festungscommandant erst jezt erinnerte, er könne noch etwas Großes ausführen , nachdem er fast anderthalb Monate ganz still hinter seinen Mauern gesessen hatte?
Wußte er nicht , daß Böhmen in den Händen
der Preußen war und kam es ihm nicht in den Sinn, daß diese für seine Großthaten sehr empfindliche Repressalien nehmen würden ?
Und was das Seltsamste war,
fiel es den Commandirenden nicht auf, daß die Preußen gar keine Maßregeln zu ihrer Sicherheit getroffen hatten , ein Umstand ,
der doch gewiß seine Be-
deutung haben mußte, denn der bisher siegreich von ihnen geführte Krieg war ja Bürge dafür, daß sie sich solcher Nachlässigkeit nirgends schuldig gemacht hatten. Nun, an Repreſſalien ließen es die Preußen für diesen Waffenstillstandsbruch nicht fehlen ,
Prag hatte die Entgeltung zu zahlen .
Es wurden Con-
tributionen von täglich 10,000 Centner Hafer, 600 Centner Mehl, 500 Centner Kaffe, 150 Centner Reis u . s. w. ausgeschrieben und General von Falkenstein war ganz der Mann , der nicht mit sich spaßen ließ.
Was gab man sich von
Wien aus für Mühe, Aufklärungen über den unangenehmen Vorfall an das
1
430
Böhmische Banden.
preußische Hauptquartier zu Prag gelangen zu lassen , um nur der Drohung Falkensteins, wenn die geforderten Contributionen nicht pünktlich beschafft werden, ſie durch Executiv-Maßregeln einzutreiben, Einhalt zu thun und von der ohnehin hart bedrückten Hauptstadt Böhmens diese ihr aufgebürdete ungeheure Laſt abzuwenden, sie wenigstens möglichst zu mindern . Der Krieg, den Oesterreich geführt , hatte mit Selbstüberschäzung begonnen und endete mit Demüthigung.
Das Schicksal gab dem Kaiſerſtaate eine
Lehre, welche in den Büchern der Geschichte nicht verfehlen wird , die nach uns kommenden mit Staunen zu erfüllen , weit es noch in keinem Lande der Erde vorgekommen , daß ein Krieg von kaum dreißig Tagen dazu gehört hätte, um eine Uebermacht , wie die des habsburgiſchen Kaiſerſtaates ſo gründlich zu brechen, wie dies jezt der Fall gewesen war. Wie im Verlaufe des dreißigjährigen Krieges die Menschheit verwilderte, überall Raub und Mord geschahen , und gewaltige Banden , von verwegenen Führern geleitet ,
die Straßen unsicher machten und Greuel über Greuel be-
gingen, so war es auch im Lande Böhmen geworden, obwohl nur einen Monat lang die gewöhnliche Ordnung der Dinge aufgehoben und das Außergewöhnliche an deren Stelle getreten war. Schon am 14. Juli ſah ſich der Commandant der zur Einſchließung der Festungen Josephsstadt und Königgräß zurückgebliebenen 12. Diviſion genöthigt, folgende Proclamation in czechischer und deutscher Sprache zu erlassen : „ Es haben sich zehn Bauern und Knechte in der Gegend von Königgräß erfrecht, auf preußische Truppen heimtückiſch zu ſchießen, wobei ſie ergriffen nunmehr vor dem Kriegsgericht in Pardubiß abgeurtheilt werden.
Bei dieser Ge-
legenheit warne ich die Bevölkerung davor, ihre bisherige ruhige Haltung zu verlaſſen und mache hiermit bekannt , daß jede Civilperſon , welche mit Waffen in der Hand ergriffen wird, die Todesstrafe erleidet und daß für jeden preußischen Blessirten oder Getödteten ein dem Orte benachbartes Gehöft niedergebrannt wird.
Wird aus einem Orte auf preußisches Militär geschossen, so haften, wenn
die Thäter nicht ermittelt werden , sämmtliche Mitglieder der Gemeinde für die That und die Ortschaft wird nach Umständen niedergebrannt. " Nur Jemand , der den heimtückischen grollenden Character des Czechenvolkes kennen gelernt hat, konnte eine solche scharfe Androhung erlassen, sie war mithin in den Augen jedes vernünftigen Menschen gerechtfertigt, und noch mehr wurde ſie es , als die Straßen ſo unsicher wurden , daß das preußische Militär
481
Böhmische Banden .
einschreiten mußte.
Ohne nachdrückliche Strenge würde sich ein unleidlicher Zu-
ſtand ausgebildet haben , der , ohnehin schnell gewachsen, das Land in Anarchie gestürzt hätte.
In beiſpielloſer kurzer Zeit hatten sich zahlreiche Banden zu-
ſammengefunden und trieben Mord und Raub.
Folgender in der „ Schlesischen
Zeitung veröffentlichter Brief eines Striegauer Landwehrmannes giebt eine Schilderung dieses Gesindels, auf welches Jagd gemacht werden mußte : „ Die Unsicherheit in Böhmen ist gegenwärtig noch immer im Zunehmen begriffen und das Reiſen daſelbſt ohne Bedeckung durchaus nicht anzurathen. Wenn bis vor Kurzem nur fleinere Trupps von 6-10 Mann auftraten , so nehmen
dieſe Räuberbanden gegenwärtig bedeutend
größere Dimenſionen an.
Jenseit Mittelwalde fiel eine Bande von wenigstens 300 Köpfen eine Colonne von 129 Fuhrwerken an , die Hafer nach Böhmen führte .
Von lezterer kehrten
gestern noch 2 Kutscher mit 8 Pferden zurück, welche erzählten, auf welche Weise der
Ueberfall
geschehen, und
daß
eine große Anzahl
der Wagenführer
er-
schlagen wurde. „Am verflossener Mittwoch wurde die Besazung von Pardubig in der Nacht allarmirt.
Es galt diesmal einer Bande von circa 400 Mann , welche
in der Nähe in einem Walde lagern sollten.
Die preußischen Mannschaften
rückten nach dem bezeichneten Orte, hatten denselben aber noch nicht erreicht, als sie schon die Flucht und
der Bande wahrnahmen .
Es wurde ihr nachgesezt
gelang es auch mehr als 100 von ihnen einzufangen.
An
denselben
wurde zuvörderst eine nachdrückliche körperliche Execution bestehend in einem sogenannten „ kaiserlichen Frühſtück“ , vorgenommen, wonächſt ſie gebunden nach Preußen behuss ihrer weiteren Bestrafung abgeführt wurden.
Die meisten von
ihnen waren bewaffnet und viele mit preußischen Uniformen bekleidet , die ſie von den Schlachtfeldern gestohlen hatten.
Auf dem Transporte hatten sich zwei
Gebundene ihrer Fesseln zu entledigen gesucht und unternahmen beim Eintritt in ein Gehölz die Flucht.
Der Versuch mißglückte indeß , denn von den ihnen
nachgesandten Kugeln getroffen, blieben beide todt auf dem Plaze." Doch wenden wir uns von dieſem
traurigen Bilde menschlicher Ver-
worfenheit ab und der Reise König Wilhelms 1. zu. Als der Extrazug zu Prag anlangte , war der Eisenbahnhof, das Thor und das Hotel , in dem er für die Nacht Quartier nahm , mit preußischen Fahnen geschmückt , die Prager füllten die breite Hauptstraße, Tausenden, um den nordischen Monarchen zu ſehen.
den Graben zu
Die Stimmung der Be-
432
Preußische Requifitionen in Prag.
völkerung war eine schwer gedrückte.
Anfänglich war man mit den Preußen
ganz zufrieden, man hatte sich die Belästigung viel schlimmer gedacht, die PreuBen erhoben keine zu großen Ansprüche ; aber das wendete sich im Handumdrehen. Die Kunde von dem Bruche des Waffenstillstandes durch die Theresienstädter Festungsgarnison übte dieselbe erschreckende Wirkung
wie ein eiskaltes Sturz-
bad auf das günstige Verhältniß zwischen dem preußischen Militär und der Prager Einwohnerschaft.
Die Repressalien , welche der Gouverneur Vogel von
Falkenstein zu nehmen befahl, brachten die Stadt in Wehklagen. Die preußischen Offiziere ordneten plöglich Requisitionen an.
Man spannte den Milchwagen die
Pferde aus und das Gerücht, die preußischen Offiziere hätten sogar sechs Pfund Gänseleber requirirt , versezte die Prager in größte Angst , weil, wenn dies Gerücht Wahrheit war, es keine Sicherheit mehr für das Privateigenthum gab. Wenn auch die Requifitionen ermäßigt wurden , so blieben sie doch noch hoch genug um die Stadt zu bedrücken.
Nicht allein diese Angst lastete auf den
Pragern, sondern auch die Furcht, Opfer der Cholera zu werden, die mit riesiger Schnelligkeit an vielen Orten zugleich um sich griff und durch Lazarethfieber bedeutenden Vorschub erhielt. Desterreicher, Preußen und Sachsen haben dem Würgengel Cholera einen ziemlich bedeutenden Tribut an Menschenleben bringen müſſen,
433
Ankunft des Königs von Preußen in Zittau. besonders
die
Preußen
verloren
viele Mannschaften.
Die Fortsetzung
des
Krieges würde das Umſichgreifen dieser schrecklichen Krankheit , welche so viele Tausende von Opfern forderte , noch weit mehr begünstigt haben , der Friede machte also nicht nur dem Kriege ein Ende, sondern that auch gewissermaßen der Cholera Einhalt. Als
Se.
Böhmen vom
Majestät
der König
von Preußen mittelst Extrazuges
aus
Schlachtfelde zurückkam , wurde derselbe auf dem Haltepunkte
Zittau vom preußischen Militär ,
welches den Bahnhof mit Guirlanden und
schwarz-weißen Fahnen festlich geschmückt hatte , feierlich empfangen .
Auf dem
Bahnhof war reichlich Militär aufgeſtellt , und zum Zeichen , daß ein (ſchweres) Kriegslazareth sich im Orte befinde , senkte sich eine mächtige weiße Fahne mit rothem Kreuz vor dem Local des Verbandplages
aus
der
ersten Etage des
Bahnhofgebäudes bis herab auf den Perron . Außer dem Militär waren noch der Bürgermeister und die Stadträthe von Zittau, die Aerzte des Hospitals und der Johanniter Graf Bodin zugegen, welche Alle von der Ankunft des Königs benachrichtigt worden waren. Der Zug kam , die Locomotive war bekränzt mit Guirlanden , der Locomotivenführer mit einem Orden geschmückt.
Die Truppen brachten ein Hoch
auf Se. Majestät , die anwesenden Herren vom Civil entblößten ihre Häupter und stimmten in das Hoch ein.
Der König sah dankend aus dem Wagen und
wurde von dem Grafen Bodin empfangen.
Darauf kamen zwei preußische
Gräfinnen und reichten dem König, die eine einen Lorbeerkranz, die andere ein Bouquet in's Coupé , welche Gaben der König mit freundlicher Miene gegennahm .
Der König
ent
winkte nun dem anwesenden Generalarzt Professor
Dr. Wagner und sprach mit ihm längere Zeit. Nachher führte Herr von Bodin den Bürgermeister und die Stadtṛäthe an den Waggon zum König , welcher lesterer folgende Worte sprach:
„Ich habe Ihrem Lande schwere Opfer auferlegt, doch Mein Land hat dieſelben Opfer zu tragen , — die Zeit wird Alles ausgleichen. "
Dann speciell zum Bürgermeister Haberkorn :
befindet sich jezt in Wien ? "
„ Nun , Ihr König
Der Angeredete antwortete auf diese unver-
muthete Frage sofort sehr reſolut :
„Majestät , ich weiß nicht , wo sich mein
König jezt befindet. “ Als die Herren abgetreten waren, commandirte der König laut und vernehmlich:
" Verwundete vor " .
Es kamen zwei preußische junge Offiziere an's
Coupé , mit welchen der König ſprach ; dem einen , der die Tapferkeitsmedaille 28 Kriegsereignisse.
434
Ankunft des Königs von Preußen in Görliß.
trug, schüttelte der König die Hand und sagte, auf die Tapferkeitsmedaille zeigend: „Wir sind ja alte Bekannte." In den folgenden Coupé's saßen noch der Kronprinz und der ganze Stab des Königs , von Moltke u. s. w.
Die Generale sahen alle zum Fenster
heraus ; Graf Bismarck in der Landwehruniform wurde erst im Hintergrunde ſeines Coupé's , ohne jedoch an's Fenster wie die Uebrigen zu treten , sichtbar, als der Zug sich schon in Bewegung seßte. ein hoch. In
Görlig ,
um
Die Truppen brachten abermals
4 Uhr Nachmittags
anlangend ,
wurde
dem König
Wilhelm bei seiner Durchreise eine Glückwunschadresse vom Magistrat und den Stadtverordneten überreicht.
Der Monarch hörte die Vorlesung der Adreſſe mit
freundlichem Gesicht an und war sogar dem Oberbürgermeister, als diesem beim Umwenden das Blatt entglitt , behilflich ,
dasselbe festzuhalten.
Sobald
der
Oberbürgermeister geendet, sprach der König mit starker, lauter Stimme : „ Alles, was Sie Mir da gesagt haben , ist wahr.
Ich bin mit jedem Worte einver-
standen , besonders mit dem, was Sie über Meine brave Armee gesagt haben ; sie hat sich unübertrefflich geschlagen.
Aber Sie wissen es und können es hier
und bei diesen Worten wies der König mit Rührung auf einige ver-
sehen,
wundete Offiziere, die in seiner Nähe ſtanden , - es hat der Armee schwere Opfer und große Verluste gekostet. ihrer Tüchtigkeit.
Ihre großen Erfolge verdankt sie nicht allein
Meine Herren! ohne Gottes Beistand hätten Wir das nicht
erreicht, und Ihm gebührt unser Dank vor Allem.
Auch Mein Volk hat freudig
große Opfer gebracht und Ich danke ihm dafür.
Jezt wird es Mein einziges
Bestreben sein, Meinem Lande einen ehrenvollen Frieden zu sichern , und Ich hoffe, daß wir ihn bald haben werden.
Ich danke Ihnen."
Der König begab sich nun in den Wartesaal, in welchem rasch das Diner eingenommen wurde; unterwegs redete der König wie auch der Kronprinz noch verschiedene Bekannte an, der Kronprinz unter Anderen einen Offizier ſeines Regiments, den er vor längerer Zeit in Neiſſe geſehen, und nahmen ihre Glück. wünsche zu dem so rasch errungenen Siege entgegen.
Damen überreichten dem
König einen Lorbeerkranz und ein Bouquet, ebenso dem Prinzen und dem Grafen Bismarck.
Nach etwa 20 Minuten hob der König die Tafel auf und ſprach
den Wunſch aus, sich nach den Lazarethen zu begeben.
Während dies geſchah,
war Graf Bismarck auf dem Perron zurückgeblieben. Bei seiner Rückkehr in MU Sdem den Warteſalon brachten einige Damen auf SH EU Balcon ein Hoch auf ihn aus, TI M I R B
435
Abfahrt des Königs von Preußen von Görliz und Aukunft in Berlin.
in das von verſchiedenen Seiten eingeſtimmt wurde. sichtlich überrascht,
Graf Bismarck war davon
wandte sich mit jugendlicher Schnelligkeit um und wehrte
mit der Hand ab ;
dann ging er die Treppe herunter einige Schritte zurück,
um ſeine enthuſiaſtiſchen Verehrerinnen , die noch immer mit den Taschentüchern winkten und „ Bismarck hoch ! " weiter riefen , anzuschen .
Mit lächelnder Miene
grüßte er hinauf und ging dann in den Saal hinein. Wenn auch der Enthusiasmus unter die schönen Vorrechte des Menschen gehört , weil er dem innersten Denken und Empfinden entspringt , so hat doch auch er eine scharf gezogene Grenze , über die hinaus
er leicht etwas Anderes
wird.
weibliche Herzen viel er-
Für Damen , wenn wir auch annehmen, daß
regungsfähiger sind , länger
als Männerherzen, und daß leidenschaftliches Aufwallen
in ihnen nachklingt , scheint diese fortdauernde Begeisterung doch
ein
wenig übertrieben geweſen zu ſein, und das erwähnte Lächeln des Grafen Bismarck ſpricht dafür, daß er wohl dieselbe Ansicht gehabt haben mag . Nach Besichtigung der Lazarethe wurde die Reiſe fortgesezt, und es iſt wohl selbstverständlich, daß an allen Orten sich die Bevölkerung der Umgegenden eingefunden hatten , um den König zu ſehen und zu begrüßen.
Um halb 11
Uhr Abends langte der Zug auf dem Frankfurter Bahnhofe an. Die schon Tage lange vorher courſirende Nachricht von der Rückkehr des Königs hatte Berlin in große und freudige Aufregung gebracht.
Kaum war die von Prag aus an-
getretene Weiterreise des Königs signalisirt, als alle Straßen der Residenz sich mit Fahnen und Flaggen auf's Reichſte ſchmückten und des Abends die Stadt glänzend erleuchtet wurde.
Auf dem Perron des festlich geschmückten Bahnhofs
hatten sich die Minister , die Generalität , die Spigen der Behörden, die Bürgermeister und Vorsteher der Stadtverordneten , der Rector der Universität u. ſ. w. aufgestellt. Um 10
Uhr verkündete das Signal von der lezen Station her das
Nahen des königlichen Zuges, und bald darauf rollte derselbe, von tausendfachem Hurrah begrüßt, in den Bahnhof.
Ein wahrer Sturm von Jubel unter dem
Tusch der Musik, brauſte dem ausſteigenden Könige und ſeinem Prinzen entgegen. Alles drängte sich um ihn, und erst nach einer Weile konnte Raum
geschafft
werden, indem er mit frischen und munteren Schritten der Königin entgegen eilte und sie auf's Herzlichste begrüßte. Die Fahrt durch die glänzend geschmückten und erleuchteten Straßen bis zum königlichen Palais war ein wirklicher Jubel- und Triumphzug. Die An28*
436
Vorlesung und Ueberreichung einer Adresse an den König von Preußen.
fahrt des Königs vor sein Palais durch die zahllose Volksmenge wurde mit der Nationalhymne und dem Preußenliede begrüßt, und der Jubel und der begeiſterte Ruf nach dem König war so stürmisch , daß derselbe ſich genöthigt ſah , mit der Königin und dem Kronprinzen wiederholt auf dem Balcon zu erscheinen.
Mit
sichtlicher Bewegung dankte er dem nicht enden zu wollen scheinenden Hurrahund Willkommenrufe der Volksmaſſe, welche bis lange nach Mitternacht durch die Straßen jubelte und auch vor das Hôtel des Miniſterpräsidenten zog und demselben zahlreiche Huldigungen darbrachte. Magistrat und Stadtverordnete von Berlin begaben sich am Nachmittag des folgenden Tages , Sonntag den 5. August , vom Rathhause aus nach dem königlichen Palais, um dem Könige eine Adreſſe zu
überreichen .
Um halb 2
Uhr erschien Se. Majestät in Begleitung eines Adjutanten und des Kammerherrn Grafen Perponcher.
Der Oberbürgermeister Seydel bat alsdann um die
Erlaubniß , die Adreſſe verlesen zu dürfen . Nachdem die Erlaubniß dazu ertheilt, verlas und überreichte der Oberbürgermeister die Adreſſe. " Allerdurchlauchtigster , und Herr!
Großmächtigster König !
Sie lautete : Allergnädigster König
Die heißen Segenswünſche , mit welchem Eure königliche Majeſtät
bei Ihrer Abreise zur Armee die Bevölkerung unserer Stadt begleitete , ſind erfüllt.
Der Herr der Heerschaaren hat den Sieg an unsere Fahnen geknüpft. In einer kurzen Woche stürmten unsere Truppen - die mit Begeisterung die Prinzen des königlichen Hauses , in der Entscheidungsschlacht Eure Majestät
Selbst die Gefahren des Kampfes theilen sahen — in Böhmens Waldgebirgen von Triumph zu Triumph .
Ein in der Kriegsgeschichte fast beispielloſer Sieges-
lauf führte sie in Monatsfrist von den Grenzen der schönen Provinz, welche der Feind bereits als sichere Beute
betrachtete , vor die Thore seiner Hauptſtadt.
Mit Staunen sieht Europa die Erfolge, welche wir der auf volksthümlicher Grundlage beruhenden Einrichtung
unseres Heerwesens , der Intelligenz und
Entschlossenheit der Führer, der Hingebung und dem Muthe der Offiziere und Soldaten verdanken.
Es mag nicht länger die Berechtigung des nationalen
Gedankens zu verkennen, in dem dieſer Krieg von Eurer Majestät geführt worden ist, die Kraft zu mißachten, welche Preußen für denselben einzusehen im Stande ist.
So sieht sich Eure Majestät stärkster Feind
eines Friedens anzunehmen ,
gezwungen , die Grundlagen
welcher die politische Gestaltung Deutschlands von
dem hemmenden Druck der Interessen des
österreichischen Kaiserhauses befreit
und unter Eurer Majestät Herrschaft und Führung
ein
neues Staatswesen
Antwort des Königs von Preußen auf die Adreſſe des Berliner Stadtroths.
erstehen läßt , deſſen
437
geſchloſſene Kraft auch die Gefahren , welche die Zukunft
bringen könnte , erfolgreich bestehen und die Erkenntniß immer weiter verbreiten wird , daß nur Preußen die politischen Schäden heilen kann , an denen Deutschland
seit Jahrhunderten krankt.
So
krönen die Erfolge dieses
Krieges die
Thaten des großen Kurfürsten, des einzigen Friedrich! „ Die Geschichte wird es würdigen , daß die, unserm Staate für die politische Kräftigung Deutschlands , für die Erhaltung seiner Culturgüter gestellte Aufgabe von Eurer Königlichen Majestät, wie von Ihren glorreichen Ahnen, mit hohem Sinn erfaßt, mit entschlossenem Muthe erfüllt worden ist. wart geziemt cs ,
Eurer Majestät Dank zu sagen, daß Allerhöchst Sie durch
die Weisheit und Energie Ihrer Politik , wie Ihrer Kriegführung land vor drohenden Gefahren
das
nicht nur helden-
und die Entbehrungen des Feldlagers
mit Aufopferung zu tragen , und Sitte zu achten weiß.
das Vater-
gesichert, seine Macht und seinen Ruhm ver-
mehrt und zu ſeinem Schuge ein Heer gebildet haben, müthig zu kämpfen
Der Gegen-
sondern
auch die
Pflichten
und
der Märſche
der
Menschlichkeit
Indem wir Namens der Haupt- und Reſidenzſtadt
diesem Danke Ausdruck geben , bitten wir Sure Majestät, denselben mit unsern innigen Glückwünschen zu Allerhöchst Ihrer sieg- und ruhmgekrönten Heimkehr huldreich entgegen zu nehmen. Berlin, 5. August 1866. In tiefſter Ehrfurcht 2. “ Der König antwortete : „Mit aufrichtigem Dank nehme Ich den Gruß entgegen, den Mir Meine Residenz bei Meiner Rückkehr in das Vaterland darbringt.
Großes ist in über-
raschender Kürze vollbracht worden , aber selten ist Gottes Segen und Gnade so ſichtlich mit einem gewagten Unternehmen gewesen , als in den legten Wochen. Mein Volk vertraut mit Mir auf Gott, Er hat uns den Sieg verliehen .
Mein
Heer, das Volk in Waffen , hat an Heldenmuth und Ausdauer sich den glorreichsten Thaten seiner Väter ebenbürtig gezeigt und Thaten vollbracht , die die Geschichte unauslöſchlich verzeichnen wird.
Die Gesittung , welche Mein tapferes
Heer in Feindesland zeigte , sowie die Gesinnung und Opferfreudigkeit, welche alle Claſſen der Daheimgebliebenen bewiesen , sind die Frucht einer väterlichen Volkserziehung Meiner großen Ahnen.
Preußen mußte das Schwert ziehen, als
es ſich zeigte, daß es die Erhaltung seiner Selbstständigkeit galt, aber auch zuz Neugestaltung Deutschlands hat es ſein Schwert gezogen ; Ersteres ist erreicht, Lezteres
möge Mir unter Gottes fernerem Segen gelingen.
Sagen Sie der
Stadt, wie gerührt und dankbar Ich für den Mir gewordenen Empfang bin .
438
Das Einrücken der Preußen in Nassau.
Alles deutet auf eine glückliche Zukunft Preußens hin, da wir einem ehrenvollen, dauernden Frieden entgegensehen dürfen. Sie uns gemeinschaftlich thätig sein.
Diese Zukunft zu verdienen , laſſen
Und nun nochmals Meinen Dank. "
Nach einem von dem Oberbürgermeister ausgebrachten Hoch auf Se. Majestät, in welches die Versammlung begeisternd
einstimmte , wurde dieselbe
huldvoll entlassen. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun dem Schlußact des Kriegsspiels am Main zu.
Die Vorgänge in Frankfurt am Main . Der Herzog von Naſſau hatte, wie schon früher erwähnt, an den Fürſten von Hohenzollern , Gouverneur der preußischen Rheinprovinz , auf deſſen Proclamation an die Nassauer cine Antwort erlassen , welche bedeutende Aehnlichkeit mit einer Pille hatte , bei welcher der sie bereitende Apotheker die süße Zuthat vergessen hat.
Des Fürsten von Hohenzollern ſchriftliche Rückäußerung war ruhig
gehalten, indem sie sich nur darauf beschränkte , die gegenwärtigen Verhältnisse dem Herzog vor Augen zu führen, zugleich wurde preußischer Beſuch, mit Bajonneten geschmückt , in's glückliche Nassauer-Land gesendet.
Jedoch waren dieselben
anfänglich nur vorübergehend , gleichsam Fühler , um sich mit den Gesinnungen des Volkes bekannt zu machen , indeß diese zeitweiligen Einfälle nahmen bald einen ernsteren Character an , sie verwandelten sich in eine dauernde Besaßungder Lahn und des Hochplateaus zwischen Schwalbach und Nassau.
In diese
Gebietstheile des Herzogthums rückten 8000-10,000 Mann, meistens Landwehr, ein.
Ems wurde mit 2000, Naſſau mit 1000 Mann bedacht. Ems , wer sollte von Ems nicht gehört haben , dessen sieben Mineral-
quellen in aufsteigender Wärme von 18-44 Grad der an chronischen Katarrhen, die
Lungenverstopfung und anderen trauigen Uebeln krankenden Menschheit reiche , wohlhabende nämlich , denn Arme können die Kur nicht bezahlen wahrhaft ſegnungsreicher Quikborn ist !
ein
Die alten Römer haben dieſe Quellen,
über die 1583 erst Brunnengebäude errichtet wurden, schon gekannt und gebraucht. Es ist ein freundlicher Ort, mitten in Bergen, und seine 17-1800 Einwohner kennen den Werth des Geldes so genau, wie der geborene Residenzstädtler , ja, nachdenkliche Leute , die hierher in's Bad kommen , dürften leicht auf die sonder-
439
Die Vorgänge in Nassau.
bare Idee verfallen , die Emſer müſſen ſchon bei der Geburt der Hebamme und andern ſie umgebenden Perſonen eine hohle Hand entgegengestreckt haben , um ein Trinkgeld zu bekommen.
Die Heilquellen Ems haben seine Bewohner wohl-
habend gemacht, und die Versendung von 50,000 Krügen „ Kränchen “ und „Kurbrunnen “, bringt auch etwas ein.
Naſſau dagegen, das in einem ſchönen Thale
an der Lahn gelegene freundliche Städtchen mit seinen 13-1400 Einwohnern, entbehrt des Erwerbes, der den Emsern alljährlich in Aussicht steht, und darum werden ihnen die 1000 Mann Einquartierung viel drückender geworden sein. In Ems konnte es sich nur um Beschaffung der Quartiere für die 2000 Mann handeln, nicht vorherrschend um die Koſten der Verpflegung, im Städtchen Naſſau aber jedenfalls um Beides . Das genannte Städtchen hat für das Herzogthum hiſtoriſche Bedeutung, denn ihm gegenüber am linken Lahnufer auf hohem Berge liegt das Stammschloß des Fürstenhauses der Nassauer , jezt eine Felsenschloß-Ruine, von der aus man eine prächtige Aussicht hat und deswegen diese Burg von den Emser Kurgäſten viel besucht wird. sondern
es
Wiesenthale.
Doch nicht die Burg Naſſau gab dem Städtchen den Namen ,
erhielt denselben von seiner reizenden Lage in einem bewässerten Das kleine, anmuthig gelegene Nassau trägt in seiner Mitte ein
von dem berühmten Staatsminister, Freiherrn von Stein, zum Andenken an die Befreiung Deutschlands von der Franzosenherrschaft errichtetes Denkmal , einen in alterthümlicher Form erbauten Thurm.
Die Neuzeit hat die kleine freundliche
Stadt mit einer Verschönerung bedacht ,
deren sich nur wenige so kleiner Orte
rühmen können , nämlich 1830 eine Kettenbrücke von 260 Fuß Länge , welche die Gemeinschaft mit dem jenſeitigen Lahnufer unterhält. Doch weiter in unserer Schilderung der Vorgänge im Lande Naſſau . Was vorauszusehen war , kam, nämlich die Besißnahme Nassauer Landes , „Schlacht"
des ganzen
nachdem am 13. Juli in der Nähe von Schwalbach eine
man denke nicht gar so Schlimmes bei diesem Ausdrucke
liefert worden war ,
ge=
in der die Naſſauer Kehrt machten und sich auf's linke
Mainufer zurückzogen. Herzog Adolf fand es für besser, den widrigen Umständen zu weichen. und sein schönes Wiesbaden zu verlassen.
Vor seiner Abreise nach Mannheim
erließ er folgende Proclamation an die Naſſauer : " An mein Volk! Nassauer!
Der Feind
der deutschen Bundessache nimmt seit gestern
440
Proclamation Les Herzogs Adolf an die Naſſauer.
eine Stellung ein , die mich nöthigt , um nicht nach einem in der Geschichte der Civiliſation einzig daſtehenden Beiſpiel der lezten Wochen in Kriegsgefangenſo Gott will - kurze Zeit zu verlassen. Ich
schaft zu gerathen, Euch auf
eile zur Armee , weil ich dort bei Euren Söhnen und Brüdern unter Naſſau’s Fahnen wenigstens für einen Theil meiner Landeskinder sorgen zu können hoffe. Die Herzogin , meine Gemahlin , und meine Kinder lasse ich als theure Pfänder in Euerer Mitte zurück.
Nächst der göttlichen Vorsehung befehle ich sie Euerer
Obhut ; möge der Allmächtige sie und Euch Alle in seinen heiligen Schuß nehmen und der guten Sache endlich zu ihrem Rechte verhelfen.
Bewahret mir die
alte naſſauiſche Treue und Unabhängigkeit, die Ihr mir so oft bewiesen, und bei dem seltenen Feste, welches wir vor nicht zwei Jahren zuſammen gefeiert haben, auf so rührende Weise von Neuem gelobt habt.
Welches Geschick auch über
uns verhängt sein möge, ich werde die Ehre Naſſau's hochhalten und meine Pflichtentreue und Liebe zu Euch bis zum lezten Herzschlage bethätigen.
Bauet
auf mich, wie ich auf Euch baue, so wird Gott uns nicht verlaſſen . “ Es ist gewiß eine eigenthümliche Erscheinung, daß in den Proclamationen des Königs von Hannover , des Kurfürsten von Hessen-Kaſſel und dcs Naſſauer Herzogs eine so starke Ueberzeugung von der unwandelbaren Treue und Anhänglichkeit ihrer Völker ausgesprochen wird , als wenn diese in aller Wirklichfeit den Himmel auf Erden gehabt hätten , obwohl die in diesen Landen ſeit Jahren vorgekommenen Ereignisse mancherlei gerechte Zweifel an diesem Seligkeitsgenusse zulassen.
Die Moral von dieser auffälligen Erscheinung dürfte ſich
dahin erklären lassen , daß die Umgebungen der Fürsten fast unter allen Um ständen die Schuld trifft, daß vieles Gute nicht geschieht , was , stellten ſie es in dem rechten Lichte ihrem Herrn vor , geschehen sein würde.
Jeder Geschicht-
ſchreiber sollte daher bemüht und sich es als besondere Pflicht angelegen sein lassen , Schilderungen , sowohl amtlicher als persönlicher Natur, von den Umgebungen der Fürsten zu geben , denn sie sind es meist, die den Launen und zuweilen mehr als unstatthaften Anschauungen ihrer Gebieter fröhnen , wo es geboten wäre , ihnen offene Wahrheit zu sagen.
Daß dies nicht geschieht , ist
der faule Fleck, dessen beständige Offenhaltung so
unendlich viel Böſes über
Völker und schließlich über die Fürsten selbst herbeigeführt hat. Herzog Adolf hatte gerade noch den richtigen Zeitpunkt getroffen, um dem bevorstehenden Besuche der Preußen in seiner schönen Residenz Wiesbaden aus dem Wege zu gehen.
Als derselbe
am 19. Juli erfolgte, war es auch sofort
Wiesbaden.
441
aus mit der herzoglichen Regierung, und Verrina's entscheidendes Wort : „ Nun, wenn der Purpur fällt , muß auch der Herzog nach“ , ging hier in buchstäbliche Erfüllung, der Herzog Adolf betrat seiner Väter Land nicht wieder. Die Wiesbadener , gewöhnt, nur reiche Badegäste und Liebhaber von Roulette et noire bei sich zu sehen, machten gute Mienen zum bösen Spiele , nur Einige zogen sich in die Weite, und das waren hochgestellte Staatsbeamte; der Finanzdirector von Hermskerk und der ehemalige Regierungsdirector Werren traten eine Reiſe in die Schweiz an, denn „ Auf den Bergen wohnt die Freiheit“ , und die Preußen bedurften keiner Beihilfe im Regieren . Die Truckerei des officiellen Regierungsorgans , der „ Naſſauiſchen Landeszeitung ", wurde auf Befehl der preußischen Commandantur geschlossen .
Mit ihr
starben der „ Wiesbadener Anzeiger“ und die „ Neue Mittelrheinische Zeitung" eines schleunigen Todes .
Der in Wiesbaden noch anwesend gebliebene Prinz
Nikolaus blieb unangefochten von jeder Behelligung , da er , wie es hieß , ſein Ehrenwort gegeben haben soll, nichts Feindliches gegen Preußen zu unternehmen . So waren die Preußen denn die Herren des Nassauer Herzogthumes , welches sich schon auf den Weinkarten der Hôtels mit den edelsten Weinen des Rheingaues, wie Hochheimer, Johannisberger, Rüdesheimer, St. Marcusbrunner, Asmannhäuſer, Deſtricher, Hatteshauſener, Geisenheimer, Schiersteiner und den bei Argenfels und Hammerstein so wohl gedeihenden Bleichert bestens empfiehlt und selbst der kranken Menschheit durch seine berühmten Mineralquellen zu Wiesbaden, Selters und Niederfelters , Geilnau , Fachingen , Ems , Oberlahnstein , Langenschwalbach, Schlangenbad , Soden , die Trinkholderquelle bei Braubach und andere Wässer wohl allgemein und zwar auf's Vortheilhafteste bekannt ist . Ist dies von der gütigen Natur so ausgezeichnet begünstigte und durch ſeine romantischen Berge und Thäler von allen Touristen gepriesene Land nur 83 Quadratmeilen groß und hat es auch nur an 400,000 Einwohner , so war cs doch für Preußen ein höchst angenehmer Zuwachs, denn außer allen den reichen Segnungen, welche hinsichtlich des Weinbaues und der berühmten Mineralquellen dem Lande geworden sind (Mineralwäſſer und Wein ſind die beiden Hauptausfuhrartikel) , entwickelt seine Bevölkerung einen hohen Aufschwung bezüglich der Manufactur- sowie Gewerbsthätigkeit, so daß die Staatseinkünfte an 1,810,000 Gulden betragen.
Mit der Occupation durch die Preußen (reſpective
mit der Einverleibung Naſſau's in daſſelbe) fiel natürlich auch die Verpflichtung für dasselbe hinweg, als Bundescontingent 3028 Mann zur zweiten Division des
442
Wiesbaden.
neunten Bundesarmeecorps zu stellen.
Mit einem Schlage war die alte Zeit
abgethan , und dem Anſcheine nach waren die Naſſauer gar nicht mißvergnügt darüber, hinfort zu Preußen gehören zu sollen. „ Ein Augenblick kann Alles umgestalten “, und wenn das Sprichwort nie als Wahrheit sich erwiesen hätte , im Jahre 1866 ist demselben dieser Ruhm sicher nicht abzustreiten, ja selbst auf den Titel des Nassauer Fürsten : „ Souveräner Herzog von Naſſau , Pfalzgraf bei Rhein , Graf von Sayn , Königstein und Kazenellebogen , Burggraf zu Kirchberg und Hammerstein “ dürfte es einen auflöſenden Einfluß geübt haben.
Mit der Neugestaltung der Dinge fiel natürlich auch
das dem Herzog zustehende höchst bedenkliche Recht, das unbedingte Veto, welches die Kammern, eine gegen die andere, in Anwendung bringen konnte, zu beseitigen, wodurch ſelbſtverständlich der Zweck der ganzen landſtändischen Verfaſſung vereitelt werden konnte und in der Hand des regierenden Fürsten eine Waffe war , die jeder unliebſamen Landtagsentſcheidung den Todesstoß zu geben vermochte.
Unter die
Annehmlichkeiten für die dem Lande Naſſau zu Theil gewordenen OccupationsTruppen gehörte unstreitig die Garnisonirung in Wiesbaden. Es ist ein schönes Stück Erde, welches
dieſe Reſidenz umgiebt.
Hier
findet sich ein unendlicher Reichthum an großen und schönen Naturscenen zusammengedrängt ; von vielen Punkten dieser von Wiesen und Getreidefluren durchzogenen und von sanft lehnan steigenden Rebengeländen , und im Hintergrunde von hohen , rauhe Winde abhaltenden Waldgebirgen ,
in weitem Bogen um-
schlossenen kleinen Ebene bieten ſich die reizendſten Fernsichten.
Und die Stadt
selbst gewährt ein sehr freundliches Bild hinsichtlich ihrer saubern Straßen und meist schönen Gebäuden.
Welche Wandlungen hat dies Wiesbaden ſeit der Zeit
der Römer erlebt , die hier ein von Drùsus erbautes Castell hatten , von welchem noch Spuren auf dem Kirchhofe und rings umher Ueberreste römischer Bäder (die Römer kannten und benußten die [mattiafischen] hiesigen Quellen) und Grabmäler zu finden sind .
Jahrhunderte später liebten die Carolinger diese
schöne Gegend, wo Karl der Große in der von ihm erbauten Pfalz oft gewohnt hatte und schlugen hier ihre Residenz auf.
Und so hat jedes folgende Jahrhundert
auf dieſem von der Natur so reich gesegneten Boden eine historische Erinnerung hinterlassen.
Eine Erinnerung , welche aber keine freudenreiche sein , im Gegentheil der Ehre Deutschlands Schmach bereiten wird , bleibt , wenn vielleicht auch nicht mehr im Gedächtnisse der Nachkommen, doch sicher in den Annalen der Staaten-
443
Darmstadt.
geschichte aufbewahrt , es ist die an die Spielhölle, welche in den köstlich ausgestatteten Räumen des Wiesbadener prächtigen Kursaals mittels klingenden Contracts von den Naſſauer Fürſten geduldet und gehegt wurde.
Das Vers
schwinden dieſer ſchändlichen Anſtalt wird unter die guten Früchte gezählt werden, welche Nassau's Einverleibung in Preußen gestiftet hat. Auch für Darmstadt brachten die Siege der Mainarmee eine Ueberraschung,
denn 6000 Preußen rückten in diese großherzogliche Residenz , welche
zwei Tage vorher von den Bundestruppen verlassen worden war, am 18. Juli ein.
Der Großherzog hatte sich nach München begeben und vorher an die
Beamten seines Landes Weisungen bezüglich
ihres Verhaltens
während der
Dauer der feindlichen Occupation ergehen laſſen. Der Staatsminister v . Dalwigk fand es, wenn auch nicht , wie der diplomatische Kunstausdruck lautet, aus "„ Geſundheitsrückſichten “ , wohl aber aus andern. ſehr triftigen Rücksichten gleichfalls für sehr ersprießlich, sich zu entfernen , ehe die Preußen kamen. seinem Herrn nach München gefolgt. der preußischen Prinzeſſin Eliſabeth)
Es hieß,
er ſei
Vom Hofe blieb nur Prinz Karl (Gemahl und Prinzessin Alice (Gemahlin ſeines
Sohnes Ludwig) nebst Familie in Darmstadt.
Von Seiten des russischen Hofes
war als Specialbevollmächtigter (tie Kaiserin Maria von Rußland ist nämlich die Schwester des Großherzogs Ludwig) der ruſſiſche General Bergsträſſer anwesend. Hier drängte sich den denkenden und mit den Zuständen der Länder bekannten Männern unter den preußischen Occupationstruppen der schlagende Beweis auf, daß es im lieben deutschen Vaterlande noch Länder giebt , wo der Fürst Alles , das Volk sehr wenig bedeutet.
Wohl nirgends in ganz Deutsch-
land ist die Hofluft so vorherrschend, als in der Residenz Darmstadt.
Wer diese
großherzoglichen , an dem kleinen Bache Darm gelegenen Capitale sieht , ihre prächtigen Straßen , ihre geschmackvollen Anlagen (die Rheinstraße ist 1000 , die Neckarstraße 600
Schritt lang) ,
ihre prächtigen Pläge , der Louiſen-, Markt-,
Parade , Main- und Neckar-Play, wahrhafte Zierden einer Hauptstadt, ſelbſt das aus Basaltwürfeln
bestehende ,
ausgezeichnete Pflaster, den überall entgegen-
tretenden Wohllaut der Sauberkeit und den angenehmsten Eindruck für das Auge bewirkenden, die Lücken zwischen den Häusern füllenden Baumgruppen als eine hübsche Unterbrechung aller Einförmigkeit empfindet, großherzogliche Schloß ,
und schließlich das
den herrlichen Marstall mit seiner 500 Fuß langen
Fronte, das Ständehaus , das Opernhaus und viele andere schöne öffentliche
444
Mobilifirung der Liechtensteinischen Armee.
Bauten bewundert, der denkt für den ersten Anblick gewiß nicht daran, daß troz alledem ein wahrhafter Volkswohlstand hier nicht herrscht. denn die hiesige Fabrikthätigkeit ist eben nicht sehr bedeutend .
Und diese Fabrikthätigkeit ist der einzig
richtige Gradmesser für den Volkswohlstand .
Ehe wir zur Schilderung der Vorgänge in Frankfurt am Main übergehen, sei noch einiger hübscher Humoresken gedacht, die in dem Ernste der Zeit, eng verwandt mit demselben, mit unterliefen. Wie treue Anhänglichkeit sich zu großen Opfern hinreißen lassen kann, davon gab der Fürst Johann II. von Liechtenstein ein eclatantes Beispiel.
Als
gegen Ende Juli zwischen Preußen und den Bundestruppen bereits ein Waffenstillstand vereinbart worden war, fiel es diesem grand Seigneur des eine Meile im Quadrat haltenden Liechtenstein plöglich ein, durch eine kühne That die verlorene Sache des schon halb verstorbenen Bundestages zu retten.
Er verordnete
die Mobilifirung seines zu stellenden Bundescontingents , netto 90 Mann , Alles in Allem.
Die Landstände bekamen ob dieses kriegerischen Aufschwunges ihres
gnädigsten Herrn einen höllischen Schreck. In tiefster Ehrerbietung stellten sie Höchstihm
vor ,
daß
es nun , nachdem der Krieg zwischen Preußen und den
süddeutschen Staaten als beendet zu betrachten sei , es zur Mobilisirung zu spät
445
Kleinstaatliche Begebenheiten.
wäre und durch solche Wagehalsigkeit leicht die Selbstständigkeit Liechtenſteins beim Friedensschlusse
beeinträchtigt
werden
könne .
Wie eine
dunkle
Sage
geht, soll diese Leonitenschaar von Liechtenstein wirklich den Marsch auf einige Meilen weit angetreten haben , dann aber , weil beſſeres Einſehen den Fürſten überkommen, wieder rückläufig geworden sein. Ein klein wenig Heiterkeit in so trüber Zeit kann wahrhaftig nicht ſchaden, und auch dafür hat die deutsche Nation die Verpflichtung, dem Liechtenſteiner Johann U. dankbar zu sein, denn, wenn das Menschenantlig lacht, hat es Aehnlichkeit mit der aufgehenden Sonne, und was brauchte Deutschland in dem traurigen Kriege , wo Brüder gegen Brüder kämpften , mehr als Sonnenschein ! Einen zweiten Erheiterungsbeitrag in der sorgenschweren Kriegszeit lieferte die „ Volkszeitung “ durch folgende Mittheilung aus dem Fürſtenthum Reuß-GreizSchleiz-Lobenstein : Ueber das Einrücken der Preußen daselbst brachte die „ Volkszeitung " folgende humoristische Mittheilungen : „Wo die Ankunft der Preußen große Freude erregt hat , das war im deutschen Vaterlande Greiz- Schleiz-Lobenstein.
Erstens
wegen der Genugthuung, daß man sie auch beachtete, zweitens wegen der Tanzverbote der Fürstin, deren baldiger Aufhebung durch die Preußen man entgegensah.
Die Fürstin Karoline, welche bekanntlich mehr Pfaffen als Soldaten hat,
und da sie die Schwabenjahre schon um etliche überschritten, an ihr himmlisches Theil denkt, wendet ihre seelsorgerische Thätigkeit ſo ſpeciell auf ihre Unterthanen, daß diese nur einmal im Monat Tanz haben dürfen , welcher um 12 Uhr zu Ende sein muß ; auch Privatbälle im eigenen Hause dürfen nur einmal monatlich und zwar an jedem Ersten stattfinden. Schon waren die Greizerinnen alle Tage nach Reichenbach zur Bahn_geeilt, um sich die Preußen zu beſehen , Niemand hoffte mehr auf Beachtung , als am Sonnabend Mittag ein Bahnzug, in dem man die von Rastatt zurückkehrenden Greizer Soldaten erwartete , 400 Preußen unter der Führung eines Hauptmanns brachte.
Die Greizer Garnison betrug noch siebzehn Mann , den acht-
zehnten hatten die Preußen Tags zuvor als lebendiges Exemplar vom Bahnhofe zu Reichenbach, nommen.
wo er sich gemüthlich niedergelassen hatte ,
nach Hof mitge-
Der Mann , Dekonomieschreiber der Achtzehn , wurde vorher vom
theilnehmenden Publikum gewarnt, man bot ihm Civilkleider an , endlich bedeuteten ihm aussteigende Soldaten , er möge sich unsichtbar machen Alles nichts ; er wollte jedenfalls rühmlich für's Vaterland fallen.
half
Da er aber
446
Besetzung Greiz's durch die Preußen.
den wichtigen Zweig der Dekonomie jenec Achtzehn zu verwalten hat , so wurde er bald wieder „ heeme" geschickt , wo er wohl noch einer Strafe entgegensieht, indem er war.
ohne Urlaub nach Reichenbach und dann unfreiwillig weiter gereist
Das sind die Leiden des Krieges für die armen Greizer. Auch die Fürstin erhielt, obwohl sie es sich verbat , einen preußischen
Doppelposten.
Sie ist muthig geblieben ,
obwohl sie , wie ganz Greiz wußte,
am Abend vorher , um 9 Uhr , eine wichtige Depesche erhalten hatte, welche sie weichmüthig gestimmt haben muß, denn sie schickte den achtzehn Mann 4 Thaler auf die Wache, sie sollten dafür auf ihr Wohl trinken.
Zur Betrübniß der
tanzlustigen Damen sind die Preußen lauter gesezte Landwehrleute, die zwar am Sonntag Tanz arrangirten , aber sich an die Polizeiſtunde hielten.
Mit Hülfe
flotter junger Burschen hätten die Greizerinnen ſicher gegen die Tanzordnung ihrer Landesmutter Karoline revoltirt. tigeres ,
Wie es heißt, handelt es sich aber um Wich-
um einen fleinen Kriegskostenbeitrag von
60,000
Thalern , den die
Fürstin leisten soll.
Dafür hat sie das Vergnügen gehabt, Rastatt von 150 Greizer Soldaten mit vertheidigt zu wissen ; macht pro Mann 400 Thaler. " Auch der Vergeltung für übermäßige Liebedienerei und unbefugte Parteinahme muß erwähnt werden. hängnißvollen
Der Leser wird sich erinnern , daß in der ver-
Bundestagssigung
vom
14.
Juni
der
Schaumburg-Lippesche
Cabinetsrath, Victor von Strauß, aus Gefälligkeit für Oesterreich und gegen die Wünsche der zu der von ihm vertretenen 16. Kurie gehörenden kleinen Staaten seine Stimme für die Mobilifirung gegen Preußen abgegeben hatte, wodurch die. Mehrheit der Stimmen für diesen Antrag erzielt und somit der unglückselige Krieg über Deutschland heraufbeschworen wurde.
Dieser würdige Cabinetsrath
wurde von seiner Regierung für die unbefugte Parteinahme ſeines Dienſtes entlassen.
Gewiß wäre es praktischer gewesen , wenn in jener Bundestagsſizung
besagter Herr von Strauß sich an die Sage erinnert hätte , der zufolge der Strauß seinen Kopf unter einen ſeiner Flügel verbirgt , in der Meinung, ſeinem ihn verfolgenden Feinde dadurch unsichtbar zu werden.
Daſſelbe Manöver, von
dem Herrn Cabinetsrath ausgeführt , hätte unendlich viel Unglück dem deutſchen Vaterlande erspart . Die Besegang Frankfurts durch die . Preußen und die für diese berühmte freie Reichsstadt daraus entſpringenden Folgen beschäftigten die allgemeine Aufmerksamkeit Deutschlands.
Preußen trat gegen diese westdeutsche Stadt , an die
Die Vorgänge in Frankfurt.
447
sich eine Menge historischer Erinnerungen knüpfen ,
mit einer ungewöhnlichen
Härte auf, und alle Welt fragte sich, warum ?
Darauf antworteten preußische
Stimmen : Die freie Stadt Frankfurt machte sich zum Hauptheerd preußenfeindlicher Tendenzen.
Der Bundestag in ihr gruppirte um sich eben ſo, wie dies bei jedem
in einer Stadt residirenden Hofe der Fall zu sein pflegt, eine Menge kleiner Intereſſen, die eben nicht preußengünſtig waren. Die freie Stadt Frankfurt, der Sig der hohen Finanz , die in Anleihen und dergleichen lucrativen Geschäften ſpeculirt, war schon deshalb Preußen abgeneigt, weil man von diesem Staate , deſſen Haushalt ein geordneter ist, viel weniger verdiente , als von anderen Staaten , namentlich von Oesterreich , deſſen zerrüttete Finanzwirthschaft immer der Aushilfe bedurfte und daher gute Prozente den Frankfurter Geldmännern verdienen ließ. Meinung.
Der Geldsack hat auch seine
Die freie Stadt Frankfurt ſei der Vereinigungspunkt von Elementen
gewesen , die unter der Devise „ Freiheit " im Wesentlichen nur „ die Aufhebung Preußens " verstanden hätten.
Die Großdeutschen und Agenten des Auguſten-
burgers hätten sich vorzugsweise gern in dieser lustigen Mainstadt niedergelassen, kurz ,
es habe ein Preußenhaß ohne Gleichen daselbst existirt.
Zudem wären
auch die Frankfurter Behörden in lezter Zeit von demselben angesteckt gewesen, die preußische Telegraphenſtation daſelbſt ſei zerstört , die preußischen, schon lange in der Stadt angesiedelten Beamten seien auf wenig zarte Weise ausgewieſen worden, und noch mehrere dergleichen Beſchuldigungen suchten die Härte zu rechtfertigen, welche preußischer Seits gegen Frankfurt beliebt wurde. Daß in dieſer Bundestags-Sißungsstadt die Herzen eben nicht für Preußen ſchlugen, das ſteht fest, und daher ſahen ſich die Frankfurter bei dem fortwährenden Einlauf von preußischen Siegestelegrammen in nicht geringe Angst um eigenes Schicksal verseßt.
ihr
Das kommende Ereigniß warf seinen Schatten voraus
und die Frankfurter hatten nicht das Recht, ſich einzubilden, die Preußen würden aus Respect vor der alten freien Reichsstadt und in Erwägung, daß der deutſche Bund daselbst vegetirt hatte , es nicht wagen , ihren Beſuch daſelbſt abzuſtatten. Die Frankfurter Zeitungen raiſonnirten bunt durch einander, natürlich aber nicht in schwarz-weißem Sinne, dufteten.
Gerüchte wurden erfunden , die etwas
nach Fabel
So sollte die preußische Reaction , die Junkerpartei , die am 18. Sep-
tember 1848 geschehene Ermordung der Reichstags-Deputirten, Fürst Lichnowsky und von Auerswald, an den Frankfurtern zu rächen beabsichtigen ,
weil über-
448
Die Vorgänge in Frankfurt.
haupt ihr, der Junkerpartei , eine Stadt , die von keinem Fürsten regiert werde, ein Greuel ſei . Mit ängstlicher
Spannung verfolgten
die Frankfurter
daher
die Be-
wegungen der Mainarmee. Das offenbare Mißgeschick, das sich an jeden Kampf der Baiern und der Truppen des 8. Bundesarmeecorps knüpfte , war durchaus nicht dazu geeignet, die bangen Blicke in die nächſte Zukunft zu erheitern. Selbſt die „Laterne" , das bekannte Frankfurter Schmähblatt, büßte unter der schlechten Aussicht seinen groben Wig ein, und das war ein übles Zeichen, denn die leichtlebige Frankfurter Art verleugnet sich nicht so bald. Die Unsicherheit stieg von Tag zu Tage, und als die Kunde von dem Siege der Preußen bei Laufach und des Kampfes bei Aschaffenburg einlief, die Reichsarmee unter Prinz Alexander von Hessen mit einem herzlich gemeinten „helf Euch Gott ! " über den Main ſezte, um
ſich möglichst mit den Baiern zu
vereinigen, und Frankfurt ſich ſoldatenleer ſah, erhoben ſich Bürgermeiſter und Senat zu einer Aeußerung , welche viel Aehnliches mit einem versprengten Tirailleur hatte, dessen Erscheinung beweist, daß nicht Alles so richtig ist, wie es sein soll. Ein Proclam wurde nämlich am 15. Juli an den Straßen angeschlagen, des Inhalts , daß der Frankfurter Senat am deutschen Bunde festhalten werde, wenn gleich nicht zu leugnen ſtehe, daß derselbe einiger Verbeſſerungen fähig ſei. Und während dieses Proclam an den Straßen paradirte und das Publikum es las , zogen die Hohen und die Höchsten ohne Aufenthalt aus der Stadt in die Ferne, warum sollten ſie bis zum leßten Augenblicke warten, wo es vielleicht zu ſpät und zu unsicher war , um den plöglich in den Seelen erwachten Wander. trieb zu stillen ? Die Nachrichten, welche während der Nacht vom 15. zum 16. Juli beim Senate einliefen , waren vollkommen dazu geschaffen , alle Täuschungen, deren ſich ſanguiniſche Gemüther noch hingegeben , gründlichst zu beseitigen , denn laut diesen Nachrichten hatte General Vogel von Falkenstein die Division Göben in Eilmärschen auf Frankfurt gerichtet, und die bekannte Schnelligkeit der Preußen stellte deren Besuch als im Laufe des Tages bevorſtehend in Aussicht.
Darauf
vorzubereiten, wurde ein zweites Plakat am Mittage des 16. Juli angeſchlagen, deſſen Inhalt der Bürgerschaft und den Einwohnern das zu erwartende unliebfame Ereigniß mittheilte.
Eine Verwandlung war offenbar mit der Gesinnungs-
weise des hohen Rathes vorgegangen.
Von treuem Festhalten am alten Bunde
war in dieser Ankündigung keine Rede mehr, dieſer Aufſchwung für das morſche
449
Einzug der Preußen in Frankfurt.
Alte, das dem deutschen Vaterlande mehr Schaden als Nugen gebracht hatte, war dahin geſchwunden, jezt war nur die Rede davon , die preußischen Truppen freundlich zu empfangen, und um diese Ermahnung beherzigenswerth zu machen, fand sich die gute Disciplin der Preußen, als sie beſonders empfehlend, in dem Proclama hervorgehoben. Das waren böse vier Stunden, in denen die Frankfurter bis zu dem Nachmittag nach 4 Uhr erfolgenden Einrücken der Quartiermacher und AvantgardenDetachements der Main- Armee hinbringen mußten .
Es waren Stunden, in
denen Göthe's „Hangen und Bangen in schwebender Pein " in der alten Mainſtadt zur vollsten Geltung gelangte.
Der Abend des 16. Juli brachte den schon
erwähnten Einmarsch der preußischen, sehr ermüdeten Cavalerie-Brigade und der Brigade Wrangel, an ihrer Spize General von Falkenstein.
Die erſte Thätig-
keits-Aeußerung dieses Obercommandeurs der Main-Armee bestand in der Ankündigung, daß er die gesammte Verwaltung des Naſſauiſchen, der heſſiſcher und baierischen Landestheile, welche von preußischen Truppen besegt seien, so wie das Gebiet Frankfurts von nun an übernehme. Dieser Mittheilung, die jeden Zweifel über die Art und Weiſe preußischen Auftretens im Voraus beseitigte , schloß sich eine genaue Feststellung alles Dessen an , was ſeine Offiziere und Soldaten an Verpflegung zu empfangen hätten. Diese freundschaftliche Anweisung war mit Berücksichtigung der geringsten Details ausgearbeitet und Jeder begriff, daß es eine vom commandirenden Obergeneral mit Vorliebe gehegte Pflicht betraf, ſeine Truppen möglichst reichlich und bezüglich der Qualität möglichst gut bedacht zu ſehen .
Natürlich fehlten in dieſem Leit-
faden für Bürgerschaft und Einwohner der freien Reichsstadt die Cigarren- und Tabaksspenden nicht, welche auch anderen Ortes den Quartierwirthen so manchen schweren Seufzer erpreßt haben, weil es eigentlich doch nur eine Vermehrung der Einquartierungslaſt war. Diese Verfügung kam den Frankfurtern
nicht überraschend ,
dergleichen
hatten sie erwartet, und glaubten oder hofften wenigstens, damit wären die Anforderungen Preußens vielleicht abgethan , indeß dieſer Wahn löſte ſich bald auf höchst schreckliche Weise.
Die Schließung der nicht preußenfreundlichen Zeitungen
Frankfurts , zu deren Reigen auch die schon erwähnte „ Latern”
zählte , machte
den Anfang, dann kam eine Pferde- Requisition . Alle in der Stadt vorhandenen Pferde mußten vorgeführt werden und die Preußen ſuchten sich dreihundert der 29
450
Die Preußen in Frankfurt.
besten aus.
Hierauf erfolgte ein bedeutender Schlag , das Ausschreiben
einer
Contribution von sechs Millionen . Jezt erhob sich laute Klage, man behauptete ,
dieſe Summe ſei uner-
schwinglich, und wenn jemals ein Haß gegen preußische Maßnahmen in Frankfurt heimisch gewesen, so sei es jezt. Der Bürgermeister Fellner, ein sehr ehrenwerther und allgemein geachteter Mann ,
ebenso der Syndicus Müller , Beide
vom General Vogel von Falkenstein in dieser Angelegenheit als Vermittler berufen, erklärten sich jedoch für die Aufbringung dieser Summe.
Begreiflich war
großer Mißmuth unter der Bevölkerung, indeß fiel ein Lichtstrahl in die schwer verdüsterten Gemüther, als es kund wurde, daß General Vogel von Falkenstein vom Obercommando der Mainarmee abberufen ſei, um das Gouvernement des Königreichs Böhmen zu übernehmen.
Die Frankfurter meinten , ſeine Abberufung ge-
schehe nur , weil er zu scharf mit ihnen umspringe . indeß solgte eine wahrhaft gallenbittere Enttäuschung.
auf dieſe Illuſion
Der von dem nunmehrigen
Gouverneur von Böhmen nach Prag am 19. Juli überſiedelnde General von Falkenstein zum Oberbefehlshaber ernannte General von Manteuffel langte am 20. Juli in Frankfurt an, und die erste Aeußerung seiner Thätigkeit bestand darin , die früher geforderte Contribution von sechs Millionen zur Höhe von 25 Millionen zu steigern.
Ein allgemeiner Weheſchrei der Entrüstung und des
Entsezens ging von Mund zu Munde.
Wenn schon 6 Millionen eine schwer
zu beschaffende Summe war, um wie viel mehr 25 Millionen! Die Finanzmänner Frankfurts eilten in Hast zu dem
„schnaubenden
Holofernes" , um ihm die Unmöglichkeit , einer so übertriebenen Forderung genügen zu können, darzustellen, indeß ihr Mühen war vergeblich.
Ein Menschen-
leben war schon als Opfer des Schreckens gefallen , nämlich der Redacteur der Frankfurter Post-Zeitung, Hofrath Fischer (Sohn des durch die Versteigerung der deutschen Flotte bekannt gewordenen Geheimraths Hannibal Fiſcher). Im Vercin mit Herrn von Kübeck, Bundestags-Präsidenten, fertigte er die Telegramme über Preußens Niederlagen an, und als er zum General von Falkenstein gerufen wurde, erschrak er so sehr, daß er vom Schlage getroffen wurde
und in der darauf
folgenden Nacht starb. General von Manteuffel, dem das Obercommando der Armee anvertraut war, konnte nicht lange in Frankfurt verweilen, ſeine Pflicht rief ihn zum Kampſe gegen die Baiern und die Reichsarmee des Prinzen Alexander von Hessen , deshalb übertrug er dem Generalmajor von Röder die Commandantur Frankfurts,
451
Contributions-Angelegenheit.
dem als Civil-Commiſſar der Landrath Herr von Diest zur Seite stand. neue Commandant
und
Der
der Civil-Commiſſar gingen ſcharf vorwärts in der
Contributions-Angelegenheit, so wie in neuen, die Stadtverhältnisse betreffenden Anordnungen.
Ein in leßterer Beziehung den Frankfurtern ohne irgend welche
schonende Verhüllung bekannt gemachter Erlaß hob, so zu sagen, mit einem Striche ihre alte Reichsherrlichkeit , die ganze bisherige Stellung der Behörden auf. - Er lautete: „Der Senat der Stadt Frankfurt, die ständige Bürgerrepräsentation und die geseßgebende Versammlung sind aufgelöst , dagegen die Mitglieder des bisherigen Senats verpflichtet worden, auf Grund ihres Amtseides die bisherigen Amtsgeschäfte, jedoch nur als Mitglieder der städtischen Verwaltungsresp. Magistratsbehörde , unter Oberleitung
der königlich preußischen Ad-
miniſtration fortzuführen, hierbei allen Anordnungen der preußischen Behörde Folge zu leisten und nichts vorzunehmen, noch zu gestatten, was den Inte ressen der preußiſchen Adminiſtration zuwiderläuft.
Sämmtliche ſtädtiſche
Behörden und Unterbeamten, insbesondere auch die Polizeibehörde und alle ihre Beamten sind in gleicher Weise verpflichtet worden. Die Adminiſtration der Stadt Frankfurt geht von heute an auf mich, den unterzeichneten Militärbefehlshaber, über, indem der mitunterzeichnete Herr Civil-Commiſſarius zur Administration anderer Landestheile berufen ist.
Der Commandant von Röder , f. Generalmajor. Der Civil-Commiſſar von Diest , k. Landrath. " Es sei zugleich hier bemerkt, daß Herr von Diest in gleicher Eigenſchaft nach Wiesbaden überſiedelte , an ſeine Stelle in Frankfurt aber der Regierungsrath von Madai trat. Für den 23. Juli ist der Termin zur Zahlung der Contribution angeſeßi worden.
Der Senator Bernus , empört von diesem Drucke , schickte auf eigene
Faust Noten an die Regierungen von Frankreich , England , Rußland , um deren Einmischung in diese Angelegenheit zu erflehen.
In diesen Noten
versicherte er, daß, wenn keine Hilfe käme und die Stadt die Contribution zahlen müſſe, ſämmtliche Banquiers Frankfurts ihre Zahlungen in Deutschland und im Ausland einstellen müßten. Am Nachmittag des angesezten Zahlungstermins war der geseßgebende Körper im Römer versammelt , um in geheimer Sigung über die Aufbringung der 25 Millionen zu berathen.
Die Finanzmänner und
die Majorität des 29*
452
Contributions-Angelegenheit.
Senats erklärten sich im Wesentlichen für die Zahlung, der geseßgebende Körper jedoch war entschieden anderer Ansicht ,
die Sigung dauerte bis zum Abend.
Der Beschluß war zu Stande gekommen , in einer Druckschrift darzulegen , daß es unmöglich sei , die geforderte Summe ohne völligen Ruin der Stadt zu entrichten. Diese Denkschrift sollte durch eine Deputation an den König von Preußen überbracht und um Nachlaß der Contribution gebeten werden.
Vor dem Römer
hatte sich eine große Volksmenge versammelt , welche in höchster Spannung das Ergebniß der Berathung abwartete.
Als die Mitglieder das Sigungŝlocal ver-
ließen, wurden sie von dem versammelten Volke mit einem Hurrah begrüßt, eine Demonstration ,
welche sofort von einzelnen der so stürmisch Begrüßten ernſte
Mißbilligung erfuhr. Da also keine Zahlung erfolgte , ließ der Commandant die militärische Execution eintreten .
Zunächst wurde eine Umquartierung der Besaßungstruppen
und zwar derait vorgenommen , daß die Senatoren und andere Personen der ſtädtiſchen Behörde starke Einquartierung, nicht unter 50 Mann, erhielten.
Der
wackere Bürgermeister Fellner hatte ſein Möglichstes gethan , um einerseits den Preußen gerecht zu werden, andrerseits aber von der Stadt so viel als möglich Ungemach abzuhalten ,
aber sein Muth ging in Verzweiflung über , als er sogar
aufgefordert wurde , eine Liſte der Mitglieder des Staatskörpers mit beigeseztem Vermögen eines jeden dieſer Männer , als Grundlage für die Execution, einzureichen. Der ehrenhafte Mann konnte und wollte nicht zum Verräther an seinen Mitbürgern und Freunden werden und zog daher einen freiwilligen Tod vor. In der Nacht zum 24. Juli entleibte er sich.
— Als die Nachricht von seinem freiwilligen Ende durch das Gerücht ,
er sei einem Schlagfluß erlegen
anfangs verschleiert sich in der Stadt ver-
breitete, wurden Aller Gemüther tief erschüttert, und was ganz in der Natur der Sache lag, geschah auch hier, Sympathien für Preußen wurden dadurch nicht gefördert, aber das Gegentheil hervorgerufen , wo es noch nicht vorhanden gewesen war. Es ist gewiß nur folgerecht, daß man durch gegenwärtig Geschehenes an ähnliches Vergangenes erinnert wird .
Der siebenjährige Krieg bietet eine Re-
miniſcenz derart, wie die vorstehend erzählte. Als Friedrichs des Großen 1760 gestellte Forderung von einer Million Thaler Contribution an das in seinem Wohlstande tief gesunkene Leipzig von dieſem nicht beschafft werden konnte, weil es platterdings unmöglich war, wurden
453
Stimmen der Preſſe.
die ersten Magistratsperſonen und angeſehenſten Kaufleute in's Gefängniß
ge-
worfen, wo man ſie mit aller denkbaren Härte behandelte ; 17 der Angeſehensten hielt man 4 Monate lang eingesperrt unter fortgesezter schlechter Behandlung , und da ſie troßdem es verweigerten , dem die Kräfte der durch den Krieg schon so sehr erschöpsten Stadt weit übernehmenden Verlangen nachzugeben, ſollten ſie als Geißeln in die Festungskerker Magdeburgs abgeführt werden .
Da trat der
edle Berliner Bürger Gozkowski vermittelnd für die Stadt beim König ein, der . ſich, da in der That kein Geld zu beschaffen war, unter Verbürgung Goßkowski's mit der bis zu 800,000 Thaler abgeminderten Summe in Wechseln begnügte. Seit jenen Angsttagen Leipzigs sind 94 Jahre vergangen.
Wer hätte geahnt,
daß jemals wieder eine andere deutsche Meß- und Handelsstadt von einem ähnlichen Schicksale betroffen werden könnte ! Eins war im Voraus als sicher anzunehmen, nämlich, daß Frankfurt für immer seine Selbstständigkeit verloren habe.
In
gut unterrichteten Berliner
Zeitungen konnte man dies Endziel für die alte Mainstadt , wenn auch noch nicht mit unverhüllten Worten, doch deutlich genug lesen, denn da hieß es : " Unter allen Umständen wird zu unterſuchen sein , ob historische Vorausausseßungen für die fernere Existenz Frankfurts, als eines souveränen Gemeinwesens , vorhanden sind .
Eine freie Hansestadt mag eine Nothwendigkeit in
Deutſchland ſein, eine Binnenſtadt ohne specielle nationale Aufgabe als ParticularExistenz ist unnüß und schädlich. “ In der gesammten europäiſchen Preſſe, die preußische nicht ausgenommen, wurde das Uebermaß der der Stadt Frankfurt auferlegten Contribution entschieden gemißbilligt.
Englische und französische Organe sprachen sich über das Verfahren
Preußens so derb aus , statthaft erscheint.
daß deren Aeußerungen hier wiederzugeben
als nicht
Die Sprache preußischer Blätter, diesen Gegenstand betreffend,
war maßvoll und aufrichtig, und eben deswegen geben wir hier einige Aussprüche derselben.
Die Nationalzeitung sagte:
" Da man in Frankfurt mit so
viel wüſtem Geſchrei und sogar mit
Kanonenschlägen gegen die Neutralitäts -Beſchlüſſe des Abgeordnetentages testirt hat, so mag man auch den Krieg fennen lernen.
pro-
Doch giebt es in allen
Dingen ein Maß, und Frankfurt ist ohnehin schwer gestraft, da es seine Stellung als Sitz des Bundestags, ſeine Ansprüche als Parlamentsſtadt und vielleicht auch ſeine reichsstädtiſche Souveränität verwirkt hat . Es bedarf alſo nicht der Statuirung eines besonders abschreckenden Exempels , um es für die Zukunft unſchädlich zu
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Stimmen der Preſſe.
machen . Für den Ruf Preußens, der trog aller bewährten Macht doch ein Factor ersten Ranges bleibt , würde es jedenfalls sehr nachtheilig sein , wenn der Weg der Napoleoniſchen Marſchälle beſchritten würde.
Wohl begründet ist eine ver-
hältnißmäßige Heranziehung der feindlichen Staaten zu den preußischen Kriegslasten bei dem Friedensschluſſe; anders aber steht es um willkürlich auferlegte Geld-Contributionen.
Oder wo wäre ein gerechtes Maß , wenn man das Ver-
fahren gegen die freie Reichsstadt, deren Linienbataillon an Ort und Stelle sofort entwaffnet worden ist , mit demjenigen gegen die Souveräne vergleicht , deren Truppen noch fortwährend in blutigen Kämpfen uns gegenüber stehen ? “ Die
Kölnische Zeitung " äußerte sich in folgender Weiſe :
„Frankfurt ist unter den Feinden Preußens zwar einer der kleinsten, aber einer der eifrigsten gewesen. 2 Quadratmeilen
mit
Indessen 25 Millionen Gulden für weniger als
91,000
Einwohnern ,
für
eine
Staatseinnahme von
2,835,565 Gulden, ist viel, ist ungeheuer viel, ist faſt das Zehnfache einer ganzen Jahreseinnahme, beſonders wenn man bedenkt, daß es nicht möglich ist, die Laſt auf eine Anzahl Millionäre zu wälzen, die Frankfurt leicht verlaſſen können, wenn künftig die Stadt jährlich eine Million Zinſen für die Kriegs-Contribution aufbringen soll , ſondern auf 6000—7000 ſteuerzahlende Bürger.
Es scheint, daß
bei der Forderung des Generals von Manteuffel unbeſtimmte Anschauungen über den Reichthum Frankfurts mehr maßgebend
gewesen sind , als eine finanziell
genaue Berechnung und ein deutlicher Unterschied zwischen dem Vermögen einer Stadt und derer , die dort augenblicklich ihren Wohnsig
aufgeschlagen haben.
Hoffen wir, daß der König der Stadt Frankfurt mindeſtens 10 Millionen nachläßt, Frankfurt ist eine Stadt , die uns den Wolfgang Göthe geliefert hat, und der allein ist mehr werth als 10 Millionen . " Auch die damals schon entschieden preußenfreundliche „ Weser Zeitung “ ſprach sich in demselben Sinne aus und fügt am Schluſſe bei : „ Räthselhaft ist es übrigens, wie die Frankfurter es anfangen ſollen , die geforderte Summe baar zu entrichten , wenn nicht , wie zu erwarten , ſchließlich doch noch starke Ermäßigungen bewilligt werden.
Wir können nämlich nicht
umhin, anzunehmen , daß die ganze Maßregel ursprünglich in rein militäriſchen Kreisen, in denen eine übertriebene Vorstellung von den Geldmitteln der Vaterstadt Rothschild's herrschen mag, entstanden ſei, und daß man in diesen Kreiſen die ausgeschriebene Summe für eine angemessene gehalten habe. Wenn dem so ist, so zweifeln wir nicht, daß die preußische Staatsregierung den Irrthum berichtigen wird . "
Die Mainarmee auf dem Marsche gegen Würzburg.
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Für 91,000 Einwohner mußten 25 Millionen Contribution zur erdrückenden Last werden.
Eine städtische Deputation machte sich deshalb auf den Weg
zum König von Preußen , um Ermäßigung von der ungeheuren Forderung zu erbitten, Baron Rothschild , als Mitglied jener, Deputation , suchte die Fürsprache des preußischen Finanzminiſters von der Heydt persönlich nach, und wie ſich diese üble Angelegenheit enden werde, erregte, man fann es ohne Uebertreibung sagen, die Aufmerkſamkeit Europas in hohem Grade. Unterdeß aber begleitete das Glück die preußischen Waffen vor wie nach.
Die Mainarmee auf dem Marsche gegen Würzburg .
Beginnen wir dieſen Abſchnitt, der die Fortseßung der Kämpfe in dieſem beklagenswerthen Bruderkriege den Lesern vorführt, mit in möglichster Kürze gefaßten Schilderungen der bisherigen Laufbahnen des Obercommandirenden der Mainarmee, von Manteuffel , des Generallieutenants von Göben und Generalmajors von Beyer. Der Name Manteuffel ist ein uralter und sowohl in der preußischen wie in der ſächſiſchen Geſchichte viel genannter.
In Sachſen, wo jezt die Manteuffel
ausgestorben sind , schreibt sich vom legten dieſer Familie, welcher im sächsischen Staatsdienste eine hohe Stellung bekleidete, ſogar noch der Name eines jezt noch in Activität befindlichen Brauhauſes in Friedrichstadt- Dresden her, ein Beweis, daß dieser Herr auch Sinn für industrielle Etablissements besaß. Der Generallieutenant von Manteuffel welcher in unserer Zeit so oft als Diplomat , wie als Corpsführer dem preußischen Staate viele wichtige Dienste leistete, ist der Neffe des legten sächsischen Manteuffels . Sein Vater war der 1848 als preußischer Geheimer Rath und Chef= präsident des Oberlandesgerichts zu Magdeburg verstorbene Freiherr Hans v . Manteuffel. In allen ſeinen oft ſehr ſchwierigen Miſſionen hat sich der 1809 geborene Edwin von Manteuffel, als eine bedeutend energische und doch auch diplomatiſche Natur erwiesen.
Sein offener Kopf brachte ihm bald Anerkennung ein, und so
ſtieg er von einer Stufe zur andern in ziemlich rascher Aufeinanderfolge , bis er Flügel-Adjutant des Königs wurde, und war lange Jahre Chef der Abtheilung für persönliche Angelegenheiten im Ministerium (Militärcabinet in Berlin), welche
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General ven Manteuffel.
Branche neben dem Kriegsministerium eine unabhängige und für die Beseßung der Armeestellen sehr wichtig ist.
Ein gewisses Renommée erwarb er sich durch
ſein Duell mit dem Abgeordneten Obergerichtsrath Twesten (am 27. Mai 1861) , weil Letterer ihn in einer Flugschrift beleidigt hatte. Indeß nach kurzer Festungshaft wurde er vom König begnadigt und trat in seine alte einflußreiche Stellung zurück.
Viel genannt ward er während des letzten Schleswig-Holsteiner Krieges
wegen ihm
übertragener diplomatischer Sendungen nach Wien , um zwischen
Desterreich und Preußen aufgetauchte Differenzen zu beseitigen und die Kriegs-
führung einheitlicher und energischer zu gestalten.
Auch bei der Gasteiner Con-
vention war er thätig . Nach Abschluß des Wiener Friedens wurde er zum Gouverneur von Schleswig ernannt , und in dieser Stellung machten seine bei ververschiedenen Gelegenheiten gehaltenen und zuweilen an's Seltsame streifenden Reden viel Aufsehen.
Durch und durch eifriger Preuße, hatte er an seiner Ge-
mahlin, geborene Hertha von Wigleben , seit 1844 mit ihm vermählt ,
einen
starken Beistand , da diese Dame ganz und gar seine Gesinnungen theilte und
Generallieutenant von Göben.
457
sich bemühte, die gegen preußisches Regiment sich sehr abgeneigten Schleswiger nach Kräften zu befehren. Unableugbar waren seine Verdienste um die Verwaltung des ihm anvertrauten Landes, Niemand vermochte ihm abzustreiten, daß er mit großem Geschick' die sterilen Gemüther zu gewinnen verstehe.
Wie er der Aufgabe, welche nach
Abreise des Generals von Falkenstein ihn an die Spige der Mainarme führte, gerecht wurde , werden die nachfolgenden Schilderungen des noch ungefähr zwei Wochen hindurch dauernden Kampfes gegen die Baiern und das 8. Bundes armeecorps darstellen.
P E R
Als ein vorzüglich ausgezeichneter Corpsführer ist der Generallieutenant von Göben, Biele schreiben den Namen auch Goeben, zu nennen. Er ist ein geborenér Hannoveraner und trat 1834 als Secondelieutenant in das 24. preußische Infanterieregiment ein .
Nach einigen Jahren aber nahm er seinen Abschied und
begab sich nach Spanien, um unter Cabrera den Guerillafrieg gegen die Christinos mitzumachen. Dort wurde er in einem der heftigen Kämpfe gefangen genommen. und in Cadiz in einem Felsenkeller unter dem Spiegel der See lange Wochen gefangen gehalten. Endlich brachte man ihn nach Saragossa. Der Marsch dahin
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Generallieutenant v. Göben. -- Generalmajor v. Beyer.
Die Mainarmee.
bei glühender Sonnenhige schadete ihm so sehr an den Augen, daß er seitdem kurzsichtig geworden und eine Brille zu tragen sich genöthigt sicht. Nachdem der Carlistenkampt beendet und Cabrera geflohen war , erlangte er auch die Freiheit und kehrte nach Preußen zurück, wo er wieder in die Armee eintrat. Ueber seine kriegerischen Erlebniſſe in Spanien schrieb gelesenes Buch.
er
ein sehr viel
Seitdem verließ er den preußischen Militärdienst nicht wieder
und stieg bis zum Brigadegeneral , als welcher er im Feldzuge von 1864 und namentlich beim Sturm auf die Düppeler Schanzen als Führer der Westphalen sich einen hochgeachteten Namen erwarb .
Er, Röder und Canstein thaten bei dem
Sturme das Meiste, Göben stürmte mit seinen Bataillonen vor Düppel, welche die stärkste unter allen war.
die vierte Schanze
Später als Generallieutenant
erhielt er die 13. Diviſion, und dieſe iſt es, die als Avantgarde der Mainarmee unter seiner Führung dem Feinde jederzeit die härteſten Schläge beibrachte. Generalmajor von Beyer ist ein Bruder des Oberbürgermeisters Beyer in Potsdam und stand früher, zu Lebzeiten des deutschen Bundes, ats Commandeur der 32. Infanteriebrigade in Frankfurt am Main.
Er ist ein tüchtiger und bei
seinen Soldaten sehr beliebter Führer, deſſen Zukunft ihm vielleicht noch manchen Lorbeer bringt. Die preußische Kriegsmacht, welche der neue Obercommandant , General v. Manteuffel, den Baiern und dem 8. Bundesarmeecorps entgegenstellen konnte, die mindestens über eine doppelt ſo ſtarke Zahl von Soldaten verfügte, belief ſich nicht viel höher als 40,000 Mann .
In den Tagen vom 16. bis zum 20. Juli
waren zu der Mainarmee verschiedene Verstärkungen, ungefähr an 10,000 Mann, gestoßen , deren Haupttheil die oldenburgiſch-hanseatische Brigade bildete , die übrigen
Verstärkungen
bestanden aus preußischer Landwehr ,
Infanterie und
ein kleiner Bruchtheil Cavalerie. Dieser Zuzug war um ſo nöthiger, als die Mainarmee wohl mindestens
einen Abgang von 5000 Mann erlitten hatte.
Zur
Deckung der Mainlinie mußten 10,000 Mann verwendet werden, und diese Nothwendigkeit minderte das 50,000 Mann starke Heer bis auf 40,000 Mann .
Es
war, wie leicht begreiflich, ein eben so ungleicher Kampf im westlichen Deutſchland, wie in Böhmen.
Der empfindlichste Nachtheil für die hier wie in Böhmen
vorwärts dringenden Preußen bestand darin ,
daß ſie auf dem dem Feinde ge-
hörenden Grund und Boden kämpfen mußten , also auch nicht auf die mindeste Unterstützung von Seiten der Bevölkerung , im Gegentheil eher auf deren feindselige Haltung zu rechnen hatten.
Aus diesem Grunde war die Mainarmee auch
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Die Mainarmee auf dem Marsche gegen Würzburg.
zu den größten Anstrengungen gezwungen, fie mußte weit größere Märsche machen, als die preußische Armee in Böhmen, um sich schnell vowärts zu bringen. Durch die erwähnten Verstärkungen , die, was die oldenburg-hanseatische Brigade hinsichtlich ihrer verschiedenen und den preußischen Soldaten unbekannten Uniformirung und Kopfbedeckungen betraf, würde eine bedeutende Unsicherheit Plaß gegriffen haben ; es hätte leicht vorkommen können , daß die nun im Einverständniß zuſammen wirken sollenden Truppen dieſer Unkenntniß wegen in gegenſeitigen Kampf mit einander gerathen währen ,
deshalb ward als Erkennungs-
zeichen eine weiße Armbinde befohlen , die entweder aus weißen Taschentüchern, oder, wenn der Soldat keins besaß, aus seinen bei sich geführten Verbandleinen bestand.
Es ist noch zu bemerken, daß die früher vom jezigen Oberbefehlshaber
v. Manteuffel geführte Division unter den Befehl des Generals Flies gestellt worden war, die ſich auf dem linken Flügel um Aschaffenburg concentrirt hatte. Ueber die Stellungen
der Feinde gingen folgende Rapporte ein.
Die
Reichsarmee unter dem Prinzen Alexander von Hessen hatte sich von Frankfurt und Aſchaffenburg aus über den Ödenwald zwischen Main und Neckar gegen die Linie der Tauber, die ein linker Nebenfluß des Mains ist, zurückgezogen, um sich der in der Gegend von Würzburg concentrirten bairischen Armee zu dem Zwecke zu nähern, auf dieselbe ſich ſtüßen und durch Vereinigung mit ihr den Preußen einen Schlag beibringen zu können .
Selten wohl windet ſich ein deutscher Fluß
so schlangenartig durch das von ihm durchströmte Land ,
als der Main.
Von
Mainz, wo er in den Rhein mündet, bis nach Aschaffenburg aufwärts , zieht er ſich von Ost nach West ; von Aschaffenburg bis Miltenberg
aufwärts
iſt ſeine
Richtung von Süd nach Nord, dagegen von Miltenberg bis Wertheim von Ost nach West ; von Wertheim bis Gemünden aufwärts verfolgt er die Richtung von Nord nach Süd ; von Gemünden bis hinaus über Würzburg, nach Ochsfurt aufwärts, geht er in ganz entgegengesezter Richtung von Süd nach Nord . find die Operationen am Main ganz besonders complicirt.
Deshalb
Würzburg , Wert-
heim, Miltenberg, alle am Main, liegen ſo ziemlich in gleicherBreite ; Schweinfurt, Gemünden, Aschaffenburg, Hanau, Frankfurt , ebenfalls am Main, liegen unter ſich auch in ziemlich gleicher Breite, aber zwiſchen und ſeitwärts der vorgenannten Orte, jedoch durchschnittlich vier Meilen nordwärts derselben. Fast schien es, als finde
eine stillschweigende Verabredung zwischen den
Preußen und dem am 21. Juli ſein Hauptquartier nach Tauberbischofsheim verlegenden Oberbefehlshaber des 8. Bundes -Armeecorps statt; die Ersteren hatten
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Die Mainarmee auf dem Marsche gegen Würzburg.
ihn nicht bedrängt ,
obwohl
er nur vier Meilen von Würzburg entfernt ſtand.
General v. Manteuffel combinirte nicht mit Unrecht, daß der Prinz von Hessen beabsichtige, mit einem Theile seines Armeccorps die Neckarlinie zu halten , mit dem andern Theile aber sich den Baiern anzuschließen, und darnach traf er seine Anordnungen.
Die Diviſion Göben brach am 21.
Juli von Frankfurt auf.
marſchirte über Darmstadt, um sich von da nach König (am Mömmling, südlich von Höchst) zu ziehen .
Am gleichen Tage rückte die Division Flies
auf dem
linken Flügel von Aschaffenburg über den Main und marſchirte über Obernburg und Wördt auf Miltenberg zu ; die bei Hanau ſtehende Diviſion Beyer folgte ihr an demselben Tage über Aschaffenburg, wo sie am 22. Juli den Main überschritt, ebenfalls auf Miltenberg zu , während
ein starkes Detachement auf der
geraden Straße von Aschaffenburg nach Würzburg zur Beobachtung der Baiern vorrückte, die möglicherweise über Heidenfeld und Lengfurt vordringen konnten. Um die Verbindung mit der Diviſion Göben aufzusuchen, ſchickte die Diviſion Flies, als ſie am 23. Juli in die Nähe Miltenbergs gekommen war, ein aus zwei Bataillonen Coburg- Gothaer , einer halben Schwadron Dragoner und zwei glatten Zwölfpfündern beſtehendes Detachement nach rechts ab .
Den kleinen
Fluß, die Erfa, welche bei Miltenberg in den Main mündet, aufwärts bis Eichenbühl marschirend, stieg dies Detachement dann am rechten Thalrande des Fluſſes nach Neunkirch hinauf, wurde in begrüßt.
dieses Dorfes Nähe jedoch mit Geschüßfeuer
Die Badenser standen hier.
Die vom Prinzen Wilhelm von Baden
commandirte badiſche Felddiviſion, die vom 21. Juli ab in und um Wertheim an der Mündung der Tauber stand , hatte auch Kreuzwertheim am rechten Mainufer beſeßt und ſtand von da aus mit den von Würzburg her über Lengfurt und Heidenfeld vorgeschobenen bairischen Vortruppen in Verbindung.
Es waren
ſchon bei Neunkirchen am Tage vorher einige unbedeutende Zuſammenſtöße zwiſchen preußischer und hessischer Reiterei erfolgt, und dies war die Ursache, daß am 23. Juli früh halb 2 Uhr Prinz Wilhelm von Baden seine Division allarmiren ließ und von Wertheim über Oedengefäß bis Neunkirch vorrückte. Seine ausgesendeten Reiterpatrouillen fanden auch nicht die Spur eines Feindes, und da während der Zeit Mittag vorüberg egangen war , ſo wollten die Badenser schon Kehrt machen und in ihre Cantonnirungen bei Wertheim zurückgehen, als plöglich die Meldung einlief, eine starke preußische Colonne marſchire über Eichenbühl gegen Umpfenbach und Riedern vor. unter die Badenſer.
Das brachte Lärm
Sofort ließ Prinz Wilhelm seine Truppen südwärts auf
461
Gefecht zwischen Coburg- Gothaer und Badenſer.
den Höhen vor Hundheim und Steinbach Stellung nehmen und ging mit einer kleinen Avantgarde von Infanterie und Cavalerie , wobei sich auch 2 gezogene Geschüße befanden, auf der Straße von Hundheim gegen Neunkirch vor, und das schon in Rede stehende Detachement der Division Flies
erhielt jene erwähnte
krachende Begrüßung von den Badenfern. Die beiden Bataillone Coburg- Gotha theilten sich brüderlich in die ihnen hier zu Theil werdende Arbeit.
Das 2. Bataillon blieb troß des badischen Ge-
ſchüßfeuers im Vormarsch an der großen Straße von Neunkirchen aufHundheim, überschritt auf ihr den Grund beim Tiefenthaler Hof, gelangte in den Wald und erst an deſſen östlichem Rande zum Gefecht mit den vorgeworfenen Abtheilungen der Badenſer.
Unterdeß war das 1. Bataillon Coburg- Gotha_links in das Wäld-
chen bei den hintern Stauden ein- und dort südwärts in der Richtung von Sonderried auf Hundheim vorgedrungen.
Durch diese Bewegung packte
es die bei
Birkhof und gegen Tiefenthaler Hof verwendeten badischen Streitkräfte plöglich in die rechte Flanke. Es war ein glorreiches Waldgefecht, was die Coburg- Gothaer hier beſtanden und was sie eben deswegen nur bestehen konnten,
weil es ein Waldgefecht
war, wo man oft mit ganz geringen Kräften ausreichen kann, weil dem Gegner die Möglichkeit benommen ist, die numerische Stärke ſeines Feindes oft auch nur annähernd richtig zu schäßen.
Prinz Wilhelm von Baden befand sich aus dieser
Ursache in einer so schweren Täuschung, daß er ,
welcher 7000 Mann comman-
dirte, im Glauben, es stehe ihm eine große Uebermacht entgegen , nach Unterstügung zu der östlich Kühlheim gegen Tauberbischofsheim zu liegenden württembergiſchen Diviſion ſendete ; indeß die guten ,
ehrlichen Schwaben hatten
dafür
keine Ohren, jedenfalls wäre ihnen ein Gericht gebackene Späßele lieber gewesen . Erst nach 7 Uhr Abends hörte das so ungleiche Gefecht auf; die Badenser zogen ſich auf Befehl des Prinzen auf Tauberbischofsheim zurück. Von Seiten des preußischen Detachements konnte von einer Verfolgung überhaupt keine Rede sein ; es hatte einen heißen Tag bestanden und ruhte am westlichen Rande des Grundes von Tiefenthaler Hof von der schweren Arbeit aus. Die Dämmerung warf ihr düsteres Gewand
über die waldige Landschaft, das
Krachen der Geschüße und das Praſſeln des Gewehrfeuers , eine Stunde vorher getobt hatte,
wie es noch kaum
war verstummt ; die Gefallenen schliefen den
ewigen Schlaf und die Müden rasteten unter freiem Himmel bis zum ersten Hahnſchrei, dann brach das Detachement auf, um auf's Neue die Gegend zu unter-
462
An der Tauber.
ſuchen.
Nach einem kleinen Spaziergange in frischer Morgenkühle gelangte es
nach dem stark verbarrikadirten, aber von den Bundestruppen verlassenen Hundheim , wo es geschüßt einer ſorgloſeren Ruhe sich hingeben konnte. Mittag marſchirte das Detachement ohne irgend
Erst gegen
welche Behelligung wieder ab
und zu seinem Corps zurück. Während dieses bei nur einigermaßen befferer Führung Seitens der Gegner für die Preußen jedenfalls schlecht ausfallende Gefecht in ſo weit zu Gunsten der Lezteren endete, daß der ihnen numeriſch ſo bedeutend überlegene Feind sich zurückzog, war die Mainarmee vollständig theils an der Tauberlinie, theils gegen dieselbe aufmarschirt.
Die Division Flies hatte auf dem linken Flügel mit ihren
Vortruppen Wertheim beseßt.
Diese kleine badische Stadt, durch welche die hier
in den Main fallende Tauber fließt, gewährt einen sehr freundlichen Anblick und hat einen lebhaften Verkehr ; denn ihre 3300 Einwohner sind
besonders thätig
in Getreide , Holz- und Weinhandel , leßterer meist das Erzeugniß ihres eigenen Weinbaues.
Die von ihnen flott betriebene Schifffahrt unterstüßt ihren Handel,
deſſen genannte Artikel durch die hiesige ſtarke Fischerei, durch die am Orte sich befindenden Branntweinbrennereien , Essigfabriken
und
ansehnlichen Gerbereien
noch vermehrt werden . Im Centrum, rechts von der Flies'ſchen Diviſion , marſchirte Beyer über Näſſig auf Niklashausen vor , während der von der Diviſion Göben gebildete rechte Flügel auf Bischofshausen und Hochhausen vorrückte.
Die oldenburgiſch-
hanseatische Brigade war erst als neuer Zuwachs der Division Göben zugetheilt worden.
Die von den Recognoscirungs-Defachements einlaufenden Meldungen
lauteten dahin, daß Bischofsheim, gewöhnlich Tauberbischofsheim genannt, sowohl, als Werbach stark vom Feinde besezt seien.
Selbstverständlich mußte der Feind
von da vertrieben werden, denn, indem er die Tauberlinie vertheidigte, verwehrte er den Preußen den Weitermarsch auf Würzburg.
General
von Göben ließ
also die Brigade Wrangel geraden Weges auf Bischofsheim vorgehen , wo sich der größte Theil der württembergischen Division befand, während der andere kleinere Theil die große Straße nach Würzburg über Groß-Rinderfeld deckte , um den Preußen das Vordringen auf derselben zu wehren und die badische Division dieſelbe Aufgabe auf der Nebenstraße über Unteraltertheim zu vollziehen befehligt war. Die vierte Diviſion des achten Bundesarmeecorps war als Reserve aufgestellt. Brigade Wrangel rückte gegen Tauberbischofsheim vor, und ohne sich ge-
Gefecht bei Bischofsheim und Tauberbischofsheim.
463
hindert zu sehen, stellte die genannter Brigade beigegebene Artillerie sich auf dem Stammberge auf und begann sofort Kugeln in die Stadt zu werfen .
Diese
feindselige Begrüßung hatte den Erfolg, daß die Württemberger sofort Bischofsheim räumten und nur ein Jägerbataillon als Nachhut westlich von der Stadt ließen, theils an der Straße nach Hundheim, theils an der gegen Königheim zu am Brehmbach.
Judeß diese Nachhut zog sich nach kurzem Feuer bald zurück ;
Brigade Wrangel besezte nun Bischofsheim und eine bedeutende Strecke der Tauber ober- und unterhalb.
Tauberbischofsheim ist ein ungemein freundliches
Städtchen mit 2614 Einwohnern . Dem Anfange des Kampfes um die Position Bischofsheim folgte jedoch eine blutige Fortseßung.
Die Würtemberger , unter
General Hardegg , hatten sofort die Höhen an der Straße nach Groß-Rinderfeld besezt und machten Front gegen Tauberbischofsheim.
Die 1. und 3. Brigade
ihrer Division stellten sich an der Würzburger Straße selbst, die 2. Brigade weiter südlich an dem Wege, welcher von Tauberbischofsheim nach dem Edelberg führt.
Als diese Stellung eingenommen war , begann die erste Brigade, ohne
daß ihr Angriff durch Artillerie vorbereitet worden wäre , denselben auf die Stadt, welcher indeß von schlechtem Resultate für sie begleitet war, denn
464
Gefecht bei Hochhausen und Werbach.
ſie wurden von dem heftigsten Feuer der Preußen in Front empfangen, und eine Abtheilung Preußen überschritt nun
auch oberhalb Bischofsheims
und faßte die Württemberger in der Flanke.
die Tauber
Nach so mißlichem Erfolge ihres
Angriffs zogen sich die Württemberger etwas zurück, und ihre auf dem Edelberge aufgestellte Artillerie führte nun den bereits verunglückten Kampf fort , der als Feuergefecht bis gegen 7 Uhr Abends dauerte , nachdem schon um 6 Uhr die württembergische Division gegen Groß-Rinderfeld zurückgezogen wurde. An ihre Stelle rückte die 4. oder Reserve-Division des 8. Bundesarmeecorps als Nachhut. Die Brigade Wrangel hatte zur ſelbigen Zeit Succurs durch die Brigade Kummer bekommen, welche sich auf den Höhen am linken Tauberufer aufſtellte. Während das Gefecht bei Bischofsheim tobte, bestand auch die oldenburgisch-hanseatische Brigade, welche, der Ordre des Generals von Göben gemäß, anfänglich der Brigade Wrangel gefolgt war , dann aber links nordwärts auf Hochhausen ausbrach, welcher leztere Ort ohngefähr 6000 Schritt entfernt iſt, ein Gefecht.
Ohne Zögern griff sie Hochhausen und Werbach an.
Das Gros der
badenschen Division stand bei Werbachhausen und Brunnenthal.
In Hochhausen,
am linken Tauberufer , standen 2 badensche Compagnien, und in Werbach , am rechten Tauberufer, 6 Compagnien.
Prinz Wilhelm von Baden , der Comman-
deur der Badenser, hatte die ganz richtige Ansicht , daß es seine Aufgabe sei, die Preußen so lange als möglich aufzuhalten ; den Uebergang von Werbach konnte er allein nicht mit so entschiedenem Erfolge vertheidigen , daß nicht der Feind ihn erzwungen hätte, und wozu auch ein solches nugloſes Hinopfern von Menschenleben ! Die Preußen (Diviſion Flies) beſaßen bereits Wertheim (Brigade Wrangel), Bischofsheim, und somit war der Tauberfluß offen für sie. Nie mehr als jezt erwies es sich, welche arge Confusion unter den Gegnern der Preußen herrschte ; von einem streng geordneten Plane war gleich von vornherein keine Rede, der eine Führer zog hier, der andere dort hin, Einstimmig keit in den Bewegungen gehörte unter die unbekannten Regeln in der Kriegsfunst , und mit Recht ist es zu beklagen , daß man so viele Menschen hinopfern ließ, da doch die Führer ihre eigene. Unfähigkeit gegenüber dem raſtlosen Vordringen der Preußen , welche eine weit kleinere Streitkraft besaßen ,
fühlen
mußten. Des Prinzen Wilhelm von Baden Meinung war, daß sich am nächsten Tage, also am 25. Juli, das gesammte 8. Bundesarmeecorps und
die Baiern
465
Gefecht bei Hochhausen und Werbach.
auf dem Plateau von Gerchsheim und Altertheim vereinigen solle, um den Preußen eine Hauptschlacht zu liefern.
Das erwähnte Plateau ist die Hälfte des Weges
von der Tauberlinie bis Würzburg , von jedem dieser beiden Punkte ungefähr drei gute Stunden entfernt.
Das Corps des Prinzen Alexander von Hessen befand
sich im Wesentlichen an der Straße, die von Bischofsheim über Groß-Rinderfeld nach Würzburg führt, concentrirt ; die Baiern standen rechts an der Straße von Würzburg über Lengfurt.
In der Gegend von Altertheim und Helmstädt ſind
diese Straßen nur eine starke Meile von einander entfernt.
Hier war das Feld,
auf dem Herzog Karl von Baiern eine Heeresmacht von 70-80,000 Mann_bequem entwickeln konnte, und troß aller Tapferkeit würden die Preußen hier ein „Bis hierher und nicht weiter ! " gefunden haben ; aber es sollte nicht sein. Die oldenburgisch-hanseatische Brigade, unter Commando
des Generals
v. Welzien, eröffnete das Gefecht gegen Hochhausen und Werbach mit dem Feuer ihrer beiden Batterien, die am linken Thalrand der Tauber aufgefahren worden waren, die glatte Zwölfpfünder-Batterie stand nördlich von Hochhausen , die gezogene Vierpfünder-Batterie südlich.
Die Badenſer nahmen sofort den Geſchüß-
kampf an und während deſſen ordnete General v. Welzien ,
geſchüßt durch die
Waldungen, ſeine Infanterie auf den Höhen, ſo daß das 2. oldenburgische Bataillon im Centrum gerade gegenüber Werbach, links davon das Bremer Bataillon, rechts vom 2., gegenüber Hochhausen, das 1. oldenburgische Bataillon stand. Das 3. Bataillon blieb in Reſerve. In Compagnie-Colonnen formirt, ſchritt dann dieſe Infanterie zum Angriff, bei welchem sie auch von einer Abtheilung der Diviſion Beyer, einer Compagnie des 70. Infanterie- Regiments, unterstüßt wurde. Den Besit Hochhauſens zu erwerben, machte ihnen keine ſonderliche Anstrengung nothwendig, die Badenſer räumten es ſofort ; aber ganz anders geſtaltete sich das Ringen um Werbach und die verbarrikadirte Tauberbrücke. Das Bremer Bataillon überschritt die Tauber unterhalb Werbach, wodurch das Gefecht endlich entschieden wurde, indem sich die Badenſer dadurch genöthigt sahen , im Welsbachthal auf Werbachhausen zurückzugehen, verfolgt von dem Feuer der oldenburgischen Artillerie, die ſchnell an das rechte Ufer der Tauber vorgezogen worden war.
Werbach und Werbachhausen sind zwei badische Dörfer, in der Größe
und Einwohnerzahl ſehr von einander verschieden ; Werbach hat 1174, Werbachshausen nur 305 Einwohner. Nicht allein die Uneinigkeit unter den Führern der beiden Bundesarmee30
466
Uebelstände beim 8. Bundesarmeecorps.
Corps war die Ursache, daß der Sieg ihren Fahnen fern blieb, sondern vieles Andere, was hindernd beim Kampfe in den Weg trat.
auch
War die Krieg-
führung in vieler Hinsicht eine antiquirte, die an die Schwerfälligkeiten von ehemals erinnerte, so war auch die Ausrüstung ziehung sehr unzweckmäßig .
des Soldaten in mancherlei Be-
So z . B. erzählte ein Mergentheimer, der das Schlacht-
feld von Tauberbischofsheim nach beendigtem Kampfe bei Mondſchimmer durchging, Folgendes über die schwere Bepackung der Württemberger : „ Von den todten, auf den Feldern umherliegenden Schwaben kann man für den ersten Moment nicht sagen, ob es ein todtes Lastthier oder ein Mensch ist, welchen man sieht.
Ueber die Kleider haben sie die dicken Mäntel und tra-
gen in der Hize (Julimonat) noch die schweren Torniſter ſammt Zelten und Zeltstangen.
Unter dieser Last und eingeengt in den dicken Mantel ist der württem-
berger Soldat schon ermüdet, wenn er einen kurzen Marſch zu machen hat , ehe er in die Schlachtordnung eintritt ; es ist unmöglich, daß seine Bewegungen leicht ſein können, denn er kommt nicht aus der Hize heraus und die Laſt auf ſeinen Schultern bleibt immer die gleiche.
So lagen sie todt niedergestreckt, die treu-
herzigen Schwaben , von denen eigentlich wohl die Wenigsten wußten , warum dieser Krieg geführt und warum sie niedergeschossen wurden.
Die Preußen haben
es schon auf dem Marſche beſſer; wenn irgend möglich, wird ihr Gepäck gefahren, und darum können sie größere Märsche aushalten ;
am wenigsten
man ſie, wenn es in's Gefecht geht , mit dem Tornister.
aber belaſtet
Ist es denn da ein
Wunder, wenn ihnen das Vorwärtsgehen leicht wird, während die Unſrigen nur zum Rückwärtsgehen verurtheilt zu ſein scheinen ?“ Beim 8. Bundesarmeecorps ging die Confusion über alle Begriffe ;
ab-
gesehen davon, daß es an Geld fehlte, denn die Kriegskasse war so leer wie eine Taſche ohne Boden, waren die mit der Oberleitung des genannten Bundesarmeecorps betrauten hohen Offiziere über das, was zu thun war, sich selbst so wenig klar, daß die badische Division binnen einer Stunde 3, sage drei , sich einander widersprechende Befehle aus dem Hauptquartier des Prinzen Alexander von Hessen erhielt.
Die totale Confusion und trostlose Rathlosigkeit in beiden Hauptquartieren
hatte sich schon bisher ſo deutlich gekennzeichnet ,
daß die Fortdauer
des Wirr-
warrs unter dieſen hohen Herren eigentlich nur als eine Conſequenz in dem einmal zur Tagesordnung Gehörenden betrachtet werden kann .
Die Sache verhielt
sich so: Am Abend des 24. Juli hatten sich die Badenser als zweite Diviſion
Stellung des 8. Bundesarmeecorps. - Vorrücken der Preußen.
467
der Reichsarmee bis Ober- und Untertheim zurückgezogen und nur eine starke Avantgarde bei Steinbach stehen lassen.
Die der Baiern war rechts von den
Badenſern nach Helmstädt vorgeſchoben ; hinter derselben stand ihr rechter Flügel bei Roßbrunn und Hettstädt , der linke aber bei Waldbrunn.
Links von den
Badenſern, zwiſchen Groß-Rinderfeld, Klein-Rinderfeld und Gerchsheim, waren die übrigen Divisionen des 8. Armeecorps aufgestellt.
Die erste oder Württemberger,
die dritte oder Hessen-Darmstädter und die vierte , aus Desterreichern, Naſſauern und Kurhessen zuſammengeſeßte Division.
Die zweite Diviſion (Badenſer) erhielt
alſo am 25. Juli den Befehl, offensiv gegen Werbach vorzugehen ; dann kam ein zweiter Befehl, des Inhalts : sie sollte wieder in unmittelbarem Anschluß an den rechten Flügel des 8. Bundesarmeecorps beim Baiersthaler Hof, zwischen Steinbach und Groß-Rinderfeld, Stellung nehmen , und da aller guten Dinge drei zu ſein pflegen, kam in derselben Stunde noch ein dritter Befehl , dem zufolge sie bei Steinbach und Unter- Altertheim stehen bleiben sollte.
Wo solche Nebel in
einem Hauptquartiere herrschen, kann doch unmöglich auf einen guten Erfolg gerechnet werden ; die Vielköpfigkeit im Rathe verdirbt den Wohlstand der Länder, aber im Kriege ist sie nicht nur ein vollständiges Unglück, ſondern auch ein Fluch, der Tausende von Menschenleben frißt. Die Preußen, bei welchen von solchem Misère natürlich keine Rede sein fonnte, denn ihre Führung war eine einheitliche, rückten mit dem Morgengrauen des 25. Juli auf allen Punkten vor. An der Spize der auf der großen Straße von Bischofsheim über GroßRinderfeld nach Gerchsheim, welches ein badisches Dorf iſt, marſchirenden Diviſion Göben stand die Brigade Kummer. Nachhut, schloß die Division.
Die oldenburgisch-hanseatische Brigade , als
Die Brigade Wrangel marschirte gleichzeitig , aber
rechts von der Brigade Kummer auf Jlmsplan und Schönfeld zu .
Die Diviſion
Göben bildete den rechten, die über Niklashausen und Neubrunn auf Helmstädt vorgehende Division Beyer den linken Flügel .
Die Division Flies hatte nach
der Beseßung von Wertheim noch mit der Aufklärung der äußersten linken Flanke am rechten Mainufer über Kreuzwertheim und am linken Mainufer gegen Remmlingen und den Uebergang bei Lengfurt zu thun. Die Brigade Kummer durchzog am Mittag des 25. Juli unaufgehalten die sich zwischen Groß-Rinderfeld und Gerchsheim ausbreitenden Waldungen ; indeß dieſer ruhige Marsch wurde sofort gestört, als sie aus diesen Wäldern hervorbrechen wollte.
Ein aus 50 Geſchüßen
der Brigade Kummer entgegen ge30*
468
Kampf zwischen Preußen und Baiern bei Helmstädt.
schleudertes Feuer aus der Position von Gerchsheim, welche von der Artillerie des Bundesarmeecorps besezt war, schien den Preußen jedes weitere Vordringen unmöglich zu machen.
Die Brigade Kummer hatte nur 12 Kanonen ; indeß all-
mälig veränderte sich die allerdings mißliche Situation für die Preußen in etwas. Die oldenburgisch-hanseatische Brigade kam so schnell als möglich mit ihrer Artillerie von 12 Geschüßen heran, und die Brigade Wrangel , von Schönfeld aus in die linke Flanke der Reichsarmee vordringend , verwerthete ihre 12 Kanonen aus's Beste ; indeß die Ueberlegenheit blieb auf Seite der Gegner.
Die Zeiten
der Wunder sind jedoch noch nicht vorüber, die süddeutsche Reichsarmee, oder vielmehr ihr Führer, Prinz Alexander von Hessen, brachte diese für Manchen so äußerst angenehme Thatsache zur Geltung , er ging von Gerchsheim über Kist zurück und seine Armee machte wiederum den alten Krebsgang. Zu gleicher Zeit hatte die Division Beyer einen schweren Kampf gegen die Baiern bei Helmstädt, einem Städtchen von 1745 Einwohnern, die sich viel mit Weinbau beschäftigen, besonders ist der Helmstädter Rothwein als gezeichnetes Gewächs berühmt.
ein aus-
Der fünf- oder sechsstündige Kampf Beyer's gegen
die Baiern ergab kein anderes Resultat , als daß beide feindliche Parteien am Ende des Gefechtes die Stellungen wieder einnahmen , die sie beim Beginn des Kampfes inne gehabt hatten.
Rückzug der Reichsarmee. -- Gefecht bei Roßbrunn und Waldbüttelbrunn.
469
Dieses Gefecht war von den Baiern wie von den Preußen mit aller Aufbietung ihrer Kräfte geführt worden ; man schlug ſich mit größter Erbitterung in den Gaſſen des kleinen Städchens, und bald drängte diese, bald jene Partei die Gegner zum Rückzug .
Bei dieser Gelegenheit wurde der bairische Prinz Ludwig
schwer verwundet, so daß er vom Pferde herabsank.
Er ist indeß dem Leben er-
halten worden. Prinz Alexander von Hessen hatte zur Deckung seines Rückzuges die badische Division mit einem Bataillon Württemberger und einem hessen-darmstädtischen Bataillone ganz allein am Waldrande nordöstlich von Gerchsheim zurückgelaſſen, die am Morgen des 26. Juli nordwärts Kist ,
eine kleine Meile von
Würzburg entfernt, bivouakirte, nachdem sie mit Mühe durch das , das Walddifilée verstopfende Gewirr der bei dem Rückzuge ſtehen gebliebenen Wagen und Geſchüße sich hindurchgearbeitet hatte.
Der sich zurückziehenden Reichsarmee folgte die Di-
viſion Göben nicht , aber sie sezte Vorposten aus öſtlich Gerchsheim gegen OberAltertheim und Klein-Rinderfeld. So fam der 26. Juli heran und die Division Beyer rückte
gegen die
bairischen Stellungen von Roßbrunn und Waldbüttelbrunn vor, während die Diviſion Flies, links oder nördlich von Beyer vordringend , die Baiern in die rechte Flanke faßte.
Roßbrunn ist ein in das Bezirksamt Würzburg gehörendes Dorf
mit 465 Einwohnern ; Waldbüttelbrunn, ebenfalls Würzburger Bezirksamtes, hat 648 Einwohner.
Ein großer Theil der Baiern stand bereits hinter dem Maine,
so daß sie nicht einmal zwei ganze Divisionen in's Gefecht bringen konnten.
Hier
wurde aber heiß gekämpft ; die Baiern waren voller Ingrimm und ihre zahlreiche Cavalerie spielte den sich in großer Minderzahl befindenden preußischen Schwadronen sehr übel mit ; indeß halten konnten sie sich trozdem nicht, sie mußten weichen und der Reichsarmee folgen, die den besten Theil erwählt hatte, d. h. schon am Vormittag des 26. Juli hatte sie sich hinter den Main zurückgezogen, ohne angegriffen zu sein.
Ihren Weg hatten sie durch Würzburg theils über die
dortige Mainbrücke, theils mittels einer Feldbrücke, welche die württembergiſchen Pionniere über den Strom warfen, genommen, während die badischen Dragoner durch eine Fuhrt gingen. Dieser Rückzug wird von Vielen als ein schönes Kriegsbild gerühmt, vorzüglich soll das Corps Heſſen, an deſſen Spize Prinz Alexander ritt, beim Marſch über die Mainbrücke einen echt kriegerischen Anblick gewährt haben . nicht allemal das schöne, kriegerische Aussehen den Helden macht.
Schade, daß
Wie verschieden
470
Würzburgs Angsttage.
aber die Ansichten sind !
Andere erklärten
den Anblick der Truppen als einen
ſehr trübseligen. Die Diviſion Göben rückte am Nachmittag des 26. Juli auf der großen Straße von Gerchsheim bis Kist vor und erhielt am folgenden Tage, 27. Juli, die Ordre, eine große Recognoscirung gegen die Festung Marienberg auszuführen . Zu diesem Zwecke rückte die Brigade Kummer auf der großen Straße vor ; in Reserve folgte ihr die oldenburger Brigade bis Hochberg, und die Brigade Wrangel, rechts von Kummer, wurde durch das Guttenberger Holz vorgezogen.
An-
gesichts der Festung wurde sämmtliche Artillerie der Division Göben aufgestellt, ſo daß die Geschüße der Brigade Kummer links der Hauptstraße, die der Oldenburger rechts und die der Brigade Wrangel auf dem äußersten rechten Flügel zu stehen kamen.
Am 27. Juli Nachmittags begann die Beschießung der Festung.
Nicht nur die Kanonen der Festung nahmen den Geſchüßkampf auf, ſondern auch die sämmtlicher Artillerie der Bundestruppen donnerten,
die württembergischen,
badischen und österreichischen Feldbatterien waren am rechten Mainufer aufgefahren. Da die Artillerie der Preußen in Minderzahl war, so konnte sie auf kein ausgiebiges Resultat hoffen.
Wir laſſen hier eine genaue Schilderung der Würz-
burger Angsttage folgen : Während der am 26. Juli bei Roßbrunn zwischen Preußen und Baiern stattfindende harte Kampf bezeichnende Geschüßdonner die Würzburger ängstete, sahen sie plöglich vom Nikolausberge und
der Höchberger Straße herab die
Bataillone des 8. Bundesarmeecorps in breiten Colonnen mit all' dem Drumunddran, was der Krieg nöthig macht , herabziehen.
Dieser endlos scheinende
Zug brauchte viele Stunden, um den Main zu überschreiten, obwohl man, da die Steinbrücke immer nur eine, das rasche Vorwärtskommen sehr wenig fördernde Paſſage bot, noch eine Schiffbrücke geschlagen hatte und außerdem die Cavalerie durch den seichten Fluß schwamm.
Wie abgemattet sahen diese Truppen aus!
sie waren mitten durch ein irdisches Paradies gezogen und hatten 24 Stunden Hunger gelitten, und dabei dieſer Marsch! Die armen Soldaten empfanden die Barmherzigkeit der Würzburger bei ihrem Marsche durch die Stadt.
Wer nur im Stande war, der Aermſte ſogar,
gab ihnen Speise und Trank. Am Abend rückten die durstig waren.
Baiern durch, die nicht weniger hungrig und
Ein Theil von ihnen, die Diviſion Hartmann, beſezte die nörd-
lich gelegenen Höhen mit dem Schenkerſchloſſe, die Uebrigen marſchirten mit ihrem
471
Würzburgs Angfitage. Hauptquartier nach Rottendorf.
Das 8. Bundesarmeecorps hatte zum Theil
die südlich der Stadt gelegene Sander-Aue, zum Theil ein Lager zwischen Gerbrunn und der Käsburg beseßt.
Westlich von der Käsburg auf dem Neuberge
postirten die Nassauer, 2 Batterien , mit denen sie das Mainthal bestrichen. Die einbrechende Nacht vom 26. zum 27. Juli war eine Nacht der Angst der Würzburger, denn daß hier ein schlimmer Kampf ausgefochten werden würde, ließ sich voraussehen. Die Preußen ließen am nächsten Morgen auch nicht lange auf sich
warten, sie kamen aus dem Guttenberger Walde heraus, und wenn sie jemals ein unbestreitbares Recht zu erstaunen hatten , so war dies jezt der Fall.
In
unbegreiflicher Nachlässigkeit hatten ihre Gegner die westlichen und südlichen Höhen unbesezt gelassen.
Selbstverständlich zögerten die Preußen nicht, Vor-
theil aus diesem ungeheueren Fehler zu ziehen. Während einzelne verwegene preußische Dragoner bis nahe an's Zellerthor streiften, besezten die von Höchberg anrückenden Oldenburger die Höhe des Nikolausberges mit 10 gezogenen Kanonen und eröffneten sogleich ein Granatfeuer auf die Festung und warfen auch einzelne Granaten in die Stadt.
Unter-
deß hatten die Preußen 24 Kanonen auf dem Hexenbruch aufgefahren und bestrichen den westlichen Festungsflügel.
Es war um 10 Uhr Morgens, als dieser
Geschüßkampf begann, indeß die Preußen vermochten keinen Vortheil zu erringen, sie sahen sich sogar gezwungen , ihren Standpunkt auf dem Hexenbruch dreimal zu ändern , eben so erging es der auf der Hettstädter Höhe postirten preußischen Artillerie.
Mit Mühe hatten sie daselbst Raum zum Auffahren erworben , aber
die zwei baierischen Batterien auf dem Schenkerschlosse feuerten so mörderlich, daß die preußische Artillerie auf der Hettstädter Höhe vertrieben wurde. Um 2 Uhr Nachmittags hatten die preußischen Kugeln jedoch im Zeug-
472
Würzburgs Angsttage.
hause einen Brand entzündet , bei dem unter den obwaltenden Umständen nicht an's Löschen zu denken war.
Zu den vielen Verkehrtheiten, Nachlässigkeiten und
unerhört groben Fehlern auf baierischer Seite gehörte auch der , daß auf dem Dachboden des Zeughauses statt Waſſer , um möglicherweise entstehende Feuersgefahr zu löschen, eine große Menge Strohmatraßen aufgespeichert worden waren. Während diesem unlöschbaren Brande
arbeitete die baierische, von Kartätsch-
granaten umflogene und von der durch die Feuersbrunst entwickelten Hiße fast versengte Artillerie mit unerschütterlicher Ruhe fort, ihre Kanonen zu bedienen, denn die Preußen wollten die durch den Brand in der Festung entstandene Verwirrung benußen und schritten zum Sturm.
Als die Uhr drei schlug , hörte
dieser Kampf fast plößlich auf beiden Seiten auf. Der Grund davon war , daß dem baierischen Oberbefehlshaber unterdeß die Kunde von der in Nikolsburg zwischen Preußen und Oesterreich verabredeten Waffenruhe zugekommen.
Sofort schickte er einen Offizier als Parlamentär an
den preußischen Oberbefehlshaber , Freiherrn von Manteuffel , ihm davon Mittheilung zu
machen.
Lepterer ging
auf einstweilige Einstellung
des Kampfes
unter der Bedingung ein, daß, wenn er bis zum nächsten Morgen keinen Befehl von seinem Kriegsherrn erhalten habe , so werde er den Kampf ohne Aufſchub wieder beginnen , denn in Würzburg müsse er einziehen.
Erst am 2.
August kam indeß zwischen beiden Theilen ein Waffenſtillſtand zur Vereinbarung . Unterdeß hatte
der Herzog Karl von Baiern Würzburg als offene Stadt
erklärt, um sie vor weiterem Unglück zu schüßen.
In derselben war die Angst
auf's Höchste gestiegen, die Einwohner waren in die Keller geflüchtet , den Granaten sicher zu sein , die in den Straßen zerplagten.
um vor
Vom Brande des
Zeughauses wußte man in der Stadt nicht eher , bis endlich die vom Luftzuge daher getriebene ungeheuere, von Flammen beleuchtete schwarze Rauchwolke sich über dieselbe wälzte
und die
Sturmglocken
ihr
grausiges
Lied
zu heulen
begannen.
Nach abgeschlossenem Waffenſtillſtand mußten natürlich die Baiern die Stadt verlaſſen , aber es war keine leichte Arbeit , die Leute dahin zu bringen, Die Preußen waren
sie hatten es satt, das Spielwerk unfähiger Führer zu sein.
nicht im Siege gewesen, im Gegentheil, eher im Verluste, eben nur die Untauglichkeit der baierischen hohen Herren , die vollkommenste Ungeschicklichkeit , die nur je in einem Kriege an die Spiße eines Armeecorps gestellt gewesen, vermochte es, einen Kampf zu unterbrechen, deſſen Ausgang wahrscheinlich einen Sieg auf
473
Würzburgs Angsttage.
ihrer Seite herbeigeführt haben würde.
Entschieden weigerte sich ein Theil von
den 4000 in der Stadt stehenden Baiern , diese Stadt zu verlassen , nur mittels vielen Zuredens brachte man sie zum Gehorſam, daß sie am frühen Morgen des 2. August abzogen.
Wenige Stunden später , um 11 Uhr, rückten die Preußen , laut der Waffenstillstandsconvention, 4000 Mann stark mit klingendem Spiel und geleitet von einem baierischen General durch das Zellerthor über die Brücke in die uralte Bischofsstadt Würzburg ein.
Sie wurden mit auffallender Scheu von der
Einwohnerschaft betrachtet, denn es waren ja Kezer , die sie beherbergen mußten. Diese Ansicht erhielt jedoch einen bedeutenden Stoß.
Zu ihrer größten Ueber-
raschung erblickten sie am ersten Sonntage nach dem Einrücken der Preußen dieſe zu Hunderten in den Kirchen mit großer Andacht den geleſenen Meſſen, der Predigt, dem Hochamte beiwohnen.
Das waren ja sammt und ſonders Katholiken,
Glaubensgenossen, keine Kezer, wie die Pfaffen ihnen weißgemacht hatten. Wenn bisher scheinbare Noth um Lebensmittel gewesen war , nun hatte sie ihr Ende erreicht.
Man war nicht nur in dieſem heiflichen Punkte vollſtän-
dig beruhigt, ſondern man erkannte an dieſen Quartiergästen auch mit Erstaunen den himmelweiten Unterschied hinsichtlich der geistigen Bildung und des anständigen Benehmens gegen die Rohheit der baierischen Soldateska. herbeigeführte Vergleiche bahnen immerhin das Gute an ,
Und solche
daß man sich eines
Beſſeren überzeugt und habsüchtige Vorurtheile zerstört werden. Unter allen Umständen ist die Einquartierung in Würzburg für die preußischen Truppen nur eine angenehme Erinnerung. sie hatten eine gute Verpflegung und die Stadt war für sie wie für Jeden , weilt, ein intereſſanter Aufenthalt.
der daselbst einige Zeit
Würzburg rangirt unter die Städte, in denen
ein von bürgerlicher Gewerbthätigkeit begründeter Wohlstand zu finden ist.
Die
Würzburger Leder- und Lederlakirfabriken, seine Spiegel- und Goldleistenfabriken, ſeine Weine (vorzüglich Stein- und Leiſtenwein) haben großen Ruf in Deutschland und im Ausland .
Die Einwohnerzahl beträgt 38,000, sie sind ein heiterer
gütmüthiger Menschenschlag .
Die Stadt selbst ist nicht nur der Siß der Regie-
rung für Unterfranken, sondern auch der eines Bischofes und eines Domcapitels und einer Universität.
An sehenswürdigen Bauten ist sie nicht arm .
das königliche Schloß mit der Hofkirche und dem Garten.
Da ist
Zu den Berühmt-
heiten zählt der riesig große Schloßkeller, der 4000 Fuder Wein faßt. Unter den Kirchen steht der altehrwürdige Dom mit seinen herrlichen Denkmälern und der
474
Würzburgs Angsttage.
Schönborn'schen Kapelle obenan ; der neue Münster mit den Gebeinen des FrankenApostels Kilian ; die Universitätskirche ;
die Marienkapelle mit dem neuen , in
durchbrochener Arbeit ausgeführten Thurme und die schöne, mit Statuen verzierte steinerne
Mainbrücke sind sehenswerth.
Die
Befestigung
der Stadt
Würz-
burg besteht in der Festung Marienberg , deren Zeughaus eine große und ſehr werthvolle Sammlung
alterthümlicher Waffen aller Art bis zu dem bereits
erwähnten Brande besaß, welche durch denselben ihre Vernichtung fand. Ein veröffentlichter Soldatenbrief gab über die leßten Kämpfe vor und um Würzburg folgende intereſſante Schilderung : Oberwerthheim bei Würzburg , 30. Juli.
Unser Regiment (das 32.)
war in der Schlacht bei Helmstädt-Roßbrunn allein gegen drei baierische Regimenter engagirt, und daß dieser blutige Kampf viele blutige Opfer gekostet hat, fönnt Ihr Euch wohl denken.
Von meinem Zuge , der sich nach Möglichkeit
deckte, während ich , meist frei dastehend , meine Pflicht als Zugführer erfüllte, stürzten links und rechts die braven Jungen, um zum Theil nie mehr aufzustehen. Drei Kugeln haben meine Kleidung , Helm und Mantel , wunderbar getroffen, ohne mich zu verlegen. Unser Regiment stürmte nach einander
drei Wälder ,
allerdings mit
großem Verlust, wir verloren 6 Offiziere und etwas über 200 Mann ; dafür gebührt aber auch uns , nach dem Anerkenntnisse des Generals v. Manteuffel , die Ehre des Tages.
Den ganzen Verlust auf beiden Seiten schäßt man auf 3000
Mann, davon etwa ein Drittel auf uns fallend. Erst gegen 9 Uhr Abends war der Kampf zu Ende und wir bivouafirten in den zuleßt eroberten Stellungen, mitten unter unseren Todten und Verwundeten, nur durch einen Tropfen Waſſer und ein Stück Schiffszwieback erquickt. Kanonendonner.
Früh gegen 4 Uhr erwachte ich durch
Die Baiern griffen uns jezt an und bewarfen unser Bivouak
mit Granaten, von denen eine im 20. Regiment neben uns plaßte.
Von Neuem
begann nun der Kampf und Vormittags 11 Uhr hatten wir die Baiern wiederum vollſtändig geschlagen ; sie flüchteten nach Würzburg.
" Wegen unserer Verluste vom vergangenen Tage kamen wir wenig in's Gefecht, diesmal war dem 36. Regiment die Aufgabe zugefallen , die es , wenn auch mit sehr großen Verlusten, vortrefflich löste.
Wir hatten an beiden Tagen
die ganze baierische Armee, in der Stärke von 60 bis 70,000 Mann, gegen uns, während unsererseits nur die Divisionen Flies und Beyer engagirt waren .
Am
26. Juli, Nachmittags, rückten wir bis eine Stunde vor Würzburg vor, um es
Brief eiues preußischen Militärs über das Gefecht vor Würzburg.
475
zur llebergabe zu zwingen.
Sofort wurde von uns die Hochberger und die
Haidingsfelder Seite beseßt.
Wir gewannen sehr bald den Nicolausberg , auf
dem sofort 10 Geschüße postirt wurden , auch auf dem Hexenbruch stand alsbald preußisches Geſchüß,
20 gezogene Geſchüße an Zahl .
Außerdem waren
noch auf der andern Seite Kanonen und Mörser postirt.
aber
Die Bündler hatten
die Veste Marienberg und den Freudenberg stark verſchanzt und befestigt, auch hatten ſie die „ Käsburg “ und den „ legten Hieb “ mit Kanonen reichlich bedacht. „ Schlag 11 Uhr wurde das Feuer von uns cröffnet.
Schuß folgte auf
Schuß , Bliz auf Bliß , es war ein fortwährendes, ohrenbetäubendes Knattern, Donnern und Brausen.
Nach zweieinhalbstündigem Bombardement brannte es
an verschiedenen Stellen der Stadt und Festung Würzburg .
Das Feuer des
Feindes wurde schwächer , viele Geſchüße, namentlich auf dem Marienberg, waren von den Preußen demontirt und in Grund geschossen. lohte Feuersäule gen Himmel.
Es war halb 2 Uhr.
Da plözlich stieg eine
Der rothe Bau , in dem
sich das Zeughaus befindet, war in Brand gerathen. Es brannte in seiner ganzen Länge nach.
Ein schauerlich schöner Anblick.
Die Gluth war so groß, daß der
ganze Inhalt des Zeughauses , Kanonen , Wallbüchsen und Gewehrläufe in eine unkenntliche Maſſe zusammenschmolz.
Trophäen und Fahnen , Standarten und
Alterthümer verbrannten und wurden durch das Feuer vollſtändig zerstört.
Die
Batterie auf dem Herenbruch feuerte mit furchtbarer Präciſion und Sicherheit. Bald war eine Bresche blosgelegt ,
wir rüsteten uns bereits zum Sturm, um
Tambour battont Mauern und Wälle zu erstürmen und die Stadt und Veſte zu nehmen, als plöglich die baieriſchen Geſchüße verstummten. „ Ein baierischer Parlamentär war eingetroffen , um mit unserm General von Manteuffel zu unterhandeln.
Bald darauf hieß es :
2. August “ , die Belagerung war vorläufig beendet, Würzburg im Halbkreise concentrirt in
und
Waffenruhe bis zum nun liegen wir um
engen Cantonnements , gleich unseren
Kameraden vor Wien, die gelobte Stadt ansehend.
Unsere Verluste vor Würz-
burg sind gering , ein einziges Geſchüß ist demontirt, während der Feind viele Todte und Verwundete verloren hat. Geſchüße demontirt.
Außerdem wurden ihm aber auch viele
Außer dem Zeughause brannten noch einige andere Ge-
bäude aus, darunter mehrere öffentliche. " Baierischen Mittheilungen zufolge ist das Zeughaus bis zum ersten Stock herunter gebrannt und dabei außer der alterthümlichen Waffen- und Trophäenſammlung Tausende der besten Podewils - Gewehre zu Grunde gegangen.
Die
476
Proclam des General v . Manteuffel an die Main-Armee.
Gluth soll so groß gewesen sein, daß die Waffen in dichte unförmliche Klumpen zusammenschmolzen.
Man berechnet den Schaden auf mehr als 100,000 Gulden,
natürlich sind die daselbst verwahrten Trophäen nicht wieder , oder sehr schwer zu
ersezen.
Von baierischer Seite wurde einstimmig die Kaltblütigkeit der
Festungs -Artillerie gerühmt, welche troß der umherfliegenden glühenden Schiefersteine und der durch den Brand sich entzündenden und explodirenden Granaten an ihren Geschüßen ruhig fortarbeitete. Der angebahnte Waffenstillstand kam zur Vollziehung , und somit hörten auch die blutigen Kämpfe auf mittel- und westdeutscher Erde auf. herr von Manteuffel
General Frei-
erließ gleich nach dem Einzuge in Würzburg an seine
Truppen folgendes Proclam : Soldaten der Main - Armee! Durch die Siege der preußischen Waffen ist der Feind genöthigt worden, um Waffenſtillſtand zu bitten.
Ich spreche Euch nicht von den Strapagen,
die Ihr mit freudiger Hingebung ertragen, nicht von der Tapferkeit, mit der Ihr überall gefochten.
Aber ich rufe die Gefechtstage und
Euerer Siege in Euere Erinnerung zurück.
die Erfolge
Nachdem Ihr unter Euerem
früheren so bewährten und kriegserfahrenen Führer, General der Infanterie v. Falkenstein, das Königreich Hannover, Kurhessen und die weiten Länder bis Frankfurt a. M. erobert , die ganze hannöverſche Armee zur Waffenstreckung gezwungen , die Baiern am 4. Juli bei Neidhardshausen , Zelle und Wiesenthal , am 10. Juli bei Derlenbach die Hessen-Darmstädter , am 13. bei Laufach diese und die Oesterreicher , am 14. bei Aschaffenburg geschlagen , habt ihr am 16. Juli Euern siegreichen Einzug in Frankfurt gehalten.
" Nach kurzer Ruhe habt ihr den Feind von Neuem aufgesucht, am 23. die Badenſer bei Hundsheim ,
am 24.
Hessen-Darmstädter und Nassauer
die Oesterreicher, Württemberger,
bei Tauberbischofsheim ,
die Badenser
bei Hochhausen und Werbach, am 25. das ganze vereinigte 8. Bundescorps bei Gerchsheim und die baierische Armee bei Helmstädt, leytere am 26. Juli auch bei Roßbrunn geschlagen und seid heute, nach zwanzig größeren und kleineren stets siegreichen Gefechten , in Würzburg eingerückt ;
der Erfolg
dieser Siege ist , daß die Main-Armee nicht blos die Länder nördlich des Maines gewonnen , sondern auch die Gewalt ihrer Waffen über HessenDarmstadt hinaus , bis tief nach Baden und Württemberg hineingetragen
477
Proclam des General v. Manteuffel an die Main-Armee.
und vor Allem einen ferngelegenen, nicht unmittelbar von unseren Waffen zu schüßenden Theil preußischen Bodens vom Feinde befreit hat.
Die
Württemberger hatten die Hohenzollern'schen Lande beseßt und unsere Beamten daraus vertrieben.
Sie mußten diese Fürstenthümer ſofort verlaſſen ;
die schwarz-weiße Fahne weht wieder auf der Burg Hohenzollern. „Ich spreche den Herren Generälen , Commandeuren , Offizieren und sämmtlichen Mannschaften der Mainarmee meinen Dank aus.
Ich danke
auch den Militärärzten für ihre unermüdliche und aufopfernde Pflege der Verwundeten in, wie außer Feuer , den Militärbeamten für erfolgreiche Sorge um Euere Verpflegung.
Soldaten der Mainarmee !
Ich weiß , daß
Ihr unserm Herrgott dankbar bleibt , und erwarte, daß Ihr auch während des Waffenstillstandes durch Euere bekannte Mannszucht und durch Euer überall bewährtes
gesittetes Verhalten
gegen die Einwohner des Landes
fortfahren werdet, den preußischen Namen würdig zu vertreten. Hauptquartier Würzburg, 2. August 1866.
Der Oberbefehlshaber der Main-Armee. (gez .) v. Manteuffel. Am 1. August erhielt von Manteuffel folgendes Telegramm des Königs : „Ich beauftrage Sie , den Truppen der Main-Armee Meine volle Zufriedenheit, über die von ihnen an den Tag gelegte Tapferkeit und Hingebung auszudrücken.
Ich sage den Generalen, Offizieren und Mannschaften Meinen
Königlichen Dank.
Mit Mir senden die Truppen der Armee in Böhmen,
Mähren und Oesterreich den preußischen und deutschen Waffenbrüdern der Main-Armee ihren kameradschaftlichen Gruß und Glückwunsch. " Wenige Tage später trat General v . Manteuffel vom Obercommando ab, indem er in diplomatiſcher Miſſion nach Petersburg geschickt wurde. Zur Vervollständigung der Kriegsunternehmung auf mitteldeutschem Gebiete gehört auch das Einrücken des zweiten preußischen Reserve- Corps in Baiern, dessen Schilderung Inhalt des folgenden Abschnittes sein wird .
Der Einmarsch des 2. preußischen Reſerve- Corps in Baiern. Um den deutschen Verbündeten Oesterreichs die Lust zu benehmen,
auch
fernerhin für das Kaiserreich gegen Preußen zu kämpfen , sollte Baiern nach gewöhnlichem Sprachgebrauch
in die Scheere"
genommen werden.
Zu diesem
478
Großherzog Friedrich Franz Alexander von Meklenburg-Schwerin. das erste war ein Bestand-
Zwecke ward ein zweites preußisches Reserve-Corps
— theil der Elbarmee und mit nach Böhmen gezogen
unter dem Oberbefehl des
Großherzogs von Meklenburg-Schwerin , Friedrich Franz Alexander, zusammengezogen. Dieser Großherzog, ein Schwestersohn des Königs Wilhelm von Preußen, ist am 28. Februar gierung.
unten auf.
1823 geboren und gelangte am 7. März 1842 zur Re-
Seine militärische Laufbahn, in die er frühzeitig eintrat, machte er von
Er ist Chef des brandenburgischen Infanterie- Regimentes Nr. 24 und
seit dem 12. Juli 1855 General der Infanterie.
Besondere militärische Thaten
sind von ihm nicht bekannt geworden, weshalb wir auch keine berichten können. Im Jahre 1864 (Krieg gegen Dänemark) stiftete er einen Orden , mit welchem er sich selbst zuerst decorirte, was allerdings verschiedene Betrachtungen veranlaßte. Das zweite unter seinem Befehle stehende Reserve-Corps
zählte 25 Ba=
Bestandtheile des zweiten preußischen Reserve-Corps.
479
taillone, 16 Escadrons und 11 Batterien oder nach numerischer Stärke : 20,000 Mann Infanterie, 2000 Reiter und 66 Geschüße, und bestand aus : 1) der combinirten Garde-Infanterie-Brigade unter Oberst v. Treskow .
Sie
war zusammengesezt aus dem 4. Garde-Regiment zu Fuß, mit 4 Bataillonen und 1 combinirten Garde-Regiment ; 2) der Brigade des Obersten Schuler v. Senden , zusammengesezt aus den 4. Bataillonen der fünf pommerschen Regimenter Nr. 2, 9, 14, 42 und 61 ; aus zwei Bataillonen Anhaltiner und einem neugebildeten preußischen Reserve-Jäger-Bataillon ; 3) der preußischen Cavalerie-Brigade aus einem Reserve-Landwehr-Husarenund einem Reserve-Landwehr-Ulanen-Regiment ; 4) zwei preußischen Artillerie-Abtheilungen mit zuſammen 5 vierpfündigen und 3 sechspfündigen gezogenen Kanonen ; 5) der Brigade Meklenburg-Schwerin, General v . Bilaur deren Commandant . Sie bestand aus 5 Bataillonen Infanterie, einschließlich 1 Jägerbataillon, 4 Escadrons, 2 Sechspfünder-Batterien, 1 Pionnier-Abtheilung und 1 Feldbrückentrain ; 6) der braunschweigisch-ſachſen-altenburgischen Brigade : 4 Bataillone , 1 Regiment Husaren, 1 Batterie, 1 Pionnier- Abtheilung . Der als wackerer Führer der 8. preußischen Diviſion
aus den Kämpfen
in Böhmen dem Leser gewiß erinnerliche Generallieutenant v. Horn ward dem Großherzog unter dem Titel eines Befehlshabers der in dem Reserve-Corps enthaltenen Preußen zur Seite gegeben.
Das ganze Reserve-Armcecorps sammelte
ſich in den lezten Tagen des zweiten Drittheils
des Julimonats in und um
Leipzig, und als es am 20. Juli von dannen zog, mußte die Stadt 400 Wagen voll Lebensbedürfniſſe (Korn, Hülsenfrüchte, Fleisch, Speck, Hafer, Heu) ſtellen ; indeß um 400 Wagen aufzutreiben, dazu gehört etwas, und deshalb wurde diese bedeutend hohe Forderung gemäßigt, weil ihr vollständig zu genügen eben keine Möglichkeit war.
Am 21. Juli reiste der Großherzog seinen vorangegangenen
Truppen nach. Es ist eben nichts von Heldenthum bei dieser Expedition zu berichten, da ſie aber in die Kriegsgeschichte von 1866 gehört, ſo muß ihr auch ihr Recht werden. Am Freitag waren die Truppen dieſes Reſerve-Corps
von Leipzig abge-
gangen und das 4. preußische Gardegrenadier-Regiment, das in Gewaltmärschen nach Werdau gerückt, von dort bis Plauen per Eiſenbahn gefahren war und in
480
Die Preußen in Hof.
Plauen Bauerwagen requirirt hatte, welche es während der Nacht bis eine halbe Stunde vor Hof fuhren, überraschte die Stadt.
Ohne Zögern
marſchirten, un-
bekümmert um die sonntägliche Ruhe und Andacht der Hofer, zwei Compagnien des 3. Bataillons genannten Regiments gerade aus
in Hof ein , während die
beiden anderen Compagnien rechts und links die Stadt umgingen, um die schwache bairische Beſagung zu fangen.
Indeß der Mehrzahl der Baiern gelang es jedoch,
auf einem bereit stehenden Eisenbahnzuge zu entkommen.
Den Pfiff der Locomotive
mußten die Preußen als Karte pour prendre congè hinnehmen ; aber der Zufall, wenn man einen solchen überhaupt ſtatuiren darf, lieferte den mißvergnügt Nach, ſehenden noch 62 Mann in die Hände, die sich in der Eile vor die Stadt geflüchtet und von preußischen Dragonern eingeholt wurden , und sofort spedirte man diese Gefangenen, die keinen Schuß gethan hatten, nach Leipzig, wo sie am Montag Abend, den 23., zum Erstaunen der Leipziger anlangten, um weiter befördert zu werden.
Hof, hart an der südlichen Grenze Sachsens und an der Saale liegend, ist eine zum Regierungsbezirk Oberfranken gehörende Stadt.
Seit dem großen
Brande vom 4. September 1823 wieder neu erbaut, ist es ein sehr freundlicher Ort, der über 12,000 Einwohner zählt, deren induſtrielle Thätigkeit ſie wohlhabend gemacht hat.
Die Hofer Bierbrauereien sind bedeutend.
Die hübsche Stadt, in
einer fruchtbaren anmuthigen Gegend liegend , genießt durch die baieriſche Nordbahn die Vortheile eines lebhaften Verkehrs. Der Großherzog von Meklenburg erließ
folgende Proclamation „ an die
Bewohner von Oberfranken" : „Das königlich preußische zweite Reserve-Armeecorps unter meinem Befehle hat euer Land besezt. gierung,
Unser bewaffnetes Einschreiten gilt eurer Re-
nicht den Behörden und feindlichen Bewohnern, wenn dieſe des
Krieges Lasten sich dadurch erleichtern, daß ſie meinen Befehlen sofort entsprechen und die Mühen des Soldaten durch freundliche Aufnahme erleichtern . Der Name Baireuth hat bei uns durch alte Erinnerungen den schönsten Klang bewahrt, und ihr werdet sehr bald die Mannszucht , gute Haltung und Humanität meiner Truppen so anerkennen und rühmen ,
wie dies in
Sachsen der Fall gewesen ist. Hauptquartier Hof, den 24. Juli 1866.
Der commandirende General Friedrich Franz, Großherzog von Meklenburg. "
481
Anspach und Baireuth.
Das ausgesprengte Gerücht, daß die Truppen des Großherzogs außer den von ihnen gemachten starken Requiſitionen in und um Hof noch eine klingende Kriegscontribution eingetrieben, war eine Lüge, welche der Hofer Magistrat durch eine entschiedene Widerlegung entkräftete.
Das nächste Object für das zweite
Reserve-Armeecorps war die Beſeßung Baireuths, der Hauptstadt von Oberfranken. Diese von 18,000 meist protestantischen Einwohnern belebte , am rothen Main liegende Stadt ist im Ganzen regelmäßig ,
aber sehr weitläufig gebaut.
Sie hat etwas Gartenähnliches durch ihre Verschönerungen in Gärten , Alleen, Promenaden, öffentlichen Springbrunnen, und eben, daß ſie weitläufig gebaut iſt und zwischen den Häusern Gärten sich befinden, macht sie zu einer geſunden Stadt; eine verpestete Luft kann hier nicht recht aufkommen.
Die Schulanſtalten Bai-
reuths ſind durchgängig gut, es herrscht hier mehr geiſtige Bildung als in irgend einer anderen größeren bairiſchen Stadt, und ihre Bewohner haben
davon ein
schönes Zeugniß gegeben , indem sie dem bekannten Dichter Jean Paul, welcher 1825 in Baireuth starb und ein Stadtkind war, auf dem Gymnaſiumsplaße ein Denkmal, ſein von Schwanthaler gefertigtes und meisterhaft gelungenes Standbild seßen ließen.
Die Baireuther sind sehr gewerbthätig und betreiben viele Ar-
tikel fabrikmäßig.
Der in der erwähnten Proclamation des Großherzogs von
Meklenburg an die Bewohner Oberfrankens befindliche Passus : „Der Name Baireuth hat bei uns durch alte Erinnerungen den ſchönſten Klang bewahrt, " bezieht ſich auf folgende geschichtliche Thatsache : Das Fürstenthum Anspach nebst Baireuth ward im 13. Jahrhundert von dem Burggrafen von Nürnberg , dem Grafen von Hohenzollern , erkauft.
Die
Hohenzollern besaßen damals schon die fürstliche Würde und das Burggrafthum Nürnberg als erbliches Lehen.
Auch dann noch verblieb
Fürstenthums Anspach nebst Baireuth ,
ihnen der Besiz des
als sie die Mark Brandenburg erlangt
hatten, bis es 1486 einem besonderen Zweige des Hauses Brandenburg zu Theil wurde, der sich später in Anspach und Baireuth theilte, alſo in zwei Linien .
Die
baireuthische erlosch zuerst 1769 und
aber
der
anspacher Fürst erbte Baireuth ;
am 2. December 1791 trat er Anspach und Baireuth an seinen Lehnsherrn (denn es war ja durch fast 500 Jahre bis dahin brandenburgisches Land) Wilhelm II., König von Preußen, ab.
Im Frieden von Tilſit 1807 überließ König Wilhelm III.
von Preußen, natürlich gezwungen, dieſes 500jährige Beſißthum der Hohenzollern an Frankreich.
Später kam es in gütlichem Wege an Baiern.
Der Großherzog hatte also das vollste Recht, von „ alten Erinnerungen" 31 Kriegsereignisse.
482
Besitznahme Oberfrankens durch die Preußen.
zu sprechen, denn ein ſo vielhundertjähriger Beſiß giebt den begründetſten Anspruch auf's Nichtvergessen.
Ob die Baireuther wirklich ſo gut bairiſchen Sinnes
in den fünfzig Jahren geworden sind, daß sie nicht mehr an das Ehemals sich erinnerten , wo sie lange Jahrhunderte hindurch brandenburgisch gewesen, ist schwer zu entscheiden.
Die Behörden Baireuths jedoch, die Gemeinde-Collegien,
beeilten sich, als die Kunde einlief, daß die Preußen am 24. Juli in baireuthisches Gebiet eingerückt wären, ihrem jugendlichen Landesvater, dem König von Baiern, auf telegraphischem Wege " im Interesse von Stadt und Land " die Bitte an's Herz zu legen, zu befehlen, daß die bairiſchen Truppen zurückgezogen würden, denn die Zahl aller Truppen in Oberfranken ſei viel zu gering, gegen die Preußen einen erfolgreichen Kampf zu führen, und der Widerstand könne nur dazu dienen, den Feind zu reizen, Leben und Eigenthum friedlicher Einwohner zu gefährden.
Als Anhängſel war dieſer Bitte noch die Verſicherung zugefügt, daß
„ Liebe, Treue und Anhänglichkeit “ der Kreishauptstadt Baireuth felſenfeſt ſtehe. Am 27. Juli rückte indeß das 4. Bataillon des bairischen Leibregiments in Baireuth ein; aber auf die Nachricht, daß die Preußen im Anzuge ſeien, zog es sich sofort nach Kirchenlaibach, an der Straße nach Kemnat, zurück.
Der
Telegraph brachte am Abend desselben Tages die Nachrichten von der bei Würzburg vereinbarten Waffenruhe, und das bairische Bataillon , in dem Glauben, daß das keine locale, sich nur auf die Manteuffel'ſche Mainarmee beziehende Waffenruhe sei, ſondern allgemeine Geltung zwiſchen Preußen und Baiern habe, marschirte am 28. Juli, als die Avantgarde der Preußen eingerückt war , auf St. Johann, Weiden und Weidenberg zurück.
Baireuth war nun besezt ; am
29. Juli kam der Großherzog und nahm im Namen des Königs von Preußen Besig vom Regierungsbezirk Oberfranken.
Mit dieser Thatsache wäre nun eigent-
lich der Krieg geschlossen gewesen , er hatte ja ohnehin so viele Tausende von Menschenleben gekostet, so schwere Opfer gefordert und den bittersten Schmerz über eine ungeheure Menge Familien gebracht ; aber ohne Knalleffect ſollte auch im Baireuthischen die Sache nicht enden. „Es rast der See und will sein Opfer haben, " dieses Wort Schillers sollte zur Wahrheit werden.
So ungefährlich, ja unschädlich das bei St. Johann
ſtehende bairiſche Bataillon den Preußen war und ſo wahrſcheinlich auch die Vereinbarung des Friedens mit Baiern als Folge des Würzburger Waffenstillstandes in Aussicht stand, ließ es der Großherzog doch noch am 29. Juli angreifen und zwar MU die Baiern einen verzweifelten mit lebermacht. Bei dieser Affaire, Hbei welcher SE S UM I T I R
483
Einmarsch des zweiten preußischen Reservecorps in Nürnberg.
Widerstand 8 entgegenseßten, waren thätig : eine Compagnie des meklenburgiſchen Jägerbataillons, das Füſelierbataillon des 4. Garderegiments und eine Schwadron des meklenburgischen Dragonerregiments.
Die Baiern wurden zersprengt ;
der meklenburgische Rittmeister v. Boddin war der Erste im feindlichen Carré. Die Baiern hatten mehrere Todte und eine Anzahl Verwundete ; die Preußen machten 209 Mann zu Gefangenen, únter denen sich 4 Offiziere befanden.
Daß
auf preußischer Seite es ebenfalls Todte und Verwundete gegeben haben wird, obwohl davon nichts berichtet wurde, dürfte ſelbſtverſtändlich sein, da es beim Sprengen ' eines Carré's unter allen Umständen blutig herzugehen pflegt.
Jeden-
falls wird auch der Großherzog , da die in Würzburg vereinbarte Waffenruhe doch in Baireuth bekannt war, dieselbe gekannt haben, und in diesem Falle wäre dieser Kampf ein unnöthiger gewesen. Der Oberst-Brigadier W. Rüſtow bemerkt darüber in ſeinem politiſch-militärischen Werke: „ Der Krieg von 1866 " in Bezug auf dieses kleine Treffen mit bitterem Spotte: „ Der Großherzog von Meklenburg war sehr unzufrieden damit, daß gerade, als er auf dem deutſchen Kriegsſchauplaße ankam, in Deutſchland Frieden eintreten und keine Gelegenheit mehr geboten sein sollte, den Selbstorden der wendischen Krone auszutheilen. “ Das zweite Reservecorps rückte nun über Erlangen in Nürnberg ein und traf Anſtalten, sich dort zu befestigen für den Fall, daß Preußen und Baiern über einen definitiven Frieden sich nicht verſtändigen könnten.
Am 2. Auguſt
war das bairische Land von vier preußischen Colonnen überzogen.
Im Osten
nämlich war das erste Reservecorps unter General von der Mülbe (von Böhmen her) in die Oberpfalz eingedrungen und auf deren Hauptſtadt Amberg marſchirt; der Großherzog von Meklenburg beseßte am 1. August Nürnberg mit dem zweiten Reservecorps , hatte also Oberfranken in Besit ; die Mainarmee stand in und um Würzburg und war Herr von Unterfranken, und endlich waren viertens preußische Truppen am 29. Juli in die bairiſche Pfalz am Rhein eingerückt. Somit war Baiern factisch gezwungen, den Frieden um jeden Preis anzunehmen. Der Waffenstillstand, den General v. Manteuffel mit dem Feldmarschall Herzog Karl von Baiern abgeſchloſſen, hatte an und für sich auf die Bundestruppen des 8. Armeecorps keinen Bezug, doch diese betrachteten denselben als das Ende der blutigen Kämpfe, in denen sie so wenig aufgesteckt hatten.
Ohne
sich mit einander verabredet zu haben , zogen sie Alle „ heim zu Muttern ", sie hatten's gründlich satt.
Während in Nikolsburg die Agenten von Baden, Würt31 *
484
Abmarsch der Bundestruppen nach der Heimath.
A
DUDOW
temberg und Hessen- Darmstadt um Frieden nachsuchten, überseßten ihre Truppen dies Gesuch in's Praktische.
Die Badenser marschirten schon am 30. Juli in
ihre Heimath zurück, die Württemberger folgten ein paar Tage später dieſem guten Beispiele ihrer Nachbarn, die Hessen- Darmstädter fuhren mit großem Gebraus ab, nämlich per Eisenbahn über Mannheim nach Rheinhessen, und die Desterreicher zogen ganz still über München in ihr Vaterland .
Unter die Hei-
mathlosen gehörten die Nassauer und die Kurhessen, sie waren wirklich übel d'ran unter den jezigen, so sehr veränderten Umständen waren sie überall zu viel und zu etwas Ordentlichem doch wieder viel zu wenig. Jede Partei schloß ihren Einzelfrieden mit Preußen, das war das Finale einer höchst traurigen Bundesgenossenschaft, in der sie Alle für Einen und Einer für Alle hatten stehen wollen - jezt galt der Spruch: Jeder für sich und Gott für uns Alle.
Die Schilderungen dieser Friedensverhandlungen wird Inhalt später fol-
gender Abschnitte sein.
Die Mainarmee bezog nach den überstandenen Kämpfen in
dem Mainwinkel zwischen Mühlbach, Wintershausen, Bischofsheim, Wertheim und Lohr Cantonnirungen. Das preußische Hauptquartier verlegte General v. Manteuffel nach Heidingsfeld, südlich dem von seinen Preußen besetzten Würzburg gelegen.
485
Chronik der Tagesbegebenheiten.
Dem Leser eine Uebersicht der großen und kleineren Kriegsereignisse in Böhmen, Mähren, Erzherzogthum Desterreich, Mittel- und Westdeutschland zu geben, wird folgende Chronik der Tagesbegebenheiten dienen: 15. und 16. Juni : Einmarsch der Preußen in Hannover: General von Manteuffel. 16. Juni : Einmarsch der Preußen in Sachſen : General Herwarth von Bittenfeld und die erste Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl. 17. Juni : Einzug der Preußen in die Hauptstadt Hannover : General Vogel von Falkenstein. 18. Juni : Einmarsch der Preußen in Dresden: General Herwarth. 19. Juni : Einzug der Preußen in die Hauptstadt Kaſſel : General von Beyer; Leipzig von den Preußen beſeßt. 23. Juni : Einmarsch des Prinzen Friedrich Karl ( 1. Armee) auf den Straßen von Zittau und Görlig her in Böhmen und Vormarsch auf Reichenberg; Einmarsch der Elbarmee unter General Herwarth von Bittenfeld von Dresden her auf dem rechten Elbufer und Vormarsch über Böhmisch-Leipa. 26. Juni : Gefechte bei Liebenau , Turnau und Podol ; Einmarſch der zweiten (ſchlesischen) Armee unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm in Böhmen, theils von der Grafschaft Glaß aus über Reinerz , Lewin und Nachot , ſowie über Neurode und Braunau, theils auf der Landshuter Straße bei Liebau. 27. Juni: Gefecht bei Trautenau: das 1. Armeecorps, das von Liebau in Böhmen eingedrungen war, unter General von Bonin, gegen das 10. öfterreichische Corps des F.-M.-L. von Gablenz : Gefecht bei Nachod (Wysoko) , das 5. Armeecorps unter General v. Steinmeß gegen das 6. österreichische Armeecorps , unter F.-M.-L. v. Ramming, und die Reserve- Cavalerie- Division des Prinzen von Schleswig-Holstein ; Gefecht bei Hünerwasser : General Herwarth; Gefechte bei Myslowig in Schlesien und Oswiecin in´Galizien;
Treffen bei
Langensalza (Merrleben) : General von Flies und coburg- gothaische Truppen gegen die hannöverſche Armee. 28. Juni: Gefechte bei Trautenau und Pilnikau, Neudorf und Burkersdorf: das Gardecorps gegen das 10. österreichische Corps des F.-M.-L. v. Gablenz; Gefecht bei Skaliz : das 5. Armeecorps des Generals v. Steinmeß gegen das 6. und 8. österreichische Corps des Erzherzogs Leopold, und Einnahme von Skaliz; Gefecht bei Münchengräß und Einnahme von Münchengräß ; Prinz Friedrich Karl und General Herwarth von Bittenfeld, theilweise gegen Sachſen;
486
Chronik der Tagesbegebenheiten.
Vereinigung der 1. Armee unter Prinz Friedrich Karl mit der Elbarmee des Generals v. Herwarth. 29. Juni : Königinhof gestürmt ; Gefecht von Jaromirz : das 5. Armeecorps gegen das österreichische 4. Corps des F.-M.-L. Festetics ; Gefecht bei Gitschin und Erſtürmung von Gitschin : die 1. Armee theilweise gegen Sachsen; die hannöversche Armee capitulirt. 30. Juni: Ankunft Sr. Maj . des Königs von Preußen in Reichenberg. 2. Juli : Verlegung des Hauptquartiers Sr. Majeſtät des Königs nach Gitschin. 3. Juli : Schlacht bei Königgräß ; Hauptquartier Sr. Maj . des Königs nach Horsiz verlegt.
Nach der Schlacht bei Königgräß am 3. Juli : Richtung
der 1. Armee (unter dem König und dem Prinzen Friedrich Karl) auf Brünn, der 2. Armee (unter dem Kronprinzen) auf Olmüß und des Elbcorps (unter General Herwarth von Bittenfeld) auf Iglau (mährische Grenzstadt auf dem geradesten Wege nach Wien) zu. 4. Juli: Gefecht bei Dermbach , zwiſchen Fulda und Eisenach : Preußen gegen Baiern. 6. Juli : Troppau in Desterreichisch- Schlesien von den Preußen beseßt; das Hauptquartier Sr. Maj . des Königs nach Pardubiß verlegt. 8. Juli (Vormittags 9 Uhr) : Prag von preußischen Truppen , unter Generalmajor von Rosenberg-Gruszczynski, beſeßt. 9. Juli (Nachmittags 1 Uhr) : Verlegung des königlichen Hauptquartiers von Pardubiß nach Hohenmauth in Böhmen. 10. Juli : Die erste Armee (Prinz Friedrich Karl) überschreitet die mährische Grenze an verschiedenen Punkten und geht in südöstlicher Richtung vorwärts ; Gefecht bei Sahr (in Mähren , unweit der böhmischen Grenze) zwiſchen der preußischen Avantgarde (Ulanen) und öſterreichischen Huſaren ; Verlegung des königlichen Hauptquartiers nach Zwittau (in Mähren).
Nachdem die von
Eisenach westwärts auf Fulda zu rückende preußische Mainarmee am 4. Juli die baierische Cavalerie bei Hünfeld zurückgeworfen und das baieriſche Hauptcorps in den Gefechten bei Dermbach u. s. w. zwischen Werra und Fulda zur Seite gedrängt hatte, darauf zwiſchen beiden feindlichen Corps (dem gemiſchten Bundes-Armeecorps unter Prinz Alexander von Hessen und den Baiern) im Fuldaischen füdlich gezogen war , schwenkte sie von Fulda und Schlüchtern (in Kurheffen) aus, wo die Diviſion Göben am 8. geſtanden, links ab, und wendete
487
Chronik der Tagesbegebenheiten.
sich am 9. nach Unterfranken.
Am 10. forcirt die Avantgarde des Generals
Vogel von Falkenstein (die Division Göben) die Uebergänge über die fränkische Saale und schlägt die Baiern, welche hinter der fränkischen Saale Stellung gegenommen, an 5 Punkten , bei Hausen (an der fränkischen Saale in Baiern), Waldaschach (nördlich von Kissingen in Baiern) , Friedrichshall, Kissingen und Hammelburg, hartnäckiger Kampf bei den beiden leßteren Orten. wird Kiſſingen von den Preußen befeßt.
Nachmittags
Die Baiern ziehen sich am 11. Abends
auf das linke Mainufer zurück. 11. Juli:
Ein preußisches Corps (von Coblenz her kommend) besett
einen Theil des Herzogthums Naſſau (die Lahn und das Hochplateau zwiſchen Schwalbach und Nassau , Ems, Nassau u. s. w.) -- Reitergefecht in Tischnowiß (in Mähren, 234 Meilen nordwestlich von Brünn) zwischen der Avantgarde der ersten Armee, unter Führung des Herzogs Wilhelm von Meklenburg (2. GardeDragoner) und österreichischen Ulanen. - Der Eger-Bezirk (im nordwestlichen Böhmen) von preußischen Truppen besetzt. 12. Juli (Vormittags 10 Uhr) : Brünn, Mährens Hauptstadt , von den Vortruppen der ersten Armee (8000 Mann und 2500 Pferde) unter Führung des Herzogs Wilhelm von Meklenburg beseßt.
Gegen Abend zieht Prinz Friedrich
Karl an der Spiße der Division Manstein in Brünn ein. sagung 50,000 Mann.
Die preußische Be-
Gegen Abend : Das königl. Hauptquartier von Zwittau
nach Czernahora (in Mähren , 5 Meilen südlich von Zwittau und 3 Meilen nördlich von Brüun, auf der Straße nach Brünn) verlegt. 13. Juli (Vormittags) : Teplit ein.
Preußische Truppen ziehen in Komotau und
Das königl. Hauptquartier nach Brünn verlegt.
Se. Majestät
der König zieht in Begleitung des Prinzen Karl, des Großherzogs von Meklenburg u. A.
um 3 Uhr Nachmittags in Brünn ein.
Laufach (12 Meile nordöstlich von Aschaffenburg) .
——
Abends : Gefecht bei
Die Brigade Wrangel (von
der Diviſion Göben) schlägt die angreifende darmstädtiſche Diviſion zurück. 14. Juli : Nachdem die Division Göben (von der preußischen MainArmee) die Baiern am 10. in den Gefechten bei Kiſſingen und Hammelburg über den Main zurückgeworfen, wendet sie sich nach Gemünden (an der Mündung der fränkischen Saale in den Main) und dringt von da auf der den Spessart durchschneidenden Linie Gemünden-Lohr-Aschaffenburg nach Westen gegen das Armeecorps des Prinzen Alexander von Heſſen vor, um eine Vereinigung mit den Baiern zu verhindern.
Nach der Zurückwerfung der Darmstädter am
488
Chronik der Tagesbegebenheiten.
13. Abends bei Laufach erfolgte am 14. das scharfe, aber siegreiche Treffen bei Aschaffenburg gegen die vereinigten Desterreicher, Kurhessen und Darmstädter unter dem FML. Grafen Neiperg.
Aschaffenburg wird von den Preußen er-
stürmt und der Feind über den Main zurückgeworfen .
Eine weitere Folge dieses
Sieges ist die Räumung von Frankfurt a. M. und von Hanau von Seiten der Bundestruppen. 14. Juli: Die Markgrafschaft Mähren, mit Ausnahme der Festung Olmüş, von der österreichischen Armee geräumt. (Morgens.)
Preußische Truppen über-
ſchreiten bei Jezelsdorf von Mähren her die Grenze des Erzherzogthums NiederDesterreich und sehen ihren Marsch nach Widhofen an der Thaya fort.
General
Herwarth beseßt Znaym an der Thaya (nahe der Südgrenze Mährens, auf dem Wege von Iglau nach Wien, 10 Meilen von Wien entfernt) .
(Nachmittags .)
Die preußische Garniſon von Troppau rückt in's Innere Oesterreichs ab .
In
der Nacht besezt neues preußisches Militär die Stadt. 15. Juli: Nachdem die zweite (kronprinzliche) Armee, bei der sich auch das Gardecorps befindet, von den Elb-Uebergängen zwischen Pardubiß und Königgräß, über Hohenmauth und Mähriſch-Trübau direct auf Olmüß marſchirt war und im Süden von Olmüß bei Proßniß ,
an der Olmüß-Brünner Chauſſee,
Stellung genommen hatte, erfolgte am 15. (Sonntag Nachmittag) ein siegreiches Gefecht bei Tobitſchau (ſüdlich von Olmüß , zwiſchen Proßniß und Prerau in Mähren) zwiſchen der Brigade von Malotki vom ersten Armeecorps , unter persönlichem Commando des Generals von Bonin, gegen die österreichische Brigade Rothkirch (18 Geſchüße erbeutet und 400 Gefangene gemacht).
Durch den Sieg
kommt die Eisenbahn von Prerau bis Lundenburg in den preußischen Beſit, ſo daß die noch bei Olmüß stehenden österreichischen Truppen von Wien abgeſchnitten werden.
Die preußische Beſaßung von Teplig zieht weiter nach dem Innern.
Vorpostengefecht bei Jezelsdorf zwischen preußischen Truppen von Da sich der Herwarth'schen Armee und der österreichischen Brigade Wallis.
des Landes.
die durch Frankreich angeknüpften Verhandlungen wegen einer dreitägigen Waffenruhe zwiſchen Preußen und Oesterreich zerschlagen, so gehen preußische Truppen auf Wien vorwärts. 16. Juli (Morgens) : Prinz Friedrich Karl beſeßt Lundenburg (an der Thaya, 10 Meilen nordöstlich von Wien) , den Knotenpunkt der Eisenbahnen Brünn-Wien und Olmüß-Wien , und geht bei Skaliz (32 Meilen nordöstlich von Lundenburg, bereits auf der linken oder ungarischen Seite der March, gegen-
489
Chronik der Tagesbegebenheiten.
über der Göding) an der Straße, die von Olmüß her zwischen der March und den kleinen Karpathen nach Preßburg führt, über den Marchfluß.
Göding (auf
dem rechten oder mährischen Ufer) und Skaliß werden von der 7. und 8. Diviſion des 4. Armeecorps beseßt.
(Abends.) Einzug der preußischen Brigade
Wrangel und der Diviſion Göben unter Führung der preußischen Generale Vogel von Falkenstein, Göben, Wrangel und Treskow in Frankfurt a. M.
(Am
17. langt auch die Division Kummer in Frankfurt an.) — (Nacht.) Preußische Truppen ziehen durch Podersam (am Eger- Gebiet im nordwestlichen Böhmen) weiter vor. 17. Juli : Die Preußen beseßen Höchst (am Main , westlich von Frankfurt a. M.) .
Die übrigen Diviſionen des 4. Armeecorps rücken in der Richtung
auf Wülfersdorf im Erzherzogthum Desterreich an der Thaya vor.
Prerau
(3 Meilen südlich von Olmüß) von der Armee des Kronprinzen beſeßt. 18. Juli (Abends) : Das königliche Hauptquartier nach Nikolsburg (dicht an der Grenze von Mähren, südlich von Brünn, 2 Meilen westlich von Lundenburg und 12 Meilen von Wien entfernt) verlegt. — Einrücken der Preußen in Wiesbaden. 19: Juli : Die kurhessischen Provinzen Hanau und Fulda werden durch den Adminiſtrator Kurhessens, v. Möller, im Namen der preußischen Regierung in Besiz genommen. 20. Juli : Darmstadt von der preußischen Brigade Kummer besetzt.
Eben
so wird Biebrich, im Herzogthum Naſſau, von preußischen Truppen beſeßt. 21. Juli : Desterreich nimmt Preußens Vorſchlag einer fünftägigen Waffenruhe an, welche mit Schlag 12 Uhr (Mittag) am nächsten Tage beginnen foll. 22. Juli: Kampf der Preußen gegen die Desterreicher bei Blumenau in der Nähe von Presburg.
Die um 12 Uhr Mittags eintretende Waffenruhe er-
ſpart den Oesterreichern eine empfindliche Niederlage und ist Ursache, daß die Preußen nicht in Presburg einrücken. 23. Juli : Der österreichische Kriegsminister, General v. Degenfeld , und der österreichische Gesandte, Graf Karolyi, treffen in Nikolsburg ein, um über die Friedenspräliminarien zu verhandeln. 26. Juli : Der fünftägigen Waffenruhe folgt ein Waffenſtillstand unter Feststellung der Friedenspräliminarien durch den Grafen von Bismark preußischer Seits und den Grafen Karolyi und den Freiherrn v. Bremer österreichischer Seits .
490
Chronik der Tagesbegebenheiten.
30. Juli : König Wilhelm 1. hält große Heerschau auf dem Marchfelde Angesichts Wien. 2. Auguſt tritt König Wilhelm von Nikolsburg die Rückreise nach Berlin an. 4. August Abends 11 Uhr langte er in der zu Ehren seiner Ankunft reich geschmückten Hauptstadt unter dem ihn empfangenden Jubel der Berliner Bevölkerung an. Unterdeß waren auch die kriegeriſchen Ereigniſſe zwischen Preußen und den süddeutschen Truppen zur Entscheidung gediehen , und indem wir die Tage des Vormarsches der Preußen auf die Tauberlinie übergehen, beginnen wir die chronikalische Reihenfolge der Treffen und Gefechte mit dem 22. Juli: Gefecht bei Neuenkirchen zwischen einem Detachement, bestehend aus den beiden Bataillonen Coburg-Gotha und einer halben Schwadron Dragoner gegen die Badenser unter Prinz Wilhelm von Baden. in der Uebermacht, zogen sich zurück.
Die Badenser , obwohl
Die Division Flies nimmt Wertheim und
besezt den Uebergang über die Tauber. 23. Juli : Weitermarsch der Preußen gegen die Tauberlinie. 24. Juli: Schwere Kämpfe an der Tauber.
Die oldenburger Brigade,
einſchließlich des bremer Bataillons, bei Hohhausen scharf engagirt, wirft den Feind zurück.
Brigade Wrangel nimmt unter heftigem Kampfe Tauberbischofs-
heim, jeden Versuch des Feindes , weisend.
es wieder zu gewinnen , entschieden zurück-
Die Truppen des zweiten preußischen Reserve-Armeecorps beſeßen Hof.
25. Juli marſchirte die ganze Mainarmee, die Diviſion Göben auf dem rechten Flügel, gegen Würzburg vor.
Schwerer Kampf der Brigade Kummer
am Walde vor Gerchsheim gegen den Feind, aus Württembergern, Hessen, Nassauern und Desterreichern bestehend, mit 8 Batterien.
Die oldenburger Bri-
gade und Brigade Wrangel kommen zu Hilfe, und troß des wüthenden Granatfeuers der Feinde wurden diese zum Rückzuge gezwungen ; die Preußen gingen . bis über Gerchsheim vor. 26. Juli: Harte Gefechte bei Waldbrunn und Roßbrunn, bestanden von den Divisionen Beyer und Flies.
Der Feind zurückgeworfen.
Die Avantgarden-
Brigade Kummer dringt bis Kist vor , wo sie Vorposten ausseßt.
Der Feind
geht mit Hinterlassung einiger leichten Truppen bei Würzburg und Umgegend über den Main. 27. Juli : Große Recognoscirung der Diviſion Göben gegen Würzburg und Festung Marienberg .
Beſchießung der Leßteren.
Herzog Karl von Baiern
Chronik der Tagesbegebenheiten. ―
Französische Gelüste und - Friedensverträge.
491
sendet einen Parlamentair an den Oberbefehlshaber der Mainarmee mit der Anzeige des zu Nikolsburg am 26. Juli vereinbarten Waffenſtillstandes zwischen Preußen und Desterreich, und dem Verlangen , gleichfalls Waffenruhe zwiſchen der Mainarmee und den Baiern eintreten zu lassen.
Der Kampf gegen Würz-
burg wird eingestellt. 28. Juli : Abſchluß eines Waffenſtillstandes zwischen den Preußen und den Baiern. 29. Juli : Das zweite preußische Reserve-Armeecorps sprengt bei St. Johann ein bairisches Bataillon. 30. Juli : Die Badenſer ziehen in ihre Heimath. 1. August : Einrücken der Preußen in Nürnberg. 2. August: Einrücken eines Theiles der Mainarmee in Würzburg und Abzug der Württemberger und Hessen-Darmstädter in ihre Heimathen.
Französische Gelüfte und
Friedensverträge.
Wer dem Andern eine Grube gräbt, fällt oft selbst hinein. Folgendes, nachträglich von der Augsburger „ Allg . Ztg. “ veröffentlichte österreichische Actenstück, über welches vor dem Kriege nur dunkle Andeutungen umliefen, wird als schlagender Beweis dienen , wie wahr dies Sprichwort ist. Graf Mensdorff richtete am 16. März dieses Jahres an die österreichischen Vertreter bei den deutschen Regierungen eine „ ganz vertrauliche Circulardepeſche“, die nur an solchen Höfen , wo man auf Verschwiegenheit rechnen konnte , zur Kenntniß gebracht zu sein scheint.
Oesterreich kündigte darin seinen Entschluß
an, die preußische Regierung geradehin zu interpelliren , ob sie den Gasteiner Vertrag zerreißen und den Bundesfrieden unterbrechen wolle.
Sollte die Ant-
wort unbefriedigend oder ausweichend ausfallen , so wird den befreundeten Regierungen die schon fertige Erklärung mitgetheilt, die Oesterreich dann am Bunde abgeben werde.
Darin wird die schleswig-holsteiniſche Frage der Entscheidung
des Bundes übergeben und zugleich die Aufmerkſamkeit der Bundesverſammlung auf die Schritte gelenkt, welche nöthig sein könnten, um Preußen gegenüber den Bundesfrieden zu wahren.
Die österreichische Regierung sieht voraus , daß die
Erklärung vorerst zu weitläufiger Berathung an einen Ausschuß gehen werde,
492
Desterreichische Circulardepesche.
und ermahnte daher in ihrer Depesche schließlich, nicht nur die Instructionen an die Gesandten zu beschleunigen , sondern auch, im Falle die Gefahr noch dringender auftrete, die rasche Kriegsbereitschaft des 7., 8., 9. und 10. Bundescorps und ihre Aufstellung im Verbande mit der österreichischen Armee zu betreiben. Die angekündigte Interpellation wurde bekanntlich zu jener Zeit an den Grafen Bismark gestellt , der sie in aller Kürze verneinend beantwortete.
Es
kam dabei um so weniger heraus , als damals Baiern noch in sehr neutraler Stimmung war und auch die anderen Regierungen zum Theil von dem kühnen Fluge, den die österreichische Diplomatie in jenem Actenstücke nahm, sehr wenig erbaut waren.
Erst beinahe 3 Monate später gelangte Oesterreich am Bundes-
tage zu dem im März umſonſt herbeigewünschten Ergebniß.
So viel wenigstens iſt
aus der Veröffentlichung dieser Circulardepesche zu ersehen, daß die Regierungen, welche am 14. Juni die Mobiliſirung der vier Bundescorps beſchloſſen, ſchon lange vorher von Wien aus vollkommen in's Klare darüber gesezt worden waren, was dieſer Beschluß zu bedeuten haben würde. Dem iſt alſo nichts weiter hinzuzufügen, als daß Deſterreich ſich ſchmählich getäuscht hat, als es das Finale der gegen Preußen so vorsichtig und in aller Stille in den Gang gebrachten Maßregeln als einen Sieg für sich erwartete. Wenn dabei Etwas auf unsere Verwunderung Anspruch machen kann, so ist es der Umstand, daß gerade Hannover und Sachſen, welche in dem Hergange der schleswig-holſteinischen Angelegenheit die Bundestreue Oesterreichs doch ſattſam kennen gelernt hatten , denen es unvergeſſen geblieben ſein mußte, daß Desterreich ebenso wie Preußen, also gemeinſchaftlich, die hannöverſchen und ſächſiſchen Bundescontingente in ſehr kategoriſcher Weiſe aus Holſtein ausgewieſen hatte, und doch das nämliche Desterreich als bundestreu anzusehen, als es Preußen zu Falle bringen wollte , das ist schwer zu enträthſeln, wenn man nicht den bibliſchen Ausspruch : „ Im Himmel wird mehr Frohlocken über einen zurückgekehrten Sünder sein, denn über neunundneunzig Gerechte " als Erklärung en bloc annehmen will. Wie Oesterreich sich bitter durch die Reſultate des menſchenmörderischen Krieges enttäuscht fah, so erging es auch Frankreich , welches für seine guten Dienste (Friedensvermittelung) eine recht anständige Compenſation von Preußen erwartete.
Compenſation ist ein Wort, das im Munde Frankreichs nicht ohne
Bedeutung ist, obwohl es im gewöhnlichen Leben wohl meist nur von den
493
Französische Gelüste.
ſtreitenden Parteien gebraucht wird, weil man darunter Abrechnung, Erſeßung, Ausgleichung, Koſtenerſtattung versteht.
Frankreich und Preußen waren aber
ganz und gar nicht im Streite miteinander und Frankreich verlangte doch eine Compensation.
Die Geschichte dieses
von Frankreich so wohlgemeinten Ver-
langens ist folgende : Zur selben Zeit , als in Berlin der Landtag eröffnet wurde (5. Auguſt 1866), machte Herr Benedetti, der französische Gesandte, dem Berliner Cabinet Eröffnung hinsichtlich der durch die umfaſſenden Gebietsvergrößerungen Preußens als ganz folgerecht sich daran knüpfenden Frankreichs.
billigen Compenſations-Ansprüche
Als diese wurden bezeichnet : 1 ) Die Ausschließung der bisher
im deutschen Bunde befindlich geweſenen Besizungen des Königs der Niederlande von jedem innern staatsrechtlichen Verbande mit Deutſchland und der Verzicht Preußens auf das Besatzungsrecht in Luremburg ; 2) die Zurückgabe der im zweiten Pariser Frieden von Frankreich an Preußen abgetretenen Gebiete, welche Saarlouis , Saarbrücken und das Kohlenbecken in sich begreifen ; 3) die Abtretung der auf dem linken Rheinufer befindlichen baieriſchen und heffendarmstädtischen Provinzen an Frankreich, wofür natürlich Baiern und HeſſenDarmstadt zu entschädigen wären. Auf den ersten Blick sehen diese Forderungen gar nicht so erschreckend groß aus, aber in Wahrheit sind sie von umfaſſender Bedeutung, denn ſie beziehen sich auf wichtigere größere Gebiete, als die Diſtricte sind , welche Frankreich im Frieden 1815 an Deutschland zurückgeben mußte. Mit diesen Letteren, die auch in den begehrten Compensationen enthalten sind, würde Frankreich 2 Festungen, Landau und Saarlouis, und die an Werth und Wichtigkeit ganz
unschäßbaren Saarbrücker Kohlenlager gewinnen ,
außerdem
streckten sich seine bescheidenen Ansprüche auf nichts Geringeres , als
auf
die ganze baierische Pfalz und Rheinhessen mit der Festung Mainz, welche den militärischen Schlüſſel Deutſchlands bildet. Was Luxemburg betrifft, so guckt die raubgierige Kralle unter dem Sammetpfötchen eben so sehr heraus. Luremburg ist eins der Bollwerke Deutschlands, daher wenn es nicht mehr zu Deutschland gehören sollte, würde dies natürlich eins weniger zählen.
Die Niederlande haben kein Intereſſe daran, die
großen Opfer für die Erhaltung und Besazung dieser Festung zu tragen, das kleine luxemburgische Ländchen ist dazu ganz außer Stande. Demgemäß müßte Luxemburg, wenn es von Deutschland (Preußen) aufgegeben werden sollte, entweder als Festung eingehen oder und Frankreich ließe das nicht so leicht
494
Frankreich übt sich in Selbſtverleugnung.
aus dem Auge -
französische Garnison erhalten. Des Letteren Erfüllung war
eigentlich des Pudels Kern in der luxemburgiſchen Angelegenheit. Wird die Einwohnerzahl der Districte von Saarlouis und Saarbrücken zu der Gesammtſumme der Bevölkerung der bairischen Pfalz und Rheinhessens gerechnet, so übersteigt das Facit eine Million Seelen, und das wäre sicher ein höchst schmeichelhafter Erwerb . * Napoleon III. hat ein sehr empfängliches Herz für solche Erwerbungen.
Nach dem Feldzuge von 1859 , wo er mit Italien
gegen Desterreich zog, acquirirte er, obwohl das italienische Volk darüber bitterböse dareinschaute und die europäischen Cabinette etwas starrten vor der Ungewöhnlichkeit , d . h. ſich auf dieſe Weise eine Compenſation zu verſchaffen, die Gebiete von Nizza und Savoyen , welche im Ganzen nur 669,000 Einwohner haben.
Was sind die Gebiete von Nizza und Savoyen gegen die Forderung
der Districte von Saarlonis und Saarbrücken, der baierischen Rheinpfalz und Rheinhessen? ein Gänseblümchen gegen eine Sonnenroſe! Indeß, daß die Bäume nicht in den Himmel hineinwachsen , dafür hat der Schöpfer gesorgt; daß Napoleon III. von seinen Compensationswünschen keine Erfüllung ſah, dafür sorgte Preußen, deſſen Regierung einfach dem Herrn Geſandten erklärte, daß es auf keine Compenſation eingehe und sich nicht veranlaßt sehe, in die Abtretung eines Stückes deutſchen Gebietes zu willigen. Die Pariſer Zeitungen bließen gar fürchterlich die Backen auf,
daß ihrer großen, auf der
Bahn der Civilisation vormarſchirenden Nation der erwartete fette Biſſen entging; Kaiser Napoleon machte aber, um ſeine Niederlage zu decken, ein Manöver, welches, in's Deutsche überseßt , ohngefähr so viel heißen würde , als : er schob einen Sündenbock vor.
Und dieser war der Ministerchef, Herr Drouyn de
Lhuys , von dem alle Welt wußte, daß er ein guter Freund Metternichs , des österreichischen Gesandten zu Paris,
und ein
offener Gegner
Preußens sei.
Napoleon III. entließ ihn seines Amtes, in das der Marquis de Moustier, damals Gesandter in Constantinopel, berufen wurde. Drouyn de Lhuys Entlaſſung ſollte der Welt glauben machen, als wäre die Compenſations -Angelegenheit deſſen Werk, und der Kaiſer, damit unzufrieden, wünsche Preußen ein Zeichen seiner freundnachbarlichen Gesinnungen zu geben, denen nichts ferner liege, als solche Ansprüche.
Da gab es viele Leute, welche
gewaltig in's Horn stießen, wie friedliebend der Kaiser sei und wie seine Weisheit den Boden der feindseligen Bestrebungen seines Ministers sofort abgeschnitten habe.
Die Kurzsichtigen ! Die größte Weisheit eines Diplomaten iſt
495
Französische Enthüllungen.
in zwei kleine Wörtchen gehüllt und diese heißen „ Wart's ab “ . Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und Napoleon hatte seine Ansprüche nur vertagt, nicht aufgegeben.*)
Das „ Warum er dieselben nicht zur Geltung zu bringen sich ge-
traute?" enthüllte sich im Verlaufe der Zeit, indem französische Blätter selbst es an die Oeffentlichkeit brachten.
Es würde Thorheit ſein, zu glauben , daß
der französische Ministerchef Drouyn
de Chuys
bei
einem Schritte von so
schwer wiegender Bedeutung , wie die Compenſations-Anſprüche es waren , sich nicht streng an den Willen des Kaiſers und innerhalb der Grenzen seiner Vollmachten gehalten habe, wie auch, daß das napoleoniſche Cabinet_leichſinnig und ohne tiefliegende Gründe und Absichten eine Angelegenheit zur Sprache gebracht haben sollte, deren bloße diplomatische Erörterungen sowohl für seine Beziehungen zu Preußen, als gegenüber der öffentlichen Meinung seines Landes schwer zu verwischende Folgen nach sich ziehen mußte.
Demnach mußte also eine andere
Ursache obwalten, welche den Kaiſer Napoleon nöthigte , seine CompensationsForderung unter dem Scheine der Friedensliebe verschwinden zu lassen.
Das
Pariser Blatt „ Constitutionel “ beantwortete die beiden inhaltsschweren Fragen : Warum Kaiſer Napoleon im Jahre
1859
nach der Schlacht von Solferino
so schleunig wieder mit Desterreich Frieden geſchloſſen ,
ohne sein Programm,
„ Frei bis zur Adria “, zu erfüllen und warum er nach der Schlacht von Königgräß im Jahre 1866 nicht mit einer Armee an den Rhein gerückt sei ? durch Ziffern wie folgt : 700,000 Soldaten geben nicht 700,000 Streiter.
Dieser Irrthum ſei
ein Theil der Ursache zur Niederlage bei Königgräß für die Desterreicher geworden, denn auf dem Papier hätten sie 700,000 Mann gehabt , aber unter Waffen hätten sie in Venetien nur 140,000 Mann gehabt.
und
in Böhmen nur 180,000
(Der Constitutionel befand sich da in einem ziemlichen Frrthum,
wie alle Welt weiß.)
Frankreich habe im Jahre 1859 nur 639,000 Mann unter
Waffen gehabt, wovon blos 107,000 Mann in Italien hätten verwendet werdent können, da die übrige franzöſiſche Armee theils in Rom, in Algier, im Innern Frankreichs u. s. w. gebraucht worden wäre.
Nach der Schlacht von Solferino
wären dem Kaiser Napoleon nur noch 80,000 Mann übrig geblieben, und um diese nicht auf's Spiel zu sehen (das Eindringen in's Festungsviereck hätte
*) Napoleon's III. Annexionsgelüfte traten in der 1867 auftauchenden Luxemburger Frage abermals auf.
496
Nur geſcheidt sein.
jedenfalls die Zahl auf's Viertel heruntergebracht), habe er den Frieden schließen müſſen. Ein ähnlicher Mangel an verfügbaren Truppen ſei die Ursache geweſen, daß Napoleon nach der Königgräßer Schlacht nicht habe in Deutſchland einfallen können.
Mit hunderttauſend Mann sich den Zündnadelgewehren der Preußen
auszuseßen, würde ein tolles Wagſtück geweſen ſein. Wenn auch hinsichtlich der angegebenen Ziffern der „ Constitutionel " im Irrthum sich befindet, so ist doch schon das Geständniß , daß im Lande der großen Nation viel Geſchrei und wenig Wolle die Hauptdeviſe iſt, ein so seltener Umſtand , daß er unter die Merkwürdigkeiten gehört.
Also in der Schwäche
lag die Friedensliebe Napoleons , darum auch wurden so große Anstrengungen zu einer Armee-Reorganiſation gemacht. einer französischen Invaſion.
Deutschland kann beruhigt sein wegen
Kaiſer Napoleon weiß, daß für ihn Alles
dem Spiele steht, wenn ihn der Unſtern einer Niederlage träfe.
auf
Seine Dy-
nastie wäre dann gewesen. Wenn hinsichtlich des Zeitpunktes , wo der französische Gesandte, Herr Benedetti, die ersten Aeußerungen über die von seiner Regierung gewünſchten Compensations -Ansprüche laut werden ließ, allgemein die Zeit des Beginnes des preußischen Landtages (5. August 1866) angegeben wird , so machte sich doch bald eine andere Ansicht über ihn geltend, und obwohl man einer Anekdote nie vollkommen trauen kann , so hat doch folgende, von der heſſiſchen Landeszeitung gebrachte, wenigstens eine ziemliche Wahrscheinlichkeit für sich: „ Graf Bismarck erzählte - so lautete es in dem genannten Blatte - im Verlaufe dieses Winters (von 66 zu 67) einer hochgestellten Persönlichkeit , die hier zu nennen untersagt iſt, an der königlichen Tafel folgendes Factum :
Nach der Schlacht
bei Königgräß bot mir der franzöſiſche Gesandte seine Mitwirkung zum sofortigen Abschluß des Friedens an, Preußen alle bisherigen Eroberungen zuſichernd . Frankreich verlangte für den Beistand , den es uns hier anbot, den Besitz von Luremburg , Rheinbaiern , Rheinheſſen und der Festung Mainz.
Darauf fragte
ich Moltke, wie viel Zeit er brauche, um mit der Armee vor Wien zu stehen ? Moltke antwortete : Vierzehn Tage.
Siebzehn Tage zog ich darauf die Unter-
handlungen mit dem franzöſiſchen Gesandten in die Länge.
Unterdeſſen war
die Armee vor Wien angekommen, und ich war in den Stand gefeßt, die freundschaftlichen Vermittelungen der Regierungen des Kaisers wärmsten Danke
ablehnen zu können. “
Napoleon mit dem
497
Breukens Gebietszuwachs .
Der Annahme, daß diese Anekdote Wahrheit enthalte, steht nur Etwas entgegen, nämlich, daß Graf Bismarck selbst deren Erzähler und es noch obendrein an der königlichen Tafel gewesen sein soll, wo bekanntlich Vieler Ohren offen sind, um irgend eine pikante Aeußerung zu erlauschen.
Es wäre ganz
und gar kein Verstoß gegen die französische Bescheidenheit, zu glauben, daß Herr Benedetti im Auftrage ſeines Kaiſers gleich nach der Königgräßer Schlacht mit solchen höflichen Ansprüchen angerückt sei , wohl aber würde es einen Verstoß gegen die Klugheit eines Ministers, wie Graf Bismarck, sein, zu glauben, daß er mit derlei, wenn auch vertraulichen Mittheilungen so sehr freigebig sein sollte. Die Sache an und für sich kann durch und durch wahr sein, um ihr aber mehr Glaubwürdigkeit zu geben, hat man sie als erzählte Anekdote in Graf Bismarck's Mund gelegt.
Am allerrichtigsten ist die Ueberzeugung, daß der preußische Mi-
nisterpräsident um ein Bedeutendes weniger sich verrechnet hat, als Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen dies mit verschiedenen Manipulationen ſeit einiger Zeit schon widerfahren war. Während man in Berlin, gehoben vom Bewußtsein des Sieges, sich befand, zeigte der Landtag, was das Abgeordnetehaus betraf, eine etwas andere Physiognomie wie bisher. verlangt.
Die königliche Regierung hatte Indemnität von ihm
Das Wort Indemnität bedeutet ungefähr das Nämliche,
mit dem Ausdrucke
was man
Alles gut sein lassen" bezeichnet, ein Jdemist ist ein Ja-Herr,
und es blieb im Ganzen genommen dem Abgeordnetenhause auch nicht viel Anderes übrig, als gegenüber dem mehrjährigen Conflict der Regierung sich zur Rolle der Jdemiſten zu verstehen.
Das preußische Volk schwelgte in der Luſt
des Sieges, es war stolz auf die Erwerbungen an Gebiet, durch welche Preußen ſo unerwartet vergrößert wurde. Die Ueberzeugung, ſich größer zu wiſſen, wirkt als eine erhabene Empfindung in jedem Menschenherzen, der König theilt sie mit dem ärmſten Manne seines Volkes , welcher beim mühsam erworbenen Biſſen Brod sich des Sieges freut, der ihm persönlich freilich nichts , aber dem Volke, dem er angehört , eine hohe Bedeutung bringt - und die Mitglieder des Abgeordnetenhauses waren ja Alle Preußen. Der Gewinn an Land und Leute, welchen Preußen durch den glücklichen Feldzug gemacht hatte, war ein bedeutender.
Das Königreich Hannover hat
einen Flächenraum von 6987/10 Quadratmeilen mit 1,923,492 Einwohnern (nach der Volkszählung von 1848) ; das Kurfürstenthum Hessen 1737/10 Quadratmeilen mit 745,063 Einwohnern; das Herzogthum Nassau 85½ Quadratmeilen mit 32
498
Schreiben des Grafen von Weſtphalen an das Herrenhaus.
468,311 Einwohnern ; die Stadt Frankfurt 1/10 Quadratmeilen mit 91,180 Einwohnern.
Preußen erlangte sonach durch die Einverleibung dieser Gebiete
eine Vergrößerung um fast 960 Quadratmeilen (um einige Quadratmeilen mehr, als der Flächenraum des Königreichs Böhmen beträgt) und eine Vermehrung seiner Bevölkerung um 3,230,000 Seelen.
Mithin hatte das preußische Volk
auch die vollkommenſte Ursache zu jubeln , denn ein solcher Zuwachs ist sicher höchst angenehm. Daß das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus sich mit den ihnen durch den Grafen Bismarck vorgelegten königlichen, diese drei Länder nebst Frankfurt betreffenden Einverleibungsdecreten ,
vollkommen einverstanden
er-
klärten, war natürlich, nur zwei Männer, der Eine im Herren-, der Andere im Abgeordnetenhause, waren nicht dieser Meinung.
Im Herrenhaus war es der
Graf von Westphalen , welcher , fest an der alten Bundesverfaſſung haltend, folgendes Schreiben an das Herrenhaus gelangen ließ, das der Präsident deſſelben in der Sizung vom 7. Auguſt der Versammlung vorlas : „Hohes Haus !
Meinen unterthänigsten Homagial (Huldigungs-) Eid
hatte ich Sr. Majeſtät dem Könige von Preußen als deutschen Bundesfürſten geschworen, konnte und durfte auch als Deutscher Höchſtihm in dieser Eigenſchaft als einem fürstlichen Mitgliede des zur dauernden Einigung Deutschlands unkündbar geschlossenen, durch die heiligsten Verträge beschworenen, durch die bündigſten Eide bekräftigten, durch das Blut meines Vaters beſiegelten Staatenbundes einen Eid der Huldigung und Unterthanentreue leisten.
„ Mit dem Bundesbruche und nach der von Sr. Majestät Regierung auf das Unzweideutigſte abgegebenen Erklärung : die dem deutschen Volke von Gott gesezte Obrigkeit, als einen nur noch „ sogenannten " Bundestag zu Recht bestehend, nicht mehr anerkennen zu wollen, mit dem Hinfall also jener unerläßlichen Bedingung meines , Sr. Majestät dem Könige von Preußen geleisteten Homagial-Eides muß ich nach den unbeugſamſten Geſeßen einer unLeugbaren Rechtslogik auch diesen selbst für hinfällig geworden erachten , kann daher an den Berathungen des hohen Hauſes ferner mich nicht mehr betheiligen, und bitte, von dieser meiner Erklärung actenmäßig Kenntniß zu nehmen. " Die Vorlesung dieses Schreibens erregte theils Heiterkeit, theils Kopfschütteln bei den Mitgliedern des hohen Hauses. Jedenfalls ist Graf Westphalen ein höchst ehrenwerther Mann, ein offener rechtschaffener Gegner, der seine Meinung nicht hinter❜m Berge hält.
Es war folgerecht, daß ein Mann mit solchen
499
Pretet des Abgeordneten Dr. Jacoby.
Ansichten der Mitgliedschaft des Herrenhauſes ſeinem Wunsche gemäß entlassen wurde.
Was den Protestirenden des Abgeordnetenhauses anlangt, so war dies
ein ebenfalls ſo ehrenhafter Gegner als der Graf von Weſtphalen, nämlich der durch seinen Spruch:
„ Es ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit
nicht zu hören bekommen" bekannte Dr. Jacoby aus Königsberg .
Er gehört zu
jener seltenen Art Männern , die beharrlich und treu den Standpunkt ihrer früher gefaßten Anschauungen behaupten und sich nicht beirren laſſen, mögen auch zur Wandlung ihrer Meinungen verlockende Gelegenheiten an sie herantreten. Offen sprach er es in der Kammer aus , daß der im Bunde mit einer fremden Macht (Italien) gegen Deutsche geführte Krieg weder dem preußischen Heere zur Ehre, noch dem deutschen Volke zum Heile gereiche. Die Ausscheidung von Millionen Deutſcher in Desterreich aus Deutſchland bedeute nicht Einheit, sondern Spaltung, die Sprache des Schwertes drücke nichts weiter aus, als die Unklarheit des Begriffes.
Ehe dieser zur Klarheit gelangt , sei an eine gedeih-
liche Entwickelung practischer Verhältnisse nicht zu denken.
Ohne Freiheit habe
die Einheit weder Werth noch Bestand, eine Zwangseinigung könne man doch unmöglich als eine Vorstufe der Freiheit ansehen.
Graf Bismarck habe erklärt,
es käme darauf an, Preußens Hausmacht zu stärken.
Vom deutschen Stand-
punkt, vom Standpunkt der Freiheit aus, sei dies nicht zuzugeben. Dauere das gegenwärtige Syſtem fort , so werde sich bald die bisherige Zerſplitterung zur künftigen Einheit wie die Krankheit zum Tode verhalten.
Für Etats-Ueber-
schreitungen könne die Volksvertretung Idemnität ertheilen, für jahrelange budgetlose Regierung gebe es keine Indemnität, zumal wenn die Träger des Syſtems an der Regierung blieben.
Die ewigen Grundsäße des Rechtes und der Frei-
heit seien es allein, von denen die Wohlfahrt der Völker abhinge, nur im Dienste der Freiheit dürfe die nationale Fahne erhoben werden. Das Schicksal, welches mit den Sceptern der Könige, wie der kleine Knabe mit Spähnen spielt und sie zerbricht , wenn sie dürr geworden , hatte übrigens dem König Wilhelm I. einen Wunsch in Erfüllung gehen lassen, dem er 17 Jahre früher brieflichen Ausdruck gegeben, nämlich den : Preußen an die Spize Deutschlands kommen zu ſehen. Von großem Intereſſe war daher folgendes, von der in Berlin erscheinenden „ Post “ veröffentlichte Schreiben, welches der König als Prinz von Preußen im Jahre 1849 an einen pommerschen Edelmann gerichtet hatte.
32*
500
König Wilhelm als Prinz an einen pommerſchen Edelmann 1849. Berlin , 29. März 1849.
Jhr Schreiben vom 16. d. M. ist mir richtig
zugegangen, und erkenne ich aus demselben Ihre Anhänglichkeit an den König und sein Haus.
Wenn Sie sagen, daß die deutsche Einheitsidee auch in Pom-
mern Anklang findet und man die Annahme der deutschen Verfassung wünsche, wie sie aus der zweiten Lesung hervorgegangen ist, so bin ich von dem Wunsch jener Einheit ebenso durchdrungen, wie irgend Jemand.
Aber gerade darum
bin ich ganz entschieden gegen die Annahme jener Verfassung , und kann nur die Weisheit des Königs loben, daß er sie so, wie sie ist, nicht annahm . Ich ersuche Sie , die Personen , welchen Ranges und Standes sie sein mögen, die sich für die Annahme der Verfassung aussprechen, zu fragen, ob sie dieselbe Paragraph für Paragraph gelesen haben, und wenn dies geschehen, ob sie die Paragraphen genau geprüft haben und sich davon überzeugt halten, daß die Stellung, die man dem sogenannten Kaiſer gegeben hat, eine solche ist, die Macht und Kraft verleiht, um dem gesammten Deutschland zum Heile zu gereichen?
Eine solche Prüfung wird ergeben, daß alle Macht dem Parlament
gegeben ist und das Oberhaupt nur zum Schein beſteht , deſſen man ſich bei Gelegenheit entledigen kann, um zur Republik zu gelangen. Die Republikaner wissen sehr wohl, daß Preußen aus diesen Gründen die Krone ablehnte ; daher haben sie schon jezt die Maske abgeworfen und suchen sofort auf dem Wege der Empörung gleich zu erreichen, was ihnen sonst noch jahrelange Anstrengung gekostet hätte, sie aber sicherer zum Ziele führte, wenn sie ein Schattenbild von Kaiser geschaffen hätten. Dies kann nicht der Gang sein, den die treuen Pommern gehen wollen, und es kommt nur darauf an , ihnen dies Alles klar zu machen , statt nachzusprechen, was die Wühler erzählen.
In wenig Tagen wird der König sprechen,
und die, welche hören, sehen und verstehen wollen, werden ihn preisen für den Gang , den er
geht.
Die niederliegenden materiellen Intereſſen werden auf-
blühen, wenn Ordnung und Gesetz hergestellt ist ; das Ministerium, was Vertrauen und nicht Mißtrauen verdient, arbeitet unablässig an den Vorlagen dazu . Daher nur Muth gefaßt zum König, und Preußens Geschick wird sich erfüllen , d . h., es muß an die Spiße Deutschlands kommen, aber auf eine Art, die Dauer und Heil verspricht, und beides erreicht man nur durch Kraft und Consequenz, und indem man die Rechte Anderer berücksichtigt und schont, erhält man sich sein eigenes Recht.
Ihr Prinz von Preußen.
Fest zu Ehren der Herren v. Bismarck, v. Roon und v. Moltke in Berlin.
501
Man muß bekennen, daß eine Ahnung des großen Umschwunges , der im Jahre 1866 so überraschend schnell Preußen an die Epiße Deutschlands gebracht, aus diesem Schreiben spricht, und wer fann's leugnen, daß das Haus Hohenzollern seit seinem ersten Auftreten in Nürnberg von einem wahrhaft wunderbaren Glücksstern begleitet worden ist! In einer Metropole wie Berlin verhallt der Jubel nicht so leicht, die Berliner sind erfinderisch, wenn es gilt, etwas Ordentliches zu Stande zu bringen. Zu
diesem Zwecke war ein Fest zu
Ehren des
Ministerpräsidenten Grafen
Bismarck, des Kriegsministers General von Roon und des Chefs des Generalstabes der Armee, Freiherrn v. Moltke, in dem bekannten Eroll'schen Etabliſſement, veranstaltet worden, an dem sich circa 800 Personen betheiligten , unter denen alle Notabilitäten der Stadt vertreten waren, an deren Epiße der Oberbürgermeister Seydel stand. Der große Königssaal war feenhaft in prächtigſter Beleuchtung decorirt.
Mit Enthusiasmus wurden die drei Geladenen, von denen
der Generalstabschef Freiherr von Moltke im Berliner Volksmunde den Namen
der
Macher" davon getragen, empfangen, und ein fröhliches Fest folgte ihrem
Eintritt in das glänzende Gewühl.
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Ferderungen der preußischen Kriegspartei an Batern.
Berlin war damals der Punkt , in dem viele, viele Erwartungen sich gipfelten.
Die Friedensunterhändler von Baiern, Württemberg, Großherzogthum
Hessen-Darmstadt und Baden fanden sich daselbst ein.
Die baierische Gesandt-
schaft bestand aus dem Ministerchef Freiherrn v. d . Pfordten , dem außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am k. k. österreichischen Hofe, Geh. Legationsſecretär Baron Bibra, und Legationsſecretär von Niethammer ; die großherzoglich heſſiſch- darmstädtische Gesandtschaft: Freiherr von Dalwigk, der großherzogliche Ministerpräsident, Geheimer Legationsrath Hoffmann, und Gesandtschaftssecretär Jaide ; der badische Miniſter, Herr von Freydorf, erschien von mehreren hohen Beamten des Kriegs- und Finanzminiſteriums begleitet ; von Württemberg fanden sich ein die Minister v. Varnbüler und v. Hardegg. Manchem dieser Herren, welche recht eifrig den für die von ihnen vertretenen Länder von höchſt traurigen Reſultaten begleiteten Kriegsbrand geſchürt hatten, mochte es hart an's Herz gehen, mit dem Grafen Bismarck zu verkehren, welchen sie natürlich lieber als Friedesuchenden bei sich. gesehen hätten, indeß, „ Mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten "
sie mußten sich in
das Unvermeidliche fügen. Die Verhandlungen des Vertreters Baierns mit dem Grafen Bismarck waren im Ganzen von kurzer Dauer, hatten aber doch mehrere Stadien durchlaufen.
Anfänglich war die Situation für Baiern sehr ungünstig, die „Kriegs-
partei “ in Berlin beſtand auf ſehr ausgedehnte Abtretungen Baierns an Preußen ; es sollte dafür, daß es das preußische Reformproject zurückgewieſen, nicht blos finanziell büßen, sondern auch territorial der Art eingeengt werden , daß ihm ein Widerstand in der Zukunft unmöglich gemacht würde.
Man forderte die
Abtretung der Fürstenthümer Anspach und Baireuth, sowie Nürnbergs , Hofs u. s. w., desgleichen den nördlichen Theil von Unterfranken und den nördlichen Theil der Pfalz.
Dieser Lettere sollte als Entschädigung an das Großherzog-
thum Heſſen kommen für die von Preußen zu annectirende Provinz Oberheſſen. Gegen diese Forderungen legte Herr v. d . Pfordten energischen Proteſt ein, indem er erklärte, daß dadurch die Existenz des baierischen Staates geradezu gefährdet ſei und er, v . d . Pfordten, gegen einen solchen Gewaltstreich alle europäischen Mächte auffordern werde.
Graf Bismarck entgegnete ihm, daß Preußen
als Sieger dastehe und die Bedingungen vorschreiben könne, er für seine Person theile diese Ansicht jedoch nicht, aber diese Forderungen seien von der preußischen Kriegspartei aufgestellt worden.
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Forderungen der preußischen Kriegspartei an Baiern.
Von der Pfordten's Haltung war jedoch so entſchloſſener Art, daß man in Berlin es für zweckmäßig fand , die gemachten Ansprüche herabzumindern, und man hielt fortan nur fest an der Abtretung Hofs, Kulmbachs und Lichtenfels in Oberfranken, dann von der nördlichen Grenze Unterfrankens mit Gersfeld, Brückenau , Kiſſingen , Hammelburg und eines nördlichen Stückes von der Pfalz.
Minister v . d. Pfordten erklärte auch diese Friedensbedingungen für
unannehmbar und machte den Grafen Bismarck darauf aufmerkſam, daß, wenn Preußen überhaupt ein Süddeutschland noch wolle, es für Preußen nur ein Vortheil sein könne, wenn es Baiern solche Bedingungen seße, die es in die Möglichkeit verseßten, ſeine Selbſtſtändigkeit zu erhalten.
Graf Bismarck ge-
ſtand ihm zu, daß er selbst überzeugt ſei , daß vor der Hand , wenigstens für Preußen, noch nicht der geeignete Boden in Süddeutſchland eriſtire, weshalb er auch eine derartige Schwächung für unpolitisch halte ; er sehe sich jedoch noch nicht in der Lage, das Drängen der Kriegspartei zu paralyſiren.
Zu bemerken
ist, daß die Erklärung des Großherzogs von Hessen-Darmstadt, mittels
einer
Entschädigung durch baierisches Gebiet sich nicht bereichern zu wollen , als Ursache anzusehen ist, daß Preußen seine etwas starken Gebietsforderungen an Baiern herabminderte. Und wieder kam der fortgesetten baieriſchen Weigerung, auf die geminderten preußischen Friedensbedingungen
einzugehen , etwas Unerwartetes zu
Hilfe, und das war die Compenſationsforderung Frankreichs an Preußen, die schon im Vorstehenden ausführlich erwähnt ist.
Plöglich wurde man in Berlin
entgegenkommender gegen Baiern, man hatte damals weder eine Kriegsentſchädigung noch Gebietsabtretung im Sinne, ja , es verlautete sogar die Nachricht, daß Preußen mit Baiern einen Allianzvertrag abschließen wolle, welcher die preußischen Forderungen gegen die Zuſage Baierns , in Kriegsfällen Preußen 100,000 Mann zu Hilfe zu stellen, noch weiter verminderte. Aber plöglich ſank dieſe günſtige Stimmung Preußens für Baiern , als der franzöſiſche Gesandte, Herr Benedetti, aus Paris an den Berliner Hof zurückkehrte und die Nachricht überbrachte, daß Kaiser Napoleon gar nicht daran denke, kriegerisch gegen Preußen vorzugehen. Im Nu war die preußische Kriegspartei wieder im alten Fahrwasser und Baiern gegenüber wurden die früheren Forderungen auf's Neue beliebt.
Herr v. d . Pfordten sette denselben entſchie-
densten Widerstand entgegen ; jedoch ohne Graf Bismarck's Unterstüßung, welcher der Kriegspartei gegenüber die baierischen Interessen energisch vertrat , würde
504
Preußenhaß in Baiera.
keine Abminderung der preußischen Forderungen zu Stande gekommen sein, wie sie endlich doch zu Stande gebracht wurden. Man einigte sich zulezt dahin, daß Baiern 30 Millionen Gulden zahle anfänglich hatte man außer der bedeutenden Forderung abzutretender Gebiete 15 Millionen zahlen sollen
und zur Grenzberichtigung durch Abtretung
einiger Orte in Unterfranken, nämlich das Bezirksamt Gersfeld mit den Landgerichten Weyhers und Hilders und das Bezirksamt Orb sich verstehe, was denn auch stipulirt wurde.
Wir glauben nicht, daß Baiern den Verlust von Gers--
feld und Orb ſehr zu beklagen hat , denn als die preußiſchen Comiſſare am 8. Januar 1867 das Amt Gersfeld und am 14. Januar, sechs Tage später, Orb übernahmen , zeigten die Gersfelder und Orber sehr loyale Kundgebungen für die neue Herrschaft.
Besonders in Gersfeld, einem Städtchen von 1600 Ein-
wohnern, wurde der Anschluß an Preußen festlich begangen.
Auf allen Straßen
und Wegen paradirten schwarz-weiße Fahnen und Abends fand ein solenner Fackelzug der Bürgerschaft statt. wurde am 22. August
Der Frieden zwischen Preußen und Baiern
abgeschlossen.
Die von Baiern abgetretenen Gebiete
ſollen eine nicht ganz mit 40,000 sich beziffernde Einwohnerzahl haben. Man kann sich wohl denken , licher Stimmung sich befanden.
daß die Baiern
in
keineswegs fröh-
Was die niederen Schichten des baierischen
Volkes anlangt, so warfen diese einen tödtlichen Haß auf Alles , was preußiſch hieß, und die Führer des baierischen Armeecorps bekamen alle möglichen Titel, nur keine, auf die sie stolz sein konnten.
Fenstereinwerfen und derleichen Bru-
talitäten gehörten unter die Auszeichnungen , mit welchen sie bedacht wurden. In Volksversammlungen wurde eine so derbe Sprache geführt , daß es der baierischen Regierung , wie man zu sagen pflegt , wie Glocken in den Chren flingen mußte.
Das baierische Militär hegte keine andere Stimmung, und alle
die schmählichen Reibungen, welche zwischen den baierischen und preußiſchen Soldaten vorkamen, waren folgerechte Auswüchse des Hasses, den die baieriſchen Truppen nicht gegen ihre Offiziere auslaſſen durften. Der höchste Grad von Unmuth aber bemächtigte sich des Volkes und der Armee, als es zur öffentlichen Kenntniß kam, daß die baierische Regierung dem preußischen Miniſterpräſidenten liehen habe.
Grafen Bismarck den St. Hubertusorden ver-
Der „ Nürnberger Norddeutsche Correspondent" sprach sich über
dieſe Ordensverleihung ſehr deutlich in folgenden Worten aus : „ Welcher Orden dem baieriſchen Miniſter gebührte , der eine solche Decoration empfohlen, oder,
Friedensschlüsse zwis hen Preußen, Württemberg, Baden und Desterreich.
505
ohne sein Portefeuille daran zu sehen, zugelassen hätte, wollen wir nicht sagen ; das Rohmaterial dazu wächst aber im Lande des General-Commandanten des 2. preußischen Reſerve-Corps (das wegen der
strafe bekannte Meklenburg). “
Was die Friedensabſchlüſſe zwiſchen Preußen, Württemberg und Baden anlangt, so haben dieſe keinen langen Zeitaufenthalt beansprucht. Württemberg verpflichtete sich zur Zahlung von 8 Millionen Gulden, wovon 400,000 Gulden als Erfaß für die Beſeßung von Hohenzollern gerechnet wurden.
Besagte 8 Millionen ſollten binnen 2 Monaten entrichtet werden und
in selber Frist auch die Zurückziehung preußischer Truppen von württembergischen Gebiete bewerkstelligt werden.
Die übrigen Friedensartikel - es waren im
Ganzen blos 9 — bezogen sich auf die Auseinanderſeßung der durch den deutschen Bund begründeten Eigenthumsrechte , auf Württembergs Verbleiben im Zollverein mit sechsmonatlicher Kündigung, und auf die Vereinbarung von Normen in Bezug auf den Eisenbahnverkehr. Der Friedensvertrag mit Baden enthielt dieselben Punkte, nur mit dem Unterſchiede, daß Baden blos 6 Millionen Gulden Kriegsentſchädigung zu zahlen hatte.
Beide Friedensabſchlüſſe waren dem baieriſchen vorhergegangen. Acht oder neun Monate später, gleich darauf, als der kleine Preußen-
fresser Thiers im gefeßgebenden Körper zu Paris eine fulminante Rede losgelaſſen hatte, deren Inhalt nur darauf berechnet war, die ohne alle Compenſationen abgefallenen Franzosen gegen Preußzen aufzuſtacheln, ereignete ſich nicht nur für die Herren Franzosen, ſondern auch für Deutſchland eine Ueberraſchung ohne Gleichen.
Von Württemberg, Baden und Baiern wurde ein im Monat Auguſt
1866 mit Preußen abgeschlossenes Schuß- und Trußbündniß veröffentlicht.
Der-
gleichen hatte Niemand erwartet , das fiel wie ein Bliz aus heiterem Himmel und war ein Nachspiel, das Manchen stark confuſe machte ; aber es blieb eine . Wahrheit, die sich nicht hinwegdisputiren ließ und viel Aehnlichkeit mit einem Rosenstrauch hatte, deſſen Dornen sehr zu respectiren sind und vom unzeitigen Rosenbrechen zurückschrecken. Mit Hessen-Darmstadt wollte die Verständigung nicht so leicht in's rechte Gleis kommen. einbart.
Eher ward der Friede zwiſchen Preußen und Oesterreich ver-
In der Mitternachtsstunde zum 23. Auguſt wurde derselbe von den
von Preußen und Desterreich zur Ausarbeitung des Friedenzwerkes in Prag sich aufhaltenden Bevollmächtigten unterzeichnet.
506
Unterzeichnung des preußisch-österreichischen Friedensvertrages.
Der Wortlaut des vereinbarten Friedens ist folgender : Im Namen der allerheiligsten und untheilbaren Dreieinigkeit. Se. Majestät der König von Preußen und Se. Majestät der Kaiser von Desterreich, beseelt von dem Wunsche, Ihren Ländern die Wohlthaten des Friedens wiederzugeben, haben beschlossen, die zu Nikolsburg
am 26. Juli 1866
unterzeichneten Präliminarien in einen definitiven Friedensvertrag umzugestalten. Zu diesem Ende haben Ihre Majeſtäten zu Ihren Bevollmächtigten ernannt und zwar: Se. Majestät der König von Preußen Ihren Kammerherrn , Wirklichen Geheimen Rath und Bevollmächtigten, Carl Freiherrn v. Werther, Großkreuz des königlich preußischen Rothen-Adler-Ordens mit Eichenlaub und des kaiserlich österreichischen Leopold-Ordens 2c., und Se. Majestät der Kaiser von Desterreich Ihren Wirklichen Geheimen Rath und Kämmerer, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Adolph Maria Freiherrn v . BrennerFelsach, Commandeur des kaiserlich österreichischen Leopold-Ordens und Ritter des königlich preußischen Rothen-Adler-Ordens erster Klasse 2c., welche in Prag zu einer Conferenz zusammengetreten sind und nach Auswechselung ihrer in guter und richtiger Form befundenen Vollmachten über nachstehende Artikel sich vereinigt haben.
Preußisch österreichischer Friedensvertrag.
Art. 1.
507
Es soll in Zukunft und für beständig Friede und Freundschaft
zwischen Er. Majestät dem Könige von Preußen und Sr. Majeſtät dem Kaiſer von Desterreich, sowie zwischen Deren Erben und Nachkommen und den beiderseitigen Staaten und Unterthanen herrschen. Art. 2.
Behufs Ausführung des Artikels 6 der in Nikolsburg am 26.
Juli dieses Jahres abgeſchloſſenen Friedens - Präliminarien, und nachdem Se. Majestät der Kaiſer der Franzosen durch Seinen bei Sr. Majeſtät dem Könige von Preußen beglaubigten Botschafter amtlich zu Nikolsburg am 29. Juli ejusdem hat erklären lassen : „ Qu'en ce qui concerne le Gouvernement de l'Empereur, la Venetie est acquise a l'Italie pour lui être remise a la paix " - tritt Se. Majestät der Kaiser von Desterreich dieser Erklärung auch Seiner Seits bei und giebt Seine Zuſtimmung zu der Vereinigung des lombardo-venetianiſchen Königreichs mit dem Königreich Italien ohne andere lästige Bedingung , als die Liquidirung derjenigen Schulden, welche, als auf den abgetretenen Landestheilen haftend, werden anerkannt werden, in Uebereinstimmung mit dem Vorgange des Tractats von Zürich. Art. 3. Die Kriegsgefangenen werden beiderseits ſofort freigegeben werden. Art. 4. Se. Majestät der Kaiser von Desterreich erkennt die Auflöſung des bisherigen deutschen Bundes an und giebt Seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands
ohne Betheiligung des österreichischen Kaiserstaates.
Eben so verspricht Se. Majeſtät , das engere Bundesverhältniß anzuerkennen, welches Se. Majestät der König von Preußen nördlich von der Linie des Mains begründen wird, und erklärt Sich damit einverstanden, daß die südlich von dieser Linie gelegenen deutſchen Staaten in einen Verein zuſammentreten, deſſen nationale Verbindung mit dem norddeutſchen Bunde der näheren Verständigung zwischen Beiden vorbehalten bleibt und der eine internationale unabhängige Existenz haben wird. Art. 5.
Se. Majestät der Kaiser von Desterreich überträgt auf Se.
Majestät den König von Preußen alle Seine im Wiener Frieden vom 30. October 1864 erworbenen Rechte auf die Herzogthümer Holstein und Schleswig mit der Maßgabe, daß die Bevölkerungen der nördlichen Districte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen geben, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden ſollen. Art. 6.
Auf den Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Desterreich er-
klärt Se. Majestät der König von Preußen Sich bereit, bei den bevorstehenden
508
Preußisch-österreichischer Friedensvertrag.
Veränderungen in Deutschland den gegenwärtigen Territorialbestand des Königreichs Sachſen in seinem bisherigen Umfange beſtehen zu laſſen, indem Er Sich dagegen vorbehält, den Beitrag Sachſens zu den Kriegskosten und die künftige Stellung des Königreichs Sachsen innerhalb des norddeutschen Bundes durch einen mit Sr. Mäjeſtät dem Könige von Sachſen abzuſchließenden Friedensvertrag näher zu regeln.
Dagegen verspricht Se. Majestät der Kaiser von Deſter-
reich, die von Sr. Majestät dem Könige von Preußen in Norddeutſchland herzustellenden neuen Einrichtungen , einschließlich der Territorial-Veränderungen, anzuerkennen. Art. 7.
Behufs Auseinanderſeßung über das bisherige Bundeseigenthum
wird binnen längstens 6 Wochen nach Ratification des gegenwärtigen Vertrages eine Commission zu Frankfurt a. M. zusammentreten , bei welcher sämmtliche Forderungen und Ansprüche an den deutschen Bund anzumelden und binnen 6 Monaten zu liquidiren sind.
Preußen und Desterreich werden sich in dieser
Commiſſion vertreten laſſen, und es steht allen übrigen bisherigen Bundesregierungen zu, ein Gleiches zu thun. Art. 8.
Desterreich bleibt berechtigt, aus den Bundesfeſtumgen das kai-
serliche Eigenthum, und von dem beweglichen Bundeseigenthum den matrikularmäßigen Antheil Deſterreichs fortzuführen oder ſonſt darüber zu verfügen ; dasſelbe gilt von dem gesammten beweglichen Vermögen des Bundes. Art. 9.
Den etatsmäßigen Beamten, Dienern und Penſioniſten des Bun-
des werden die ihnen gebührenden, beziehungsweise bereits bewilligten Pensionen pro rata der Matrikel zugesichert ; jedoch übernimmt die königlich preußische Regierung die bisher aus der Bundesmatrikularkaſſe beſtrittenen Pensionen und Unterſtüßungen für Offiziere der vormaligen schleswig-holſteinſchen Armee und deren Hinterlassene.
Art. 10.
Der Bezug der von der kaiserlich österreichischen Statthalter-
schaft in Holstein zugesicherten Pensionen bleibt den Interessenten bewilligt. Die noch im Gewahrsam der kaiserlich österreichischen Regierung befindliche Summe von 449,500 Thalern dänischer Reichsmünze in vierprocentigen dänischen Staatsobligationen, welche den holsteinschen Finanzen angehört, wird denselben unmittelbar nach der Ratification des gegenwärtigen Vertrages zurückerſtattet. Kein Angehöriger der Herzogthümer Holstein und Schleswig, und kein Unterthan Ihrer Majestäten des Königs von Preußen und des Kaisers von Desterreich wird wegen seines politiſchen Verhaltens während der lezten Ereig-
509
Preußisch-österreichischer Friedensvertrag.
nisse und des Krieges verfolgt , beunruhigt oder in seiner Person oder seinem Eigenthum beanstandet werden . Art. 11.
Se. Majestät der Kaiser von Desterreich verpflichtet Sich, Be-
hufs Deckung eines Theiles der für Preußen aus dem Kriege erwachsenen Kosten, an Se. Majeſtät den König von Preußen die Summe von 40 Millionen preußischer Thaler zu zahlen.
Von dieser Summe soll jedoch der Betrag der Kriegs-
kosten, welche Se. Majestät der Kaiser von Desterreich laut Artikel 12 des gedachten Wiener Friedens vom 30. October 1864 noch an die Herzogthümer Schleswig und Holſtein zu fordern hat, mit 15 Millionen preußischer Thaler, und als Aequivalent der freien Verpflegung , welche die preußische Armee bis zum Friedensſchluſſe in den von ihr occupirten österreichischen Landestheilen haben wird, mit 5 Millionen preußischer Thaler in Abzug gebracht werden, so daß nur 20 Millionen preußischer Thaler baar zu zahlen bleiben.
Die Hälfte dieſer
Summe wird gleichzeitig mit dem Austauſch der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages, die zweite Hälfte dieſer Summe drei Wochen später zu Oppeln baar berichtigt werden. Art. 12.
Die Räumung der von den königlich preußischen Truppen be-
sezten österreichischen Territorien wird innerhalb drei Wochen nach dem Austausch der Ratificationen des Friedensvertrages vollzogen sein.
Von dem Tage
des Ratificationsaustauſches an werden die preußiſchen General-Gouvernements ihre Functionen auf den rein militärischen Wirkungskreis beschränken.
Die be-
sonderen Bestimmungen, nach welchen diese Räumung stattzufinden hat, sind in einem abgesonderten Protokolle festgestellt, welches eine Beilage des gegenwärtigen Vertrages bildet. Art. 13.
Alle zwischen den hohen vertragschließenden Theilen vor dem
Kriege abgeschlossenen Verträge und Uebereinkünfte werden , insofern dieselben nicht ihrer Natur nach durch die Auflösung des deutschen Bundesverhältnisses ihre Wirkung verlieren müſſen, hiermit neuerdings in Kraft gefeßt.
Insbesondere
wird die allgemeine Cartell - Convention zwischen den deutschen Bundesstaaten vom 10. Februar 1831, sammt den dazu gehörigen Nachtragsbestimmungen, ihre Giltigkeit zwischen Preußen und Desterreich behalten. Jedoch erklärt die kaiserlich österreichische Regierung, daß der am 24. Januar 1857 abgeschlossene Münzvertrag durch die Auflösung des deutschen Bundesverhältnisses seinen wesentlichsten Werth für Desterreich verliere, und die königlich preußische Regierung erklärt sich bereit, in Verhandlungen wegen Aufhebung
510
Protokoll zum preußziſch-österreichischen Friedensvertrage.
dieſes Vertrages mit Deſterreich und den übrigen Theilnehmern an denselben einzutreten.
Desgleichen behalten die hohen Contrahenten sich vor , über eine
Revision des Handels- und Zollvertrages vom 11. April 1865, im Sinne einer größeren Erleichterung des gegenseitigen Verkehrs, so bald als möglich in Verhandlung zu treten.
Einstweilen soll der gedachte Vertrag mit der Maßgabe
wieder in Kraft treten, daß jedem der hohen Contrahenten vorbehalten bleibt, denselben nach einer Ankündigung von sechs Monaten außer Wirksamkeit treten zu laſſen. Art. 14.
Die Ratificationen des Vertrages sollen zu Prag binnen einer
Frist von acht Tagen, oder wenn möglich früher ausgewechselt werden. Urkund dessen haben die betreffenden Bevollmächtigten gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und mit dem Insiegel ihrer Wappen versehen. So geschehen in Prag am dreiundzwanzigsten Tage des Monats Auguſt im Jahre des Heils Achtzehnhundertſechsundsechzig.
(L. S.)
gez. Werther.
(L. S.)
gez. Brenner.
Protokoll , betreffend die Auslieferung der Kriegsgefangenen und die Räumung des kaiserlich königlich österreichiſchen Territoriums durch die königlich preußischen Truppen. Zur Ausführung der Artikel 3 und 12 des am heutigen Tage geſchloſſenen Friedensvertrages sind die hohen Contrahenten über folgende Bestimmungen übereingekommen : 1.
Am dritten Tage nach der Ratification des Vertrages werden in
Desterreichisch-Oderberg (Bahnhof) sämmtliche königlich preußische Kriegsgefangene, und von demselben Tage ab ebenda die kaiſerlich königlich öſterreichiſchen Kriegsgefangenen in Echelons von ungefähr 1000 Mann ausgeliefert, die sich in den nächsten Tagen (nicht mehr als 6 Echelons innerhalb 24 Stunden) folgen. 2.
Die in den böhmischen Festungen und in Clmüß vorhandenen könig-
lich preußischen Kriegsgefangenen werden, sobald die Nachricht von der Ratification dieses Vertrages in den Festungen anlangt, an den der Festung nächſten königlich preußischen Truppentheil übergeben werden.
3.
Von beiden Armeen werden in Desterreichisch-Oderberg Commissarien
ſtationirt, welche die Auslieferung, so weit sie in Oderberg stattfindet, besorgen und den Eisenbahn-Transport von Oderberg nach Süden gemeinſam feſtſtellen.
Protokoll zum preußisch-österreichischen Friedensvertrage.
511
Kaiserlich königlich österreichischer Seits wird in Desterreichisch-Oderberg ein Truppencommando von ungefähr 200 Mann zum Zweck der Uebernahme und Verpflegung ſtationirt werden. 4.
Nicht transportfähige, kranke Kriegsgefangene verbleiben in den beider-
seitigen Lazarethen unter der für die eigenen Truppen reglementsmäßigen Behandlung und Verpflegung , bis ihre Auslieferung in Oderberg möglich wird . 5.
Die aus der Krankenverpflegung der zurückbleibenden Kriegsgefange-
nen vom dritten Tage nach der Ratification ab erwachsenden Kosten werden beiderseits nach den in beiden Armeen reglementsmäßigen Lazareth-VerpflegungsSäßen liquidirt und erstattet. 6.
Zur Ausführung der binnen drei Wochen nach der Ratification dieſes
Vertrages zu bewirkenden Räumung des kaiserlich königlich österreichischen Territoriums wird königlich preußischer Seits der Landstrich südlich der Linie Napajedl-Brünn Jglau-Tabor (ausschließlich der genannten Orte) am 7. Tage, und am 15. Tage nach der Ratification alles Land geräumt sein, welches südlich der Eiſenbahnlinie Pilsen-Prag-Littau und weiter einer geraden Linie von Littau bis zur Mündung der Oppa in die Oder liegt.
Zur möglichen Beschleunigung
dieſer Räumung wird königlich preußiſcher Seits bereits die Zeit zwiſchen Unterzeichnung und Ratification dieses Vertrages zu vorbereitenden Maßregeln benußt werden. 7.
Die kaiserlich königlich österreichischen Truppen werden während der
Räumungsfristen bei der Wiederbeseßung des Landes im Abstande von drei Meilen von der Queue des Nachrückens auf jeder Marschlinie bleiben, jedoch wird dies der Verständigung der beiderseitigen Befehlshaber überlassen. 8.
Die Benutzung der über Pilsen nach dem Königreich Baiern führen-
den Bahnlinie wird kaiserlich königlich österreichiſcher Seits für die königlich preußischen Militär-Transporte Behufs Räumung Böhmens zugestanden. 9.
Der königlich preußischen Armee verbleibt während der Räumungs-
fristen die uneingeschränkte Verfügung über die in ihrem Beseßungs-Rayon liegenden Eisenbahnlinien zum Rücktransport von Truppen und Kriegsmaterial, unter Anwendung des am 17. August d. J. endgiltig festgestellten Uebereinkommens, d. d . Brünn, den 1. August c.
Als Grundsatz wird festgehalten, daß
auch während der Räumung auf allen Eiſenbahnlinien täglich ein Zug in jeder Richtung für den öffentlichen Verkehr beſtehen bleibt ; nur unvorhergeſehene Stö-
512
Protokoll zum preußisch-österreichischen Friedensvertrage.
rungen der Militär-Transporte könnten für den betreffenden Tag eine Außerkraftſegung dieses Grundsaßes rechtfertigen. 10.
Von dem auf die Ratificationen folgenden Tage ab übernimmt die
königlich preußische Regierung alle Kosten der Verpflegung für die königlich preußischen Truppen, welche dagegen in den von ihnen besetzten Territorien freies Quartier ohne Verpflegung erhalten. Den für die königlich preußischen Truppen erforderlichen Vorſpann ſind die Ortsbehörden verpflichtet zu gestellen, wofür von den Truppen baare Vergütung nach dem kaiserlich königlich österreichischen , jezt giltigen VorspannsNormale sofort zu erfolgen hat.
Dieses Normale ist im Besiz der Landes-
und Ortsbehörden. 11.
Die nicht transportfähigen Kranken der königlich preußischen Armee
verbleiben in den Militär-Lazarethen, resp . Orts-Kranken-Anstalten, so weit erforderlich unter Aufsicht und Behandlung königlich preußischer Militärärzte. Die kaiserlich königliche österreichiſche Regierung verspricht, für die ſorgsamste Behandlung der Zurückgebliebenen Veranſtaltung zu treffen, ſowie daß den zur Krankenpflege nöthigen Requiſitionen der Aerzte nach Thunlichkeit entsprochen werde. 12.
Die königlich preußischen Armee-Commandos werden noch vor der
Räumung den kaiſerlich königlichen Statthalterſchaften von Böhmen, resp. Mähren und Schlesien, durch Vermittelung der königlich preußischen General-Gouvernements in Prag, resp . Brünn , ein Verzeichniß
der zurückzulassenden Kranken,
unter Angabe des Ortes, wo dieſelben liegen, zugehen laſſen. 13.
Behufs Uebergabe der Lazarethe in Brünn, Prag , Pardubiß und
Königinhof werden am Tage der Räumung dieser Städte an den genannten Orten Commiſſare der beiderseitigen Armeen zuſammentreten und unter Aufnahme eines Protokolls die Uebergabe vollziehen. 14.
Die für die Kranken erwachſenden Verpflegungskosten werden Sei-
tens der königlich preußischen Regierung nach den für die kaiserlich königlich österreichischen Truppen feststehenden Reglements auf erfolgende Liquidation un gesäumt erstattet werden .
Prag, den 23. August 1866.
gez. Werther.
gez. Brenner.
513
Eisenbahn-Projecte.
Erklärung. Die Regierungen von Preußen und Desterreich, von dem Wunsche geleitet, die Eisenbahnverbindungen zwiſchen ihren beiderseitigen Gebieten zu vermehren, haben aus Anlaß der Friedensverhandlungen die unterzeichneten Bevollmächtigten beauftragt, nachstehende Erklärung abzugeben , welche am heutigen. Tage in doppelter Ausfertigung unterzeichnet und ausgewechselt wurde. 1.
Die königlich preußische Regierung verpflichtet sich, die Herstellung
einer Eisenbahn von einem geeigneten Punkte der schlesischen Gebirgsbahn bei Landshut nach der österreichischen Grenze bei Liebau, in der Richtung auf Schadowiß, zuzulaſſen und zu fördern, wogegen die kaiſerlich öſterreichiſche Regierung ihrerseits die Herſtellung einer Eiſenbahn von einem geeigneten Punkte der PragBrünner Eisenbahn bei Wildenschwert bis zur preußischen Grenze bei Mittenwalde, in der Richtung auf Glaß, in gleicher Weiſe geſtatten und fördern wird. 2.
Die kaiserlich österreichische Regierung wird, wenn die königlich preu-
ßische es in ihrem Intereſſe finden sollte, die Führung der ſchleſiſchen Gebirgsbahn nach Glaß über Braunau gestatten, ohne eine Einwirkung auf die Leitung des Betriebes der in ihrem Gebiete gelegenen Strecke dieſer Bahn in Anspruch zu nehmen, wobei jedoch die Ausübung aller Hoheitsrechte vorbehalten bleibt. 3. Die zur Ausführung dieſer Eiſenbahnen erforderlichen Einzelbeſtimmun= gen werden in einem besonderen Staatsvertrage zusammengefaßt werden , zu welchem Behufe Bevollmächtigte beider Regierungen in kürzester Frist an einem noch näher zu vereinbarenden Orte zuſammentreten werden. Prag, den 23. August 1866 .
gez . Werther .
gez. Brenner .
Preußische Männer .
Der Friede bildet unter den Segnungen und Wohlthaten für die Menschheit die einzige Hauptstüße, auf der sich allein eine wahre Glückseligkeit der Völker auferbauen läßt.
Im Frieden gedeiht Handel und Wandel, der Fortschritt in
Künſten und Wiſſenſchaften ist unbezweifelt, alle Tugenden, welche die Völker als besondere Merkmale ihrer verschiedenen Stammesart an sich oder vielmehr 33
514
Der bewaffnete Friede.
in sich tragen, treten sichtbar hervor , gleich den Strahlen der jungen, die aus den Thälern aufsteigenden Dunstgebilde fiegreich durchbrechenden Morgenſonne. Der Friede ist der Schöpfer eines Glückes, das wie die Luft nicht Einem allein zukommt, sondern Allen ; der Friede verklärt das Menschengemüth, der Friede heiligt die Völker eben so sehr, wie der Krieg sie verwildert, ihnen tiefe Wunden schlägt und großes Unglück über sie bringt, das nicht selten die erſte Stufe zu ihrem Untergange zu sein pflegt.
Die verschwundenen großen Reiche der
Vorzeit lehren die Wehethaten , welche der Krieg nicht nur für die Besiegten, ſondern auch für die Sieger herbeiführte.
Beide Theile gingen unter ,
jezt
kennt man nur noch ihre Namen und die Ruinen ihrer Prachtstädte, traurige Ueberbleibsel aus glänzenden aber unglücklichen Zeiten, wo eben nur der Stärkere der Herr war und Recht hatte. Nun giebt es aber ein Mittelding zwiſchen Krieg und Friede , das viel Aehnlichkeit mit einer langsamen Abzehrung hat und den Wohlstand der Völker aufreibt, und dies Mittelding, dieser Fegefeuer-Zustand ist der bewaffnete Friede. -Man erzählt, daß Menſchen, die an den Genuß von Arſenik (natürlich in kleinen Portionen) sich gewöhnt haben, sehr geſund, rothwangig und kräftig im Aeußeren anzusehen ſeien, jedoch bei der geringsten ernstlichen Erkrankung in der Regel elend hinsterben.
Der bewaffnete Friede ist nicht viel besser als Arsenik, ſchein-
bar wohl befindet sich das Volk dabei , aber in schlechter Zeit, in Prüfungsperioden, kommt's zu Tage, daß der bewaffnete Friede einen Theil seiner Kraft schon im Voraus verzehrt und die Verarmung vorbereitet hat. Europa ist mit der Wehethat des bewaffneten Friedens belastet.
Dieser Krebsschaden ist tief
bei allen Völkern unseres Erdtheiles eingefressen und daher ein allgemeines Unglück.
Fragen wir : Was kostet der bewaffnete Friede ? Dieſe inhalts-
schwere Frage beantwortete ein großes , durch seine gediegenen Artikel berühmtes, national-ökonomisches Blatt durch folgende Berechnung:
"/ Nach Schäßungen , welche in Wirklichkeit eher zu niedrig, als zu hoch gegriffen sind , unterhält Europa in Friedenszeiten einen Effectivbestand von 3,815,847 Mann und verzeichnet dafür als Ausgabepoſten in seinem Budget eine Summe von drei und einer halben Milliarde *) oder 32 Procent seiner Gesammtausgaben, um die Bedürfnisse dieses colossalen Heeres bestreiten zu können.
Wir wollen nun aber für einen Augenblick annehmen , es käme
*) Eine Milliarde beträgt 1000 Millionen.
515
Der bewaffnete Friede.
durch gegenseitiges Einverständniß der betheiligten Mächte zu einer Entwaffnung bis zur Hälfte. Hierdurch würden augenblicklich 1,907,294 junge Männer im Alter von 20-35 Jahren, somit der Hauptfern der Bevölkerungen, den Beschäftigungen des Friedens zurückgegeben und gleichzeitig an der Gesammtheit der europäischen Staatsausgaben die respectable Summe von 1 Milliarde 600 Millionen erspart werden. „Vermittelst dieser Summe kann Europa jährlich sein Eisenbahnnetz (den Kilometer zu 150,000 Francs berechnet) um 10,000 Kilometer vermehren, es vermag ferner in einem einzigen Jahre alle möglichen Gattungen von Landstraßen herzustellen und nebenbei auch noch alle seine Gemeinden mit Primärſchulen zu versehen.
Sind diese großen Verbesserungen einmal eingeführt, und
wenn Europa stets die gleiche Summe in seinem Budget beibehalten will, fo kann es dieselbe zur allmählichen Tilgung seiner Schuld verwenden. Das jährliche Interesse nach heutigem Datum betrüge ungefähr 21½ Milliarden, und dieſes Interesse zu dem mittleren Zinsfuß von 4 Procent capitalisirt, würde ein Capital von 572 Milliarden ergeben, somit (und wenn man auch nur allein die aufgehäuften Zinsen in Rechnung bringen will) könnte die Schuld ungefähr innerhalb 36 Jahren getilgt sein.
Wenn die betheiligten Länder aber sich da-
hin aussprechen würden , dieſe 1600 Millionen zur Abſchaffung oder Verminderung jener Steuern zu verwenden, welche am härtesten auf der Erzeugung oder dem Verbrauch lasten , welche Erleichterung wäre dies nicht für die Bevölkerungen ! Welcher neue Aufschwung würde hierdurch den Gewerben!? „ Wir haben oben bereits gesagt, daß 1,907,294 im besten Alter ſtehende Männer sich friedlicher Beschäftigung überlassen könnten.
Dieser glückliche Um-
stand würde nebenbei für Europa noch eine weitere Ursache des Gedeihens werden.
Wenn man den täglichen Arbeitslohn dieser 2 Millionen Arbeiter auch
nur zu 2 Francs pro Mann veranschlagt und dabei
annähernd zu Grunde
legt, daß der bezahlte Arbeitslohn ungefähr den fünften Theil des erzeugten Werthes ausmacht , alsdann würde diese fortan unter dem Banner der Arbeit kämpfende Friedensarmee einen täglichen Werth von 20 Millionen und jährlich von 712 Milliarden erzeugen.
Wir sind aber noch nicht zu Ende.
Eine be
deutende Anzahl von Capitalien, welche heute zur Fabrikation der nöthigen Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände
dieser 2 Millionen Menschen dienen,
würde fortan disponibel und könnte zu andern, weit nüßlicheren Zweigen der Industrie verwendet werden.
Dadurch, daß 2 Millionen junger Leute an 33*
516
Der bewaffnete Friede.
ihrem heimathlichen Herde verbleiben , würde mindestens in der Anfangszeit die Wirkung sich ergeben, daß eine ziemliche Herabſeßung des Arbeitslohnes einträte und hierdurch der Erzeugung aller Art und
aller Formen ein mächtiger
Aufschwung verliehen würde. „Indem wir für einen Augenblick die wirthschaftlichen Erwägungen in zweite Reihe treten laſſen, weisen wir auch noch vorzugsweise auf den Vortheil hin, welcher dem Lande dadurch erwächst, daß
eine bedeutende Anzahl Er-
wachsener an Arbeitſamkeit und wirthschaftliches Leben gewöhnt werden, anſtatt jenes Schlaraffenleben zu führen, zu welchem sie heute der Garnisonsdienst mit seinen traurigen Folgen verdammt.
Schließlich weisen wir auch noch auf das
Intereſſe der Ordnung und öffentlichen Sittlichkeit hin, welche durch die Erhaltung der Familienbande gesichert ſind, aber während der Abwesenheit mehr oder minder vollständig Noth leiden ; denn eine ſechsjährige Entfernung vom Elternhauſe kann jedenfalls nur entfremdend wirken. “ Ob dereinst der schöne Entschluß, die Völker von dem ungeheuern Steuerndruck durch Entwaffnung mindestens von der Hälfte der stehenden Kriegsheere zu befreien, zur Reife kommen wird, ist natürlich nicht zu sagen, vor der Hand aber nicht einmal zu hoffen , denn wie Venedig auf Pfählen gebaut iſt, ſo die Fürstenmacht unserer Zeit auf Bajonette, welche nicht etwa blos nach Außen, sondern, und das ist des Pudels Kern, auch trefflichst nach Innen zu verwenden sind.
Dieser bewaffnete Friede ist somit im Katechismus der Politik nicht unter
die sieben Todtsünden zu zählen, sondern unter die Tugenden, und welcher Fürſt sollte sich nicht solcher Tugend befleißigen wollen ? Desterreich hat den Unstern, sich in der numerischen Streitmacht Preußens stark verrechnet zu haben, sehr hart gebüßt. Folgendes wird als Beleg dienen, was die letzte Stande war :
preußische
Mobilmachung
als
Ergebniß herauszustellen
im
„Im Verlauf der lezten Mobilmachung von Preußen sind 534½ Bataillone aufgestellt worden, und die Errichtung von noch ferneren 38 LandwehrErsay-Bataillonen war außerdem eben im Begriff, ausgeführt zu werden, scheint jedoch durch den raſchen Abſchlußz des Krieges sistirt worden zu sein.
Unmit-
telbar in erster Reihe sind davon zur Verwendung vor den Feind gelangt die sämmtlichen Garde- und Linien , wie etwa 40-80 Landwehr-Bataillone des ersten Aufgebots.
Demnächst in den lezten Abschnitten des kurzen Kampfes
auch noch die 81 ersten Ersatz- oder vierten Bataillone.
Der Rest der Land-
Die preußische Mobilmachung.
517
wehr des ersten Aufgebots ist nur zu Besaßungszwecken, namentlich auf feindlichem Gebiet, im Gefolge der eigentlich activen Streitkräfte zur Verwendung gelangt; die heimathlichen Garniſonen und Besaßungen sind dagegen in der Hauptsache von den neuen Erſaß- oder fünften Bataillonen übernommen worden . „Zur Bildung derselben wurden von den vierten Bataillonen , welche durchgängig nur mit 800 Mann in's Feld gerückt sind , je Stämme von 200 Mann zurückgelassen, welche dann mit 300 Mann der Landwehr des zweiten Aufgebotes und 500 Mann Erſaß-Reſerve wieder zu neuen Bataillonen à 1000 Mann ergänzt worden sind.
Der Mannschaftsstand würde ausgereicht haben,
um für den Fall der Noth auch noch 6-8 Bataillone in dergleichen Weise zu bilden.
Als außerordentlich müſſen namentlich auch die Anstrengungen für die
gleichzeitige Ausrüstung so gewaltiger Truppenmaſſen und für die Bewaffnung derselben anerkannt werden.
Die Bestände an Zündnadelgewehren und die
Neufabrikation dieser Waffe sind ausreichend gewesen, um gleich unmittelbar damit die 24 Landwehrbataillone des 10. oder Reſervecorps, und 81 , oder den Jäger- und Schüßenerſaß inbegriffen , eigentlich 83½ Erſaß-Bataillone damit auszurüſten, wozu weiterhin noch 28 Landwehr- und die 81 fünften Bataillone, wie 1 Jägerbataillon hinzugetreten sind . von etwa 8 Wochen nicht weniger Feuerwaffen ausgerüstet worden,
Zuſammen sind also in dem Verlauf
als 217½ Bataillone mit dieſen neuen
ein Fall, der wahrhaft beispiellos daſtehen
möchte. „ Ebenso befanden sich zu Anfang dieses Krieges per Landwehrbataillon nur die Uniformen und Ausrüstungsgegenstände in der Stärke von 502 Mann, und auch diese
großentheils nur in der Stärke für das zweite Landwehr-
aufgebot vorhanden, so daß anfänglich, um diese Bataillone auf die volle Kriegsſtärke von 800 Mann zu ſeßen , ſogar auf die Beſtände der Linie hat übergegriffen werden müssen.
Für die Ausrüstung von fünften Bataillonen war,
da diese sich in dem regelmäßigen Mobilmachungsplan nicht vorgesehen findet, nichts vorbereitet.
Nichtsdestoweniger ist in der Aufstellung aller dieſer Trup-
pen nicht die geringste Verzögerung oder Stockung eingetreten, und mitten im Kriege ist es gelungen, deren volle kriegsmäßige Ausrüstung zu erwirken. Noch größer müssen die Schwierigkeiten bei Aufstellung eines 10. Artillerie-Regiments und der schleunigen Aufstellung der neuen Cavalerie-Regimenter erkannt werden, ohne daß sich indeß auch hierbei irgend ein Aufenthalt ergeben hätte.
An Ar-
tillerie sind 13 Batterien mit zusammen 108 Geschüßen neu gebildet und un-
518
Die preußische Mobilmachung.
mittelbar auch mit in Verwendung gesezt worden.
Doch hat dies außerdem
zugleich mit mehreren, den Festungsbesaßungen beigegebenen Ausfall-Batterien stattgefunden. „ Als eine ganz eigenartige Neubildung ist das aus geeigneten PionierMannschaften gebildete Eisenbahnbataillon zu betrachten, das in Böhmen, Mähren, wie überhaupt von der ersten Eröffnung der Feindseligkeiten ab, in Wiederherstellung der Bahnen, wie für den Bahnbetrieb die außerordentlichsten Dienſte geleistet hat.
Auch die See-Artillerie ist um eine neue dritte Compagnie ver-
mehrt worden. In Nachahmung des Marketenderwesens der französischen Armee befinden sich bei den meisten im Felde stehenden preußischen Truppenkörpern jezt ebenfalls uniformirte Marketenderinnen ; einzelne Regimenter, so namentlich das Garde-Huſaren-Regiment, haben deren übrigens schon bei ihrem Ausmarſch mit in's Feld genommen." Die Arbeitsbienen bei der Armee, d. h. die Handwerker-Abtheilungen der sämmtlichen Truppentheile des Heeres , zählten zuſammen 17,766 Manu und gehörten den Erfaßtruppen an. Die Fuhrwesen-Mannschaften und der Train bei der mobilen Armee bestanden zusammen aus 16,246 Mann. Die 4 Feldtelegraphen-Abtheilungen zählten 508 Mann.
Durch Zutritt des 1. Re-
servecorps und der ihr zugetheilten vierten Bataillone hatte die Hauptarmee vor Eröffnung der Feindseligkeiten bis zu
ihrem Eintreffen vor Wien einen
Nachschub von 41,000 Mann erhalten und war somit vor der feindlichen Hauptſtadt bedeutend stärker angelangt, als sie den Krieg eröffnet hatte. Es ist gewiß eine höchst anständige Kriegsmacht, welche 669,079 (nach authentiſchem Ausweiſe) Mann zählt.
Preußen war somit auch befähigt, mit
jenem Nachdruck aufzutreten, der ihm den Sieg sicherte; aber nicht die Heereszahl allein ist im Stande, so Großes und Unerwartetes zu vollbringen, der einheitliche Geiſt, der sie leitet, ist der Kern ihrer Kraft, und ein solcher Geiſt fehlte in dem preußischen Heere nicht.
Die Dressur, wenn man das Wort brauchen
darf, thut beim Soldaten gewiß viel, wer kann das leugnen ? jedoch sie und der größte Aufwand von Muth und Heldentapferkeit würden bei großen Actionen nicht den Ausschlag zu geben vermögen , sobald ihre Führer des sicheren Ueberblickes entbehren. Daß im Feldzuge von 1866 in der preußischen Armee Beides, Fähigkeit der Armee und Fähigkeit in ihrer Führung und in der geschickten Benutzung aller Kräfte, auf's Engste sich vereinten, brachte ein solches überraschendes Resultat hervor.
Wir haben die Führer der preußischen Armee
519
Biographie des Grafen von Bismarck- Schönhauſen.
bereits in Kürze geschildert, wenden wir uns daher zu dem hochſtehenden Manne, der dieser Armee und ihrer Leistungsfähigkeit vertrauend, den Krieg nicht scheute, um die Entscheidung, wessen Wort in Deutschland maßgebend sein soll, herbeizuführen.
Und dieser Mann ist Graf von Bismarck - Schönhauſen , der dem
historisch berühmt gewordenen Dreiblatt angehört, welches in den lezteren Jahren so viel von sich sprechen machte, und das außer ihm, dem preußischen Ministerpräsidenten, noch aus dem Kaiser Napoleon III. und dem ehedem fächsischen, jetzt österreichischen Miniſterpräsidenten, Freiherrn von Beuſt, beſteht.
Kaiſer Napo-
leon hat so viele' falsche Facits in seinen politischen Rechenerempeln erlebt, daß sein Ansehen, als unfehlbar in seinen Combinationen , bedeutend herabgesunken ist; Freiherr von Beust , der nach dem Verunglücken des Feldzuges von 1866 den fächſiſchen Dienſt verließ, hat wenigstens die Gunst des Geschickes erfahren, indem
er in einen größeren und seiner hohen
Begabung freieren
Spielraum gewährenden
staatsmännischen
Wirkungskreis eintreten
Beide Staatsmänner und Graf Bismarck sind die
konnte.
Götter der europäischen
Diplomatie. Der Lehtere, Otto Graf von Bismarck-Schönhauſen, ist 1815 auf dem väterlichen Stammsize in der Altmarkt geboren.
Nach Absolvirung der Gym- .
naſial- und Univerſitätsstudien durchlief er die ersten Grade der richterlichen Laufbahn.
Aus jener lustigen Zeit, wo der angehende preußische Zuſtizmann
den Titel „ Referendar " führte, ist eine Anekdote bekannt , welche beweist, daß Herr v. Bismarck gleich jungem Wein überſchäumen und in Gährung gerathen konnte.
Wir lassen sie hier folgen: Es war im Jahre 1836, als von der Hauptstadt Naſſau's , Wiesbaden,
eine Anzahl Cadetten unter Führung des Oberlieutenants Sterzing einen Ausflug nach Rüdesheim machten.
In diesem herrlich gelegenen Städtchen befindet
sich der weitberühmte, treffliche Gaſthof „Zum Darmstädter Hof “ dicht am Rheinstrom , und damals, im Jahre 1836, schob sich noch kein brutaler, hochaufgeworfener Eisenbahndamm zwiſchen die Häuſerfronte und den schönen , glänzenden Rheinstrom.
Die Cadetten mit ihrem Oberlieutenant kehrten in den "1 Darm-
städter Hof" ein, dinirten, tranken Rüdesheimer-Berg 1834er und waren guter Dinge.
Als sie nach einem kurzen Spaziergange am Rheinufer in das Hotel
zurückkehrten, ſaß an einem Tische ein junger, preußischer Referendar, ein Menſch voll Feuer und Flamme, der mit dem 1834er Rüdesheimer-Berg schon in ein ſehr intimes Verhältniß gerathen war.
Man schloß Freundschaft, man trank,
520
Biographie des Grafen von Bismarck-Schönhauſen.
man sang, man jubelte; endlich gegen Mitternacht, als sämmtliche Köpfe bereits in bedenkliche Verwirrung gerathen waren , springt der königlich preußische Referendarius auf und ruft: „ Meine Herren, machen wir nach der Weinparthie eine Wasserfahrt ! "
Es erfolgt Widerspruch von Seiten des besonnenen Ober-
lieutenants, aber der junge Herr scheint keinen Widerspruch zu kennen ; er ſtürzt fort an das Ufer, wo die Kähne liegen , Oberlieutenant Sterzing mit seinen Cadetten ihm nach.
Der Referendar springt in den Kahn , eilt nach der vor-
deren Spize, scheint aber die Distanz nicht gehörig abgemessen zu haben: er läuft über den Kahn hinaus und stürzt in den dort sehr tiefen Strom.
Sterzing
fieht das Unglück, springt sofort nach und rettet aus den Fluthen des deutschen Rheins den ertrinkenden Herrn Otto v. Bismarck-Schönhausen , den späteren Ministerpräsidenten Sr. Majestät des Königs Wilhelm I. von Preußen. Später zog er sich aus dem Staatsdienſte zurück und ward Gutsbeſißer. Sein erstes öffentliches Auftreten im Staatsleben erfolgte 1847 auf dem vereinigten Landtage, dem er als Mitglied der Ständecurie angehörte.
Bismarck
hielt sich dort schon zur äußersten Rechten , und diese seine ausgesprochene Gesinnung bewahrte er auch auf dem zweiten und legten vereinigten Landtage, im April 1848, also in einer Zeit, wo die Wogen sehr hoch gingen und die Bewährung des Muthes ſeiner Meinungen nicht eben häufig war.
In der dann
aufgelösten zweiten Kammer (Anfangs 1849) gehörte er abermals zu der äußerſten Rechten und sprach sich scharf gegen die Ereignisse des Vorjahres aus. Als im Jahre 1851 der deutsche Bundestag wieder zu einem Scheindaſein geführt worden, war es durch eine merkwürdige Fügung Bismarck, der vom Könige Friedrich Wilhelm IV. zum preußischen Bundestags-Gesandten ernannt wurde, derselbe Mann, der dazu berufen und befähigt war, jener allen Fortschritt hemmenden und Deutschland schwächenden Institution den Garaus zu machen.
Als
Bundestags-Gesandter war er bis zum Jahre 1859 thätig , um welche Zeit er als Gesandter nach St. Petersburg verſeßt wurde.
Auch hier war seines Blei-
bens nicht lange, vielmehr erhielt er bald darauf die wichtige Gesandtenſtelle in Paris. Bei dem Miniſterwechsel, welchen König Wilhelm im Herbste 1862 vor- , nahm, wurde Bismarck an der Stelle des zum Gesandten nach London wieder ernannten Grafen Bernstoff Minister der auswärtigen Angelegenheiten und Präsident des Staatsministeriums (9. October).
Von da an schreibt sich die Bedeutung des Mannes, der, nach langer
Biographie des Grafen von Bismarck-Schönhausen.
Zeit wieder, ein echt preußischer Staatsmann geworden ist.
521
Gleich bei seinem
Amtsantritt zeichnete er in kurzen, aber scharfen Zügen Preußens Programm,
Preußens Zukunft, wie er sich dieselbe dachte und wie sein König unter seinem Beirath sie gestaltete. Das Haus der Abgeordneten empfing ihn mit Mißtrauen, und des Ministers Stellung zum Hause war schroff bis zur neuen Legislaturperiode des Jahres 1866.
Gleich zu Anfang seiner Verwaltung sagte er in einer Com-
missionssitung scherzend , daß er aus Avignon ein Delblatt mitgebracht habe und einst ein sehr populärer Mann zu werden hoffe.
Im Ernste aber fühlte
er es, daß Preußens Rüstung für den schmalen Leib zu schwer sei , und ließ die viel verlachten, falsch gedeuteten und doch so wahren Worte von „ Blut und Eisen" fallen.
Seine Richtschnur aber hatte er sich vorgezeichnet und durchgeführt.
Was ihn besonders kennzeichnete, war seine auf Erfahrung beruhende Ansicht, die er sich über Desterreich gebildet hatte, und es ist ja bekannt, daß er im
522
Biographie des Grafen von Bismarck- Schönhausen.
Januar 1863 , wenn auch nicht mit den dürren Worten, sondern dem Sinne nach Desterreich rieth, seinen Schwerpunkt nach Ofen zu verlegen.
Wie gut
dieſer Rath war, das haben die neueſten kriegeriſchen Ereigniſſe bewiesen. Wenn das Dichterwort :
„ Es wächst der Mensch mit seinen größeren
Zwecken" auf einen Staatsmann der Gegenwart angewandt werden kann, so ist es auf Bismarck. deutender.
Mit jeder Aufgabe , die neu an ihn herantrat, ward er be-
Wie er schon zur Zeit des Fürſtentages von 1863 die Bundesreform
ansah, wie er dann die neue Bundesgenoſſenſchaft mit Desterreich im Kriege gegen Dänemark nur zu dem Zweck einging, eine europäische Einmischung fern zu halten und den Bund nicht noch mehr zu zerklüften, ist bekannt. Wiener Frieden, 1864 , ehrte
Nach dem
ihn König Wilhelm I. durch Verleihung des
Schwarzen-Adler-Ordens, an dem Tage, da der Gasteiner Vertrag in Kraft trat, durch die Grafenwürde.
Gleichzeitig ward er, da das Herzogthum Lauen-
burg vorerst nur in eine Perſonalunion zu Preußen trat, Miniſter für Lauenburg. Interessant war die Erklärung , welche Graf Bismarck am 23. Juli 1865 vor der Gasteiner Convention in Salzburg gegen den baierischen Ministerchef von der Pfordten gab.
Er sagte nämlich: „ Nach seiner festen Ueber-
zeugung sei der Krieg zwiſchen Oesterreich und Preußen sehr wahrscheinlich und nahe bevorstehend.
Es handele sich, wie er die Sache auffaſſe,
um ein Duell zwischen Preußen und Desterreich allein.
Das übrige Deutsch-
land könne mit voller Beruhigung den passiven Zuschauer dieses Duells abgeben.
Preußen habe nie daran gedacht und denke auch noch jezt nicht
daran, sein Machtgebiet über die Mainlinie hinaus zu erstrecken.
Lange werde
übrigens die Entscheidung nicht auf sich warten lassen. Ein einziger Stoß, eine Hauptschlacht und Preußen werde in der Lage sein, die Bedingungen zu dictiren.
Es sei durch das dringendste Bedürfniß
der Mittelstaaten geboten, ihrerseits Stellung zu nehmen. auch die des sächsischen Bodens, würde Preußen achten.
Die Neutralität , Eine Localiſirung
des Krieges, und zwar durch einen Stoß von Schlesien her, ſei nicht blos beschlossen, sondern auch nach dem bereits eingezogenen Gutachten der competentesten militärischen Autoritäten möglich.
Den Mittelstaaten sei zudem in
der Proclamirung der bewaffneten Neutralität noch ein Mittel mehr zur Sicherung jener Localiſirung gegeben.
Baiern speciell werde aber zu erwägen haben,
daß es der natürliche Erbe der Stellung in Süddeutſchland sei. “ Aus dieser Aeußerung wird der Leser entnehmen, daß der Krieg von
Biographie des Grafen von Bismarck- Schönhauſen.
523
1866 eine schon reiflichst erwogene Sache im preußischen Ministerium war, welche auch und zwar mit dem weltbekannten , überraschend großartigen Erfolge in's Werk gesezt wurde. Mitten in seinem Thatendrange, vor Ausführung seines wohlerwogenen Planes , bedrohte dem Grafen Bismarck am 7. Mai 1866 die Kugel des Meuchelmörders, der er jedoch durch eine wunderbare Fügung des Himmels entging.
Im Monat darauf begann der ewig denkwürdige Krieg Preußens gegen Desterreich und dessen Bundesgenossen.
Es ist nicht zu leugnen, daß Graf
Bismarck für Preußen eine unſchäßbare Persönlichkeit, eine hiſtoriſche Größe geworden ist, welche den Grund zu deſſen Größe gelegt hat.
Als Staats-
mann besißt er unstreitig die unentbehrliche Gabe, mit einer unerschütterlichen Zähigkeit an den von ihm als für Preußen einzig und allein zur Oberherrſchaft führenden Anſchauungen zu halten.
Als Beweis dafür gilt ein Brief,
den er schon am 12. Mai 1859, in der Zeit also, wo Preußen wegen des österreichisch-italienischen Krieges zur Mobilmachung geschritten war und wegen der militärischen Führung der Bundes-Contingente in Frankfurt troſtloſe Verhandlungen führte, von Petersburg aus an den damaligen preußischen Miniſter des Auswärtigen gerichtet hat.
Es ist ein merkwürdiges Actenstück, in welchem
mit einem Blicke das Gesez der geschichtlichen Nothwendigkeit und politiſchen Schwerkraft, die nicht in den Menschen und Persönlichkeiten, sondern in der Natur der Dinge liegende Nöthigung zu dargelegt wird.
einer Aenderung der Verhältniſſe
Wir heben das Wichtigste daraus hervor.
Nachdem Bismarck als Ergebniß . seiner achtjährigen Erfahrungen am Bundestage die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die dermaligen Bundesverhältnisse für Preußen im Frieden eine drückende,
in kritischen Zeiten aber
eine lebensgefährliche Fessel seien, da der Bund einzig und allein in den Händen Desterreichs liege, nachdem er dem Minister vorgehalten, wie Preußen in allen ſeit 1850 aufgetauchten Fragen sich stets vereinſamt einer und derselben compacten, ſeine Nachgiebigkeit beanſpruchenden, nur um Desterreich sich gruppirenden Majorität gegenüber sich befunden habe und im deutschen Intereſſe nichts hätte durchsetzen können, selbst wo es persönliche Wünsche und Neigungen der Bundesregierungen für sich gehabt, fährt er fort : „Würden dieſe Bundesfürsten den Bedürfnissen oder selbst der Sicherheit Preußens jemals in ähnlicher Weise die eigenen Neigungen und Intereſſen zum Opfer bringen ?
Gewiß nicht.
Denn ihre Anhänglichkeit an Oesterreich
524
Biographie des Grafen von Bismarck- Schönhausen.
beruht überwiegend auf falschen Interessen, welche ihnen und der österreichischen Regierung im Zusammenhalten gegen Preußen, das Niederhalten jeder Fortentwickelung des Einfluſſes und der Macht Preußéns als dauernde Grundlage ihrer gemeinschaftlichen Politik vorschreiben.
Ausbildung des Bundes-
verhältnisses mit österreichischer Spiße ist das natürliche Ziel der Politik der deutschen Fürsten und ihrer Minister ; sie kann in ihrem Sinne nur auf Kosten Preußens erfolgen und ist nothwendig gegen Preußen gerichtet, so lange Preußen sich nicht auf die nüßliche Aufgabe beſchränken will, das Mißverhältniß ſeiner Pflichten zu seinen Rechten im Bunde, ergeben in die Wünsche der Majorität, mit nie ermüdender Gefälligkeit zu tragen.
Diese Tendenz der mittelstaatlichen
Politik wird mit der Thätigkeit der Magnetnadel nach jeder vorübergehenden Schwankung wieder hervortreten, weil sie kein willkürliches Product einzelner Umstände, ſondern ein natürliches und nothwendiges Ergebniß der Bundesverhältnisse für die kleineren Staaten ist.
Wir haben kein Mittel, uns mit
ihr innerhalb der gegebenen Bundesverträge dauernd und befriedigend abzufinden. Seitdem unsere Bundesgenossen versucht haben, Bestimmungen, welche im
Sinne ihrer Stifter nur von einem Einverständniß Preußens und Dester-
reichs getragen werden können, einseitig zur Bevormundung preußischer Politik auszubeuten, haben wir unausgeſeßt das Drückende der Lage empfinden müſſen, in welche wir
durch die Bundesverhältnisse und ihre schließliche hiſtoriſche
Entwickelung versezt worden sind. „Wenn nun jezt die (mittelſtaatlichen) Staatsmänner von Bamberg leichtfertig bereit sind ,
dem ersten Anstoß
des Kriegsgeschreies der urtheilsloſen
und veränderlichen Tagesmeinung ( damals zum
Schuße Desterreichs
gegen
Italien) zu folgen, so geschieht das vielleicht nicht ganz ohne tröstende Hintergedanken an die Leichtigkeit, mit der ein kleiner Staat im Fall der Noth die Farbe wechseln kann.
Wenn sie sich aber dabei der Bundesregierung bedie-
nen wollen, um eine Macht wie Preußen in's Feuer zu schicken, wenn uns zugemuthet wird, Gut und Blut für die politische Weisheit und den Thatendurst von Regierungen einzusetzen, denen unser Schuß unentbehrlich zum Exiſtiren ist, wenn diese Staaten uns den Impuls geben wollen und als Mittel dazu bundesrechtliche Theorien in Anspruch nehmen , mit deren Anerkennung alle Selbstständigkeit preußischer Politik aufhören würde : dann dürfte es an der Zeit sein, uns zu erinnern, daß die Führer, welche uns zumuthen, ihnen zu folgen, die von ihnen im Munde geführt : Sache Deutschlands so verstehen,
525
Biographie des Grafen von Bismard Schönhausen.
daß sie nicht zugleich die Sache Preußens sein kann , wenn wir uns nicht aufgeben wollen. Ich glaube, wir sollten den Handschuh bereitwillig aufnehmen, und kein Unglück, ſondern einen Fortschritt der Kriſis zur Beſſerung darin ſehen, wenn eine Majorität in Frankfurt einen Beſchluß faßt, in welchem wir eine Ueberschreitung der Competenz, eine willkürliche Aenderung des Bundeszweckes, einen Bruch der Bundesverträge finden. zu Tage tritt, um so beſſer.
Je unzweideutiger
Unsere Bundesgenossen sind
die Verlegung
auf dem rechten
Wege, uns gerechten Anlaß dazu zu geben, auch ohne daß wir ihrem Uebermuthe nachhelfen.
Dann wird das preußische Selbstgefühl einen eben so lauten
und vielleicht folgenreicheren Ton geben, als das bundestägliche.
Das Wort
„ deutsch “ für „ preußisch “ möchte ich gern erst dann auf unsere Fahnen geschrieben sehen, wenn wir enger und zweckmäßiger mit unseren übrigen Landsleuten verbunden wären , als bisher ; es verliert von seinem Zauber, wenn man es schon jezt in Anwendung auf den bundestäglichen Zustand abnußt. In unserem gegenwärtigen Bundesverhältniß ſehe ich ein Gebrechen Preußens, welches wir früher oder später werden heilen müssen. " Auf welche Weise dieſe Heilung vor sich ging ,
ist weltbekannt , im
Jahre 1866 wurde dieselbe unter Kanonendonner zu Stande gebracht. man über etwas während
und
nach diesem Heilungsprozesse
ſo betraf dies die ruhige Haltung Frankreichs .
Wenn
erstaunt war,
Jedermann hielt sich über-
zeugt, daß Napoleon seine guten Gründe haben müſſe, daß er Preußen, ohne einzuschreiten, gewähren ließ, ein Königreich, ein Kurfürstenthum, ein Herzogthum, die freie Reichsstadt Frankfurt nebst Schleswig-Holstein, kraft dem Rechte des Stärkeren, an sich zu bringen.
Dies Dunkel lichtete sich durch das ziemlich
unerwartete Bekenntniß namhafter franzöſiſcher Blätter,
daß die franzöſiſche
Kriegsmacht sich nicht in dem Stande befinde, um Preußen im Felde mit Hoffnung auf Erfolg entgegentreten zu können. Aus dem bereits erwähnten Schreiben des Grafen Bismarck vom Jahre 1859 an den damaligen preußischen Miniſter des Auswärtigen geht unwiderlegbar hervor, daß er den Krieg gegen Oesterreich schon seit 6 Jahren als evident ansah.
Die stillen Vorbereitungen wurden mit einer Minutioſität und
Vielseitigkeit betrieben, die nur übertroffen wurde durch meisterhafte Geheimhaltung dieser Vorbereitungen .
526
Biographie des Grafen von Bismarc-Schönhauſen. Wir haben das wichtige Kapitel der französischen Compensations-Wünsche
bereits näher beleuchtet. Was die äußere Erscheinung
des
Grafen Bismarck anlangt , ſo iſt
derselbe von großer Gestalt und sein Naturell ein lebhaftes, leicht erregbares. Seine überhäuften Arbeiten haben sein Gesicht etwas bleich gemacht, was stets die Folge großer, geistiger Anstrengungen zu ſein pflegt.
Bei feierlichen
Gelegenheiten erscheint er ſtets in der weißen Uniform ſeines Küraſſier-Regiments. Er ist kein Redner, dessen Worte sich gleich Perlen an eine Schnur reihen, aber er spricht mit Feuer und nicht selten sarkastisch.
Was er sagt,
hat allemal Gehalt und zeugt von einem schnellen und sicheren Ueberblick der Verhältnisse.
Jedenfalls ist er ein Mann von großer hiſtoriſcher Bedeutung
nicht nur in Bezug auf Deutschland, sondern namentlich für Preußen. dem es gelang , Desterreich so lahm zu legen, Deutschlands Angelegenheiten, für's
daß
es des Einfluſſes auf
Erste wenigstens der Norddeutschlands,
entsagen mußte, wurde Preußen zur wirklichen deutschen Großmacht. Bismarck ist deren Gründer.
In-
Graf
Dritter Theil.
Preußische Männer. Ein sehr thätiger Förderer der so lautlos still gehegten Pläne ist der Kriegsminister Albrecht von Roon, der, nach der Weisung des Königs Wilhelm I.,
62
die Armee-Organisation in's Leben zu führen hatte .
Er gehörte dem General-
stabe an und war als ein wissenschaftlich gebildeter Offizier geschäßt. Auch als geographischer Schriftsteller erwarb er sich einen Namen. Im Jahre 1837 war
Kriegsminister von Roon. -
528
Geh. Commisionsrath von Dreiße.
er Hauptmann, 1848 Major im Generalstabe, 1856 Oberst und Commandeur des ostpreußischen Füsilier-Regiments Nr. 33. General-Lieutenant und
Drei Jahre später war er bereits
als solcher ( 1859) zum Kriegsminister an Bonin's
Stelle ernannt. In dieser Eigenſchaft trat er mit voller Kraft und Ueberzeugung für die Organisation des Heeres ein , legte dem Hause der Abgeordneten verschiedene Aenderungen des Kriegsdienstgesetzes vor und zeichnete sich als ein tüchtiger, schlagfertiger Redner aus .
Seine Verdienste wurden vor Beginn des
Krieges durch seine Ernennung zum General der Infanterie und nach demselben durch Verleihung des schwarzen Adlerordens anerkannt. Ein ganz besonderer Matador in dem großen Kreise Derer, welche vor Allen zu den Erfolgen des Feldzuges von 1866 beitrugen ,
ist der dem Volke
im eigentlichsten Sinne des Worts entstammende Dreyße, der Erfinder des Zündnadelgewehres, das so ungeheuere Epoche machte und alle Regierungen in die unausweichbare Nothwendigkeit verſeßte, auch in ihren Armeen dieſes ſchnellschießende Gewehr so schleunigst als möglich einzuführen , was natürlich einen förmlichen Umsturz der bisherigen Handfeuerwaffen veranlaßte. Johann Christian Nicolaus Dreyße wurde am 22. November 1787 zu Sömmerda, einer kleinen Stadt im Regierungsbezirke Erfurt , geboren.
Sein
Vater war dort Schlossermeister und „ Rathsverwandter “ , ein geachteter, aber nur mäßig begüterter Mann.
Als Johann, mit welchem Namen er im Eltern-
hause gerufen wurde , das 14. Lebensjahr vollendet hatte, trat er , nach kurz zuvor erfolgter Confirmation, als Lehrling in die Werkstätte seines Vaters. Es war dies allerdings nicht so recht nach dem Wunsche des Knaben, welcher wohl lieber den Wissenschaften sich gewidmet hätte ; aber davon wollte der alte Dreyße nichts wiſſen, und so wurde Johann ein Schloſſer. ihn bereits als einen stattlichen, wanderten Schlossergesellen .
Fastnachten 1806 ſah man
lebensfrohen, in seinem Handwerk wohlbe-
Als aber der Frühling kam, zog es ihn hinaus in die Fremde. wäre gern nach Paris gezogen, sein Vater aber wollte es nicht. der Vater ihm geboten , in's
Herzogliche “ (Sachsen) , wo er zunächſt in einer
Werkstatt der Stadt Altenburg Arbeit fand. ward es im
Er
Er ging, wie
Während er hier rüstig schaffte,
Herzoglichen “ und in ganz Thüringen immer lebendiger, erſcholl
Waffenlärm und Kriegsgeſchrei , und im October ( 1806) wimmelte ganz Thüringen von Kriegsvolk.
,
könnte ich Euch schüßen! Könnte ich eine Mauer
um Euch bauen, Euch Waffen schmieden , die den Feind festhielten! " sprach er
529
Geh. Commissionsrath von Dreyßze.
jezt oft, wenn er nach Hauſe an die Seinen dachte, und vollends, als das Gefecht bei Saalfeld und der Tag von Jena und Auerstädt die Macht Preußens brach, den ganzen Norden Deutschlands zur Beute des Siegers machte , und ſeine eigene persönliche Sicherheit bedrohte. derte er über Leipzig nach Dresden.
Anfangs des nächsten Jahres wan-
Der gute Verdienst, welchen seine Ge-
schicklichkeit in seiner Profeſſion ihm hier verſchaffte, gewährte ihm die Mittel, sich Bücher anzuschaffen und aus ihnen in Stunden, welche seine Mitgesellen Bier- und Tanzgelagen opferten, ſich Belehrung zu verſchaffen. Mit dem vermehrten Wiſſen wuchs aber auch in ihm das Verlangen, die Welt auch jenseits der deutschen Grenzen kennen zu lernen und in der Ferne in seinen wie in andern Gewerben sich zu vervollkommnen. Sazu nicht ohne Mühe die Einwilligung seines Vaters
Nachdem er
erlangt, wanderte er
in: Sommer 1809 zum Rhein und nach Paris. Ausgestattet mit reichen Erfahrungen und vielen gesammelten Kenntniſſen und Fertigkeiten im ursprünglich erlernten Fache, wie in den andern Branchen, mit denen er sich in der Kaiserstadt bekannt zu machen Gelegenheit gehabt hatte, kehrte Dreyße im Sommer 1814 zur Vaterstadt zurück , um hier seinem durch Alter und Kränklichkeit geschwächten Vater bei der Betreibung seines Handwerkes zur Seite zu stehen. 1818 übernahm er, nach abgelegter und rühmlichst bestandener Meisterprüfung , das väterliche Geschäft, nunmehr 31 Jahre alt.
Seinem Wunſche,
dasselbe mehr ausdehnen und neben der Schlosserei auch noch andere Branchen der Eisen-Induſtrie betreiben zu können, ſtand die Beschränktheit seiner Mittel entgegen.
Diese schwand, als er im Frühjahre 1821 die Hand der Jungfrau Do-
rothea Ramann erlangte, welche ihm mit derselben auch ein kleines Vermögen zubrachte.
Noch in demselben Jahre aſſociirte er sich mit dem Kaufmann und
Knopffabrikanten Kronbiegel in Erfurt , mit dem er zu Sömmerda unter der Firma " Dreyße & Kronbiegel" ein Fabrikgeschäft etablirte , deſſen Aufgabe es war, Eisenwaaren auf sogenannten kaltem Wege herzustellen.
Daneben beschäf-
tigte er sich auch mit dem Projecte zu einer Vervollkommnung der Dampfmaschine, und verfertigte, von der preußischen Regierung dabei mit Geld unterſtüßt, in der That nach ein Paar mißlungenen Versuchen eine Dampfmaschine nach einer neuen, ihm
eigenthümlichen Construction
(1825) , welche von der
Staatsregierung patentirt wurde. Zur Zeit der Errichtung jenes Eisenwaarengeschäfts machte man ander34 Kriegsereignisse.
530
Gch. Commissionsrath von Dreyße .
wärts Versuche, die Steinschloßjagdgewehre zur Percuſſionszündung umzuarbeiten. Dies auffassend, beschäftigte sich Dreyße
unter Beihilfe des Büchsenmachers
Burckard in Weimar und der Apotheker Baudius und Kahleys zu Sömmerda mit zum Theil lebensgefährlichen Versuchen zur Herstellung von Zündpräparaten für Percuſſionszündhütchen , und im Jahre 1824 wurde der Firma „ Dreyße und Collenbusch“ von der preußischen Regierung ein Patent für Zündhütchen ertheilt.
Diese, getrennt von der vorgedachten Eisenwaarenfabrik errichtete Zünd-
hütchenfabrik wird fortgeführt.
noch heute von den Söhnen des Kaufmanns Collenbuſch
Die darauf folgenden Jahre benußte Dreyße vorzugsweise zur
Ausführung der ihn längst beschäftigenden Idee der Verlegung des Zündungsprozeſſes bei den Gewehren von Außen nach Innen und zu der Conſtruction einer, die gesammten zum Schuß erforderlichen Theile in ſich enthaltenden Patrone.
Für die Zündung der Patrone im Innern des Gewehrlaufes erschien
ihm die Nadel das geeignetste Mittel, und er suchte daher dieselbe auf alle nur mögliche Weise für jene Zwecke dienstbar zu machen.
Im Jahre 1829 war es
Dreyße bereits gelungen, das erste, von vorn zu ladende Zündnadelgewehr herzustellen, für dessen eigenthümliche Construction ihm für seine Perſon ein Patent für die Dauer von acht Jahren für den Umfang des preußischen Staates verliehen wurde.
In demselben Jahre wurde das königlich preußische Kriegsmini-
sterium auf die Vortheile dieses Gewehres für Militärzwecke aufmerksam gemacht. Durch fortdauernde opfervolle Versuche verbesserte Dreyße sein noch von vorn zu ladendes Zündnadelgewehr , und fand für seine Bestrebungen einen außerordentlichen Protector an dem damaligen General-Adjutanten Sr. Majeſtät des Königs Friedrich Wilhelm III., dem nachmaligen Kriegsminister von Wißleben, durch dessen warme Fürsprache Dreyße unter vortheilhaften Bedingungen den Auftrag zur Anfertigung einer größeren Anzahl sogenannter „ Trauben“ und „Cylinder “-Gewehre erhielt , deren
Prüfung durch Militär-Commiſſionen
in
Graudenz, Glaß und Erfurt erfolgte. Die mancherlei Uebelstände, die sich an jenen Militärwaffen während der praktischen Prüfungen herausſtellten, der bei dem von vorn zu ladenden Zündnadelgewehr immer noch nicht ganz entbehrliche Ladeſtock, riefen in Dreyße den Gedanken wach, die Herstellung eines von hinten zu ladenden Zündnadelgewehres zu versuchen, bei dem der Ladestock nur höchstens als Entladestock zu figuriren habe, und bereits im Jahre 1836 gelang es ihm , dem Kriegsminiſterium in MU SE H Berlin das erste von hinten zu ladende Gewehr vorzulegen. IS Zündnadel-InfantericUM T I R
531
Geh. Commissionsrath von Dreyße.
Nach mehrfachen an diesem Gewehre bewirkten Veränderungen und Verbesserungen übertrug das Kriegsministerium ihm die Anfertigung von mehreren hundert Stück solcher Gewehre, deren Prüfung während der Jahre 1839 bis 1840 zu Spandau und Lübben geschah.
Da bei diesen Prüfungen das Gewehr
sich als vorzüglich erwies und in seinen Leistungen alle bis dahin bekannten Gewehre übertraf, so befahl König Friedrich Wilhelm IV. im Herbste des Jahres jeines Regierungsantrittes ( 1840) ,
dieſes von hinten zu ladende Zündnadel-
gewehr als Militärwaffe, zunächſt für die Füflier-Bataillone, einzuführen , dem Erfinder aber die Mittel zur Anlage einer im großen Maßstabe zu erbauenden Gewehr- und Gewehrmunitionsfabrik, und zwar für die ersten Jahre zinsfrei, vorzustrecken. Dies geschah, und so entstand denn im Jahre 1840 und 41 das großartige Dreyße'sche Etabliſſement zu Sömmerda , welches zu den namhafteſten Waffenwerkstätten nicht blos Deutschlands , sondern überhaupt Euronas gehört. Wir haben den Leser im bisherigen Verlaufe unseres Werkes aufmerksam gemacht, daß die Idee, Hinterladungswaffen herzustellen , keine ganz neue ist, interessant dürfte es aber für Manchen sein, zu erfahren, daß sie schon vor Beginn unseres 19. Jahrhunderts nicht nur existirte, sondern es auch nur so zv sagen an einem Haare hing, um sie eingeführt zu sehen. Es war am 17. April 1792 , als im Pariser Jacobinerclubb ein Engländer und ein Franzose als Erfinder einer verbesserten Kanone , mit der man 25 Schüſſe in einer Minute abfeuern könne, vorgestellt wurden.
Selbſtverſtänd-
lich war es , daß diese Erfindung unter den Jacobinern ungeheuere Senſation machte. Denn in dem Besitze derartiger Artilleriewaffen war es ja einleuchtend, daß in der Kriegsführung ein unglaublicher Umschwung geschehen müſſe.
Der
Antrag, daß man die Erfinder aus Staatsmitteln in den Stand sehen möge, eine solche Waffe herzustellen, wurde sofort in der Versammlung laut.
Dagegen
aber erhob sich Robespierre, der „ Blutmensch der Republik ", welcher kein Zagen beim Unterschreiben von Todesurtheilen empfand , und redete von der Tribüne zu der Versammlung folgendermaßen : „ Jede Erfindung, welche zum Zwecke hat, die Vernichtung der Menschen zu beschleunigen, ist in meinen Augen eine beklagenswerthe Sache." Tiefe Stille herrschte in der Versammlung .
Wie? derselbe Mann, der
dem Henker täglich Arbeit gab, ſpricht gegen den Mord ! Und doch war es so. Robespierre erklärte sich aus Gründen der Humanität gegen den Antrag des 34*
532
Geh. Commissionsrath von Dreyße.
Jacobiners Desfieur, welcher den Antrag, die Erfinder der besagten ſchnellfeuernden Kanonen von Staatswegen zu unterſtüßen, geſtellt hatte.
Er erzählte, daß ihm,
der als paſſionirter Pistolenschüße bekannt sei, vor dreiviertel Jahren ein Mann eine Büchse vorgelegt, mit der man neun Schüsse hintereinander abfeuern könne.
Und die Probe davon sei in dem Garten des von ihm, Robespierre,
damals in der Gaſſe Saintonge bewohnten Hauſes auf das Befriedigendſte ausgefallen.
Ich habe diesen Mann, " fuhr Robespierre fort, „ auf's Inſtändigſte
gebeten, seine mörderische Erfindung bei Seite zu legen und nie mehr davon zu sprechen, und er
hat es gethan.
Neben den Rücksichten der Humanität
bestimmen mich aber noch andere Gründe, dem vorliegenden Antrage (bez. der Kanone) entgegen zu treten.
Wenn eine solche Erfindung im Stande wäre,
den Völkern einen momentanen Vortheil über die Despoten zu gewähren, so würden sich die Letteren alsobald derselben bemächtigen, und sie würde in ihren Händen ein neues wirksames Werkzeug zur Unterdrückung der Menschheit werden. " Und die blutdürftigen Jacobiner ließen den Antrag sofort fallen. In unserm Jahrhundert ist mit derartiger Robespierre'schen Humanität nichts los.
Wer eine Kanone erfinden könnte, deren Kugeln ganze Regimenter
mit einem Schusse niederrissſe, würde unter allen Umständen sehr hoch geehrt werden.
Beschäftigt sich doch Kaiser Napoleon III. mit solchen, der Menschlich-
keit besonders zusagenden Erfindungen, wie
Jedermann weiß.
Die kleinen
kupfernen Kanonen, ganz neu erfunden, ſollen das Möglichste leisten im Menschenvernichten.
Dergleichen ist gewiß erhebend für jeden Menschenfreund.
Wenden wir uns wieder zu Dreyße zurück.
54 Jahre zählte er, als
diese Fabrik in Betrieb gesezt wurde, aber dennoch war die Thätigkeit des unermüdlichen Mannes noch keineswegs vollkommen erschöpft, seinem Schaffensdrange noch keineswegs vollkommen Genüge geleistet.
Er beschäftigt sich viel-
mehr unausgefeßt mit neuen wichtigen Erfindungen im Gebiete dieser seiner Schußwaffen, mit der Erhöhung der Treffsicherheit und Tragweite der Geschosse derselben, mit der Herstellung des rühmlichst bekannt gewordenen Langblei geschosses, mit der Herstellung der speciell für das Zündnadelgewehr componirten Explosions- und Brandgeschosse , mit der Construirung von hinten zu ladender Geschüße und Wallbüchsen und der sogenannten Amüsetten, und so gewährt denn Johann Christian Nicolaus Dreyße das erhebende Bild eines noch im hohen Greijenalter unablässig thätigen Mannes.
Econ 1845 erhielt er von dem sein Verdienst anerkennenden Könige
Geh. Commissionsrath von Dreyße.
533
Friedrich Wilhelm IV. den Titel als „ Königlicher Commissionsrath " , welcher Titel wenige Jahre darauf zu dem eines " Geheimen Commissionsrathes " erhöht wurde.
Auch an Orden und Verdienstmedaillen,
vaterländischen wie fremd-
herrlichen, hat es ihm nicht gefehlt , welchen Auszeichnungen schließlich unmittelbar nach Beendigung des preußischen Feldzuges in Schleswig, zu dessen glücklichem Ausgange die von ihm erfundene Waffe nicht wenig beigetragen , noch die Erhebung in den preußischen Adelsstand sich geſellte. Werfen wir nun einen Blick auf Italien, dem Bundesgenossen Preußens .
534
Italienische Heerfahrer.
Der Krieg in Italien .
Die Italiener haben der Schlacht bei Königgräß die Gewinnung Venetiens zu danken, durchaus nicht
den Erfolgen ihrer eigenen kriegeriſchen
Leistungen, denn diese waren nicht besonders hervorleuchtend.
Sie führten ein
Spektakelstück auf, das effectlos verpuffte , selbst dann effectlos blieb , als die Desterreicher, nach der Cession Venetiens
an Kaiser Napoleon III. ,
ſich zum
größten Theil aus dem Lande zurückzogen, um im Norden gegen die Preußen verwendet zu werden.
Nur die österreichischen Festungsbeſaßungen und das
Corps des Feldmarschall-Lieutenant Maroigich blieb in Venetien, und in Tirol unter dem General Kuhn von Kuhnenfeld eine sehr schwache, durch Landesſchüßen verstärkte Abtheilung.
Troßdem war es kein besonders rühmliches
Kriegführen, mit dem sich die Herren Italiener brüsten konnten.
Man hätte
meinen sollen, die Schlappe, die sie bei Eustozza erlitten, wirke nach bei allen ihren Unternehmungen.
Sie brachten nichts Großes zu Stande, Alles war nur
ein halbes Resultat ohne Nachhalt und ohne militärischen Ruhm . Woran lag das? Zum guten Theil an den Conflicten, welche unter den italienischen Armecführern ausgebrochen waren, da wollte Jeder die beste Einsicht haben, und sich unterordnen , dazu hatte keiner der Herren Luſt.
Der
Obergeneral und Kriegsminister Lamarmora war wegen der Schlappe bei Eustozza so ziemlich um sein ganzes Renommée gekommen, von ihm erwartete man nichts mehr, dagegen hoffte man auf Cialdini, und was die jungfräuliche italienische Flotte betraf, von der man wahre Weltwunder erwartete, auf deren Admiral Persano.
Was Lehteren anlangte, so hat er seinen Namen ſo merk-
würdiger Weise in den kriegerischen Annalen seines Vaterlandes zu illustriren verstanden, daß seine Thaten ganz genau mit dem Begriff: Unglück aus Talentlosigkeit, übereinstimmen.
Wer besonders Glück hatte, war Cialdini , denn er
trat mit seiner Armee als Eroberer gerade in dem Zeitpunkte in Venetien auf, wo die Desterreicher es auf Befehl ihres Kaisers Franz Joseph verließen. solcher Eroberungszug war durchaus nicht so sehr schwierig.
Ein
Dieser Kriegszug
der Italiener in das von den Desterreichern schon aufgegebene Venetien trug keine Lorbeeren ein, dafür aber gab es viel zu bauen, denn die sich einestheils nach Tirol, andererseits an den Isonzo zurückziehenden Desterreicher, hatten so verſchiedene kleine Spuren ihres Abzuges , wie zerstörte Brücken , Wege und Pläge zurückgelassen, die doch wieder hergestellt werden mußten.
535
Garibaldi's Freiwilligen-Co1p8.
Die Italiener machten
auch in Südtirol schlechte Geschäfte , das aller-
schlechtefte Geſchäft blieb aber der italieniſchen Regierung zur Laſt, denn ihr gegenüber stand ein Volk, dessen größter Theil all' seine Stärke in einen Enthuſiasmus zu sehen gewöhnt ist, welchem die solide Grundlage von Kenntnissen ganz und gar fehlt.
Garibaldi war dieses „ Eviva ! und Tod den Desterreichern ! " brüllenden
Volkes Messias.
Von ihm allein wähnte es Unmögliches spielend möglich ge-
macht zu sehen.
Damit aber war nichts , denn gegen ehemals, wo der recht-
schaffene Garibaldi einen hundertmeiligen Eroberungsmarsch, von Marsala bis an den Garigliano, gemacht hatte, war Alles totaliter verändert, und er ſelbſt ja auch, denn er war ein durch Krankheit geſchwächter alter Mann.
Hinsichtlich
seines immer noch frischen und für die Freiheit eben so heiß wie früher glühenden Geistes, hätte er allerdings den Himmel stürmen können, aber jetzt gehörte dergleichen unter die Phantaſieſtücke , denn seine Mittel , um Kriegswunder zu thun, waren sehr schlecht bestellt.
Während die italieniſchen Zeitungen das
Blaue vom Himmel herunter fabelten, wie trefflich die von Garibaldi commandirten Freiwilligen ausgerüstet wären , fand so ziemlich das Gegentheil ſtatt. Lamarmora , der Alles , nur keine Freiwilligen liebte, wußte das Möglichſte zu thun, um es diesem improviſirten Corps an alle dem fehlen zu laſſen, was halbwege nur einigermaßen entbehrlich schien. Die glänzenden Schilderungen, welche die Zeitungen von der Bewaffnung der Freiwilligen brachten, waren eitel Lüge, richtiger Wind, und die Schamlosigkeit der italienischen Zeitungsschreiber, das Volk zu belügen, ging so weit , daß man zur selben Zeit, als die Desterreicher die Italiener bei Cuſtozza geſchlagen hatten, Berichte brachte , nach denen die Freiwilligen ganz
Südtirol so
gut wie erobert hätten.
Viel Geſchrei und
wenig Wolle! Es würde gar kein Intereſſe bieten, Cialdini's Kreuz- und Quermärſche in Italien hier geschildert zu finden.
Es war ein trocknes Schachspiel, das zu
nichts führte, weil die Italiener dabei keine Gefahren zu überstehen hatten. Im freien Felde konnten ihnen die Desterreicher kaum 35,000 Mann entgegenstellen, während sie selbst, die Italiener nämlich, 70,000 Mann besaßen, ohne sieben neue Divisionen, welche sofort sie zu verstärken bereit waren.
Selbstver-
ständlich hielten sich die Desterreicher deshalb ganz still in ihren Festungen. warum sollten sie auch noch in einen neuen Kampf sich einlassen ?
Und
Venetien ge-
hörte ja nicht mehr ihrem Kaiser, sondern dem Kaiser Napoleon.
Südtirol
dagegen war das einzige Object, das sie ernstlich zu halten geſennen waren.
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Garibaldi's Freicorps auf dem Marsche nach Trient.
Um wenigstens etwas für den italienischen Waffenruhm zu thun, schickte Cialdini die Division Medicis dahin, um, mit den Garibaldianern vereint, dies von den Desterreichern vertheidigte Land zu occupiren.
Die Division Medicis sollte
von Osten her, von Vigo d'Arzere auf Primolano gerichtet , durch das obere Brentathal in Südtirol und auf Trient vordringen, während die Garibaldianer von Westen her ebenfalls nach Trient vorzudringen befehligt waren.
Solcher-
gestalt wollte man Südtirol so zu sagen von Osten und Westen her in die Scheere nehmen.
Wo möglich sollte auch etwas Rechtes zu Stande gebracht werden,
denn daß ein Waffenſtillſtand in Aussicht ſtehe, das lag bei den, durch die Ceſſion Venetiens an Napoleon ganz veränderten Umständen auf der Hand. Die Garibaldianer waren 10 Regimenter und 2 Scharfschüßen-Bataillone (Scharfschüßen, Bersaglieri) stark.
Die ganze Cavalerie bestand in 1 Schwadron
Guiden, und von der regulären Armee waren einige Batterien zur Unterſtüßung an Garibaldi abgegeben worden. Mann.
Diese Kriegsmacht betrug ungefähr 12,000
Wenn irgend ein General für den Gebirgskrieg ganz geschaffen war,
so war dies Garibaldi ; leider aber konnte er das nicht leisten , was man von ihm erwartete, denn er war ja nur ein halber Mann durch seine Wunden, und zum Gebirgskrieg gehört ein fester, gesunder Körper. ten sehr wenig.
Seine Offiziere bedeute
Die Oesterreicher hatten überall Befestigungen angelegt, die
jedoch durchaus nicht von Bedeutung waren. Am 13. und 14. Juli hatte Garibaldi die Grenze überschritten und ſein Hauptquartier in Storo genommen .
Vor sich hatte er zwei Straßen, die durch
die Judicarien und die durch Val (Thal) Ampola.
Die erstere war ihm für
den Fall, daß die Operationen einen entscheidenden Charakter annahmen, die wichtigere, aber die Straße durch Val Ampola war deshalb nicht außer Acht zu lassen, denn daselbst hatten die Desterreicher mußte unschädlich gemacht werden.
ein Fort (Fort Ampola) , dies
Wie wenig dies Fort bedeutete , geht aus
der Thatsache hervor, daß, als es am 19. Juli früh beschossen wurde, die aus 130 Mann Landesschüßen und 20 Artilleristen zur Bedienung der beiden Kanonen beſtehende Besayung schon am Mittag zu capituliren sich genöthigt sah. waffnet ließ man ſie frei abziehen.
Ent-
Indeß wenn die Sonne früh recht grell
golden blitt, schlägt's Wetter am Tage oft um.
Einen solchen Umschlag erleb-
ten die Garibaldianer, als sie sich am 20. Juli des Ledrothales bemächtigen wollten. Zu diesem Zweck schob Garibaldi die Brigade Haug über den Eingang
1
Dort ist Alles gebirgig, und dieser
1
der Val di Conzei bis an den Ledrosee vor.
537
Gefecht zwischen Desterreicher und Garibaldianer.
Umstand war nicht außer Augen zu lassen, denn in Bergen ist schlimmes Kriegführen. Die Brigade Haug zersplitterte sich in den Gebirgen am Ledrosee sehr beträchtlich. Dies erfahrend, rückte sogleich eine Abtheilung Desterreicher, die eine Raketenbatterie mit sich führte, über die Pfade des Monte Gaverdina in die Val di Conzei hinab.
Von diesem feindlichen Vordringen ,
oder vielmehr der
Brigade Haug in den Rücken fallen, bekam Garibaldi Nachricht und schickte sofort bedeutende Verstärkung nach Bececca, einem Dorfe, welches den südlichen Eingang der Val di Conzei absperrt.
Ein Bataillon von dieser Verstärkung,
von Bececca nach der Kapelle von Locca vorgeschoben, hatte die Nacht über bivouakirt.
Der Morgen des 21. Juli war in Anbruch, die Luft war falt, wie
in den tiefen Thälern dieses Gebirges die Nächte meist sehr frisch sind.
Hohe
Feuer, um welche die Garibaldi'schen Rothhemden sich wärmend lagerten , wirbelten ihre Rauchsäulen auf.
Da knatterten plöglich aus den Felsenhöhen eine
Menge Büchsenschüsse nieder, die Desterreicher senkten sich hinab und ein wilder, wüthender Kampf entſpann sich. Man hatte die Oesterreicher nicht in so großer Menge und in solcher Nähe vermuthet.
Sie brachten den Freiwilligen einen Verlust von 500 Todten
538
Ganbalti's Freicoips auf dem Marſche nach Trie.t.
und Verwundeten bei und nahmen eine große Anzahl derselben gefangen, mußten aber retiriren, als die Garibaldianer Unterſtüßung erhielten.
Bei dieſem Rück-
zuge hatten auch die Desterreicher manchen Verlust. zu gleicher Zeit machte die das Fort Lardaro besezt haltende österreichische Mannschaft einen Ausfall, indeß sie waren viel zu schwach, um sich gegen das 8. Regiment von der Diviſion Nicotera halten zu können und mußten sich wieder zurückziehen. Wenn hier von Forts die Rede ist, so muß der Leser sich keine großartigen Befestigungen vorstellen.
Fort Lardaro ist nichts weiter als ein vier-
ediger Thurm mit einer anschließenden Verpalliſadirung und drei kleinen Schanzen, die diesen Gebirgspaß sperren.
Eben so beschaffen ist das schon genannte,
eine kleine halbe Stunde von der italienischen Grenze entfernte Fort Ampola, und nicht besser das in der Nähe des Gardasees gelegene Fort San Theodosio. Auf einer Insel des Sce's von Toblino befindet sich das alte Kastell von Doblino, das die Desterreicher als den Centralpunkt ihrer Vertheidigungsfäden neu eingerichtet hatten, das indeß auch von keinem großen Belang ist.
Das sogenannte
Loch von Vala, ein sehr enger Gebirgspaß westlich von Cardine und kaum 3 4 Meilen von Trient entfernt, ist gleichfalls befestigt.
Eine größere österreichische
Truppenmad;t würde indeß troß der Unhaltbarkeit dieser kleinen Forts , welche jedoch durch ihre örtliche Umgebung an Bedeutung gewinnen, den Garibaldianern harte, unverdauliche Nüſſe zum Knacken gegeben haben.
Kam es auch hin und
wieder zu einem kleinen Scharmütel, so waren diese Reibungen doch zu nichts weiter nüße, als einigen Menschen das Lebenslicht auszublaſen.
Garibaldi's
Kriegszug hatte somit eigentlich seine Endſchaft gefunden, denn obwohl er vorwärts marschirte, um nach Trient zu kommen , gediehen die kriegerischen Lorbeeren in diesem bergereichen Terrain äußerst schlecht ; seine Rothhemden hatten . die schönste Gelegenheit, gleich auf mehrere Jahre im Voraus die unerquicklichen Fastenzeiten durchzumachen, und wir sehen daher ab von der unintereſſanten Schilderung dieses Marſches, bei dem der ganze Zweck nur darauf hinauslief, vor dem in Aussicht stehenden Waffenſtillstande so viel Terrain als irgend möglich zu gewinnen. Man hätte denken sollen, die italienische Regierung würze alle Kräfte angestrengt haben, den Gardasee von der ihn beherrschenden kleinen österreichischen Flotille zu säubern, indeß das, was sie zu diesem Zweck in's Werk gerichtet, war so blutwenig und das Wenige noch so unvollkommen, daß es für gar nichts
Marsch der Tiviſion Medici nach Trient.
galt.
Rückzug der Lesterreicher.
539
Die vom Corvetten-Capitain Monfroni von Monfort commandirte kleine
österreichische Flotille duldete kein italienisches Fahrzeug auf diesem See , und ein Paar Zuſammenſtöße mit der österreichischen Flotille lehrten den Italienern, daß weit davon besser vor'm Schuß ist.
Auch hier leisteten sie nichts , erlitten
im Gegentheil mehrere Verluste. Werfen wir den Blick auf die Thaten der Division Medici, so finden wir, daß sie wohl mehr in Anspruch genommen wurde, troßdem aber doch nichts Besonderes ausrichtete, wenn gleich ihre Gegner, die Desterreicher, ſehr ſchwach an Zahl waren. vorzudringen.
Medici hatte die Aufgabe, durch die Val Sugano nach Trient
Am 21. Juli langte er mit seiner Diviſion in Baſſano an. Er
befehligte 18 Bataillone, 2 Schwadronen, 3 Batterien , und schickte von dieser kleinen Armee 2 Regimenter auf beiden Ufern der Brenta über die Höhen, um die österreichischen Verſchanzungen bei dem Grenzdorfe Primolano zu umgehen. Mit seiner Hauptmacht rückte Medici am 22. Juli Morgens gegen die Front dieser Verschanzungen, die vor dem Knoten der beiden Straßen von Feltre und von Trient angelegt waren.
Der österreichische Major Pichler hatte 700 Mann .
unter ſeinem Commando und empfing die Angreifer mit Muth;
als er indeß
Kenntniß von der Umgehung seines Forts erhielt , sah er sich zu deſſen Räumung gezwungen.
Wie hätte er mit seiner kleinen Schaar, 5000 Mann in der
Fronte und 5000 Mann im Rücken, sich halten können !
Pichler zog sich nach
Grigno zurück und nahm daſelbſt Stellung, zugleich aber machte er nach Trient Meldung an General Kuhn von dem Einbruch des Feindes und bat um Verſtärkungen, um Widerstand leiſten zu können . Zwei Bataillone wurden ihm versprochen, und er rückte, um sich mit ihnen zu vereinigen, nach Borgo di Val Sugano ihnen entgegen.
Nur eins
dieser ihm zur Verstärkung gesendeten Bataillone traf am nächsten Vormittag ein, das zweite, welches einen weiten Marsch zu machen hatte , konnte nicht so ſchnell herankommen.
Schon um 3 Uhr Nachmittags langte jedoch Medici mit
seiner Division vor Borgo di Val Sugano an und der Angriff begann ſofort. Pichler hatte jett 2000 Mann, die sich gut vertheidigten , feindlichen Uebermacht nicht Stand halten konnten.
aber natürlich der
Nach Einnahme des Ortes,
in dem ein heftiger Straßenkampf ausgefochten wurde, zogen sich die Oesterreicher nach Levico, wohin die ganze italieniſche Diviſion ſie verfolgte, weshalb sie, um so ungleichem Kampfe auszuweichen, auch diesen Ort bei einbrechender Dunkelheit verließen.
540
Hauptstadt Trient.
Der österreichische Befehlshaber der Hauptstadt Trient, General Kuhn, war gar nicht gewillt, die Feinde noch weiter vordringen zu laſſen, ſondern entschlossen, sie in der Val Sugano zurückzuwerfen .
Mit der Besaßung Trients
hätte er Leßteres allerdings nicht vermocht, indeß der General, ein sehr ruhiger Mann, wußte sich zu helfen.
Sofort ließ er nach allen Seiten hin, von woher
ihm Hilfstruppen kommen konnten , telegraphiren , besonders nach Verona , wo 20,000 Mann standen, die eben in keinen Kampf verwickelt waren , und nach dem Westen, nach dem schon erwähnten Kaſtel von Doblino , um auch von da Truppen heranzuziehen.
So gelangte er zu einer Streitmacht von ungefähr 12,000
Mann, und wenngleich er genöthigt war,
eine Besaßung
von
1500 Mann
in Trient zu laſſen, um diese Stadt im Zaune zu halten , so konnte er doch schon einen Schlag gegen Medici wagen.
Die Trienter genossen das Vergnügen,
eines schönen Morgens große Plakate an den Ecken ihrer Straßen angeſchlagen zu finden, worauf zu lesen war , daß General Kuhn entschlossen sei, die Stadt zu halten, zugleich aber ihnen zu wiſſen that, daß er vorkommenden Falls, wenn sie sich in Unruhen versuchen wollten, etwas scharf mit ihnen in's Gericht gehen werde. Trient ist die größte und bevölkertſte Stadt ganz Tirols und zugleich die Hauptstadt Südtirols .
Sie befindet sich in einem von der schiffbaren Etſch
durchströmten, außerordentlich fruchtbaren, in gerader Linie drei Stunden langen und eine Stunde breiten Thale, welches eine reizende Ebene bildet und von hohen Kalkgebirgen eingefaßt ist.
Die Bauart der Häuser ist rein italieniſch,
sehr hohe Gebäude mit platten Dächern ; ihre Straßen sind breit, herrlich gepflastert, und an den Seiten mit breiten Trottoirs (Kalksteinplatten), sowie mit einer Rinne voll des köstlichsten bergfriſchen Trinkwaſſers versehen.
Man kann
dieſe alte, schöne und mit 13 Kirchen ausgestattete und von ungefähr 14,000 Einwohnern belebte Stadt ein Denkmal des Katholicismus nennen, denn in ihr, in der ganz aus rothem Marmor
erbauten und mit einem der berühmtesten
Orgelwerke gezierten Kirche Santa Maria Maggiore, wurde das am 13. December 1545 beginnende Tridentiniſche Kirchen-Consilium abgehalten, an deſſen Schluß der gewiß wunderbar geſcheidte, ſehr christliche und mit der Lehre Jeſu, ſeines Meisters , überaus vertraute Cardinal von Lothringen sich ein ewiges Gedächtniß durch sein Geschrei :
„ Verflucht seien alle Keber!" stiftete, in das die an-
wesenden sehr hochwürdigen 255 Prälaten mit dem Rufe : „ Verflucht ! Verflucht! " einstimmten.
Solche Erinnerungen sind unter allen Umständen herzerhebend und
541
Die italienische Flette.
herzbrechend, Leßteres, weil sie als Zeugniß gelten, wie die Priester die Lehren Jesu zu Schanden machen, und herzerhebend , weil all'
das lächerliche Ver-
wünschen und Verfluchen dem Protestantismus kein Leid zufügen konnte. Was die Nahrungsquellen der Trienter anlangt, so bestehen dieſe der Hauptsache nach in Seidenfabrikation und Weinbau. In Italien herrschte, durch die Zeitungen verbreitet und aufgestachelt, der Glaube, Südtirol ſehne sich nach der Vereinigung mit Italien , indeß das allgemeine Verhalten der Südtiroler sah gar nicht dem entsprechend aus.
Es
gab wohl eine Partei junger Heißsporne, die da wühlten, um ihre Landsleute in Enthusiasmus für Italien zu bringen, indeß die künstlich gemachte Stimmung gegen die Desterreicher verfing bei der großen Masse der Welschtiroler nicht. Wäre es wirklich der Fall geweſen, wie die schandbaren italieniſchen Lügenblätter es dem Volke vormachten, würde jedenfalls Garibaldi's Zug von ganz anderem Erfolg begleitet gewesen sein.
Im Uebrigen spricht Alles dafür , daß General
Medici herzlich froh war, als er die Nachricht von dem abgeschloſſenen Waffenstillstand empfing, denn sofort theilte er dieselbe dem General Kuhn mit. Dieser rechtzeitige Waffenſtillstand enthob dem italienischen Corpsführer jeder Möglichkeit, den Desterreichern eine Schlappe zu verdanken.
So war denn auch für
Südtirol die Segnung der Ruhe factiſch angebahnt und es floß kein Menſchenblut mehr auf diesem Boden. Hatten die italieniſchen Waffen zu Lande keine Lorbeeren erobern können, auf dem Waſſer, das ohnehin, wie das Sprichwort sagt, keine Balken hat, gab es eine Niederlage erster Klasse für die Italiener durch das Seetreffen bei der Insel Lissa. Gesammt-Italiens Stolz und Hoffnung, Beides im überschwänglichſten Maaße, waren auf die Flotte begründet. Jeder Italiener hätte sich mit Seelenruhe , in der festen Ueberzeugung , daß die so viele, viele Millionen kostende Flotte ungeheuere Thaten verrichten werde, den Kopf abschlagen lassen.
Die
Zeitungen hatten so rajend viel von den Erwartungen gefabelt und gefaſelt, welche durch die Flotte zum Erstaunen der Welt erfüllt werden würden, daß es geradezu ein Verrath hätte genannt werden müſſen, wenn irgend ein Italiener nur den leisesten Gedanken Raum bei sich verstattet, daß das alte Sprichwort : „ Lobe den Tag nicht vor dem Abend “ , auch an dieſen ſchwimmenden Coloſſen sich bewahrheiten könne.
Eins war auffallend , nämlich, daß Admiral Perſano
es vorzuziehen schien, lieber in aller Sicherheit mit seinen Schiffen im Anconaer
542
Die italienische Flotte.
Hafen liegen zu bleiben, als außerhalb desselben dem Feind auf den Dienſt zu paſſen.
Die österreichische Flotte ankerte auf der Rhede von Pola.
Indeß,
etwas mußte schließlich doch zur See geschehen, und ſo ſah ſich Admiral Persano endlich, da über sein Zögern und Zaudern, aus seiner Verpuppung herauszutreten, ganz Italien sich unmuthig vernehmen ließ, gezwungen, zur selben Zeit, als Cialdini in Venetien , Garibaldi und Medici in Südtirol so ruhmloſe Geschäfte machten, etwas zu thun, und dieses Etwas bestand darin, den Desterreichern die Insel Lissa wegzunehmen. Von dem Festlande Dalmatien ist Liſſa nur 4-5 Meilen entfernt, zwischen Beiden befinden sich noch einige andere Inſeln, Leſſina, Braza, Solta, — Leſſina ist nur durch einen drei Meilen breiten Canal getrennt.
Lisa, eine Insel, die
nicht ganz zwei Meilen lang und nicht breiter als eine kleine Meile, ist für die österreichische Flotte deshalb von großer Bedeutung , weil sie zwei gute Häfen, San Giorgi, den Kriegshafen, an der nordöstlichsten Seite, und Comiſa , den gewöhnlichen Hafen, an der Weſtſeite hat und sich dadurch als ausgezeichneter Stationspunkt hinsichtlich der daselbst befindlichen Depots von Kohlen, Munitionsgegenständen und Lebensmitteln bietet.
Selbstverständlich ist es daher,
daß die Desterreicher dieſe ihnen so wichtige Insel auch ſtark befestigt haben. Demnach wäre es auch eine hübsche Sache gewesen, wenn die italienische Flotte sich Lissa's bemächtigt hätte. Am 16. Juli ging Persano in den Nachmittagsstunden mit seiner Flotte von Ancona in See.
Sie war stattlich anzusehen, 28 Fahrzeuge, darunter 11
Panzerfregatten, 4 Schraubenfregatten, 1 Schraubencorvette, 2 Rädercorvetten, 4 Avijo's, 4 Kanonenboote, 1 Hospitalschiff und 1 Proviantschiff. Stolz schwamm ſie hin, und Tauſende sahen ihr in der Ueberzeugung nach, daß sie nur kommen, ſehen und siegen dürfte.
Unterwegs sollte sie noch verstärkt werden durch nach
Ancona beorderte Kriegsschiffe , unter ihnen das Widderſchiff Affondatore , von denen man sich die größten Vortheile bei einer Seeſchlacht versprach.
Ein Aviso-
dampfer erhielt die Aufgabe, am Vorgebirge Gargano zu kreuzen , um jedes dieser noch als Verstärkung erwarteten Schiffe von der Weiterfahrt nach Ancona abzuhalten und direct nach Lissa zu weisen. Etwaige Nachrichten, die den Oesterreichern vielleicht von Ancona zukommen konnten, zu verwirren, nahm die italieniſche Flotte ihre Richtung nach der Insel Lossin , also ein ganz anderer Cours als nach Lissa ; erst als das Abenddunkel eintrat, wurde die Richtung nach Liſſa genommen. War dies der Täuschung der Oesterreicher wegen gethan worden, so
543
Italienische Vorbereitungen zur Eroberung Liſſa's.
führte der Generalstabschef der italienischen Flotte , D'Amico , für seine Person ein Wagniß aus .
Verkleidet begab er sich auf ein Handelsfahrzeug,
landete
auf Lissa und erspähte daselbst, mit wie viel Batterien die Häfen armirt , wie viel Kanonen die Befestigungen hätten und was er Besonderes daselbst noch bemerkt habe.
In der Nacht machte er sich von der Insel Lissa wieder fort
und kam glücklich auf seiner Flotte wieder an, die er auf dem Wege nach Lissa traf. Die Vorbereitungen waren also vorzüglich gelungen. Am 18. Juli Vormittags hatte sich, den Befehlen Perſano's gemäß, die italienische Flotte um die Insel aufgestellt.
Das Gros der Flotte , 8 Panzer-
ſchiffe, 1 Rädercorvette und der Aviſo Meſſagiero, von Perſano ſelbſt commandirt, sollte den Kriegshafen San Giorgi angreifen; Vice-Admiral Albini war befehligt,
die Landung im Rücken des genannten Hafens zu bewerkstelligen,
Unteradmiral Vacca sollte die Werke des Hafens Comija bombardiren .
Unter-
deß dies ausgeführt werde, sollte Commandant Sandri mit den Kanonenbooten nach der Insel Leſſina gehen und dort den ſubmarinen Telegraphen zerstören. Wäre das Alles so durchgegangen, wie Persano gedacht hatte, wäre Liſſa bald genommen gewesen ; aber es ging eben nicht so , nur Sandri vollzog seine Aufgabe der Zerstörung auf Leſſina, weil dort ſich ſeiner Absicht nichts in den Weg stellte.
Vacca und Albini konnten nichts machen, deshalb kehrten sie mit ihren
Schiffen zu Persano zurück, ſo daß am Abend des 18. Juli faſt die ganze italienische Flotte vor dem Kriegshafen San Giorgi versammelt war. Sie hatte nichts ausgerichtet.
Die Oesterreicher schossen mörderlich, und
wenn auch, durch die Schiffskugeln getroffen, einige Magazine in die Luft flogen, so war dies doch kein wesentlicher Vortheil für die Angreifer ; die Hafenbatterien arbeiteten mit einem Eifer fort, daß die italienischen Schiffe, die es wagten, in den Hafen einzudringen, froh waren , wenn sie der Gefahr , zuſammengeschossen zu werden, entgehen konnten. Bei Abend und bei Nacht sind solche Unternehmungen nicht fortzusehen, darum wird Alles ruhig zur See , morgen war ja auch ein Tag.
Während der Nacht zum 19. Juli verstärkte sich die italienische Flotte
durch die Ankunft von 2 Schraubenfregatten, einer Rädercorvette und dem sehnlichst erwarteten Widderſchiff Affondatore (Affondatore heißt in's Deutsche überſeßt: Versenker).
Auch neue Landungstruppen kamen mit.
Besagtes Widder-
schiff (ſo geheißen, weil es vorn zwei ungeheuere eiserne Hörner hat, durch
544
Vergebliche Versuche.
welche es an ein feindliches damit anrennend , dieses damit durchstößt und es zum Sinken bringt) schoßz 300pfündige Kugeln. Der 19. Juli sah einen eben so fruchtlosen Kampf wie sein Vorgänger. Die Italiener versuchten das Möglichſte, um irgend ein Reſultat davon zu tragen, weder eine Landung gelang, noch sonst konnte man die österreichischen Batterien zum Schweigen bringen. Die Formidable (Panzerschiff) war, als der Kampf Abends abgebrochen werden mußte, so übel zugerichtet, daß sie Befehl erhielt, nach dem Hafen von Ancona zurückzukehren, die 300-Pfünder des Affondatore blieben ebenfalls
ohne Erfolg ; das Panzerschiff Ancona , auf dem eine gut
treffende österreichische Granate allein 23 Mann getödtet und verwundet hatte, war nur mit Mühe vom Verbrennen gerettet worden.
Ein vollſtändiger Unſtern
waltete über den Unternehmungen der italieniſchen Flotte. In der Nacht zum 20. Juli langte noch ein Schiff, der Schraubendampfer Piemont, bei der Flotte an, und Persano befehligte nun 34 Fahrzeuge.
Die
Nachricht , daß die österreichische Flotte nahe, war schon am 18. Juli Abends an ihn gekommen, indeß seine am 19. Juli Nachmittags auf Lauer ausgeschickten Aviso's hatten weit und breit nichts geſehen, was einer Flotte ähnlich geweſen wäre. Mit dem schönen ruhigen Wetter war es jedoch vorüber. In der Nacht zum 20. Juli bedeckte sich der Himmel mit finstern Wolken, und der sich nach Mitternacht erhebende scharfe Wind wuchs , je näher der Morgen kam, zum ziemlich starken Sturm an, so daß die Meereswogen wie gewaltige Berge aufstiegen und ein wildes Uebereinanderſtürzen derselben die Schiffe bald zum Himmel aufhoben, bald in die Tiefe begruben , als sollten sie nicht mehr an's Tageslicht kommen.
Bei
gutem Wetter hatte die italienische Flotte nichts
gegen die Insel Lissa ausrichten können, Persano wollte es nun im Sturm verſuchen, ein Unternehmen, was alle Seekriegsverständige als kopflos betrachteten. Als der Tag vollständig angebrochen, gesellten sich zu dem die Schiffe hin und her schleudernden Sturme noch starke Regengüsse aus den schweren, tiefgehenden Wolken. Die italienische Flotte begab sich auf ihre verschiedenen Posten, und der Erfolg der Versuche, Landungstruppen auf die Insel zu sehen, scheiterte wie gestern und vorgestern.
Außer dem Kampfe mit den österreichischen Bat-
terien hatten die Italiener es noch mit dem Regensturme zu thun.
Was bei
gutem Wetter nicht gelungen war, gelang bei dem Unwetter noch viel weniger.
545
Seeschlacht bei Lissa.
Während dieser nuglosen Anstrengungen kam plöglich einer der Dampfaviso's , der Esploratore , welcher zwischen den Lissa nahegelegenen Inseln. Pomo und La Bianca kreuzte, um aufzupaſſen , ob sich etwas Aehnliches wie feindliche Schiffe in der Ferne bemerken laſſen, zur Flotte gesteuert und ſignaLisirte:
Verdächtige Fahrzeuge! " und " Feinde von Norden ! " Und so war es auch.
Der österreichische Admiral Tegethoff kam mit
seiner Flotte, um die so hart bedrängte Insel Liſſa zu entseßen.
Erst am vor-
hergehenden Tage hatte er sichere Nachricht erhalten, daß die Italiener auf die Einnahme der wichtigen Flottenstation ausgingen, und sofort hatte er mit seiner aus 25 Schiffen bestehenden Flotte die Rhede vor Faſana verlassen, um dem Feinde eine Schlacht zu bieten. Tegethoff hatte im dänischen Kriege bei Helgoland gezeigt, daß er der richtige Mann sei , der mit Thatkraft und sicherem Blick ausgerüstet, seinem Feinde energiſch zu Leibe gehe.
Hatte er auch neun
Schiffe weniger als die Italiener , so erseßte er als kühner und tüchtiger Seeheld in seiner eigenen Person diesen Mangel. Divisionen, jede von 7 Schiffen.
Seine Flotte beſtand in drei
Die erste zählte 7 (eijerne) Panzerschiffe, von
Tegethoff selbst geführt ; die zweite , commandirt vom Commodore, LinienſchiffsCapitain Pet, bestand aus schweren Holzſchiffen ; die dritte aus leichten Holzschiffen.
Diesen 21 Schiffen waren 4 Raddampfer als Aviso's beigegeben.
Tegethoff war die ganze Nacht hindurch mit seiner Flotte unterwegs gewesen, als ihm früh 7 Uhr von seinen Aviso's die Meldung zukam:
man bemerke
einzelne feindliche Schiffe. Der Sturm erhob sich um diese Zeit so bedeutend , daß die kleineren österreichischen Panzerschiffe gezwungen waren, ihre Stückpforten zu schließen. Von der ganzen italienischen Flotte war eine halbe Stunde später des starken Regenwetters wegen nichts zu sehen , die Aussicht war
total vernebelt; indeß
allmälig legte sich der starke Wind und mit dieser Beruhigung hellte sich auch der düstere Himmel allmälig auf und plößlich ſah ſich die öſterreichische Flotte der italienischen gegenüber. Kampfe an.
Nun ging auf beiden Flotten das Rüſten zum
Persano hatte den Unstern, daß seine zu den Versuchen auf Lissa
detachirten Schiffe nicht bei einander waren. Das gab Confuſionen, und nach längerer Zeit erst war die italieniſche Flotte ſo weit im Stande, daß sie in 3 Abtheilungen nach West-Süd-West steuern konnte.
Die erste Gruppe oder Abtheilung bestand .
aus drei Schiffen : Maria Pia, Varese und Re di Portogallo.
Der Re
di Portogallo war das Flaggenschiff, auf dem sich der Commodore Capitain 35
546
Seeschlacht bei Liſſa.
Ribotty befand. Die zweite Gruppe : San Martino , Palestro , das Widderschiff Affondatore und das Flaggenſchiff der Re d'Italia, auf dem sich Ad= Die dritte Gruppe bestand aus der Ancona,
miral Persano selbst befand.
dem Castelfidardo und dem Principe di Carigniano , auf welchem Leßteren als Flaggenschiff der Contre-Admiral Vacca sich befand .
Leider
aber waren
diese drei Gruppen nicht aneinander anschließend, sondern in weiten Distancen von einander entfernt, was selbstverständlich ein bedeutender Fehler war. Nun ereignete sich etwas Seltſames. Es iſt bei allen zur See kriegführenden Nationen gebräuchlich, daß der Admiral ſein Admiralsschiff nicht verläßt, es trägt seine Flagge, und wo sie weht, gehört auch er hin. Persano kam auf die seltsame Idee, kurz vor Beginn des Kampfes das Widderschiff Affondatore zu besteigen und es solchergeſtalt zum Admiralsſchiff zu machen, während ſeine Flagge auf dem Re d'Italia blieb. In der Regel iſt ein Widderſchiff beſtimmt, die Wände der gegnerischen Schiffe zu durchboren, und deshalb auch ist es von besonderer Geschwindigkeit.
Indem Persano es gegen den Re d'Italia ver-
tauschte, entzog er das Schiff seiner ursprünglichen Bestimmung, da er es in das Hintertreffen zurückzog, es somit zu einem Fahrzeug machte, das eigentlich gar nicht Theil an der Affaire nahm.
Unter den Seeleuten geht die Sage, daß
die Ratten, sobald ein Schiff eine Fahrt antritt , auf der es verunglücken , zu Grunde gehen wird , dasselbe sämmtlich verlassen, um auf einem andern, nicht zu solchem Unheil bestimmten Schiffe sich einzuquartieren.
Fast scheint es, als
habe ein solcher Ratten-Instinkt auch den Admiral Persano beim Verlaſſen des Re d'Italia geleitet , denn dies prächtige Schiff ging während der Schlacht elend zu Grunde. Ein zweites Geschwader, aus 8 schweren Holzschiffen und einigen leichteren bestehend, commandirt vom Vice-Admiral Albini , folgte den drei gemeldeten Gruppen, war aber — und das galt ebenfalls als ein großer Fehler — in ſehr weiter Distance von Persano's Panzerschiffen, so daß ungefähr 34 Seemeilen Raum
zwischen Beiden blieb.
Dadurch war der Antheil dieser Holzflotte an
dem Kampfe nur ein sehr geringer. Tegethoff hatte seine österreichische Flotte in 3 Linien getheilt, voran die 7 Eisenschiffe,
hinter ihnen
die leichten Holzschiffe .
die schweren Holzschiffe, und in dritter Linie
Er ließ sie auch nicht in gerader Front gegen den
Feind gehen, sondern in Jagdordnung , ſo daß das vierte Schiff in der Linie einen ausspringenden Winkel bildete und die übrigen sechs Schiffe desselben den
Seeschlacht bei Liſſa.
rechten und den linken Flügel bildeten.
547
Dadurch war jede Linie (Division) ge-
schlossen, eine Art Keil gegen den Feind formirend. Die Schlacht begann mit einem Manöver der italienischen Division Vacca's, welcher um die Panzerdivision der Oesterreicher herum sich auf deren Holzschiff-Division stürzen wollte.
Dadurch aber entstand eine sehr, sehr be-
deutende Lücke zwischen Vacca's Schiffen und der italienischen Centrums-Diviſion, welche das Flaggenschiff, der Re d'Italia, commandirt vom Capitain Faa di Bruno , führte.
Von drei österreichischen Schiffen mit einer Heftigkeit ohne
Gleichen angegriffen, empfing dies prächtige italienische Schiff bedeutende Wunden, besonders durch den Erzherzog Ferdinand Max, auf dem sich der österreichische Admiral persönlich befand . . . es war sein Flaggschiff . . . ward
es auf's Schlimmste zugerichtet, denn dieser rannte ihn mehrmals mit furchtbarer Gewalt an. ohne allen Erfolg.
Capitain Faa di Bruno vertheidigte sich heldenmüthig, indeß Das prächtige italienische Schiff gerieth dermaßen in Noth,
daß dessen tapferer Befehlshaber darauf denken mußte, es, wenn noch möglich, zu retten.
Mit aller Dampfkraft versuchte er zu entkommen, indeß dies war
bereits unmöglich geworden, denn sein Steuer erwies sich als unbrauchbar. 35*
548
Untergang des italienischen Schiffes Re d'Italia und Brand des Palestro. Die Stöße, die das österreichische Flaggschiff ihm versezt hatte, waren
tiefklaffenden Wunden gleich.
Die Seitenwände des schönen Fahrzeuges waren
vollkommen zertrümmert, das Waſſer drang mit solcher Macht ein, daß der Vordertheil zu versinken begann, und nach wenig Minuten ragte nur noch ein Stück des Hintertheils aus dem schäumenden Wellengrabe empor, das bald ganz über dasselbe hinwegfluthete.
Kopfüber war es in die Meerestiese hinabgeſunken.
Augenzeugen berichteten, der Anblick, wie dies noch vor wenigen Minuten auf den Wellen sichtbare, plößlich von den in einen Strudel ſich trichterförmig drehenden und hochaufbäumenden Wogen hinabgerissene und gleichsam aus der Liste des Geweſenen ausgestrichene Schiff auf Nimmerwiedersehen versunken, sei markerschütternd geweſen.
Der Theil der Bemannung, welcher gerettet wurde, war
sehr klein, die Meiſten fanden ihr Grab in ihrem schwimmenden und nun auf dem Meeresboden ruhenden Hause.
Der Verlust dieses Schiffes war ein schwe-
rer Unfall für die italienische Flotte, ein zweiter geſellte sich schnell dazu. Das Panzerschiff, der Paleſtro, wollte dem Re d'Italia helfen, aber er erlitt, wenn auch nicht dasselbe, doch ein ähnliches Schicksal der Vernichtung.
Das
österreichische Admiralschiff rannte ihm gewaltsam in die Seite, ein Paar andere österreichische Panzerschiffe griffen ihn an , sogar schiff.
Alle Vertheidigung bezweckte nichts.
ein österreichiſches Holz-
Plößlich lohten hell aufzuckende
Flammen aus dem von Kugeln übel zugerichteten Schiffskörper, ein furchtbarer Brand griff schnell um sich.
Von ſeinem zerschossenen Steuer konnte der Pa-
lestro keinen Gebrauch mehr machen , er trieb als brennendes Ungeheuer auf dem Meere hin, zu retten war er nicht mehr.
Admiral Persano schickte das
Schiff Governolo ab, Capitain und Mannschaft wenigstens zu retten, aber weder der Befehlshaber, Capitain Capellini, noch seine Mannſchaft wollten ihr brennendes Schiff verlaſſen, ſie verlangten nur, unter Wind geschleppt zu werden. Dies geschah.
Dem Governolo zum Beistande kam auch die Indipendenza.
Beide schleppten an starken Tauen den lichterloh flammenden Palestro in der Nähe des Affondatore vorüber, auf welchem Admiral Persano all' dem Unglück beiwohnte, ohne selbst etwas zu thun.
Kaum war das brennende Schiff
an dem Affondatore vorbei bugfirt, als
ein furchtbares Krachen und eine
Wolke von Feuer und Rauch das Zeichen gab , daß die Flammen die Pulverkammer des brennenden Fahrzeuges erreicht hatten und es in die Luft flog. So waren also zwei stattliche, große Summen Geld kostende Panzerschiffe, der Re d'Italia und der Palestro , verloren.
Es würde unverantwortlich
549
Seeschlacht bei Liſſa.
gegen die Wahrheit verstoßzen , sollte es unerwähnt bleiben, daß die Italiener wie Helden kämpften, welche den gewiſſen Tod nicht scheuen.
Jede italienische
Division hatte drei Panzerschiffe; die beiden verlorenen bildeten mit dem San Martino eine derselben.
Der San Martino jedoch nahm sich sehr in Acht,
daſſelbe Schickſal ſich bereiten zu laſſen, wie ſeine beiden Gefährten es erfahren hatten.
Capitain Goberti vom San Martino that wohl so, als wolle er dem
Re d'Italia zu Hilfe kommen, indeß das sah nur so aus, ernstlich war es wohl nicht gemeint, denn er blieb fern davon.
Die Desterreicher hatten einen
starken Schlag gegen ihre Gegner geführt, jedoch verringert sich deſſen Ruhm dadurch, daß sieben österreichische Panzer- nebst drei Holzschiffen gegen die genannten drei italienischen Panzerschiffe kämpften, also Zehne gegen Drei! Alle Schuld laſtet indeß auf Perſano ; denn ein Befehlshaber kann unmöglich einen größeren Fehler begehen, als wenn er, der zahlreichere Streitkräfte beſißt als der Feind, dieſem eine so geringe Macht entgegenſtellt, welcher derselbe gewachsen ist.
Die anderen beiden Diviſionen der italieniſchen Panzer-
schiffe (6 Schiffe), deren Führer in der Meinung waren, daß Admiral Perſano mit dem zu Grunde gegangenen Re d'Italia in der Meerestiefe läge , handelten nun für sich, indem sie sich auf die österreichischen Holzdivisionen ſtürzten, welche so zwischen zwei Feuer geriethen.
Besonders war es das vom Flotten-
Capitain Pez commandirte Flaggschiff Kaiser von der schweren Holzdivision, welches sich durch die heftigen Angriffe des vom Commodore Ribotty geführten italienischen Flaggſchiffes Re di Portogallo angegriffen und übel zugerichtet sah.
Capitain Pez ließ sein schweres Holzschiff mit aller Gewalt des Dampfes
an das genannte italienische Flaggschiff anrennen und legte sich an deſſen Seite. Jedoch kam die Maria Pia dem nun in größter Noth befindlichen Re di Portogallo ſchnell zu Hilfe, indem sie den Kaiſer auf's Heftigſte angriff, wodurch nicht nur der furchtbare Kampf zwiſchen den beiden Schiffen, der jeden´ falls mit dem Untergang eines oder Beider geendet haben würde, verhindert, sondern der Kaiser selbst
in die höchste Gefahr versezt wurde.
Die vollen
Lagen, die er von der Maria Pia erhielt, zertrümmerten ſeinen Bug und ſein Bugſpriet, brachten den Fockmaſt zum Stürzen, welcher im Fallen den Schornſtein niederriß und über ihm liegen blieb , so Brandes drohte.
daß die Gefahr eines
großen
Von der Fortschung des Angriffs auf das italienische Flagg-
schiff mußte Capitain Peß unter ſolchen Umständen natürlich abſtehen, denn nun war die Rettung seines Schiffes Hauptaufgabe für ihn, und dieſe war ſchwierig
550
Seeschlacht bei Liſſa.
auszuführen, denn auch die österreichischen Schiffe, die Novara und der Raddampfer Kaiserin Eliſabeth, befanden sich in großer Gefahr.
Indeß kam
noch rechtzeitige Hilfe. Auf Befehl des Admirals Tegethoff begannen die österreichischen Panzerschiffe sofort den Kampf.
Eine dichte, schwarze Rauchwolke , sich weithin aus-
breitend, lag auf dem Meere ; sehen konnten die nicht an diesem Kampfe theilnehmenden Schiffe nur höchst selten etwas von demselben. liches Handgemenge, wie bei einer Schlacht zu Lande.
Es war ein förm=
Hin und wieder erkannte
man wohl ein graues (italieniſches), oder ein schwarzes (öſterreichiſches) Schiff, von den Flaggen war aber nichts zu bemerken, der dichte, aufwirbelnde Pulverdampf verhüllte Alles.
Glücklich wurde der so übel zugerichtete Kaiser gerettet
und gegen Lissa hin in Schuß gebracht.
Das italieniſche Admiralſchiff hielt ſich
in weiser Entfernung ; Admiral Persano's ganzes Eingreifen in den Kampf_bestand darin, daß er dann und wann ein Geschoß aus seinen Riesengeſchüßen auf ein österreichisches Schiff werfen ließ .
Die Entfernung war groß, weshalb
der Schaden dieſer furchtbaren Kugeln bedeutend vermindert wurde. erhielt der Kaiser einen solchen Schuß in den Leib. von Seiten Persano's
aufgehört.
Jedenfalls
Das Befehlgeben hatte
Durch das Fernhalten des Affondatore
vom Kampfe hatte Perſano die Beſtimmung deſſelben als Reſerve- und Widderschiff außer Acht gelassen und für den Kampf unthätig zurückgehalten, während er dessen Eigenschaft als Widderſchiff im Moment des heißesten Gefechts an den feindlichen Fahrzeugen hätte erproben sollen. Admiral Tegethoff signalisirte seinen Schiffen die Formation in drei CoIonnen mit Cours gegen Nordost.
Dieses Commando wurde pünktlich ausge-
Dadurch kam die österreichische Flotte
die beiden Divisionen der Holz-
schiffe hinter den Panzer- oder Eisenschiffen
vor den Kanal zwischen Lissa
führt.
und Lesina zu stehen.
Der italienische Contre-Admiral Vacca erkannte, daß die
Schlacht verloren sei, und da er nicht wußte , daß Admiral Persano sich in so guter Sicherung auf dem Affondatore befand, gab er der Flotte Befehl, sich Dies geſchah, und ſo entstand ein Raum von faſt vier Seemeilen zwischen beiden feindlichen Flotten. Die italienische folgte dem Kiel-
auf ihn zurückzuziehen.
wasser von Bacca's Schiff und der Rückzug begann.
Kaum bemerkte Persano
dies Manöver, als er den Affondatore in Bewegung seßen ließ und mittels deſſen großer Geſchwindigkeit an seiner nach Weſten ſteuernden Flotte vorüber-
551
Seeschlacht bei Liſſa.
eilte und sich an deren Spize sezte.
Dies geschah in der dritten Nachmittags-
ſtunde ; der Kampf hatte ſomit vier volle Stunden gedauert. Da auf dem freien Meere der Lage nach eine ungeheure Fernſicht stattfindet, so sahen die Desterreicher noch zur Abenddämmerung einen Theil der feindlichen Flotte an dem Horizonte, während
der Nacht jedoch entfernten -ſie
sich Alle, so daß beim Anbruch des Morgens nichts mehr von ihnen zu spüren war.
Nun erst lief die österreichische Flotte in den Hafen von Liſſa ein, theils
der Ausbesserung der hart mitgenommenen Schiffe, theils des Verbrauchs von Kohlen wegen.
Vor dem Hafen kreuzten natürlich, um der Sicherheit der im
Hafen vor Anker gegangenen Schiffe willen, einige Fahrzeuge.
Sofort schickte
Tegethoff einen Aviso mit einem Telegram nach Spalato (Stadt auf dem dalmatischen Gebiete), damit sein Sieg nach Wien telegraphirt werde.
Von Wien
erfolgte sogleich die Antwort : „Dank Ihnen für den Sieg, Herr Vice-Admiral ! " Tegethoff war bis jest weder Admiral noch Vice- Admiral gewesen, obwohl er gewöhnlich kurzweg Admiral genannt wurde. kleidete den hohen Posten eines Admirals.
Ein öſterreichiſcher Erzherzog beAm 21. Juli Abends waren die
Schäden wieder ausgebessert und Tegethoff's Flotte stach in See, um sich nach ihrem früheren Stationsplage, der Rhede von Fajana, zurück zu begeben.
Die
Oesterreicher hatten, den Vorgängen gemäß , bei weitem keinen solchen Verluſt an Menschenleben zu beklagen, als die Italiener.
Dieser wurde auf 900 bis
1000 Mann angegeben, was gewiß nicht übertrieben erscheint , denn mit dem in die Tiefe versunkenen Re d'Italia verſank auch der größte Theil seiner Mannſchaft, nur ein geringer Theil derselben wurde gerettet (aufgefiſcht) .
Das
Auffliegen des Paleſtro nahm faſt deſſen ganze Mannſchaft bis auf 16 Mann und 1 Offizier mit in die Luft. Jeder vernünftige Mensch wird sich nun den Jammer der Italiener bei der Nachricht von diesem Unglücksfall der Flotte vorstellen , indeß wurde das italienische Volk auf das Schamloseste belogen.
Die Zeitungen stroßten von
Erzählungen des erfochtenen großen Seeſieges über die Desterreicher, ſo daß über Italien wirklich der Himmel voll Geigen zu hängen schien , denn man jubelte und jauchzte wie toll, die Leute fielen einander auf den Straßen um den Hals vor Entzücken über den Sieg, den ihre Flotte errungen hatte; an den Straßenecken standen Leute und laſen den Anderen — Leſen und Schreiben ſind für einen großen Theil des armen italieniſchen Volkes noch unbekannte Wiſſenſchaften - die Geschichte von dem ruhmreichen Siege ihrer Landsleute über die
552
Italienische Lügenberichte über die Seeschlacht bei Liffa.
„verhaßten" Desterreicher vor.
Es gab keine Zeitung, große oder kleine, welche
sich nicht in den lächerlichsten Lobpreisungen erging. solchen italienischen gemäßigten
Wir lassen hier einen
und zwar hinsichtlich der Lügen, die er enthält, noch sehr
Zeitungsbericht folgen:
„ Nach der Beſchießung der Befestigungen der Insel Liſſa ſollte es am 19. d. zu einer Seeschlacht zwischen den Geschwadern der Admirale Persano und Tegethoff in jenen Gewässern kommen , während die Italiener sich eben anschickten, durch einen Landungsversuch die Erfolge ihrer Kanonade auszubeuten. Sogleich erhielt der Vice- Admiral Albini, dem dieser Auftrag gegeben worden, Contreordre und zugleich die Weiſung , ſich mit ſeiner Flotten-Abtheilung , die keine Panzerschiffe enthielt, in's Hintertreffen zu begeben.
Persano und Vacca
mit den 8 Panzerſchiffen gingen der österreichischen Flotille entgegen.
Es ent-
wickelte sich bald ein heißer Kampf; die Luft war drückend und schwül ; es regte sich kaum eine schwache Brise. „ Die Flotte Tegethoff's erschien, voran das große Linienschiff der Kaiser, dessen Maschine mit 900 - Pferdekraft arbeitete, während seine 91 Kanonen einen förmlichen Eiſen- und Granathagel auf die herannahenden Italiener warf. Das italienische Panzer-Kanonenboot zweiter Klaſſe , Palestro (erst 1860 mit einem Koſtenaufwande von 1,450,000 Franken erbaut), ſcheint sich hierbei etwas zu weit vorgewagt zu haben.
Thatsächlich ist , daß seine Platten nicht dicht genug
waren, um dem Anprallen der großen eiſernen Kanonenkugeln des österreichiſchen Linienschiffes genügend Widerstand zu leisten.
So gerieth es in Brand .
Der
tapfere Capitain Capellini, ein junger Toskaner, erkannte bald, daß keine Rettung mehr möglich ſei ; dennoch wollte weder er, noch einer seiner Untergebenen die Equipage des Fahrzeuges bestand aus 200 Mann das Schiff verlassen. boote
Das Feuer griff immer weiter um sich.
Persano signalisirte Rettungs-
umsonst , Capellini wollte nichts davon wissen.
Da ergriff das Feuer
die Pulverkammer, ein furchtbarer Donnerschlag erſchütterte die Luft, und unter dem begeiſterten Rufe der Mannſchaft : „ Es lebe Italien ! Es lebe der König ! “ flog der Palestro in die Luft.
Fast gegen ihren Willen wurden 1 Offizier und
16 Matrosen noch gerettet, die Anderen fanden ihr Grab in den Wellen. Gleich beim Beginn des Kampfes hatte Admiral Persano mit seinem zweiten Chef Amico das Admiralschiff Il Re d'Italia verlassen, das, obgleich eine Panzerfregatte erster Ordnung und erst 1860 in Amerika gebaut, troß seiner 36 Kanonen und der 800 - Pferdekraft wenig Vertrauen eingeflößt haben soll.
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Italienische Lügenberichte. Es hatte 6,500,000 Fr. gekostet und etwa 800 Mann an Bord .
Der Versio-
nen, welche das Verlaſſen des Re d'Italia erklären, sind zwei. Einmal nämlich, habe er ſagt man und das ist die dem Admiral günstigere Auslegung, ſich auf den Affondatore , das eiserne Widderſchiff, begeben, um jenes Vorurtheil zu nichte zu machen und so, mitten im Feuer des Feindes sich bewegend, Zeugniß von hohem persönlichen Muthe abzulegen, dann aber behaupten Andere, und nicht gerade die wenigst Zahlreichen, er habe den Affondatore aus dem einfachen Grunde zum Aufenthalte gewählt, weil er im stärksten Kugelregen auf dieſem Schiffe immer noch zehnmal mehr geschüßt gewesen wäre, als auf dem Re d'Italia.
Sicher ist jedenfalls, daß sein Adlatus , der bekannte Advokat und Abge-
ordnete Boggio , das alte Admiralſchiff nicht verlassen zu wollen erklärte und dieſen muthigen Entschluß dann auch nebst dem größten Theile der Equipage mit dem Leben zu bezahlen hatte. „ Der Affondatore, mit einer Maschine von 700-Pferdekraft, näherte sich mit seinem Widder und seinen vier Kanonen großen Kalibers mit Wucht dem Kaiser , sowie zwei anderen Schrauben-Fregatten des Admirals Tegethoff von je 40 Kanonen.
Im ersten Anlaufe wurde schon die österreichische Fregatte Eli-
sabeth so schlimm zugerichtet , daß sie sich sofort zurückziehen mußte und schwerlich im Laufe dieſes Feldzuges wieder dienſttauglich gemacht werden dürfte.
In
ähnlicher Weise erging es dem Kaiser, dessen Hauptmaſt zersplittert und dessen Maschinen arg beschädigt waren, da drei verschiedene Dampfer requirirt werden mußten , ùm ihn in's Hintertreffen zu bugfiren.
Auf italienischer Seite fehlte
es freilich auch nicht an Opfern. Der mehrerwähnte Re d'Italia , troß seiner Panzerdecke, hatte an mehreren Stellen von den österreichischen Geschossen schwere Verlegungen erhalten.
Er begann zu sinken.
Die Mannschaft konnte nur zum
Theil gerettet werden.
Von den 800 Mann der Equipage sind bis jezt nur
13 Offiziere und 140 Matrofen als dem Untergange entronnen angegeben. „Ein anderes Panzerſchiff, Il Re di Portogallo, dagegen entwickelte eine formidable Wirksamkeit, einmal, indem es den Affondatore sehr erfolgreich gegen den Kaiser unterſtüßte , dann aber auch, indem es noch drei österreichische Schiffe so arg zurichtete, daß sie durch Remorquere außer Schußlinie gebracht werden mußten.
Mit Unterſtüßung der Albini'schen Flottenabtheilung wollte Admiral
Persano darauf den Angriff eineuein, aber Admiral Tegethoff hatte sich durch einen Rückzug weiteren Niederlagen entzogen.
Der schmale Meeresarm der
Lesina, der ihm Zufluchtsstätte geworden, hat nur einen Ausgang, und wenn
554
Schmerzliche Enttäuschungen.
er mit seinen Schiffen es wagen wollte, sich desselben zu bedienen , so würde ihm das aus 12 Fahrzeugen bestehende Reserve-Geschwader Albini's schon die Zähne zu weisen wiſſen. „Admiral Persano und Contre- Admiral Vacca führten inzwiſchen
die
8 Panzerschiffe nach Ancona zurück, wo sie Lebensmittel mit Munution aufnehmen, die zahlreichen Verwundeten an's Land seßen und außerdem die Havarien auszubeſſern versuchen sollten, die sie alle mehr oder weniger doch erlitten. Aus allen Mittheilungen erhellt, daß die italieniſche Marine ſich mit großer Bravour geschlagen.
Es sollen sich jedoch die österreichiſchen Panzerschiffe durch
größere Beweglichkeit und ihre Geſchoſſe durch weitaus schwereres Kaliber ausgezeichnet haben. " Der Schwindel dauert indeß immer nur eine Zeit lang , dann zerſtiebt er wie Spreu vor dem Winde.
Die Ernüchterung , welche auf dieſen Jubel,
auf diese tolle Freude folgte, glich einem eiskalten Sturzbade, das die heißblütigen Italiener auf höchst unangenehme Weise überraschte.
Die italienische Re-
gierung hatte einen großen Sieg austrompeten laſſen; vier Tage lang ſchwärmte das glückliche Italien in dieſer Phantaſie und erblickte darin eine Genugthuung für die Schlappe von Custozza.
Niemand bereute die ungeheuren , vom Volke
aufgebrachten Summen, die diese siegreiche Flotte koſtete
der Sieg bei Liſſa
wog dieſe Summen auf, sie, die Flotte, hatte sich ja auf's Herrlichſte bewährt ; aberaber wie die Enttäuschung kam, wie allmälig die Wahrheit Play griff, daß der große Seesieg eine derbe Niederlage gewesen sei , da ging der Jubel in Verwünschungen über.
Man verfluchte das Lügenſyſtem, durch das man das
Volk blind und dumm machte.
Nun geschah aber noch etwas, das einem Räthsel
ſo ähnlich sah, wie ein Ei dem andern. kehr im Hafen von Ancona.
Der Affondatore sank nach der Rück-
Man erstarrte, weil man diese Thatsache nicht
begriff; aber bald kam man auf die jedenfalls nicht ungerechte Vermuthung, daß das Sinken eines so kostbaren Schiffes vielleicht Dem oder Jenem sehr erwünscht gewesen sein dürfte. „Rache! Rache!"
Nun schrie das vor Kurzem noch jubilirende Volk:
Man verlangte Untersuchung, strenges Strafgericht über Alle,
welche Schuld an dieſer Niederlage hatten.
Was erzählte man sich da Alles
von Persano, der vor wenig Tagen erst vergöttert worden war als Sieger, als Seeheld !
Da sollte er von der Regierung Ersatz für sein mit dem Re d'Italia
in die Tiefe des Meeres versunkenes, prächtiges, goldgerändertes Porzellan und
Admiral Perſano vor dem Kriegsgericht. — Brief des Kaiſers Napoleon an Victor Emanuel.
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für einen mit allen möglichen Parfümerien angefüllten Behälter gefordert haben, und mehr solchen Klatsch. Um die Aufregung im Volke zu beschwichtigen, mußten die Zeitungen sich der Aufgabe unterziehen, das Geſchehene als ein Zuſammentreffen widriger Zu- und Mißverſtändniſſe darzustellen und schildern , was Persano auf dem Affondatore Alles geleistet habe, wie er mit diesem Schiffe in den heftigsten Kugelregen hineingefahren sei und welchen von den Führern seiner Schiffe nicht oder falsch verstandene Commando's er gegeben habe.
Nur schade war's , daß
der österreichische Flottenbefehlshaber Tegethoff von alle Dem, was Persano mit dem Affondatore gethan haben wollte oder sollte, auch gar nichts bemerkt hatte.
Ein Widderschiff ist kein Gegenstand, der unsichtbar bleiben kann; únter
allen Umſtänden müßte Tegethoff doch geſehen haben, daß ein Widderſchiff gegen sein eigenes Flaggenſchiff angefahren sei;
aber davon wußte Tegethoff nichts
und auch keiner seiner Unterbefehlshaber.
Da die Regierung nicht den Mantel
der christlichen Liebe über diese Niederlage decken konnte, sah sie sich in die Nothwendigkeit verſeßt, über Persano ein Kriegsgericht anzuordnen.
Daß ihm
dies nicht sehr wehe thun würde, wußte er im Voraus , denn nach einem bekannten Sprichwort hackt eine Krähe der andern die Augen nicht aus.
Nach
mehr als einer dreivierteljährigen Untersuchung fiel endlich der Urtheilsſpruch. Perſano ward seiner Stellung enthoben und mußte die gerichtlichen Koſten tragen.
Das war das Ende vom Liede, dessen Melodie auch anderwärts als keine
unbekannte in ähnlichen Fällen angesehen worden ist. Wir haben schon ausgesprochen, daß Italien keineswegs durch seine eigene Kraft und Thaten sich Venetien erworben, sondern daß es dasselbe dem Siege der Preußen bei Königgräß verdanke, troßdem machten die Italiener doch verſchiedene Ansprüche und Entgegnungen, als sie bei den zwiſchen Preußen und Desterreich gepflogenen Verhandlungen über die Friedenspräliminarien ſich in der Eigenschaft als Preußens Verbündete betheiligten .
Indeß Waffenſtillstand
und Friedenspräliminarien kamen glücklich zu Stande.
Der Kaiser von Frank-
reich beglückwünschte deshalb brieflich den König von Italien , als hätten die Italiener bewunderungswürdige Großzthaten ausgeführt. Das Schreiben des Kaisers Napoleon an den König Victor Emanuel lautet nach dem „ Moniteur " wörtlich : Herr Bruder!
St. Cloud , 11. August 1866.
Mein
Ich habe mit Vergnügen vernommen , daß Ew. Majestät dem
Waffenstillstande und den Friedenspräliminarien , die zwischen dem König von
556
Brief des Kaisers Napoleon an Victor Emanuel. ―
Die eiserne Krone der Lombardei.
Preußen und dem Kaiser von Oestreich unterzeichnet worden , beigetreten sind. Es ist also wahrscheinlich, daß eine neue Aera der Ruhe für Europa anhebt. Ew. Majestät weiß, daß ich das Anerbieten Venetiens angenommen habe, um dieſes Land vor jeder Verwüstung zu bewahren und unnüßes Blutvergießen zu verhüten.
Mein Zweck ist stets gewesen, es sich selbst wiederzugeben, damit Ita-
lien frei sei von den Alpen bis zur Adria.
Selbst Herr seines Schicksals, wird
Venetien bald durch allgemeine Abstimmung seinen Willen kund thun können . Ew. Majestät wird anerkennen, daß in dieſer Angelegenheit Frankreich abermals im Intereſſe der Menschheit und der Völkerfreiheit gehandelt hat.
Ich bekräftige
Ihnen auf's Neue die Gefühle der Hochachtung aufrichtiger Freundſchaft, mit denen ich bin Ew . Majestät guter Bruder Napoleon . “ Bei Gelegenheit der später folgenden Friedensverhandlungen wurden auch die Lügen zu Schanden , welche die italienischen Blätter in Bezug auf Süd- oder Welschtirol, um das Volk zu täuschen, so geflissentlich verbreitet hatten. Es wurde klar, daß das füdtirolische Gebiet durchaus nicht von den Italienern erobert worden war. war bitter genug.
Eine Enttäuschung folgte immer der andern , und das
Würde Desterreich, wenn Südtirol wirklich von Garibaldi's
Rothhemden und Medici's Brigaden gewonnen worden wäre , ſich mit Erfolg haben weigern können, es abzutreten ?
Gewiß nicht.
Jedem,
auch dem kurz-
ſichtigſten Italiener mußte die Wahrheit einleuchten , daß man dem gegenüber, was man nicht im Beſiß hat, auch vernünftiger Weiſe keinen durchſchlagenden und alle Einwendungen des Gegners zu nichte machenden Anspruch durchseßen kann.
Eine Freude erblühte den Italienern indeß doch aus den mit Deſterreich
gepflogenen Friedensunterhandlungen, eine Freude, welche zwei Alterthümer, die sich in Desterreichs Händen befanden, in ihren Besiß zurückbrachte, nämlich die eiserne Krone der Lombardei und die dazu gehörende Saphirschale. Die eiserne Krone ist ein goldener , mit Juwelen beseßter Reifen, der auf der innern Seite mit einem dünnen eisernen Streifen belegt ist.
Letteres
Eiſenband wurde der Sage nach aus einem der Nägel des Kreuzes Christi gearbeitet, den die Kaiſerin Helena aus Palästina zurückgebracht haben soll.
Sie
war im Jahre 593 von Papst Gregor der longobardischen Königin Theodolinde gegeben worden, und gegen das Jahr 600 wurde zuerst König Agilulf damit gekrönt, ein Beispiel, dem dann alle seine Nachfolger, 34 an der Zahl, treulich nachgefolgt sind.
Nachdem sich Karl der Große im Jahre 774 mit ihr gekrönt,
thaten auch alle fränkiſchen wie italieniſchen Könige nach ihm dasselbe.
Otto
557
Entthronte deutsche Fürsten.
der Große, der erste deutsche Kaiſer und König von Italien zugleich , sezte sie sich 962 auf's Haupt, Friedrich Barbarossa 1155, Karl V. in Bologna um 1530. Nach dem Tode Karl's V. vergingen 247 Jahre, ohne daß ein Fürst sich mit ihr gekrönt, d . h. ohne daß ein König von Italien eristirt hätte.
Na-
poleon I. machte sich darauf zum König von Italien , 1805 , und gründete den bekannten Orden von der eisernen Krone, mit dessen Verleihung noch jezt die persönliche Erhebung in den Adelstand verbunden ist.
Im Jahre 1838 krönte
sich auch Ferdinand I. als Beherrscher des lombardo -venetianischen Königreiches mit ihr.
In der Nacht vom 22. zum 23. April 1859 flüchteten die Dester-
reicher das Kleinod erst nach Mantua und dann nach Wien , wo es sich noch befand. Wenden wir uns nun zu den förmlich umgewandelten Verhältnissen Deutſchlands zurück.
Entthronte deutsche Fürften.
Die Zeiten ändern sich gewaltig.
Der berühmte Verzweiflungsschrei,
den Shakespeare, der größte Dichter Englands , seinem Richard IIL in den Mund legt: „ Ein Pferd ! Ein Pferd ! Ein Königreich für ein Pferd ! " ließ sich im Jahre 1866, obwohl es scharf um Königreiche und Fürſtenlande herging, zwar von keinem der aus ihren Ländern vertriebenen deutschen Fürsten vernehmen, dafür aber entwickelten sie mehr oder minder eine feste und eifrige Opposition gegen ihren Besieger Preußen.
König Georg von Hannover bezeigte die hartnäckigſte
Weigerung, auf Preußens Vorschläge und Forderungen einzugehen, und ſelbſtverständlich kann sich Niemand darüber verwundern , denn so mit einem Male sich ausgestrichen zu wiſſen aus der Liste der Regenten, seine Familie heruntersteigen zu sehen in den Privatstand, nicht mehr sagen zu sollen: „ Wir von Gottes Gnaden“, und gleich dem ersten aus dem Paradieſe ermittirten Menſchenpaare, sein Land verlaſſen zu müſſen , ohne wieder in dasselbe zurückkehren zu dürfen, das ist unter allen Umständen ein hartes Schicksal, und solche Selbstverleugnung zeigt weder der ärmste Bürger in seinen geringen Verhältniſſen, noch daß sie einem Fürſten wohl anstände.
558
Entthronte deutſche Fürſten.
(König Georg von Hannover.)
Aber auch seine Hannoveraner waren keineswegs mit dem Wechsel der Dinge einverstanden.
Ob auch Vieles unter Georg Rey geschehen war, was
eben nicht zur Freude des Volkes gereichte und böses Blut bei ihnen machte, so hielt es doch ziemlich fest zu ihm , und Preußen hatte eben nur das Land, aber nicht die Herzen des Volkes gewonnen.
Sehr traurig stände es um die-
Fürsten, wenn die Völker bei derartigem Wechſel , wie er Hannover traf, ſich theilnahmlos verhalten würden. Es ist wohl selbstverständlich, daß wir auf Schilderung aller OppoſitionsKundgebungen von Seiten der Hannoveraner gegen Preußen nicht eingehen können, da ihre Aufzählung den unserem Werke gesteckten Raum bei Weitem übersteigen würde. König Georg war nach Wien gegangen und hielt in Hießing (Luſtort in der Nähe Wiens) Hof, seine Gemahlin war in Herrenhauser in Hannover geblieben, und dieſe Trennung des Königspaares zeigte sich als ganz geeignet, auf die Stimmung des Volkes großen Einfluß zu üben , denn durch der Königin Bleiben daselbst wurde einestheils der Schein genährt, als befäße ihr Gemahl noch Macht und Recht im Lande und anderntheils blieben die geheimen Verbindungen zwiſchen König Georg und seinem Volke im Gange , es konnte von der königlichen Partei nach Möglichkeit agitirt werden, und darin wurde gerade nicht Geringes geleistet. Nicht allein geheimen, auch offenbaren Ausdruck gaben die Hannoveraner ihrem Patriotismus.
So pilgerten Einzelne, wie auch Deputationen zum Könige
nach Hiezing. Natürlich war dieser sehr erfreut über solche Kundgebungen, und die Tage der Ankunft derartiger Deputationen machte er stets zu Festtagen. Bei einer dieser Gelegenheiten
es war just zu derselben Zeit, als in Berlin
das Einverleibungs- Decret erschien , welches Hannover zu einer preußischen Provinz umwandelte
wo 22 Hannoveraner ihm eine mit angeblich 264,000 Unter-
schriften bedeckte Adresse überreicht hatten, brachte König
Georg folgenden
Trinkspruch bei Tafel aus : „Ich freue mich, mich umgeben zu wiſſen von einer größeren Zahl meiner Unterthanen, die aus weiter Ferne gekommen sind, mich der Treue des Landes zu versichern. Solche Anhänglichkeit rührt das Herz, und ich fühle mich deshalb von Herzen gedrängt , ein Wohl auszubringen, das mir stets am Herzen lag, im gegenwärtigen Augenblicke aber um so theurer ist das Wohl meines Volkes, jenes Volkes, das zu allen Zeiten andern vorangeleuchtet in unwandel-
Entthronte deutsche Fürsten.
barer Liebe zu ſeinem Fürsten.
(König Georg von Hannover.)
559
Schon einmal hat dieses Volk Gelegenheit ge-
habt, dieſe Liebe und Treue zu beweisen, schon einmal, im Anfang dieses Jahrhunderts, hat es unter mehrjähriger Fremdherrschaft unerschüttert festgehalten an dem Hause der Welfen.
Und diese Treue ist belohnt worden.
Die Dynastie
meiner Ahnen ist wiedergekehrt , ist mit ihrem Volke wieder vereinigt worden. Wie das Volk damals ausgeharrt, so sei es auch jezt, es halte auch in diesen Zeiten fest an seinem Vertrauen auf seinen König , gleichwie ich festhalte an der Ueberzeugung,
daß nichts mir das Herz meiner Unterthanen entfremden
könne, und daß selbst die Noth der Zeit das
Band zwiſchen Herrſcher und
Volk nur immer wärmer und inniger knüpfen werde.
Ich baue auf Gottes
Gerechtigkeit, die das Haus der Welfen wieder in die Burg seiner Väter zurückführen wird.
Und so fordere ich denn alle Anwesende auf, das Wohl des ge-
liebten Hannoveraner-Landes nach alter hannöverscher Sitte zu feiern und mit mir in ein dreimaliges Hoch einzuſtimmen. “ Diesem Trinkspruch folgte ein von allen Anwesenden gefaßter Proteſt gegen das Vorgehen Preußens . Es ist eine auffallende Thatsache, daß die Fürſten allemal in schlechten, d. h. ihre Dynastien bedrohenden Zeiten ein merkwürdiges Gedächtniß für die Opferfreudigkeit ihrer Völker in ähnlichen, glücklich überstandenen Perioden haben, aber gelegentlich in beſſeren Tagen sich nicht daran erinnern und Manches verfügen, was schroff gegen den Willen des Volkes lautet und eben nicht zum Heil des Landes dient.
Die Geschichte bietet so viele Beiſpiele dieſes Widerspruches
der Thaten gegen Worte und Versprechungen , daß Beweiſe dafür aufzuzählen wohl unnöthig sein dürfte. Man muß es den Hannoveranern zugestehen , daß sie keine Gelegenheit vorbeigehen ließen, wo es schicklich schien, Demonstrationen für ihr Königshaus zu machen.
Der 21. September ( 1866), als Geburtstag ihres Kronprinzen, ſah
dergleichen , die anfänglich sehr harmlos,
gleichsam durch die Blumenſprache
gegeben, sich bemerkbar machten, später aber in arge Tumulte ausarteten. Man bestreute die Trottoirs (in der Hauptstadt) mit gelbem und weißem Sande, stellte gelbe und weiße Blumen an die Fenster und trieb dieſe farbige Bekundung des Patriotismus mit Allem, was dazu geeignet war. Die unteren Schichten verstanden den Sinn dieſer bunten Andeutung : „Hoch lebe das Haus der Welfen ! unser Königshaus ! " ganz gut, und die Folge davon war , daß sie ſtatt mit Sand und Blumen zu demonſtriren, dies mit Fäuſten gegen die Preußen thaten.
560
Demonſtrationen in Hannover.
Es kam zu sehr gröblichen Ercessen, bei denen das Militär einschreiten mußte. Am andern Morgen wurde von Seiten der Polizeidirection eine scharfe Bekanntmachung erlassen. dagewesen.
Solche Kundgebungen sind nichts Neues , schon früher
Als Sachsen 1815 getheilt werden sollte und auch wurde , ereig-
neten sich ganz ähnliche Demonstrationen ; in der jeßt Preußen schon 50 Jahre lang angehörenden ehemals ſächſiſchen Provinz kochte es stark und es gab viel böses Blut. Mancher sächsische Patriot büßte hart, daß er nicht vergessen konnte, was er kraft preußischen Befehls vergessen sollte und mußte. Indeß kamen im Hannoverschen auch ganz entgegengesette Ansichten zu Tage.
So z. B. beſchloſſen die städtiſchen Collegien von Hildesheim, den Erlaß
der Einverleibungs- Proclamation durch Flaggen von den städtischen Gebäuden und Abfeuern von 101 Kanonenſchüſſen zu feiern.
Dergleichen Freudenbezeu-
gungen über die neue Ordnung der Dinge blieben jedoch vereinzelt, eben so wie der Eintritt der hannöverschen Offiziere in die preußische Armee kein besonders zahlreicher war und besonders Cavalerieoffiziere (in der Regel wohlhabenden Familien angehörend) sich von demselben fern hielten. nun freilich ein ganz eigenthümliches Verhältniß . zwischen zwei Feuern.
Mit den Beamten war das Sie standen buchstäblich
Hielten sie zum Welfenhauſe, ſeßten sie sich preußischen
Maßregelungen aus oder wurden ihrer Aemter entlassen, zeigten sie sich Preußen willig, so
luden sie den Haß
der Königlichgesinnten
auf sich.
Manchen
dieser Angestellten mochte unter dieſen Umständen sehr übel zu Muthe ſein, denn wer weiß nicht, daß es nur sehr wenige Beamte giebt, welche in eigenem Vermögen einen Rückenhalt besißen, wer weiß nicht, daß sehr viele Staatsdiener, sobald der Tod ihnen die Augen schließt, ihre Familien in schweren Lebenssorgen zurücklaſſen, weil es nicht möglich, von ihrem Gehalt einen Sparpfennig zurückzulegen! In Hannover mußten indeß von Seiten der Beamtenſchaft doch sehr viele Beispiele von Widerhaarigkeit vorgekommen sein ,
denn es wurde
schließlich von Berlin aus folgender strenger königlicher Erlaß an den preußiſchen General-Gouverneur gesendet: „Ich ermächtige Sie hierdurch, jeden Beamten der Ihrer Verwaltung anvertrauten Provinz, sobald Sie es im Interesse meines Dienstes für erforderlich halten, ohne weitere Rückfrage vom Amte zu suspendiren.
Von dieser Er-
mächtigung haben Sie unverzüglich Gebrauch zu machen in Betreff aller derjenigen Beamten, auf deren rückhaltlose Mitwirkung, behufs Ausführung meiner Ihnen bekannten Intentionen, Sie nicht glauben rechnen zu können; für die
561
Bekanntmachung der Polizeibehörde in Celle.
provisorische Vertretung der suspendirten Beamten ist Sorge zu tragen und behufs einer definitiven Entſcheidung über die Frage der Dienſtentlaſſung an das Staatsministerium zu berichten.
Diejenigen der ehemaligen hannöverschen
Armee angehörigen Militärpersonen, welche sich an Agitationen mittelbar oder unmittelbar betheiligen, haben Sie unverzüglich nach der Festung Minden abführen zu laſſen, damit gegen dieſelben die weitere kriegsgerichtliche Unterſuchung eingeleitet werden kann.
Solche Individuen , welche sich Beleidigungen gegen
uniformirte Militärpersonen, lettere mögen sich im Dienste befinden oder nicht, zu Schulden kommen laſſen, haben Sie sofort aufgreifen und nach Minden abführen zu laſſen, woſelbſt ſie bis zu einer weiteren Verfügung, eventuell bis zu definitiver Ordnung der Verhältnisse zu detiniren sein werden.
Für die fofor-
tige pünktliche Ausführung dieses Befehles mache ich Sie persönlich verantwortlich. " Das war ein haarſcharfer königlicher Erlaß, der natürlich wenig geeignet erſchien, die Gemüther des Volkes mit den neuen Herren des Landes zu versöhnen, indeß die Vorgänge, welche dieser Strenge zu Grunde lagen, waren allerdings derart, daß ſtreng dagegen eingeſchritten werden mußte. Die Polizeibehörde in Celle erließ deshalb folgende , ein sehr grelles Licht auf den Haß der Hannoveraner gegen die Preußen werfende Bekanntmachung : „Vielfache Neckereien und Reibereien , denen das hiesige preußische Militär aller Grade ausgefeßt gewesen ist , insbesondere ein im Laufe der leßten Tage in der Neustadt vorgekommener Fall empörender Rohheit, in welchem ein preußischer Soldat in abendlicher Dunkelheit unverhofft auf dem Wege nach ſeinem Quartier ohne jeden Anlaß von drei Männern überfallen , theils mit seinem ihm abgenommenen Seitengewehr, theils mit einem Meſſer mehrſeitig verwundet und durch Abhacken eines Daumens für seine Lebenszeit zum Krüppel gemacht ist, veranlassen die unterzeichnete Behörde zur dringenden Aufforderung an die Familienväter und Arbeitgeber, nach Kräften durch Abmahnung und Warnung dahin in ihren Kreisen zu wirken , daß inskünftige derartige Fälle unterbleiben" u. f. w. Es ist sehr zu beklagen, daß durch solchen bestialiſchen Haß roher Subjecte, denen Vernunft und Menschlichkeit nie zu empfehlen und zu lehren, nur einzubläuen ist, die beſſeren und ruhigen Staatsbürger leiden müſſen, indeß hat sich dieses Uebel zu allen Zeiten herausgestellt, die große Maſſe kennt nur Leidenschaften gröbster Art, selten und fast nie Vernunft. 36
562
Preußische Maßregeln in Hannover. Dem erwähnten königlichen Erlasse zufolge wurde nun mit bedeutender
Strenge vorgeschritten.
Nicht nur, daß Beamten - Suspendirungen jezt daran
kamen, ſondern auch Abführungen verſchiedener gravirter Perſonen nach Minden. Unter Anderen der Commandeur des Regiments Cambridge-Dragoner, Graf Kielmannsegge, und ein als Agitator gegen Preußen sehr bekannter Mann, der Kaufmann Sontag.
Ihm soll außer anderen Wühlereien auch die Forthilfe
junger, militärpflichtiger Männer nach England zur Last fallen.
Jedenfalls ist
das Loos eines Festungsgefangenen kein beneidenswerthes .
Die preußische Regierung nahm unter solchen Verhältnissen natürlich keine Rücksicht und Schonung mehr, sondern zeigte, daß sie sich der Herrschaft im Lande Hannover zu bedienen verstehe.
Am 23, November ergriff sie Besiz
von dem Marstall und sonstigen König Georg gehörenden Baulichkeiten .
Ebenso
wurde die Kronkasse und die Kron- Schatullenkasse geschlossen, so daß keine Zahlungen mehr daraus gemacht werden durften.
Desgleichen trafen die
Preußen Veranstaltung, daß keine Gelder mehr aus dem Lande nach Wien an König Georg abgingen ; die für den Hofhalt der Königin Marie, welche von Herrenhausen nach der Marienburg übersiedelt hatte , durften nur nach erfolgter Genehmigung ausgezahlt werden. nen, daß tro
erst
Ueberdies kann Niemand leug-
alle dem so sichtbaren Haß und Widerwillen, den die preu-
ßische Regierung in Hannover erfuhr, ſie immerhin in Betreff der genannten Königin eine bedeutende Zurückhaltung an den Tag gelegt hat ; denn es lag ja auf der Hand, daß die hohe Frau bei ihrem Verbleiben im Lande, wo der Aufenthalt für sie kein angenehmer ſein konnte,
da ihr Gemahl nicht
mehr regierte, besonderen Zwecken gleichsam zur Schüßerin diente.
Man er-
zählte sich, daß der Leibjäger der Königin viel im Lande umherreise und ein Mitglied eines geheimen Comité's sei, welches Proteste gegen die Annexion in Umlauf feßte.
Ueberall, wo er erschien , tauchten jene Proteſte auf. In den Städten wurden sie von patriotischen Zünstlern und ehemaligen Unterbedienten verbreitet, auf dem Lande dagegen colportirten Herren und Damen von Adel, Förster und andere Angestellte diese Erlaſſe. Wie das Volk sich die Ursachen der Vorgänge denkt und sie gleichsam für den gemeinen Menschenverſtand zurecht macht, dürfte aus Folgendem zur Genüge
erhellen.
Daß Louis
Napoleon beim Prager Frieden (1866)
nicht eben so für den hannoverschen wie für den sächsischen Monarchen eingetreten sei, habe seinen Ursprung aus Georg Rey Benehmen gegen Napoleon.
Kurhessische Zustände vor der Annexion.
Kaiſer Napoleon und König Georg Rex.
563
Bei dem im Juli 1860 zu Baden- Baden stattgehabten Fürsten-Congreß hatte Napoleon dem Könige von Hannover den Großcordon der Ehrenlegion zugedacht, doch dieser, dem es nicht convenirte, seinen höchsten Hausorden als Gegengeschenk zu bieten, vermied es ängstlich, mit dem französischen Kaiser allein zusammen zu treffen.
Da erscheint plößlich eines Morgens Napoleon
unangemeldet in des Königs Zimmer und überrascht dieſen malitiös mit dem gefürchteten Orden, so daß die hannöversche Ordensertheilung an ihn nicht mehr zu umgehen war.
Seitdem ſollte Napoleon einen Pik auf Georg Rer haben.
Wenn schon die Majestät von Frankreich mit einem eisernen Gedächtniß geſegnet ist, so dürfte dieselbe doch sicher keinen so großen Werth auf den hannöverschen Hausorden legen.
Die napoleonische Verwendung für Sachsen
datirt nicht nur aus tiefer liegenden politischen Gründen, als auch aus den Erinnerungen an ehemals. Wenden wir nun unsere Aufmerkſamkeit dem vom gleichen Looſe betroffenen Kurfürsten von Hessen zu. Dieser hohe und zuweilen sehr ungnädige Herr, welcher in einer Reihe. von Jahren sich zum Gegenstande besonderer Aufmerksamkeit des
deutſchen
Volkes machte, hat das Walten einer Se. Hoheit gewiß sehr hart demüthigenden Nemesis erlebt, da es sicherlich zu den auffallendsten Ereignissen gehört, daß das kurfürstlich hessische Volk keine Petition um sein Verbleiben in der Regierung eingebracht hat, im Gegentheil den Wandel in derselben mit einer Ruhe hinnahm, die keineswegs sehr erbaulich für ihn sein mußte. Kurhessen stellte seit 1860 das Bild eines ganz eigenthümlich gearteten Staatslebens dar.
Es war damals die Arena , in welcher Uebergriffe und
von Seiten seines Regenten
hartnäckiges Verweigern der Anerkennung der
freiſinnigen Landesvertretung vom 5. Januar
1831
gegen eine sich streng
in ihren Schranken und Befugniſſen haltende und paſſiven Widerstand gegen jede Octroirung leistende Ständeversammlung sich breit machten.
Daß dieſer
fortgesette Kampf fürstlicher Willkür gegen das anerkannte Recht beim hessischen Volke einen unvergeßlichen Eindruck machte, lehrte das Jahr 1866, wo der Kurfürst unbedauert und ungeliebt seinem Lande den Rücken kehren mußte. Die Kaſſeler allein fühlten seine Abweſenheit ſchmerzlich, denn seine Hofhaltung brachte ihnen klingenden Verdienst. Wurde auch der Kurfürst 1862 durch den passiven Widerstand der Volksvertreter, durch die arge Klemme, in die seine Regierung gerieth, als an manchen Orten des Landes, namentlich in
36*
564
Kurhessische Zustände vor der Annexion .
Hanau, die Steuerzahlungen verweigert wurden, und durch fortdauerndes Andrängen des Königs von Preußen, sein verfassungswidriges Treiben aufzugeben, gezwungen, laut Verordnung die alte kurheſſiſche Verfaſſung von 1831 sammt dem Wahlgefeß von 1849 wiederherzustellen, so that er doch das Möglichste, um die Ständeversammlung zu chicaniren. Er ließ einmal um's andere die Stände zuſammenrufen, aber sie mußten nach kurzer Frist wieder nach Hause gehen aus Mangel an Wo soll bei solchem Spiel die Volksliebe herkommen ?
Vorlagen.
Jede noch so nach-
drückliche Vorstellung der Stände, daß beim Stillstand der Gesezgebung die Staatsmaschine in's Stocken gerathe und der Wohlstand des Landes die schwersten Schläge erhalte, prallte an seinem ſtarren Eigensinne ab, und die richtige Folge davon war, daß man in ihm für Land und Volk betrachtete.
eher einen Verderber als Segenspender
Darum blieben auch die Zeichen der Volks-
trauer aus, als er auf sein Regieren Verzicht leiſten mußte. Die Ueberzeugung, daß er, nachdem er als Staatsgefangener im Stettiner Schlosse wohnte, nicht mehr an's Regiment kommen werde , muß ihm sehr stark vorgeschwebt haben.
Als einige ihm
treu gebliebene hessische Beamte
die schriftliche Anfrage, er möge ihnen Verhaltungsbefehle geben, wie ſie den im Lande die Herrschaft führenden Preußen gegenüber Stellung nehmen sollten, an ihn nach Stettin schickten, antwortete er brieflich sehr lakonisch : „Les't im Buche Baruch, 4. Kapitel, 17, 18., 19. und 20. Vers. " Verse enthalten Folgendes : „ Aber wie kann ich euch helfen?
Die angedeuteten Denn der über
euch gebracht hat dies Unglück, wird euch von eurer Feinde Hand erretten. Ziehet hin, ihr lieben Kinder, ziehet hin , ich aber bin verlassen , einjam. Ich habe mein Freudenkleid ausgezogen und das Trauerkleid angezogen, ich will schreien zu dem Ewigen für und für. " Die Wandlung seines Geschickes machte einen tiefen Eindruck auf ihn. Als er die Kunde von dem Erscheinen der königlichen Botschaft erhielt, durch welche die Annerion des Kurfürstenthums niedergeschmettert,
daß
ausgesprochen wurde,
war er so
er selbst seiner nächsten Umgebung tagelang keinen
Zutritt mehr zu seiner Person gestattete und Niemand ihm nahen durfte. Die gemeinschaftliche Tafel, an der außer der Gräfin Yſenburg (ſeiner Tochter) auch täglich die Herren des Gefolges, zuweilen auch eingeladene Gäſte Theil nahmen, wurde aufgehoben, Spazierfahrten und Promenaden eingestellt. Selbst an seinem bald darauf folgenden Geburtstage durfte außer der Tochter Niemand
Entbindung der kurhefſiſchen Armee- Division vom Fahneneide.
zu ihm .
565
Den Schlag hatte er nicht erwartet ; ob er aber zu der Einsicht ge-
langte, daß er für sein wahrhaft in Geduld erprobtes Hessenvolk eben kein Herr nach dem Willen Gottes gewesen, ist schwer zu glauben.
Glücklicherweiſe kam
auf seine Meinung nichts mehr an. Kraft des Vertrages, den er mit Preußen schloß, beſtätigte ihm dieſes die ungeschmälerte Disposition über sein Privatvermögen und seine Apanage, dagegen blieb das Domanialvermögen dem Lande mit der Bedingung, daß aus deſſen Ertrage die daraus bisher gedeckten Steuern auch fernerhin gedeckt werden. 600,000 Thaler erhielt er baar ausgezahlt.
Dieser Vertrag, der ihm die Re-
venüen des Hausschaßes und aller Einkünfte, welche durch Verpachtung 2c. der zum Hausfideicommiß gehörenden Güter, Schlöſſer 2c. aufkommen, zuſprach, war wahrhaftig kein ungünſtiger , und es gab sehr viele Leute im hessenkaſſelſchen Lande, welche in Verkennung der dem treuen Hessenvolke erzeigten Wohlthaten von Seiten des Kurfürsten diesen Vertrag für denselben als zu generös ausgefallen ansahen.
Selbstverständlich erfolgte nun auch die Entbindung der Civil-
und Hofdienerschaft, sowie des kurheſſiſchen Militärs vom Fahneneide.
Nachdem
am Morgen des 20. Septembers die Urkunde der Entbindung vom Fahneneide veröffentlicht worden war, ging hinsichtlich der in Kaſſel befindlichen kurfürstlichen Truppen die Ceremonie der Fahneneid- Entlaſſung am Nachmittag deſſelben Tages im Exercirhause vor sich.
Generalmajor v. Loßberg las den um ihn versam=
melten Soldaten die betreffende Urkunde vor und theilte ihnen folgendes, von ihrem
bisherigen
Kriegsherrn an sie
gerichtete
eigenhändige Begleit-
schreiben mit : „ Generäle, Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten meiner kurhessischen Armee- Division! heran.
Der schwerste Augenblick meines Lebens tritt an mich
Die Gewalt welterſchütternder Ereigniſſe macht es zur gebieteriſchen
Nothwendigkeit, daß ich als Euer Kriegsherr von Euch scheide.
Wie schwer
es mir wird, mich dieser Nothwendigkeit zu fügen, das fühlt ein Jeder von Euch, und nur der Gedanke, daß unter den eingetretenen Umständen mein Entschluß zu Eurem Wohle gereichen wird, hat mich dazu bewegen können. Für Euer Wohl zu sorgen , war ja stets mein unausgeseßtes Beſtreben. Nehmt meinen innigsten Dank für die mir geleisteten treuen Dienste. Verlaſſet auch fortan nie die Bahn der Ehre und des Ruhmes , bleibet treu in gewissenhafter Erfüllung Eurer Pflichten und seid eingedenk der glorreichen, vielhundertjährigen Geschichte Eurer Vorfahren .
Und somit ent-
566
Friedensvertrag zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt.
binde ich Euch von dem mir , Euerm Kriegsherrn, geleisteten Fahneneide. Gott schüße Euch und mein theures Heffen.
Gegeben zu Stettin, den 17. September 1866. gez. Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Heſſen. “ Und mit dieſem Lebewohl verschwindet der leßte deutsche Kurfürst aus der Geſchichte.
Was in Betreff ſeiner über dieſen Zeitpunkt, wo er in den
Stand eines Privatmannes trat, hinausreicht, liegt außerhalb der Schranken, die unserem vorliegenden Werke gesteckt sind .
Sein Vetter, der Großherzog von
Hessen-Darmstadt, hatte ein beſſeres Loos ; er schloß mit Preußen einen Friedensvertrag ab, von welchem wir hier eine gedrängte Uebersicht geben. Die bezüglich der gegenseitig abzutretenden Gebietstheile
getroffenen
Vereinbarungen lauteten in demselben wie folgt : Art. 14.
Se. Königl. Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein
u. s. w. tritt an Se. Maj . den König von Preußen mit allen Souverainetätsund Domanialrechten ab : 1) die Landgrafſchaft Heſſen-Homburg , einſchließlich des Oberamtsbezirks Meisenheim, jedoch ausschließlich der beiden, in der königlich preußischen
Provinz
Sachſen
gelegenen hessen- homburgiſchen Domanialgüter
Hötensleben und Orbisfelde ; II) folgende bisher zur Provinz Oberhessen gehörigen Gebietstheile, nämlich :
1) den Kreis Biedenkopf; 2) den Kreis Vöhl,
einschließlich der Enclaven Eimelrod und Höringhausen ; 3) den nordwestlichen Theil des Kreiſes Gießen, welcher die Orte Frankenbach, Krumbach, Königsberg, Felingshausen, Bieber, Haing, Rodheim, Waldgirmes, Naunheim und Hermannſtein mit ihren Gemarkungen umfaßt; 4) den Ortsbezirk Rödelheim;
5) den
unter großherzoglich hessischer Souverainetät stehenden Theil des Ortsbezirks Nieder -Ursel.
Mit ſeinen jämmtlichen , nördlich des Mains liegenden Gebiets-
theilen tritt Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein u. s. w. auf der Basis der in den Reformvorschlägen vom 10. Juni d. J. aufgeſtellten Grundſäße in den norddeutſchen Bund ein, indem er sich verpflichtet, die geeignete Einleitung für die Parlamentswahlen dem Bevölkerungs-Verhältnisse entsprechend zu treffen.
Das infolge dessen auszusondeinde, zum norddeutschen Bunde gehörige großherzoglich hessische Contingent tritt unter Oberbefehl des Königs von Preußen, nach Maßgabe der auf der Basis der Bundesreform-Vorschläge vom 10. Juni d. J. zu vereinbarenden Bestimmungen.
Friedensvertrag zwischen Preußen und Hessen- Darmstadt.
Art. 15.
567
Se. Majestät der König von Preußen tritt an Se. Königl.
Hoheit den Großherzog von Heffen und bei Rhein u. s. w., behufs Herſtellung territorialer Einheit , in der
Provinz Oberhessen folgende Gebietstheile mit
allen Souverainetäts- und Domanialrechten ab :
1 ) den vormals kurheſſiſchen
District Kazenberg mit den Ortschaften Ohmes , Bockenrode , Ruhlkirchen, Seibelsdorf; 2) das vormals kurhessische Amt Nauheim mit den sämmtlichen landesherrlichen Eigenthumsrechten und den in Nauheim befindlichen Bade-Anstalten und Salinen, sowie den Ortſchaften Dorheim, Nauheim, Schwalheim und Rödchen ; 3) das östlich davon gelegene, vormals naſſauiſche Amt Reichelsheim mit den Ortschaften Reichelsheim und Dornaſſenheim; 4) die vormals kurhessische Enclave Trais an der Lumbde ;
5) den vormals kurheſſiſchen , zwiſchen den
großherzoglich hessischen Ortschaften Altenſtadt und Bönſtadt gelegenen DomanialWalddistrict; 6 ) die vormals frankfurtischen Ortsbezirke Dortelweil und NiederErlenbach ; 7) den vormals kurhessischen Ortsbezirk Maſſenheim; 8) den vormals kurheſſiſchen ,
etwa 1700
Morgen umfassenden Gebietstheil des Ortsbezirks Mittel- Gründau.
naſſauiſchen Ortsbezirk Hartheim ;
9) den vormals
Diese Ge-
bietstheile (zu 1-9) treten in die Provinz Oberhessen und in die für dieselbe geltenden staatsrechtlichen Verhältniſſe (Art. 13) ein.
Nächstdem wird der auf
dem linken Mainufer gelegene, vormals kurhessische Gebietstheil mit dem Orte Rumpenheim ebenfalls an Se. Königl. Hoheit mit allen Souverainetäts- und Domanialrechten abgetreten. Art. 16.
Die betreffenden Grenzbeschreibungen liegen bei.
Die Auseinanderſeßung zwischen den beiden hohen Contrahenten,
bezüglich der gegenseitig abgetretenen Gebietstheile , der Archive, der Beamten, Militärs u . s. w. bleibt beſonderer Verſtändigung durch beiderseitige Commiſſarien vorbehalten. Art. 17.
Die vor dem Jahre 1794 in der Kölnischen Dombibliothek
befindlich geweſenen , zur Zeit in dem großherzoglichen Muſeum und der großherzoglichen Bibliothek aufbewahrten Bücher , Handschriften und andere Inventarienstücke werden der Regierung Sr. Majestät des Königs von Preußen für das Kölner Domcapitel zur Verfügung gestellt werden . die Zugehörigkeit der
Die Entscheidung über
einzelnen Stücke wird durch einen Commissar Seiner
Hoheit des Großherzogs von Heffen und bei Rhein u. s. w. in Gemeinſchaft mit einem Commiſſar Sr. Majestät des Königs von Preußen , in streitigen Fällen durch einen von Beiden zu wählenden unparteiischen Obmann, endgiltig getroffen werden.
568
Friedensvertrag zwischen Preußen und Hessen- Darmstädt.
Art. 18.
Die großherzogliche Regierung verpflichtet sich , den zwiſchen
einer Anzahl Badehausbesitzern in Kreuznach und der großherzoglichen Saline Karls-Theodors-Halle abgeschlossenen, bis zu dem Jahre 1872 laufenden Contract, wegen Lieferung von Soole und Mutterlauge, bis auf Weiteres , jedenfalls bis zu dem Zeitpunkte , zu welchem die preußische Regierung sich zu dem Erwerbe der gedachten Saline veranlaßt finden sollte, mit der sofort eintretenden Maßgabe zu verlängern , so daß die Stadt Kreuznach in Stelle der bisherigen Contrahenten den nöthigen Bedarf an Soole und Mutterlauge erhält. Auch wird großherzoglich hessischer Seits die Legung einer Röhrenleitung für den Bezug der Soole aus den Salinenbrunnen nach der Stadt Kreuznach gestattet. In Bezug auf die in den Artikeln 14 und 15 verabredeten Abtretungen und Grenzregulirungen waren die Bevollmächtigten über folgende Punkte übereingekommen: 1) In den abgetretenen Bezirken tritt der preußische Staat in alle Rechte und Verbindlichkeiten des hessischen Staates ein, und hat daher auch die Zahlung der Pensionen und Besoldungen in der bisherigen Weise zu leisten.
Den
in den gedachten Bezirken zu übernehmenden Beamten und Bediensteten
wird
der Betrag ihrer seitherigen Gesammtbezüge garantirt , wenn sie in königlich preußischen Diensten bleiben.
Treten sie aber nach Hessen zurück, was ihnen
innerhalb der nächsten drei Monate nach Ratification dieses Vertrages frei steht, so werden sie bis zu ihrer Wiederverwendung nach den hier einschlagenden großherzoglich heſſiſchen Beſtimmungen behandelt.
In analoger Weise regeln
sich die Verhältnisse der aus den vormals nassauischen Landestheilen zu übernehmenden Beamten.
Diejenigen aus den oben gedachten Bezirken gebürtigen
Militärpersonen, welche nicht Offiziersrang haben, werden aus der großherzoglich Hessischen Armee in ihre Heimath entlassen.
Die Dienstzeit im großherzoglich
heſſiſchen Heere wird ihnen auf die preußische Dienstpflicht angerechnet.
Den
Offizieren, sowie den Militärperſonen, welche Offiziersrang haben, ſteht die Wahl zu, da zu dienen, wo sie wollen.
2) Die nach Artikel 16 des Friedensvertrages
erwähnten Commissarien werden sich mit
allen denjenigen Gegenständen be-
ſchäftigen, welche mit der gegenseitigen Auseinanderſeßung im Zuſammenhange stehen, wie z. B. den Rückständen öffentlicher Abgaben und ständen dieser Art.
3) Sämmtlichen Einwohnern der
anderen Gegen-
abzutretenden Gebiets-
theile bleibt innerhalb eines Jahres, vom Tage des Austausches der Ratifica-
569
Friedensvertrag zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt.
tionen dieſes Vertrages an, die volle Freizügigkeit vorbehalten.
4) In der Ab-
tretung der Grafschaft Hessen-Homburg sind die in dem Residenzschlosse zu Homburg vor der Höhe befindlichen Gemälde, Bibliothek und sonstigen Sammlungen, sowie die Orangerie, nicht begriffen. Diese Gegenstände bleiben vielmehr Eigenthum des großherzoglichen Hauſes .
10) Die großherzoglich hessische
Regierung erklärt sich bereit, mit der königlich preußischen Regierung wegen Abtretung der Verwaltung und des Betriebes der im großherzoglichen Gebiete gelegenen Strecke der Main-Weserbahn in Verhandlung zu treten , wobei von dem Grundſaße ausgegangen werden soll, daß der gesammte Reinertrag der gedachten Strecke an die großherzogliche Regierung unverkürzt jährlich geliefert werden wird.
ab-
Auf jeden Fall verpflichtet sich die großherzogliche Re-
gierung , die Verwaltung und den Betrieb der im großherzoglichen Gebiete gelegenen Strecke der Main-Weserbahn, von der kurhessischen Grenze bis Gießen, nach obigem Grundſaße an Preußen abzutreten. So geschehen zu Berlin, 3. September 1866 . (L. S.) gez. v. Dalwigk.
(L. S.) gez. Bismarck.
(L. S.) gez. Hofmann.
(L. S.) Savigny.
Außer diesen territorialen Abtretungen und Vertauschungen hatte das großherzogliche Hessen binnen Frist von 2 Monaten 3 Millionen Gulden als Kriegskosten-Entschädigung zu erlegen, und wurde das in Rede stehende Gebiet von den preußischen Truppen erst dann verlassen, als diese Summe gezahlt war, was selbstverständlich sehr schnell geschah.
Von den an Preußen ab-
getretenen Territorien Oberheſſens umfaßt 1) die Landgrafſchaft Heſſen-Homburg 5 Quadratmeilen mit
27,300
Einwohnern ; von diesen fallen auf das Amt
Homburg ( 1½ Quadratmeilen) 13,600, auf das Amt Meisenheim (3½ Quadrat meilen) 13,700 Einwohner ; 2) der Kreis Biedenkopf, 11 Quadratmeilen und nach der Zählung von 1864 gegen 33,325 Seelen; 3) Kreis Vöhl, 21½ Quadratmeilen und 5810 Einwohner ,
er besteht aus drei Theilen , dem größeren mit der
Kreisstadt Vöhl und den beiden Enclaven Höringshausen und Eimelrod im Waldeck'schen;
4) die abgetretenen Stücke des Kreiſes Gießen zählten etwa
5300 Bewohner; 5) der Ort Rödelheim, zum Kreise Vilbel gehörig, 2700 und die hessische Hälfte von Niederursel 470 Einwohner. So hatte denn auch Oberheſſen ſeinen Friedensvertrag mit Preußen gemacht.
Der Großherzog erließ bei seiner Wiederkehr in sein Land folgende
Proclamation :
570
Proclamation des Großherzogs von Hessen-Darmstadt.
" An mein treues Volk! Die Ereignisse eines Krieges, des traurigsten, der gedacht werden kann, weil er ein Bruderkrieg war , hatten mich gezwungen , mein Land zu verlaſſen.
Aber mein Herz war stets bei meinem guten Volke, und alle
Drangſale, die mein Volk zu ertragen, alle Opfer, die es zu bringen hatte in einem Kampfe , den wir für eine gerechte Sache zu führen glaubten, habe ich auf das Tiefste mit ihm empfunden.
Der Friede ist hergestellt,
und ich kehre zurück in das Vaterland, mit dem ich in gegenseitiger Treue verbunden bin.
Ich habe schmerzliche Zugeſtändnisse machen müſſen , um
meinen Hessen den Frieden wieder zu geben. von
mir abgetreten werden.
Einzelne Landestheile mußten
Mögen die Bewohner
derselben meiner
freundlich gedenken und ihrer neuen Regierung mit Vertrauen entgegen kommen.
Mögen sie unter dieser neuen Regierung so glücklich sein, wie
ich sie zu machen aufrichtig bemüht war.
Die alte Treue, der alte Muth
meiner wackeren Heſſen hat ſich im bürgerlichen Leben, wie auf dem Schlachtfelde, in den ersten Augenblicken der verflossenen Monate, glänzend bewährt. Ich danke meinem Volke, meinen Truppen, meinen Beamten für das, was sie für das Vaterland und für mich gethan haben. Ich danke insbesondere den edlen Männern und Frauen , welche durch Werke der aufopferndſten Menschenliebe das Loos der Verwundeten, der Kranken und Nothleidenden erleichtert haben.
Die Erinnerung daran gewährt mir Trost für die Ver-
gangenheit, Muth und Vertrauen in die Zukunft bei dem schweren Werke, welches vor uns liegt. Wir haben nicht blos die Wunden zu heilen, welche der Krieg unserm Heſſen geschlagen hat, wir haben auch mit der Neugestaltung unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes in einer, die gerechten nationalen Anſprüche befriedigenden Weise zu beginnen.
Der alte Rechts-
boden, auf dem wir hätten fortbauen können, ist zusammengebrochen.
Wir
müssen nun die Vervollkommnung des durch die Macht der Thatsachen geschaffenen neuen Rechtszustandes zum Gegenstand unserer Sorge machen. „Mein aufrichtiger Wunsch war , den Bund, welcher dermalen den Norden Deutschlands umfaßt , auf das ganze große Vaterland ausgedehnt zu sehen. Rücksichten, deren Beseitigung nicht in meiner Macht liegt, stan= den bis jezt der Erfüllung meines Wunſches entgegen.
Aber wie ich stets
ſeit meinem Regierungsantritte neben dem Wohle meines heſſiſchen Landes, das Glück und die Größe des gemeinſamen deutſchen Vaterlandes und die
571
Nassauisches.
Kräftigung des dasselbe umschlingenden Bandes angestrebt habe, so werde ich auch für die Zukunft dieſes Ziel nicht aus dem Auge verlieren.
Ich
rechne dabei auf das Vertrauen und die Unterstüßung meines guten und bewährten Volkes. Worms , den 17. September 1866 . Ludwig." Somit war auch Oberheſſen, oder dem großherzoglichen Heſſenlande, der Friede wiedergegeben, und wir wenden uns nun zu dem Nassauer Herzog, welcher Land und Leute verlor. Wer das Naſſauer Land durch eigene Anschauung kennt, wird der Ueberzeugung sein, daß es in vielen Beziehungen ein kleines Paradies ist. Die Natur hat über dasselbe ihr Segens -Füllhorn ausströmen lassen, und außer der Schönheit der Landschaften ist, barkeit eine große.
abgerechnet den bergigen Theil, deren Frucht-
Wie der dort gezogene Wein, so ist auch das Waſſer, oder
besser gesagt, sind die Wässer wahrhafte Quellen des Reichthums für die Naſſauer.
Daher ist es eben nicht sehr zu verwundern , daß der Herzog sich
nur mühsam mit dem Gedanken vertraut machte, ihm ſei ſein schönes Land verloren. Wie in Hannover die Königin Marie zurückgeblieben und theils in Herrenhauſen, theils in der Marienburg lebend , den Mittelpunkt für die Bestrebungen der Anhänger des Welfenhauses in ihrer Perſon darstellte, so hielt sich auch die Frau Herzogin Adelheid ziemlich dicht bei der Landeshauptstadt Wiesbaden, in dem reizend gelegenen Biebrich (durch eine prächtige, eine Stunde Wegs lange und schnurgrade Allee, gleichsam vereint mit Wiesbaden) auf.
Ob
es auf Wahrheit beruht, daß diese hohe Dame daselbst Telegraphie ſtudirt, um mittels bunter Lampen aus den Fenstern des höchsten Stockwerks der in dem nahen Mainz stehenden Bundestruppen-Garniſon über die Preußen Nachrichten zu geben, ist nicht zu verbürgen , wohl aber , daß sie von den Naſſauern eben nicht sehr geliebt wurde. Der Krieg war zu Ende, die Nassauer Truppen standen in Baiern, ihr Unterhalt kostete zu viel, als daß sie hätten unnöthig länger von ihrer Heimath zurückgehalten werden sollen.
Herzog Adolf ſah ſich demnach gezwungen, ſie zu
verabschieden, und er that dies am 9. September bei Günzburg, indem er sein Contingent, das in der nächsten Stunde schon nicht mehr das Seine ſein ſollte, zu einer leßten Parade versammelte. Man kann nicht anders sagen , als daß
572
Abschiedsworte des Herzogs von Naſſau an seine Truppen.
der Abschied, den er von seinen Soldaten nahm, ein manchem der Krieger das Wasser in die Augen treibender Act des Schmerzes war, hier seine Landeskinder scheiden sehen zu müſſen , ohne mit ihnen wieder in die Heimath zurückkehren zu dürfen.
Für ihn war sie ein verschlossenes Paradies.
Seine Abschiedsworte an die um ihn sich versammelt habenden Soldaten lauteten wie folgt :
" Mit dem heutigen Tage verlaßt ihr die hiesige Gegend , um den Rückmarsch in die Heimath anzutreten.
Infolge des unglücklichen Krieges,
den wir geführt, hat mir der Sieger mein Land, unser gemeinsames theures Vaterland , entriſſen, und erscheine ich heute zum lezten Male- als euer Kriegsherr in eurer Mitte, um euch nochmals vereinigt zu ſehen und Abschied von euch zu nehmen.
Ich scheue mich nicht , es auszusprechen, daß
der Augenblick der Trennung von euch einer der schmerzlichsten meines Lebens ist.
DerGedanke hält mich aufrecht, daß es noch nie eine Schande
`gewesen, von einem Stärkeren besiegt zu werden ; eine Schande kann es nur sein, wenn man sich in der Ueberzeugung seines guten Rechts aus Furcht vor dem Stärkeren nicht wehrt. than.
Mit euerer Hilfe habe ich es ge-
Ihr habt mir treu und gut, mit Ausdauer und Muth dabei gedient,
habt während dieses kurzen, aber angreifenden Feldzuges stets die beste Mannszucht bewahrt, alle Anstrengungen unverdroſſen ertragen und zuleßt mit Geduld und Ergebung des Tages geharrt , an dem ihr nach dem heimathlichen Herde zurückkehren könnt. Väter werth seid.
Ihr habt gezeigt, daß ihr euerer
Mit gerührtem Herzen sage ich euch meinen Dank für
die vielen Beweiſe euerer Anhänglichkeit, die ich von euch empfangen habe, gebe euch die Versicherung, daß ich auch getrennt von euch mit derselben Liebe eurer gedenken werde, mit der ich euch von jeher zugethan war, und halte mich überzeugt , daß auch ihr mir ein treues Andenken bewahren werdet.
Bei
der Rückkehr werdet ihr Naſſau mit preußischen Truppen besezt finden; fanget keinen Streit mit ihnen an, sondern wie ich mein Schicksal mit Ergebung in den Willen der göttlichen Vorsehung mit männlichem Muthe zu tragen weiß , so zeigt auch ihr , daß ihr euch in das zu fügen wißt , was nun nicht zu ändern ist, und gebt mir einen Beweis von Anhänglichkeit dadurch, daß ihr der Welt zeigt, die jezt auf euch sieht, daß die naſſauiſche Truppe zwar nicht groß ist, daß sie aber ihren Ruhm darin ſucht, in bösen und in guten Tagen Gehorsam und strenge Mannszucht zu be-
Abschiedsworte des Herzogs von Nassau an seine Truppen. — Ständeversammlung.
573
wahren ! Indem ich Gott bitte, daß er euch und unser theures Vaterland in seinen Schuh nehme, sage ich euch Lebewohl."
Die Stimmung seiner Nassauer, des Volkes nämlich, war durchaus nicht so für ihn sprechend, daß sie als Beispiel von Volksliebe hätte aufgestellt werden können.
Die Stände, welche er, weil sie ihm die Mittel zur Kriegführung
verweigerten, am 6. Juli aufgelöst hatte, traten im September wieder zuſammen, um die Lage des Landes zu besprechen.
Der Hauptgegenstand , den diese sich
freiwillig sammelnden Herren verhandelten, war ein äußerst wichtiger, gleichsam eine Lebensfrage für das ganze Land. heit.
Es
betraf die
Domainen- Angelegen-
Die Domainen Nassau's sind, wie schon 1816 der Freiherr Karl v. Stein
unter Zustimmung des Grafen Schönborn- Waldendorff und des übrigen vormals reichsunmittelbaren Adels dargethan, Landeseigenthum.
Jezt, wo Herzog
Adolf darauf Anspruch erhob , als gehörten diese Domainen seiner Familie zu freiem Schalten und Walten , galt es, diesen ungeheuren Gütercompler, der etwa den fünften Theil aller nassauischen Waldungen, den zehnten Theil sämmtlicher Weinberge, Aecker und Wiesen im Lande, einen großen Theil der Bergwerke u. s. w . umfaßte, nicht zu einem Privateigenthum der herzoglichen Fa-
574
Adresse der nassauischen Ständemitglieder an den König von Preußen.
milie degradiren zu laſſen, wodurch die wirthschaftlichen Interessen des Landes und der Finanzen auf das Schwerste beschädigt würden.
Zu einer Abfindung
der Dynastie in Geld (Kapital oder Leibrente) wollten sie sich bereit finden lassen.
Das in Rede stehende Domanialvermögen wirft jährlich 2,400,000 Gul-
den brutto und 1,100,000 Gulden netto ab. als Eigenthum zugesprochen worden wäre , so
Wenn dasselbe dem Herzog Adolf würde nicht nur das öffentliche
Recht gekränkt, sondern den Beſizern die Möglichkeit gegeben worden sein, das Land politisch zu unterjochen und wirthschaftlich zu ruiniren. Um dieſes Unglück zu verhindern, begab sich eine Deputation der Ständemitglieder nach Berlin und überreichte daselbst dem Könige folgende denkſchriftliche Verwahrung : „ Die Domainen in Naſſau ſind Staatseigenthum, wie die Domainen in Preußen.
Das Haus Naſſau-Weilburg, welches bisher bei uns regierte,
war stets nur gering begütert.
Bei weitem der größte Bestandtheil der
Domainen gehört den vormals oraniſchen, mainziſchen, kölnischen, trierſchen und hessischen Landestheilen an.
Dort waren sie Staatsgut, und die Für-
sten von Nassau haben sie von dort als Landesherren zugleich mit der Regierungsgewalt überkommen, ohne daß an der Eigenschaft als Staatsgut etwas geändert wurde.
Sollten Se. Majestät es in Gnaden gut finden,
der depossedirten Dynastie eine Sustentation aus öffentlichen Mitteln zu - aber Kapital oder Rente —
verwilligen, so bitten wir, solche in Geld
nicht in dem Naturalbestande des ganzen Domanialgutscomplexes , oder auch nur eines Theiles deſſelben , beſtehen zu laſſen.
Denn die Familie,
in deren Händen das colossale Vermögen, das alle Bestandtheile der wirthschaftlichen Thätigkeit , Landwirthschaft , Bergbau , Industrie und Handel umfaßt und jede Concurrenz unterdrücken kann , wenn es im Geiſte der Plusmacherei und einer aus politiſchen Motiven entſpringenden Gehäſſigkeit verwaltet wird, concentrirt ist, wird stets factisch die Landesherrschaft ausüben.
Mit Beseitigung des bisherigen Mitverwaltungsrechtes der Stände
und des öffentlichen Charakters des Fonds und mit Umwandlung deſſelben in Privatgut würden alle seitherigen Rücksichten wegfallen.
Wir würden
der unbedingten Herrschaft und der schonungslosesten Ausbeutung einer nicht mehr zur Staatsrepräsentation verpflichteten Familie verfallen, in deren Händen sich die productive Kraft des Landes zu einem gemeinſchädlichen Monopol und zur Ausschließung aller anderen verwandelt.
Die Bevölkerung
Adreſſe der nassauischen Ständemitglieder. - Frankfurts Kriegslasten.
57
ganzer Strecken des Landes könnte durch sie zur Einstellung ihrer bisherigen wirthschaftlichen Thätigkeit und zur Auswanderung gezwungen
werden.
Naſſau würde für Preußen eine Laſt, ein kleines Jrland werden, ſtatt Zuwachs an Kapital und Manneskraft zu liefern.
Wir und die Mehrzahl
der Landesbevölkerung, die wir uns in Person und durch unsere Landſtände bis auf's Aeußerſte dem Kriege gegen Preußen widerſeßt haben, trügen die Strafe, und der, welcher gegen unseren Willen den Bruderkrieg geſchürt hat, trüge den Lohn davon auf Kosten des Siegers .
Wir bitten Ew. Ma-
jeſtät, uns vor dieſer Calamität zu bewahren. “ Selbstverständlich war es, daß der König von Preußen nicht Willens ſein konnte, in ſeinem nunmehrigen Eigenthume einen geheimen Feind zu dulden, in dessen Macht es gestanden haben würde , das Land auf eine Weise zu schädigen, die dessen Wohlstand unvermerkt zu Grunde gerichtet hätte.
Bemer-
kenswerth ist es zugleich, daß von Naſſau aus keine Deputation beim König von Preußen um Belassung des Herzogs Adolf in der Regierung des Landes petitionirte, wie ja auch von Seiten der Kurhessen ein solcher Schritt nicht geschah.
Nur der König von Hannover allein hatte Ursache, ſich zu rühmen, daß
dergleichen Versuche, ihn zu reſtituiren, mehrere erfolgten, freilich ohne ein günstiges Resultat zu erzielen.
Während Kurhessen und Nassau ohne große Schwie-
rigkeiten sich bald boruſſoficirt zeigen werden, dürfte von Hannover ein Gleiches nicht so rasch zu erwarten sein, und gewiß kann Georg Rer darauf ſtolz sein. Frankfurt am Main war eine preußische Stadt geworden.
Diese alt-
berühmte freie Reichsstadt hat somit eine Verwandlung durchgemacht , wie zu Anfang des Jahres 1866
keiner ihrer Angehörigen wohl geahnt
hat.
Die
Fünfundzwanzig-Millionen-Frage wurde natürlich fallen gelaſſen, denn es würde doch auffallend sonderbar gewesen sein, wenn sie als Preußen einverleibte Stadt noch ein solches Bußgeld hätte zahlen sollen.
Wie sehr Frankfurt als einzelne
Stadt die ganze Schwere des westdeutschen Krieges empfinden mußte , dürfte nachfolgende Zusammenstellung der im Monat Juli 1866 von ihr geleisteten Requisitionen ergeben: Herstellung der Kasernen 112,500 Gulden, Inventar für Kafernen und Spitäler 133,600 Gulden, diverſe Lieferungen für die Truppen 166,000 Gulden, Proviant- und Fourage-Magazin 242,000 Gulden, ein Jahresfold für die Mainarmee 5,747,000 Gulden 35 Kreuzer, 60,000 Paar Stiefel 370,000 Gulden, Cigarrenbestand auf 4 Wochen 100,000 Gulden, vierwöchentliche Verpflegung
Frankfurts Kriegslasten. -
576
Baierische Demonstrationen gegen Preußen.
der Offiziere 70,000 Gulden, Erneuerung des Fourage-Magazins 250,000 Gulden, 300 Reitpferde 175,000 Gulden. Im Ganzen : 7,366,108 Gulden 35 Kreuzer. Es ist wohl zu glauben, daß mancher alte Frankfurter, der zur Zeit der alten Selbstherrlichkeit seiner Vaterstadt jung gewesen und nun diese RequiſitionenLitanei vor's Gesicht bekommen hat, im Stillen geseufzt : „Heinrich, mir graut vor dir!" Friede !
Wunderbar wohltönender Klang aus Himmelshöhen , den die
Engel fangen von dir bei der Geburt dessen, der das schönste Gebot : „ Liebet euch unter einander" verkündete, du warst nun zurückgekehrt nach schweren, blutigen Kämpfen zwischen
Brüdern eines und desselben Volkes, und du warst
Allen eine theure Errungenschaft.
Aber mit dem Frieden war es gerade ſo,
wie mit dem vom Sturm aufgewühlten Meere, in welches der von Noth und Untergang bedrohte Seefahrer seinen Oelvorrath fließen läßt, damit er die hochgehenden Wogen für ſeinen Kiel glätte.
Im Volke selbst lebte noch böser und
tief eingefreſſener Groll, der sich in ſchlimmen Demonſtrationen gegen die Preußen Luft machte, wo es nur irgend eine Gelegenheit gab, dieſe Gesinnungen handgreiflich an den Tag zu legen. naturwüchſigen Genre aus.
Besonders zeichneten sich die Baiern in dieſem
Wir wollen dem Leser nicht von jenen brutalen
und rohen Schlägereien erzählen, die an vielen Orten zwischen den verschiedenen Truppen vorgekommen sind, sondern nur eine Begebenheit erwähnen , die als unverhüllte Kundgebung des Haſſes des baierischen Volkes gegen die Preußen zu betrachten ist. Graf Hohenthal, vormals sächsischer Gesandter in Berlin, war am 30. Juli von Plauen, bis zu welchem Orte er die Eisenbahn benußt hatte, mit einem Lohngeschirr nach der baierischen Grenze gefahren und am 31. Juli, immer der Bahn folgend, bis zur baierischen Station Weiden gekommen.
Dort erfuhr
er auf dem Bahnhofe, daß alsbald ein Zug nach Süden abgelaſſen werden sollte. Als er nun in den Ort geht, um seinem Kutscher die nöthigen Weiſungen zu ertheilen, sieht er die Kutsche umringt von lärmenden Soldaten, welche sich im Zustande äußerster Angetrunkenheit befinden.
Er will mit der Kutsche nach dem
Bahnhofe zurückfahren, wird aber von den Baiern in ungestümster Weise angehalten, und ein ebenfalls nichts weniger als nüchtern erscheinender, oder überhaupt von seinen Leuten sich unterſcheidender Offizier fordert den Grafen in der formlosesten Weise auf, ihm seine Legitimation zu zeigen.
Dies geschieht, indem
der Diplomat dabei dem Offizier beſſere Manieren beizubringen vergeblich verſucht.
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