Deutschlands Heer und Marine im Ersten Weltkrieg 9783486854725, 9783486712995

Over a period of four years, the German military underwent rapid transformation as it adapted to fight the first industr

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German Pages 224 Year 2013

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Table of contents :
Inhalt
Forschungsstand
Historiografische Einordnung
Forschungsbilanzen und Überblicke
Amtliche Militärgeschichtsschreibung und
Erinnerungsliteratur
Neuere Forschungen und Perspektiven
Quellenlage
Militärisches Denken und Kriegfü hrung
Das Scheitern des Schlieffen-Moltke-Plans 1914
Die Ära Falkenhayn 1915/16
Die Ära Hindenburg und Ludendorff 1917/18
Die Seekriegführung
Die Kolonialkriegführung
Strukturen
Der »Oberste Kriegsherr« im Geflecht dezentraler politischer und militärischer Führung
Das Heer
Die Kaiserliche Marine
Reichstruppen in den Schutzgebieten und Kolonien
Rüstung
Rüstungsstrategische Unterlegenheit und Kriegsvorbereitung
Aspekte der personellen Streitkräfteentwicklung
Streitkräfte und materielle Rüstung: Zentrale Problemfelder
Alltag, Kriegserfahrungen, Motivationen
Der innere Wandel: Offizierhass und Durchhaltevermögen
»Der Geist von 1914«
Soldatenalltag und Erfahrungen im Krieg
Epilog: Das Erbe
Anhang
Quellen und Literatur
Abkürzungen
Personenregister
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Deutschlands Heer und Marine im Ersten Weltkrieg
 9783486854725, 9783486712995

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Stachelbeck • Deutschlands Heer und Marine

Beiträge zur Militärgeschichte – Militärgeschichte kompakt –

Begründet vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Herausgeben vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Band 5

Die Buchreihe »Militärgeschichte kompakt« richtet sich an Studierende, die interessierte Öffentlichkeit und die Streitkräfte. Die Bände verstehen sich als Einführung in ausgewählte Abschnitte der Militärgeschichtsschreibung. Sie sind wissenschaftlich basiert, doch zugleich möglichst kurz und prägnant in der Darstellung. Zudem enthalten die Bücher zahlreiche Abbildungen, Karten, Grafiken, Tabellen und relevante Quellentexte sowie eine kommentierte Auswahlbibliografie zur ersten Orientierung in der Fülle der wissenschaftlichen Literatur.

Christian Stachelbeck

Deutschlands Heer und Marine im Ersten Weltkrieg

Oldenbourg Verlag München 2013

Zur Erinnerung an Franz Stachelbeck (1938‑2010) und Frank Stachelbeck (1961‑2011)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Str. 143, D-81671 München Internet: www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Umschlagbild: Deutsche Soldaten im Schützengraben an der Yser in Flandern, 1914/15. Rechte: akg-images/Jean-Pierre Verney Redaktion: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam, Schriftleitung Projektkoordination, Lektorat, Bildredaktion: Michael Thomae Layout, Satz: Carola Klinke Umschlag: Knud Neuhoff (Berlin) Karten: Daniela Heinicke, Frank Schemmerling Druck und Bindung: Grafik+Druck GmbH, München ISBN 978-3-486-71299-5

Inhalt Forschungsstand Historiografische Einordnung _______________________________ Forschungsbilanzen und Überblicke __________________________ Amtliche Militärgeschichtsschreibung und Erinnerungsliteratur ____________________________________ Neuere Forschungen und Perspektiven _______________________ Quellenlage _______________________________________________

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Militärisches Denken und Kriegführung Das Scheitern des Schlieffen-Moltke-Plans 1914 ________________ Die Ära Falkenhayn 1915/16 _________________________________ Die Ära Hindenburg und Ludendorff 1917/18 _________________ Die Seekriegführung _______________________________________ Die Kolonialkriegführung ___________________________________

19 37 50 69 88

Strukturen Der »Oberste Kriegsherr« im Geflecht dezentraler politischer und militärischer Führung _____________________ 99 Das Heer _________________________________________________ 105 Die Kaiserliche Marine _____________________________________ 137 Reichstruppen in den Schutzgebieten und Kolonien ____________ 150

Rüstung Rüstungsstrategische Unterlegenheit und Kriegsvorbereitung ___ 153 Aspekte der personellen Streitkräfteentwicklung _______________ 156 Streitkräfte und materielle Rüstung: Zentrale Problemfelder _____ 174

Alltag, Kriegserfahrungen, Motivationen Der innere Wandel: Offizierhass und Durchhaltevermögen ______ 183 »Der Geist von 1914« _______________________________________ 186 Soldatenalltag und Erfahrungen im Krieg ____________________ 189

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Inhalt

Epilog: Das Erbe

___________________________________________ 205

Anhang Quellen und Literatur ______________________________________ 208 Abkürzungen _____________________________________________ 222 Personenregister ___________________________________________ 223

Forschungsstand Historiografische Einordnung Der Erste Weltkrieg war der erste industrialisierte und global ausgetragene Volkskrieg der Neuzeit. George F. Kennans vielzitierte Redewendung von der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« charakterisiert treffend die zentrale Bedeutung des Ereignisses für die Geschichte dieses Zeitraumes. Mit dem Kriegsbeginn im Sommer 1914 kam es für die Streitkräfte des deutschen Kaiserreiches nach einer nahezu 45-jährigen Periode des Friedens zur großen Bewährungsprobe, auf die man alles andere als sorgfältig vorbereitet war. Die Vorstellung der militärischen Planer, den Krieg in Europa wie noch 1870/71 in wenigen Wochen mit einer schnellen Abfolge von Schlachten zu beenden, erwies sich bald als Illusion. Schon im Herbst 1914 sahen sich alle beteiligten Staaten gezwungen, ihre Kriegsanstrengungen über eine bis dahin nie erreichte personelle, materielle und moralische Mobilisierung der Streitkräfte zu steigern. Diese Elemente waren im Laufe des Krieges genauso eng miteinander verbunden wie die Front mit der Heimat. So erfasste der mit Massenheeren geführte Krieg immer größere Teile der Gesellschaft und Wirtschaft der kriegführenden Nationen. Dadurch geriet auch die Zivilbevölkerung verstärkt ins Visier von Kriegführung und entgrenzter militärischer Gewalt. Erstmals hagelten Bomben aus Luftschiffen und Flugzeugen auf Städte. Der Einsatz von Seestreitkräften zielte durch die britische Blockade der Nordseeküste oder den uneingeschränkten U-Boot-Krieg der Kaiserlichen Marine auf das Aushungern der Bevölkerung. Zu Tausenden wurden Zivilisten aus ihren angestammten Siedlungsgebieten vertrieben und deportiert sowie zur Zwangsarbeit verpflichtet, oder sie fielen gar, wie im Fall der Armenier, einem Genozid zum Opfer. Den unerwartet langen Abnutzungskrieg charakterisierten Totalisierungstendenzen und eine umfassende »Vergesellschaftung der Gewalt« (Michael Geyer). Für die Streitkräfte war die Anpassung an dieses weitgehend neuartige Bild des Krieges von zukunftsweisender Bedeutung. Die Transformation führte auf lange Sicht zum modernen konventionellen Krieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der dann in den Schlachten des Zweiten Weltkrieges blutig tobte. In den Mittelpunkt rückte das kooperative Zusammenwirken unterschiedlicher Waffengattungen wie Infanterie, Artillerie und Panzer im Gefecht. Das Prinzip reichte von der Ebene der Kleingruppe als Stoßtrupp bis hin zu kombinierten Land-, Luft- und Seeoperationen. Das Kriegsgeschehen bestimmten Maschinenwaffen, deren hohe Feuerkraft die Menschen im Gefecht mehr und mehr ersetzte.

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Forschungsstand

Technisierung und taktische Innovationen wie das Stoßtruppverfahren, das den Massenangriff ablöste, verlangten zugleich eine umfassende Professionalisierung und Motivierung der Soldaten. Dies betraf gleichermaßen das Bedienen komplexer Waffensysteme wie Panzer, Flugzeuge und U-Boote wie auch den einzelnen Infanteristen, der nunmehr als ein hochqualifizierter Einzelkämpfer funktionieren sollte. Dieser kurze exemplarische Blick auf die Veränderungen des Kriegsund Soldatenbildes mag verdeutlichen, weshalb der Erste Weltkrieg heute zu Recht als »Auftakt für den Zweiten« (Gerhard P. Groß, in 1.3   Das Zeitalter der Weltkriege, S. X) gilt. Zur Bezeichnung eines historiografischen Zusammenhangs der Zeit zwischen 1914 und 1945 griffen einige Historiker jüngst sogar auf das Schlagwort vom »zweiten Dreißigjährigen Krieg« (u.a. Hans-Ulrich Wehler) zurück. In der neueren militärgeschichtlichen Forschung hat sich dagegen der Begriff »Zeitalter der Weltkriege« fest etabliert, um die Kontinuitäten, aber auch die Brüche der Epoche auf dem Weg zum totalen Krieg aufzuspüren. Die Verknüpfungen sowohl mit dem »langen 19. Jahrhundert« (Eric J. Hobsbawm) als auch die Folgen für die Geschichte von Bundeswehr und NVA nach 1945 dürfen dabei nicht aus den Augen verloren werden. In der Erinnerung der Deutschen an die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert heute der Zweite Weltkrieg. Schlagworte wie »Holocaust« und »Vernichtungskrieg« der Wehrmacht prägen in erster Linie die deutsche Vergangenheitsbewältigung. Davon zeugen die heftigen Kontroversen Mitte der 1990er Jahre um Daniel Goldhagens Kollektivschuldthese und die erste »Wehrmachtsausstellung« des Hamburger Instituts für Sozialforschung. In Großbritannien und Frankreich hingegen hat die politische und kulturelle Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und seine Soldaten eine wesentlich größere Bedeutung. Hier spricht man für die Zeit von 1914 bis 1918 bezeichnenderweise immer noch vom »Großen Krieg«. Mit Blick auf den August 2014 ist eine deutliche Steigerung des öffentlichen Interesses am Ersten Weltkrieg und seinen Streitkräften auch in Deutschland zu erwarten. Zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Sonderausstellungen in bedeutenden Museen werfen schon ihre Schatten voraus. Gleiches gilt für die wissenschaftliche Auseinandersetzung in Form der Vorbereitung großer Tagungen und der Konzeption international vernetzter Forschungsprojekte mitsamt einer bereits bestehenden regen Publikationstätigkeit.

Forschungsbilanzen und Überblicke Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den deutschen Streitkräften zwischen 1914 und 1918 ist Teil der großen Forschungsparadigmen zum

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Ersten Weltkrieg, die sich, so Gerd Krumeich, nach 1918 alle zehn Jahre erneuert haben (  2.13   Keiner fühlt sich hier als Mensch, S. 11‑24). Ein Mangel an Überblicksdarstellungen und Forschungsbilanzen zum Ersten Weltkrieg besteht nicht. Was bis heute jedoch fehlt, ist eine streitkräftespezifische Publikation, wie sie etwa für den Zweiten Weltkrieg mit dem von Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann herausgegebenen Sammelband »Die Wehrmacht. Mythos und Realität« (1999) oder jüngst Rolf-Dieter Müllers »Hitlers Wehrmacht 1935 bis 1945« (2012) vorliegt. Anlass zu einer Bestandsaufnahme gibt oft die Wiederkehr historischer Daten. Den jeweiligen Stand der Forschung skizzieren umfangreich die zum achtzigsten und neunzigsten Jahrestag des Kriegsausbruchs herausgegebenen Sammelbände 2.9   »Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse« sowie 2.25   »Wirkungen und Wahrnehmungen des Ersten Weltkrieges«. Ergänzend sei auf den ausführlichen Literaturbericht von 2.1   Michael Epkenhans aus dem Jahr 1998 hingewiesen. Eine gute, zusammenfassende Orientierung bietet auch ein von 2.2   Gerhard Hirschfeld im internationalen Kontext angelegter Überblick aus dem Jahr 2004. Die aktuellsten Forschungstrends erörtern mit Blick auf 2014 die Literaturberichte von 2.5   Christoph Nübel und 2.3   Wencke Meteling. Sönke Neitzels Aufsatz 2.4   »Militärgeschichte ohne Krieg?« zeigt übergreifende militärgeschichtliche Forschungsperspektiven und Desiderate für das Zeitalter der Weltkriege auf. Als Einstieg besonders zu empfehlen ist Neitzels gut lesbare und informative Darstellung 1.16   »Weltkrieg und Revolution 1914‑ 1918/19«. Gleiches gilt für Roger Chickerings 1.5   »Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg«. Im Anhang findet sich eine profunde Zusammenstellung weiterführender Literatur auch zur Geschichte der Streitkräfte. Hierzu bietet das wenn auch mittlerweile veraltete 1.1   »Handbuch zur Deutschen Militärgeschichte« einen ersten Überblick. Die umfassendste Darstellung ist nach wie vor das dreibändige Werk 1.6   »Deutschland im ersten Weltkrieg«, das den Krieg allerdings einseitig in das marxistisch-leninistische Geschichtsbild der DDR-Historiografie rückt. Als unverzichtbares Nachschlagewerk auf dem aktuellen Stand der Forschung kann darüber hinaus die 1.7   »Enzyklopädie Erster Weltkrieg« gelten. Neben Kurzartikeln findet sich darin ein breites Spektrum tiefergehender Darstellungen zu einzelnen Staaten bis hin zu deren Geschichtsschreibung. Handbuchartiges Kompaktwissen vermitteln Wolfgang J. Mommsen mit 1.15   »Die Urkatastrophe Deutschlands« sowie Wolfgang Kruses Einführungswerk 1.14   »Der Erste Weltkrieg«. Den Krieg aus neuer weltumspannender Sicht schildert Daniel Marc Segessers 1.17   »Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive«. Umfassend, bislang jedoch nur für den Kriegsbeginn hat dies Hew Strachans Standardwerk 1.19   »The First World War, Vol. I: To Arms« analysiert. Den Weltkrieg

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Forschungsstand

mit seiner Vor- und Nachgeschichte zwischen 1900 und 1930 nimmt ausführlich Volker Berghahns Studie 1.4   »Sarajewo, 28. Juni 1914« in den Blick. Entwicklungslinien des Zeitalters der Weltkriege skizziert der 2002 herausgegebene Sammelband 2.10   »Erster Weltkrieg – Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich.« Rolf-Dieter Müller hat dies zuletzt in eine konzise Gesamtdarstellung zur Entwicklung der Militärgeschichte von der Antike bis zum Zeitalter der Globalisierung eingebettet (  1.2   Müller). Im Internet bietet das Clio Online-Themenportal einen ausgezeichneten Überblick zu aktuellen Forschungen, Vorhaben, Ausstellungen, Archiven und Dokumenten (http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de). Hingewiesen sei darüber hinaus auf die derzeit unter Mitwirkung renommierter Weltkriegshistoriker entstehende Online-Enzyklopädie der Freien Universität Berlin (http://www.1914-1918-online.net).

Amtliche Militärgeschichtsschreibung und Erinnerungsliteratur Die historiografische Aufarbeitung der Streitkräftegeschichte im Ersten Weltkrieg stand bis in die 1970er Jahre hinein im Schatten der Diskussionen um die politischen Verantwortlichkeiten für Kriegsausbruch und Niederlage. Sie lag offiziell in den Händen der amtlichen Militärgeschichtsschreibung von Reichs- und Marinearchiv, wo ehemalige Offiziere im Stile der alten Kriegsgeschichtlichen Abteilungen von General- und Admiralstab den Ton angaben. Eine ausführliche und sehr empfehlenswerte Diskussion der amtlichen Militärgeschichtsschreibung des Reichsarchivs liefert Markus Pöhlmanns 3.1   »Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik«. Vergleichbares für die Marine bietet Gerhard P. Groß’ Einführung zur kritischen Edition von 3.3   Band 7 der Abteilung »Der Krieg in der Nordsee« aus der Reihe »Der Krieg zur See 1914 bis 1918«. Im Mittelpunkt der großen Reihenwerke 3.6   »Der Weltkrieg 1914 bis 1918« und 3.2   »Der Krieg zur See 1914 bis 1918« stehen eng gefasst die operationsgeschichtlichen Ereignisse des Krieges. Die letzten Ausgaben erschienen erst nach 1945. Zwar flossen in die Darstellung des Reichsarchivs wichtige begleitende strukturelle, organisatorische und rüstungstechnische Fragen mit ein. Auch beschritt man etwa durch die Befragung von Zeitzeugen innovative wissenschaftliche Wege. Die Reihenwerke sind daher für Forschungen unverändert eine unumgängliche Quelle. Doch der übergeordnete politische, wirtschaftliche wie auch gesellschaftliche Kontext blieb weitgehend unberücksichtigt. Ähnliches gilt für die volkstümlichen Darstellungen 3.4   »Schlachten des Weltkrieges« und die rund 400 Bände umfassenden »Erinnerungsblätter deutscher Regimenter«. Das Seekriegswerk beschränkt sich fast ausschließlich auf taktisch-operative Gesichtspunkte.

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Die Publikationen der amtlichen Militärgeschichtsschreibung prägte neben der Untermauerung des deutschen Kriegsunschuldmythos vor allem der Leitgedanke, das Ansehen, die Erfolge und die Leistungen von Führern und Truppe im Weltkrieg »ins rechte Licht« zu rücken und vor jeglicher Kritik von außen zu schützen. Mit Blick auf die eigene Zunft verfolgten ehemalige Offiziere die gleiche Absicht auch mit ihren Gutachten in dem zur Aufarbeitung von Zusammenbruch und Niederlage eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstages. Bekanntestes Beispiel sind die Auseinandersetzungen um die sozialen Missstände in der Armee zwischen dem linksliberalen Historiker Martin Hobohm und Major a.D. Erich Otto Volkmann (   9.1 , 9.4   ). Solche Diskussionen standen noch ganz unter dem Einfluss der berüchtigten Dolchstoßlegende. Damit hatte die ehemalige Militärführung im Zeichen eines angeblich »im Felde unbesiegten Heeres« die Schuld für die Niederlage an das »Versagen der Heimatfront« und die Politik abgeschoben. In der Marine ging es neben Ehrfragen stets auch um den Nachweis ihrer Existenzberechtigung und Zukunftssicherung. Militärinterne Kritik innerhalb des Reichsarchivs beschränkte sich zumeist auf wenige bekannte Einzelpersonen wie Helmuth von Moltke den Jüngeren und Erich von Falkenhayn. Dafür sorgten ehemalige Offiziere aus dem Kreise Erich Ludendorffs und Paul von Hindenburgs. Während man die Leistungen der einstigen Vorgesetzten der 3. Obersten Heeresleitung (OHL) ausnahmslos würdigte, galt die Kriegführung der Vorgänger als zögerlich, entscheidungslos, sogar fehlgeleitet. So wurden etwa die eigentlichen Schwächen des Schlieffenplans über das Schlagwort der Verwässerung mit dem vermeintlichen Versagen eines Einzelnen in der Umsetzung überdeckt. Das Marine-Archiv stand noch bis in die 1940er Jahre unter maßgeblichem Einfluss der Tirpitzanhänger. Sowohl der Tirpitzsche Flottenbau als auch die Leistungen der Flottenführer Reinhard Scheer und Franz von Hipper waren über jegliche Kritik erhaben. Die militärischen Ereignisse des Krieges waren Gegenstand einer bald nach Kriegsende einsetzenden spezifischen Militärpublizistik, die über die amtliche Militärgeschichtsschreibung weit hinausging. Gleichwohl dominierte auch in Veröffentlichungen wie etwa dem von Generalleutnant a.D. Max Schwarte herausgegebenen Reihenwerk 3.5   »Der Weltkampf um Ehre und Recht« generell die Sicht der ehemaligen Offiziere. Insbesondere in Fachzeitschriften wie dem »Deutschen Offizierblatt« diskutierten die alten Militäreliten intensiv über die taktisch-operativen Lehren des Weltkrieges. Daran beteiligten sich auch zahlreiche Mitarbeiter des Reichsarchivs, um die Meinungsbildung über ein möglichst breites Medienspektrum im Sinne der amtlichen Militärgeschichtsschreibung zu beeinflussen. Dabei entstanden auch

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Forschungsstand

wichtige Einzelpublikationen, die für eine Beschäftigung mit den Streitkräften im Ersten Weltkrieg bis heute unverzichtbar sind. Zu nennen ist vor allem 3.15   Hermann Crons »Geschichte des Deutschen Heeres 1914‑ 1918«. Daneben entwickelte sich die Erinnerungs- und Memoirenliteratur in den 1920er und 1930er Jahren zu einem publizistischen Massenphänomen. Auf diese Art rechtfertigten zum einen die militärischen Entscheidungsträger von Armee und Marine öffentlich ihr Handeln während des Krieges, wobei die Wahrheit oft großzügig gedehnt und die Schuld für Fehlschläge zumeist bei anderen gesucht wurde. Bekannte Beispiele sind die Kriegserinnerungen Ludendorffs und Alfred von Tirpitz’ (  3.9 , 3.12  ). Zum anderen stehen auch die Kriegsromane im Zeichen subjektiver und zumeist hochgradig stilisierter Kriegserlebnisse, die einer Mythologie des Krieges Vorschub leisteten. So konstruierte etwa Ernst Jünger in seinen frühen Kriegsschriften, beispielsweise 3.7   »In Stahlgewittern«, die Geburt eines »Neuen Menschen« (Bernd Hüppauf, in 2.13   Keiner fühlt sich hier als Mensch, S. 43‑ 84) im »Stahlbad« der Materialschlachten. Das von Jünger literarisch beschworene moderne heroische Kriegertum wurde zum Leitbild der Ideologie des eisernen Frontkämpfers der Nachkriegszeit, auf dem die politische Rechte maßgeblich ihren Kampf gegen die Weimarer Demokratie gründete.

Neuere Forschungen und Perspektiven Den Paradigmen der allgemeinen Geschichtswissenschaft folgend, dominierte bis zu der von Fritz Fischer in den 1960er Jahren ausgelösten Auseinandersetzung um die deutsche Verantwortung am Kriegsausbruch die Politik- und Diplomatiegeschichte (  6.1   Fischer). Danach bestimmten vor allem sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen die Weltkriegshistoriografie. Aspekte der engeren Streitkräftegeschichte spielten dabei eine eher nebensächliche Rolle oder sie beschränkten sich auf wenige Spezialstudien, da die Militärgeschichte in Deutschland lange Zeit als sogenannte Generalstabshistoriografie verpönt war. Erst die in den 1990er Jahren einsetzende Beschäftigung mit dem Alltag des »kleinen Mannes« gab den entscheidenden Anstoß für eine neue oder vielmehr erweiterte Militärgeschichte, die mittlerweile auch an den deutschen Universitäten etabliert ist (bereits 1992 erschien etwa 2.14   Der Krieg des kleinen Mannes). Dafür hat vor allem eine jüngere Generation von Historikern gesorgt, die, ausgehend von französischen und angelsächsischen Forschungen, Krieg und Gewalt aus einer erweiterten kulturgeschichtlichen Perspektive untersucht hat. In den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses ist das Kriegserlebnis des Menschen gerückt, wobei auf neuerschlossene Quellen wie Feldpost,

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Tagebücher, Fotos und Frontzeitungen zurückgegriffen wird. Fragen nach Mentalitäten und Kriegserfahrungen haben sich dabei mit politik-, wirtschafts-, sozial- und geschlechter-, aber auch organisations- und operationsgeschichtlichen Elementen innovativ verbunden. Insofern werden auch Brücken zwischen einer Geschichte von oben und unten geschlagen. Dies beinhaltet gleichermaßen eine verstärkte Öffnung hin zu international vergleichend angelegten Forschungsansätzen. Die Themenverästelung nach dem Paradigmenwechsel zu einer »interdisziplinär forschende[n] Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs« (  2.2   Hirschfeld, S. 12) ist gegenwärtig kaum noch zu überblicken. Gleichwohl hat die neue Methodenoffenheit und Multiperspektivität dazu beigetragen, unser Wissen über die Wandlungsprozesse des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg deutlich zu vertiefen. Zu Vorreitern einer neuen Militärgeschichte in Deutschland wurden zunächst in den 1990er Jahren Studien wie Benjamin Ziemanns regionalgeschichtliche Arbeit über ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern oder Christoph Jahrs vergleichende Untersuchung zur Militärjustiz und Desertion im deutschen und britischen Heer (  8.15 , 9.24  ). Seither besitzen wir jenseits einer mythisch überhöhten Kriegsbereitschaft und Frontkameradschaft ein deutlich schärfer konturiertes Bild soldatischer Motivationen im industrialisierten Krieg. Wichtige Akzente zum besseren Verständnis der inneren Funktionsweisen des deutschen Militärs im Krieg setzten darüber hinaus Studien aus dem Umfeld größerer universitärer Forschungsprojekte wie dem Tübinger Sonderforschungsbereich 437 »Kriegserfahrungen – Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit« (2008 beendet). Auf Grundlage eines wissenssoziologisch fundierten Erfahrungsbegriffes richtete sich dessen Fokus auf die vorgeprägten Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungen von Akteuren in und nach Kriegen. Angeführt seien beispielhaft Anne Lipps Arbeit über die Wechselwirkungen zwischen propagandistischer Meinungslenkung und soldatischen Kriegserfahrungen sowie nicht zuletzt Wencke Metelings längsschnittartig angelegter internationaler Vergleich zwischen deutschen und französischen Regimentern 1870 bis 1918 (  9.11 , 9.16  ). Einzelstudien wie Nicolas Wolz’ Analyse   6.45 zu den Kriegserfahrungen deutscher und britischer Seeoffiziere ergänzen die Erkenntnisfortschritte der universitären Großforschungsprojekte. Forderungen nach einer interdisziplinären Verbindung der kulturgeschichtlichen Wende auch mit einer modernen Operationsgeschichte fühlte sich in Deutschland im besonderen Maße das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) verpflichtet. Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), hervorgegangen aus dem MGFA und dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, setzt diesen Weg fort. Wichtige Voraussetzungen

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Forschungsstand

zur Erforschung des Streitkräftewandels im Ersten Weltkrieg schufen Wilhelm Deists bahnbrechende Studien zur preußisch-deutschen Militärgeschichte, die 1991 in einem Sammelband 2.6 erschienen sind. Bedeutende neue Impulse gab das MGFA in den vergangenen Jahren mit den Bestandsaufnahmen zum Ende des Ersten Weltkrieges an der West- sowie zum Kriegsbeginn an der Ostfront (  2.16 , 2.22  ). Als beispielgebend für die Marinegeschichte ist der Band 2.20   »Skagerrakschlacht« zu nennen. Eine ausführliche Diskussion und Neubewertung der deutschen Kriegsplanung bis 1914 bietet 2.19   »Der Schlieffenplan«. Der bislang weitgehend unberücksichtigten mittleren Führungsebene einer Division hat sich jüngst Christian Stachelbeck zugewendet, um taktische Lernprozesse und Motivationsstrategien im Fronteinsatz zu ergründen, und in einem Längsschnitt hat Gerhard P. Groß nun erstmals das operative Denken von Moltke d.Ä. bis Heusinger analysiert (  6.20 , 6.7  ). Aspekte des Kampfeinsatzes deutscher Truppen wie auch Fragen von Strategie, Taktik und militärischen Operationen haben vor allem Wissenschaftler aus dem angelsächsischen Raum beschäftigt. Davon zeugen beispielsweise Robert T. Foleys Studie 6.6 zu Falkenhayns militärischem Denken bis zur Schlacht von Verdun, Alexander Watsons Analyse 6.34 der Ursachen des Durchhaltevermögens von Soldaten im Kampf sowie zuletzt Jonathan Boffs Untersuchung 6.33 der Kämpfe an der Westfront in der letzten Phase des Krieges. Sie sind in der von Hew Strachan und Geoffrey Wawro herausgegebenen Reihe »Cambridge Military Histories« erschienen. Besonders beachtenswert ist Watsons These eines »ordered surrender«, die den deutschen Zusammenbruch 1918 maßgeblich als Folge freiwilliger Gefangenschaft der Soldaten unter Führung der Frontoffiziere erklärt. Damit ist der zentralen Frage nach dem inneren Zerfall der deutschen Streitkräfte am Ende des Krieges, den die Forschung bislang maßgeblich auf Wilhelm Deists »verdeckten Militärstreik« der Soldaten nach den gescheiterten Frühjahrsoffensiven zurückgeführt hat, eine wichtige neue Facette hinzugefügt worden (Wilhelm Deist, in 2.14 Der Krieg des kleinen Mannes, S. 146‑167)). Auch auf dem biografischen Feld sind in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte zu verzeichnen gewesen. John C.G. Röhls bedeutende Biografie 4.7   zu Wilhelm II. hat 2008 mit dem Erscheinen des dritten Bandes über die Zeit zwischen 1900 und 1941 ihren Abschluss gefunden. Bei den Spitzenmilitärs liegen in Ergänzung zu Holger Afflerbachs Falkenhayn- und Annika Mombauers Moltke-Biografie (   4.1 , 4.4   ) nun auch modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Arbeiten zu Hindenburg (  4.6   Wolfram Pyta) und Ludendorff (   4.5   Manfred Nebelin) vor. Für die Zeit der 3. OHL besteht hier ein bemerkenswerter Gegensatz. Pyta lässt den Feldmarschall insgesamt als aktiven politischen Entscheidungsträger erscheinen und betont dessen do-

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minante Rolle im Führungsduo mit Ludendorff. Dagegen knüpft Nebelin an die lange in der Forschung vertretene, mittlerweile aber umstrittene These einer stillen Militärdiktatur (   6.9   Kitchen) Ludendorffs an. Eckard Michels’ Biografie 4.3 zu Paul Erich von Lettow-Vorbeck räumt nicht nur gründlich mit dem Nachkriegsheldenmythos des »Löwen von Afrika« auf. Sie bietet darüber hinaus neue Einblicke in die Strukturen der deutschen Schutztruppe und deren Kriegführung in den Kolonien. Fragen nach der Rolle der deutschen Streitkräfte als Kolonial-, aber auch als Besatzungsmacht in Europa sind zuletzt vor allem vom wissenschaftlichen Nachwuchs gestellt worden. Tanja Bührers Studie 6.47   über »Die Kaiserliche Schutztruppe für Ostafrika« hat die vielfältigen Konfliktlinien zwischen Militär und Zivilverwaltung im Kontext kolonialer Sicherheitspolitik offengelegt. Lisa Mayerhofers Arbeit 7.14   über die »Deutsche Besatzung in Rumänien 1916 bis 1918« konnte belegen, dass zwischen Okkupanten und Okkupierten im Krieg durchaus enge Kooperationsverhältnisse bestanden hatten. Jens Thiel und Christian Westerhoff haben jeweils im Zeichen totaler wirtschaftlicher Mobilisierung ausführlich die deutsche Arbeitskräftebeschaffung in Belgien sowie Polen und Litauen skizziert (   7.15 , 7.16   ). Anders als in Polen oder Belgien hielt die deutsche Militärverwaltung in Ober Ost, so die Kurzbezeichnung für das Gebiet des »Oberbefehlshabers der gesamten deutschen Streitkräfte im Osten«, bis in das Jahr 1918 rigoros an Zwangsarbeit fest. Eine direkte und vereinfachende Verbindungslinie zur Politik des Zweiten Weltkrieges wird trotz einiger evidenter Parallelitäten allerdings nicht gezogen. Der Kontinuitätsaspekt steht indes im Mittelpunkt von Forschungen, die das deutsche Militär im Ersten Weltkrieg aus dem Blickwinkel einer Geschichte der Gewalt betrachtet haben. Isabell V. Hull hat in ihrer Studie 6.23   »Absolute Destruction« den Zusammenhang zwischen einer spezifisch deutschen Militärkultur, die sich maßgeblich auf den Angriff und das Schlagen schneller Vernichtungsschlachten fixierte, sowie einer genozidalen deutschen Kriegführung im Zeitalter der Weltkriege betont. Zwangsläufigen historischen Kontinuitäten hat dagegen Alan Kramer in 6.24   »Dynamic of Destruction« aus international vergleichender Perspektive eine Absage erteilt. Hier erscheint die Explosion der Gewalt auch gegen Zivilisten in einem breiteren Kontext unterschiedlicher kultureller Prägungen und situativer Handlungen der Akteure. Ein vergleichsweise hohes Maß an Gewaltorientierung innerhalb der deutschen militärischen Kultur hat zuletzt Heather Jones in einer Untersuchung zur Behandlung von Kriegsgefangenen in Großbritannien, Frankreich und Deutschland konstatiert (  9.21   Jones). In unserem Wissen über Deutschlands Heer und Marine im Ersten Weltkrieg sind noch zahlreiche Lücken zu schließen. Nach wie vor

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Forschungsstand

ist beispielsweise über das Verhalten und die Handlungen der mittleren Führung im Ersten Weltkrieg wenig bekannt. Die Ebene der Divisionskommandeure und Geschwaderkommodore, aber auch vergleichbarer Offiziere in höheren Stäben war das zentrale Bindeglied zwischen der Lebenswelt des kleinen Mannes und der höchsten Führung des Militärs. Gerade in diesem Umfeld mit all seinen intern vernetzten Cliquen, Machtkämpfen und landsmannschaftlichen Ressentiments bis hin zur Obersten Heeresleitung vollzog sich die Vorbereitung und Umsetzung der Entscheidungen im Zuge des Streitkräftewandels zwischen 1914 und 1918. In deren Händen lag zudem die maßgebliche Verantwortung für die Praxis der unmittelbaren Kampfführung und Ausbildung an der Front. Solche eher »harten« militärhistorischen Themen bedürfen unverändert moderner wissenschaftlicher Aufarbeitung interdisziplinärer Art. Auch über die Entwicklung des sozialen Gefüges der massenhaft mobilisierten Streitkräfte sind wir bis heute überraschenderweise allenfalls in Ansätzen im Bilde. Im Gegensatz zum Heer sind die unterschiedlichen Kriegserlebnisse der Mannschaften in der Marine von der Hochseeflotte bis zu den U-Boot-Besatzungen weitgehend unerforscht. Unserem Mangel an Kenntnissen über die Erfahrungen des deutschen Militärs im Krieg auf den Balkan verspricht dagegen das 2012 ausgelaufene Projekt »Der Erste Weltkrieg auf dem Balkan. Der Rumänienfeldzug 1916/17« Abhilfe zu verschaffen.

Quellenlage Archivrecherchen zur Geschichte des deutschen Heeres im Ersten Weltkrieg konfrontieren uns zunächst mit einer den Folgen des Zweiten Weltkrieges geschuldeten unliebsamen Überraschung. Das Potsdamer Heeresarchiv ist bei einem alliierten Bombenangriff 1945 nahezu vollständig zerstört worden. Ein großer Teil der preußischen Truppenakten fiel den Flammen zum Opfer. Nur noch Fragmente einzelner Truppenteile und Stäbe, darunter Kriegstagebuchauszüge, Operationsakten und Befehle, sind heute im Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, in Freiburg i.Br. erhalten. Von besonderem Wert ist in diesem Kontext der Aktenbestand des ehemaligen Reichsarchivs (RH 61). Die nur teilweise im Weltkriegswerk veröffentlichten Manuskripte der Mitarbeiter beruhen auf verloren gegangenen Dokumenten und enthalten oft Abschriften der Originale. Teile dieses Bestandes wie auch weitere Akten zum Ersten und Zweiten Weltkrieg befinden sich noch heute im Moskauer Sonderarchiv. Die Akten der Kaiserlichen Marine sind dagegen in Freiburg nahezu vollständig vorhanden. Fragmente wie einzelne Tagebücher finden sich zudem in der wehrgeschichtlichen Sammlung der Marineschule der Bundeswehr in Mürwik

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und im Marinemuseum in Wilhelmshaven. Die Suche nach Truppenakten des Heeres führt zu den noch vorhandenen Beständen der Kontingente der ehemaligen Gliedstaaten des Kaiserreiches, die in den Hauptstaatsarchiven in München, Stuttgart und Dresden aufbewahrt werden. Hier finden sich gleichermaßen die Dokumente der Militärbehörden bis hin zu den Kriegsministerien sowie auch personenbezogenes Material wie Offizierpersonalakten. Die Kriegsstammrollen beinhalten Daten, die das Sozialprofil einzelner Soldaten offenlegen. Diese sind zur bayerischen Armee mittlerweile sogar über das Internet zugänglich (www.ancestry.de). Alle genannten staatlichen Archive verfügen darüber hinaus über Nachlässe ehemaliger Weltkriegsteilnehmer. Auch die Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart hält eine umfangreiche Dokumentensammlung zur Geschichte von Heer und Marine im Ersten Weltkrieg vor. Deren Bestand umfasst rund 30 000 Feldpostbriefe. Dagegen verfügt das ZMSBw in Potsdam anders als oftmals angenommen generell über keine Militärakten. Umso mehr sieht es eine wichtige Aufgabe in der Herausgabe militärgeschichtlicher Quelleneditionen. Die im Jahre 1970 im MGFA erschienenen beiden Bände zu 5.7   »Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914 bis 1918« waren ein erster Schritt in diese Richtung. Hinzu traten jüngst neben den bereits erwähnten Band 2.19   »Der Schlieffenplan« die kritische Edition des Bandes 7 des Seekriegswerkes »Der Krieg in der Nordsee« sowie die Edition der Egodokumente des Admirals Albert Hopmann (  3.3 , 5.4  ). In Vorbereitung befinden sich die kritische Edition des ersten Bandes des Seekriegswerkes, eine Edition zu Briefen und Tagebuchnotizen des Chefs des militärischen Geheimdienstes, Oberstleutnant Walter Nicolai, sowie die Erinnerungen eines Matrosen des Linienschiffes »Helgoland«. Zu den wichtigen und einer modernen Militärgeschichte genügenden Veröffentlichungen der jüngeren Vergangenheit zählt in erster Linie die von Holger Afflerbach bearbeitete Edition 5.6   »Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg«. Sie beruht auf den Tagebüchern und Kriegsbriefen des Chefs des Militärkabinettes Moriz Freiherr von Lyncker und des kaiserlichen Generaladjutanten Hans Georg von Plessen. Die Sicht von oben dokumentiert auch Gerhard Graniers vierbändige Quellenedition 5.1   »Die deutsche Seekriegsleitung im Ersten Weltkrieg«. Die Perspektive des einfachen Soldaten nimmt im Rahmen von Protest- und Verweigerungshaltungen Bernd Ulrichs und Benjamin Ziemanns Quellensammlung 5.3   »Frontalltag im Ersten Weltkrieg« ein. Ausgewählte Dokumente zu Besatzungsherrschaft, Kriegführung und Alltagserfahrungen an der Westfront bietet der von Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz herausgegebene Band 5.2   »Die Deutschen an der Somme«. Große Beachtung hat zuletzt das 2010 von Helmuth Kiesel herausgegebene Tagebuch Ernst Jüngers 5.5   gefunden.

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Forschungsstand

| Abb. 1: Kaiser Wilhelm II. mit Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (links) und General Erich Ludendorff (rechts) im Großen Hauptquartier in Spa an der Generalstabskarte, 1917. ullstein bild

Abb. 2: General Erich von Falkenhayn (Mitte) und Kaiser Karl I. von Österreich (rechts) mit ihren Stäben am Predeal-Pass in den Südkarpaten, 1916/17. akg-images

| Abb. 3: Admiral Reinhard Scheer mit Stab an Bord seines Flaggschiffs SMS »Friedrich der Große«, 1916. BArch, DVM 10 Bild 23-61-62

Militärisches Denken und Kriegführung Das Scheitern des Schlieffen-Moltke-Plans 1914 Der Schlieffenplan Seit der Reichsgründung von 1871 schwebte über der aufstrebenden Kontinentalmacht Deutschland wegen seiner geostrategischen Mittellage das Damoklesschwert eines Zweifrontenkrieges gegen eine überlegene Koalition von Gegnern. Während Bismarcks austarierende Bündnispolitik diesen Konflikt stets verhindert hatte, verschärften sich nach dessen Entlassung 1890 kontinuierlich die Spannungen zwischen den in der Weltpolitik konkurrierenden Großmächten. Ein Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland entwickelte sich zunehmend zu einer ernsthaften Bedrohung für das deutsche Kaiserreich. Im Gegensatz zur Defensivstrategie seiner Vorgänger Generaloberst Alfred Graf von Waldersee und Helmuth von Moltke dem Älteren versuchte der deutsche Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen nach 1891 dieses Problem in seinen strategisch-operativen Planungen unter Ausnutzung des Vorteils der inneren Linie rein offensiv zu lösen. Einen langen Abnutzungskrieg dagegen, in dem Deutschland nach Auffassung Schlieffens nicht erfolgreich sein konnte, galt es unbedingt zu vermeiden. Dagegen sprachen sowohl wirtschaftliche Gründe einer zu erwartenden Blockade, aber auch innenpolitische Schwierigkeiten im Rahmen einer etwaigen Revolutionierung der Arbeiterschaft. Daher sollte eine möglichst schnelle Kriegsentscheidung in zwei Einfrontenkriegen mit jeweils örtlicher Kräfteüberlegenheit erzwungen werden. Die Kriegsplanungen äußerten sich in den jährlichen Aufmarschanweisungen des Großen Generalstabes für das Heer, wobei die vorausgesetzten Truppenstärken teils nur auf dem Papier existierten. Ob sich damit schon bei Schlieffen Forderungen nach Vergrößerungen des Heeres verbanden, ist in der Forschung strittig. Den strategischen Schwerpunkt der Kriegführung legte Schlieffen wegen der längerfristig angenommenen Mobilisierung der russischen Armee (ca. sechs Wochen) generell gegen Frankreich in den Westen. Nach dem Sieg sollte die Masse des Westheeres unter Ausnutzung der inneren Linie mit der Eisenbahn nach Osten verlegt werden, um den hier nur durch geringe deutsche Kräfte aufgehaltenen russischen Gegner zu schlagen. Als Schlieffenplan wurde aber schließlich die Ende 1905 verfasste Denkschrift »Krieg gegen Frankreich« bekannt, die noch unter dem Eindruck der russischen Niederlage im Krieg gegen Japan entstanden war. Dabei handelte es sich nicht um einen detaillierten Operationsplan für einen Zweifrontenkrieg, sondern lediglich um ein Gedankenspiel für

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einen schnellen Angriffskrieg gegen Frankreich. Die Grundidee beruhte maßgeblich auf den erst kürzlich wiederentdeckten Kriegsspielen der von Schlieffen persönlich geleiteten Großen Generalstabsreise West 1905. Sie war gedacht als Vermächtnis seiner operativen Gedanken an seinen Nachfolger Moltke (zu den Generalstabsplanungen der Ära Schlieffen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges siehe 2.19   Der Schlieffenplan). Schlieffen beabsichtigte den grenznahen französischen Festungsgürtel in Lothringen in einer gewaltigen Umfassungsbewegung zu umgehen und den Gegner in einer schnellen Entscheidungsschlacht zu schlagen. Den operativen Schwerpunkt sicherte der Generalstabschef mit einem starken rechten Schwenkungsflügel (23 Armeekorps, 12,5 Reservekorps und 8 Kavalleriedivisionen). Dieser stand im Verhältnis 7:1 zu den deutschen Kräften auf dem linken Flügel vor den französischen Grenzbefestigungen südlich von Metz (3,5 Armeekorps, 1,5 Reservekorps und 3 Kavalleriedivisionen). Die entscheidungssuchende Gesamtschlacht sollte in einer Kette von grenznahen Einzelschlachten nach einem genauen Zeitplan erfolgen. Eine große westliche Umfassung von Paris war aber erst dann als Option vorgesehen, wenn die Vernichtung der französischen Armeen vorwärts der Oise scheiterte bzw. die Franzosen nach Süden auswichen. In der Folge, ab dem 31. Vormarschtag, sollten über ein ostwärtiges Einschwenken des Schwenkungsflügels die französischen Kräfte gegen ihren Festungsgürtel gedrückt und in einer großen Vernichtungsschlacht geschlagen werden. Der oft in der gängigen Literatur dem Schlieffenplan unterstellte Drehtüreffekt, wobei der schwache linke Flügel im Süden vor einem französischen Angriff nach Osten ausweichen sollte, erscheint im Lichte neuerer Forschungen zweifelhaft. Aufgrund der Feindlagebeurteilung rechnete Schlieffen 1905 eher mit einem defensiven Verhalten der Franzosen und nicht mehr mit Offensiven nach Lothringen. Seine Planung für den Krieg gegen Frankreich orientierte sich damit nicht wie bisher oft angenommen an einer Wiederauflage der antiken Kesselschlacht bei Cannae (216 v.C.). Hier war es dem karthagischen Feldherrn Hannibal gelungen, ein zahlenmäßig überlegenes römisches Heer durch ein Nachgeben der mittleren Schlachtfront in eine Falle zu locken und den vorpreschenden Gegner im Rücken vernichtend zu schlagen. Vielmehr schwebte ihm am Beispiel Friedrichs II. im Jahre 1757 ein exakt geplantes »Superleuthen« (  6.7   Groß, S. 90) vor, als die Armee des Preußenkönigs die Stellung der Österreicher an der Flanke überflügelt hatte. Mit dem Marsch durch neutrales luxemburgisches, belgisches und niederländisches Territorium kalkulierte Schlieffen das Risiko eines Eingreifens Großbritanniens bewusst ein. Den Osten ignorierte er größtenteils, hoffte sogar auf einen Ausgleich mit Russland oder ein frühzeitiges Einlenken des Zarenreiches nach dem Sieg im Westen. In sei-

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ner späteren Denkschrift von 1912 war er sogar bereit, Ostpreußen ganz preiszugeben. Gleichwohl bearbeitete der Große Generalstab in seinen Planungen alternativ immer auch einen Ostaufmarsch und spielte ihn in den Generalstabsreisen durch. Er wurde erst unter Schlieffens Nachfolger 1913 endgültig verworfen. Die jüngst angezweifelte Existenz des Schlieffenplans mitsamt der These einer eher defensiven deutschen Kriegsplanung (  6.5   Zuber) wird in der Forschung unter Berücksichtigung neuer Quellen und den Kriegsspielen des Großen Generalstabes mittlerweile überwiegend abgelehnt (  2.19   Der Schlieffenplan). Dabei war Schlieffen in seinen Planungen und seinem Denken auch weniger dogmatisch als bisher in der älteren Literatur immer konstatiert. So war etwa die große westliche Umfassung von Paris schon in den Kriegsspielen des Großen Generalstabes stets eine ultima ratio des Handelns gewesen. Intern war dieser wohl auch nicht der monolithisch planende und denkende Block, wie es später von den Anhängern der sogenannten Schlieffen-Schule, allen voran dem letzten Ersten Generalquartiermeister des Heeres, Generalleutnant Wilhelm Groener, gerne behauptet wurde. Am Ende seiner Amtszeit mehrte sich die Kritik am scheidenden Generalstabschef. Dessen ungeachtet bildeten Vernichtungsschlacht, Umfassungsgedanke sowie eine bewegliche und offensive Operationsführung mit klarer Schwerpunktsetzung und Ausnutzung der Überraschung stets Eckpunkte des operativen Denkens für den kurzen Krieg. Zur Rechtfertigung hatte Schlieffen sie aus der Kriegsgeschichte selektiv hergeleitet, bei den Folgerungen aber die logistischen Herausforderungen der Führung von Millionenheeren in Theorie und Planung weitgehend ausgeblendet. Strategische und numerische Unterlegenheit glaubte man durch bessere Führung und Qualität der eigenen Truppen ausgleichen zu können. In dieser Richtung prägte Schlieffen nachhaltig das operative Denken des deutschen Militärs bis in das 20. Jahrhundert hinein. In der Zwischenkriegszeit sorgten die Anhänger der Schlieffen-Schule für die Unterdrückung jedweder Kritik an dessen vermeintlichem Siegesrezept. Anstatt einer systematischen und kritischen Aufarbeitung der Schwächen der Schlieffenschen Planungen suchte man die Schuld für die Niederlage lieber in der angeblich inkonsequenten Umsetzung im Krieg. Dafür mussten Sündenböcke wie Moltke d.J. und später auch sein Nachfolger Falkenhayn herhalten. Die spätere Wehrmachtführung plante 1939/40 sogar ein »dreidimensionales Cannae« (Karl-Heinz Frieser) für einen schnellen militärischen Vernichtungssieg gegen Frankreich. Unter Ausnutzung moderner Kriegstechnik gelang hier zwar der 1914 noch versagte schnelle Erfolg im Westen, gegen eine strategisch überlegene Koalition von Gegnern in einem langen Volkskrieg erwies es sich langfristig jedoch genauso ungeeignet wie ein Vierteljahrhundert zuvor.

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Der Moltkeplan Moltke d.J. war in seinem operativen Denken deutlich flexibler als Schlieffen. Entgegen dem nahezu kanonisch vertretenen Umfassungsprinzip in einer Schlacht bevorzugte er sehr zum Ärger Schlieffens beispielsweise die Verbindung mit einem Durchbruch. Auch in der realistischeren Einschätzung eines künftig längeren Krieges stand er eher in der Denktradition seines Onkels. So betrachtete er einen langen Volkskrieg angesichts der als immer bedrohlicherer empfundenen außenpolitischen »Einkreisung« durch die Entente nach seinem Amtsantritt insgeheim für durchaus wahrscheinlich. Dennoch hielt er an den grundlegenden strategisch-operativen Prinzipien seines Vorgängers mitsamt den politischen Risiken fest. Über die Gründe wird in der Forschung nach wie vor spekuliert. Einem neueren Ansatz zufolge entzog sich das Eingeständnis in die Aussichtslosigkeit der Führung eines Zweifrontenkrieges – noch dazu gegenüber der Reichsleitung – dem Selbstverständnis der militärischen Eliten im Großen Generalstab. Etwas nicht leisten zu können, passte nur schwerlich in die Mentalität von Offizieren, die aus einer Überzeugung von überlegener eigener Qualität und unbedingter Willenskraft im mehrheitlich herbeigesehnten Krieg zu handeln glaubten. Moltke verschwieg daher auch weitgehend seine Befürchtungen über einen langen Krieg und drängte die Reichsleitung bis in die Julikrise 1914 hinein vielmehr optimistisch zu einem baldigen Losschlagen. Zögern minderte seiner Auffassung nach langfristig nur Deutschlands Siegeschancen in einem Krieg mit den Ententemächten. Moltkes Devise lautete daher: »Krieg jetzt oder nie« (  4.4   Mombauer, S. 288). Entsprechende Äußerungen tätigte er während des berühmten Kriegsrates vom Dezember 1912, einer im Verlauf des Ersten Balkankrieges durch den Kaiser einberufenen Versammlung der Spitzenmilitärs des Reiches. Angesichts der russischen Aufrüstung forderte er im Mai 1914 gegenüber dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Gottlieb von Jagow, den Kampf so schnell als möglich aufzunehmen, und zwar so lange noch Aussicht auf Erfolg bestehe. Eine ähnliche Kriegstreiberei, mit der auch Kriegsminister Falkenhayn in Erscheinung trat, wiederholte er in einem die politische Lage skizzierenden Memorandum an Kaiser und Reichskanzler Ende Juli 1914. Moltkes Verhalten trug wesentlich zur Fehleinschätzung der Reichsleitung während der Julikrise bei, aus einer Position militärischer Stärke heraus diplomatisch am Rande eines großen Krieges agieren zu können. Doch der Glaube, den Konflikt im Rahmen eines »kalkulierten Risikos« auf dem Balkan lokal halten zu können, erwies sich am Ende bekanntlich als fataler Trugschluss. Das Scheitern der Diplomatie setzte die Offensivplanung der Militärs in Gang, die ganz im Sinne Schlieffens die Möglichkeiten des strategisch weit überlegenen Gegners durch schnelle operative Bewegungen vermeintlich besser geführter und qualitativ höherwertiger Truppen

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zu unterlaufen versuchten. Und doch war es im August 1914 längst nicht mehr der Plan des im Vorjahr verstorbenen Schlieffens, sondern eine von seinem Nachfolger in wichtigen Details abgeänderte Version (Moltkeplan), die den Feldzug eröffnete. In den Nachkriegsjahren sah sich Moltke heftigen Vorwürfen der Schlieffen-Schule ausgesetzt, das vermeintliche Siegesrezept seines Vorgängers »verwässert« zu haben. Dabei hatte Moltke infolge neuer Lagebeurteilungen lediglich die Operationsplanungen den aktuellen militärpolitischen Entwicklungen angepasst. Aus Furcht vor den Folgen einer britischen Blockade verzichtete er auf die Neutralitätsverletzung der Niederlande, die Deutschland als »Luftröhre« dienen sollten. Das zwang operativ zu einem Handstreich auf die belgische Festung Lüttich, was die deutsche Operationsführung allerdings noch mehr unter Zeitdruck setzte und im Vorfeld keinen Raum mehr für politische Lösungen ließ. Aber daran war die militärische Führung in ihrem Drängen auf einen baldigen Präventivkrieg gar nicht interessiert. Angesichts der verbesserten militärischen Lage Russlands sah sich Moltke im Osten gezwungen, eine Truppenverstärkung vorzunehmen, um die »russische Dampfwalze« in Ostpreußen mit einer Armee in einer offensiv geführten Verteidigung aufzuhalten. Die Preisgabe, wie vom pensionierten Schlieffen 1912 vertreten, kam aus politischen Gründen nicht infrage. An der strategischen Schwerpunktsetzung im Westen änderte dies freilich nichts. So wurde auch der alternative große Ostaufmarsch 1913 endgültig verworfen. Die Hauptlast der Kriegführung im Osten sollte bis zum Eintreffen der deutschen Verstärkungen aus dem Westen der k.u.k. Bündnispartner tragen. Doch obwohl im Unterschied zum Westen hier eine Koalitionskriegführung unvermeidbar wurde, entwickelten die Bündnispartner keinen gemeinsamen Operationsplan für einen Krieg gegen Russland. Erst im Jahre 1909 hatte Moltke den österreichischen Generalstabschef Feldmarschall Franz Conrad von Hötzendorff über den deutschen Schwerpunkt im Westen informiert und dabei lediglich einen deutschen Entlastungsangriff auf den Narew in Aussicht gestellt. Nachdem sich im Westen die Anzeichen einer französischen Offensive in Lothringen verdichtet hatten, verstärkte Moltke seit 1909/10 den linken deutschen Aufmarschflügel, um flexibler auf diese Lage reagieren zu können. Wie dies zu erfolgen hatte, wurde in der Aufmarschanweisung allerdings nur grob und in Abhängigkeit zum französischen Vorgehen umrissen. Offenbar hielt sich der Generalstabschef mehrere Handlungsoptionen für die Westoffensive offen. Auf dem rechten Flügel lag weiterhin der operative Schwerpunkt, wobei das Kräfteverhältnis zum linken Flügel nur noch 3:1 betrug. Im Falle eines massiven französischen Vorstoßes nach Lothringen war Moltke aber

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auch bereit, auf eine große Umfassung durch Belgien zu verzichten und die Franzosen hier zu schlagen. So begann der Krieg im August 1914 mit dem Moltkeplan, der die 1. bis 7. Armee auf zwei Flügeln im Westen (1.‑ 5. Armee Schwenkungsflügel mit 17 Armee- und 9 Reservekorps, 6. und 7. Armee Südflügel mit 6 Armee- und 2 Reservekorps) und die 8. Armee (3 Armee-, 1 Reserve- und das Landwehrkorps) zur offensiven Verteidigung in Ostpreußen konzentrierte. Niederlage im Westen – Erfolge im Osten Nur dem Anschein nach verlief der vorausgedachte kurze Bewegungskrieg im August 1914 nach Plan. Zweifelsohne rückte das deutsche Westheer in einer Gesamtstärke von 1,6 Millionen Mann auf seinem rechten Flügel nach der zügigen Einnahme der Festung von Lüttich im veranschlagten Zeitrahmen durch Belgien bis nach Nordfrankreich vor. In Lothringen gingen die deutschen Truppen der 6. (Kronprinz Rupprecht von Bayern) und 7. Armee (Heeringen) gegen die hier vorsichtig offensiv agierenden Franzosen nach anfänglichem Abwarten zum Angriff über. Die ersten Grenzschlachten erbrachten den deutschen Truppen unter Ausnutzung des Überraschungseffektes zwar vorübergehende Erfolge; Siegeseuphorie verbreitete sich innerhalb der Führung. Doch gelangen weder die angestrebten schnellen Umfassungen noch die Vernichtung der alliierten Streitkräfte. Diese wichen vor dem starken Schwenkungsflügel des Gegners nach Süden auf Paris aus. Der französische Oberbefehlshaber, General Joseph Joffre, verstärkte hier durch die Verschiebung von Truppen auf der inneren Linie die Kräfte. So verlagerte sich unter Ausnutzung des Schienennetzes gerade im Schwerpunkt der Kämpfe das Kräfteverhältnis deutlich zugunsten der Alliierten. Zu Beginn der Marneschlacht am 5. September 1914 standen schließlich den 24,5 Divisionen des deutschen Schwenkungsflügels 41 alliierte Divisionen gegenüber. Die deutschen Verbände waren generell in ihrer Kampfkraft, also an Anzahl, Ausrüstung und Bewaffnung, der britischen Berufsarmee in etwa ebenbürtig. Gegenüber den Franzosen besaßen sie in der Feldausrüstung und technischen Ausstattung insbesondere der schweren Artillerie Vorteile. Schon während des deutschen Vormarsches zeigten sich die immensen Schwierigkeiten der Kriegführung mit einem Millionenheer, das zu einem schnellen offensiven Bewegungskrieg im Grunde genommen gar nicht in der Lage war. Abseits der Eisenbahnendpunkte wuchsen täglich die Probleme der logistischen Versorgung einer kaum motorisierten und unverändert auf das Pferd angewiesenen Truppe. Ein Ist-Bestand von 4000 Lastwagen sollte das leisten, wozu nach Berechnungen eigentlich 18 000 erforderlich gewesen wären. Andauernde Marschleistungen zu Fuß von durchschnittlich über 20 km pro Tag mit vollem Marschgepäck bei hochsommerlicher Hitze trugen

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Vormarsch zwischen 18.8. und 5.9.1914 Quellen: Chr. Zentner, Illustrierte Geschichte des Ersten Weltkriegs, Eltville a.Rh. 1990, S. 419; 6.7 Groß, Mythos und Wirklichkeit, S. 91.

© ZMSBw

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schnell zu einem hohen Erschöpfungsgrad der Soldaten der vorrückenden Armeen bei. Truppenteile der 1. Armee legten beispielsweise unter Gefechtsbedingungen zwischen dem 17. August und 5. September 1914 rund 500 km zurück. Die modernen Mehrladegewehre, Maschinengewehre sowie die schnell und verdeckt feuernde Artillerie verschafften den Verteidigern einen Vorteil. Dies glaubten die meisten deutschen Militäreliten durch eine Überbetonung der Moral, unbändigen Willen sowie den Glauben an die vermeintlich eigene überlegene Qualität von Truppe und Führung im Angriff ausgleichen zu können. Nun forderte der Einsatz dieser Waffen einen hohen Blutzoll unter der zum Offensivdrang erzogenen Infanterie. Die Stimmung der Angriffstruppen wurde zusätzlich angeheizt durch Gerüchte über angebliche Aktionen von Freischärlern (Franktireurs) aus den Reihen der Zivilbevölkerung in Belgien und Frankreich. Sie steigerte sich auf deutscher Seite unter dem Einfluss der Erfahrungen des Krieges von 1870/71 zu einer Massenhysterie. Die Folgen waren ein teilweise brutales Vorgehen und Repressalien der deutschen Truppen gegen die Zivilbevölkerung. Es kam zu willkürlichen Zerstörungen von Dörfern und Städten, Deportationen und kollektiven Hinrichtungen. Ihren traurigen Höhepunkt fanden die Ausschreitungen am 25. August 1914 in der belgischen Stadt Löwen. Ein Ausfallversuch der Festungsbesatzung Antwerpen auf Löwen löste Gewaltexzesse der deutschen Truppen in der Stadt aus. Über 2000 Gebäude wurden willkürlich zerstört, zahlreiche Zivilisten erschossen und 1500 Löwener Bürger nach Deutschland verschleppt. Aus Hass gegen den katholischen Klerus, der als treibende Kraft des belgischen Widerstandes galt, steckten die Besatzungstruppen die Universitätsbibliothek in Brand. Insgesamt fielen während des Vormarsches 6500 belgische und französische Zivilisten den deutschen Repressalien zum Opfer. Während die alliierte Seite die Gräueltaten extensiv zu Propagandazwecken nutzte, wies sie die deutsche Führung kategorisch unter Schuldzuweisung an die Gegenseite zurück. Die völkerrechtswidrigen Handlungen der deutschen Truppen im Westen standen neben den fundamentalen Kommunikationsschwierigkeiten in der Führung während des Vormarsches. Schon die unzureichende Ausstattung des Heeres mit technischen Führungsmitteln ließ Schlieffens Vorstellung von der straffen Führung zu einer Illusion werden. Die OHL besaß ein ebenso unzureichendes und überholtes Lagebild von vorne wie die einzelnen Armeen untereinander. Die notwendige zeit- und zielgerichtete zentrale Koordination der Heeresbewegungen gerade in den entscheidenden Phasen der Anfangsoperationen blieb weitestgehend aus. Zugleich scheiterte das Prinzip der Handlungsfreiheit der Auftragstaktik maßgeblich am mangelnden Willen der eigenwilligen Armeeführer, kooperativ miteinander zu han-

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deln, wie es Moltke anstrebte. Der Generalstabschef galt vielen als zögerlich, schwammig und wenig bestimmend. So konnte sich der Chef des Generalstabes des Armeeoberkommandos 6, Generalmajor Konrad Krafft von Dellmensingen, bereits Ende August des Eindrucks nicht erwehren, dass die OHL wohl durch rätselhafte Befehle möglichst wenig Verantwortung übernehmen wolle. Animositäten etwa zwischen den beiden Oberkommandierenden der 1. (Kluck) und 2. deutschen Armee (Bülow) sowie landsmannschaftliche Vorbehalte beispielsweise zwischen Preußen und Bayern während der Kämpfe in Lothringen behinderten darüber hinaus den schnellen Feldzugserfolg. Sie reichten bis in die OHL, die im Nachhinein sogar die Bayern in Lothringen zum Sündenbock für den gescheiterten Feldzug stempelte. Selbst im Ersten Weltkrieg war die Reichseinigung in den Köpfen der deutschen Armee noch kaum vollzogen. Unterstellungen eines Armeekommandeurs unter einen anderen zur Sicherstellung der Einheitlichkeit der operativen Führung verschärften dabei nur noch die Rivalitäten. Heeresgruppen als feste Zwischeninstanz zur Führung mehrerer Armeen wurden im Westen erst viel später, ab Mitte 1915, gebildet. Die deutschen Führungsprobleme und die völlige Erschöpfung einer nur mangelhaft beweglichen Truppe in Verbindung mit der geschickten Verschiebung von Kräften auf alliierter Seite mit der Eisenbahn vor den deutschen Schwenkungsflügel waren maßgebliche Gründe für das endgültige Scheitern des deutschen Kriegsplanes im Westen Anfang September 1914. Die ursprüngliche Absicht einer großen westlichen Umfassung von Paris hatte die OHL angesichts der Lageentwicklung allmählich aufgegeben müssen. Dazu trug nicht zuletzt der selbstverschuldete Kräftemangel bei. Zur Verstärkung des linken Flügels in Lothringen gegen den französischen Angriff wurde die einzige operative Reserve des Heeres von sechseinhalb Ersatzdivisionen eingesetzt. Im Zuge der Siegeseuphorie im Westen und unter dem Eindruck des unerwartet schnellen russischen Vormarsches in Ostpreußen hatte Moltke zudem Ende August den Abtransport von zwei Armeekorps des Schwenkungsflügels an die Ostfront zur 8. Armee angeordnet. Die beiden Korps fehlten den Deutschen in der folgenden Marneschlacht. Mit einer Schwerpunktverlagerung auf einen Zangenangriff von 3., 4., 5., 6. und 7. Armee auf den rechten französischen Flügel sollte dann die Entscheidung ostwärts Paris, und zwar mit einem Durchbruch über die Mosel zwischen Toul und Epinal, herbeigeführt werden. Dazu fehlte es aber der 6. und 7. Armee trotz massiver Artillerieverstärkung an der notwendigen Durchschlagskraft. Zugleich hatten die 1. und 2. Armee, so die Weisung der OHL vom 5. September 1914, den eigenen Vormarsch einzustellen und den Schutz der Flanke gegen die französische Hauptstadt sicherzustellen. Hier war die 1. Armee, die eigentlich der 2. Armee nach

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neuer Absicht der OHL gestaffelt folgen sollte, längst selbstständig südostwärts der französischen Hauptstadt zur Verfolgung und Umfassung des Gegners eingeschwenkt und bis über die Marne vorgestoßen. Diese Option eines ostwärtigen Stoßes von Paris war nichts Neues und stellte keinesfalls die später vielfach vorgeworfene »Verwässerung« des vermeintlichen Siegesrezeptes von Schlieffen dar. Sie fußte vielmehr eindeutig auf Schlieffens Kriegsspielen von 1905. An denen war seinerzeit auch der Chef des Generalstabes der 1. Armee, Generalmajor Hermann von Kuhl, unmittelbar beteiligt gewesen. Den Schutz der eigenen Flanke und damit des gesamten nach Süden zwischen Paris und Verdun eingedrehten deutschen Schwenkungsflügels hatte die Führung der 1. Armee in Unkenntnis der Lage jedoch weitgehend vernachlässigt. Eine bewusste Missachtung der Direktiven der OHL, gestaffelt hinter der 2. Armee zu bleiben, ging damit einher. Der französische Oberbefehlshaber nutzte zugleich diese Gunst der Stunde und ließ seine Armeen mit überlegener Stärke auf einer Breite von 230 km zum Gegenangriff übergehen. Seine im Vergleich zu seinem deutschen Widersacher Moltke ruhigere und nötigenfalls auch straffe persönliche Führung der Operationen erwies sich als effektiver. Die so von der neuaufgestellten 6. französischen Armee (Maunoury) aus Paris ausgehende tödliche Flankenbedrohung des deutschen Schwenkungsflügels erkannte die Führung der 1. Armee erst im letzten Moment. Nur über einen Gewaltmarsch der Masse der Truppen am 6. und 7. September 1914 zurück hinter die Marne gelang es, den französischen Flankenangriff am Ourcq abzuwehren. Nichtsdestoweniger entstand durch diese Truppenbewegung zwischen den beiden deutschen Armeen am Rand des Schwenkungsflügels eine bis zu 50 km breite Lücke, in die langsam über die Marne hinweg britische und französische Verbände hineinstießen. Die Kommunikation zwischen den beiden deutschen Flügelarmeen sowie zur OHL brach völlig zusammen. Aus Sicht eines deutlich verunsicherten und mangelhaft informierten Moltke entstand dadurch eine äußerst krisenhafte Situation. Zur Klärung der unübersichtlichen Lage entsandte er am 8. September den Leiter der Nachrichtenabteilung des Generalstabes des Feldheeres, den sächsischen Oberstleutnant Richard Hentsch, an die Front. Dessen mündlich durch den Generalstabschef erteilte Mission wurde in der Memoirenliteratur und der amtlichen Militärgeschichtsschreibung der Zwischenkriegszeit maßgeblich mit dem »Wunder an der Marne«, also dem als unnötig empfundenen Rückzug des deutschen Schwenkungsflügels hinter die Marne und damit dem Scheitern des Kriegsplanes, in Verbindung gebracht. Hentsch sei zwar ein talentierter Generalstabsoffizier, zugleich aber wie auch sein Chef zu pessimistisch gewesen, so die Vorwürfe. Er sei von Anfang an von einem Rückzug der bei-

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den Flügelarmeen überzeugt gewesen und handelte im Bewusstsein, für diesen Schritt über die entsprechende Vollmacht Moltkes zu verfügen. Eine Untersuchung der Ereignisse an der Marne noch 1917 stellte heraus, dass Hentsch entgegen den Aussagen Moltkes und des Chefs der Operationsabteilung, Oberst Gerhard Tappen, seine Befugnisse nicht überschritten habe. Tatsächlich war der für den Verlauf des Ersten Weltkrieges richtungsweisende deutsche Rückzug an der Marne maßgeblich auf die insgesamt verworrene Befehlslage, unklare Lagebilder der Protagonisten sowie deren mangelhafte Kommunikation untereinander zurückzuführen. Der Oberbefehlshaber der 2. Armee ordnete nach den Gesprächen mit Hentsch und unter dem Eindruck von Meldungen über ein weiteres Vorrücken der Briten am 9. September 1914 den Rückzug seiner Truppen hinter die Marne an. Dieser Schritt erfolgte ohne genaue Kenntnis über die Situation bei der 1. Armee. Eine direkte Kommunikation wurde erstaunlicherweise weder mit der OHL noch der Nachbararmee gesucht. Das traf in gleichem Maße für die 1. Armee zu. Insgesamt war hier die Lage für die Deutschen weniger bedrohlich wie von Hentsch und Bülow angenommen. Lediglich durch Hentsch konfrontiert mit der Situation und Absicht der 2. Armee sowie dem Rückzugsbefehl der OHL, musste auch die Führung der 1. Armee die Rücknahme ihrer Truppen vom Ourcq veranlassen. Physisch und psychisch schwer angegriffen, sah Moltke sich gezwungen, in den folgenden Tagen die restlichen Armeen des Schwenkungsflügels zurückgehen zu lassen, während sich in Lothringen die Truppen bereits in einem blutigen Stellungskrieg gegenüberlagen. Die Initiative war auf die Alliierten übergegangen. Sie drängten die vom Rückzugsbefehl überraschten und vielfach fassungslosen deutschen Truppen auf dem Schwenkungsflügel bis an die Aisne zurück. Hier zwangen die Erschöpfung der eigenen Truppen und der Widerstand der mittlerweile durch das Heranführen neuer Verbände verstärkten Deutschen die Alliierten ihrerseits zum Abbruch der Angriffe. Der Kaiser ersetzte Moltke noch am Abend des 14. September 1914 durch den preußischen Kriegsminister Falkenhayn als neuen Chef des Generalstabes des Feldheeres. Den vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenen schweren Rückschlag an der Marne sahen nur wenige innerhalb der deutschen Füh rungsschicht zu diesem Zeitpunkt als einen Wendepunkt des Krieges an. Im ungebrochenen Glauben an die vermeintliche Überlegenheit der eigenen Führung und Truppen hielt sich vorerst noch die Illusion vom schnellen Sieg. Die Ereignisse in Ostpreußen schienen dies zu bestätigen. Schließlich hatte das mit der Führung der 8. Armee am 22. August 1914 in Ostpreußen beauftragte Duo Hindenburg und Ludendorff in der Schlacht bei Tannenberg und den Masurischen Seen in Ostpreußen zwei zusammen zahlenmäßig überlegene russische Armeen nachein-

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Militärisches Denken und Kriegführung

ander ausmanövriert und geschlagen. Dieser taktisch-operative Erfolg auf dem Schlachtfeld begründete nicht nur den langfristigen Mythos der beiden als unbesiegbar geltenden »Tannenberghelden«. Zugleich diente die gelungene Umfassungsschlacht bei Tannenberg in breiten Kreisen des deutschen Militärs und auch der späteren amtlichen Militärgeschichtsschreibung als quasi unverrückbarer Beleg für die »Richtigkeit« des vernichtungsstrategischen Denkens. Hindenburg und Ludendorff galten als die »wahren Erben« Schlieffens. Dass dieser Erfolg trotz einer zweifelsohne beachtenswerten Führungsleistung allerdings nur unter äußerst günstigen und glücklichen Umständen im Osten zustande gekommen war, wurde und wird zum Teil bis heute gerne übersehen. Hier besaß die deutsche Führung im Vergleich zum Westen vor allem eine durch bessere Aufklärung erzielte Informationsüberlegenheit gegenüber den russischen Truppen und damit ein klares Lagebild. Im Endeffekt entwickelte sich ein Szenario, das vom deutschen Generalstab schon vor dem Krieg in seinen Kriegsspielen in mehreren Optionen erörtert worden war. Dagegen blieb die russische Führung der 1. (Rennenkampf) und 2. Armee (Samsonow) vor Ort nahezu blind. Deren Verhalten zeichnete sich in hohem Maße durch gegenseitiges Misstrauen und auch Zerstrittenheit aus. Die mangelnde Kommunikation der beiden russischen Armeeführer in Ostpreußen zeigte eine erstaunliche Parallelität zum Verhalten der beiden deutschen führenden Generale an der Marne im Westen. Infolgedessen konnte die 8. Armee (153 000 Mann) unter Inkaufnahme eines hohen Risikos mithilfe des ausgebauten Schienennetzes schnell Kräfte verschieben und einen überraschenden örtlichen Schwerpunkt bilden. Die schlecht versorgte und mit einem diffusen Lagebild versehene 2. russische Armee (191 000 Mann) tappte nach Westen vorstoßend in eine Falle. Sie wurde trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit nach dem Vorbild der antiken Cannaeschlacht eingekreist und vernichtend geschlagen. Dennoch war Tannenberg an sich weniger eine Offensivoperation als vielmehr eine gelungene Defensivschlacht. Im Endeffekt handelte es sich lediglich um einen lokalen taktischoperativen Erfolg. Mit der Verlegung der beiden Korps des deutschen Schwenkungsflügels von Frankreich nach Ostpreußen unterlief die OHL die eigene strategische Schwerpunktbildung. Sie spielte damit der Kriegführung der Entente auf der äußeren Linie an zwei Fronten in die Hände. Bereits 1913 hatten die Franzosen mit den Russen zur eigenen Entlastung einen möglichst zügigen Ansatz der Kräfte in Ostpreußen am 15. Mobilmachungstag vereinbart. Nach Kriegsbeginn drängten Paris und London nachhaltig auf die schnelle russische Offensive gegen Ostpreußen. Ob ein etwaiges Ausbleiben des »Wunders an der Marne« den Krieg zugunsten Deutschlands schnell beendet hätte,

langsames Vorrücken

Angriffe/Bewegungen

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Quelle: Chr. Zentner, Illustrierte Geschichte des Ersten Weltkriegs, Eltville a.Rh. 1990, S. 420.

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Die Schlacht bei Tannenberg 20.8. bis 31.8.1914

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Militärisches Denken und Kriegführung

wie später gerade von deutschen Militärs und auch der amtlichen Militärgeschichtsschreibung suggeriert, gehört in den Bereich kontrafaktischer Geschichtsinterpretation. Zweifelsohne erlitten die Deutschen im September 1914 durch das Scheitern des Moltkeplans eine strategische Niederlage mit längerfristigen Konsequenzen. Weder der Gegner im Westen noch im Osten war wie beabsichtigt entscheidend geschlagen worden. Die Fronten erstarren Auch Falkenhayns anschließende Versuche, im Wettlauf mit den Alliierten zum Meer im Oktober/November 1914 den Gegner an der Flanke zu überflügeln und doch noch eine kurzfristige Entscheidung im Westen zu erreichen, scheiterten. Die Westfront erstarrte nach dem Fehlschlagen der deutschen Angriffe in Flandern mit 80 000 Mann Verlusten im Stellungskrieg. Hier entstand während des Krieges aus dem wohl bekanntesten deutschen Heeresbericht vom 11. November 1914 der Langemarck-Mythos. Mit dem Deutschlandlied auf den Lippen, so der Bericht, hätten »junge deutsche Regimenter« westlich des Dorfes Langemarck feindliche Stellungen eingenommen. Die schnell aufgestellten Freiwilligenregimenter erlitten bei ihren ungestümen Frontalangriffen ohne Artillerieunterstützung gegen einen befestigten und mit Maschinenwaffen ausgerüsteten Gegner ein blutiges Debakel. Tatsächlich hatten diese Reservetruppen keineswegs nur aus jungen Studenten bestanden. Nichtsdestoweniger wurden die Ereignisse in Deutschland zu einem verherrlichenden Opfergang der deutschen Jugend hochstilisiert. An der Ostfront war der die eigentliche Hauptlast tragende k.u.k. Bündnispartner durch den Verlust Ostgaliziens und den Rückzug auf die Karpaten schon in der ersten Kriegsphase zunehmend unter Druck geraten. Dazu trugen auch dessen hohe personelle Verluste von rund 100 000 Toten sowie nochmals über ca. 300 000 Verwundeten und Gefangenen bereits im August 1914 bei. Beide Seiten verlagerten mit Truppenkonzentrationen und wechselnden Offensiven im Oktober und November 1914 den Schwerpunkt der Kampfhandlungen nach Westpolen. Ohne eine Kriegsentscheidung herbeiführen zu können, erstarrte im Dezember auch die Ostfront vorübergehend im Stellungskrieg. Die Frontlinie verlief von den Karpatenpässen über Galizien durch Westpolen bis zur Lötzen-Angerapp-Stellung im Seengebiet Ostpreußens. Auf diese befestigte Stellung hatte sich die 8. Armee wegen der Truppenabstellungen an die in Oberschlesien für die Operationen in Westpolen neugebildeten 9. Armee (Hindenburg, ab 2. November 1914 Mackensen) zurückziehen müssen. Die Truppen des Zaren hatten sich immer wieder durch geschicktes Ausnutzen der Tiefe des Raumes mit Ausweichmanövern deutsch-österreichischen

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Umfassungsangriffen entzogen. Die zusätzlich durch Dauerregen beeinflussten katastrophalen Wegeverhältnisse setzten dem erstrebten Bewegungskrieg noch engere Grenzen als im infrastrukturell erheblich besser erschlossenen Westen. Je weiter die Truppe in dem unwegsamen Gelände vorrückte, umso schwieriger gestaltete sich deren Versorgung. Bewegungen stockten, bis schließlich die Erschöpfung der Soldaten die Führung zum Anhalten der Angriffe zwang und dies schnelle operative Entscheidungen auf dem Schlachtfeld weitgehend verhinderte. Koalitionskriegführung Schwere Differenzen zwischen der deutschen und k.u.k. Heeresleitung belasteten bereits in der ersten Kriegsphase eine wirksame Koalitionskriegführung, für die es schon vor dem Krieg keine gemeinsame Planung gegeben hatte. Anders als von der OHL angemahnt, hatte der Bündnispartner annähernd die Hälfte seiner Truppen (26 Infanteriedivisionen) gegen Serbien konzentriert. Die Chance einer Kriegführung mit überlegenen Kräften an der Ostfront wurde damit aus Sicht der Deutschen schnell verspielt. Auf der anderen Seite spekulierte der k.u.k. Generalstabschef Conrad von Hötzendorf auf die vor dem Kriege von Moltke in Aussicht gestellten deutschen Verstärkungen nach dem Sieg im Westen. Auf das ständige Drängen Conrads zur Unterstützung mit Truppen reagierte die OHL aber wegen des Wettlaufs zum Meer an der Westfront allenfalls zögerlich. Für die Offensiven in Westpolen, die zu einer Entlastung der österreichischen Galizienfront beitragen sollten, stellte die OHL zwar die neuformierte 9. Armee zur Verfügung. Sie wurde aber mit Masse aus bereits vorhandenen Truppen der 8. Armee in Ostpreußen gebildet. Erst nach den Fehlschlägen in Flandern entschloss sich Falkenhayn Mitte November zu einer Truppenabgabe aus dem Westen, die er allerdings mit fünf Divisionen strikt begrenzte. Die nun von Conrad vehement verlangte Schwerpunktverlegung der deutschen Kriegführung in den Osten lehnte der deutsche Generalstabschef ab. Seine Strategie blieb unverändert auf den Hauptkriegsschauplatz im Westen und die Niederwerfung des – aus seiner Sicht – Hauptgegners England ausgerichtet, während er im Osten auf einen Separatfrieden mit Russland setzte. Die Interessengegensätze führten zu einem schwelenden Dauerkonflikt zwischen den militärischen Führungsspitzen der Bündnispartner. Die Differenzen wurden durch gegenseitige Ressentiments und Prestigedenken zusätzlich genährt. Misstrauen und Unverständnis prägten das Verhältnis zueinander. Conrad fühlte sich seit Kriegsbeginn im Stich gelassen, während die Deutschen zumeist verächtlich auf die vermeintlich »schlappe« Kriegführung der Österreicher blickten. Die schweren Rückschläge im Osten und an der Front gegen Serbien vertieften das negative Bild. Zwar führten die Bündnispartner beispiels-

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Militärisches Denken und Kriegführung

weise in Polen einzelne Operationen auf der Grundlage gemeinsamer Planungen durch und unterstellen sich dabei gegenseitig Truppen. Doch die Einrichtung eines gemeinsamen Oberbefehls und damit die Sicherstellung einer einheitlichen strategisch-operativen Kriegführung der Mittelmächte scheiterte maßgeblich am Widerstand der führenden Generale. Kommandofragen blieben stets strittig und erforderten zumeist langwierige Vereinbarungen und Kompromisse. Erst nach der erneuten Erschütterung der österreichischen Ostfront durch die Brussilow-Offensive und dem rumänischen Kriegseintritt im Sommer 1916 einigten sich die Mittelmächte vorübergehend auf eine einheitliche Leitung der Operationen unter dem deutschen Kaiser und damit der OHL. Um zumindest die deutschen Operationen im Osten unter eine gemeinsame Führung zu stellen, errichtete die OHL am 1. November 1914 die Dienststelle des Oberbefehlshabers Ost (Ober Ost). Mit Hindenburg und Ludendorff traten zwei Offiziere an deren Spitze, die wie Conrad die Entscheidung des Krieges mit schnellen Vernichtungssiegen auf den Schlachtfeldern im Osten suchen wollten und dazu ebenso umfangreiche Truppenverstärkungen forderten. In zumindest diesem Punkte war sich die deutsche Führung im Osten mit dem k.u.k. Armeeoberkommando (AOK) einig. Als sich die von Hindenburg und Ludendorff am 11. November 1914 begonnene Offensive der 9. Armee in Polen nicht zuletzt wegen der begrenzten Verstärkungen aus dem Westen festlief, war das endgültige Zerwürfnis zwischen Ober Ost und Falkenhayn unvermeidbar. Das Ausbleiben der schnellen Kriegsentscheidung im Zweifrontenkrieg hatte die Mittelmächte schon im November 1914 in eine tiefe Krise gestürzt. Die Vorräte an Munition und sonstigen Versorgungsgütern für das deutsche Heer waren erschöpft. Die Gefechtsstärken der deutschen Armeen im Westen und Osten waren nach der Marneschlacht um bis zu 50 Prozent gesunken. Die Gesamtverluste betrugen nach den Zahlen des Sanitätsberichtes bis zum Jahresende im Westen rund 640 000 Mann (85 000 Gefallene); im Osten etwa 150 000 Mann (19 800 Gefallene). Einschließlich der Kranken ergibt dies eine Zahl von rund 1,62 Millionen, wovon nach Abzug der wieder dienstfähig gewordenen Soldaten 940 000 Mann übrig blieben. Der Kräftezerfall des kleineren österreichischen Heeres hatte angesichts eines Gesamtabganges von ungefähr 1,25 Millionen Mann noch bedenklichere Ausmaße angenommen. Eine Choleraepidemie wütete unter den k.u.k. Truppen, viele Tschechen und Polen waren zum Gegner übergelaufen. Rund 260 000 Soldaten befanden sich bis zum Jahresende 1914 in russischer Gefangenschaft. Da die Doppelmonarchie anders als ihr Bündnispartner keine Vorbereitungen zur Aufstellung von Reservekadern getroffen hatte, fehlten ausgebildete Reservisten als kurzfristiger Ersatz.

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Globaler Krieg Die deutsche Führung stand im Winter 1914 erschrocken vor dem befürchteten Dilemma, einen Krieg führen zu müssen, den die große Planung bislang verdrängt hatte. Damit stellte sich zwangsläufig die Frage, wie man den Konflikt gegen eine Koalition von Gegnern weiterführte, die zwar auch unter bislang hohen Verlusten – Russland allein 1,8 Millionen Mann – und Munitionsmangel litt, der aber für einen industrialisierten Volkskrieg insgesamt überlegene Ressourcen zur Verfügung standen. Die Aussicht auf einen siegreichen Ausgang des Krieges schien mit zunehmender Länge für die deutsche Seite zu schwinden. Daran änderte auch der Kriegseintritt des bislang noch in bewaffneter Neutralität verbliebenen Osmanischen Reiches aufseiten der Mittelmächte Anfang November 1914 nichts. Schon mit der Kriegserklärung des britischen Empires, die automatisch die Dominions mit einbezog, hatte der Konflikt weltumspannende Ausmaße angenommen. Dazu trugen auch die Kriegseintritte weiterer Staaten wie beispielsweise Japans noch im August 1914, Italiens und Bulgariens 1915, Portugals und Rumäniens 1916 und vor allem der USA im April 1917 bei. Zwar lag der Schwerpunkt der deutschen Kriegsplanungen mit Blick auf den erwarteten kurzen Konflikt zweifelsohne in Europa; dies blieb unverändert der Hauptkriegsschauplatz, wo sich alle Kriegsanstrengungen konzentrierten und die Entscheidung gesucht wurde. Doch den weltpolitischen Interessen des Kaiserreiches lag jenseits der eigenen Kolonien von Anfang an auch ein durchaus globalstrategischer Ansatz zugrunde. Dieser verband sich nicht zuletzt mit dem islamischen Vielvölkerstaat als geografischer Brücke nach Afrika und Asien. Bereits vor dem Krieg hatte eine deutsche Militärmission unter General Otto Liman von Sanders damit begonnen, die türkischen Landstreitkräfte nach dem Debakel in den Balkankriegen zu modernisieren. Der Abschluss eines geheimen deutsch-türkischen Bündnisses am 2. August 1914 verpflichtete zunächst nur zu einer gegenseitigen Waffenhilfe gegen Russland. Die Türkei erklärte offiziell lediglich ihre bewaffnete Neutralität, da eine Anlehnung an die Mittelmächte nur von einem Teil der türkischen Führung um den deutschfreundlichen Kriegsminister Enver Pascha getragen wurde. Berlin verstärkte seine Bemühungen, das Land auf seine Seite zu ziehen. Noch im August entkam die aus zwei Kreuzern (Schlachtkreuzer »Goeben«, Kleiner Kreuzer »Breslau«) bestehende deutsche Mittelmeerdivision ihren britischen Verfolgern nach Konstantinopel. Die beiden Schiffe wurden an die Türkei verkauft. Deren Befehlshaber, Konteradmiral Wilhelm Souchon, übernahm das Kommando über die türkische Flotte. Dadurch verstärkte sich der deutsche Einfluss auf die türkische Kriegspartei um Enver Pascha. Über die eigentlichen Aufgaben der Militärmission hinaus ge-

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Militärisches Denken und Kriegführung

langten weitere deutsche Offiziere sofort in leitende Funktionen der türkischen Streitkräfte. Sie bildeten über die gesamte Dauer des Weltkrieges einen außergewöhnlich starken Bestandteil der Kommandostruktur des osmanischen Heeres und der Marine. So stellte die Militärmission den Chef (Generalleutnant Paul Bronsart von Schellendorff, Ende 1917 Generalmajor Hans von Seeckt) und mehrere Abteilungsleiter des türkischen Generalstabes, zwei von sechs Armeeoberbefehlshabern, mehrere Chefs des Generalstabes von Armeen sowie Korps- und Divisionskommandeure. Admiral Guido von Usedom als Führer des Sonderkommandos Türkei der Marine wurde Generalgouverneur der Küstenbefestigungen. Die Zahl der Angehörigen der deutschen Militärmission stieg von 42 im Jahre 1914 auf rund 800 Offiziere 1918. Eine Aufstockung des nur wenige technische Einheiten umfassenden deutschen Truppenkontingents in der Türkei erfolgte erst im Jahre 1917 mit der Bildung des Hilfskorps »Pascha II«. Diese später auch als »Asienkorps« bezeichnete Truppe (Ende 1917 rund 18 000 Mann) stellte den Kern der im Juli 1917 unter Führung des ehemaligen Generalstabschefs Falkenhayn zur Rückeroberung Bagdads aus zwei türkischen Armeen formierten Heeresgruppe F. Die von Enver Pascha im Oktober 1914 angeordneten Angriffe der »Goeben« und »Breslau« im Schwarzen Meer auf russische Schiffe und den Hafen von Odessa provozierten die Kriegserklärungen der Ententemächte. Dagegen entsprach der Aufruf des türkischen Sultans am 14. November 1914 zum »Heiligen Krieg« der maßgeblichen deutschen Absicht, mit Hilfe der Osmanen revolutionäre Aufstandsbewegungen an der Peripherie des britisch-französisch-russischen Machtbereiches zu entfachen und die Entente hier zu destabilisieren. Diese Ziele hatte Generalstabschef Moltke d.J. bereits Anfang August 1914 gegenüber dem Auswärtigen Amt im Hinblick auf Indien, Nordafrika, den Kaukasus und Afghanistan geäußert. Die Deutschen, aber auch die Ententestaaten entfalteten jenseits traditioneller Diplomatie im Laufe des Krieges diesbezüglich zahlreiche subversive Aktivitäten. Dazu zählten auf deutscher Seite beispielsweise die Unterstützung irischer und baltischer Separatisten, die Proklamation eines polnisches Staates Ende 1916 und nicht zuletzt Lenins Reise 1917 aus der Schweiz durch das Deutsche Reich nach Russland. Viele dieser Aktivitäten wie etwa das Proklamieren des »Heiligen Krieges« verfehlten allerdings ihre beabsichtigte Wirkung. So verhielt sich etwa die große Zahl der Muslime in der indischen Armee mehrheitlich loyal. Aufstände wie die Rebellion der religiösen Bruderschaft der Senussi in Nordafrika 1915 bis 1917 blieben Ausnahmen, die seitens der Ententestaaten mit überlegenen militärischen Kräften in den Kolonialgebieten niedergeschlagen werden konnten. Darüber hinaus arbeite-

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te der alliierte Geheimdienst überaus effektiv mit Gegenmaßnahmen, indem beispielsweise die Franzosen durch ihre Aufklärung deutsche Geld- und Waffenlieferungen aus Spanien an marokkanische Rebellen abfingen. Auch die abenteuerliche Mission des deutschen Offiziers Oskar von Niedermayer und des Diplomaten Werner Otto von Hentig 1915 nach Kabul erreichte nicht mehr als ein Freundschaftsabkommen mit dem afghanischen Emir Habibullah Khan. Zu mehr als einer Neutralitätsbekundung, die ihm die Anerkennung seines Landes durch eine europäische Großmacht sicherte, war dieser im Frühjahr 1916 nicht bereit gewesen. Das Scheitern der deutschen Orientpolitik im Ersten Weltkrieg demonstrierte zudem in drastischer Weise die Zurückhaltung der politisch-militärischen Führung hinsichtlich der türkischen Massaker an den Armeniern 1915. Trotz Missbilligung des türkischen Verhaltens übte lediglich die deutsche Botschaft offizielle Kritik. Ansonsten bewahrte Berlin aus bündnispolitischer und militärischer Rücksicht weitgehendes Stillschweigen in Fragen sogenannter innertürkischer Angelegenheiten.

Die Ära Falkenhayn 1915/16 Kriegsziele und Führungskrise Winter 1914/15 Wenn wir den Krieg nicht verlieren, haben wir ihn gewonnen«, so Falkenhayns Schlussfolgerung im November 1914 angesichts des Umstands, dass die Koalition der Ententemächte als Ganzes militärisch nicht zu schlagen war und damit auch der erstrebte Siegfrieden utopisch erschien. Stattdessen setzte der deutsche Generalstabschef, der vor wenigen Monaten noch hemmungslos zum Krieg getrieben hatte, nun auf politische Verhandlungen mit dem Ziel von Separatfriedensschlüssen, vor allem mit Russland. Es galt unter weitgehendem Verzicht der ursprünglichen Annexionsforderungen zunächst zu halten, was bislang auf den Schlachtfeldern militärisch erreicht worden war, um dann England als »Drahtzieher« der Entente und »Erzfeind« Deutschlands möglichst mit der Marine auf See durch eine eigene U-Boot-Blockade auszuschalten. Das Heer sollte im Westen gegen Frankreich konzentriert bleiben. Die Umsetzung dieses zeitintensiven und in erster Linie diplomatischen Ansatzes musste vorerst an der mangelnden Bereitschaft der Gegner zu Separatfrieden als auch dem fehlenden Verständnis der Reichs leitung für einen Frieden gänzlich ohne Annexionen scheitern. Diese Haltung prägte bereits das Septemberprogramm 1914, dessen Kernziel, die Sicherung einer deutsch-österreichischen Hegemonialstellung gegenüber Russland und Frankreich in Europa, auch in den folgenden Jahren unverändert blieb. Den Rahmen soll-

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ten wirtschaftlich abhängige »Pufferstaaten« und Gebietsgewinne im Osten sowie Belgien als »Vasalle« im Westen skizzieren. Weite Bereiche der deutschen Öffentlichkeit teilten diese »Vision eines deutschen Mitteleuropas« (  1.5   Chickering, S. 108). In der politischen Praxis stand Reichskanzler von Bethmann Hollweg indes vor einem innenpolitischen Dilemma. Um den Burgfrieden mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften nicht zu gefährden, musste einerseits der Anschein des Verteidigungskrieges der »von außen überfallenen Heimat« gewahrt bleiben. Zugleich stellte er vorsichtig eine Neuorientierung im Inneren mit Reformen des Wahlrechtes nach dem Krieg in Aussicht. Andererseits konnte der Reichskanzler die scharfen Vorwürfe nationalistischer Kreise wie des Alldeutschen Verbandes nicht völlig ignorieren; sie lauteten auf eine zu »schlappe Politik« und einen verfrühten Frieden ohne weitreichende Annexionen. Den Zwiespalt versuchte er mit einer die unterschiedlichen Parteien austarierenden »Politik der Diagonalen« zu überbrücken. Bei Kriegszieldebatten etwa im Haushaltsausschuss des Reichstages wahrte Bethmann Hollweg äußerste Zurückhaltung und ließ zugleich deren Diskussion in der Öffentlichkeit entgegen der Auffassung Falkenhayns bis Ende 1916 verbieten. Es galt, »in den Fragen der Kriegsziele möglichst freie Hand zu behalten« (  6.11   Mommsen, S. 126) und diese an der militärischen Lage auszurichten. Auf diesem vagen Kurs geriet der Reichskanzler allerdings immer wieder zwischen die politischen Fronten und wurde zur Zielscheibe heftiger Kritik. Infolgedessen verlor die Reichsleitung zunehmend an Glaubwürdigkeit bei allen Parteien, was schließlich im Juli 1917 maßgeblich auch die von der 3. OHL betriebene Entlassung Bethmann Hollwegs untermauerte. Im November 1914 hoffte der Reichskanzler, nach wie vor unter dem Druck einer nur unzureichend über die tatsächliche Lage informierten und unverändert siegessicheren Öffentlichkeit, auf schnelle militärische Erfolge zu Land. Unterstützung fand er bei dem populären Führungsduo Hindenburg und Ludendorff im Osten, die mit Falkenhayn unentwegt über die zentrale Frage des Schwerpunktes der Kriegführung im Westen oder Osten und damit den Einsatz der wichtigen Heeresreserven stritten. Sie hegten zudem eine tiefe persönliche Abneigung gegen den Generalstabschef des Feldheeres. Die seit September 1914 schwelenden Auseinandersetzungen eskalierten im Winter 1914/15 in einer schweren Führungskrise. Anders als Falkenhayn glaubten Hindenburg und Ludendorff nach wie vor an einen kriegsentscheidenden Sieg über Russland, der traditionell im Bewegungskrieg mit schnellen Vernichtungssiegen auf dem Schlachtfeld erzielt werden sollte. Ihnen schwebte eine gemeinsam angesetzte weiträumige Zangenoperation der Mittelmächte aus

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Ostpreußen und den Karpaten vor. Eine ähnliche Auffassung vertrat k.u.k. Generalstabschef Conrad. Derartig raumgreifenden Umfassungsunternehmen begegnete Falkenhayn allerdings nach den bisherigen Kriegserfahrungen zurecht mit Skepsis. Auch sein Vorgänger Moltke plädierte nun für eine Entscheidung im Osten, obwohl sich der Große Generalstab noch vor dem Kriege ganz im Sinne der Falkenhaynschen Auffassung gegen entscheidungssuchende Operationen im Osten ausgesprochen hatte. Diese grundsätzliche Kontroverse zwischen »Westlern« und »Ostlern« prägte die strategisch-operative Kriegführung bis zum Wechsel zur 3. OHL im August 1916. Dass hierbei persönliche Machtinteressen eine substanzielle Rolle spielten, zeigt der Umstand, dass auch Hindenburg und Ludendorff den strategischen Schwerpunkt der Kriegführung am Ende im Westen beließen. Nach den operativen Fehlschlägen in Flandern fehlte Falkenhayn immer deutlicher der Rückhalt bei Führung und Truppe. Im Gegensatz zum Dioskurenpaar im Osten galt er mit seiner angeblich zögerlichen Haltung in weiten Kreisen der deutschen Militäreliten als »Zauderer«. Zu seinen prominentesten Gegnern im Westen zählte beispielsweise der bayerische Kronprinz Rupprecht. Der Vorwurf des Zauderns wurde nach dem Krieg in der von Ludendorffanhängern dominierten amtlichen deutschen Militärgeschichtsschreibung noch erhärtet. Zusammen initiierten Ober Ost, Moltke und der Reichskanzler im Winter 1914/15 eine Intrige zur Ablösung von Falkenhayn. Der Kaiser lehnte dies allerdings mit Unterstützung des Chefs des Militärkabinetts vorerst ab, da Hindenburg und Ludendorff nicht gerade das Wohlwollen ihres Obersten Kriegsherrn genossen. Der von den beiden mit einer Abschiedsdrohung auf den Monarchen ausgeübte Druck, einmalig bislang in der preußisch-deutschen Militärgeschichte, missfiel Wilhelm II. zutiefst. Der Monarch festigte dagegen mit seinem Verhalten Falkenhayns Führungsstellung. Zwar hatte der Generalstabschef das von ihm parallel noch ausgeübte Amt als Kriegsminister am 20. Januar 1915 abgeben müssen, was aber keine Änderungen bewirkte, da Falkenhayns Nachfolger, Generalleutnant Adolf Wild von Hohenborn, zu seinen engsten Vertrauten zählte und im Großen Hauptquartier verblieb. Die weitverbreitete Skepsis der deutschen Militäreliten gegenüber Falkenhayns neuen Absichten zur strategisch-operativen Kriegführung blieb indes nachhaltig bestehen. Offensiven im Osten 1915 Da sich Falkenhayn nach den eigenen Fehlschlägen in Flandern dem Kern der Kritik seiner vielen Widersacher nicht vollends entziehen konnte, musste er zu Beginn des Jahres 1915 dem Kriegsschauplatz im Osten zwangsläufig mehr Aufmerksamkeit schenken. Zwischenzeitlich in der Heimat neu aufgestellte Reservekorps stellte Fal-

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kenhayn nun Ober Ost für eine Offensive der 8. Armee (Below) und der neugebildeten 10. Armee (Eichhorn) in Ostpreußen gegen die vor der Lötzen-Angerapp-Stellung liegende 10. russische Armee (Sievers) zur Verfügung. Zwar konnten die deutschen Truppen letztere in der Winterschlacht in Masuren aus Ostpreußen hinausdrängen. Auch gelang mit der Einkesselung von vier russischen Divisionen sowie der Gefangennahme von 92 000 russischen Soldaten bei Rudawka erneut ein beachtlicher örtlicher Erfolg. Doch der Vormarsch erfolgte unter den erschwerten Bedingungen des Kampfes bei winterlichen Wetterbedingungen. Schlamm und Glatteis sowie die überdehnten Versorgungslinien beeinträchtigten nachhaltig die Beweglichkeit der deutschen Verbände. Angesichts eines Gegners, der mit der Masse seiner Truppen wieder in die Tiefe des Raumes auswich und diese in entscheidenden Gefechtsphasen stets mit unerschöpflichen Reserven verstärken konnte, erlahmte die Angriffskraft der Offensive erneut. Dies verhinderte den von Ober Ost angekündigten großen operativen Erfolg und zwang zum Übergang in die Verteidigung. An der Karpatenfront war parallel der k.u.k. Bündnispartner trotz Unterstützung der neugebildeten deutschen Südarmee (Linsingen) durch eine desaströs verlaufende Winteroffensive in eine militärische Notlage geraten. Viele Angriffe blieben unter hohen Verlusten (von Januar bis April 1915 rund 600 000 Mann, davon 100 000 Tote) an den verschneiten Gebirgspässen schnell liegen. Das unmittelbare Ziel der Offensive, Ostgalizien zurückzuerobern sowie die eingeschlossene Festung Przemysl zu entsetzen, wurde verfehlt. Mitte März 1915 ging die Festung mit 150 000 Mann verloren. Ein russischer Durchbruch durch die Karpaten nach Ungarn konnte nur mühsam unter Zuhilfenahme weiterer deutscher Divisionen des neugebildeten Beskidenkorps (von der Marwitz) militärisch verhindert werden. Zugleich drohte politisch der Anschluss der unsicheren Neutralen Italien und Rumänien an die Entente, was eigentlich mit einer erfolgreichen Offensive hätte verhindert werden sollen. Während die deutschen Truppen im Westen zur Verteidigung gegen die französisch-britischen Offensiven in der Champagne und im Artois übergehen mussten, verlegte der deutsche Generalstabschef schließlich im April 1915 endgültig den Schwerpunkt der strategischen Kriegführung vorübergehend nach Osten. Laufende Planungen für eigene Offensiven im Westen stellte die OHL zunächst ein. Mit einer Umstrukturierung der Westdivisionen schuf sich die OHL eine kampfkräftige operative Heeresreserve von 14 Divisionen. Sie verfügten, anders als noch die reinen Freiwilligenformationen in Flandern im Herbst 1914, im Kern über gefechtserfahrene Soldaten als Korsettstangen. Aus diesen Verbänden wurde im Osten unter dem Kommando des

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Generalobersten August von Mackensen eine schlagkräftige neue 11. Armee (8 Divisionen) formiert. Sie sollte im Zusammenwirken mit der 3. (Boroević) und 4. k.u.k. Armee (Erzherzog Joseph Ferdinand) unter Ausnutzung einer lokalen Überlegenheit an Artillerie in Galizien einen überraschenden Durchbruchsangriff gegen einen, so Falkenhayn später, bereits zermürbten Feind führen. Diesen identifizierte die militärische Führung der Mittelmächte auf dem rechten Flügel der 3. russischen Armee (Radko-Dmitriew) im Raum Tarnów–Gorlice. Zudem boten sich hier wegen des ausgebauten Eisenbahnnetzes günstige Bedingungen für den gedeckten Aufmarsch der Truppen und einen schnellen Stoß in die Flanke der russischen Kräfte vor den Karpaten. Ziel dieser begrenzten Offensive war die Entlastung der brüchigen österreichischen Karpatenfront und damit die Stabilisierung des wichtigsten Bündnispartners. Gleichzeitig hatte Ober Ost mit einem Ablenkungsangriff in Kurland die russischen Armeen im Norden zu binden. Der von Anfang an begrenzte deutsche Kräfteansatz in Galizien entsprach Falkenhayns oft missverstandenem strategischoperativem Kalkül. Eine Entscheidung des Krieges war im Osten mit Vernichtungssiegen auf dem Schlachtfeld nicht herbeizuführen. Vielmehr sollten die Offensivfähigkeiten der russischen Streitkräfte gebrochen und das Zarenreich an den Verhandlungstisch gebracht werden, um günstige Voraussetzungen für den eigentlichen Schwerpunkt der Kriegführung im Westen zu schaffen. Diese Eckpunkte blieben handlungsleitend während der gesamten Sommeroffensive im Osten, die mit der Durchbruchsschlacht von Tarnów–Gorlice am 3. Mai 1915 eingeleitet wurde und die Mittelmächte sogar mit der Eroberung Warschaus in die Nähe eines strategischen Erfolges im Osten brachte. Infanterieangriffe im Patt des Stellungskrieges waren bislang im Feuer der Maschinengewehre des Verteidigers unter hohen Verlusten zusammengebrochen. Als wichtige Voraussetzungen für das Gelingen eines frontalen Durchbruchs, der nahezu gleichberechtigt neben das bislang dominante Umfassungsdenken rückte, sah Falkenhayn die Umsetzung der Elemente Überraschung und Feuerkraft. Ersteres war durch eine strikte Geheimhaltung der Planungen selbst gegenüber den beteiligten Kommandeuren sicherzustellen. Letzteres sollte nicht nur durch die lokale Überlegenheit an Artilleriegeschützen, sondern darüber hinaus über deren mit der Infanterie besser abgestimmtes taktisches Zusammenwirken im Gefecht erreicht werden. Dieses Gefecht der verbundenen Waffen war aus der Vorkriegszeit längst bekannt. Aber erst mit den Erfahrungen des Stellungskrieges setzte sich die Überzeugung in den Köpfen des Militärs allmählich durch, dass eine bewegliche operativ-taktische Landkriegführung nur über eine kooperative Zusammenarbeit unterschiedlicher Waffengattungen Aussicht auf

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Militärisches Denken und Kriegführung

Erfolg auf dem Schlachtfeld hatte. Die stärkere Berücksichtigung von Technik einschließlich neuer Waffen und Munition wie Flammenwerfer und Giftgas ging damit einher. Einen ersten wichtigen Schritt in diesem Lernprozess tat die deutsche Seite in der Schlacht von Tarnów–Gorlice. Unter Rückgriff auf taktische Erfahrungen des Stellungskrieges im Westen im Oktober 1914 bei Vailly und im Januar 1915 bei Soissons wurde hier erstmals im größeren operativen Rahmen der vernichtenden Wirkung der Maschinengewehre in der Defensive das Feuer der Artillerie in der Offensive entgegengesetzt. Der massierte Granatenhagel der Geschütze sollte den Verteidiger moralisch erschüttern und der Infanterie den Weg durch die gegnerischen Stellungen bahnen. »Was an Eisen eingesetzt, konnte an Blut gespart werden«, so das nüchterne Fazit eines deutschen Kommandeurs nach dem Krieg. Den geistigen Vater dieses sogenannten Soissonsverfahrens, Oberst Hans von Seeckt, setzte die OHL als Chef des Generalstabes der 11. Armee ein. Seeckt fand in der praktischen Operationsführung einen Kompromiss zwischen notwendigen Regelungen von oben für das Zusammenwirken der Waffengattungen und den Handlungsfreiheiten der dezentralen Auftragstaktik. Infolgedessen konnte eine innovative technische Kriegführung mit einem traditionellen Führungsprinzip äußerst wirkungsvoll verschmelzen. Es sollte in diesem Krieg nicht die einzige Lage bleiben, in der die militärische Führung mit einem »Generalstabsexperten« den Schlachterfolg des Massenheeres sicherstellen wollte. Der massierte Einsatz von Munition und Artillerie wurde indes als Modellfall für operativ-taktische Offensivhandlungen im Stellungskrieg von allen Kriegsparteien perfektioniert. Auch den Masseneinsatz von Giftgas, den die Deutschen erstmals bei ihrer einzigen Offensive im Westen im April 1915 bei Ypern durch das Abblasen aus Flaschen praktizierten, integrierten beide Seiten in diese neue Art industrialisierter Kriegführung. Im Endeffekt führte dies in noch weitaus extensiveren Formen zu den Materialschlachten der zweiten Kriegshälfte. Nach mehrstündigem vorbereitendem Artilleriefeuer gelang der 11. Armee Anfang Mai 1915 bei Tarnów–Gorlice in nur wenigen Tagen ein Durchbruch bei dem an Geschützen weit unterlegenen Gegner. Die Operationen verliefen allerdings alles andere als friktionslos. Die beabsichtige schnelle Angriffsbewegung im Zusammenwirken der Waffen stand im Missverhältnis zur mangelnden Kommunikationsfähigkeit und zur Beweglichkeit der Truppen. Hinzu kam die völlig unzu reichende Feuerkraft der eigenen Infanterie. Als wirkungsvolle Feuerunterstützung erwies sich hier nur die vereinzelte Zuweisung leichter Feldartilleriegeschütze. In der Folge erlitt nicht nur der Verteidiger, sondern auch der Angreifer hohe Verluste. Die Ausfälle bei der

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11. Armee (Tote, Vermisste, Kranke, Verwundete) zwischen dem 1. und 10. Mai 1915 im Umfang von rund 16 500 Mann lagen noch höher als der Durchschnitt der sieben deutschen Armeen im Westen Anfang September 1914. Führungsfehler aufseiten der Russen, die eine Verzettelung der Reserven verursachten, begünstigten dennoch die Ausweitung zu einer Großoffensive. Dieser führte Falkenhayn nun nach und nach sogar die wenigen eigenen Reserven von der Westfront zu. Die bereits mit massiver Artillerievorbereitung geführten alliierten Entlastungsangriffe in Frankreich konnten die operativen Erfolge der Mittelmächte im Osten nicht verhindern. Die Angriffe im Artois und der Champagne scheiterten am Ende unter hohen Verlusten, da die Deutschen im Laufe des Jahres 1915 ansatzweise begonnen hatten, ihre Verteidigung tiefer und unter besserer Ausnutzung von Feldbefestigungen sowie der Feuerwirkung von Maschinenwaffen und Artillerie zu gliedern. Auch der zwischenzeitliche italienische Kriegseintritt am 23. Mai 1915 aufseiten der Entente und damit die Eröffnung einer neuen Front am Isonzo blieb ohne größeren Einfluss auf den Vormarsch im Osten. Mit weiteren frontalen Durchbrüchen rückten die deutsch-österreichischen Truppen bis Ende August 1915 tief auf russischen Boden vor. Die während dieser Phase von seinen Kontrahenten bei Ober Ost erneut verfolgten weiträumigeren Umfassungsoperationen zur Erzielung eines kriegsentscheidenden Vernichtungssieges lehnte Falkenhayn allerdings unverändert skeptisch ab. Das Verhalten des Gegners gab ihm Recht. Einkesselungsversuchen entzogen sich die russischen Truppen wiederum durch Ausweichen in die Tiefe des Raumes. Auf der anderen Seite stieg der Erschöpfungsgrad der sich zu Fuß im Marschtempo bewegenden Truppen der Mittelmächte wie schon 1914 an. Wegen der Einwirkung von Maschinenwaffen war auch die Kavallerie im Osten nicht zu Umfassungsmanövern in der Lage. Was sich auf taktischer Ebene bei Tarnów–Gorlice angedeutet hatte, bestätigte sich auf der Ebene größerer Operationen. Dem deutschen Ideal der Führung eines offensiven Bewegungskrieges blieben unverändert enge Grenzen gesetzt. Die weitgehende Erschöpfung der eigenen Soldaten zwang Ende September 1915 zum Abbruch der Sommeroffensive. Auf der Linie Riga–Czernowitz gingen die Truppen der Mittelmächte auch im Osten zur Verteidigung über. Die Armee des Zaren war zwar durch immense Verluste in Höhe von rund 2,5 Millionen Mann geschwächt, aber in ihren Offensivfähigkeiten nicht völlig geschlagen worden. Einen Separatfrieden lehnte die russische Führung nach wie vor ab. Dennoch hatte Falkenhayn seine strategischen Ziele partiell erreicht. Politisch konnte der Kriegseinritt Rumäniens aufseiten der Entente zunächst ver-

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Militärisches Denken und Kriegführung

hindert werden. Darüber hinaus beeindruckten die deutsch-österreichischen Erfolge an der Ostfront Bulgarien. Sie zogen das Land an die Seite der Mittelmächte. Somit bot sich die Möglichkeit, mit einer gemeinsamen Offensive gegen Serbien die erhoffte Landbrücke zur Unterstützung des osmanischen Verbündeten zu schlagen. Nach den Fehlschlägen an der Kaukasusfront und der vergeblichen Einnahme des Suezkanals hatten die türkischen Truppen mit deutscher Unterstützung die seit April 1915 erfolgten britischen Landungsversuche auf den Dardanellen (Gallipoli) wirksam abgewehrt. Damit waren der Seeweg und die Versorgung Russlands auf diesem Wege unterbrochen. Der wiederum von Mackensen und Seeckt (Heeresgruppe Mackensen: 11. deutsche und 3. k.u.k Armee) in Kooperation mit zwei bulgarischen Armeen geführte Feldzug auf dem Balkan beendete mit der Besetzung Serbiens im November 1915 das für die Mittelmächte erfolgreichste Jahr des Krieges. Die Stabilisierung der Fronten auf den Nebenkriegsschauplätzen im Osten und auf dem Balkan schuf indes militärisch die Voraussetzungen für die 1916 von Falkenhayn intendierte Schwerpunktverlagerung in den Westen. Die Schlacht von Verdun warf ihre Schatten voraus. Verdun Falkenhayns strategisch-operative Planung für das Jahr 1916 zielte ganz auf die Niederwerfung des »Erzfeindes« Großbritannien. Der notorische Mangel an Heeresreserven im Zweifrontenkrieg sowie die Erkenntnis, dass bei den Truppenkonzentrationen an der Westfront Durchbruchsversuche nahezu aussichtslos waren, legten einen für deutsches Führungsdenken ungewöhnlichen ermattungsstrategischen Ansatz in der Landkriegführung nahe. Dieser orientierte sich an den strategischen Rahmenbedingungen und den zur Verfügung stehenden Kräften. Trotz der 1915 verstärkten personellen und materiellen Mobilisierung (unter anderem Aufstellung von 22 neuen Divisionen) blieb das Kräfteverhältnis der Mittelmächte zur Entente mit etwa 1:1,4 bei der Mannschaftsstärke des Heeres denkbar ungünstig. Falkenhayns Handeln richtete sich primär auf Englands nahe am Zusammenbruch erachteten »Festlandsdegen« Frankreich. Während England auf See durch den Handelskrieg mit U-Booten in die Knie gezwungen werden sollte, beabsichtigte Falkenhayn Frankreichs Armeen an einem ausgesuchten Ort »weißbluten« zu lassen, wie es zynisch in der Sprache der Militärs hieß. Diesen Ort fand die OHL schließlich mit der für Frankreich prestigereichen Festung Verdun: Eine auch im deutschen Kräfteansatz begrenzte Offensive der 5. Armee (Kronprinz Wilhelm) sollte, so Falkenhayns Kalkül, die Franzosen hier zum ständigen Einsatz ihrer Reserven in riskanten und verlustreichen Gegenangriffen provozieren. Der deutsche Generalstabschef wollte die Vorteile einer Defensivposition im Stellungskrieg mit der eigenen

0

Cuisy

5

VII.

xxx

Truppenaufstellung zu Beginn der Parois Kämpfe Dombasle Jouy Quellen: A.B. Birken, H.-H. Gerlach, Atlas und Lexikon zum Ersten Weltkrieg, Königsbronn 2002, Bd 1, S. 29; 3.6 Der Weltkrieg 1914 –1918, Blercourt Bd 10, Karte 3.

Ft. Landrecourt

ab 26. Februar

Regret

Ft. Chaome

(Guillaumat)

I.

xxx

Fromeréville

2.

xxxx

(Pétain)

ab 26. Februar

Nixéville

10 km

Ft. de Bois Bournis

XX. ab 25. Februar

Vaux Ft. de Vaux

Grimaucourt

Ornel

Hennemont

Braquis

Wartq

Etain

(Deimling)

XV.

xxx

Amel

Senon

06884-05

© ZMSBw

Manheulles

Ville-en-Woévre

(Duchêne)

II.

xxx

Herméville

Fromezey

Haudiomont

Watronville Ft. Rozellier Ronvaux Rozellier Ft. Haudainville

Haudainville

Moranville

Châtillon

V. Res (Gündell)

xxx

Morgemoulin

Abaucourt

Ft. Moulinville Moulinville

Belrupt

Ft. Belrupt

Verdun

Ft. St. Michel

Eix

Damloup Ft. Tavannes

Ft. St. Souville

Ft. Douaumont

5.

xxxx

(Deutscher Kronprinz)

Maucourt

Dieppe

Gremilly

Azannes

Bezonvaux

Ornes

(Lochow)

III.

xxx

Douaumont

Louvemont

xxx

Dugny

Ft. Dugny

xxx

XXX. (Chrétien)

Zitadelle Verdun

Ft. de Regret

(Herr)

Festung Verdun

xxxx

(Schenck)

(Balfourier)

Bras

Ft. Belleville Maas

xxx XVIII.

Beaumont

Flabas

Charny

Champneuville

Samogneux

Ft. Marre

Marre

Regneville

Brabant

Consenoye

Forges

Chattancourt

Bethincourt

Gercourt

(de Bazelaire)

Montzéville

Esnes

(Goßler)

VI.

xxx

Ausgangslage 21.2.1916 Front Ende Juli 1916 Front Ende Dezember 1916 Front Ende August 1917

Avocourt

Malancourt

Montfaucon

Septsarges

(Zwehl)

VII.

xxx

e

s

rn

O

Maa

Die Schlacht um Verdun 21.2. bis 9.9.1916

45

46

Militärisches Denken und Kriegführung

Artillerieüberlegenheit verbinden, um die Kräfte des Gegners allmählich zu zermürben und zum erhofften Frieden zu zwingen. Die Möglichkeit, an entblößten Stellen der Westfront gegen den dann geschwächten Feind selbst wieder zum Angriff übergehen zu können, schloss Falkenhayn mit ein. Aus nüchterner militärischer Sicht erschienen die Schlussfolgerungen Falkenhayns durchaus nachvollziehbar, wobei er allerdings gegenüber seinen Untergebenen seine wahren Absichten stets verschleierte. Bis heute bleibt daher diesbezüglich noch vieles spekulativ, zumal sich Falkenhayns Planungen nur vage aus den bisherigen Akten erschließen lassen. Das betrifft in erster Linie die vielzitierte »Weihnachtsdenkschrift«. Der Inhalt dieses Lagevortrages, den der Generalstabschef dem Kaiser um die Jahreswende 1915/16 vorgetragen haben will, findet lediglich in Falkenhayns Erinnerungen nach dem Kriege Erwähnung. Für seine vielen Kritiker boten sein Denken und Handeln indes Anlass genug, ihm mit generellem Unverständnis und Missachtung zu begegnen. Die Verkennung der realen Kräfteverhältnisse sowie die Dominanz vernichtungsstrategischen Denkens mit einer einseitigen Ausrichtung auf den offensiven Bewegungskrieg spielten dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Falkenhayns begrenzte Offensive bei Verdun mit dem Ziel der Zermürbung des Gegners blieb nicht nur den verantwortlichen Führern der 5. Armee, sondern auch vielen anderen Kommandeuren von Anfang an schleierhaft. Schon die Beschränkung des Angriffs auf das Ostufer der Maas erweckte den Eindruck, Falkenhayn verfolge lediglich »halbe« Maßnahmen oder, wie es Kronprinz Rupprecht auffasste, er sei lediglich auf Glücksfälle aus. Planung und Ausführung der Schlacht von Verdun kennzeichneten in der Folge eine verhängnisvolle Verkettung von operativ-taktischen Widersprüchen und Missverständnissen. Dies begann schon mit der Frage der Reichweite des begrenzten Angriffs auf die Festung und insbesondere der Art und Weise seiner praktischen Umsetzung. So sahen etwa die Befehle der 5. Armee eine beschleunigte Einnahme der Festung vor, hielten aber zugleich die bislang zu ungestümem Angriffsgeist erzogenen Truppen zu einem vorsichtigen Vorfühlen an. Generell basierte der Angriff bei Verdun unter Wahrung des Überraschungsmomentes auf den gleichen taktischen Prinzipien der Zusammenarbeit verschiedener Waffengattungen wie bei Tarnów– Gorlice. Die Entwicklung und der Einsatz von Luftstreitkräften steckte allerdings auf deutscher Seite im Vergleich zu den westlichen Gegnern noch in den Kinderschuhen. Nun wurden Flugzeuge und Luftschiffe nach neuen taktischen Grundsätzen erstmals im größeren Rahmen in die Operationsplanungen einbezogen. Dazu zählten eigene Aufklärungsmissionen, der Einsatz von Sperrfliegern gegen die

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gegnerische Luftaufklärung, aber auch Luftnahunterstützung der eigenen Bodentruppen. Zur Verbesserung der Beweglichkeit der Infanterie im Stellungskrieg integrierte die Führung vor Verdun innovative Kampfformen des Stoßtrupps. Sie sind von der Truppe bereits im Herbst 1914 im Westen angewendet und seit Frühjahr 1915 von speziellen Versuchstruppen, seit Mitte 1916 Sturmbataillone, gezielt weiterentwickelt worden. Die Essenz des Stoßtruppverfahrens lag darin, die breite Masse der bislang lediglich mit dem Gewehr ausgerüsteten Einheitsinfanteristen geländeangepasst in kleinere, beweglichere und waffentechnisch effektiver ausgerüstete Gefechtsgruppen aufzulockern. Der vermehrte Einsatz von Waffen wie Flammenwerfern, später auch leichten Maschinengewehren führte dabei zu einer Trennung von Feuer- und Stoßkraft. Mit dieser Übertragung der Idee des kooperativen Gefechtes der verbundenen Waffen auf die elementartaktische Ebene gewann auch die Bedeutung von Unteroffizieren und jungen Offizieren als Unterführer erheblich an Bedeutung. Sie entwickelten sich allmählich zu den Trägern des Kampfes an der Front. Diesen Prozess bezeichnete Ludendorff später als »Individualisierung der Taktik«. Neue Führungs- und Ausbildungsvorschriften für das Gefecht der verbundenen Waffen entstanden allerdings erst nach den Erfahrungen der schweren Kämpfe vor Verdun und an der Somme Ende 1916. In dieser Hinsicht wirkte die Schlacht an der Maas wie ein Katalysator für die mehrdimensionale Kriegführung der Zukunft. Vielen Führern waren die Neuerungen und die damit verbundene Komplexitätssteigerung während der Verdunkämpfe daher noch fremd. Die Frontverbände erhielten von der Armee Handlungsanweisungen zur Bildung von Stoßtrupps sowie Erfahrungsberichte, die nun deutlich auch darauf hinwiesen, über das Zusammenwirken der Waffen die eigenen Verluste zu reduzieren. Die bereits 1915 in Anpassung an den industrialisierten Krieg einsetzende Transformation taktischer Einsatzgrundsätze im Heer verlief somit unverändert in beide Richtungen der militärischen Hierarchie. Zugleich wurden schon die Divisionen bei immer deutlicherer Einengung der Auftragstaktik in zentralisierte Führungsstrukturen eingebunden und einer selbstständigen und dezentralisierten Gefechtsführung im laufenden Gefecht kaum noch Raum überlassen. Strikte Vorgaben und Regelungen erwiesen sich trotz des Widerspruchs vieler Truppenführer als durchaus notwendig, denn schon die ersten Angriffe zeigten, dass der ungestüme Offensivgeist in den Köpfen längst noch nicht überwunden war. Noch 1915 hatte sich zudem bei Kommandeuren die Auffassung gezeigt, Verluste als Zeichen des »Verdienstes« einer Truppe zu bewerten. Falkenhayns eigentliche Hauptabsicht, die Abnutzung des Gegners, führte die mit dem deutschen Angriff am 21. Februar 1916 auf dem

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Militärisches Denken und Kriegführung

Ostufer der Maas begonnene und über mehrere Monate andauernde Schlacht in der Folge ad absurdum. Der deutsche Generalstabschef hatte die Widerstandskraft der Franzosen maßlos unterschätzt. Deren erbitterter Kampf um jeden Meter Boden und die verheerende flankierende Artilleriewirkung vom Westufer zwangen schon Anfang März zur Erweiterung des Angriffs in diesem Abschnitt. Die Schlacht entwickelte sich nun auch für Falkenhayn immer mehr zu einer Prestigefrage. Beide Seiten pumpten laufend neue Verbände in die Schlacht. Bis zum offiziellen Abbruch der deutschen Angriffsoperationen an der Maas durch die 3. OHL Anfang September 1916 waren 48 deutsche und 85 französische Divisionen an der Schlacht beteiligt gewesen. Allerdings rotierten die Franzosen ihre Verbände im Fronteinsatz schneller als die Deutschen, die diese bis zur völligen Erschöpfung der Kampfkraft im Gefecht beließen. Unter ständiger Zufuhr von Nachschub und Truppen nutzte die französische Führung taktisch die Vorteile des Verteidigers im Stellungskrieg und sicherte sich somit langfristig den operativen Erfolg. Im Endeffekt verursachte das zähe Ringen auf beiden Seiten ähnlich hohe Verluste, die aber den ressourcenärmeren Deutschen deutlicher zum Nachteil gereichten. Die 5. Armee verlor nach den Zahlen des Sanitätsberichtes bis zum 10. September 1916 dauerhaft rund 350 000 Mann (davon 55 000 Tote). Das amtliche deutsche Weltkriegswerk bezifferte die Verluste (Tote, Verwundete, Vermisste) auf französischer Seite bis Ende August mit 317 000 Mann. Von einem Eingeständnis des eigenen Scheiterns war Falkenhayn im Mai des Jahres 1916 allerdings noch weit entfernt. Wechselhafte Prognosen seitens der Marineführung über die Erfolgsaussichten eines uneingeschränkten U-Boot-Krieges, die Teilerfolge vor Verdun, an der Italienfront, der Hochseeflotte in der Skagerrakschlacht sowie Berichte über eine französische Verhandlungsbereitschaft verführten ihn zu ungebremsten Optimismus. Falkenhayn rückte in seiner Siegeszuversicht sogar von seiner bisherigen Mäßigung in Annexionsfragen ab. Die Realitäten des Sommers 1916 zerstörten allerdings schnell sein Luftschloss. Die Entente ging gemäß den Planungen der Konferenz von Chantilly Anfang Dezember 1915 an allen Fronten zum Gegenangriff über, um die auf der inneren Linie operierenden Mittelmächte unter permanenten Druck zu setzen. Man zwang den deutschen Hauptgegner zur Zersplitterung seiner knappen Kräfte. Der schnelle Vorstoß russischer Truppen in Galizien gegen die zugunsten der Italienfront ausgedünnten k.u.k. Truppen (Brussilow-Offensive) konnte nur durch das Heranführen deutscher Reserven aus dem Westen gestoppt werden. Den gleichen Effekt erzielte die mit einem immensen Aufwand an Geschützen und Munition am 1. Juli 1916 begonnene britische Offensive an der Somme,

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Vergleich der Verluste deutscher Armeen im Verhältnis zur Ist-Stärke in einem Zehntageszeitraum (Tote, Vermisste, Verwundete und Erkrankte) Armee und Zeitraum *

Ø Ist-Stärke

Verluste

Anteil an IstStärke in %

Marne

3. Armee 1.–10.9.1914

117 700

14 987

12,7

Tarnow-Gorlice u. Folgekämpfe

11. Armee 1.–10.5.1915

131 797

16 524

12,5

Verdun

5. Armee 1.–10.3.1916

521 570

41 248

7,9

Somme

1. Armee 11.–20.8.1916

304 808

36 638

12,0

Flandern

4. Armee 21.–31.7.1917

603 740

40 849

6,8

Offensive „Michael“

17. Armee 21.–31.3.1918

478 235

79 441

16,6

Schlachten (Zeitraum) (5.–9.9.1914) (1.–10.5.1915)

(21.2.–9.9.1916) (24.6.–26.11.1916) (27.5.–3.12.1917) (21.3.–5.4.1918)

* Zehntageszeitraum mit dem höchsten Verlust. Quelle: 8.4 Sanitätsbericht über das Deutsche Heer, Bd 3, S. 38, 43, 46, 53, 55, 57.

© ZMSBw

06410-08

die das von Falkenhayn als nachhaltig geschwächt eingeschätzte französische Heer mit elf Divisionen zu unterstützen vermochte. Wenn auch diese mit hohem Artillerieeinsatz geführte Schlacht in ihrem Verlauf den Angreifer unverhältnismäßig hohe Verluste – allein am ersten Tag fast 60 000 Briten – für wenige Meter Bodengewinn kostete, so erfüllte sie doch durch den laufenden Abzug deutscher Truppen vor Verdun ihren strategischen Zweck. Die Deutschen mussten ihre eigenen Angriffe auf die Festung im Juli 1916 einstellen. Große Teile des Terrains wurden schließlich von den Franzosen bis Ende Dezember 1916 zurückerobert. Falkenhayns auf den Westen ausgerichtete Strategie erwies sich am Ende als völliger Fehlschlag. Zwischenzeitlich war sogar Rumänien, ermutigt durch den russischen Erfolg im Osten, Ende August 1916 aufseiten der Entente in den Krieg eingetreten. Schon die Schlachten bei Verdun und an der Somme, Sinnbilder für den industrialisierten Krieg mit all seiner zerstörerischen Gewalt, demonstrierten die ressourcenbedingte Überlegenheit der Entente in aller Offenheit. Nun hatten sich die strategischen Kräfteverhältnisse noch weiter zum Nachteil der Mittelmächte verschoben. Der stets umstrittene Falkenhayn verlor in dieser Krise jeglichen Rückhalt in Öffentlichkeit und Reichsleitung sowie schließlich auch das Vertrauen seines »Obersten Kriegsherrn«. Als Generalstabschef war er nicht länger im Amt zu halten. Die Intrigen seiner permanenten politisch-militärischen Widersacher aus dem Kreise um den Reichskanzler und Ober Ost fruchteten in seiner Entlassung durch den Kaiser am 29. August 1916.

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Militärisches Denken und Kriegführung

Die ersten großen Materialschlachten des Jahres 1916 haben die kollektive Erinnerung beider Seiten an der Ersten Weltkrieg nachhaltig geprägt. Insbesondere zu Verdun haben sich zahlreiche Mythen gebildet, als deren wesentliches Element in Deutschland die Betonung der Einmaligkeit der Ereignisse vor der Festung anzusehen ist. Der Begriff »Blutmühle von Verdun« (auch »Knochenmühle«) verlieh in diesem Kontext dem grauenhaften Erleben der Soldaten auf dem Schlachtfeld seinen prägenden Ausdruck. Zudem fand die vielfach von der Erinnerungsliteratur kolportierte und später von der nationalsozialistischen Ideologie aufgegriffene Vorstellung von der Geburt eines neuen Soldatentypus, des »stahlharten Frontkämpfers« der Westfront, hier einen wichtigen, wenn auch nicht nur mit Verdun verbundenen Anknüpfungspunkt. Verdun war jedoch im Vergleich zu den Kämpfen an der Somme oder auch den Anfangsoperationen der Armeen im Westen 1914 bzw. den Frühjahrsoffensiven 1918 nicht die verlustreichste Schlacht des Krieges. Blickt man zudem auf die 1917 und 1918 von beiden Seiten an der Westfront eingesetzte Artillerie, fällt Verdun auch hinsichtlich der Intensität der Kämpfe dahinter zurück. Sie waren aber das grauenerregende und blutige Vorspiel einer noch intensiveren industrialisierten Kriegführung in der zweiten Kriegshälfte.

Die Ära Hindenburg und Ludendorff 1917/18 Totalisierung des Krieges Der Wechsel von Falkenhayn zu Hindenburg und Ludendorff Ende August 1916 wird seit Michael Geyers These vom radikalen Übergang der deutschen OHL zur Maschinenkriegführung und damit zur funktionalen Organisation von Gewalt in der Forschung nach wie vor als zentraler Einschnitt für die gesamte deutsche Kriegführung gewertet. Inwieweit hier allerdings kurzfristig von oben quasi revolutionär Neues geschaffen wurde, darf schon angesichts eines im operativen Denken noch eher traditionell wirkenden Ludendorff umstritten bleiben. Zweifelsohne aber beschleunigten die beiden »Tannenberghelden« auf der Basis einer eingehenden Beurteilung der Gesamtlage die deutschen Kriegsanstrengungen nun wieder in Richtung eines unnachgiebigen Siegfriedens. Konsequenter als zuvor passte die neue OHL die gesamte Kriegführung an das Bild des industrialisierten Krieges an. Ein effizienterer Umgang mit den knappen personellen und materiellen Ressourcen sollte damit einhergehen. Totalitäre Züge erhielt die deutsche Kriegspolitik durch die gesamtgesellschaftliche Mobilisierung in Form von »Hindenburgprogramm« und »Hilfsdienstgesetz«. Deren Ziel bestand darin, den Streitkräften die Mittel zur Erkämpfung des militäri-

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schen Vernichtungssieges auf dem Schlachtfeld zur Verfügung zu stellen – zum einem durch eine massive Steigerung der Produktion von Munition und Waffen unter straffer Leitung der OHL, zum anderen durch das vom Reichstag nach kontroverser Debatte verabschiedete »Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst«, das am 5. Dezember 1916 in Kraft trat und die Arbeitspflicht für alle männlichen Deutschen vom 17. bis 60. Lebensjahr in kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieben festlegte. Die von der OHL geforderte Erweiterung der Wehrpflicht auf das 60. Lebensjahr scheiterte dagegen am Veto des Reichskanzlers. Diese Totalisierungstendenzen beinhalteten ebenso eine rücksichtslose Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen in den Besatzungsgebieten sowie auch die Deportation von rund 60 000 belgischen und nochmals mehreren Tausend polnischen Arbeitskräften für die deutsche Industrie. Gleichermaßen reagierte die OHL auf die zunehmende Kriegsmüdigkeit in der Heimat und an der Front mit der Einführung des »Vaterländischen Unterrichtes« in der Armee im Sommer 1917. Dieser verstärkte angesichts der Friedensresolution des Reichtages vom Juli 1917 nicht nur die propagandistischen Indoktrinationsversuche in Richtung Durchhalten und Siegfrieden, sondern beinhaltete auch fürsorgliche Truppenbetreuung und Wohlfahrt. Die forcierten Kriegsanstrengungen der OHL in der zweiten Kriegshälfte werden in der Forschung weithin als Fehlschläge bewertet, wurden doch die ökonomischen Realitäten weitgehend verkannt und die begrenzten Ressourcen maßlos überspannt. Die rigorose wirtschaftliche Ausbeutung der Besatzungsgebiete verschärfte die Spannungen zur einheimischen Bevölkerung. Ob aber der »Vaterländische Unterricht« in seinem Propagandazweck, wie Wilhelm Deist urteilt, überwiegend als wirkungslos zu betrachten ist, mag dahingestellt bleiben (  2.6   Deist, S. 163). Denn im Ergebnis erreichte die OHL immerhin auch damit eine Verlängerung des Krieges. Die Aussicht auf ein siegreiches Ende blieb allerdings angesichts der dauerhaften realen Kräfteverhältnisse, die sich mit dem Kriegseintritt der USA nochmals erheblich zugunsten der Entente verschoben, illusorisch. Doch davor verschloss die neue militärische Führung im Glauben an die vermeintlich eigene überlegene Qualität und unerschütterliche Willenskraft genauso großzügig die Augen wie vor realistischen politischen Lösungen zur Beendigung des Krieges. Innen- und außenpolitische Mäßigung oder gar Kompromissbereitschaft in dieser Hinsicht passte nicht zum Denken einer neuen militärischen Führung, die den Sieg und damit auch den eigenen Machterhalt unter allen Umständen mit militärischen Mitteln auf dem Schlachtfeld zu erkämpfen versuchte. Politische Unterstützung fand die Militärführung dabei vor allem in der im Herbst 1917 gegründeten Deutschen Vaterlandspartei. An deren Spitze stand Großadmiral

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Militärisches Denken und Kriegführung

Alfred von Tirpitz. Gegner dieses Weges, an erster Stelle der nach der Freigabe der Kriegszieldiskussion in der Öffentlichkeit im November 1916 vergeblich um einen Ausgleich zwischen Annexionisten und Anhängern eines Verständigungsfriedens bemühte Reichskanzler, wurden dagegen gezielt gestürzt. Nachdem Bethmann Hollweg mit dem vormaligen Führungsduo von Ober Ost noch im Winter 1914/15 gemeinsame Interessen verfolgt hatte, war dessen Verhältnis zur neuen OHL schnell von schwerwiegenden Differenzen charakterisiert. Bethmann Hollweg wandte sich nicht nur gegen die von Ludendorff aus rein militärischen Erwägungen betriebene Proklamation eines selbstständigen polnischen Staates im November 1916. Auch hinsichtlich des uneingeschränkten U-BootKrieges und innenpolitischer Fragen wie der Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts geriet der Reichskanzler im Frühjahr 1917 zunehmend in Konflikt mit der OHL und den Annexionisten. Bethmann Hollwegs vorsichtiger Kurs der Verständigung nach außen und einer Neuorientierung im Inneren stießen hier auf strikte Ablehnung. Zugleich wirkte seine schwankende »Politik der Diagonalen« auf die Vertreter eines Kompromissfriedens und parlamentarischer Verfassungsreformen im Reichstag immer unglaubwürdiger. Nach der von Matthias Erzberger (Deutsche Zentrumspartei) ausgelösten Diskussion um eine Friedensresolution des Reichstages ohne Annexionen Anfang Juli 1917 eskalierte die Situation. In der aufgeheizten Atmosphäre drohten Hindenburg und Ludendorff dem Kaiser mit Rücktritt. Ohne Rückhalt der Reichstagsmehrheit sah sich Bethmann Hollweg schließlich gezwungen, diesen Schritt am 13. Juli 1917 von seiner Seite aus selbst zu vollziehen. Dessen Nachfolger, der eher profillose preußische Bürokrat Georg Michaelis sowie der auf die kurze Amtszeit Michaelis folgende, bereits 74 Jahre alte und gesundheitlich angegriffene Georg Graf von Hertling (November 1917 bis September 1918) blieben im Wesentlichen »Marionetten der Militärs« (  1.2   Müller, S. 235). Die treibende Kraft in dem militärischen Führungsduo der 3. OHL war als Erster Generalquartiermeister Erich Ludendorff. Er versinnbildlichte den Typus des aus der bürgerlichen Mittelschicht aufstrebenden, leistungsorientierten Generalstabsoffiziers, gepaart mit einem nationalistisch gefärbten Weltbild. Hindenburg repräsentierte dagegen den traditionellen konservativ-preußischen Militäradel. Mit unermüdlichem Fleiß und militärischem Organisationstalent ergänzte Ludendorff den deutlich lebensälteren Feldmarschall, der ihm ein großes Maß an Handlungsfreiheit bei der Führung des Heeres überließ. Ludendorffs große Machtfülle, die sich nach und nach auch auf die Politik ausstreckte, beruhte im Wesentlichen auf Hindenburgs »charismatischer Autorität« (  1.5   Chickering, S. 92). Von der in der gängigen Literatur

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oft noch konstatierten stillen Militärdiktatur kann allerdings vor dem Hintergrund eines auch in der zweiten Kriegshälfte fortbestehenden polykratischen Chaos in der Reichsleitung allenfalls bedingt die Rede sein. Offensiven im Osten und in Italien – Abwehr im Westen 1917 Die 3. OHL startete im Gegensatz zu ihren Vorgängern in der für die Mittelmächte im Spätsommer 1916 katastrophalen Lage mit einem großen Erfolg, der den weitgehenden Vertrauensvorschuss gegenüber der neuen Führung in der Armee noch untermauerte. Zwar gelang es nur vorübergehend, in der Koalitionskriegführung eine einheitliche Leitung der Operationen unter dem deutschen Kaiser und damit der OHL sicherzustellen. Aber Rumänien wurde in einem schnellen Feldzug unter maßgeblicher Beteiligung Falkenhayns – nun Oberbefehlshaber der 9. Armee – besiegt und im Dezember 1916 zu großen Teilen besetzt. Von einem etwaigen Frieden nach deutschen Bedingungen, wie er von Bethmann Hollweg am 12. Dezember vor dem Reichstag offeriert wurde, waren die Alliierten aber weit entfernt. Auch deren Bereitschaft zu Kompromissen in einem Verständigungsfrieden hielt sich zumeist in engen Grenzen. Abgesehen von der Überlegenheit im Kräfteverhältnis war dies für die Alliierten angesichts der bisherigen Opfer innenpolitisch genauso wenig vertretbar wie im Deutschen Reich. Im Osten führte erst der innere Zerfall Russlands seit dem Sturz des Zaren in der Februarrevolution allmählich zu einer Verhandlungsbereitschaft. Dieser Zerfallsprozess ging einher mit den schweren Niederlagen der russischen Armee infolge der gescheiterten KerenskiOffensive im Sommer 1917. Nach anfänglichen Geländegewinnen in Galizien im Juli wurden die Russen erneut unter Zuhilfenahme deutscher Verstärkungen weit nach Osten zurückgedrängt. Ganz Galizien befand sich bereits im August wieder vollständig im Besitz der Mittelmächte. Im Norden der Ostfront gelang der 8. Armee (Hutier) im September die Einnahme von Riga. Einen Monat später wurden mit einer erstmals gemeinsam von Heer und Marine durchgeführten amphibischen Operation in der Ostsee gelegene russische Flottenstützpunkte erobert: die drei Estland und Lettland vorgelagerten Inseln Ösel, Dagö und Moon. Die russische Armee löste sich auf. Am Ende stand mit einer weiträumigen Annexion russischen Gebietes etwa auf der Linie Narwa– Rostow im März 1918 der von den Deutschen diktierte Frieden von Brest-Litowsk. Diese an das Jahr 1915 erinnernden Erfolge im Osten erstreckten sich im Herbst 1917 auch auf den Alpenraum. Eine Stabilisierung der durch die vorangegangenen Isonzo-Schlachten erschütterten österreichischen Front erschien der OHL auch hier dringend erforderlich. Unter Ausnutzung des Überraschungsmomentes durchbrachen deutsch-öster-

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Militärisches Denken und Kriegführung

reichische Truppen unter Führung der 14. Armee (Otto von Below) bei Flitsch und Tolmein in den Julischen Alpen im Oktober 1917 die italienischen Linien und stießen über 100 km tief bis zum Piave vor. Erst in einer mit alliierter Unterstützung neu organisierten Verteidigung wurde der mittlerweile in seiner Stoßkraft erlahmende Angreifer aufgehalten und die Offensive schließlich im November 1917 eingestellt. Im Westen zwang der immense Kräfteverbrauch der Schlachten von Verdun und an der Somme sowie die generelle Überlegenheit des Gegners zum Übergang zur strategischen Defensive im Landkrieg. Angesichts dieser Lage war der eigentliche Vernichtungsstratege Ludendorff erstaunlicherweise schnell bereit, an der Schwerpunktfront im Westen, die er nun selbst als solche betrachtete, nicht nur zur eigentlich »ungeliebten« Verteidigung überzugehen. Vielmehr knüpfte er nahtlos an Falkenhayns ermattungsstrategischen Ansatz der Verdunschlacht an und erhob hier die hohe Abnutzung des Gegners bei Erhalt der eigenen Kampfkraft zum leitenden Gedanken der deutschen Landkriegführung. So galt es in erste Linie, unnötige Verluste künftig zu vermeiden. Dies kann durchaus als Indiz des Einflusses nüchterner militärischer Lagebeurteilungen im Krieg auf vermeintlich eingefahrene Denkstrukturen im Militär gelten. Dass rationales Denken innerhalb der militärischen Führung vor allem im Jahre 1918 in gleichem Zuge mehr und mehr von »irrealen Träumen und Illusionen« (Michael Epkenhans, in 2.16   Kriegsende 1918, S. 223) begleitet wurde, steht dabei auf einem anderen Blatt. Freilich verband sich der vorübergehende Übergang zur Defensive mit dem Kalkül, die eigenen Kräfte für eine kommende Angriffsentscheidung im Westen zu schonen. Vorerst wurde die Offensive auf Anraten des Admiralstabes, der eine Verhandlungsbereitschaft Englands binnen weniger Monate prognostizierte, mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg auf See gesucht. Anders als erwartet endete dieser aber nach anfänglichen Versenkungserfolgen infolge der Einführung des Konvoisystems durch die Briten in einem Fehlschlag. Der U-Boot-Krieg provozierte im April 1917 zugleich den Kriegseintritt der USA, der den sich abzeichnenden Ausfall Russlands aufseiten der Entente strategisch mehr als kompensieren sollte. Hinzu trat eine Intensivierung des Luftkrieges durch die OHL in Form des Einsatzes erster strategischer Bomber (Gotha G.I) gegen die britische Insel. Sie traten neben bzw. ersetzten dann die bereits seit Frühjahr 1915 erfolgenden Angriffe von Marineluftschiffen auf englische Städte. Diese Entwicklung zu einer neuen Form des Terrors aus der Luft gegen die Zivilbevölkerung gab nur einen bitteren Vorgeschmack dessen, was rund zwanzig Jahre später zu einer brutalen Realität in Europa werden sollte. Ein entscheidungsbringendes strategisch-operatives Mittel in der Kriegführung war es 1917/18 freilich noch nicht.

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Um zunächst die für das Jahr 1917 an der Westfront zu erwartenden alliierten Offensiven erfolgreich abwehren zu können, initiierte Ludendorff seit Ende 1916 umfangreiche organisatorische und taktische Maßnahmen zum Zwecke einer breiten Qualitätssteigerung des erschöpften Massenheeres. Ob Ludendorff strategisch denken konnte, mag dahin gestellt bleiben. Jedenfalls zeigte er für die politisch-strategischen Fragen des Krieges weitaus weniger Weitblick als etwa Falkenhayn. Auf dem Gebiet der Organisation und Taktik legte er dagegen ein besonderes Talent an den Tag. Damit konzentrierte er sich im Wesentlichen auf den engen Bereich des eigentlichen Kriegshandwerkes, wobei er eine auffällige Offenheit gegenüber den Vorschlägen seiner Untergebenen zeigte. Diese im Gegensatz zu den Vorgängern eindeutige taktische Dominanz im Denken der OHL rechtfertigte Ludendorff im Zusammenhang mit den Offensiven 1918 noch nach dem Krieg. Die organisatorisch-taktische Modernisierung des Heeres vollzog sich letztlich bis in das Jahr 1918 für beide Gefechtsarten Verteidigung und Angriff. Sie prägte substanziell die Entwicklung der deutschen Landkriegführung in der zweiten Kriegshälfte. Mit ihr ging eine deutlich verbesserte Schulung und Ausbildung der Truppe einher. Als Grundlage dienten die neuen Gefechtserfahrungen, die nun mit traditionellen Ansätzen der Kriegführung in weiterentwickelten Führungsund Ausbildungsvorschriften wirksam verschmolzen wurden. Dieser Modernisierungsprozess konzentrierte sich maßgeblich auf den technisierten Stellungskrieg an der Hauptfront im Westen. Dagegen ließen Gegner und Raum im Osten noch sehr viel mehr eine Kriegführung nach althergebrachter Art zu. Kavallerie wurde hier oftmals noch im beweglichen Gefecht eingesetzt oder die Verteidigung statisch aus nur einer Linie geführt. Gleichwohl spielten die Kampferfahrungen der etwa bei der Einnahme von Riga oder dem Durchbruch von Flitsch–Tolmein punktuell erfolgreich angewendeten innovativen Stoßtrupptaktik und das überfallartige artilleristische Massenfeuer für die taktische Weiterentwicklung eine wichtige Rolle. Zudem fanden auch die Erfahrungen des Gegners schon seit Längerem ihre Berücksichtigung. So ließen die Deutschen bereits im Sommer 1916 eine Schrift des französischen Offiziers André Laffargue übersetzen und an die Truppe verteilen, worin der infiltrierende Angriff von Stoßtrupps im Stellungskrieg erörtert wurde. Von Briten und selbst von Franzosen weitgehend ignoriert, griffen deutsche Truppen in Ausbildung und Gefecht auf sie zurück. Zu den wichtigsten neuen Führungsvorschriften des Heeres zählten »Die Grundsätze für die Führung in der Abwehrschlacht im Stellungskriege« (Dezember 1916, März und September 1917), »Der Angriff im Stellungskrieg« (Januar 1918) sowie die »Ausbildungsvorschrift für die Fußtruppen im Kriege« (Januar 1917 und Januar 1918). Damit wur-

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Militärisches Denken und Kriegführung

den die Einsatzgrundsätze unter verstärkter Berücksichtigung der Truppenerfahrungen sowie unveränderter Ablehnung von Schematisierungen von oben heeresweit vereinheitlicht. Hatte man schon in den Vorjahren begonnen, das kooperative Zusammenwirken unterschiedlicher Waffengattungen im Gefecht zu modernisieren, so erfuhr es nunmehr eine deutlich verbesserte Koordinierung. Diese Transformation der Taktik wurde in Richtung Effektivitätssteigerung des Heeres zielgerichtet forciert. Auf Basis des etablierten dezentralisierten Führungsprinzips der Auftragstaktik entwickelte das deutsche Heer über einen intensivierten Erfahrungsaustausch zwischen Führung und Truppe schrittweise mit der Technik besser abgestimmte Einsatzverfahren in Verteidigung und Angriff. Die Abstimmung der Gefechtskernelemente Feuer und Bewegung wurde optimiert, wobei die Entwicklungen für beide Gefechtsarten in einer engen Wechselwirkung standen. Dadurch entstand sukzessive das Prinzip einer immer tiefer gegliederten elastischen Raumverteidigung, die das bisherige statische und linear angelegte Verfahren dynamisch ergänzte, aber nicht vollständig ersetzte. Sie gestattete der Truppe, die bislang strikt nach dem Prinzip erzogen worden war, keinen Fußbreit Boden freiwillig aufzugeben, ein begrenztes bewegliches Ausweichen in einer mit Widerstandsnestern gespickten Verteidigungszone. Die Soldaten sollten sich dem vernichtenden Artilleriefeuer eines Angreifers zumindest zeitweilig entziehen können. Das Hauptaugenmerk der Verteidigung lag auf dem selbstständigen Gegenstoß lokaler Reserven bzw. auf dem geplanten Gegenangriff tief gestaffelter Infanteriereserven, kooperativ und auftragsbezogen durch Artilleriegruppen unterstützt. So sollte auch in der Verteidigung die Entscheidung im Gefecht offensiv gegenüber einem sich in der Tiefe des Raumes abnutzenden Angreifer herbeigeführt werden. Für den Angreifer bestand im Patt des Stellungskrieges unverändert das Problem, einen taktischen Einbruch zu einem entscheidenden operativen Durchbruch auszuweiten, bevor der Verteidiger seine Reserven zum Einsatz bringen konnte. Um zum erwünschten Bewegungskrieg übergehen zu können, setzte die 3. OHL in ihrem 1917/18 weiterentwickelten Angriffsverfahren nicht wie der Gegner an der Westfront auf den Tank. Die Briten hatten diesen erstmals bei einem Angriff im September 1916 zum Einsatz gebracht. Oftmals blieben die langsamen stählernen Ungetüme im Gelände liegen oder sie fielen schnell dem deutschen Abwehrfeuer zum Opfer. Solche Gefechtserfahrungen und die Priorisierung des U-Boot- und Flugzeugbaus führten zu einer Vernachlässigung der Tankentwicklung seitens der deutschen Militärführung. Abstand nahm man hier auch von der Praxis der Alliierten im Westen, Angriffe wie an der Somme 1916 durch tagelanges Artilleriefeuer vor-

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zubereiten. Vielmehr strebte man im deutschen Heer den Durchbruch über eine Kombination der Elemente Überraschung, initiativreiches Führen sowie verbessertes Zusammenwirken von Infanterie, Artillerie und Luftstreitkräften an. Die Überraschung stellte ein zunächst noch zentralisiert geführter und schlagartig eröffneter, kurzer Feuerüberfall einzelner Artilleriegruppen sicher. Mit Angriffsbeginn ging dieser in einen langsam, über die Stellungen des Gegners nach einem festen Zeitplan fortschreitenden dichten Hagel von Granaten, der sogenannten Feuerwalze, über. Sie wurde von den Deutschen erstmals 1916 an der Ostfront, aber auch vor Verdun angewandt. Das gezielte Artilleriefeuer sollte gleichermaßen die gegnerische Infanterie und Artillerie niederhalten sowie die Kommandostrukturen lähmen. Das Verfahren beruhte wesentlich auf den Erfahrungen von Oberstleutnant Georg Bruchmüller. Dieser Artillerieoffizier hatte sich bei Angriffsoperationen an der Ostfront, u.a. bei Riga 1917, besonders bewährt und fungierte für die Frühjahrsoffensiven 1918 als Berater der OHL. Ein von Hauptmann Erich Pulkowski entwickeltes und in diese Artillerieführung integriertes Verfahren sorgte dabei für den Wegfall des bislang zeitaufwändigen und verräterischen Einschießens der Geschütze. Giftgas war auf beiden Seiten längst fester Bestandteil des Artillerieeinsatzes. Zwischen 1915 und 1918 stieg der Anteil der verschossenen Gasmunition von ein auf rund 30 Prozent. Unmittelbar hinter der Feuerwalze folgte eine mit Artillerie und Pionieren verstärkte und selbst möglichst feuerkräftig ausgestattete Infanterie (Kampfgruppen). Sie sollte Schwachstellen des Gegners mit schnellen Bewegungen infiltrieren und rücksichtslos durchstoßen. Nur hier waren, so die Vorgaben, nachfolgende Reserven anzusetzen. Es ist wenig überraschend, dass der Taktiker und Organisator Ludendorff bei den Frühjahrsoffensiven 1918 verzweifelt versuchte, die »weiche Stelle« in der Front des Gegners zu finden, um einen Ein- zu einem Durchbruch auszuweiten und schließlich zum entscheidungssuchenden Bewegungskrieg überzugehen. Hohe Beweglichkeit durch kombinierte Feuerkraft und Waffenwirkung trat somit zunehmend in den Vordergrund einer unter Zeitdruck stehenden taktisch-operativen Kriegführung, die zugleich immer deutlicher individualisierte Züge trug. Die aus unterschiedlichen Waffengattungen organisatorisch vereinheitlicht zusammengesetzte und je nach Auftrag mit weiteren Truppen einschließlich Luftstreit kräften verstärkte Infanteriedivision bildete endgültig die »Schlachteinheit« für das moderne, mehrdimensionale Gefecht des konventionellen Landkrieges. In der Verteidigung erfolgte ihr Einsatz künftig im ständigen schnellen Wechsel zwischen Stellungsdivision und Eingreifreserve (Eingreifdivision), wobei Ruhephasen zur

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Militärisches Denken und Kriegführung

Regeneration und Ausbildung der Truppe genutzt werden sollten. Für die Angriffsoperationen 1918 waren besonders ausgestattete bewegliche Mob-Divisionen vorgesehen. Innerhalb der Divisionen stellten mit Truppwaffen (u.a. leichte Maschinengewehre) ausgerüstete kleine Gefechtsgruppen die Hauptträger des Kampfes. Sie verkörperten den von den meisten Armeen angestrebten Ersatz des Menschen durch die Maschine im Gefecht. Ihnen oblag im Sinne der klassischen Erziehung zum Angriff unter Anwendung des innovativen Stoßtruppverfahrens auch in der Verteidigung eine offensive, bewegliche Kampfführung. Über ein umfangreiches Netz von Schulen, Übungsplätzen und Lehrgängen ließ die OHL die Ausbildung von Führern und Truppe nach den weiterentwickelten Einsatzgrundsätzen vorantreiben. So entstanden u.a. neben den zahlreichen Ausbildungskursen für Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere 1917/18 bei einzelnen Heeresgruppen spezielle Lehrkurse für Kommandeure und Generalstabsoffiziere. Sie vermittelten den verantwortlichen Militärs an der Front die Grundlagen der Abwehrschlacht und des Angriffs im Stellungskrieg. Die Umsetzung der weiterentwickelten Einsatzgrundsätze in der Praxis des Krieges blieb allerdings ambivalent, da schon die neuen Führungs- und Ausbildungsvorschriften lageangepasste Handlungsspielräume im Sinne der Auftragstaktik offen ließen. Trotz der Vereinheitlichungen waren dies Kompromisslösungen, die Neues und Altes vielfältig miteinander verbanden und zugleich Schematisierungen unverändert strikt ablehnten. So bot sich in Ausbildung und Gefecht gleichermaßen Platz für starres Beharrungsvermögen, aber auch für die flexible Anwendung von Innovationen, denen sich die Führer unter dem permanenten Erfolgsdruck von oben nicht völlig verschließen konnten. Die Modernisierung der taktischen Einsatzgrundsätze verlief im dauernden Widerstreit einzelner Führungsebenen alles andere als geradlinig und konfliktfrei. Viele Kommandeure bezeichneten das Massenheer spöttisch als schlecht ausgebildete Miliz. Man traute den Soldaten die Umsetzung komplexer taktischer Verfahren einfach nicht zu, befürchtete beim zugebilligten Ausweichen in der elastischen Verteidigung sogar, dass sie wegliefen. Ludendorff selbst zeigte sich angesichts der Vorgänge auf dem Gefechtsfeld und der Reaktionen des Gegners im Krieg ständig verunsichert. Nervös telefonierte er in taktisch-operativen Fragen mit den Frontbefehlshabern. Auf der Suche nach dem »richtigen Rezept« verhielt er sich hier oft genauso widersprüchlich wie bei der Handhabung der propagierten Auftragstaktik, die er durch seinen eigenen zentralistischen Führungsstil und eine enge Kontrolle von oben konterkarierte. In der Folge war dann auch die unmittelbare Kriegführung an der Front von zahlreichen taktischen Mischformen charakterisiert, beispielsweise von althergebrachter statischer Linienverteidigung und innovativer

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Raumverteidigung oder Angriffsbewegungen in dichten Schützenlinien und Stoßtrupps. Dies gibt weder Anlass zu der häufig in der Literatur noch vorgenommenen Überbewertung der militärischen und innovativen Kompetenz des deutschen Heeres noch zu einem einseitigen Vorwurf der Unbeweglichkeit und Entwicklungsunfähigkeit. Immerhin führte dieser kompromisshafte Weg sowohl zur erfolgreichen Abwehr der alliierten Massenangriffe im Westen 1917 als auch zu bis dahin nicht erreichten Geländegewinnen im Zuge der Frühjahrsoffensiven 1918. Letzteres stürzte die Entente kurzfristig sogar in die gefährlichste Krise seit 1914. Dennoch behielt am Ende die Seite die Oberhand, die ihre überlegenen Ressourcen für die strategische Kriegführung nutzbar machen konnte. Nicht fortschrittliche taktisch-operative Doktrinen entschieden den Krieg im Industriezeitalter, sondern strategische Vorteile in Form menschlicher Reserven und der »Produktivität der Fabriken« (Karl-Heinz Frieser). Der »kongeniale operative Ansatz« ( 6.10   Köster, S. 13) im Landkrieg zur taktischen Entwicklung der elastischen Raumverteidigung war im Frühjahr 1917 zunächst die Rücknahme des Westheeres in die stark befestigte »Siegfriedstellung« zwischen Arras und Laon (Operation »Alberich«). Damit gab die deutsche Führung erstmals eroberten Boden freiwillig preis. Der Rückzug von 39 Divisionen erfolgte unter strengster Geheimhaltung nach dem völkerrechtswidrigen Prinzip der »verbrannten Erde«: Die ortsansässige Bevölkerung im zu räumenden Gebiet – rund 100 000 Menschen – wurde deportiert und die Infrastruktur planmäßig zerstört. Jedes schnelle Nachstoßen des Gegners in die neue Kampfzone galt es zu verhindern. Mit dieser Frontverkürzung auf dem Hauptkriegsschauplatz um 50 km konnte die OHL 13 Divisionen in die Heeresreserve überführen, die sie dringend für die Abwehr der zu erwartenden britisch-französischen Offensiven benötigte. Diese ließen nach den Vereinbarungen der Chantilly-Konferenz vom November 1916 nicht lange auf sich warten. Den Auftakt zu den mit enormem Materialaufwand an Geschützen, Munition, Flugzeugen und Tanks geführten Durchbruchsversuchen an der Westfront im Jahre 1917 bildeten im April der britische Angriff bei Arras sowie die annähernd zeitgleich eingeleitete eigentliche Hauptoffensive der Franzosen zwischen Reims und Soissons. Erst nach deren Scheitern verlagerte sich im Sommer der Schwerpunkt der alliierten Angriffe auf die Briten in den Ypernbogen nach Flandern (3. Flandernschlacht), um den insgesamt angestrebten deutschen Zusammenbruch zu erwirken. Briten und Franzosen vertrauten wie schon an der Somme 1916 aufgrund ihrer Ressourcenüberlegenheit in erster Linie auf die zerstörerische Wirkung eines tagelangen, mörderischen Artillerievorbereitungsfeuers: Die statische Dominanz der Artillerie stand deutlich im Vordergrund.

Militärisches Denken und Kriegführung

Vergleich der Artilleriestärken des Angreifers bei Offensiven im Stellungskrieg 7 000

Anzahl der Geschütze

6 000

6 608 Deutsche Briten und Franzosen

5 000 4 000 3 011

3 000

0

2 817

2 126

2 000 1 000

Durchschnitt je Kilometer Front

60

1 051 496

TarnowGorlice 1.5.1915

Arras

Verdun

Somme

Arras

21.9.1915

21.2.1916

1.7.1916

9.4.1917

Offensive „Michael“ 21.3.1918

0 15 50

52

42 70 88

100

150

Quelle: 3.6 Der Weltkrieg 1914–1918, Bd 14, Beilage 39h.

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Berechenbar für den Gegner, diktierte sie auch Richtung und Vorgehen der Infanterie. Ein Überraschungseffekt, auf den vor allem die Deutschen vertrauten, war damit nicht zu erzielen. So verschossen die Briten bei Arras in zweiwöchiger Vorbereitung ihres Angriffs fast 2,7 Millionen Granaten auf die deutschen Stellungen. Die Zahl der eingesetzten Geschütze pro Kilometer Front hatte sich etwa im Vergleich zum deutschen Angriff bei Verdun 1916, der die Artillerievorbereitung auf wenige Stunden begrenzte, mehr als verdreifacht, später in der 3. Flandernschlacht sogar mit über 200 Geschützen pro Kilometer Front verfünffacht. In die gleiche Richtung zielte die Perfektionierung von gewaltigen Minensprengungen in Tunneln unterhalb des gegnerischen Stellungssystems. Auf diese Art begannen die Briten Anfang Juni 1917 ihre Offensive auf den Wytschaetebogen in Flandern. Abnutzung des Gegners und angestrebter Durchbruch ergänzten sich. Die Frage der Methode der Angriffe und damit verbunden nach deren Reichweite blieb angesichts der elastischen Verteidigung der

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Deutschen unter den alliierten Befehlshabern 1917 lange umstritten. Letztlich setzte sich angesichts der hohen eigenen Verluste das Prinzip der strikten Begrenzung von Angriffszielen mit nochmals gesteigertem Artillerieeinsatz durch. Allein während des mit 400 Tanks überraschend geführten Angriffs von Cambrai im November 1917 wurde auf eine ausgedehnte Artillerievorbereitung verzichtet. Entgegen der heute oft noch allen Militärführungen des Ersten Weltkrieges unterstellten Ignoranz gegenüber notwendigen Neuerungen im industrialisierten Krieg entwickelten beispielsweise auch die britischen Truppen ihre taktisch-operative Kriegführung in einem ständigen Lernprozess weiter. Im Ergebnis mündete dieser komplexe Lernprozess indes über die Erfahrungen des Jahres 1917 schließlich bis 1918 in ein deutlich verbessertes bewegliches Zusammenwirken zwischen kleinen, feuerkräftig ausgestatteten Infanteriegruppen, Artillerie, Tanks und Flugzeugen. Jetzt legte man auch hier mehr Wert auf den Überraschungseffekt mittels einer deutlich verkürzten Artillerievorbereitung, begrenzte aber zugleich die Angriffsziele stets innerhalb der Reichweite der eigenen Artillerie oder brach Angriffe rechtzeitig ab, um sie an anderer Stelle unter Ausnutzung der überlegenen Ressourcen und Logistik wieder neu aufzunehmen. Zwar erzielten die Alliierten mit diesem Verfahren bis zum Kriegsende keinen entscheidenden Durchbruch, weil die Fähigkeit zu einer schnellen mobilen Kriegführung nach wie vor eingeschränkt blieb. Doch sie drängten im Sommer/Herbst 1918 die völlig erschöpften und zahlenmäßig unterlegenen deutschen Truppen des Gegners immer weiter aus den besetzten Gebieten im Westen zurück. Die militärische Niederlage und der Zusammenbruch Deutschlands waren unausweichlich geworden. Im Jahre 1917 war die alliierte Seite von diesem Hauptziel im Westen jedoch noch weit entfernt, zumal die Unterschiede in der materiellen und moralischen Kampfkraft der Truppen längst nicht so weit auseinander lagen, wie im Sommer und Herbst 1918. Noch bewährte sich die flexibel weiterentwickelte und in der Regel effektiv vorbereitete elastische Verteidigung des deutschen Heeres in der Praxis gegenüber den alliierten Großoffensiven an der Westfront. Notfalls löste Ludendorff bei eigenen Fehlschlägen wie beispielsweise den anfänglichen britischen Einbrüchen in die deutschen Stellungen bei Arras im April 1917 eben kurzerhand die verantwortliche Führung an der Front ab. In seinem Auftrag organisierte dann der Abwehrfachmann der OHL, Oberst Fritz von Loßberg, als Generalstabschef der entsprechenden Armee die bewegliche Verteidigung vor Ort oder er wurde wie in Flandern bei der 4. Armee (Sixt von Arnim) schon vor Beginn einer Offensive in diese Verantwortung gesetzt. Die beachtlichen Abwehrerfolge der deutschen Truppen zeigten Wirkung, vor allem bei den Franzosen. Deren Armee wurde nach im-

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Militärisches Denken und Kriegführung

mensen Verlusten von rund 250 000 Mann bis Ende Juni 1917 durch umfassende Meutereien in 45 Divisionen erschüttert. Als neuer Oberbefehlshaber vermochte General Pétain die Krise im Sommer 1917 sowohl durch Hinrichtungen als auch Konzessionen an die Soldaten zu überwinden. Zu größeren Angriffen war die französische Armee 1917 allerdings nicht mehr fähig. So prekär stellte sich die Situation für die britischen Truppen nach der Flandernschlacht nicht dar. Gleichwohl bezahlten auch sie geringen Geländegewinn trotz der Umstellung ihrer Angriffe auf strikt begrenzte Ziele mit unverhältnismäßig hohen Verlusten: zwischen Juli und Dezember 1917 nach deutschen Angaben über 320 000 Mann. Auf der anderen Seite hatte sich aber gleichfalls Ludendorffs Inten tion eines einzuschränkenden Kräfteverbrauchs angesichts von über 200 000 Mann eigener Verluste allein in der Flandernschlacht im gleichen Zeitraum als unzweckmäßig erwiesen. Trotz des eigenen und im Vergleich zur Entente kaum noch zu kompensierenden Kräfteverschleißes sprach die erfolgreiche deutsche Gegenoffensive nach dem britischen Tankangriff bei Cambrai im November aus Sicht der militärischen Führung für eine ungebrochene Schlagkraft der deutschen Truppen auf dem Schlachtfeld. Zudem bestätigte das Zurückwerfen der britischen Truppen aus Sicht der militärischen Führung die Wirksamkeit der weiterentwickelten deutschen Angriffsverfahren an der Westfront. Dieser Erfolg stärkte die Überzeugung, unter Ausnutzung des Überraschungsmomentes einen Durchbruch und den Übergang zum bevorzugten Bewegungskrieg erzwingen zu können. Frühjahrsoffensiven und Zusammenbruch 1918 Der Waffenstillstand im Osten sowie die Erfolge an der Italienfront erweckten an der Jahreswende 1917/18 in der OHL die Hoffnung, mit einer großangelegten Offensive doch noch den erhofften Sieg auf dem Schlachtfeld zu erkämpfen, bevor das amerikanische Engagement die Kräfteverhältnisse endgültig zugunsten der Entente verschieben würde. Der Faktor Zeit arbeitete indes immer deutlicher zum Vorteil der Gegners, wobei ein Verständigungsfrieden für beide Seiten nicht infrage kam. Die angespannte politische und wirtschaftliche Situation der Mittelmächte, die immer schwierigere Ersatzlage in Verbindung mit der sich in den Streitkräften und der Heimat weiter ausbreitenden Kriegsmüdigkeit setzten die OHL unter deutlichen Zugzwang. Vor die Alternative Sieg oder Niederlage gestellt, entschloss sich die deutsche Führung schließlich, von der Defensive wieder zur Offensive im Landkrieg überzugehen. In einer Abfolge mehrerer Großangriffe strebte die OHL in erster Linie die Vernichtung des aus ihrer Sicht als operativ schwerfällig geltenden und durch die Offensiven in Flandern zuvor stark beanspruch-

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Die deutschen Frühjahrsoffensiven 21.3. bis 17.7.1918

NIEDERLANDE

Nordsee

Nieuport

Antwerpen Dixmuiden xxxx

Dünkirchen

Thielt 4. (Sixt v. Armin)

xxxx

Calais

belg.

(Albert)

Ypern

xxxx Cassel

2. brit. (Plumer)

xxxx

Armentières

6. (Quast)

Lille

Béthune

Douai Arras

m

m e

3. brit. (Byng)

1

2

Albert

xxxxx

xxxx

5. brit. (Gough)

18. (Hutier)

St. Quentin

xxxx

7. (Boehn)

La Fère

O

Rethel

6

Compiègne

xxxx

1. (F. v. Below)

Laon

5

Beauvais

7

Dommiers

10

3. (Einem)

Reims

xxxx

6. franz. (Duchêne)

xxxx

Dormans

4. franz. (Gouraud)

Épernay xxxx

Meaux

Verdun

5. franz. (Micheler) Châlons-

Se

FRANKREICH

e ar n M

sur-Marne

PARIS

in

e

xxxx

Ais ne

9

Villers

Chantilly

Sedan

11

Soissons

ise

Deutscher Kronprinz

Mézières

Guise

Nesle 8

Dinant

xxxxx

Avesnes xxxx

3

Montdidier

Namur

Maubeuge

2. (Marwitz)

Le Cateau

Pèronne xxxx

Amiens

Mons

17. (O. v. Below)

Cambrai

xxxx

So

St. Amand xxxx

Houdan

BELGIEN

Kronprinz Rupprecht

Tournai

Lens

1. brit. (Home)

BRÜSSEL

xxxxx

4

4

xxxx

Sc h elde

Melun

Deutsche Offensiven: 1 »Michael I«, 21.3. bis 5.4.1918

7

»Goerz«, 27.5. bis 5.6.1918

Zeichenerklärung: Front am 21.3.1918

2

»Michael II«, 21.3. bis 5.4.1918

8

»Gneisenau«, 9.6. bis 13.6.1918

Heeresgruppengrenze

3

»Michael III«, 21.3. bis 5.4.1918

9

»Hammerschlag«, 12.6.1918

Armeegrenze

4

»Georgette«, 9.4. bis 29.4.1918

10

Troyes »Marne«, 15.7. bis 17.7.1918

Angriffsrichtungen

5

»York«, 27.5. bis 5.6.1918

11

»Reims«, 15.7. bis 17.7.1918

6

»Blücher«, 27.5. bis 5.6.1918

Geländegewinne

Quellen: Chr. Zentner, Illustrierte Geschichte des Ersten Weltkriegs, Eltville a.Rh., S. 431; 6.28 Zabecki, The German 1918 Offensives, S. 119, 175, 208, 234, 247; A. Stenger, Schicksalswende, Oldenburg 1930, Karte 2.

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ten britischen Heeres in Frankreich an. Die darüber hinausgehenden strategischen Ziele des gesamten Unternehmens blieben aber weitgehend unklar. Auf die Frage, wie man selbst nach einem großen militärischen Vernichtungssieg auf dem Schlachtfeld gegen die Briten einen politisch nach wie vor wohl unrealistischen Siegfrieden gegenüber der durch die Amerikaner verstärkten Entente durchsetzten wollte, fand die OHL keine plausible Antwort. Operative Aspekte und Ziele schob der Erste Generalquartiermeister von Anfang an zugunsten rein taktischer Erwägungen vage in den Hintergrund. »Das Wort Operation verbitte ich mir. Wir hauen ein Loch hinein. Das Weitere findet sich. So haben wir es in Russland auch gemacht«, äußerte Ludendorff bezeichnenderweise telefonisch gegenüber der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Ludendorffs volle Konzentration galt in erster Linie der Aufstellung und Ausbildung eines taktisch effektiven Angriffsheeres; mithilfe des weiterentwickelten Angriffsverfahrens wollte er dann an der schwächsten Stelle des Gegners einen taktischen Durchbruch erzielen. An der Nahtstelle zwischen Franzosen und Briten, beiderseits St. Quentin, glaubte Ludendorff diesen Punkt trotz des durch die Kampfhandlungen der vorherigen Jahre schwer gangbaren Geländes an der Somme identifiziert zu haben. So galt es, überhaupt erst die Vorrausetzungen für den offenen Bewegungskrieg zu schaffen, auch wenn die ausgesuchte Stelle nicht unbedingt optimale Möglichkeiten für eine operative Ausweitung der Offensive bot. Letzteres hielt er zudem völlig offen, indem er die knappen Kräfte bei den beteiligten Armeen ohne erkennbare Schwerpunktbildung aufsplittete. Das Unternehmen lief von Anfang an Gefahr, ziellos auseinanderzulaufen und sich festzubeißen. Tatsächlich gelang Ludendorff in der Vorbereitung des am 21. März 1918 beginnenden Unternehmens »Michael« in dieser Hinsicht ein durchaus beachtliches Organisationswerk. Obwohl die weiträumigen Gebietsgewinne in Russland eine große Zahl von Truppen an den Osten banden, wurden annähernd drei Viertel der deutschen Gesamtkräfte – 200 Divisionen mit rund vier Millionen Mann – an der Westfront für die letzten großen Schläge zusammengeführt. Doch standen die vagen Ziele der OHL immer noch in keiner Relation zu den begrenzten personellen und materiellen Ressourcen aufseiten der Deutschen. Trotz der Verstärkungen der Westfront blieb das Gesamtkräfteverhältnis zu den Alliierten denkbar ungünstig. Es reichte im Frühjahr 1918 allenfalls für eine kurzfristige lokale Überlegenheit an Infanterie, Artillerie und Flugzeugen. Für einen operativen Bewegungskrieg fehlten dem deutschen Heer stoßkräftige Reserven hinter den wenigen speziell ausgestatten und aufgefüllten Angriffsverbänden (Mob-Divisionen). Vor allem mangelte es unverändert an der taktisch-operativen Beweglichkeit für das in den Köpfen der Führung erstrebte schnel-

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Ernst Jünger, In Stahlgewittern »In Stahlgewittern«, Ernst Jüngers Buchdebüt, erschien erstmals 1920. Es begründete maßgeblich den Ruhm des Schriftstellers. Schonungslos und in aller Brutalität beschreibt er darin seine Kriegserlebnisse an der deutschen Westfront im Ersten Weltkrieg. Eine eindeutige Stellungnahme oder die Frage nach den Ursachen des Krieges spart Jünger jedoch aus, weswegen das Werk zahlreiche Lesarten zulässt: von kriegsbejahend bis Antitkriegsbuch. Den Beginn der Michael-Offensive im März 1918 gibt er wie folgt wieder: Immer weiter rückte der Zeiger; wir zählten die letzten Minuten mit. Endlich stand er auf 5.05 Uhr. Der Orkan brach los. Ein flammender Vorhang fuhr hoch, von jähem, nie gehörtem Aufbrüllen gefolgt. Ein rasender Donner, der auch die schwersten Abschüsse in seinem gewaltigen Rollen verschlang, ließ die Erde erzittern. Das riesenhafte Vernichtungsgebrüll der unzähligen Geschütze hinter uns war so furchtbar, dass auch die größten der überstandenen Schlachten dagegen erschienen wie ein Kinderspiel. Was wir nicht gewagt hatten zu hoffen, geschah: Die feindliche Artillerie blieb stumm; sie war mit einem Riesenschlag zu Boden gestreckt. Wir hielten es im Stollen nicht länger aus. Auf Deckung stehend, bestaunten wir die über den englischen Gräben flammende turmhohe Feuerwand, die sich hinter wallenden blutroten Wolken verschleierte [...] Selbst die Naturgesetzte schienen ihre Gültigkeit verloren zu haben. Die Luft flimmerte wie an heißen Sommertagen [...] Das Getöse war absolut geworden, man hörte es nicht mehr. Nur unklar merkte man, dass Tausende rückwärtiger Maschinengewehre ihre bleiernen Schwärme ins Blaue fegten. Quelle: Ernst Jünger, In Stahlgewittern. In: Ernst Jünger, Sämtliche Werke. Erste Abteilung – Tagebücher I‑ IV, Bd 1: Der Erste Weltkrieg, 3., unveränd. Aufl., Stuttgart 2009, S. 9 ‑ 300, hier S. 238 f. le moderne Gefecht der verbundenen Waffen. Die Motorisierung von Kampftruppen, Artillerie und Nachschub in Form von Tanks und Lastkraftwagen war im Vergleich zum Gegner völlig unzureichend. Die negativen Auswirkungen einer sich im Wesentlichen auf Pferde stützenden Mobilität hatte bereits der Vormarsch im Westen 1914 gezeigt. Anfang 1918 führte der eklatante Pferdemangel schon dazu, dass auch bei den besonders bevorzugten Mob-Divisionen das Soll nicht mehr aufgefüllt werden konnte. Offensichtlich hoffte die OHL nach wie vor, mit einer vermeintlich überlegenen Führung und Qualität der Truppen diese Mängel ausgleichen zu können. Auch der Glaube an die quasi »Berge versetzende Kraft des Willens« (Dieter Storz, in 2.16  Kriegsende 1918, S. 83) oder aber »Realitätsblindheit« (  2.6   Deist, S. 224) könnten als plausible Erklärungen für das unverrückbare Festhalten an illusorischen Zielen dienen. Nüchterne militärische Lagebeurteilung wurde ge-

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rade im Jahre 1918 in zunehmendem Maße von einem »Wunschdenken« (Michael Epkenhans, in 2.16  Kriegsende 1918, S. 218) und ungebrochener Annexionspolitik beeinflusst. Dies äußerte sich nicht zuletzt in den ausufernden Griffen nach Osten, von denen Ludendorff noch im September 1918 mit dem Befehl zur Vorbereitung eines Angriffs auf Baku nicht ablassen wollte. Die Kriegführung erweckte in diesem Kontext den Eindruck eines Vabanquespieles im Sinne der Devise Sieg oder Niederlage. Die eigenen Kräfte und Möglichkeiten wurden dabei maßlos überschätzt und zugleich der Gegner weitgehend unterschätzt. Die eigentliche Grundlage für die militärische Niederlage war gelegt. Die militärischen Ergebnisse der deutschen Offensiven im Frühjahr 1918 (Michael, Georgette, Blücher-Goerz-Yorck, Gneisenau, Hammerschlag, Marneschutz-Reims) zunächst gegen die Briten und dann auch die Franzosen boten zumeist immer das gleiche Bild von taktischen Anfangserfolgen mit teils erheblichen und in den Jahren zuvor nie erzielten Raumgewinnen. Letztlich mündeten sie aber immer in operative Fehlschläge: Nachschubprobleme und das Nachziehen der Artillerie verlangsamten die deutschen Vorstöße; zudem verstärkten die Alliierten ihre Defensivkräfte, indem sie die Reserven geschickt verschoben und die Abwehr selbst nach und nach tiefer staffelten, wodurch sich am Ende die deutschen Vorstöße immer wieder festliefen. Unter Ludendorffs zunächst auf taktische Erfolge zielende Führung arteten die Offensiven in eine immer verzweifeltere Suche nach einer »weichen Stelle« in der Front des Gegners aus. So nahmen sie die später vielkritisierten exzentrischen Ausmaße an, denen klare operative Ziele und Schwerpunkte fehlten. Zugleich wurden die eigenen knappen Kräfte im Zuge der fortgesetzten taktischen »Hammerschläge« auf die alliierte Front hoffnungslos überspannt. Dennoch hielt Ludendorff unbeirrt am Offensivgedanken unter sträflicher Missachtung der Möglichkeiten des Gegners fest. Bedenken aus den eigenen Reihen fegte er beiseite. So erklärte er noch vor dem letzten deutschen Angriff bei Reims gegenüber der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, dass die Franzosen zu Gegenangriffen nicht in der Lage seien. Man müsse eben selbst die Nerven haben und durchhalten, dann werde eine Entlastung eintreten. Im Endeffekt resultierten aus den bis Mitte Juli 1918 andauernden Angriffen selbst aus Sicht des amtlichen Weltkriegswerkes nur »ordinäre Siege«, die zu einem maßlosen und nicht mehr ersetzbaren Kräfteverbrauch auf deutscher Seite geführt hatten. Von März bis Juli 1918 betrug der »tatsächliche Abgang« im Westheer (Gesamtverluste nach Einrechnung der wieder dienstfähig gewordenen Soldaten) gemäß dem Weltkriegswerk rund 950 000 Mann, davon 126 000 Tote und 101 000 Vermisste. Der Zustand des deutschen Westheeres im Sommer 1918 war infolgedessen besorgniserre-

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gend. Den knappen personellen Ersatz hatten nur noch die für den Angriff bestimmten Divisionen erhalten, während zugleich die meisten Stellungsdivisionen ohne ausreichende Ruhe »ausgebrannt« waren. Verminderte Truppenstärken, Krankheiten (Grippe) und die unüberbrückbaren Versorgungsschwierigkeiten ließen die Einsatzfähigkeit vieler Truppenteile an der Front beträchtlich sinken. Die mit den Raumgewinnen der Offensiven erreichten Frontausdehnungen waren mit den völlig erschöpften und moralisch angeschlagenen deutschen Truppen auf Dauer nicht mehr zu halten. Die Antwort der Gegenseite ließ nicht lange auf sich warten. Mit einer durch das amerikanische Engagement nun erdrückenden Überlegenheit an Personal und Material sowie deutlich verbesserten Verfahren im modernen Gefecht der verbundenen Waffen ging die Entente zu großangelegten Gegenangriffen über. Sie begannen am 18. Juli 1918 mit einer Offensive gegen den Marnefrontbogen zwischen Soissons und Reims. Ein zweiter schwerer Schlag folgte an dem von Ludendorff als »schwarzer Tag des deutschen Heeres« bezeichneten 8. August bei Amiens gegen die im März erzielte Frontausdehnung südlich der Somme. Damit war die Initiative in der Kriegführung endgültig auf die Alliierten übergegangen. Angesichts des auch im September und Oktober fortgesetzten Ansturms auf die immer dünneren deutschen Linien blieb der OHL keine andere Möglichkeit, als die eigenen Truppen schrittweise aus den besetzten Gebieten im Westen bis in die sogenannte Antwerpen-MaasStellung zurückzunehmen. Der permanente Druck durch die alliierten Streitkräfte führte allmählich zum Zusammenbruch des deutschen Heeres. Diesen Zusammenbruch erachtet die Geschichtswissenschaft nach wie vor als »verdeckten Militärstreik« (Wilhelm Deist, in 2.14 Der Krieg des kleinen Mannes, S. 146‑167), der maßgeblich im Gefolge massenhafter »Drückebergereien« unterschiedlichster Ausprägung entstanden und eine entscheidende Voraussetzung für die Revolution im November 1918 war. Auf diese Art hatten sich nach Schätzungen bis zu einer Million deutscher Soldaten in der Endphase des Krieges dem Zwang zum Kämpfen entzogen, um den Krieg auf eigene Faust zu beenden. Breiten Ungehorsam oder massive Disziplinlosigkeiten als wesentliche Zerfallsursachen des Heeres 1918 zieht ein neuer Ansatz dagegen in Zweifel. Das Heer kollabierte, da sich viele der einfach völlig erschöpften und teilnahmslosen Soldaten oftmals geschlossen unter Führung ihrer gleichsam desillusionierten Frontoffiziere in einem »ordered surrender« (  6.34   Watson, S. 235) dem überlegenen Gegner ergeben hätten. Nach Einschätzung Ludwig Becks, Major im Stabe der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, 1935 dann Generalstabschef des Heeres, glich die Fronttruppe im Jahr 1918 nur noch einem »dünnen Spinnwebennetz

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Albrecht von Thaer, »Die Niederlage«, Tagebucheintrag vom 1. Oktober 1918 In seinen Tagebuchnotizen berichtet Thaer, der während des Ersten Weltkrieges sowohl in der Obersten Heeresleitung als auch im Truppengeneralstabsdienst verwendet wurde, von der Verkündung der militärischen Niederlage durch den Ersten Generalquartiermeister der OHL, Erich Ludendorff. Er [Ludendorff] sagte ungefähr folgendes: Er sei verpflichtet, uns zu sagen, dass unsere militärische Lage furchtbar ernst sei. Täglich könne unsere Westfront durchbrochen werden [...] Zum 1. Mal sei der O.H.L. von Sr.M. [Seiner Majestät] bezw. vom Reichskanzler die Frage vorgelegt worden, was sie und das Heer noch zu leisten imstande seien. Er habe im Einvernehmen mit dem Generalfeldmarschall geantwortet: Die O.H.L. und das deutsche Heer seien am Ende; der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen, vielmehr stehe die endgültige Niederlage wohl unvermeidbar bevor. Bulgarien sei abgefallen. Österreich und die Türkei, am Ende ihrer Kräfte, würden bald folgen [...] Auf die Truppen sei kein Verlass mehr. Seit dem 8.8. sei es rapide abwärts gegangen. Fortgesetzt erwiesen sich Truppenteile so unzuverlässig, dass sie beschleunigt aus der Front gezogen werden müssten. Würden sie von noch kampfwilligen Truppen abgelöst, so würden diese mit dem Rufe ›Streikbrecher‹ empfangen und aufgefordert, nicht mehr zu kämpfen. Er könne nicht mit Divisionen operieren, auf die kein Verlass mehr sei [...] Ludendorff fügte hinzu: ›[...] Ich habe aber S.M. gebeten, jetzt auch diejenigen Kreise an die Regierung zu bringen, denen wir es in der Hauptsache zu danken haben, dass wir so weit gekommen sind. Wir werden also diese Herren jetzt in die Ministerien einziehen sehen. Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muss. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben!‹ [...] Die Wirkung dieser Worte auf die Hörer war unbeschreiblich! Während Ludendorff sprach, hörte man leises Stöhnen und Schluchzen, vielen, wohl den meisten, liefen unwillkürlich Tränen über die Backen. Ich stand links neben dem Generalintendanten Gen. v. Eisenhart. Unwillkürlich hatten wir uns an der Hand gefasst. Ich habe die seine fast kaputt gedrückt.« Quelle: 5.9 Thaer, Generalstabsdienst, S. 234 f. von Kämpfern«. Doch selbst in dieser Situation leistete sie noch Widerstand, wie es die hohen Verluste auch der Alliierten noch bis zum Waffenstillstand andeuten. Der deutsche Rückzug bewegte sich in weitgehend geordneten Bahnen, da die Fähigkeiten zu einer schnellen, mobilen Kriegführung bei den Alliierten trotz ihrer Überlegenheit letztlich genauso begrenzt blieben wie aufseiten der Deutschen. An deren hoffnungsloser Lage infolge des deutlich beschränkten Kampfwertes der meisten Truppen und damit schließlich der militärischen Niederlage konnten indes keine Zweifel bestehen, zumal auch die Bündnispartner an den anderen Fronten nacheinander kollabierten. Aber erst Ende September 1918 legte Ludendorff die Karten vor Kaiser und politischer Führung, die sich lange auf den Kurs alleiniger militärischer Lösungen der OHL verlassen hatten, offen auf den Tisch. Jetzt soll-

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ten die Zivilisten, in deren Hände man die Macht bereitwillig zurücklegte, doch die Verantwortung für die Katastrophe vor der überraschten deutschen Öffentlichkeit übernehmen und den Waffenstillstand mit den Siegern aushandeln. Als die vom Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger angeführte deutsche Delegation den harten Bedingungen des Waffenstillstandes am 11. November 1918 schließlich zustimmen musste, war Ludendorff längst abgetreten. Der Kaiser entließ ihn Ende Oktober 1918, nachdem die OHL allen Anzeichen der militärischen Niederlage zum Trotz und entgegen den Interessen der neuen Reichsregierung unter Reichskanzler Prinz Max von Baden den Krieg noch bis zum Äußersten hatte fortsetzen wollen. Von einem Eingeständnis des eigenen Führungsversagens als wesentliche Ursache für diese Niederlage waren die höchsten Militärs weit entfernt. Diffamierend schob man die Schuld lieber auf die »Friedenswilligen« im eigenen Lande. Zielstrebig wurde so die Legende vom angeblichen »Dolchstoß der Heimat« in den Rücken des vermeintlich »im Felde unbesiegten Heeres« genährt. Ähnlich erklärte es Hindenburg vor dem parlamentarischen Ausschuss zur Untersuchung des Zusammenbruchs im Jahr 1919. Dieses die Wahrheit verfälschende Erbe der militärischen Führung erhielt sich in der Nachkriegszeit in unterschiedlichen Varianten als beliebtes Agitationsmuster konservativer und nationalistischer Kreise gegen die neue Republik.

Die Seekriegführung Seestrategie und Entscheidungsschlacht Der amerikanische Marineoffizier Alfred Thayer Mahan veröffentlichte Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Schriften über den Einfluss der Seemacht auf die Geschichte. Die Abhandlungen erschienen auch auf Deutsch und fanden sowohl in der Kaiserlichen Marine als auch der deutschen Öffentlichkeit weite Verbreitung. Mahans seestrategische Analysen und Thesen dienten dem deutschen Streben nach maritimer Weltgeltung durch den Ausbau einer modernen Schlachtflotte in der Vorkriegszeit als doktrinäre Grundlage. Demnach galten Seestreitkräfte in Form einer Schlachtflotte als unverzichtbares offensives Machtinstrument interessenorientierter Weltpolitik. Vorreiter der Umsetzung dieses Ansatzes in Deutschland war der Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Großadmiral Alfred von Tirpitz. Mit der außenpolitischen Devise »Weltpolitik als Aufgabe, Weltmacht als Ziel, Flotte als Instrument« trat der ehrgeizige Admiral an, die Existenzberechtigung der Kaiserlichen Marine unter Beweis zu stellen. Nach seinen Vorstellungen sollte eine gezielte deutsche Flottenrüstung die britische Hegemonialstellung auf den Weltmeeren

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mit einer abschreckenden Wirkung auf friedlichem Wege infrage stellen (Risikotheorie). Das Bauprogramm ließ er seit der Jahrhundertwende durch den Reichstag mit entsprechenden Flottengesetzen absichern, um hier wie beim Heer unabhängig von einer jährlichen Bewilligung der notwendigen Finanzmittel zu bleiben. Ziel war ein Stärkeverhältnis von 2:3 (Gesamtstärke) zur englischen Flotte. Langfristig beabsichtigte Tirpitz durch den Aufbau eines Bedrohungspotenzials zur See eine Veränderung der Machtverhältnisse zugunsten des Kaiserreiches. Inwieweit sich mit dem Flottenbau neben den außenpolitischen und militärischen Zielsetzungen auch eine systemstabilisierende Stoßrichtung nach Innen etwa zur Verhinderung von Parlamentarisierung und Demokratisierung verband, ist in der Forschung umstritten. Die ambitionierten Zielsetzungen von Tirpitz erwiesen sich bis 1914 als illusionär. Denn auf die deutsche Flottenrüstung reagierte die britische Seite schon ab 1905 mit dem Bau von modernen, schnellen und stark bewaffneten Dreadnought-Großkampfschiffen. Ein durchaus möglicher politischer Ausgleich mit England scheiterte in dieser Phase nicht zuletzt am Ressortegoismus von Tirpitz, dessen Politik lange Zeit starken Rückhalt bei Kaiser und Öffentlichkeit fand. Den maritimen Rüstungswettlauf vermochte das Kaiserreich am Ende aus innenpolitischen Gründen finanziell nicht durchzuhalten. Zwar war mit der Novelle zum Flottengesetz 1912 die Absicherung des Sollbestandes von 60 Großkampfschiffen theoretisch erreicht worden. Praktisch jedoch stellte die Reichsleitung zum gleichen Zeitpunkt die äußerst kostenintensive Marinerüstung hinter den wieder als vorrangig betrachteten Heeresausbau zurück. Auf der anderen Seite war allein der britische Marineetat mehr als doppelt so groß wie der deutsche. Der Kaiser selbst verlor in diesem Rahmen zunehmend das Interesse an seinem »liebsten Kind«. Auch im Reichstag hatten sich kritische Stimmen zu den immensen Kosten gemehrt. Folglich blieb mit Kriegsbeginn die Kaiserliche Marine der Grand Fleet schon im Kräfteverhältnis unverändert und hoffnungslos unterlegen. Die seestrategisch intendierte Abschreckungsfunktion der Flotte lief damit völlig ins Leere. Ihre auf die Nordsee beschränkte Operationsfähigkeit stellte alles andere als ein unkalkulierbares Risiko für die Sicherheit der britischen Seeverbindungen dar. Eng mit der Mahanschen Seemachtphilosphie und der eigenen Flottenpolitik verknüpft war in den Köpfen führender Marineoffiziere, allen voran Tirpitz, die Vorstellung von der Dominanz der schnellen offensiven Entscheidungsschlacht auf See. Ähnlichkeiten zum vernichtungsstrategischen Denken im Landkrieg liegen auf der Hand. Die Entscheidungsschlacht stand bis in den Krieg hinein wie ein Dogma im Zentrum operativ-konzeptioneller Überlegungen der Flotte. Auch die

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taktische Ausbildung und Erziehung der Seeoffiziere war allein auf dieses Ziel ausgerichtet, wobei übergeordnete strategische und politische Fragen für die breite Masse keine Rolle spielen sollten. So wurde auch nie deutlich, was genau mit dieser Schlacht eigentlich erreicht werden sollte. Abgesehen von den zu erwartenden eigenen hohen Verlusten war die Aussicht illusionär, auf diese Art die maßgeblich auf materieller und strategischer Überlegenheit beruhende britische Seeherrschaft zu brechen. Alternativen in Form etwa eines Handelskrieges mit Kreuzern gegen die britischen Seeverbindungen wurden zugunsten des Schlachtflottenbaus verworfen. Großzügig übersah die Marineführung in Mahans Theorie die Bedeutung der geografischen Position und die damit verbundenen strategischen Vorteile einer Seemacht wie England für eine Blockade des Kontinents. Die führenden deutschen Seeoffiziere spekulierten auf ein offensives Vorgehen der Royal Navy und eine enge Blockade der Nordseeküste, aus der sich eine für die Kaiserliche Marine günstige Option zur Entscheidungsschlacht zwischen Themse und Helgoland ergeben könnte. Allerdings strebte die Gegenseite eine Vernichtung der deutschen Flotte nur dann an, wenn die britischen Inseln oder die Seewege im Atlantik direkt bedroht sein würden. Diese operativen Möglichkeiten lagen aber, abgesehen von einigen Kreuzern und U-Booten, weitgehend außerhalb der Reichweite der deutschen Hochseeflotte. Daher stützten die Briten unmittelbar vor dem Krieg ihre Operationsplanungen zur See gegen Deutschland auf eine defensive Fernblockade ihrer nach Scapa Flow verlegten Grand Fleet, um unnötige Verluste zu vermeiden. Die Sperrung der Enge zwischen Schottland und Norwegen im Norden sowie des Ärmelkanals im Westen reichte aus, um die deutschen Seeverbindungen in großer Entfernung zur Heimatküste in einem Wirtschaftskrieg effektiv zu unterbrechen. Eine unter diesen Bedingungen auszufechtende günstige Entscheidungsschlacht war nicht zu erzwingen, so auch das Ergebnis eines Kriegsspiels des deutschen Admiralstabes im Jahr 1912. Ratlosigkeit verbreitete sich in weiten Teilen der Marineführung, die unter dem dominanten Einfluss des Tirpitzschen Schlachtflottenbaus stand. Ein Abrücken oder Verändern der mit dem Schlachtflottenbau eng verbundenen seestrategischen Prioritäten und politischen Ziele kam nicht infrage. Lieber wolle man »ehrenvoll untergehen« als »ruhmlos« auf die Zukunft zu verzichten, erklärte Tirpitz bezeichnenderweise noch 1913 in einer geheimen Rede vor Offizieren des Reichsmarineamtes. Zu einem öffentlichen Eingeständnis von Fehlkalkulationen war der ambitionierte Admiral keineswegs bereit, hätte es doch wohl auch seine eigene Stellung im politisch-militärischen Machtgefüge und sein Lebenswerk unterminiert.

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Kriegsausbruch Angesichts des nachteiligen Kräfteverhältnisses der Hochseestreitkräfte kam der Ausbruch des Krieges der in sich völlig zerstrittenen Marineführung ungelegen. Dies äußerte sich nicht zuletzt in dem am 30. Juli 1914 erlassenen Operationsbefehl Nr. 1 für die Kriegführung der Hochseeflotte in der Nordsee. Der britischen Fernblockade stellte er zunächst einen Kräfteausgleich durch offensive Vorstöße gegen die Blockadestreitkräfte in der deutschen Bucht und eine »rücksichtslose«, bis zur britischen Küste vorgetragene Minen- und U-Boot-Offensive entgegen, ohne jedoch eine klare Handlungsanweisung zu beinhalten. Damit glaubte man, die erstrebten »günstigen« Voraussetzungen für die Entscheidungsschlacht in der südlichen Nordsee zu schaffen. So wie sich Letzteres als Trugschluss erwies, so blieb auch eine parallele Abstimmung mit der Operationsplanung des Heeres etwa in Form einer Störung des alliierten Nachschubes auf dem Ärmelkanal aus. Die ersten verlustreichen Seegefechte Ende August 1914 vor Helgoland verstärkten die Verunsicherungen bei den führenden Marineoffizieren, zumal auch der erhoffte Kräfteausgleich im Minen und U-Boot-Krieg nicht zu erreichen war. Zwar hatten die U-Boote mit der Versenkung von drei älteren britischen Panzerkreuzern am 22. September 1914 überraschende Anfangserfolge erzielt, was auch den Einsatz dieser neuen Waffe zunehmend ins Kalkül der Marineführung rückte. Durch Minen als wichtigstem Träger des Kleinkrieges verlor die Grand Fleet bis Ende 1914 aber lediglich ein Großkampfschiff. Die britische Überlegenheit auf See blieb ungebrochen. Nichtsdestoweniger zeichnete sich bereits in dieser ersten Phase des Seekrieges ab, dass die Kriegführung zur See während des Ersten Weltkrieges weniger auf den schweren Schiffseinheiten als vielmehr auf den leichten Seestreitkräften und U-Booten beruhen sollte. Auf den Vorschlag des Flottenchefs Friedrich von Ingenohl schon im September 1914, mit Schlachten oder Teilschlachten auf See wiederum die Initiative zu ergreifen und den Kräfteausgleich zu erreichen, reagierte der Kaiser ablehnend. Mehr noch: Aus Furcht vor größeren Verlusten und in Erwartung einer Entscheidung zu Land schränkte Wilhelm II. über den Admiralstab den Handlungsspielraum der Hochseeflotte in der Seekriegführung weiter ein. Zwar waren kleinere offensive Flottenvorstöße unter günstigen Gelegenheiten durchaus erwünscht. Gleichzeitig sollten aber unnötige Risiken vermieden und die kostbare Flotte als Fleet-in-being, die allein durch ihre Existenz den Gegner abschreckt, bloß nicht aufs Spiel gesetzt werden. Sie war als wichtiges politisches Instrument auch nach Auffassung des Reichskanzlers in der Hand der Reichsleitung unbedingt zu erhalten. Tirpitz sprach angesichts der Entscheidung des Kaisers einerseits vom »Tod der Flotte«. Andererseits wollte auch er deren Existenz allein um der Schlacht wil-

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len nicht unnötig riskieren. Somit hieß die Devise für die Flotte: Erfolge erzielen, ohne dabei etwas zu riskieren! Doch wie sollte man diese »Quadratur des Kreises« (Michael Epkenhans, in   2.20   Skagerrakschlacht, S. 113) in der Seekriegführung überwinden? Nur ein zielgerichteter gesamtstrategischer Lösungsansatz garantierte eine einigermaßen erfolgversprechende Seekriegführung gegen den Hauptgegner England. Doch der verlor sich schon in der manischen Fixierung des operativen Denkens auf die Seeschlacht wie im strukturell bedingten Führungschaos der Marine unterhalb eines überforderten Kaisers. So verzettelte sich die Seekriegführung der Marine ohne klaren Schwerpunkt in zwei unterschiedlich diskutierten, aber gleichzeitig verfolgten maritimen Ansätzen: in einer weitgehend militärisch risikolosen Flottenaktivität in der Nordsee und einem außenpolitisch überaus riskanten Handelskrieg mit U-Booten. In diesem »System der Halbheiten«, wie es der Chef des Stabes der Hochseestreitkräfte Kapitän zur See William Michaelis Mitte 1915 treffend bezeichnete, spielten jedoch die überseeischen und damit weltweiten strategischen Dimensionen eines Seekrieges zur Sicherung eigener und zur Bekämpfung gegnerischer Seeverbindungen keine Rolle. Die Wechselbeziehungen zwischen heimischem Kriegsschauplatz und dem Krieg in Übersee wurden in dieser Hinsicht genauso verkannt wie der Ostseeraum in seiner ihm zugemessenen Bedeutung als reiner Nebenkriegsschauplatz. Für einen Kreuzerkrieg sah die Marineführung nur die wenigen Seestreitkräfte vor, die ohnehin auf den Auslandsstationen schon vor Kriegsausbruch disloziert waren. Und die waren mit dieser Aufgabe ohne ausreichende Stützpunkte in Übersee zu Kriegsbeginn hoffnungslos überfordert, konnten sich allenfalls tapfer schlagen und am Ende untergehen. Kreuzerkrieg und Ostsee Das in Ostasien stationierte Kreuzergeschwader unter Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee befand sich zum Zeitpunkt des Kriegsausbruches in der Südsee und konnte wegen des japanischen Kriegseintritts am 23. August 1914 nicht mehr in seinen chinesischen Heimathafen im Schutzgebiet Tsingtau zurückverlegen. Spee entschloss sich, vor der südamerikanischen Küste einen Kreuzerkrieg zu führen, um später einen Durchbruch in die Heimat zu wagen. Anfang November 1914 versenkten die Deutschen im Seegefecht vor dem chilenischen Coronel sogar zwei englische Panzerkreuzer. Doch nur einen Monat später vernichteten englische Schlachtkreuzer den deutschen Verband nahezu vollständig vor den Falklandinseln. Dieses Schicksal teilten zumeist auch die restlichen auf den Weltmeeren vereinzelt operierenden drei Kleinen Kreuzer und die elf zu Hilfskreuzern umgerüsteten Handelsschiffe. Letzteren, wie beispielsweise Felix Graf von Luckners »Seeadler«, gelang es immer wieder, durch die britische Blockade zu schlüpfen und unter reger

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Anteilnahme der deutschen Öffentlichkeit monatelang im Atlantik und der Südsee erfolgreich Handelskrieg zu führen. Sie versenkten während des Krieges unter anderem 149 Handelsschiffe. Die Teilerfolge etwa des Kreuzergeschwaders führten aber trotz einiger Vorschläge aus der Flotte, die britischen Seeverbindungen im Atlantik mit eigenen Schlachtkreuzern nachhaltig zu stören und damit vielleicht eine Aufsplitterung der Grand Fleet zu erzwingen, nicht zu einem generellen strategisch-operativen Umdenken der Marineführung. Ihr fehlte schlicht der Mut zum Risiko. Immerhin konnte mit der formalen Überstellung der Mittel meerdivision (Schlachtkreuzer »Goeben«, Kleiner Kreuzer »Breslau«) unter Konteradmiral Wilhelm Souchon in türkische Dienste im August 1914 ein verstärkter deutscher Einfluss auf das Osmanische Reich sichergestellt werden, was den späteren Kriegseintritt aufseiten der Mittelmächte mit bewirkte. Für die Entente blieb dadurch eine Unterstützung des Zarenreichs mit Rüstungsgütern auf dem Seeweg über die Dardanellen und den Bosporus langfristig verwehrt. Alliierte Durchbruchsversuche mit Seestreitkräften und die amphibischen Landeoperationen des Jahres 1915 bei Gallipoli wehrten die türkischen Truppen mit deutscher Hilfe unter hohen Verlusten für die Angreifer ab. Die Versorgung Russlands auf dem Ostseeweg war bereits unmittelbar nach Kriegsausbruch mit der auf deutschen Wunsch verlegten dänischen Minensperre der Belte unterbunden worden. Die Reichsleitung hatte vorab zugesichert, die gesperrten Seegebiete mit der eigenen Marine zu meiden. Diese nun doppelte logistische Abschnürung zur See trug maßgeblich zum Ausfall Russlands als Bündnispartner der Alliierten im Jahre 1917 bei. Andererseits aber engte die voreilig zur Verhinderung eines britischen Einfalls initiierte Sperrung des Ostseezugangs die eigenen seestrategischen Möglichkeiten erheblich ein. Denn mit dem Verzicht auf die Nutzung der dänischen Meerengen beraubte man sich selbst nicht nur der begrenzten Option einer Umgehung der britischen Blockade. Zudem schieden auch Vorstöße der Hochseeflotte aus dem Kattegat und Skagerrak, mit der die Seekriegführung der britischen Admiralität zumindest hätte erschwert werden können, von vornherein aus. Auch die auf dem Nebenkriegsschauplatz Ostsee zu Kriegsbeginn dislozierten deutschen Verbände waren ihrem Gegner weit unterlegen: Acht zumeist älteren Kleineren Kreuzern, acht Torpedobooten und drei U-Booten auf deutscher Seite standen vier Linienschiffe, neun Panzerkreuzer und 63 Torpedoboote der russischen Marine gegenüber. Ihnen oblag gemäß des Operationsbefehls für die Ostseekriegführung vom 31. Juli 1914 die Störung eventueller russischer Offensiven, die Sicherung der Kieler Bucht sowie die Schädigung des feindlichen Handels. Sie unternahmen teils weitreichende und verlustreiche Vorstöße bis zum Finnischen Meerbusen, um Küstenziele zu beschie-

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ßen und Minen zu verlegen. Vom Schutz der eigenen Seewege, so beispielsweise die Sicherstellung der für die deutsche Rüstungsindustrie dringend benötigten schwedischen Erzzufuhr, war ganz im Sinne der strategischen Fehlkalkulationen nicht die Rede. Über den KaiserWilhelm-Kanal wurden Teile der Hochseeflotte schon im September 1914 aus der Nordsee zur zeitweisen Verstärkung in die Ostsee verschoben. Sie wirkte somit auch in die Ostsee strategisch, vor allem als Fleetin-being, die nun für den russischen Gegner eine stete und nur schwer kalkulierbare Bedrohung darstellte. Eine Schwerpunktverlagerung der Seestreitkräfte von der Nord- in die Ostsee, wie es eine Denkschrift des Chefs des I. Geschwaders, Vizeadmiral Wilhelm von Lans, im Frühjahr 1915 vorschlug, lehnte die Marineführung jedoch brüsk ab. Tirpitz bezeichnete diese Gedanken sogar als »Gift für die Flotte«. Gerade im östlichen Ostseeraum verspielte man so die Chance, die eigene Überlegenheit von Seestreitkräften in Verbindung mit Heeresoperationen im größeren Rahmen effektiv zu kombinieren. Infolge der internen Konflikte zwischen den Führungsspitzen von Heer und Marine kam ein konstruktives Zusammenwirken über eine Unterstützung der Heeresoffensive im Baltikum im Frühjahr 1915 durch Küstenbeschießungen von Seestreitkräften nicht hinaus. Erst im Herbst 1917 erfolgte ein erstes gemeinsames amphibisches Landungsunternehmen (»Albion«) auf den Inseln Moon, Dagö und Ösel. Bezeichnenderweise initiierte der Admiralstab diese Operation inoffiziell aber weniger aus strategischem Interesse etwa zur Gewinnung von wichtigen Stützpunkten zur Beherrschung des Seegebietes im östlichen Ostseeraum. Vielmehr diente »Albion« mit Blick auf eine künftige Seekriegsleitung vor allem der Festigung der Stellung des Admiralstabes im internen Machtkampf der Marineführung. Darüber hinaus sollte die Existenzberechtigung der Marine durch einen erfolgreichen Einsatz unter Beweis gestellt und damit deren Prestigeverlust gegenüber dem Heer entgegengewirkt werden. Die OHL stimmte schließlich zu, da der Admiralstab die Einnahme der baltischen Inseln plausibel als Voraussetzung für Ludendorffs eigentliche Ziele der Eroberung der Aalandinseln und Finnlands erklären konnte. Für das durch den Admiralstab vorab in einem Kriegsspiel getestete Unternehmen wurden unter anderem zehn der modernsten Linienschiffe der Hochseeflotte aus der Nordsee verlegt. Eine Infanteriedivision des Heeres diente als Landungskorps. Trotz der gravierenden gegenseitigen Unkenntnis von Einsatzgrundsätzen gestaltete sich die taktisch-operative Zusammenarbeit zwischen Heer und Marine weitgehend reibungslos. Die Marine hatte die Heerestruppen sicher angelandet, das Vorgehen der Armee mit der Schiffsartillerie begleitet sowie die russischen Kriegsschiffe im Rigaischen Meerbusen auf

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Distanz gehalten. Nach wenigen Tagen gelang mit geringen personellen Verlusten die Besetzung der baltischen Inseln, zumal der Gegner wegen der revolutionären Unruhen nur geringen Widerstand geleistet hatte. Damit verschaffte sich Admiralstabschef Henning von Holtzendorff in erster Linie den vorrangig erstrebten Achtungserfolg im internen Machtkampf der Marine um die Seekriegsleitung. Die Früchte ernteten einige Monate später aber ausgerechnet seine Widersacher um den Flottenchef Reinhard Scheer. U‑Boot‑Krieg und Flottenvorstöße in der Nordsee bis 1916 Auf dem Hauptkriegsschauplatz Nordsee beschränkten sich die Operationen der Hochseeflotte seit Herbst 1914 im Rahmen der Weisungen des Kaisers auf kleinere Vorstöße. Mit dieser »Reizstrategie« (Kurt Assmann, zit. nach 2.20  Skagerrakschlacht, S. 121) sollten zumindest Teile der Grand Fleet in Kampfhandlungen auf See verstrickt und vernichtet werden. Im November 1914 beschossen die Schlachtkreuzer unter Fernsicherung des Gros der Hochseeflotte erstmals Hafenstädte an der englischen Ostküste. Auf einen zweiten Vorstoß dieser Art Mitte Dezember reagierten die Briten wie eigentlich von deutscher Seite erhofft mit der Entsendung einzelner Geschwader ihrer Grand Fleet zur Doggerbank. Allerdings brach Flottenchef Ingenohl unter dem Eindruck der kaiserlichen Richtlinie einer Risikovermeidung diesen Vormarsch der Hochseeflotte vorzeitig ab. Ein im Januar 1915 nur durch Aufklärungskräfte (3 Schlachtkreuzer, 1 Panzerkreuzer, 4 Kleine Kreuzer, 18 Torpedoboote) gegen die Doggerbank geführter dritter Vorstoß unter Konteradmiral Franz Hipper endete dann in einem Debakel. Nachdem die Briten über die deutschen Absichten vorab rechtzeitig durch ihre Funkaufklärung informiert worden waren, stellte ein überlegener englischer Flottenverband (5 Schlachtkreuzer, 7 Kleine Kreuzer, 36 Zerstörer) die Deutschen überraschend zum Kampf und versenkte den Großen Kreuzer »Blücher«. Ingenohl wurde als Flottenchef abgelöst und durch den bisherigen Admiralstabschef Hugo von Pohl ersetzt. Dessen Position übernahm wiederum der Tirpitzvertraute und bisherige Chef der Ostseestation Gustav Bachmann. Bis zu Pohls krankheitsbedingtem Rücktritt im Januar 1916 setzte die Hochseeflotte einige begrenzte Vorstöße in die Nordsee fort, die nicht weiter als 120 Seemeilen vor Helgoland reichten und zugleich jegliches Risiko vermieden. Seegefechte mit der Grand Fleet, deren Führung weiterhin einer Schlacht in der südlichen Nordsee aus dem Wege ging, unterblieben dabei. Damit stellten sie ohne strategische Auswirkungen lediglich die taktische Handhabbarkeit der Flotte als militärisches Instrument unter Beweis. Als Fleet-in-being erfüllte die Flotte zwar ihre Funktion, eine echte Herausforderin bedeutete sie für die Grand Fleet aber nicht.

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Pohls Nachfolger, der bisherige Chef des III. Geschwaders Scheer, erarbeitete ab Januar 1916 »Leitgedanken für die Seekriegführung in der Nordsee«, doch war dies keine grundlegend neue Einsatzkonzeption für die Flotte; darüber hinaus wollte er eine Konfrontation mit der gesamten Grand Fleet vermeiden. Allerdings beabsichtigte der neue Flottenchef weitreichende Vorstöße bis an die britische Küste vorzutragen, sollten doch Teilerfolge die Existenz der Flotte auch über den Krieg hinaus gewährleisten. Besorgt um den in der Marine wachsenden Unmut über die in den Häfen passiv verweilende Flotte, stimmte der Kaiser zu und überließ dem Flottenchef mehr Handlungsfreiheiten. Vorrangig beschränkte sich aber die Funktion der Flotte weiterhin auf Abschreckung. Damit sollte sie den an erster Stelle stehenden offensiven Handelskrieg mit U-Booten unterstützen. Daneben traten noch der Minenkrieg sowie die schon seit Frühjahr 1915 auf britische Städte erfolgenden Luftangriffe der Zeppeline. Die U-Boote hatten sich bereits in den ersten Kriegsmonaten durch die teils spektakulären Versenkungen britischer Kriegsschiffe als durchaus effektives Mittel der Seekriegführung erwiesen. Die Leistungsfähigkeit wurde allerdings von Anfang an »erheblich überschätzt« (Werner Rahn, in 2.7  Deutsche Marinen, S. 209). Nichtsdestoweniger hatte Ende des Jahres 1914 Tirpitz selbst in einem vor Weihnachten veröffentlichten Interview die Initiative für das vormals verkannte Waffensystem ergriffen. Damit verband sich die Absicht, dem durch die verfehlte Flottenpolitik und die ausgebliebene Entscheidungsschlacht auf See drohenden eigenen Macht- und Prestigeverlust entgegenzuwirken. Ohne vorherige Absprache mit Reichskanzler oder Admiralstab und entgegen aller militärischer Möglichkeiten betonte er, dass Deutschland angesichts der britischen Blockade »dasselbe Spiel« mit nur wenigen U-Booten betreiben könne. Das Ziel war somit klar: Vergeltung für den britischen Wirtschaftskrieg zur See! Nach einer öffentlichen Diskussion in Deutschland hatte die Reichsleitung dem Drängen des über Tirpitz’ Vorstoß verärgerten Admiralstabes zum Handelskrieg mit U-Booten rund um die britischen Inseln schließlich nachgegeben. Mit der deutschen Kriegsgebietserklärung vom 4. Februar 1915 wurde die Zerstörung aller feindlichen Schiffe mit dem Hinweis angekündigt, drohende Gefahren für Besatzung und Passagiere nicht immer ausschließen zu können. Dies schloss Schiffe unter neutraler Flagge mit ein. Damit bewegte sich das Kaiserreich völkerrechtlich und politisch auf einem überaus riskanten Weg. Denn mit dieser Art von Handelskrieg drohte eine Verletzung des internationalen Prisenrechts auf See. Die auch in der deutschen Prisenordnung von 1909 ursprünglich für die Kreuzerkriegführung über Wasser kodifizierten Versenkungen mit Vorwarnung waren beim Auftauchen von U-Booten

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zwar sehr erfolgreich, aber auch mit Risiken verbunden. Mehrfach wurden beispielsweise deutsche U-Boote durch sogenannte U-Boot-Fallen – als Handelsschiffe getarnte Hilfskreuzer der Royal Navy – überrascht und versenkt. Die darüber hinaus in der Prisenordnung vorgesehene »sichere Bergung« der Besatzung zerstörter Handelsschiffe war für die beengten Raumverhältnisse eines U-Bootes kaum möglich. Warnungslose Torpedierungen insbesondere von Passagierdampfern wie der fälschlich als Hilfskreuzer betrachteten »Lusitania« am 7. Mai 1915, an deren Bord sich auch amerikanische Zivilisten befanden, führten daher schon bald zu einer ernsthaften diplomatischen Krise mit den USA. Die um die Haltung neutraler Staaten besorgte Reichsleitung setzte schließlich im September 1915 gegen den Widerstand der Marineführung den Abbruch des Handelskrieges mit U-Booten westlich der britischen Inseln durch. Nur die U-Boot-Flottille »Pola« führte unter direktem Kommando des Admiralstabes im Mittelmeer weiterhin Handelskrieg nach Prisenordnung. Dagegen ließen das Flottenkommando und das Marinekorps Flandern selbstständig die unter ihrem Befehl stehenden U-Boote den Handelskrieg in der Nordsee völlig einstellen. Nur die kleinen Küsten-U-Boote (UB-Boote) und Küstenminen-U-Boote (UC-Boote) im Ärmelkanal setzten diese Aufgabe fort. Der infolge der Auseinandersetzungen um den U-Boot-Krieg im September 1915 neu berufene Admiralstabschef Holtzendorff trug der erfolgreichen Taktik der meisten U-Boot-Kommandanten im Kampf nach Prisenordnung Rechnung. Der Einsatz von großkalibrigen Deckgeschützen, mit denen die meisten Front-U-Boote seit Mai 1915 ausgestattet waren, hatte sich trotz der unveränderten Risiken des Überwassereinsatzes wesentlich effektiver dargestellt als der Torpedobeschuss. Viele Entscheidungsträger in der Marine wie Tirpitz und der spätere Flottenchef Scheer, aber auch der Führer der U-Boote, Fregattenkapitän Hermann Bauer, verschlossen sich jedoch aus Prestigegründen kategorisch diesen Erfahrungen. Sie schoben stattdessen die Gefährdung der U-Boote vor. Für sie kam eine Beschränkung des U-Boot-Krieges als »gefährliches Zeichen der Schwäche« im Grunde genommen nicht infrage. Zum Vorteil gereichte der Marineführung die für das Jahr 1916 verfolgte Strategie des Chefs des Generalstabes des Feldheeres Falkenhayn. Ende 1915 verwarf er endgültig seine vormaligen Bedenken gegen den Handelskrieg mit U-Booten. Vielmehr sollte dieser nun in Verbindung mit den Landoperationen des Westheeres vor Verdun England auf See niederwerfen und zum Frieden zwingen. Die damit verbundene Gefahr eines amerikanischen Kriegseintritts nahm Falkenhayn in Verkennung der militärischen und ökonomischen Stärke der USA großzügig in Kauf. Der Reichskanzler stellte sich jedoch nach wie vor vehement gegen die Ausweitung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges und fand in diesem

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Punkt die Unterstützung des Kaisers. Die Folge war seit März 1916 der Übergang zu einem zunächst lediglich verschärften U-Boot-Krieg. Dieser sah die Versenkung aller feindlichen Handelsschiffe im Kriegsgebiet ohne Vorwarnung und außerhalb des Kriegsgebietes nur von bewaffneten feindlichen Handelsschiffen bei gleichzeitiger Schonung von Passagierdampfern vor. Der heftig gegen diese Entscheidung opponierende Tirpitz reichte nach Aufforderung des Kaisers am 12. März 1916 seinen Abschied als Staatssekretär des Reichsmarineamtes ein. Entrüstung und Proteste der US-Regierung über die Torpedierung des französischen Kanaldampfers »Sussex« am 24. März 1916 veranlassten die deutsche Reichsleitung, politisch wiederum schnell einzulenken. Anfang Mai 1916 gab sie die Zusicherung, den U-Boot-Krieg nur unter Beachtung des Prisenrechts fortzusetzen, so wie es eigentlich die meisten U-Boot-Kommandanten auch mit Erfolg praktizierten. Verärgert über diesen politischen Schritt, stellten Flottenkommando und Marinekorps erneut eigenmächtig unter Hinweis auf angebliche Undurchführbarkeit den Handelskrieg mit U-Booten völlig ein. Wie im Vorjahr führten bis zur Wiederaufnahme des U-Boot-Krieges im Oktober 1916 nur noch die U-Boote im Mittelmeer weiterhin Handelskrieg nach Prisenordnung. Skagerrakschlacht Für Scheer ergab sich damit die Möglichkeit, die vom Kaiser gebilligten Vorstöße der Hochseeflotte in der Nordsee zu intensivieren und dabei auch die aus dem Handelskrieg frei werdenden U-Boote nun im Einsatz gegen Kriegsschiffe gezielt mit einzubinden. Eine Entscheidungsschlacht gegen die überlegene gesamte britische Flotte schloss der Flottenchef allerdings aus. Vielmehr sollten nur Teile der Grand Fleet zu Gegenmaßnahmen provoziert werden, um günstige Angriffsvoraussetzungen für Achtungserfolge der Hochseeflotte auf See zu schaffen. Damit hatte sie in erster Linie ihre Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen. Der militärische Nutzen dieser verstärkten Aktivität schwerer Einheiten in der Nordsee blieb dagegen völlig unklar, zumal sie ihre ursprünglich von Scheer propagierte Unterstützungsfunktion durch den rigorosen Abbruch des Handelskrieges mit U-Booten verloren hatte. Damit konnten weder die Fernblockade durchbrochen, noch die wichtigen britischen Seeverbindungen über den Atlantik unterbunden werden. Nachdem im März und April 1916 erste Flottenvorstöße unter anderem gegen den britischen U-Boot-Stützpunkt Lowestoft erfolgt waren, ließ Scheer am 31. Mai nahezu die gesamte Hochseeflotte in Richtung Skagerrak auslaufen. Mit der Führung eines Handelskrieges in südnorwegischen Gewässern wollte er die Briten zum beabsichtigten Vorschieben von Teilen ihrer Grand Fleet veranlassen. Die deutsche Hochseeflotte unter Scheers Führung bestand aus drei Geschwadern mit 16 modernen Großkampfschiffen, sechs älteren Linienschiffen

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sowie einer Aufklärungsgruppe mit fünf Kleinen Kreuzern und vier Torpedo bootflottillen (1 Führerkreuzer, 32 Torpedoboote). Voraus marschierten die Aufklärungsstreitkräfte unter Vizeadmiral Hipper mit zwei Aufklärungsgruppen (5 Schlachtkreuzer, 4 Kleine Kreuzer) sowie 3 Torpedobootflottillen (1 Führerkreuzer, 30 Torpedoboote). Zur Verfügung standen auch zwölf U-Boote, die für eine kurz zuvor aus Wettergründen abgebrochene Unternehmung gegen die britische Ostküste vor die Stützpunkte der Grand Fleet in Wartestellung verlegt worden waren. Die britische Admiralität wurde durch ihre Funkaufklärung über den deutschen Flottenvorstoß vorgewarnt, ohne jedoch dessen Ziel und Umfang genau zu kennen. Einer Schlacht mit dem Gegner wollte man hier nun nicht mehr aus dem Wege gehen. Scheers Flottenvorstöße im Frühjahr und deutsche Zeppelinangriffe hatten zuletzt die Kritik in Marine und Bevölkerung an einer rein defensiven Seestrategie lauter werden lassen. Noch vor der deutschen Hochseeflotte verließ die überlegene Grand Fleet unter Admiral Sir John R. Jellicoe am Abend des 30. Mai 1916 Scapa Flow, um 180 Seemeilen östlich von Aberdeen die weitere Entwicklung der Lage abzuwarten. Hier sollte eine Vereinigung mit dem aus Rosyth auslaufenden Schlachtkreuzerverband unter Vizeadmiral David Beatty erfolgen. Jellicoes Hauptkräfte bestanden aus vier Geschwadern mit 24 modernen Großkampfschiffen und drei Schlachtkreuzern, drei Kreuzergeschwadern (8 ältere Panzerkreuzer, 10 Leichte Kreuzer) sowie drei Zerstörerflottillen (51 Zerstörer). Zu Beattys Schlachtkreuzerverband zählten zwei Geschwader mit sechs Schlachtkreuzern, ein Schlachtgeschwader mit vier Großkampfschiffen sowie drei Kreuzergeschwader (13 Leichte Kreuzer) und vier Zerstörerflottillen (29 Zerstörer). Im Laufe des 31. Mai 1916 entstand aus einer ersten Gefechtsberührung der leichten Seestreitkräfte bis zum frühen Morgen des 1. Juni die sogenannte Skagerrakschlacht. Diese größte Seeschlacht der Geschichte blieb das einzige größere Aufeinandertreffen der Haupteinheiten beider Flotten während des Ersten Weltkrieges. Die Schlacht, die von keiner Seite so geplant war, verlief in mehreren Phasen. Eröffnet wurde sie am Nachmittag des 31. Mai der zeitüblichen Seekriegstaktik entsprechend durch ein Artillerieduell der Schlachtkreuzer von Beatty und Hipper, vor denen Kleine Kreuzer bzw. auch Torpedoboote und Zerstörer als Aufklärungs- und Sicherungskräfte marschierten. Das Seegefecht wurde auf Entfernungen von rund 130 bis 160 Hektometern (1 hm = 100 m) von den schweren Geschützbatterien der Schlachtkreuzer geführt und von einzelnen Torpedoboot- bzw. Zerstörerangriffen begleitet. In einer zweiten Phase griff als erstes das Gros der zunächst noch ca. 50 Seemeilen entfernten deutschen Hochseeflotte unter Scheer in das Geschehen ein.

Kurslinien

7:00

Grand Fleet

Grimsby

Scarborough

Great Yarmouth

Stavanger

7:00 Uhr

rr

Bremen

Cuxhaven

Esbjerg

DEUTSCHES REICH

Emden

Wilhelmshaven

NIEDERLANDE

ge

ak

DÄNEMARK

Hochseeflotte

VAdm Scheer 31.5.16 14:30 Uhr

VAdm Hipper 31.5.16 14:30 Uhr

Ska

NORWEGEN

Lindesnes

Egersund

Hochseeflotte

VAdm Beatty 31.5.16 14:30 Uhr

Adm Jellicoe 31.5.16 14:30 Uhr

Grand Fleet

N O R D S E E

7:00 I./II. Schlachtkreuzer- und V. Schlachtgeschwader

7:00 II. Schlachtgeschwader

Hartlepool

Deutsche Briten

Liverpool

Preston

Lancaster

Sunderland

GROSSBRITANNIEN

Edinburgh

Rosyth

Dundee

Firth of Forth 30.5.16 22:00 Uhr

Aberdeen

Firth of Moray 30.5.16 22:00 Uhr

Scapa Flow 30.5.16 21:30 Uhr

Skagerrak-Schlacht vom 31.5. bis 1.6.1916

Orkney Inseln

Wiesbaden (Wrack)

21:24 Beatty

20:30

Jellicoe 21:20

50

Grand Fleet

0

100

5

11 T-Boote

17 T-Boote

18:30 Hipper 19:18

0

18:50 18.23 Invincible sinkt

Hood

© ZMSBw

10 sm

06885-04

150 hm

Grand Fleet

19:42

Beatty 19:00

Hauptschlacht 18:00 Uhr bis 21:20 Uhr

Quellen: Präsentation an der Marineschule Mürwik; E.B. Potter u.a., Seemacht, München 1974, S. 391.

Scheer 21:20

Hochseeflotte 20:00

Beatty

Jellicoe 18:21

Grand Fleet

18:00 Deutsche Schlachtkreuzer Hipper

Hochseeflotte

18:00

18:55

Hochseeflotte

18:00 V. Britisches Schlachtgeschwader Evan-Thomas

18:00 Britische Schlachtkreuzer Beatty

Schlachtschiff- 2 Divisionen 3 4 5 6

1

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Dann drehten Beattys Verbände unter hoher Geschwindigkeit nach Norden ab, um die verfolgenden Deutschen an die sich aus dieser Richtung nähernden Hauptkräfte der Grand Fleet heranzuführen. In den Abendstunden entwickelte sich in einer dritten Phase das Hauptgefecht zwischen den beiden Flotten. Vergleichbar den Problemen der Führung von Armeen im Landkrieg litt jetzt die Koordination der schweren und auf Sichtweite agierenden Schiffsverbände. Dies war unter den technisch noch wenig ausgereiften Kommunikationsmitteln von einem Flottenflaggschiff aus nur schwer möglich. Die mangelnden Führungs- und Aufklärungsmittel entsprachen in keiner Weise den technischen Möglichkeiten der Großkampfschiffe hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit und Waffenwirkung. Die Folge waren auch hier zumeist unklare Lagebilder auf der Brücke, die Führungsentscheidungen erheblich erschwerten und sich maßgeblich auf den Verlauf einer Schlacht auswirkten. Risiken und Erfolgsaussichten waren bei einer solchen Flottenbegegnung kaum noch kalkulierbar, was letztlich auch dazu beitrug, dass die Skagerrakschlacht eine Ausnahme im Seekrieg blieb. Nachdem es der Grand Fleet gelungen war, ihre 24 Schlachtschiffe in Gefechtslinie quer zu der sich aus südwestlicher Richtung nähernden deutschen Hochseeflotte zu formieren, nahm sie diese aus taktisch vorteilhafter Position (»Crossing the T«) mit voller Breitseite unter schweres Feuer. Mehrfach ließ Scheer, der nun die gesamte Grand Fleet vor sich wusste, in dem rund 80 Minuten andauernden Hauptgefecht die Richtung der Flotte in kritischer Situation mit Gefechtskehrtwendungen um 180 Grad wechseln. Bei diesem komplizierten taktischen Manöver drehten die Einheiten auf See mit dem letzten Schiff beginnend, um auf Gegenkurs zu gehen und sich der drohenden Einkreisung durch die Briten zu entziehen. Einem Angriff deutscher Torpedoboote auf die Grand Fleet, die sich zwischen die Hochseeflotte und ihre Stützpunkte manövrierte, folgte schließlich kurz vor Sonnenuntergang noch ein letztes Artillerieduell mit Beattys Schlachtkreuzern. In der Nacht bewegten sich in einer vierten Phase beide Flotten auf einem südlichen Kurs, wobei es nochmals eher zufällig zu vereinzelten Gefechtsberührungen zwischen den sich kreuzenden Verbänden kam. Ohne Verbindung zueinander bekämpften die Schiffe alles, was in ihre Nähe kam. Wegen der unzureichenden Sichtverhältnisse brach Scheer schließlich am frühen Morgen des 1. Juni weitere Gefechtstätigkeiten ab und befahl das verbandsweise Einlaufen der Hochseeflotte in die Häfen. Auf der anderen Seite trat auch die Grand Fleet, deren Spitzen (Beatty) sich bereits 75 Seemeilen westlich von Sylt befanden, den Rückmarsch an. Ihr letzter Stoß ging ins Leere, da es die britische Admiralität versäumt hatte, Jellicoe die Ergebnisse ihrer relativ genauen Funkaufklärung und damit Kurs und Position der deutschen Hochseeflotte zu übermitteln.

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Im Ergebnis der Schlacht überwogen auf den ersten Blick die höheren Verluste der Briten, die nicht zuletzt aus einer größeren Treffsicherheit der deutschen Artillerie sowie der besseren Wirkung ihrer Panzersprenggranaten resultierten. Trotz der höheren Geschwindigkeit verloren sie 14 Schiffe (darunter drei Schlachtkreuzer) mit einer Gesamttonnage von rund 115 000 Tonnen sowie 7000 Mann (davon 6094 Tote). Die deutschen Verluste betrugen elf Schiffe (darunter ein Schlachtkreuzer) mit einer Gesamtonnage von rund 61 000 Tonnen sowie etwas mehr als 3000 Mann (davon 2551 Tote). Damit erfüllte sich weder der von den Briten angestrebte Vernichtungssieg noch der von deutscher Seite seit 1914 erhoffte Kräfteausgleich. Zwar erzielte die deutsche Hochseeflotte im Gefühl eines vermeintlichen Sieges einen Achtungserfolg. Doch das Stärkeverhältnis der beiden Flotten zueinander blieb unverändert und damit die britische Seeherrschaft strategisch ungebrochen. Mit der Hochseeflotte war keine Wende im Seekrieg zu erreichen. Sie blieb eine Gefangene der britischen Blockade. Zu dieser Einsicht gelangte auch Scheer in seinem Immediatbericht an den Kaiser Anfang Juli 1916. Dennoch wollte er nach wie vor mit offensiven Vorstößen der Flotte in die Nordsee, so bereits erneut im August 1916, vorrangig deren Existenzberechtigung unter Beweis stellen; eine Absicht, die noch am Kriegsende eine wesentliche Rolle spielen sollte. Sie verhinderte maßgeblich, sinnvolle Alternativen zur Nordseeschlacht in Form etwa einer Schwerpunktverlagerung in die Ostsee oder Vorstöße in den Ärmelkanal zu verfolgen. Uneingeschränkter U‑Boot‑Krieg 1917 Der Flottenchef setzte nun vehement auf den Übergang zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Die Auffassung, England auf diesem Wege offensiv in die Knie zwingen zu können, vertraten neben der 3. OHL auch die Mehrheit des Reichstages und schließlich der Admiralstab. Dessen Chef Holtzendorff hatte bereits im Oktober 1916 die Wiederaufnahme des Handelskrieges mit U-Booten nach Prisenordnung angeordnet. Auch im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit entwickelte sich das U-Boot zu einem trügerischen Allheil- und Wundermittel für die siegreiche Beendigung des Krieges. Reichskanzler von Bethmann Hollweg, der dagegen den drohenden Kriegseintritt der USA nach wie vor unbedingt vermeiden wollte, geriet angesichts der schroffen britischen Zurückweisung des deutschen Friedensangebotes Ende Dezember 1916 zunehmend unter Druck. Zum gleichen Zeitpunkt gab der Admiralstab trotz der nur rund 100 für einen Einsatz im Atlantik und im Mittelmeer zur Verfügung stehenden U-Boote in einem Memorandum eine optimistische Prognose auch gegenüber der OHL ab: Über eine monatliche Versenkungsrate von 600 000 Tonnen Handelsschiffsraum – unter Abschreckung neutra-

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Militärisches Denken und Kriegführung

ler Schiffe – und damit eine Reduzierung des England zur Verfügung stehenden Frachtraumes um 39 Prozent könne ab 1. Februar 1917 die englische Friedensbereitschaft innerhalb von fünf Monaten erzwungen werden. Der geschlossenen Front der Befürworter des uneingeschränkten U-Boot-Krieges in der Militärführung musste sich der Reichskanzler am 9. Januar 1917 bei der entscheidenden Besprechung im Großen Hauptquartier unter Vorsitz des Kaisers beugen. Wilhelm II. billigte die Pläne Holtzendorffs, der sich zuvor mit Hindenburg und Ludendorff einig geworden war. Wie unrealistisch die Spitzen im Militär im Grunde die Konsequenzen eines Krieges mit den USA bewerteten, legte die Äußerung des Tirpitznachfolgers Eduard von Capelle vor der Budgetkommission des Reichstages am 31. Januar 1917 offen. Der Admiral erachtete den zu befürchtenden Zuwachs für die Entente »für null«! Eine enorme Fehleinschätzung allein schon hinsichtlich der maritimen Stärke der USA, deren Flotte infolge forcierter Rüstungsanstrengungen rein kräftemäßig im Jahre 1917 unmittelbar hinter Großbritannien rangierte. Auf Befehl des Kaisers begann die Marine nach Vorschlag des Admiralstabes »termingerecht« den uneingeschränkten U-Boot-Krieg mit insgesamt 105 zum Fronteinsatz bereiten U-Booten. Im Schwerpunkt operierten die 46 U-Boote der Hochseeflotte in der Nordsee, im Nordatlantik und vor der britischen Westküste sowie die Flottille Flandern mit 23 Booten zwischen Frankreich und England, wobei sich die Flottille auf die Truppen- und Material transporte konzentrierte. In den Sperrgebieten rund um England, im Mittelmeer und später auch in der Barentssee durften von nun an alle Schiffe, auch neutrale und unbewaffnete Handelsschiffe und Passagierdampfer, ohne Warnung versenkt werden. Nur den USA wurden hier noch einige Ausnahmen zugestanden. Bis zum Sommer 1917 erzielte der deutsche U-Boot-Einsatz zwar Erfolge, aber nur im April und Juni erreichten bzw. überstiegen die Versenkungsziffern die vom Admiralstab so optimistisch prognostizierte Tonnage von 600 000 Tonnen. Die U-BootKommandanten gingen bei ihren Angriffen bis Mai 1917 immer noch zu 40 Prozent nach Prisenordnung vor. Erst nachdem sie sich dafür vor dem Führer der U-Boote zu verantworten hatten, ging die Zahl der Überwasserangriffe zurück. Der U-Boot-Krieg nahm einen immer rücksichtsloseren Charakter an. Seine folgenreichste politische Konsequenz für das Kaiserreich war der Kriegseintritt der USA aufseiten der Entente am 6. April 1917. Damit stand den Alliierten ein zusätzliches wirtschaftliches und militärisches Potenzial zur Verfügung, dem die Mittelmächte langfristig nichts entgegenzusetzen hatten. Das war von entscheidender Bedeutung für ihre Niederlage.

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} Abb. 4: Die von deutschen Truppen schwer zerstörte Stadt Löwen in Belgien nach dem Ende der Kämpfe, September 1914. ullstein bild

Abb. 5: Deutsche Landsturmsoldaten in Ostpreußen, 1914, eingesetzt zur Abwehr des russischen Angriffs. ullstein bild, SZ-Photo, Scherl

} Abb. 6: Flandernschlacht: Schwer verwundete deutsche Soldaten auf dem englischen Verbandsplatz bei Potijze, 20. September 1917. akg-images

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Militärisches Denken und Kriegführung

Die vorübergehende Krise überwand England mit amerikanischer Unterstützung Mitte 1917 durch die schrittweise Einführung des Konvoisystems auf See. Handelsschiffe fasste die britische Admiralität in größeren Geleitzügen zusammen und ließ sie von starken Seestreitkräften eskortieren, deren Fähigkeiten zur U-Boot-Abwehr unter anderem durch leistungsfähigere Wasserbomben und die Einführung erster Ortungsgeräte verbessert worden waren. Die von den Briten intensivierte Verminung der Zufahrtswege in der Nordsee bis in die Deutsche Bucht und im Ärmelkanal engte zudem die Bewegungsfreiheit im Seekrieg immer weiter ein, sodass im Jahre 1918 den U-Booten quasi nur noch der zeitraubende Weg über die Ostsee blieb. Während die Verluste an U-Booten insbesondere durch Minen anstiegen, gingen die Versenkungszahlen von der zweiten Jahreshälfte 1917 bis zur Aufgabe des uneingeschränkten U-Boot-Krieges im Oktober 1918 kontinuierlich zurück. Der Tonnagedurchschnitt von rund 365 000 Tonnen im letzten Quartal 1917 lag nur noch unwesentlich höher als ein Jahr zuvor beim Einsatz der U-Boote nach Prisenordnung. Die Grundversorgung der britischen Insel war insgesamt zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Von einer Friedensbereitschaft war England im Sommer und Herbst 1917 daher weit entfernt. Die Marineführung hatte ihr strategisches Ziel am Ende nicht nur durch eine völlige Fehleinschätzung des gegnerischen Potenzials verfehlt. Vielmehr wurde auch die Wirkung der eigenen U-Boote im unerschütterlichen Glauben an deren »fristgerechten« Erfolg überschätzt. Zudem räumte das Reichsmarineamt im Frühjahr 1917 der Fertigstellung von Großkampschiffen vorübergehend Priorität vor dem Neubau von U-Booten ein und verzögerte damit deren planmäßige Auslieferung an die Front. Zugleich ging die Zahl tatsächlich einsatzbereiter U-Boote wegen langer Wartungsaufenthalte in den Werften infolge hoher Einsatzfrequenz laufend zurück. Zu einem operativen Einsatz mehrerer U-Boote in Gruppen gegen das Konvoisystem war die Marine nicht in der Lage. Auch hier mangelte es in erster Linie noch an den notwendigen technischen Führungs- und Kommunikationsmitteln, um den U-Boot-Einsatz gegen Geleitzüge aus der Heimat mit Funk wie etwa im Zweiten Weltkrieg nach der »Rudeltaktik« zielgerichtet zu koordinieren. Im Endeffekt vermochten die Alliierten 1918 über eine Million amerikanischer Soldaten nahezu ohne Verluste auf dem Seewege nach Europa zu transportieren. Kriegsende Mit der vorrangigen Führung des uneingeschränkten U-BootKrieges wandelte sich die Funktion der Hochseeflotte im Seekrieg 1917/18 zu einer reinen Unterstützungsrolle. Die Großkampfschiffe lagen zumeist untätig in den Häfen, was das Selbstbewusstsein der Seeoffiziere in ihrem »langen Warten« ( 6.45   Wolz) auf das anerzogene Entscheidungs-

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schlachtdenken schwer erschüttert hatte. Hohn und Spott verbreitete sich in der Bevölkerung über die einst hochgerüstete Flotte. Den leichten Seestreitkräften oblag in erster Linie die Aufgabe, die U-Boote zu sichern und dabei Wege durch die britischen Minenfelder offenzuhalten. Dagegen konnte sich die Marineführung selbst bei den Frühjahrsoffensiven des Heeres 1918 nicht entschließen, diese Kräfte – über vereinzelte Vorstöße schneller Überwasserstreitkräfte (Kreuzer, Torpedoboote) hinaus – gegen die Seewege des Gegners gezielt einzuplanen. In der Bewegungsfreiheit durch die britischen Minen erheblich eingeengt sowie zugleich wegen laufender Abstellungen von Personal zur aufwachsenden U-BootWaffe in ihrer Einsatzbereitschaft erheblich geschwächt, fanden Vorstöße der Hochseeflotte in die Nordsee kaum noch statt. Den letzten und zugleich weitesten Vorstoß ließ Scheer im April 1918 gegen den Konvoiverkehr zwischen Schottland und Norwegen unternehmen. Der Abbruch des fehlgeschlagenen uneingeschränkten U-Boot-Krieges im Oktober 1918 führte in der Seekriegsleitung zu dem Entschluss, noch vor dem Waffenstillstand mit einem spektakulären Flotteneinsatz doch noch die große Schlacht mit der Grand Fleet herbeizuführen. Völlig losgelöst von den politisch-militärischen Realitäten der letzten Kriegsphase wollte die Seekriegsleitung in ihrem ungebrochenen Ressortegoismus von einem Waffenstillstand für die Marine nichts wissen. Davon zeugte nicht zuletzt das entgegen aller industrieller Leistungsfähigkeit noch im August 1918 von ihr initiierte umfangreiche Bauprogramm für U-Boote (Scheer-Programm). Kaiser und Reichskanzler von Baden wurden in dem folgenden Entscheidungsprozess, an dessen Ende mit dem Operationsplan Nr. 19 ein Vorstoß der gesamten Hochseestreitkräfte in den Ärmelkanal und die Themsemündung am 30. Oktober 1918 geplant war, von der Seekriegsleitung schlichtweg übergangen. Wilhelm II. hatte bereits im Frühjahr 1918 eine derartige Operation ausdrücklich untersagt. Zudem widersprach sie der auf Kriegsbeendigung zielenden und nun vom Vertrauen des Reichstages getragenen Politik der neuen Regierung. Doch für die Marineführung stand nach wie vor das von Prestige- und Ehrdenken maßgeblich charakterisierte Motiv im Vordergrund, die Existenzberechtigung der von Tirpitz aufgebauten Flotte unter Beweis stellen zu müssen. Sie wollte ein Fundament für deren gesicherte Zukunft auch nach dem Kriege schaffen, um den Machtanspruch der Marine und die Stellung des Seeoffizierkorps zu erhalten. Die militärischen Erfolgsaussichten gegen die durch die amerikanischen Verstärkungen nahezu doppelt so starke Grand Fleet schätzten die führenden Marineoffiziere indes selbst mehr als gering ein. Doch der Krieg endete für die Marine nicht in der geplanten »ruhmreichen« Seeschlacht. Die Ausführung des Unternehmens vereitelten die sich seit 27. Oktober 1918 von Wilhelmshaven ausbreitenden Meutereien

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in der Hochseeflotte. Sie gaben den Anstoß für die Novemberrevolution. Insbesondere auf den großen Einheiten in den Häfen hatten sich die Spannungen zwischen Offizieren und Mannschaften in den vergangenen Monaten infolge einer unzureichenden Menschenführung zusehends verschärft. Dem eigenmächtigen Handeln ihrer Führung versagten die Matrosen angesichts des bevorstehenden Waffenstillstandes nun endgültig den Gehorsam. Sie wollten für den beabsichtigten »Todesritt der Admirale« ihr Leben nicht mehr aufs Spiel setzten. Mit ihrem Widerstand verhinderten die Mannschaften das Auslaufen der Schiffe. Das Schicksal der Flotte entschied sich nach ihrer Internierung in Scapa Flow mit der Selbstversenkung am 21. Juni 1919. Dieser Opfergang bescherte der Marine ihren Langemarck-Mythos, der dazu beitrug, dass auch in Zukunft unverändert eine Tirpitzsche Flotten- und Weltmachtpolitik betrieben werden konnte. Dieser Anspruch wurde auch in der Aufarbeitung des Krieges unverrückbar vertreten, wenn es um die die eigene Legitimation ging. So sollte die Kontinuität des militärischen Denkens in der Marine vergleichbar der Schlieffen-Schule im Landkrieg unter Kaschierung eigener Fehler sichergestellt werden.

Die Kolonialkriegführung Der Krieg in Übersee spielte in den Erwägungen der politisch-militärischen Führung in Deutschland wegen der erwarteten kurzen Kriegsdauer in Europa eine nur untergeordnete Rolle. Die wenigen Schutztruppen und Polizeieinheiten in den Kolonien waren nicht zur Landesverteidigung, sondern lediglich zur Niederschlagung innerkolonialer Aufstände sowie zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung vorgesehen. Daher rückten die deutschen Kolonialgebiete in Afrika, China und im Pazifikraum im August 1914 auch weniger wegen einer militärischen Bedrohung durch diese Verbände in das Visier der Alliierten. Großbritannien weitete den Krieg auf die Kolonien vor allem aus maritimem Interesse und in Sorge vor den deutschen Überseekreuzern aus, um die eigenen Seewege zu schützen. Primäres Ziel war nach dem Entschluss des Commitee of Imperial Defence vom 5. August 1914 die Einschränkung der deutschen Operationsfähigkeiten im Kreuzerkrieg durch die Ausschaltung der wichtigen Versorgungshäfen (Kohle) und Funkstationen in den Kolonien, die eine globale Kommunikation ermöglichten. Wegen des Vorrangs der Landkriegführung in Frankreich setzte die britische Regierung dabei zuvorderst auf die Unterstützung ihrer Dominions. Diese kamen bereitwillig den Anweisungen und Bitten aus London nach, wobei sie stets eigene regionale machtpolitische Ziele verfolgten. Größere Truppenverbände wie etwa die rund 9000 Mann starke Garnison in Südafrika

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hatten die Briten dagegen sofort nach Europa verlegt. Die Landoperationen in den Kolonien sollten vor allem lokalen Kräften obliegen, die in der Regel den deutschen Schutz- und Polizeitruppen an Zahl weit überlegen waren. In Afrika wirkten die Briten dabei partiell mit den verbündeten französischen und belgischen Kolonialtruppen zusammen. Größere Eroberungen und somit Erweiterungen des eigenen kolonialen Territorialbesitzes spielten in den übergeordneten britisch-französischen Interessen allerdings erst im Laufe des Krieges eine stärkere Rolle. Pazifik Im pazifischen Raum stand Großbritannien seit dem Bündnisvertrag von 1902 mit Japan in einer Allianz. Mit Ausbruch des Krieges in Europa lockte das aufstrebende Land die Aussicht, mit Deutschland einen unliebsamen Konkurrenten vor der eigenen Tür ausschalten zu können. Eine Einnahme des Pachtgebietes Kiautschou einschließlich seines eisfreien Flottenstützpunktes bot die Möglichkeit, den deutschen Einfluss auf China langfristig zu unterbinden. Auf ihr wiederholtes und von deutscher Seite unbeantwortetes Ultimatum vom 15. August 1914 ließen die Japaner nur eine Woche später die Kriegserklärung folgen. Mit britischer Unterstützung blockierte die japanische Flotte den zur Seeseite mit modernen Batterien gesicherten Hafen von Tsingtau. Nach dem vorherigen Auslaufen des ostasiatischen Kreuzergeschwaders befanden sich hier nur noch ein deutsches Kanonen- und ein Torpedoboot sowie ein österreichischer Kreuzer. Zur Verteidigung der kaum befestigten Landfront standen dem Gouverneur, Kapitän zur See Alfred Meyer-Waldeck, zum größten Teil Marinetruppen zur Verfügung. Sie wurden durch Freiwillige sowie die wehrfähige deutsche Bevölkerung im Schutzgebiet ergänzt. Ihre Stärke betrug nur rund 4500 Mann. Die Japaner verstärkten nach ihren Anlandungen Anfang September ihre Truppen auf rund 60 000 Mann, einschließlich eines britischen und indischen Bataillons. Deren Vormarsch verzögerte sich zunächst infolge widriger Wetterbedingungen. Danach gingen die Japaner zu einem Belagerungskrieg über und profitierten von ihren Erfahrungen im Krieg gegen Russland aus den Jahren 1904/05. Sie setzten gezielt ihre überlegene Artilleriestärke zu Land und zur See gegen die deutschen Stellungen ein. Flieger beteiligten sich mit Bombenabwürfen. Die japanische Infanterie näherte sich durch im Schutz der Dunkelheit vorangetriebene Gräben den deutschen Verteidigern, denen nach einem letzten entscheidenden Sturmangriff in der Nacht vom 6. auf den 7. November 1914 wegen fehlender Munitionsvorräte nur noch die Kapitulation blieb. Die restlichen deutschen Schutzgebiete im Pazifikraum waren mit ihren wenigen Polizeikräften zu einem militärischen Widerstand gegen Japan und die britischen Dominions Australien und Neuseeland nicht in der Lage. Japan übernahm im Laufe des Oktobers 1914 kampflos die

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Marianen-, Marshall- und Karolineninseln. Australien und Neuseeland hatten untereinander schon 1912 eine Aufteilung der deutschen Besitzungen im Pazifik vereinbart. So besetzten Ende August 1914 neuseeländische Truppen Samoa. Deutsch-Neuguinea, die Salomoninseln und das Bismarckarchipel nahmen im September australische Expeditionstruppen ein. Afrika Für Afrika hofften die deutschen Kolonialadministratoren auf Grundlage der Kongoakte von 1885 auf eine Neutralitätserklärung der kriegführenden Mächte. Der Staatsekretär des Reichskolonialamtes, Wilhelm Heinrich Solf, glaubte noch in den ersten Kriegswochen an eine starke Solidarität der Europäer in Afrika untereinander, um die Herrschaft der Kolonialherren gegenüber der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zu sichern. Dass sich aber Großbritannien im Kriegsfall an vage Neutralitätsbekundungen halten werde, hielt das Kommando der Schutztruppen in Berlin schon im Frühjahr 1912 für unwahrscheinlich. Das bewies auch die schnelle Besetzung der kleinen Kolonie Togo mit ihrer leistungsfähigen, modernen Funkstation in der Hauptstadt Kamina durch britischfranzösische Kolonialtruppen im August 1914. Eine nennenswerte Aufstockung von Personal und Material sowie finanzieller Mittel für die Kolonien war nicht zu erwarten, da sie weder in den Planungen des Heeres noch der Marine eine Rolle spielten. Die Kolonien blieben auch im Krieg auf ihre eigenen Ressourcen angewiesen. Die Marineführung betrachtete zudem den Schutz der Kolonien nicht als Aufgabe der im Ausland liegenden Schiffe. Da die Küstengebiete aufgrund der britischen Seeherrschaft nicht zu verteidigen waren, zielten die militärischen Planungen des Kommandos der Schutztruppen in Berlin auf eine defensive Einigelung der wenigen Truppen im Landesinneren. So galt es in einem hinhaltenden Verteidigungskrieg zumindest eine partielle deutsche Herrschaft sicherzustellen und sich bis zu einem Waffenstillstand in Europa zu halten, um so gute Voraussetzungen für Verhandlungen über die Kolonien zu schaffen. Hinter dieser grundsätzlich am Erhalt der deutschen Kolonien orientierten Strategie standen auch die Kommandeure der Schutztruppen in Kamerun, Major Carl Zimmermann, sowie in Deutsch-Südwestafrika, Oberstleutnant Joachim von Heydebreck (ab November 1914 Major Victor Franke). Kamerun Wie Togo war auch Kamerun als zweites deutsches Schutzgebiet Westafrikas von britischen und französischen Kolonien umgeben. Im Süden ragte von der Küste aus die neutrale spanische Kolonie Muni (auch Spanisch-Guinea) hinein. Sie blieb die einzige offene Verbindung zum Meer und sollte daher im Kolonialkrieg Kameruns noch eine wichtige Rolle spielen. Die für eine Verteidigung zur Verfügung stehenden Kräfte

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waren trotz der Mobilmachungsmaßnahmen (Höchststärke im Verlauf der Kämpfe: 1460 Deutsche sowie 6550 farbige Söldner) den britischfranzösisch-belgischen Kolonialtruppen von Beginn an personell und materiell, insbesondere an Munition, hoffnungslos unterlegen. Die Franzosen verfügten in ihren west- und äquatorialafrikanischen Kolonien allein schon über 20 000 Mann farbige Kolonialtruppen, die Briten in ihrer »West African Frontier Force« nochmals über rund 7500 Mann. Davon wurden etwa 19 000 Mann für die Operationen in Kamerun während des Krieges eingesetzt. Für Kriegführung und Logistik in den infrastrukturell weitgehend unerschlossenen und unwegsamen Gebieten mussten beide Seiten zudem auf eine große Zahl einheimischer Träger zurückgreifen. Deutsche und Briten setzten in Kamerun häufig unter Zwang rund 40 000 von ihnen ein. Zum Vorteil der Deutschen gereichte, dass viele der alliierten Verbände ebenso wenig auf umfassende Landoperationen vorbereitet waren wie die eigenen Truppen. Zudem erfolgte in dem Feldzug lange Zeit kaum ein koordiniertes Vorgehen der Ententemächte untereinander; Reibungen unter den verschiedenen alliierten Kommandeuren vor Ort taten ein Übriges. Frankreichs politische Interessen galten mehr der Rückgewinnung seiner 1911 infolge der Marokkokrise verlorenen Gebiete (Neukamerun) und schließlich auch der vollständigen Eroberung der Kolonie. Dagegen setzten die Briten aus maritimer Sicht mit einem begrenzten Kräfteansatz zu Land vorrangig auf eine Ausschaltung der für einen Kreuzerkrieg wichtigen Hafenanlagen und der einzigen Funkstation in der Hauptstadt. Erst nachdem diese Ziele erreicht wurden, entschlossen sich die Alllierten im Laufe des Jahres 1915 zu einem konzentrischen Vorgehen ihrer einzelnen militärischen Verbände. Angesichts der Stärkeverhältnisse und in Annahme alliierter Angriffe im Kriegsfalle lag dem Einsatz der Schutztruppe seit November 1913 eine defensive Ausrichtung zugrunde. Es galt die Richtlinie, bis zur Entscheidung des Krieges in Europa die Verteidigung notfalls unter Aufgabe militärisch ungünstigen Gebietes so zu führen, dass der Kern des Schutzgebietes im Inneren des Landes, im nördlichen Hochland von Ngaundere, in deutscher Hand blieb. Dazu sollten die über Kamerun verstreuten Schutztruppen selbstständige Abteilungen um befestigte Widerstandszentren im Bereich des Hochlandes bilden. Mit den im August 1914 einsetzenden unkoordinierten und begrenzten Vorstößen britischer und französischer Kolonnen gegen die deutschen Stützpunkte begann eine erste Phase von Grenzkämpfen. Gouverneur Karl Ebermaier hatte dem Schutztruppenkommandeur Zimmermann die alleinige militärische Kommandogewalt übertragen. Anders als in Ostafrika gestaltete sich hier eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen ziviler und militärischer Führung. Angelehnt an das Verteidigungskonzept befahl der

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Schutztruppenkommandeur zur Abwehr die Bildung kampfkräftiger Abteilungen. Infolge der mangelnden Kommunikationsmöglichkeiten kam es allerdings zu wochenlangen Verzögerungen, in denen einzelne Kompanien völlig auf sich selbst gestellt blieben. Im Verlauf des Septembers 1915 landeten rund 4500 Mann der Entente bei Duala und nahmen bis Ende Oktober große Teile des Küstengebietes ein. Die Schutztruppen wichen hier nach kampfloser Preisgabe der Hauptstadt und Zerstörung der Funkstation ins Landesinnere aus. In den Mittelpunkt des deutschen Verteidigungssystems rückte anstelle des nördlichen Hochlandes von Ngaundere die weiter südlich gelegene Gegend um Jaunde und Ebolowa. Hier lag nicht nur das Zentrum der begrenzten deutschen Munitions- und Waffenfabrikation, von der die deutsche Kriegführung in der Kolonie maßgeblich abhängig war. Darüber hinaus galt in den deutschen Planungen schon zu Kriegsbeginn eine Offenhaltung des Weges in die neutrale spanische Kolonie Muni besondere Aufmerksamkeit. Nachdem die Alliierten im Juni 1915 das nördliche Hochland einnehmen konnten und zugleich konzentrisch gegen Jaunde vorgingen, entschloss sich der Schutztruppenkommandeur zu einer Zusammenführung seiner Truppen in diesem Raum. Ziel war nun der Rückzug der Schutztruppe nach Muni, da aufgrund der unabsehbaren Kriegsdauer ein Halten des Schutzgebietes immer unwahrscheinlicher war. Mit dem Ende der Regenzeit im Oktober 1915 begann die allmähliche Einkreisung des deutschen Widerstandszentrums um Jaunde. Im Gefolge von über 30 000 Einheimischen zog sich die Masse der deutschen Schutztruppen um die Jahreswende 1915/16 in die neutrale Kolonie zurück, wo sie interniert wurden. Eine letzte Schutztruppeneinheit kapitulierte Mitte Februar 1916 im Norden Kameruns. Die Verluste beliefen sich auf rund 170 tote Deutsche (einschließlich Internierung), 95 Verwundete und rund 480 in Gefangenschaft geratene Soldaten. 580 farbige Soldaten fielen und rund 1150 wurden verwundet; über 200 gingen in Gefangenschaft und mehr als 500 galten als vermisst oder waren desertiert. Die alliierten Truppen verloren rund 4300 Mann. Zahlen zu den gestorbenen Trägern liegen nicht vor. Über die Gründe für den Schritt zur Internierung wird in der Forschung spekuliert. Häufig wird der eklatante Munitionsmangel der Truppe angeführt. Eine andere Argumentation sieht ihn eher im Einklang mit der vorrangig an einem langfristigen Erhalt deutscher Kolonialherrschaft interessierten deutschen Führung in Kamerun. Mit der Rettung der Truppen erhielt man sich ein Faustpfand, um sich nach einem deutschen Sieg in Europa als Kolonialmacht in Westafrika erneut zu etablieren. Daher sollten schwere Kämpfe und Zerstörungen im Bereich der eigenen Siedlungsschwerpunkte vermieden werden. Auch schien jenseits der Nachkriegslegende »vom treuen und anhänglichen

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Eingeborenen« die Rücksicht auf die Loyalität zumindest eines Teils der Einheimischen eine gewisse Rolle gespielt zu haben. Gleichwohl zeigten sich in Form der Requirierungen von Nahrungsmitteln sowie der beim Rückzug angewandten Taktik der »verbrannten Erde« (  6.49   Schulte-Varendorff, S. 95) viele Parallelen zu Paul von Lettow-Vorbecks Kriegführung in Ostafrika. Die Schutztruppe passte ihre Kampfweise in der vorgegebenen Defensivstrategie aktiv an die Stärke des Gegners, das jeweilige Gelände und die eigene Zusammensetzung an. Dabei konnte sie trotz der immensen Kommunikationsprobleme mehrfach den Vorteil des Verschiebens von Truppen auf der inneren Linie nutzen. Im Unterschied zu Europa war die Kriegführung in Afrika auf beiden Seiten zumeist durch Infanterieoperationen in Kompaniestärke in weit überdehnten Räumen geprägt. Schwerste und wichtigste Waffe war das Maschinengewehr. Größere Verbände waren dagegen in dem oft unwegsamen Gelände kaum führbar, Artillerie nur schwer zu bewegen. Die eigentlich von den Europäern bevorzugte offene Feldschlacht blieb unter solchen Bedingungen eine Ausnahme. Vielmehr wurde der Abwehrkampf aus befestigen Stellungen mit offensiven Methoden des »Kleinen Krieges« ergänzt. Zu dieser besonderen Art irregulärer Guerillakriegführung gehörten überfallartige Angriffe kleinerer Abteilungen in den Rücken und gegen die überdehnten Versorgungslinien des Gegners. Verstöße gegen das Haager Landkriegsrecht auf beiden Seiten wie Plünderungen und Raub waren dabei keine Seltenheit, wurden offiziell jedoch stets geleugnet. Davon war insbesondere die indigene Bevölkerung betroffen. Größere Verluste und Gefechtstätigkeiten wurden wegen mangelnden Ersatzes und Munitionsknappheit vermieden, Gelände notfalls aufgegeben. Nach Einschätzung deutscher Offiziere schien eine Verbindung von Nahkampf und »Kleinem Krieg« den Gewohnheiten der farbigen Soldaten eher zu entsprechen als ununterbrochene Stellungskämpfe. Neuere Forschungen betonen in diesem Kontext generell die transkulturelle Prägung der Kolonialkriegführung in Afrika, indem sich etwa die Schutztruppen einer spezifisch afrikanischen Gewaltlogik angepasst hätten. Südwest Auch im Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika ließen sich Gouverneur Theodor Seitz und die Schutztruppenkommandeure vom strategischen Ziel leiten, die deutsche Kolonialherrschaft in ihrem Verantwortungsbereich möglichst langfristig zu sichern. Nach einer Mobilisierung von rund zwei Drittel der männlichen deutschen Bevölkerung standen etwa 5000 Mann für eine Verteidigung zur Verfügung. In Erinnerung an den Herero- und Namaaufstand wurde hier auf eine Rekrutierung farbiger Einheimischer für die Schutztruppe verzichtet. Die Verteidigung der

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im Norden an das portugiesische Angola grenzenden Kolonie beruhte auf dem Prinzip, die Küstenregion zu räumen. Im Osten bot die Kalahari ein natürliches Hindernis. Mit einer Truppenkonzentration im Süden galt es, den erwarteten Vormarsch von überlegenen Streitkräften der Südafrikanischen Union zu verzögern. Diese hatte sich 1910 durch eine Vereinigung der beiden Burenrepubliken Transvaal und Oranjefreistaat mit den britischen Kolonien Natal und Kapprovinz gebildet. Das Dominion folgte sofort bereitwillig Londons Aufforderung zum Kriegseintritt, entsprach es doch den eigenen weitläufigen Annexionsplänen im südlichen Teil Afrikas. In der erst seit 1912 bestehenden südafrikanischen Milizarmee (Defence Force) war diese probritische Entscheidung umstritten. Eine anfängliche Rebellion unter burischen Nationalisten schlug die von Premierminister Louis Botha geführte südafrikanische Regierung jedoch bis Januar 1915 schnell nieder. Erst jetzt begann die südafrikanische Armee mit rund 40 000 Mann ihren Hauptfeldzug gegen Windhuk, die Hauptstadt von Deutsch-Südwestafrika. Die weiträumigen trockenen Gebiete in dem Land ließen eine bewegliche Kriegführung zu, mit der die Südafrikaner ihre eigenen Stärken gegenüber der zahlenmäßig unterlegenen Schutztruppe ausspielen konnten. In nur sechs Monaten manövrierten die zur Hälfte berittenen Truppen ihre deutschen Gegner aus, wobei die Kampfhandlungen relativ unblutig verliefen. Beide Seiten hatten nur etwa 100 Gefallene zu beklagen. Die Zukunft der deutschen Siedler vor Augen, entschloss sich die deutsche Führung von Südwestafrika im Juli 1915 zur schnellen Kapitulation. Die Deutschen durften auf ihre Besitzungen zurückkehren und anders als in den übrigen Kolonien selbst nach Kriegsende noch dort verbleiben. Die Südafrikaner hatten indes nun Truppen frei, um die Briten in Ostafrika zu unterstützen. Ostafrika Die Kämpfe um die Kolonie Deutsch-Ostafrika dauerten bis zum Kriegsende in Europa an. An der Spitze der Schutztruppe stand zu Beginn des Jahres 1914 mit Lettow-Vorbeck ein mit Kolonialerfahrung reichlich ausgestatteter Kommandeur, für den anders als bei den zivilen Kolonialinstanzen der Erhalt der Kolonie keine große Rolle spielte. Lettow-Vorbecks Handeln orientierte sich an militärischen, nicht politischen oder wirtschaftlichen Interessen. Das Reichskolonialamt hatte seine Ernennung vergeblich zu verhindern gesucht. Ob sie am Ende auf den Großen Generalstab zur Durchsetzung einer offensiveren Kriegführung in den Kolonien zurückging, wird von jüngeren Forschungen angezweifelt. Denn die oberste Planungsinstanz des Heeres hatte eine solche im Zusammenhang mit der Bindung alliierter Kräfte aus Europa vorwiegend für Deutsch-Südwestafrika erwogen. Ungeachtet dessen lautete Lettow-Vorbecks Devise: Truppenkonzentration und schnelle Entscheidung auf dem Schlachtfeld! Sie entsprach

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am ehesten der Überzeugung von der Dominanz des Angriffs sowie der vermeintlich überlegenen Führung und Qualität des deutschen Militärs. Lettow-Vorbeck schätzte zwar die hohe Disziplin der britisch-indischen Truppen, hielt sie aber aufgrund seiner Erfahrungen in China entgegen der deutschen Auftragstaktik für mangelhaft geführt. Strategisch sollten Angriffe auf die britischen Nachbarbesitzungen den Gegner zu Truppenverlegungen vom Hauptkriegsschauplatz Europa zwingen; eine Fehlkalkulation, da die britische Regierung in den Kolonien vorrangig auf lokale Kräfte setzte bzw. hier die Dominions gezielt einband. Auch Lettow-Vorbecks Denken blieb auf Deutschland als mitteleuropäische Kontinentalmacht fixiert. Die auf örtlichen Widerstand der über die Kolonie verteilten Schutztruppe begrenzte Defensivstrategie seines Vorgängers widerstrebte Lettow-Vorbeck. Stattdessen plante er in erster Linie Vorstöße gegen die britische Ugandabahn, und zwar unter weitgehender Entblößung des restlichen Schutzgebietes. Gouverneur Heinrich Schnee lehnte dies aus nicht unberechtigter Sorge vor inneren Aufständen strikt ab. Hinzu trat die Hoffnung, doch noch eine Neutralisierung erreichen und eine Ausweitung des Krieges vermeiden zu können. In dem nachfolgenden schwelenden Konflikt über den Einsatz der Schutztruppe unterlief Lettow-Vorbeck zusehends die Kommandogewalt des Gouverneurs und bestimmte nach einem »verdeckten Militärputsch« (  6.47   Bührer, S. 491) selbst die politischen Geschicke der Kolonie. Entscheidungen aus Berlin trafen nach dem Wegfall der Funkstation Kamina nicht mehr ein. Der Krieg entwickelte sich zu einem Selbstläufer, wobei Lettow-Vorbecks sofortige Offensivaktionen im August alle Chancen auf Neutralisierung verspielten. Anders als bei den Belgiern war eine Bereitschaft zur Neutralisierung auf britischer Seite kaum vorhanden. Wie in Kamerun waren auch in Ostafrika die Truppen beider Seiten nicht auf einen größeren Konflikt vorbereitet. Die Deutschen mobilisierten bis zum Kriegsende aus der wehrfähigen weißen Bevölkerung und Besatzungen von Schiffen rund 3600 Mann. An deren Seite traten im Laufe des Krieges rund 14 600 Askaris sowie nochmals mehrere Tausend Hilfskrieger. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ein Großteil der farbigen männlichen Bevölkerung wenigstens vorübergehend zu Trägerdiensten herangezogen wurde. Die britischen Streitkräfte in den umliegenden Kolonien Britisch-Ostafrika, Uganda, Rhodesien und Nyasaland, zu Kriegsbeginn vier Bataillone der »King’s African Rifles« mit rund 2800 Mann, verhielten sich zunächst defensiv. Aus Furcht vor einer militärischen Ausbildung zu vieler Afrikaner ergänzten die Briten diese erst 1916 massiv mit Einheimischen, die oft ohne Loyalität zur Kolonialmacht die Seiten wechselten. Zu einem Zusammenwirken mit den belgischen Kolonialstreitkräften, immerhin über 10 000 hauptsäch-

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lich farbige Söldner der »Force Publique« im Kongo, konnten sich die Briten erst im späteren Verlauf des Krieges entschließen. Insgesamt mobilisierte die Entente für die Kämpfe in Ostafrika zwischen 1914 und 1918 rund 370 000 Mann und über eine Million Träger. Der deutschen Kriegführung in Ostafrika gereichte zunächst die starke Bindung alliierter Kräfte für die Operationen in Kamerun, aber auch in Südwestafrika zum Vorteil. Für einen Angriff auf Deutsch-Ostafrika sollten zunächst Truppen aus Indien herangeführt werden. Wegen des vorrangigen Schutzes des Suezkanals begann deren Verlegung allerdings erst im Oktober 1914, nun aber mit dem erweiterten Ziel, ganz Deutsch-Ostafrika zu erobern. Vergeblich versuchte ein 8000 Mann starkes Expeditionskorps Ende 1914, die Stadt Tanga im Norden der deutschen Kolonie einzunehmen. Lettow-Vorbecks an das Klima und die Kampfbedingungen im Buschkrieg gewöhnten farbigen Söldner waren ihren landesfremden britisch-indischen Gegnern überlegen, zumal sie über eine bessere Ausbildung am Maschinengewehr verfügten. Auch litt die Einsatzbereitschaft der Truppen aus Indien stets durch besonders hohe Krankenstände. Doch die forsche Offensivkriegführung LettowVorbecks erhöhte den Verbrauch der knappen Munitionsvorräte und forderte Verluste, die unter den weißen Angehörigen der Schutztruppe nicht mehr ersetzbar waren. Während des Jahres 1915 verzichteten die britischen Truppen auf größere Landoperationen. Sie konzentrierten sich lieber auf die Versenkung des vor Ostafrika operierenden letzten deutschen Auslandskreuzers »Königsberg«, was ihnen im Juli auch gelang. Zugleich reduzierten die geografischen Verhältnisse Lettow-Vorbecks geplante Offensivvorstöße gegen die Ugandabahn auf kleinere Patrouillenunternehmungen mit Mitteln des »Kleinen Krieges«. Im Frühjahr 1916 trat die Wende auf dem ostafrikanischen Kriegsschauplatz ein. Von Norden aus (Britisch-Ostafrika) drang ein rund 25 000 Mann starkes britisch-südafrikanisches Kontingent unter Jan Christiaan Smuts auf das Gebiet Deutsch-Ostafrika vor. Dabei kamen auch einige Flugzeuge, Panzerwagen sowie eine größere Anzahl an Lastkraftwagen und Artilleriegeschütze zum Einsatz. Belgische und später auch portugiesische Truppen unterstützten die Hauptoffensive von Westen (Kongo) und Süden (Mozambik). Britische Landungen bei Tanga und der deutschen Seite des Victoriasees sowie ein Vorstoß rhodesischer Truppen aus dem Nyasaland verschärften den Druck auf die zahlenmäßig unterlegene deutsche Schutztruppe. Diese wich in hinhaltendem Kampf zunächst in den Südostteil der Kolonie und schließlich 1917/18 bis in das portugiesische Mozambik aus. Zu einer Aufgabe war der deutsche Kommandeur, in dessen Gefolge sich auch Gouverneur Schnee befand, nicht bereit. Anders als etwa in Südwestafrika konnten

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sich Lettow-Vorbecks Truppen in der dichten Vegetation Ostafrikas den Einkreisungsversuchen des Gegners immer wieder entziehen. Während dessen Vorstöße zumeist nach wenigen Tagen wegen logistischer Probleme zum Stehen kamen, führte die Schutztruppe wie in Kamerun insbesondere mit Methoden des Guerillakrieges erfolgreich Überfälle. Aus portugiesischen Stützpunkten erbeutete man Waffen, Munition und Ausrüstung. Die Kriegführung nahm dabei wie in Kamerun immer schlimmere Formen an, unter denen vor allem die indigene Bevölkerung zu leiden hatte. In dem Bewegungskrieg ernährten sich die Truppen aus dem Land. So ließ Lettow-Vorbeck über die Köpfe von Gouverneur und Zivilverwaltung hinweg rücksichtslos Lebensmittel requirieren sowie Tausende Einheimische zu Trägerdiensten rekrutieren und regelrecht versklaven. Bei der Verfolgung der Schutztruppe griffen auch die britischen Truppen zu ähnlich drastischen Methoden. Die Entvölkerung ganzer Landstriche, Lebensmittelknappheit und von den Truppen eingeschleppte Seuchen führten zu Hunderttausenden von Opfern unter der farbigen Zivilbevölkerung. Nachdem Lettow-Vorbeck mit dem Rest der Schutztruppe im Umfang von etwa 1200 Mann (davon 168 Europäer) und 2000 Trägern Anfang November 1918 nochmals in Rhodesien eingefallen war, zwang erst der Waffenstillstand in Europa auch ihn zur Kapitulation. Dies begründete nach dem Krieg wesentlich den Mythos vom einzig unbesiegten Feldherrn des Weltkrieges. Die Schutztruppe hatte an Toten 734 Europäer sowie rund 1800 Askaris zu beklagen. Hinzu traten nochmals über 16 000 Vermisste, Verwundete, Gefangene und eine unter den Askaris mit etwa 2800 beachtliche Zahl von Desertionen. Aufseiten der Entente fielen 2800 Inder, 2400 Südafrikaner, 1200 Briten und 4500 Askari. Die belgischen Gesamtverluste betrugen 58 Europäer sowie rund 2000 Askari. Die portugiesischen Verluste bezifferten sich auf 4800 europäische und farbige Soldaten. Die Zahl der zu Tode gekommenen Träger betrugen zeitgenössischen Schätzungen zufolge auf deutscher Seite rund 100 000. Ähnlich hoch war die Zahl bei den Ententestreitkräften. Ursache dafür waren vor allem Krankheiten wie die Malaria. Sie führten auch bei der medizinisch besser versorgten Truppe zu ständigen Ausfällen. Noch mehr wütete dieser wilde Krieg unter der indigenen Zivilbevölkerung, deren Verluste allein im deutschen Schutzgebiet in die Hunderttausende gingen.

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} Abb. 7: Wilhelm II. am Bosporus zu Besuch beim türkischen Verbündeten: der Kaiser an Bord des Schiffes »Janus Sultan Selim« im Gespräch mit Kriegsminister Ismail Enver Pascha, 17. Oktober 1917. ullstein bild, Haeckel Archiv

| Abb. 8: Deutscher Stoßtrupp beim Verlassen des Grabens, 1917. BArch, Bild 146-1974-132-26A

} Abb. 9: Deutsche Matrosen am Bordgeschütz auf dem Vorderschiff ihres U-Boots, undatiert. MHM

Strukturen Der »Oberste Kriegsherr« im Geflecht dezentraler politischer und militärischer Führung Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges Anfang August 1914 vollzog sich in Form der Mobilmachung der Übergang der Streitkräfte des deutschen Kaiserreiches vom Friedens- in den Kriegszustand. Generell gliederten sich die Streitkräfte in das Reichsheer (hier kurz Heer) mit seinen Kontingenten (mit Feld- und heimatlichem Besatzungsheer) sowie die Kaiserliche Marine. Die Luftstreitkräfte verteilten sich auf das Heer und die Kaiserliche Marine. Die Vereinigung zu einer eigenständigen Teilstreitkraft Luftwaffe scheiterte 1916 am Widerstand der Marineführung sowie dem preußischen und dem bayerischen Kriegsminister. Gemäß Artikel 63 der Reichsverfassung von 1871 oblag dem deutschen Kaiser und König von Preußen als Bundesfeldherrn der Oberbefehl über die Streitkräfte, der nun auch die noch im Frieden unter ihrem König Ludwig III. stehende bayerische Armee umfasste. Die Landesherrn der Kontingente Bayerns, Sachsens und Württembergs verblieben anders noch als im deutsch-französischen Krieg 1870/71 an ihren Regierungssitzen. Über das Personalwesen und damit die Beförderung der Offiziere behielten die Landesherren einen direkten Einfluss auf ihre Kontingente. Im Unterschied zum Heer spielte das Kontingentsystem in der schon im Frieden unter alleinigem Oberbefehl des Kaisers stehenden Marine seit der Reichsgründung im Jahre 1871 keine Rolle. Sie war Reichsangelegenheit. Das galt gleichfalls für die sich aus dem Heer und der Marine ergänzenden Schutz- und Polizeitruppen zur Sicherung der deutschen Kolonien. Unter der Bezeichnung »Großes Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers und Königs« versammelte sich die seit 3. August 1914 mobil gewordene höchste Leitungsebene der militärischen und politischen Führung des deutschen Reiches um die bis heute in der Historiografie umstrittene Person Wilhelm II. Zum Großen Hauptquartier, das während des Krieges seinen Sitz öfters wechselte (u.a. Koblenz, Pleß, Kreuznach, nach Kriegsende zuletzt in Kolberg, Auflösung am 3. Juli 1919) und schließlich auf etwa 5000 Köpfe anwuchs, zählten neben den Adjutanten des Kaisers die militärische Führung mit dem Chef des preußischen Militärkabinetts, dem Chef des Marinekabinetts, dem preußischen Kriegsminister quasi in Funktion eines Reichskriegsministers (ab 1916 wieder Sitz in Berlin), dem Vertreter des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes, dem Chef des Generalstabes des Feldheeres, dem

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Strukturen

Chef des Admiralstabes der Marine (zeitweilig in Berlin), den Chefs der obersten Waffenbehörden sowie den bayerischen, sächsischen und württembergischen Militärbevollmächtigten. Hinzu traten von den Verbündeten noch ein k.u.k. »Bevollmächtigter General« sowie später noch Militärbevollmächtigte der Türkei und Bulgariens. In gleicher Stellung fungierten deutsche Vertreter bei den Heeresleitungen der Bundesgenossen, wobei sogar ein deutscher General (Generalleutnant Paul Bronsart von Schellendorff, Ende 1917 Generalmajor Hans von Seeckt) die Funktion des Chefs des Generalstabes des türkischen Heeres übernommen hatte. Die politische Leitung des Reiches war zunächst vertreten durch den Chef des Geheimen Zivilkabinetts, den Reichskanzler und den Staatssekretär des Auswärtigen. Letztere führten aber schon bald ihre Amtsgeschäfte von Berlin aus. Ein Vertreter blieb dauerhaft im Großen Hauptquartier. Erstmals im Oktober 1914 verwendete ein offizieller Heeresbericht den Begriff Oberste Heeresleitung (OHL), die aber während des Krieges im Kern de facto den Generalstab des Feldheeres umfasste. »Persönliches Regiment« des Herrschers (  7.1   Eyck), bewusster »Königsmechanismus« (Norbert Elias, John C.G. Röhl) oder doch nur unbedeutender Teil einer autoritären »Polykratie rivalisierender Machtzentren« (  1.21   Wehler, S. 69), – so lauten die gängigen Interpretationsansätze der Forschung zur Regierungspraxis Wilhelms II. im komplexen politisch-militärischen Machtgefüge des späten Kaiserreiches. Der Vorwurf eines »Schattenkaisers« (u.a. 1.21   Wehler, S. 70, 72) während des Krieges ist indes allen gemein. Unbestritten ist bis heute das Bild eines mit seinen anspruchsvollen Aufgaben an der Spitze des Deutschen Reiches im Grunde genommen überforderten Wilhelm II. Seine verfassungsgemäße Funktion war ganz auf das monarchische Prinzip des »Obersten Kriegsherrn« ausgerichtet. Der Kaiser war der Inhaber der »obersten politischen und militärischen Gewalt« (  7.4   Huber, Bd 5, S. 194) des Reiches. In dieser Funktion hatte er die vielen eigene Interessen verfolgenden politisch-militärischen Instanzen zu koordinieren und als das entscheidende Machtelement am Ende die Gesamtstrategie festzulegen. Diese kann vereinfacht als das von der obersten Führung eines Landes gesteuerte Zusammenwirken aller politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entscheidungsstellen hinsichtlich der von der Politik vorgegebenen Kriegsziele definiert werden. Die Führungsstruktur der Streitkräfte unterhalb des Kaisers war dem preußischen Vorbild zufolge nach 1871 bewusst dezentralisiert gehalten worden. Sie unterschied zwischen Kommando- und Militärverwaltungsbereich, wobei die Grenzen hier durchaus fließend waren. Lediglich in Etatfragen wie Truppenstärke oder Ausrüstung bedurften die Anordnungen des Kaisers der Gegenzeichnungspflicht von

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Reichskanzler oder preußischem Kriegsminister sowie der Zustimmung des Reichstages. Der kaiserliche Oberbefehl unterlief das sonst übliche verfassungsrechtliche Prinzip der Ministerverantwortlichkeit. Der Reichskanzler hatte durch die konstitutionelle Trennung von Zivil- und einer vom Parlament unabhängigen militärischen Kommandogewalt generell keine Befehlsbefugnisse über die Streitkräfte. Lediglich die kaiserlichen Schutztruppen in den Kolonien unterstanden seit 1907 verfassungsrechtlich der Kommandogewalt einer zivilen Behörde, dem Staatsekretär des Reichskolonialamtes. In der Reichsverfassung wurde damit der Primat der politischen vor der militärischen Gewalt unterminiert. Der Reichskanzler und zugleich Vorsitzende des Bundesrates legte als höchster Vertreter der Zivilgewalt zusammen mit dem Kaiser die Richtlinien der Politik fest. Mithilfe des vom Reichstag im Rahmen des Burgfriedens am 4. August 1914 gebilligten Kriegsermächtigungsgesetzes konnte der Bundesrat und damit die Reichsleitung gesetzesgleiche Verordnungen – über 800 im Verlauf des Krieges – erlassen. Doch ohne Rückhalt und Mitwirkung des Parlamentes waren die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme des Krieges dauerhaft kaum zu lösen. Der Reichstagsmehrheit gelang es zunächst 1915 mit dem Hauptausschuss, dann 1916 mit dem Interfraktionellen Ausschuss die anfängliche »Selbstentmachtung des Parlamentes« ( 1.15   Mommsen, S. 37) zu überwinden und den Einfluss auf Gesetzgebung, Reichspolitik und Militärangelegenheiten wieder zu verstärken. Wesentliches Druckmittel des Reichstages blieben die Entscheidungskompetenzen in Fragen der Bewilligung der Kriegskredite und des Militäretats. Hier hatte der preußische Kriegsminister in seiner Funktion als Bundesratsbevollmächtigter und Vorsitzender des Bundes rats ausschusses für das Landheer und die Festungen sowie als Sprecher von Reichsleitung und Armee dem Parlament gegenüber Rede und Antwort zu stehen. Das betraf während des Krieges u.a. auch Fragen zu den armeeinternen Missständen und der Handhabung und Kontrolle des Kriegszustandsrechtes. Mit Erklärung des Kriegszustandes auf der Grundlage des preußischen Belagerungszustandsgesetzes von 1851 war die vollziehende Gewalt in der Heimat Ende Juli 1914 an die 57 örtlichen Militärbefehlshaber übergegangen. Dazu zählten neben den stellvertretenden Generalkommandos auch die Gouverneure und Kommandanten der Festungen. In Bayern erließ der Landesherr zeitgleich eine entsprechende Verordnung auch für sein Territorium, wobei hier der bayerische Kriegsminister als Militärbefehlshaber fungierte. Letztere verfügten neben dem Kommando über das Besatzungsheer auch über nahezu diktatorische Machtbefugnisse in der Heimat, die sich substanziell auf das

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öffentliche und private Leben beispielsweise in Zensurangelegenheiten oder Fragen der öffentlichen Ordnung auswirkten. Im November 1916 wurden die stellvertretenden General komman dos in allen kriegswirtschaftlichen Fragen dem preußischen Kriegsministerium unterstellt. Damit erlangte die oberste Militärverwaltungsbehörde erstmals auch Kommandobefugnisse über die Streitkräfte. Einen Monat später wurde der preußische Kriegsminister durch den Kaiser zudem als »Obermilitärbefehlshaber von Berlin« berufen. Er fungierte damit als Aufsichts- und Beschwerdestelle der vollziehenden Gewalt, wobei er aber den Militärbefehlshabern weitgehende Freiheiten bei ihrer Amtsführung überließ. Sie behielten eine exponierte Position im Machtgefüge. Erst im Oktober 1918 erhielt er ein verbindliches Weisungsrecht gegenüber den stellvertretenden kommandierenden Generalen. Anordnungen waren im Einvernehmen mit dem Reichskanzler oder mit dem von ihm bestellten Vertreter zu treffen. Im Zuge des Parlamentarisierungsprozesses wurde zur gleichen Zeit seinem Ressort noch das bislang für die Offizierpersonalien verantwortliche Militärkabinett angegliedert. Anfang November 1918 übertrug ihm eine Kabinettsorder schließlich das Kommando über alle militärischen Dienststellen und Truppen des preußischen Kontingents. Die Formulierung der Politik des Reichskanzlers vollzog sich stets im Umfeld dieser Phalanx ranghoher Militärs, die ein Übergreifen der Zivilgewalt und parlamentarischer Kontrolle auf Armee und Marine mit allen Mitteln zu verhindern suchten. Des Kaisers Vorliebe für das Militär erschwerte dabei die Rolle der Reichsleitung. Die Führung allein des preußischen Heeres war schon vor dem Krieg auf annähernd 40 widerstreitende militärische Ressorts und Immediatstellen zersplittert. Persönlicher Einfluss im Kampf um die Gunst des Obersten Kriegsherrn spielte in diesem an sich auf Ausgleich und Kompromisse angewiesenen Systems unweigerlich eine wichtige Rolle. Prestige-, Konkurrenz- und Ressortdenken charakterisierten es. Ziele wurden oftmals wie im Falle der militärischen Führungskrise der Jahreswende 1914/15 mit Intrigen ver folgt. Planungen in diesem »administrativen Partikularismus« (  1.5   Chickering, S. 44) liefen zumeist ohne Wissen anderer Ressorts bzw. sogar innerhalb dieser getrennt voneinander oder gegeneinander. Auch die in zahlreiche eigene Immediatstellen aufgeteilte Marineführung agierte in allen Belangen weiterhin völlig unabhängig vom Heer. Eine Wiedereinführung der bereits 1897 aufgelösten Landesverteidigungskommission, die aus Generalen und Admiralen bestand und als Zentralstelle für die Koordinierung der militärischen Verteidigungsmaßnahmen fungierte, fand nicht statt. Ein etwa dem britischen »Commitee of Imperial Defence« oder dem französischen »conseil supérieure de la defense nationale« vergleichbares strate-

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gisches Führungsgremium fehlte auf deutscher Seite während des Krieges. Marine- und Heeresführung gingen sich zumeist aus dem Weg. Antipathie und Misstrauen prägten das Verhältnis der Führungsspitzen untereinander. Die schon vor dem Krieg durch den Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Großadmiral Alfred von Tirpitz, maßgeblich beeinflusste Marineführung bot intern ein ebenso zerstrittenes Bild. Tirpitz hatte etwa den machtkonkurrierenden Admiralstab nahezu zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Erst im August 1918 richtete die auch im Krieg stets um ihre Position und ihr Prestige gegenüber dem Heer besorgte Marine im Großen Hauptquartier eine eigene Seekriegsleitung (»Oberste Seekriegsleitung«) ein. Mit Kriegsbeginn stand de facto der Chef des Generalstabes des Feldheeres an der Spitze der militärischen Hierarchie des Feldheeres. Im Frieden noch hatte er wie die beiden anderen Vertreter der dreigeteilten Führungsspitze unterhalb des Kaisers (preußischer Kriegsminister und Chef des Militärkabinetts) keine Kommandogewalt und war im Wesentlichen für die Aufmarsch- und Operationsplanungen zuständig. Der in operativen Fragen und der Truppenführung unerfahrene Wilhelm II. setzte die schon unter seinem Großvater übliche Abtretung der Führungsaufgaben über das Feldheer im Krieg fort. Die allgemeinen Mobilmachungsbestimmungen verliehen dem Generalstabschef das Recht, im Namen des Obersten Kriegsherrn operative Befehle zu geben. Zwar verblieb die höchste Kommandogewalt de jure beim Kaiser, praktisch aber lag die »oberste Kriegsleitung« (  7.4   Huber, Bd 5, S. 199) in Händen des für sie allein verantwortlichen Chefs des Generalstabes des Feldheeres. Er gab seine Anordnungen im Namen des Kaisers. Die Zustimmung Wilhelms II. war nur mehr in entscheidenden Entschließungen oder bei erheblichen Streitigkeiten zwischen dem Generalstabschef und höheren militärischen Führern sowie bei Meinungsverschiedenheiten mit den Verbündeten erforderlich. In täglichen Lagevorträgen indes, bei denen neben dem Kaiser auch der Chef des Militärkabinetts, Generaloberst Moriz Freiherr von Lyncker, der kaiserliche Generaladjutant, Generaloberst Hans Georg von Plessen, und gelegentlich der preußische Kriegsminister anwesend waren sowie bei Bedarf der Chef des Marinekabinetts, Admiral Georg Alexander von Müller, oder andere militärische Fachleute herangezogen wurden, erörterte der Generalstabschef die Eckpunkte der Kriegführung. Im Grunde genommen handelte es sich dabei aber um reine Ergebnisreferate mit fertigen operativen Entscheidungen des Generalstabes. Der Monarch stimmte diesen in der Regel zu. Oft erfuhr der Kaiser dabei nicht mehr, als die Führungsspitzen für unbedingt notwendig erachteten. Der »Oberste Kriegsherr« wurde bei den operativen Entscheidungsprozessen bewusst ausgegrenzt.

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Dennoch behielt der Kaiser in der höchsten politischen und militärischen Führung in strategischen Fragen im Laufe des Krieges einen bedeutenden Einfluss. Diesen konnte er in erster Linie in Form wichtiger Personalentscheidungen über die unmittelbar in seinem Umfeld wirkenden Chefs von Militär-, Marine- und Zivilkabinett geltend machen. Er wurde hier trotz der zunehmenden kritischen Distanz zu seiner Person nach wie vor für unverzichtbar gehalten. So ließ der Kaiser auch seinen in weiten Kreisen des Militärs umstrittenen Generalstabschef Falkenhayn erst ablösen, als dieser nach dem Kriegseintritt Rumäniens aufseiten der Entente im August 1916 jeglichen Rückhalt in der Öffentlichkeit und der politischen Führung verloren hatte. Die obersten Kommandobehörden des Feldheeres, einschließlich dienstälterer und ranghöherer Armee- und Heeresgruppenkommandeure, waren an die Weisungen des Generalstabschefs gebunden. Auf das heimatliche Besatzungsheer konnte er über den Kaiser als Bundesfeldherren einwirken. Die überragende Rolle des Generalstabschefs des Feldheeres äußerte sich letztlich darin, dass die gesamten Landstreitkräfte des Reiches im Laufe des Krieges unmittelbar oder mittelbar unter seine Führung traten. Zugleich wurde die noch im Frieden zur Beschränkung des parlamentarischen Einflusses übliche Aufteilung in die vielen selbstständigen hohen Kommando- und Verwaltungsbehörden eingeschränkt. Auch das preußische Kriegsministerium und das Militärkabinett standen zunehmend im Schatten eines übermächtigen Generalstabes, der im Mai 1918 durch eine Kabinettsorder (mit Entsprechung für den Admiralstab) in der Rangordnung den Zentralbehörden des Reiches gleichgestellt wurde. Die Dezentralisation der Führung wurde aber keineswegs völlig aufgehoben. In der zweiten Kriegshälfte beanspruchte der Generalstab unter dem Führungsduo Hindenburg und Ludendorff auch in kriegspolitischen Fragen über ein bloßes Mitspracherecht hinaus Entscheidungsbefugnisse und setzte sie auch durch. Das in diesem Kontext bis heute noch weit verbreitete Bild der stillen Militärdiktatur Ludendorffs in der 3. OHL und der bloßen Funktion von Reichsleitung und bundesstaatlicher Regierungen als Erfüllungsgehilfen geht trotz der Ausprägung totaler Züge in der gesamten Kriegführung allerdings zu weit. So kam es selbst an diesem Tiefpunkt der kaiserlichen Macht nicht zu einer völligen Gleichschaltung aller militärischer Immediatbehörden. Bis zuletzt blieb eine umfassende und einheitliche militärische Führung im Zuge konkurrierender und teils aufgabenübergreifender Machtzentren aus. Die Zuständigkeit des Generalstabschefs beschränkte sich unverändert auf die Landkriegführung. Die Marine blieb allein unter dem verfassungsgemäßen Oberbefehl des Kaisers. Anders als bei der auffälligen Zurückhaltung in der Führung der Landkriegsoperationen wollte der

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launische und oft impulsive Herrscher die höchste Befehlsgewalt hier aktiv selbst ausüben. Da Wilhelm II. sich den Forderungen der Politik durchaus aufgeschlossen zeigte, besaß die Stimme des Reichskanzlers in der Seekriegführung, beispielsweise in Fragen des U-Boot-Krieges, deutlich mehr Gewicht als im Landkrieg. Zu einer Koordination der Marineführung war Wilhelm II. allerdings genau so wenig in der Lage wie bei der Lenkung der Gesamtstrategie des Reiches. Des Kaisers Führungsschwäche ließ den durch die marineinternen Differenzen erheblich geschwächten Admiralstab kaum mehr als einen Juniorpartner der dominanten Heeresleitung erscheinen. Eine Zusammenarbeit von Heer und Marine in Form gemeinsamer Operationen während des Krieges beschränkte sich auf wenige Ausnahmefälle, so beispielsweise bei der Landung deutscher Truppen auf den baltischen Inseln Ösel, Moon und Dagö im Oktober 1917 (Unternehmen »Albion«). Gleichfalls problematisch gestaltete sich das Zusammenwirken mit den höchsten Führungsebenen der Verbündeten. Erst im Zusammenhang mit der rumänischen Kriegserklärung einigten sich die Mittelmächte Anfang September 1916 auf eine einheitliche Leitung der Operationen unter dem deutschen Kaiser und damit der OHL (»Oberste Kriegsleitung«); ein Schritt, den allerdings auch die Gegenseite erst im Dezember 1917 mit der Einrichtung eines Alliierten Obersten Kriegsrates und schließlich im April 1918 eines gemeinsamen Oberbefehls an der Westfront unter General Ferdinand Foch vollzog. Die Hoheitsrechte der einzelnen Länder der Mittelmächte wurden davon allerdings nicht berührt. Zudem kündigte der neue österreichische Kaiser Karl bereits im November 1916 die Vereinbarung wieder auf. Gegenseitiges Misstrauen und Vorurteile prägten vielfach die Beziehungen zwischen den militärischen Führungsspitzen. Die ständigen Reibungen zwischen dem k.u.k und dem deutschen Generalstab waren dafür ein besonders markantes Beispiel. Die Zusammenarbeit galt eher als notwendiges Übel. In der gemeinsamen Operationsführung, so beispielsweise bei der mit der Schlacht von Tarnów-Gorlice beginnenden Sommeroffensive 1915 in Galizien und Russland wie auch in Rumänien 1916, gestaltete sie sich indes oft erfolgreich.

Das Heer Charakteristika Das aus besonders tauglichen Wehrpflichtigen bestehende aktive Friedensheer (25 Armeekorps, gemäß Haushaltsplan von 1914 rund 800 000 Mann) diente als Rahmen für den Aufwuchs des Millionenheeres im Krieg. Dieses gliederte sich grundsätzlich in seinen einzelnen Kontingenten in das mobile Feldheer mit seinen Armeen und das hei-

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matliche, vorwiegend immobile Besatzungsheer, dessen Hauptbestandteil die Ersatzformationen bildeten. Zum Besatzungsheer zählten zudem die nicht dem Feldheer angegliederten Landwehr- und Landsturmtruppen, die stellvertretenden Kommando- und Verwaltungsbehörden des Feldheeres und die Landwehrbezirkskommandos. Zwischen rückwärtigem Operationsgebiet des Feldheeres und der Heimat lagen im Kriegsverlauf die Etappenorganisation und teils die Generalgouvernements (Belgien, Warschau) bzw. die Militärverwaltungen im Gebiet des Oberbefehlshabers Ost und Rumäniens. Die Kriegsstärke des Heeres betrug im August 1914 rund 3,8 Millionen Mann, davon 2,4 Millionen Mann im Feldheer. Die durchschnittliche Ist-Stärke zählte während des Krieges 6,4 Millionen Köpfe. Für die mit der Mobilmachung eintretende Kriegsgliederung war die taktische Verwendung der Truppen maßgeblich. Die Kriegsgliederung regelte die Befehls- und Verwaltungsverhältnisse für die Dauer des Feldzuges. Die jüngsten Reservistenjahrgänge ergänzten zunächst zu ca. 46 Prozent die aktiven Einheiten des Feldheeres. So vergrößerte sich etwa eine Infanteriekompanie von rund 150 Mann Friedens- auf 270 Mann Kriegsstärke. Ältere Reservisten und jüngere Landwehrangehörige (bis 30 Jahre) stellten zu Beginn dagegen die Masse der ähnlich gegliederten Reserveverbände (ein Prozent aktive Soldaten), die neben die aktiven Verbände an der Front traten. Viele der sich unaufgefordert zum Dienst meldenden Kriegsfreiwilligen ergänzten nach ihrer Ausbildung die im Herbst und Winter 1914 neuaufgestellten Reservedivisionen. Die Landwehr formte eigene Truppenteile zu Besatzungszwecken, bildete aber auch mobile Brigaden, Divisionen und Korps des Feldheeres. Landsturmformationen mit anfangs ausgebildeten Landsturmangehörigen des II. Aufgebotes ab 39 Jahren waren für Grenz-, Küsten- und Bahnschutzaufgaben vorgesehen. Sie kamen im Westen im Laufe des Krieges auch an weniger gefechtsintensiven Frontabschnitten zum Einsatz. Die unausgebildeten Landsturmangehörigen des I. Aufgebotes (bis 39 Jahre) waren als Ersatz für die aktiven und Reserveregimenter, die des II. Aufgebotes für Landwehr- und Landsturmverbände vorgesehen. Der enorme Ersatzbedarf des Krieges sowie die andauernden Neuformierungen verwischten diese Unterschiede zunehmend. So wurden Reserve- und aktive Truppenteile beispielsweise in neuaufgestellten Divisionen zusammengefasst. Die Wehrpflichtigen wurden letzten Endes ohne Rücksicht auf ihr Militärdienstverhältnis in der Truppe verwendet, wobei die militärische Führung im Laufe des Krieges bestrebt war, jüngere Soldatenjahrgänge möglichst vorne bei kampfintensiven Frontverbänden einzusetzen. Die Organisation des Millionenheeres zwischen 1914 und 1918 durchlief in Anpassung an die Bedingungen des sich ausprägenden industri-

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Wehrpflicht Nach der Verfassung des Deutschen Reiches war jeder männliche Deutsche wehrpflichtig und konnte sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. Die Wehrpflicht gliederte sich in die Dienstpflicht in Heer und Marine (vollendetes 20. bis 39. Lebensjahr) und die Landsturmpflicht (vollendetes 17. bis 45. Lebensjahr). Die Dienstplicht in Heer und Marine bestand aus der aktiven Dienstplicht (zwei bis drei Jahre je nach Waffengattung) sowie der anschließenden Reservepflicht und Landwehr- bzw. Seewehrpflicht, I. und II. Aufgebot (= Beurlaubtenstand). Für alle nicht zum Dienst einberufenen tauglichen Wehrpflichtigen galt eine zwölfjährige Ersatz- bzw. Marineersatzreservepflicht. Alle nicht dem Heer oder der Marine angehörigen Wehrpflichtigen zählten zum Landsturm (Aufruf im Kriegsfall). Bis zum vollendetem 39. Lebensjahr waren alle Landsturmpflichtigen (I. Aufgebot) ungedient. Angehörige des Heeres und der Marine traten nach vollendeten 39. Lebensjahr bis zum vollendeten 45. Lebensjahr zum Landsturm (II. Aufgebot) über. Im Krieg blieben die Landsturmangehörigen auch nach Vollendung des 45. Lebensjahres dienstpflichtig. Ausnahmen galten u.a. für die Einjährig-Freiwilligen: »Junge Leute von gewisser Bildung oder Berufsleistung, die während ihrer Dienstzeit sich selbst bekleiden, ausrüsten und verpflegen, werden schon nach einer einjährigen aktiven Dienstzeit bei einem selbstgewählten Truppenteil zur Reserve beurlaubt. Sie bleiben 6 Jahre in der Reserve.« Quelle: Leitfaden für den Unterricht über Heerwesen auf den Königlichen Kriegsschulen, 14. Aufl., Berlin 1913, S. 36‑40. alisierten Krieges einen permanenten Veränderungsprozess. Die strukturelle Entwicklung des Heeres stand dabei generell in einer engen Wechselwirkung mit der zunehmenden Technisierung der Kriegführung sowie der Ausprägung immer komplexerer Kampfverfahren im Gefecht. Hinzu trat die sich im Laufe des Krieges für das Deutsche Reich stetig verschärfende Personal-, Pferde-, und Rohstofflage. Diese Defizite übten einen nachhaltigen Einfluss auf die Entscheidungen der deutschen militärischen Führung aus. Die einschneidendsten organisatorischen Veränderungen des Heeres vollzogen sich seit Ende 1916 unter der 3. OHL. Ziel war eine effiziente Mobilisierung aller Ressourcen für den Krieg bei gleichzeitiger Schaffung eines breit qualifizierten und flexibel geführten Massenheeres. Dieses sollte den Krieg unter stärkerer Berücksichtigung von Technik und der kooperativen Zusammenarbeit der Waffengattungen führen, während die Kavallerie längst ihre ehemals schlachtentscheidende Bedeutung verloren hatte. Zugleich wiesen die Anfänge eines kombinierten taktischen Einsatzes von Land- und Luftstreitkräften schon in Richtung der beweglichen mehrdimensionalen Kriegführung der Zukunft. Die deutsche OHL setzte hierbei vorrangig auf die Massenfabrikation erprobter Kampfmittel, auch Giftgas, sowie ein verbessertes Zusammenwirken

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Generalkommando Kommandierender General Chef des Generalstabes

Generalstabs-Abt. I Ia: Führung Ib: rückwärtige Dienste Ic: Feindlage zugeteilt: - Ordonanzoffiziere (mit Dolmetscher) - Spezialisten für Sonderdienste + Maschinengewehrwesen + Artilleriewesen + Pionierwesen + Nachrichtenwesen + Verkehrswesen + Luftstreitkräfte + Gastruppen

Adjutantur II IIa: Offizierpersonalien IIb: pers. Dienst b. General IIc: Mannschaftsersatz/Pferde

Feldjustiz III

Feldpostamt

IVa: Intendantur- und Kassenwesen

IVb: Sanitätswesen

IVc: Veterinärwesen

IVd: Militärseelsorge

Kommandant des Haupt-/ Stabsquartiers Stabswache Feldgendarmerie Bagagen

Quellen: 1.1 Deutsche Militärgeschichte, Bd 3, Abschnitt V, S. 226.

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der konventionellen Elemente Infanterie und Artillerie im Gefecht. Die Motorisierung des Heeres kam dagegen wegen der Rohstoffknappheit über einige Anfänge nicht hinaus. Der Mangel an Gummi zwang beispielsweise zu einer Verwendung der eigentlich ungeeigneten Eisenbereifung bei Lastkraftwagen. Deren Produktion sowie auch die Herstellung von Munition, Geschützen, Maschinengewehren und Flugzeugen ging indes auf Kosten des Baus neuartiger Tanks, der weitgehend vernachlässigt wurde. Das Pferd blieb wie im 19. Jahrhundert bis zum Kriegsende von überragender Bedeutung für die Beweglichkeit der Truppe. Trotz zahlreicher Schonungsbefehle seitens der Führung zum Erhalt des Pferdebestandes sowie einer gezielten Verteilung der Tiere bei der Truppe konnte der eklatante Pferdemangel nicht ausgeglichen werden. Er führte in Verbindung mit der kaum ausgeprägten Motorisierung zu einer weitgehenden operativen Immobilität des Feldheeres 1918. Davon waren besonders die Logistiktruppenteile und die Artillerie, aber auch die eigentlichen Kampftruppen betroffen. Mit der Ausprägung des industrialisierten Krieges stiegen die Aufgaben militärischer Führung im Heer immens an. Die immer anspruchsvollere Koordination von unterschiedlichen Waffengattungen bis hin zum Einsatz von Luftstreitkräften im Gefecht, die Regelung unter anderem von Ausbildung, Logistik und Sanitätsdienst, die Wahrnehmung von Aufgaben der allgemeinen Verwaltung, Militärjustiz und auch Propaganda führten zu einer steten Ausweitung des militäri-

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schen Stabssystems hinter der kämpfenden Truppe an der Front. Nach dem Übergang zum Stellungskrieg verwalteten diese militärischen Stäbe spätestens ab der Ebene eines Armeekorps (Generalkommando) bis hin zur OHL aus sicherer Entfernung von der Front bürokratisch den Krieg. Während Frontoffiziere und Soldaten vorne trotz vielfacher sozialer Gegensätze und Spannungen zwangsläufig oft näher zusammen rückten, wuchs das Misstrauen vor allem gegen die Befehlenden hinten. Diese zunehmende Distanz führte zu starken Ressentiments und sogar Hass bei der Fronttruppe gegenüber den »Herren am grünen Tisch«. Als Führungsinstrumente der Kommandeure gliederten sich die aus Soldaten (Aktive und Reservisten), Militärbeamten und Geistlichen bestehenden Stäbe in einzelne selbstständige Ressorts bzw. Abteilungen/ Referate. Ab der Divisionsebene waren dabei die speziell ausgebildeten Generalstabsoffiziere mit den zentralen Führungsaufgaben betraut. 625 Offiziere befanden sich zu Kriegsbeginn im Generalstabsdienst des Heeres (Generalstab des Feldheeres und Truppengeneralstab). Die Stabsgliederung und Aufgabenverteilung auf den einzelnen Führungsebenen (Abteilungen I‑ IV sowie weitere Ordonanzoffiziere und Spezialisten für Sonderdienste und Waffengattungen) war seit 1914 annähernd gleich. Armeeoberkommandos sowie zeitweise auch Heeresgruppenkommandos verfügten zusätzlich wie bei der OHL über einen eigenen Oberquartiermeister, der den Chef des Generalstabes bei der Auftragserfüllung entlastete und diesen zugleich vertrat. Maßgeblich für den Befehlsweg war die taktische Unterstellung der einzelnen Verbände. Auf einem weiteren fachdienstlichen Wege kommunizierten von der OHL abwärts in den Stäben die Vertreter der technischen Waffen, des Sanitätswesens und der Logistik. So konnten Waffenvorgesetzte wie etwa der Stabsoffizier der Pioniere bei einem Armeeoberkommando Spezialanordnungen an einen Pionierkompaniechef einer Division erteilen, dieser wiederum umgekehrt Anträge nach oben geben. In der Führungsstruktur des Heeres blieben die speziell als Führungsgehilfen ausgebildeten Generalstabsoffiziere die wichtigsten Berater der Kommandeure. Sie übten mit ihrer Tätigkeit im täglichen Geschäftsbetrieb einen erheblichen Einfluss auf Führungsentscheidungen aus und sicherten die immer exponiertere Machtstellung des Generalstabes im Krieg. Schon Schlieffen hatte vor dem Krieg danach gestrebt, seinen Einfluss auf das Heer über einheitlich nach seinen operativen Gedanken ausgebildete Generalstabsoffiziere zu sichern. Der Chef des Generalstabes in den höheren Kommandobehörden bzw. auch der Erste Generalstabsoffizier einer Division koordinierte im Laufe des Krieges nicht nur die Arbeit aller Ressorts im eigenen Stab, die ihm grundsätzlich zuzuarbeiten hatten. An seinem Schreibtisch und seiner

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Befehlsstruktur Heer ARMEEOBERKOMMANDO

Pionierstabsoffizier beim AOK

TAKTISCHER BEFEHL

Armeearzt

Armeeintendant

S P E Z I A L A N O R D N U N G E N

Generalkommando

Kommandeur Pionierbataillon

Korpsarzt

Korpsintendant

Division

Kompaniechef Pionierkompanie

Divisionsarzt

Divisionsintendant

Quelle: 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, Bd 8, S. 433.

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Stellungnahme führte in der Regel kein Weg vorbei. Vielmehr wurden bei internen Besprechungen der Generalstabsoffiziere etwa einer Armee auch alle Weichen der Kriegführung vorgestellt. Generalstabsoffiziere saßen am Ende nicht nur in der OHL an den Nahtstellen zwischen Kriegführung, Politik und Wirtschaft. Ludendorff in seiner eigens für ihn geschaffenen Stellung des Ersten Generalquartiermeisters hatte keine persönliche Befehlsgewalt über die Truppe. Dafür förderte er in der zweiten Kriegshälfte nachhaltig eine quasi informelle Führungsstruktur in Form einer ausufernden und viel kritisierten »Generalstabs- bzw. Chefwirtschaft«, die oftmals die eigentlichen Befehlshaber höheren Lebensalters überging. Ähnlich verfuhren auch die Generalstabschefs der höheren Kommandobehörden, wobei sich gerade auf dem »Generalstabsdienstweg« das Telefon zu einem zentralen Führungsmittel im Krieg entwickelte. Das fachdienstliche Unterstellungsverhältnis der Truppengeneralstabsoffiziere unter den Chef des Generalstabes des Feldheeres bot für diese schleichende Machtverschiebung die Grundlage. Dennoch blieb die alleinige Verantwortung stets bei den Kommandeuren und Oberbefehlshabern, wobei der jeweilige Chef des Generalstabes, so ein gängiges Verfahren, abweichende Auffassungen aktenkundig machen konnte. Diese informellen Führungsstrukturen im deutschen Stabssystem beruhten nicht zuletzt auf jahrelang wie »Seilschaften« aufgebauten Verbindungen der Protagonisten untereinander. Dabei spielte die gemeinsame Zugehörigkeit zu einem bestimmten Regimentsoffizierkorps eine nicht

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unbedeutende Rolle. Auch im Generalstab selbst stützte sich Ludendorff auf eine Reihe von alten Vertrauten und Weggefährten. Trotz der »Seilschaften« war das Verhältnis auch unter vielen Kommandeuren, die zumeist selbst über eine Generalstabsausbildung verfügten, oftmals durch Eitelkeiten, gegenseitige Missgunst und nicht zuletzt Prestigefragen charakterisiert. Auffällig blieben innerhalb der Führungseliten neben den schon in der Friedenszeit evidenten Vorbehalten zwischen den einzelnen Waffengattungen auch gegenseitige landsmannschaftliche Ressentiments. Preußen blickten oft verächtlich auf die Bayern, die sich wiederum von der norddeutschen Dominanz bevormundet fühlten. Die Vereinheitlichung der einzelnen Kontingente des Heeres schon im Frieden hatte keinesfalls zu einem Abbau mentaler Barrieren im Krieg geführt. »Unerträglich« empfanden es Kommandeure zudem, wenn sie einem jüngeren unterstellt wurden. Zwar wurde im Krieg auch von höheren Befehlshabern eine stärkere Berücksichtigung der Leistung bei Beförderungen gefordert, allerdings blieb das Anciennitätsprinzip generell bestehen. Bei den Generalstabsoffizieren hatte das Leistungsprinzip dagegen schon vor dem Krieg eine stärkere Berücksichtigung gefunden. Ein weiteres wesentliches Spannungsfeld kennzeichnete die Entwicklung der Führungsstrukturen innerhalb des deutschen Massen heeres im Ersten Weltkrieg. Die immer aufgelockerte ren Gefechtsformen sowie insbesondere die noch mangelnden technischen Kom munikationsmöglichkeiten zwangen die höheren Füh rungsebenen einerseits, mehr Führungsfreiheiten nach unten abzugeben. Befehle brauchten oft mehrere Stunden, bis sie von den hinteren Stäben die Fronttruppe erreichten. Aus Moltkes Tradition des Führens mit Direktiven hatte sich im deutschen Heer wegen der steten Unsicherheit in Gefechtslagen schon vor dem Krieg das Prinzip der Auftragstaktik etabliert. Sie gewährte dem Befehlsnehmer für eine flexible Auftragserfüllung ein gewisses Maß an Selbstständigkeit. Schematisiertes Handeln im Gefecht wurde dabei strikt abgelehnt und lageangepasstes Denken der Führer verlangt. Dieses Führungskonzept setzte eine gute Ausbildung und Vertrauen in die Untergebenen voraus. Nun forderte andererseits die immer anspruchsvollere Führung des Zusammenwirkens unterschiedlicher Waffengattungen bei immer knapperen Ressourcen zugleich die Durchsetzung vereinheitlichender, aber immer komplexerer taktischer Verfahren. Dies überspannte oft nicht nur die militärischen Fähigkeiten der zumeist nur mangelhaft ausgebildeten Soldaten und Führer des Massenheeres, sondern auch vieler älterer Offiziere. Zudem musste dauernd eine effektive Verbindung zentralisierter und dezentralisierter Elemente der Führung unterschiedlichster Waffen im Gefecht gefunden werden. Wie viele Einzelheiten waren etwa

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in Operationsbefehlen für eine einheitliche Gefechtsführung zu regeln und festzulegen bzw. welche Freiräume waren bei der Ausführung den untergeordneten Ebenen wo und wann zu überlassen? Die neuen Gefechts- und Ausbildungsvorschriften des Heeres versuchten in der zweiten Hälfte des Krieges Antworten auf diese Problematik zu geben. Sie berücksichtigten dabei auch die bislang durch die Dominanz der Offensive nahezu ausgeklammerte Verteidigung. Die Führungspraxis im Heer blieb indes ambivalent. Viele Kommandeure misstrauten dem schnell aufgewachsenen Massenheer. Dies wurde mit einer Entwicklung zur Miliz gleichgesetzt, die man strikt ablehnte. Skepsis herrschte hier selbst gegenüber den militärischen Fähigkeiten junger Generalstabsoffiziere. Die Dezentralisierung von Führung blieb insbesondere im technisierten Stellungskrieg an der Westfront umstritten. Zugleich fiel die Einschränkung der eigenen Kontrolle schwer. So rissen auch trotz der vielbeschworenen Auftragstaktik die Klagen der Truppe in der zweiten Hälfte des Krieges über die oft gängelnde und als lästig empfundene Kontrolle der höheren Führung nicht ab. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen einzelnen Führungsebenen war belastet. Ludendorff hinter Hindenburg an der Spitze des Heeres war dafür ein bezeichnendes Beispiel. So nahm er die Klagen der Truppe zum Anlass, den Verzicht auf kleinliches Befehlen anzuweisen und mehr Selbstständigkeit nach unten zu gewähren. Gleichzeitig praktizierte er selbst einen zentralistischen Führungsstil und mischte sich laufend über Telefon sehr zum Ärger der Kommandeure in die Führung der Fronttruppe ein. Am Ende zählte allein der Erfolg. Pessimismus wurde scharf verurteilt. Auszeichnungen und Anerkennung als wichtige Prestigefaktoren winkten. Bei Misserfolgen drohte dagegen eine »schmachvolle« Ablösung vom Kommando oder »Absägen«, wie es schon im zeitgenössischen Militärjargon hieß. Das mit der Gewährung von mehr Selbstständigkeit zugleich verbundene Abschieben von Verantwortung nach unten zeigte dadurch seine für die Betroffenen negative Rückwirkung. Es betraf vielfach die verantwortlichen Generalstabsoffiziere in den Stäben, aber auch oft ihre Kommandeure, sofern nicht etwa dynastische Gründe dagegen sprachen. Diese Art der Führungspraxis setzte sich bis auf die untersten Ebenen in der Truppe durch. Preußisches Kriegsministerium Das preußische Kriegsministerium mit rund 600 bis 700 Offizieren und Beamten zu Beginn des Krieges verblieb während des Krieges oberste Militärverwaltungsbehörde. Die Zuständigkeit erstreckte sich auf Rüstungsfragen zur Sicherstellung des Personal- und Materialersatzes des Feldheeres einschließlich der Organisation, Ausrüstung, Bewaffnung sowie des Unterhaltes und der Ausbildung der Mannschaften und Unteroffiziere des preußischen Heeres. Die einzelnen

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Preußisches Kriegsministerium 1918 Kriegsminister bis Oktober 1918 Generalleutnant Hermann von Stein ab Oktober 1918 Generalleutnant Heinrich von Scheüch

Zentraldepartement (ZD)

Versorgungs-und Justizdepartement (CD)

Allgemeines Kriegsdepartement (AD)

Remonte-Inspektion (RI)

Truppendepartement (TD)

Sanitätsdepartement (SD)

Armeeverwaltungsdepartement (BD) Unterkunftsdepartement (UD)

Quelle: 3.15 Cron, Geschichte des Deutschen Heeres, S. 36 f.

Kriegsamt (K) A. Kriegsersatz- und Arbeitsdepartment (ED) B. Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt (Wumba) C. Kriegsrohstoffabteilung (KRA) D. Abt. für Ein- und Ausfuhr (AB)

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Kriegsministerien Sachsens, Württembergs und Bayerns mit ihren Vertretern in Berlin folgten im Krieg zumeist den preußischen Weisungen, die sie für ihre Kontingente umsetzten. Mit dem beträchtlichen Anwachsen der Aufgabengebiete während des industrialisierten Krieges gingen zahlreiche Umgliederungen und Umorganisationen einher. Bereits Mitte August 1914 wurde eine Kriegsrohstoffabteilung unter Vorsitz des Direktors der AEG, Walter Rathenau (ab April 1915 Major Josef Koeth), formiert, um eine zentrale Steuerung und Verteilung kriegswichtiger Rohstoffe in der Kriegswirtschaft sicherzustellen. Schon im Februar 1915 war das während der Mobilmachung aufgelöste und unter anderem für Ernährungsfragen zuständige Verwaltungsdepartment wieder errichtet worden. Zur Durchsetzung des Hindenburgprogrammes ließ die 3. OHL Anfang November 1916 das Kriegsamt unter Generalleutnant Wilhelm Groener (August 1917 Generalmajor Heinrich Scheüch, Oktober 1918 Generalmajor Ulrich Hoffmann) aufstellen. Aus Sicht der OHL hatte sich die bisher dezentrale Organisation kriegswirtschaftlicher Aufgaben im preußischen Kriegsministerium in der Auseinandersetzung mit anderen staatlichen Behörden, Industrie und Gewerkschaften als wenig effizient erwiesen. Doch das Kriegsamt blieb wegen des Widerstandes von Reichskanzler, preußischem Kriegsminister und stellvertretenden

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Generalkommandos gegen eine neue mächtige Immediatbehörde formal Teil des preußischen Kriegsministeriums. Angegliedert wurde die in das Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt (Wumba) umbenannte Feldzeugmeisterei unter Führung von Generalmajor Karl Coupette, der von einem Beirat aus Industrievertretern beraten wurde. Dem Wumba oblag künftig die einheitliche Munitions- und Materialbeschaffung mit Ausnahme des Kraftwagen-, Flieger- und Nachrichtenwesens. Zum Kriegsamt traten weiterhin das Kriegsersatz- und Arbeitsdepartment, die Kriegsrohstoffabteilung, das Bekleidungsbeschaffungsamt, die Ein- und Ausfuhrabteilung sowie die Abteilung für Volksernährung. Mit dieser Gliederung fungierte das Kriegsamt als Zentralstelle für alle Fragen der Kriegswirtschaft und des Ersatzes einschließlich der Umsetzung des Anfang Dezember 1916 in Kraft getretenen Hilfsdienstgesetzes. Die Absicht der OHL, mit dem Kriegsamt eine zentrale und einheitliche Steuerung der Kriegswirtschaft in ihrem Sinne erreichen zu können, erwies sich als Trugschluss. Das Kriegsamt verschärfte das bürokratische Chaos der Militärverwaltung durch weitere Zuständigkeitsüberschneidungen sowohl innerhalb des Kriegsministeriums als auch mit den stellvertretenden Generalkommandos, bei denen örtlich Kriegsamtsstellen angegliedert wurden. Dies führte schnell zu Kompetenzrangeleien in der eigenen Behörde, aber auch zu vielfältigen Konflikten mit den örtlichen Militärbefehlshabern, den Kriegsministerien der Bundesstaaten und dem Reichsamt des Inneren. Groener selbst fiel schon im August 1917 wegen seiner gewerkschaftsfreundlichen Haltung und Kritik an den Kriegsgewinnen der Großindustrie einer Intrige zum Opfer, betrieben durch den Chef der Operationsabteilung II der OHL, Oberstleutnant Max Bauer, und den Industriellen Carl Duisberg. Unter Groeners Nachfolger Generalmajor Heinrich Scheüch wurden die Befugnisse der Behörde dann wieder stark beschnitten. Generalstab des Feldheeres bei der Obersten Heeresleitung Der Große Generalstab der Friedensperiode wandelte sich mit Kriegsbeginn zum Generalstab des Feldheeres bei der Obersten Heeresleitung. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 113 Generalstabsoffiziere in den einzelnen Abteilungen. Er avancierte im Krieg zum wichtigsten Führungsinstrument an der Spitze des deutschen Heeres. In der Reichshauptstadt verweilte der stellvertretende Generalstab der Armee. Dem Chef des Generalstabes des Feldheeres unterstanden im Laufe des Krieges die mobilen Führungsabteilungen des Generalstabes (Zentral-, Operations-, Nachrichtenabteilung bzw. seit Mai 1917 Abteilung Fremde Heere, Sektion bzw. seit Juni 1915 Abteilung IIIb, Politische bzw. seit Februar 1916 Militärpolitische Abteilung), der General-

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Der Generalstab des Feldheeres bei der Obersten Heeresleitung 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen als Oberster Kriegsherr Chef des Generalstabes des Feldheeres Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg 29.8.1916 bis 25.6.1919

Erster Generalquartiermeister General Erich Ludendorff 29.8.1916 bis 26.10.1918

Generalquartiermeister

Generalintendant 2. Kommandant Großes Hauptquartier Feldoberpostmeister Chef des Feldsanitätswesens Geheime Feldpolizei Befehlshaber der Truppen in Luxemburg Chef des Feldkraftfahrwesens Militärbergwerksdirektion Valenciennes

Generalleutnant Wilhelm Groener ab 29.10.1918

Generalstabsabteilungen

Zentralabteilung - Personal - Organisation - Verwaltung

Operationsabteilung mit Munitionsabteilung und Abteilung Balkan - Operationsführung - Kriegsgliederung - Material- und Munitionsbeschaffung

Abteilung Fremde Heere - Organisation/Kräfteverteilung militärischer Gegner

Abteilung IIIb - Spionage(-Abwehr) - Presse - Propaganda mit Vaterländischem Unterricht

Militärpolitische Abteilung

Oberste Waffenbehörden

Kommandierender General der Luftstreitkräfte mit Chef Feldflugwesen Chef des Kriegsvermessungswesens General der Pioniere Chef des Feldeisenbahnwesens Generalinspekteur der Artillerieschießschulen und General der Artillerie Nr. 1 Chef des Nachrichtenwesens

Außenstellen der OHL

- Militärpolitik Gegner

Deutsche Vertretung im besetzten Italien Beauftragter für den westlichen Kriegsschauplatz Beauftragter in Pferdeangelegenheiten Beauftragter in Berlin Beauftragter für das Beute- und Sammelwesen General der Munitionskolonnen und Trains im Gr. Hauptquartier

Militärbevollmächtigte bei den Verbündeten Außenstelle OHL Berlin: stellv. Generalstab der Armee mit Kriegspresseamt - Kriegsakten, Karten, Kriegserfahrungen, Beutegut - Überwachung Eisenbahn-, Nachrichten- und Pressewesen

Auslandsabteilung OHL - Propaganda In- und Ausland

Front: Beauftragter General der OHL zur Überwachung der Ausbildung an der Westfront (Jan. bis Aug. 1918)

Quellen: 7.2 Görlitz, Der Deutsche Generalstab, Tafel V; 3.15 Cron, Geschichte des Deutschen Heeres, S. 7–23.

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quartiermeister mit den nachgeordneten Dienststellen, die obersten Waffenbehörden und Chefs der technischen Spezialgebiete sowie die Außenstellen der OHL. Die Anpassung der Abteilungen und Ressorts an die erweiterten Aufgaben industrialisierter Kriegführung führte zu vielfältigen Überschneidungen mit dem Kriegsministerium, aber auch anderen militärischen Dienststellen und Reichsbehörden. Unter der 3. OHL vollzogen sich die einschneidendsten organisatorischen und personellen Veränderungen, wobei das Führungssystem straffer auf den Chef des Generalstabes ausgerichtet werden sollte. Dazu wurde für Ludendorff eigens der Posten eines Ersten Generalquartiermeisters und damit quasi die Funktion eines Chefs des Stabes eingerichtet. Er hatte die Arbeit der einzelnen Abteilungen zu koordinieren und Hindenburg in der Person des Feldherrn zu beraten. Erhebliche Zuständigkeitserweiterungen ergaben sich in erster Linie für die Operationsabteilung (Oberst, später Generalmajor Gerhard Tappen; August 1916 Major, später Oberstleutnant Georg Wetzell; September 1918 Oberst Wilhelm Heye), der ein Verbindungsoffizier der Marine zugeteilt war. In gleicher Funktion verweilte auch ein Vertreter des Generalstabes bei der Seekriegsleitung. Im Kern verantwortlich für Aufmarschplanungen, Operationsführung und Kriegsgliederung des Heeres, wurden die Kompetenzen der Operationsabteilung vor allem in Fragen der Kriegswirtschaft ausgebaut. So trat im Sommer 1916 neben eine für den Balkan eingerichtete spezielle Operationsabteilung B (Oberstleutnant Hermann Mertz von Quirnheim) auch die neuformierte Operationsabteilung II (Oberstleutnant, später Oberst Max Bauer). Sie vereinigte die Materialbeschaffung mit den Aufgaben der aufgelösten Stelle des Feldmunitionschefs. Daneben nahmen insbesondere Pressearbeit und Propaganda während des Krieges über die ursprünglich reine Aufrechterhaltung der militärischen Geheimhaltung hinaus einen immer größeren Stellenwert in der OHL ein. Der Abteilung IIIb (Major, später Oberstleutnant Walter Nicolai) wurde 1915 das in Berlin aufgestellte und dem stellvertretenden Generalstab angegliederte Kriegspresseamt zugeordnet. Höhere Kommandobehörden des Feldheeres von der Heeresgruppe bis zur Division Die höheren Kommandobehörden zwischen OHL und den Armeekorps (Generalkommandos) sowie die Generalkommandos der Reserve- und Landwehrkorps entstanden erst während des Krieges. Die zentralisierte Führung großer und weit entfernt operierender Heereskörper eines Millionenheeres erwies sich für die OHL wegen der noch unausgereiften technischen Kommunikationsmöglichkeiten schon in der ersten Kriegsphase im Westen als uneffektiv. Sie entschloss sich daher bereits im November 1914, zunächst größere Armeegruppen unter Führung des jeweils dienstältes-

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ten Armeekommandeurs zu formieren. Schließlich wurden im weiteren Kriegsverlauf im Westheer als Zwischeninstanz zu den Armeen bis zu fünf Heeresgruppen (August 1918: »Kronprinz Rupprecht von Bayern«, »Deutscher Kronprinz«, »Gallwitz«, »Herzog Albrecht«, »Boehn«) gebildet, an deren Spitze ein jeweiliges Kommando stand. Das traf in gleichem Maße auch für die anderen Kriegsschauplätze zu, wenngleich die Umfänge der einzelnen Heeresgruppen stark variierten. Das Kommando führten nach den Weisungen der OHL die jeweils unterstellten Armeen bzw. die den diesen vergleichbaren Armeeabteilungen. Im Osten bildete die OHL schon Anfang November 1914 die Dienststelle des Oberbefehlshabers Ost (Ober Ost), der hier die Operationen zu leiten und die besetzten Gebiete zu verwalten hatte (Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, ab August 1916 Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern). Den Armeeoberkommandos (AOK) oblagen im jeweiligen nach Operationsgebiet und Etappe aufgeteilten Armeegebiet neben der Gefechtsführung auch Verwaltungsaufgaben. Ihnen unterstanden bis zu sechs Armee- bzw. Reservekorps, auch Kavalleriedivisionen oder Landwehrbrigaden. Die AOK verfügten in unterschiedlichem Umfang über eigene Heeres- und Armeetruppen (u.a. schwere Artillerie, Luftstreitkräfte, Sturmbataillone), die Ende 1916 noch durch die Herauslösung logistischer Truppenteile wie Kolonnen und Trains aus den Divisionen und Generalkommandos aufwuchsen. Diese Truppen zählten zu den Reserven, die sich die OHL, aber auch die Heeresgruppen und Armeen bereithielten. Sie wurden mit Rücksicht auf die Transportkapazitäten der Eisenbahn im Bereich der Armeen »bodenständig«, während vor allem die Divisionen häufig wechselten. Der Front nach wurden sie den von der OHL vorgegebenen operativen Zielen je nach Auftrag zugewiesen. Besondere Armeegruppen blieben Teil einer Armee und in der Regel dessen Oberkommando unterstellt. Im Mai 1916 richtete die OHL zum Küstenschutz ein spezielles Oberkommando der Küstenverteidigung ein. Die zu Beginn des Krieges feste Korpsgliederung mit je zwei Infanterie-, Reserve- oder Landwehrdivisionen und einer je nach Status unterschiedlichen Art und Anzahl an Korpstruppen ließ sich mit Übergang zum Stellungskrieg nicht mehr aufrechterhalten. Zunächst erfolgte noch eine Angleichung der geringer ausgestatteten Korps an die aktiven Verbände. Der ständige Wechsel der Divisionen an der Front zwischen Kampf vorne und Auffrischung und Ruhe hinten führte zur Auflösung der ursprünglichen Korpsverbände. Ab 1916 wandelten sich die Korps zu Generalkommandos, die länger in ihren Abschnitten an der Front verblieben und wie eine »Kampfgruppenleitung« führten. Je nach Auftrag wurden ihnen mehrere unterschiedliche Divisionen und zusätzliche Armeetruppen unterstellt. Diese Generalkommandos wurden als

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Gruppe zumeist nach ihren Kommandeuren oder dem Einsatzort benannt. Ihre Zahl stieg von anfangs 40 auf 66 am Ende des Krieges. Die taktischen Einheitsverbände und damit den Kern des Feldheeres neben der großen Anzahl der Heeres- und Armeetruppen bildeten die Infanteriedivisionen (auch Jäger-, Reserve-, Ersatz-, Landwehr- oder Marinedivisionen bzw. selbstständige Divisionen, die außerhalb des festen Korpsverbandes formiert wurden). Die Division entwickelte sich durch die Zusammensetzung der einzelnen Waffengattungen zum Träger des Gefechtes der verbundenen Waffen auf der taktischen Ebene. Im Laufe des Krieges wurde die Anzahl der Divisionen durch Neuformationen erheblich vermehrt und der Truppenkörper zugleich in seiner Grundgliederung möglichst vereinheitlicht. Ihre Zahl stieg von anfangs 92 auf insgesamt 241 Infanteriedivisionen im Frühjahr 1918. Am Kriegsende bestanden nach den im Sommer 1918 wegen Personalmangel erfolgten Auflösungen schließlich noch 212. Eine Division setzte sich aus aktiven Truppenteilen und Reserveverbänden zusammen, wobei sich der Truppenkörper durch laufende Ab- und Unterstellungen ständig veränderte. Zu Kriegsbeginn bestand sie noch aus zwei Infanteriebrigaden mit insgesamt vier Regimentern (12 Bataillone), denen wiederum je eine Maschinengewehrkompanie zugeteilt war, einer Artilleriebrigade (12 Batterien) und einigen Kavallerie-, Pionier- und sanitätsdienstlichen Einheiten. Hinzu traten gemäß Kriegsgliederung teilweise noch Jäger-, Radfahr- und Kraftfahrtruppen. Die Division umfasste im Etat (Kriegsstärke) rund 18 000 Mann (davon 12 Infanteriebataillone mit rund 13 000 Mann), 4600 Pferde, 72 Geschütze und 24 Maschinengewehre. Reserve- und Landwehrdivisionen wichen in ihrer Grundgliederung ab und besaßen vor allem weniger Artillerie und Maschinengewehre. Die aus Ersatztruppenteilen aufgestellten und für den Grenzschutz vorgesehenen Ersatzdivisionen hatten dagegen eine größere Infanteriestärke (13 bis 15 Bataillone). Bis 1917 wurden zur Verfügung des Feldheeres auch drei Marinedivisionen aufgestellt, wobei die 1. und 2. Marinedivision Ende 1914 das Marinekorps in Flandern bildeten. Diese Divisionen bestanden aus Marineinfanterieregimentern, aufgestellt aus den Seebataillonen, und den sich vorwiegend aus älteren Mannschaften zusammensetzenden Matrosenregimentern. Hinzu traten weitere Marinelandformationen (Artillerie und Pioniere) und Landwehrtruppen des Heeres. Die im Sommer 1917 formierte 3. Marinedivision enthielt dagegen nur die gut ausgebildeten drei Marineinfanterieregimenter und Heerestruppen. Die OHL behielt sich deren Verwendung vor. Jägerdivisionen wurden für spezielle Aufgaben wie den Gebirgskampf zusammengestellt und ausgerüstet. Im Frühjahr 1918 gliederte sich eine deutsche Infanteriedivision im Westen in der Regel nur noch in eine Brigade mit drei Infanterie-

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regimentern zu neun Bataillonen mit je einer Maschinen gewehrkom panie, einer Maschinengewehr-Scharfschützenabteilung und einem Feldrekrutendepot. Hinzu traten ein Artille rie kommando mit einem Feldartillerieregiment sowie einem Fuß artil leriebataillon, ein Pionierbataillon mit Minenwerferkompanie sowie logistische und sanitätsdienstliche Einheiten und schließlich Kraftfahrund Nachrichtentruppen. Einen Sonderstatus gegenüber den normalen Stellungsdivisionen nahmen hier die Angriffsdivisionen bzw. Mob-Divisionen ein. Diese erhielten für den angestrebten Bewegungskrieg vorzugsweise den nur noch begrenzt verfügbaren Personal- und Pferdeersatz. Darüber hinaus wurden sie besonders gegliedert, ausgestattet und mit Heeres- bzw. Armeetruppen ergänzt (u.a. Luftstreitkräfte). Aus Gründen der Beweglichkeit führten die Infanterieregimenter im Angriff vorübergehend nicht die volle Zahl Maschinengewehre und Minenwerfer mit. Eine solche Division verfügte über 108 schwere (MG 08) und 180 leichte Maschinengewehre (MG 08/15) sowie zwölf schwere Feldhaubitzen bzw. Kanonen, 36 leichte Feldhaubitzen bzw. Feldkanonen, rund 4300 Pferde und 15 000 bis 16 000 Mann. Im Frieden verfügte lediglich das Gardekorps über eine Kavalleriedivision. Zwei bis drei Kavalleriedivisionen wurden zu Kriegsbeginn als Heereskavallerie (Aufstellung von 11 Kavalleriedivisionen aus 66 aktiven Kavallerieregimentern, 80 weitere Regimenter, 38 selbstständige Landwehreskadronen und 19 mobile Kavallerieersatzabteilungen bei den Infanteriedivisionen als Divisionskavallerie) unter Führung eines sogenannten Höheren Kavalleriekommandeurs (HKK) zusammengefasst. Dessen Stab war zunächst deutlich kleiner als ein Generalkommando. Später erfolgte mit der Übernahme von ganzen Frontabschnitten im Stellungskrieg eine Etatangleichung. Die Kavalleriedivisionen blieben in Verwaltung und Logistik weitestgehend selbstständig. Sie verfügten über drei Kavalleriebrigaden (24 Eskadronen mit einer Etatstärke von je rund 170 Mann und 180 Pferden), eine Maschinengewehrabteilung (6 schwere Maschinengewehre), eine reitende Abteilung Feldartillerie (12 Geschütze), eine Pionier- und Nachrichtenabteilung sowie eine Lastwagenkolonne. Die insgesamt begrenzten Verwendungsmöglichkeiten der Kavallerieverbände im Stellungskrieg sowie der zunehmende Pferdemangel führten allmählich zu ihrem vorwiegenden Einsatz im abgesessenen Infanteriekampf. Während die Zahl der reinen Kavalleriedivisionen abnahm, entstanden 1918 die ersten Kavallerieschützendivisionen. Am Ende des Krieges gab es im Osten noch drei Kavalleriedivisionen, an der Westfront drei Kavallerieschützendivisionen sowie einen Kavalleriedivisionsstab mit Landwehrtruppen.

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Strukturen

Infanteriedivision 1914 und 1918 im Vergleich Infanteriedivision 1914

Mob-Division 1918

18 000

15 000 – 16 000

4 600

4 300

leichte Maschinengewehre

0

180

schwere Maschinengewehre

24

108

leichte Artilleriegeschütze

72

36

schwere Artilleriegeschütze

0

12

0

18

0

6

Personal

(nach eigener Schätzung)

Pferde

leichte Minenwerfer

mittlere Minenwerfer

Berücksichtigt sind hier nur die Gesamtstärken und die wichtigsten Waffensysteme (1918 ohne Flieger).

Quellen: 3.20 Jochim, Die Vorbereitung, H.3, Anl. 1, S. 46; Taschenbuch des Generalstabsoffiziers, Berlin 1914, S. 14; 3.6 Der Weltkrieg 1914 ‒ 1918, Bd 1, S. 696.

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Infanterie Die Infanterie erfuhr die wohl substanziellsten Veränderungen im industrialisierten Krieg. Zu Beginn des Krieges setzte sie sich in der Masse aus einheitlich mit dem Gewehr bewaffneten Soldaten zusammen. Mit der Einführung der leichten Maschinengewehre 08/15 bei der Fronttruppe im Jahre 1917 entwickelte sie sich zu einer Waffengattung, die am Ende aus Feuer und Bewegung optimierenden kleineren Gefechtsgruppen bestand. Schützen- und leichte Maschinengewehrgruppen arbeiteten eng zusammen, ebenso mit Pionieren und Artillerie. Granat- und Minenwerfer zählten genauso wie Handgranaten zur Standardausrüstung der Infanterie. Bis auf die bunten Krägen und Aufschläge der Friedensuniform bestimmte endgültig das Feldgrau die Bekleidung des deutschen Soldaten. Der Stahlhelm ersetzte ab 1916 die traditionelle Pickelhaube. Die Infanteriebrigade innerhalb der Divisionen gliederte sich im Kriege in der Regel in drei Infanterieregimenter. Daneben bestanden dauerhaft auch noch selbstständige Brigaden, die oft Divisionsaufgaben übernahmen. Der Brigadekommandeur der Division fungierte als Infanterieführer, wobei ihm der Divisionskommandeur im Gefecht der verbundenen Waffen je nach Auftrag auch erweiterte Aufgaben zuweisen konnte. Generell verloren im Rahmen dezentralisierender Führungsstrukturen im Stellungskrieg die Führungsebenen Brigade und Regiment zunehmend an Bedeutung. Die eigentlichen taktischen Einsatzelemente bildeten neben den Divisionen die Infanteriebataillone. Sie hatten im engen Zusammenwirken auch mit anderen Waffengattungen das Gefecht nach den Aufträgen der Division unmittelbar vorne weitgehend selbstständig zu führen. Ein Infanterieregiment mit einer anfänglichen Etatstärke von rund 3300 Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften und einer MGKp mit sechs schweren MG 08 bestand 1918 schließlich neben dem Stab mit Nachrichtenzug aus drei Bataillonen zu je vier Schützenkompanien mit zumeist sechs leichten MG-Gruppen und je einer MGKp mit je zwölf schweren Maschinengewehren sowie einer Minenwerferkompanie (drei mittlere und neun leichte Werfer). Im Feldrekrutendepot hinter der Front verfügte jedes Regiment noch über ein bis zwei eigene Rekrutenkompanien. Dort sollte in der Regel der neue Ersatz aus der Heimat vor Einstellung in die Fronttruppe noch ergänzend ausgebildet werden. Mit der Verstärkung der Feuerkraft konnten die Personalstärken herabgesetzt und damit trotz angespannter Personallage auch dauernde Neuformationen vorgenommen werden. Die durchschnittliche Mannschaftsgefechtsstärke (einschließlich Urlaubern, Kommandierten, Kranken, aber ohne Unteroffiziere und Sanitäts- und Bagagepersonal) eines Infanteriebataillons (ohne MGKp) wurde im Laufe des Jahres 1917 an der Hauptkampffront im Westen bei einer Ausstattung mit drei

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leichten MG in der Kompanie auf 650 Mann kv (= kriegsverwendungsfähig) reduziert. Die Maschinengewehre waren in der Lage, bis zu 600 Schuss – später auch speziell gegen Panzerziele hergestellte Munition – in der Minute abzufeuern. Das MG bildete nicht nur den Schwerpunkt der Feuerkraft der Infanterie, sondern hatte als Schutzwaffe auch bei den meisten anderen Waffengattungen zunehmend Verwendung gefunden. 1918 legte die OHL die Feldstärke, die Kopfstärke ohne Offiziere, eines Infanteriebataillons (ohne MGKp) auf 850 Mann fest. Sie lag damit rund 200 Mann unter der ursprünglichen Kriegsstärke. Der eklatante Personalmangel zwang im Sommer 1918 zu einer weiteren Reduzierung auf 700 Mann und einer Umstrukturierung vieler Bataillone mit Stärken unter 650 Mann in nur noch drei Schützenkompanien. Infanterieregimenter, deren Bataillonsstärken am Ende des Krieges auf unter 400 Mann gesunken waren, bestanden schließlich nur noch aus sechs Schützenkompanien, die Hälfte des ursprünglichen Bestandes. Reserve-, Landwehr- und Landsturminfanterieformationen wurden bei Ausrüstung und Ausstattung nach und nach angeglichen. Die zunächst noch selbstständigen Jägerbataillone waren dagegen von Anfang an durch zusätzliche Radfahr-, Kraftwagen- und Maschinengewehreinheiten an Feuerkraft und Beweglichkeit überlegen. Sie wurden später in Regimentern zusammengefasst. Das 1915 als erste deutsche Gebirgsdivision aufgestellte Alpenkorps bestand beispielsweise in erster Linie aus Jägerverbänden, formiert in zwei Brigaden. Hinzu traten noch speziell für den Gebirgskrieg entwickelte SchneeschuhBataillone. Aus den Jägerradfahrkompanien entstanden zwischen 1916 und 1918 besondere Radfahrbataillone (sechs Radfahrkompanien) mit einer MGKp, die hauptsächlich im Osten Verwendung fanden. Um der bestimmenden Funktion des Maschinengewehrs im Gefecht auch über die interne Struktur der Infanterieeinheiten und Verbände Rechnung zu tragen, wurden im Laufe des Krieges noch gesonderte MG-Formationen aufgestellt. Zu ihnen zählten MG-Ergänzungszüge, MG-Scharfschützentrupps-, später -abteilungen (zu drei Kompanien mit 36 schweren MG), Gebirgs-MG-Abteilungen, PanzerkraftwagenMG-Abteilungen sowie Flugabwehr-MG-Züge/Abteilungen. Die höhere Führung teilte sie der Fronttruppe nach Bedarf und Auftrag zu. Im Jahre 1916 wurden aus speziellen Versuchstruppen der Infanterie und Pioniere auf Armeeebene darüber hinaus Sturmbataillone gebildet. Diese aus ausgesuchtem Personal zusammengesetzten Eliteverbände testeten und praktizierten das Zusammenwirken unterschiedlicher Waffensysteme (u.a. Flammenwerfer, Sturmkanonen) in innovativen taktischen Kampfverfahren (Stoßtrupps). Die Sturmbataillone fungierten selbst als Kampftruppe an der Front, aber auch als Lehrtruppe für die normalen Infanterieverbände.

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Kavallerie, Artillerie, Pioniere Die Kavallerie (Heeres- und Divisionskavallerie) wandelte sich im Laufe des Krieges zu einer abgesessen, durch MG unterstützt kämpfenden Infanterie, die viele ihrer Pferde an die Artillerie abzugeben hatte. Aus der Heereskavallerie entstanden unberittene Kavallerie-Schützenregimenter, die in Stärke und Zusammensetzung einem Infanteriebataillon gleichkamen und schließlich 1918 in Kavallerie-Schützendivisionen überführt wurden. Die Divisionskavallerie bestand 1916 nur noch aus einer Eskadron (Etatstärke rund 170 Mann und 180 Pferde), die neben der Wahrnehmung von Aufklärungs- und Sicherungsaufgaben vornehmlich im Melde- und Verbindungsdienst eingesetzt wurde. Bei Kriegsende existierten insgesamt nur noch 22 aktive Kavallerieregimenter, 27 aktive und fünf im Laufe des Krieges geschaffene unberittene Schützenregimenter sowie 250 berittene Eskadrons bei den Divisionen. Während die Bedeutung der Kavallerie im industrialisierten Krieg abnahm, erfuhr zugleich die Artillerie (Feldartillerie und schwere Artillerie) eine immense Aufwertung zu einer das Schlachtfeld beherrschenden Waffe. Nur ein enges und kooperatives Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie (sowie innerhalb der Artillerie) sowie weiteren Waffengattungen versprach den Erfolg im Gefecht; eine notwendige Einsicht, die sich im Zuge traditioneller mentaler Barrieren zwischen den Waffengattungen des Heeres nur allmählich durchzusetzen vermochte. Die Artillerie wurde zwischen 1914 und 1918 kontinuierlich ausgebaut und erlebte zahlreiche organisatorische Änderungen und Umbewaffnungen. Beobachtungsmittel sowie Schieß- und Messverfahren wurden fortlaufend verbessert. In der zweiten Hälfte des Krieges wurden die Artillerieverbände an der Front in verschiedene Kampfgruppen (Artillerie- und Infanteriebekämpfungsgruppen bzw. Fern- und Nahkampfgruppen) teils auch wellenweise zusammengefasst. Feld- und schwere Artillerie kamen dabei je nach Auftrag auch gemischt zum Einsatz. Besonders nachhaltig auf die Beweglichkeit der Artillerieverbände wirkte sich der anhaltende Pferdemangel im Heer aus. Nach Jahren des Stellungskrieges waren sie zur beweglichen Kriegführung kaum noch in der Lage. Zudem war eine Ausstattung mit Kraftfahrzeugen nur sehr begrenzt erfolgt. Nur wenige der neueren schweren Geschütze wurden von besonders konstruierten Kraftzugmaschinen gezogen und Feldgeschütze gelegentlich auf Lastkraftwagen transportiert. Die Feldartillerie- und Feldartilleriereserveregimenter als Kern der leichten Artillerie (zu Kriegsbeginn wurden u.a. 102 Feldartillerie- und 29 Reservefeldartillerieregimenter aufgestellt) gliederten sich zunächst in zwei Abteilungen mit je einer leichten Munitionskolonne zu je drei Batterien (im Etat je 150 Mann und 140 Pferde, je 6 Geschütze). Die

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Strukturen

Aufstellung neuer Divisionen, die anstelle einer Feldartilleriebrigade mit zwei Feldartillerieregimentern nur noch über ein Feldartillerieregiment verfügen sollten, zwang zur Umformierung in einheitlich drei Abteilungen zu je drei Batterien (je 4 Geschütze). Die Feldartillerie, zu deren Aufgaben auch die direkte Feuerunterstützung der Infanterie im Angriff mit Begleit- oder Stoßbatterien zählte, gliederte sich damit analog zur Infanterie in eine Dreierstruktur. In der Regel waren im vereinheitlichten Feldartillerieregiment dann zwei Abteilungen mit Feldkanonen 7,7 cm (Typ 96 n.A., Schussweite 8 km; Typ 16, Schussweite 11 km), eine Abteilung mit leichten Feldhaubitzen 10,5 cm (Typ 98/09, Schussweite 6 km; Typ 16 und Typ Krupp, Schussweite 10 km) ausgerüstet. Diese konnten Granaten (seit 1916 auch mit Gas), Schrapnelle, Kartätschen zur Nahverteidigung sowie später auch Tankabwehrgranaten verschießen. Neben der Divisionsfeldartillerie formierte die 3. OHL ab Oktober 1916 auch eine starke Heeresfeldartillerie. Zugleich wurden die leichten Munitionskolonnen der Abteilungen in den Divisionen den Armeetruppen zugewiesen. Beide wurden je nach Bedarf und Auftrag wie die anderen Heeres- und Armeetruppen der Fronttruppe zusätzlich zugeteilt. 1918 wurden für den beabsichtigten Bewegungskrieg die leichten Munitionskolonnen wieder fest in die Regimenter eingegliedert. Neben der Feldartillerie erfolgte in beschränktem Maße auch der Ausbau von Sonderformationen der leichten Artillerie. Hierzu zählten teils auf Tragtieren verladbare Gebirgsartillerie und spezielle, auch zur Tankabwehr eingesetzte Infanteriebegleitbatterien. Neben den 297 Feldartillerieregimentern bestanden so am Ende des Krieges unter anderem auch sieben Gebirgsartillerieabteilungen und 50 Infanteriegeschützbatterien. Bereits zu Beginn des Krieges wurden die Regimentsverbände der schweren Artillerie (Fußartillerie) aufgelöst. Sie wurde in Bataillonen mit schweren Feldhaubitzen 15 cm, Mörser 21 cm (Steilfeuergeschütze) und 10-cm-Kanonen (Flachfeuergeschütze) mit bis zu 16 Geschützen bei den Armeen und Korps mobil eingesetzt. Küstenmörser (30,5 cm) und kurze Marinekanonen (42 cm) – bekannt unter dem Namen »Dicke Bertha« –, teils beweglich, standen darüber hinaus der OHL für schwerstes Steilfeuer zur Verfügung. Hinzu traten noch wegen deren geringer Schussweite Batterien für schwerstes Flachfeuer, die mit Masse aus Marinebeständen stammten. Dazu gehörten auch die Eisenbahngeschütze. Mit einem Kaliber von bis zu 38 cm konnten sie eine Schussweite von 130 km (»Parisgeschütz«) erreichen. Ein großer Teil der aktiven Bataillone war unbespannt und blieb wie die Masse der Reservebataillone zur Verteidigung der deutschen Festungen und Küstenwerke zurück. Nach und nach wurden aber auch solche Verbände dem Feldheer zugeführt, da der Bedarf an schwerer Artillerie

125 } Abb. 10: Deutscher Sturmpanzerwagen A7V mit aufgesessenen Soldaten, Juli 1918. BArch, Bild 146-1974-050-12

| Abb. 11: Torpedoraum eines deutschen U-Bootes, 1917. ullstein bild

} Abb. 12: Zweimotoriges deutsches Bombenflugzeug Gotha G.I mit Bord-Maschinengewehr, 1917. akg-images

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laufend anstieg. Die Masse der schweren Artillerie, die rund 70 unterschiedliche Geschützmodelle verwendete, einschließlich deren Stäbe und Artilleriemesstrupps, blieb Heeres- oder Armeetruppe und wurde nach Bedarf und Auftrag der Front zugeteilt. Ab Oktober 1917 erhielten die Divisionen ein bespanntes Bataillon schwerer Artillerie (in der Regel zwei Batterien schwere Feldhaubitzen 15 cm und eine Batterie schwere 10-cm-Kanonen). Es wurde allerdings wegen der Bildung artilleristischer Schwerpunkte an einzelnen Frontabschnitten dem Divisionsverband oft wieder entzogen. Insgesamt hatte sich die Zahl der schweren Artillerie im Laufe des Krieges verzehnfacht. Die Pioniertruppen des Heeres wurden im engen Zusammenwirken insbesondere mit der Infanterie in einem breiten Aufgabenspektrum bei den Korps und Divisionen eingesetzt. Dazu zählten das Anlegen und Öffnen von Sperren, der Bau von Feldbefestigungen und Brücken, der Mineurdienst, der Einsatz von Scheinwerfern zur Gefechtsfeldbeleuchtung sowie die Verwendung neuartiger (technischer) Hilfsmittel und Waffen wie Minen-/Flammenwerfer und Gas. Die Zahl der Feldpionierkompanien (Etat rund 270 Mann und 22 Pferde) wurde bis Ende 1916 mehr als verdoppelt und bis zum Kriegsende schließlich verdreifacht. Anfang 1917 gliederte die 3. OHL die Pioniertruppe neu. Vor allem innerhalb der Divisionen wurde ein Pionierbataillon formiert, zu dem die beiden Pionierkompanien, die Minenwerferkompanie (Aufstellung Ende 1915) und der Scheinwerferzug zählten. Spezialfor mationen der Pioniere, die Divisionsbrückentrains sowie die Landwehr- und Landsturmpioniereinheiten blieben bzw. wurden zu Heeres- oder Armeetruppen, 1918 auch die Scheinwerferzüge. Die Minenwerferkompanien schieden im Sommer 1918 aus den Pionierbataillonen aus und wurden zur Aufstellung von Minenwerferkompanien bei den Infanterieregimentern verwendet. Diese eher schwerfälligen, aber überaus lauten Werfer kamen zur Ergänzung des Artilleriefeuers in vorderster Linie zum Einsatz. Sie sollten wie die Flammenwerfer insbesondere eine moralische Wirkung beim Gegner erzielen. An Pioniersonderformationen wurden im Laufe des Krieges unter anderem noch Gas- und Flammenwerferverbände aufgestellt. Nachrichtentruppen und Logistik Mit dem immensen Bedeutungszuwachs der Kommunikation für die Führung wurden auch die Nachrichtentruppen des Heeres beständig aus- und umgestaltet. Eine Optimierung der Kommunikationsmittel war nicht zuletzt aufgrund der dauerhaften Unterbrechung der Verbindungen in den Materialschlachten dringend erforderlich. Aus der ursprünglichen Telegrafentruppe als Teil der Verkehrstruppen entwickelte sich im Krieg die Nachrichtentruppe als selbstständige Waffengattung. Sie war für den gesamten Fernsprech- und

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Funkbetrieb zuständig. In den Stäben und der Truppe entstanden zahlreiche Nachrichtenformationen, die mit unterschiedlichen traditionellen und innovativen Nachrichtenmitteln ausgestattet waren. Dazu zählten Funk-, Lichtsignal- sowie spezielle Abhörgeräte zur Aufklärung, aber auch Brieftauben und Meldehunde. Bei der Truppe wurden zudem vielfältige Leuchtmittel, Sichtzeichen sowie Nachrichtengeschosse verwendet. Den Einsatz dieser Formationen auf den einzelnen Führungsebenen koordinierten spezielle Nachrichtenkommandeure. Bedingt durch die schwierige Personalersatzlage in der zweiten Kriegshälfte ersetzten zunehmend Frauen die Soldaten der Nachrichtentruppe in der Etappe, der Heimat, den Generalgouvernements sowie im Gebiet des Ober Ost. Dadurch entstand ein weibliches Nachrichtenkorps. Die Logistikorganisation und das Nachschubwesen des Heeres – zu Kriegsbeginn 25 Trainabteilungen – hatten mit der starken Vermehrung der Kampftruppen und Artillerie nicht Schritt halten können. Zunächst in der Regel noch Korpstruppen, wurden auch diese Ende 1916 zu Heeresoder Armeetruppen, die der Fronttruppe je nach Bedarf und Auftrag zugeteilt wurden. Die Feldlazarette wurden auch an die Divisionen abgegeben. Bereits 1915 fasste man die Munitionskolonnen und Trains in Staffeln zusammen und stellte sie unter Führung eines gemeinsamen Kommandeurs. Sie bestanden vorrangig aus älterem Personal, das für den Einsatz bei der Kampftruppe kaum verwendbar war. Die Logistikverbände hatten schon frühzeitig Pferde an die Artillerie abzugeben und waren besonders vom zunehmenden Pferdemangel im Heer betroffen. In der Mitte des Krieges beginnend, erhielten die Proviant- und Fuhrparkkolonnen sowie die späteren Munitionskolonnen neuer Art leichtere Einheitsfahrzeuge (Feldwagen 95). Die Kolonnenstärke wurde einheitlich auf 48 Wagen begrenzt. Damit verfügte man über auf unterschiedlichen Kriegsschauplätzen einsetzbare Fahrzeuge, die aber ein geringeres Fassungsvermögen hatten. Die verminderte Beladungsfähigkeit der Kolonnen in Verbindung mit einer nur mangelnden Angleichung des Nachschubes an die vermehrte Ausstattung mit unterschiedlichen Kampfmitteln und Munition auch innerhalb der Kampftruppen wirkte sich besonders nachhaltig auf die Mobilität des Feldheeres aus. Im Stellungskrieg noch durch den umfangreichen Einsatz der Eisenbahn einschließlich der Feld- und Förderbahnen kompensierbar, schränkte dieses Manko die Führung von Operationen im Bewegungskrieg erheblich ein. Zudem war die Motorisierung wie schon bei der Artillerie kaum vorangeschritten. Kraftfahr‑ und Eisenbahnwesen Während das Heer im Sommer 1914 noch auf zivile Automobile zurückgreifen musste, war das Lastkraftfahrwesen in den Etappeninspektionen und der OHL militärisch organisiert.

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1915 übernahm bei jeder Armee ein Kommandeur der Kraftfahrtruppen die Verantwortung über das gesamte Kraftfahrwesen in den Etappenkraftwagenparks. Korps und selbstständige Divisionen verfügten über eine eigene Kraftwagenkolonne, die Armeen seit 1916 noch über eigene Kraftwagen für die Fußartillerie. Die 3. OHL verlagerte den Schwerpunkt der Kraftfahrwesenorganisation von der Etappe in das Operationsgebiet. Die Kraftfahrtruppen wurden in vereinheitlichter Gliederung und Stärke zu Armeetruppen. Alle Divisionen erhielten eine eigene Kraftwagenkolonne. Wegen der anhaltenden Rohstoffschwierigkeiten (Gummi, Betriebsstoff) stagnierte der Ausbau des Kraftfahrwesens im Heer. Ähnlich wie bei der angespannten Pferdelage zwang dies die Führung zu strengster Sparsamkeit und Verteilungsschwerpunkten bei der Truppe. Dennoch wurden während des Krieges rund 75 000 Kraftfahrzeuge, davon 12 000 schwere LKW, produziert. Der Entwicklung der aus deutscher Sicht im Gefecht kaum bewährten und schwerfälligen Tanks schenkte die deutsche Führung im Vergleich zur Gegenseite nur wenig Aufmerksamkeit. Bis zum Ende des Krieges wurden lediglich acht sogenannte Sturmpanzerkraftwagenabteilungen (September 1918: Schwere Kampfwagenabteilung) aus Beutetanks und einem deutschen Modell (Typ A.7.V mit 18 Mann Besatzung, einer 5,7-cm-Kanone und sechs schweren Maschinengewehren, max. Geschwindigkeit 12 km/h) aufgestellt. Von diesem Panzer wurden nur 20 Stück produziert. Ihre Verwendung erfolgte überwiegend in der Kolonne als geschütztes Transportmittel zur Versorgung der Infanterie. Auch einen besonders schweren Riesentank ließ die OHL bauen. Er kam aber nie zum Einsatz. Leichtere, beweglichere Modelle verblieben lediglich in einem Entwicklungsstadium. Dagegen wurde das für die Verschiebung des Massenheeres unentbehrliche Eisenbahnwesen unter der zentralen Führung des Chefs des Feldeisenbahnwesens (Fech) der OHL seit Kriegsbeginn kontinuierlich ausgebaut. Die Nutzung der Wasserstraßen und die Binnenschifffahrt kamen 1916 ebenso unter seine Führung. Bei der Koordinierung des gesamten Schienentransportes von der Heimat in das Operationsgebiet des Feldheeres wurde er von zahlreichen Dienststellen und Sonderpersonal unterstützt. Hierzu zählten neben bevollmächtigten Generalstabsbzw. Verbindungsoffizieren des Fechs in den höheren Truppenstäben und bei den Verbündeten je eine Eisenbahntransportabteilung und eine Militärgeneraldirektion für die Kriegsschauplätze West, Ost und Südost, Militäreisenbahndirektionen und Regimentskommandeure der Eisenbahntruppen im Bereich der Militärgeneraldirektionen, je ein Bahnbeauftragter und Kommandeur der Eisenbahntruppen im Armeeoberkommando sowie ein Bahnbeauftragter bei jeder Etap-

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pen inspektion. Die Eisenbahntruppen (u.a. Eisenbahnbau- und Betriebskompanien) wurden beträchtlich vermehrt und einige Neuformationen wie Seilbahnabteilungen und Holzfällerkompanien aufgestellt. Das militärische Eisenbahnpersonal verfünffachte sich im Laufe des Krieges. Annähernd 20 000 km Eisenbahnstrecke wurden im Frühjahr 1918 betrieben. Sanitätswesen Das während des Krieges reichlich erweiterte Sanitätswesen des Feldheeres und die unter anderem durch das Rote Kreuz gestellte freiwillige Krankenpflege standen unter Leitung des Chefs des Feldsanitätswesens in der OHL. Es erfasste die gesamte Militärärzteschaft, die Lazarette und Sanitätseinheiten einschließlich der Sanitätssoldaten und Hilfskrankenträger bei der Truppe. Ende 1916 verfügte jede Division über eine Sanitätskompanie (im Etat rund 300 Mann und 50 Pferde) und zwei Feldlazarette. Die restlichen Sanitätseinheiten und Feldlazarette sowie die Sanitätskraftwagenabteilungen der Etappe wurden wie die Kolonnen und Trains zu Armeetruppen. Der Weg eines Verwundeten führte von den Truppenverbandsplätzen der Front oder vom Hauptverbandsplatz einer Division, den die Sanitätskompanien einrichteten, bis zu den Lazaretten in die Heimat. Leichtverwundete wurden zur Genesung in die Etappe verlegt, nichtmarschfähige Soldaten und nichttransportfähige Schwerverwundete in die Feldlazarette überwiesen. Transportfähige Schwerverwundete wurden in Lazarettzügen bis in die Reservelazarette in der Heimat verbracht. Gesonderte Kriegslazarette der Etappeninspektionen ersetzten im Bewegungskrieg die Feldlazarette oder wurden im Stellungskrieg vielfach wie Krankenhäuser in der Etappe errichtet. Daneben entstanden hier noch Erholungs- und Genesungsheime. So konnten Verwundete oftmals unmittelbar am Kriegsschauplatz genesen und der Truppe wieder zugeführt werden. Während des Krieges, so die Statistik des Heeressanitätsberichtes, konnten von je 100 ärztlich behandelten Verwundeten 94 geheilt werden. Feldgendarmerie und Armierungstruppen Mit dem Patrouillendienst im Kriegsgebiet war seit der Mobilmachung die Feldgendarmerie betraut. Sie bestand aus der Landgendarmerie des Friedensstandes sowie aus zu Feldgendarmen ernannten Unteroffizieren und Gefreiten der Kavallerie. Sie war in der Regel in Trupps und Abteilungen zusammengefasst und den Generalkommandos und Etappeninspektionen angegliedert. Im Osten wurden vereinzelt schon 1915 höhere Feldgendarmerieverbände aufgestellt. An der Westfront entstand dagegen erst am Ende des Krieges wegen der Disziplinschwierigkeiten im Etappengebiet ein zusätzliches Feldgendarmeriekorps (fünf Kavallerieeskadronen).

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Die ursprünglich im Festungsdienst eingesetzten Armierungstruppen fanden während des Krieges (seit 1915: Armierungsbataillone) als Armeetruppen in der Etappe und an der Front bei Schanz- und Bauarbeiten Verwendung. Sie setzten sich in erster Linie aus älteren gedienten, aber auch ungedienten Landsturmpflichtigen zusammen. Zu den 217 im Kriege aufgestellten Armierungsbataillonen traten an Sonderformationen unter anderem noch Starkstromabteilungen, Kriegsgefangenen-Arbeiterbataillone, aus der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten erfasste Zivilarbeiterbataillone sowie seit Oktober 1917 Militärgefangenenkompanien. Luftstreitkräfte und Luftabwehr Die anfangs der Inspektion des Militärluft- und Kraftfahrwesens zugeordneten Luftstreitkräfte verteilten sich im Krieg auf das Heer und die Marine. Leitung, Ausbau und Weiterentwicklung aller Luftstreitkräfte des Heeres oblag erst mit der Einrichtung des Chefs des Feldflugwesens im März 1915 und seit Oktober 1916 des Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte in der OHL zentralisiert einer verantwortlichen Stelle. Davon ausgenommen war in der Heimat die bayerische Inspektion des Luft- und Kraftfahrwesens, die unter dem Kommando ihres Kriegsministeriums blieb. Die Luftstreitkräfte des Heeres bestanden aus den Flieger- und Luftschifferverbänden, den Flugabwehrtruppen sowie dem Wetterdienst und dem Heimatluftschutz. Sie wurden den Heeresgruppen und Armeen von der OHL für den Einsatz zugewiesen, wobei der Kommandierende General der Luftstreitkräfte bei der Verteilung an die Kriegsschauplätze Schwerpunkte setzten konnte. Bis Ende 1916 traten zu den Fliegerverbänden (Feldfliegerabteilungen mit je sechs Flugzeugen) der Armeen und aktiven Generalkommandos noch Bomberfliegerstaffeln, die als »Kampfgeschwader der OHL« bezeichnet wurden. Zu den bereits bestehenden und ergänzten Etappenflugzeugparks (nun Armeeflugzeugparks) und Fliegerersatzabteilungen kamen noch besondere Artilleriefliegerabteilungen hinzu. Im Frühjahr 1917 erfolgte eine grundlegende Neuorganisation der Fliegerverbände, die taktisch den jeweiligen Kommandobehörden bis zur Division an der Front unterstellt waren. Nun koordinierte ein Kommandeur der Flieger (zuvor Stabsoffizier der Flieger) im Armeeoberkommando und nach Bedarf ein Gruppenführer der Flieger im Generalkommando den Einsatz sämtlicher Luftstreitkräfte. Die Fliegertruppe gliederte sich auf Armeeund Korpsebene in Fliegerabteilungen (Bilderkundung, Herstellung von Verbindungen und Kampf gegen Erdziele) und auf Divisionsebene in Fliegerabteilungen A mit zugeteilten Schutzstaffeln (Aufklärung, Unterstützung von Artillerie und Infanterie). Hinzu traten mit schnellen einsitzigen Flugzeugen ausgerüstete Jagdstaffeln (Kampf gegen Flugzeuge und Fesselballone) und die schließlich mit Großflugzeugen

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bestückten »Kampfgeschwader der OHL« (operativer Luftkrieg mit Bomben). Diese wurden 1918 dann als »Bombengeschwader der OHL« bezeichnet. Aus den Schutzstaffeln entstanden selbstständige (zunächst Sturmflieger) Schlachtstaffeln, die zur Unterstützung der Kampftruppe am Boden für den geschlossenen Kampf gegen Erdziele vorgesehen waren. Die Zahl der ursprünglich 33 Feldfliegerabteilungen zu Kriegsbeginn hatte sich bis zum Kriegsende auf 145 Fliegerabteilungen/ Fliegabteilungen A erhöht. Zudem waren acht Bombengeschwader, zwei Riesenflugzeugabteilungen, 65 Jagdstaffeln und 30 Schlachtstaffeln aufgestellt worden. Am Ende des Krieges zählte die Fliegertruppe des Heeres rund 61 000 Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sowie 4800 Flugzeuge unterschiedlichen Typs. Den noch zu Kriegsbeginn dominierenden langsamen Eindecker (»Taube« A-Typ) lösten im Laufe des Krieges immer leistungsfähigere Doppeldecker ab. Sie wurden jeweils als Aufklärungs-, Jagd-, Schlacht- oder Bombenflugzeug in Ausstattung und Bewaffnung optimiert. Rund 150 verschiedene Flugzeugtypen kamen dabei zum Einsatz. Auch die Luftschiffertruppen (Luftschiffe und Fesselballone) wurden seit 1914 beträchtlich vermehrt. So versiebenfachte sich allein die Zahl der Feldluftschifferabteilungen bis zum Kriegsende. Wie bei den fliegenden Verbänden koordinierten 1917 auf Armeeebene sowie an den Hauptkampffronten auch auf Ebene des Generalkommandos entsprechende Kommandeure den Einsatz der Luftschiffer. In den ersten beiden Kriegsjahren beteiligte sich die Heeresluftschifffahrt durch weitreichende Aufklärung und Bombenabwürfe am Luftkrieg gegen England. Im Juni 1917 stellte die Führung diesen ineffizienten Einsatz ein. Die Aufgaben der Luftschiffertruppen beschränkten sich dann im Wesentlichen auf die Erdbeobachtung. Die Organisation der Luftabwehr und die Aufstockung der Flugabwehrtruppen (Flakartillerie, Flakscheinwerfer- und Flak maschinengewehrtruppen) ging einher mit der Ausweitung des Luftkrieges an der Front und in der Heimat. Die Flugabwehrtruppen wurden durch die OHL den Armeen zugewiesen, ein entsprechender Kom mandeur der Flak (zuvor seit 1915 Stabsoffizier der Flak) bzw. Flakgruppenkommandeur beim Generalkommando koordinierte auch hier deren Einsatz an der Front. Ein gesondert eingerichteter, netzwerkartig verteilter Flugmeldedienst an der Westfront informierte über gegnerische Luftaktivitäten. Der Heimatluftschutz oblag seit Ende 1916 nicht mehr den stellvertretenden Generalkommandos, sondern einem speziellen Kommandeur Heimatluftschutz. Der Feldwetterdienst versorgte in erster Linie die Luftstreitkräfte mit Wetterinformationen für den Einsatz und unterstand dem Chef des Feldflugwesens. Neben den mobilen Feldwetterformationen bei den Armeen (insgesamt 303 bis Kriegsende)

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entstanden in der Heimat und auf vielen Kriegsschauplätzen zahlreiche feste Wetterstationen. Etappe Die Etappe stellte das zentrale logistische Bindeglied für Personal und Material zwischen rückwärtigem Operationsgebiet des Feldheeres, den Generalgouvernements und der Heimat dar. 1914 war das militärische Etappenwesen noch in erster Linie auf den Bewegungskrieg abgestimmt. Im Laufe des Krieges vollzogen sich ähnlich umfangreiche organisatorische Veränderungsprozesse wie im gesamten Heer. Die Etappenorganisation und Leitung blieb grundsätzlich dem Generalquartiermeister in der OHL vorbehalten. Jeder Armee unterstand eine Etappeninspektion – selbstständigen Korps ein Etappenkommando –, die als rein militärische und stabsmäßig gegliederte Kommando- und Verwaltungsbehörde von einem Etappeninspekteur im Range eines Divisionskommandeurs geführt wurde. Neben den originär militärischen Aufgaben überwachte die Etappeninspektion unter Führung eines höheren Beamten auch die Zivilverwaltung in ihrem Gebiet. Unterhalb der Etappeninspektion verteilten sich einzelne Etappen- und Ortskommandanturen mit festem Dienstsitz und Verantwortungsbereich. Ihre Zahl hatte sich im Laufe des Krieges mehr als verdoppelt. Den Etappeninspektionen unterstanden für Sicherungsaufgaben (Bahn- und Grenzschutz) zunächst Landwehrtruppenteile, die aber wegen des laufenden Personalbedarfs der Front später durch Landsturmeinheiten ersetzt wurden. Polizeiaufgaben oblagen der Feldgendarmerie. Zahlreiche Nachschubformationen, Lazarette, Depots und Magazine sorgten für den ständigen Durchfluss von Personal und Material zwischen Front und Heimat. Als zentrales Transportmittel für größere Entfernungen diente unverändert die Eisenbahn. Das Pferdegespann, im Osten oft unter Nutzung landestypischer Wagen und Tiere, blieb wegen der mangelnden Motorisierung auch für den unmittelbaren Transport zwischen Etappe und Front unverzichtbar. 1916 aufgestellte Wirtschaftskompanien unterhielten Heeresbetriebe industrieller Art, um möglichst alle Hilfsmittel der besetzten Gebiete auszubeuten sowie die Materialerhaltung und Instandsetzung unmittelbar im Kriegsgebiet sicherzustellen. Über das Etappengebiet wurden Frontverbände zwischen den Armeen verschoben, und es diente für diese zeitweilig als Ruhe- und Ausbildungsort nach dem Kampfeinsatz. Neben Truppenübungsplätze und Ausbildungseinrichtungen sowie eine große Zahl an Feldrekrutendepots traten Einrichtungen zur Truppenbetreuung wie Soldatenheime, Feldkinos und Theater. Daneben etablierten sich im Etappengebiet sogar von deutschen Militärärzten überwachte Bordelle. Das Verhältnis zwischen Frontverbänden und Etappenorganisation blieb stets von erheb-

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lichen Spannungen belastet. Missgunst gegenüber dem vermeintlich üppigen Leben in der Etappe traf auf Unverständnis und Argwohn gegenüber den als überzogen erachteten Forderungen der Front. Im Etappengebiet, der (Transport)-Brücke zwischen Front und Heimat, war indes das Nachlassen der Disziplin 1918 besonders deutlich wahrzunehmen. So kam es beispielsweise auf Eisenbahntransporten häufiger zu Ausschreitungen gegenüber Vorgesetzten sowie zu unerlaubten Entfernungen von der Truppe. In der letzten Kriegsphase tauchten viele Versprengte regelgerecht im Chaos des Hinterlandes und der Etappenorganisation unter. Generalgouvernements und Militärverwaltungen Generalgouvernements umfassten Teile eines besetzten Landes, die zwischen dem Etappengebiet und der Heimat lagen. Noch im August 1914 entstand das Generalgouvernement Belgien, ein Jahr später nach der erfolgreichen Sommeroffensive im Osten ein weiteres im russischen Teil Polens (»Warschau«). Die Generalgouverneure, ranghohe Generale, die nur direkt dem Kaiser unterstellt waren, trugen die Verantwortung für die innere Sicherheit und die zivile Verwaltung im Land. Weisungen für die Landesverwaltung empfingen sie durch den Reichskanzler oder das Reichsamt des Inneren, denen die institutionelle Aufsicht oblag. Den Generalgouverneuren standen ein militärischer Stab vergleichbar einem Armeeoberkommando sowie eine umfangreiche Zivilverwaltung unter anderem für Handel und Gewerbe zur Verfügung. Im Gegensatz etwa zu den militärischen Etappeninspektionen spielte hier das zivile Element zur Beaufsichtigung lokaler Selbstverwaltungsorgane im Besatzungsgebiet eine wesentlich größere Rolle. Im Baltikum entstand eine besondere Militärverwaltung, die im Juli 1916 auf Anordnung der OHL unter die Führung des Oberquartiermeisters beim Ober Ost gestellt wurde. Ihm stand die Hauptverwaltung beim Ober Ost zur Verfügung, wobei auf die Mitwirkung von Einheimischen völlig verzichtet wurde. Für diesen unter Ludendorffs Führung zielstrebig ausgebauten monolithischen Militärstaat etablierte sich der Name »Land Ober Ost« (  7.13   Liulevicius). Eine weitere besondere Militärverwaltung bestand von Ende 1916 bis Juli 1918 in Rumänien. Besatzungsherrschaft Die von den deutschen Streitkräften und Behörden ausgeübte Besatzungsherrschaft in großen Teilen West- und Osteuropas nahm regional unterschiedliche Ausprägung an. Dazu trugen schon die auf mehrere militärische und zivile Schultern verlagerten Verantwortlichkeiten bei, in denen sich die polykratischen Machtstrukturen des Kaiserreiches widerspiegelten. Kompetenzrangeleien zwischen den verschiedenen militärischen Befehlshabern und der zivilen Verwaltungskomponente sowie auch mit den Vertretern der deutschen Kriegswirtschaft waren keine Sel-

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Deutsche Besatzung in Nordfrankreich Eine Lehrerin aus Lille, einer Stadt im Norden Frankreichs an der Grenze zu Belgien, beschreibt in ihrem Tagebuch unter dem Datum des 23. April 1916 die Leiden der Stadtbevölkerung unter der deutschen Besatzung. Die Deutschen schicken inzwischen ganze Familien in andere besetzte Regionen fort, die doch nichts wollten, als zu Hause zu sein. Das macht man in Roubaix, Tourcoing, Lille [...] Sie haben anderthalb Stunden, um 35 Kilo Gepäck zu packen, aber sie müssen auch Küchengerät mitnehmen. Um jeden Aufruhr zu verhindern, werden in den Straßen Maschinengewehre postiert, in der Zeit vor der Abfahrt schließt man sie in der Kirche und den Schulen ein. Überall ist große Aufregung und Panik. Das Leben wird wirklich in jeder Beziehung immer unerfreulicher. Dieser Abtransport dauert in Lille eine ganze Woche lang, jeden Tag kommen die deutschen Soldaten (20 pro Haus) gegen drei Uhr morgens mit aufgepflanztem Bajonett in einem Quartier an, zwingen alle Leute aufzustehen und nehmen die Männer mit, insbesondere aber die Frauen und die jungen Mädchen von 20 bis 35 Jahren, und man weiß nicht, wo sie hingebracht werden. Es gibt unbeschreibliche Szenen, Stunden der Angst und der Panik für die Mütter, denen man ihre Kinder weggerissen hat. Mehrere Leute fallen in Ohnmacht, andere werden verrückt, einige versuchen fassungslos, mit den Offizieren zu diskutieren [...] Man führt uns wie Verbrecher zum Schafott. Quelle: 5.2 Die Deutschen an der Somme, S. 62 f. tenheit. In erster Linie diente die Besatzungsherrschaft der Erschließung der wirtschaftlichen Ressourcen des jeweiligen Gebietes für die deutsche Kriegführung. Dadurch sollten die Mangelzustände der Heimat ausgeglichen und der Bedarf des Heeres für die Dauer des Krieges zu einem großen Teil aus den Ressourcen des Landes gedeckt werden. Für die Behandlung des besetzten Gebietes setzte sich der Begriff »Nutzbarmachung« (  7.15   Thiel, S. 37) durch. In Belgien und Nordfrank reich betraf dies eher die industriellen, in den östlichen Besatzungsregionen Polens und Russlands zumeist die landwirtschaftlichen Ressourcen. Mit der Aufgabe jeglicher Mäßigung auch in Fragen der Besatzungspolitik unter der 3. OHL steigerte sich diese Nutzbarmachung zu einer wirtschaftlichen Plünderung. Rohstoffe, aber auch Industrieanlagen wurden ohne Rücksicht auf die einheimischen Wirtschaftsverhältnisse ausgebeutet oder demontiert und nach Deutschland verbracht. In Nordfrankreich und der Militärverwaltung Ober Ost wurde von Anfang an die Bevölkerung zur Zwangsarbeit herangezogen. Im Herbst 1916 weitete die 3. OHL dieses Prinzip völkerrechtswidrig auf pauschale Zwangsrekrutierungen in allen

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Besatzungsgebieten aus, die auch zu Deportationen für die Industrie in Deutschland führten. Davon waren vor allem über 60 000 Belgier betroffen, bis bereits wenige Monate später der mangelnde ökonomische Erfolg sowie internationaler Druck zur Aufgabe der Aktionen führten. Zu den Konstanten strikter deutscher Ordnungspolitik zählte zudem der Versuch einer »Germanisierung« (Alan Kramer, in 1.7   Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 382) der Besatzungsgebiete, ohne dabei allerdings genuin einen rassischen Vernichtungsgedanken etwa im Sinne der späteren NS-Ideologie verfolgen zu wollen. Viele Deutsche empfanden den Krieg im Westen als Kampf der deutschen Kultur gegen die künstliche westliche Zivilisation, während der Osten grundsätzlich als Sinnbild einer »Unkultur« verstanden wurde, den es nach deutschen Maßstäben zu missionieren galt. In Belgien versuchten die deutschen Besatzer, eine kulturpolitische Spaltung zwischen Flamen und Wallonen voranzutreiben. Diese auf eine weitgehende Abhängigkeit von Deutschland nach dem Kriege zielenden Separationsversuche scheiterten jedoch im gleichen Maße wie das von Ludendorff mit der Gründung des Königreiches Polen im November 1916 verfolgte militärische Ziel einer breiten Rekrutierung polnischer Freiwilligenverbände. Sowohl bei den Belgiern als auch den Polen hielt sich die Bereitschaft zur Kollaboration in deutlichen Grenzen. Ähnlich verhielt es sich mit den anderen ethnischen Volksgruppen wie etwa der Balten im Gebiet Ober Ost. Nach dem Abzug der russischen Truppen 1915 verfolgte hier die deutsche Militärverwaltung eine besonders rigide Ordnungspolitik. Sie glich einer Kolonisation ähnlich der überseeischen Schutzgebiete. Unter der ideologischen Losung »Deutsche Arbeit« initiierten die Besatzer polizeiliche und gesundheitliche Überwachungsmaßnahmen wie auch Requirierungen von kriegswichtigen Gütern und die Aushebung von Zwangsarbeiterbataillonen. Hinzu trat eine manipulierende Kulturpolitik, die sich beispielsweise in der Herausgabe muttersprachlicher Zeitschriften für einzelne Volksgruppen oder dem Ausbau des Schulwesens unter Einbeziehung der deutschen Sprache als Unterrichtsfach äußerte. Deutsche Soldaten traten sogar zuweilen als Lehrer auf, um die Einheimischen an die deutsche Kultur zu binden. Damit hofften die deutschen Besatzer, künftig eine Stärkung ethnischer Blöcke zu erzielen, und sie setzten zudem auf sich politisch gegenseitig in Schach haltende Satellitenvölker unter deutscher Vorherrschaft im Osten. Im Endeffekt erzeugte aber die Rigorosität und Schärfe der »Missionierung« vielfach nur Missverständnis und vereinzelt auch Widerstand unter der Bevölkerung. Was den Besatzern blieb, war das Bild des fremdartigen und unterentwickelten Ostens, der sich der »Germanisierung« widersetzt hatte.

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Dagegen beruhte die Besatzungsherrschaft in Rumänien zu einem erheblichen Teil auf der Kooperation mit einheimischen Eliten. Anders als im Westen belasteten hier keine gegenseitigen historisch bedingten Ressentiments die erzwungene Zusammenarbeit. Auch war das Maß an Überlegenheitsgefühl gegenüber der einheimischen Bevölkerung deutlich geringer ausgeprägt als in den anderen Besatzungsgebieten des Ostens. Darüber hinaus sorgte vor allem die in Rumänien 1917 vergleichsweise noch relativ gute Versorgungslage für ein weitgehend spannungsfreies Verhältnis zur Bevölkerung. Eine deutliche Verschlechterung trat erst im Laufe des Jahres 1918 ein, nachdem auch hier die Besatzungsbehörden zu einer rücksichtslosen Ressourcenausbeutung übergegangen waren. Besatzungsheer Zu den militärischen Spitzenbehörden in der Heimat gehörten der dem Chef des Generalstab des Feldheeres unterstehende stellvertretende Generalstab der Armee und das preußische Kriegsministerium in Berlin sowie auch die Kriegsministerien der anderen Kontingente. Sowohl der stellvertretende Chef des Generalstabes als auch der stellvertretende Kriegsminister (Generalleutnant Franz Gustav von Wandel, nur bis Ende 1916) besaßen kein Immediatrecht. Dagegen stand dieses den stellvertretenden Kommandierenden Generalen als Militärbefehlshabern in den Armeekorpsbereichen bis Oktober 1918 zu. Ende 1916 traten sie in kriegswirtschaftlichen Belangen einschließlich der Ersatzangelegenheiten unter den preußischen Kriegsminister. Als Organe des Kriegsamtes wurden ihnen dazu eigene Kriegsamtsstellen angegliedert und wenig später sogar unterstellt. In Bayern waren die kommandierenden Generale generell schon im Frieden unter der Kommandogewalt des eigenen Kriegsministers, der im Kriege weiterhin unter seinem König als Oberkommandierender des bayerischen Besatzungsheeres fungierte. Gleichwohl waren auch die bayerischen stellvertretenden Kommandierenden Generale mit Erklärung des Kriegszustandes durch den bayerischen König der unmittelbaren Kommandogewalt des Kaisers als Bundesfeldherrn unterworfen. Die Einteilung der militärischen Korpsbezirke in der Heimat blieb bestehen, wobei die Militärbefehlshaber nach Erklärung des Kriegszustandes über nahezu diktatorische Vollmachten im öffentlichen Leben verfügten. Ihr Einfluss erstreckte sich auf politische und wirtschaftliche Belange in der Heimat. Die Zusammenarbeit mit den zivilen Regionalbehörden wurde dabei schon wegen des Übergreifens einzelner Korpsdistrikte auf verschiedene bundesstaatliche Territorien erschwert. Auch das Zusammenwirken mit Landes- und Reichsbehörden und anderen Militärdienststellen wie dem Kriegsamt gestaltete sich in der unübersichtlichen Verwaltungsstruktur mehr als schwierig. Eine an den

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Erfordernissen des Krieges orientierte Innenpolitik war im Kontext des »Regimes der Militärbefehlshaber« (  2.6   Deist, S. 137) in der Heimat kaum möglich. Die primäre militärische Aufgabe der stellvertretenden Generalkommandos bestand in der Sicherstellung des Mannschaftsersatzes einschließlich dessen Ausbildung für das Feldheer. Dazu übten sie weitgehende Kommandobefugnisse über die Ersatzformationen des Besatzungsheeres in ihren jeweiligen Korpsdistrikten aus. Mit der Übertragung des alleinigen Verfügungsrechts über noch nicht einberufene Mannschaften auf das preußische Kriegsministerium im Frühjahr 1915 wurde dies allerdings eingeschränkt. Den Militärbefehlshabern unterstanden die stellvertretenden Infanteriebrigaden – die Divisionen waren ohne Heimatvertretung ins Feld gerückt –, aber auch die Landwehr- und Landsturminspekteure sowie die Ersatztruppenteile anderer Waffengattungen. Hinzu traten unter anderem noch die Festungen (soweit nicht im Operationsgebiet), Truppenübungsplätze sowie die Inspekteure der Kriegsgefangenlager. Bei den einzelnen Waffengattungen einschließlich der Luftstreitkräfte überwachten noch besondere Inspektionen bzw. Inspekteure teils unter ihren Waffenvorgesetzten in der OHL die Ausbildung des Ersatzes. Diese Ersatzformationen der Waffengattungen bestanden aus einzelnen Einheiten, Bataillonen oder Abteilungen, in denen anfangs zumeist Reservisten den Ton angaben. Im Laufe des Krieges konnte zunehmend auch auf fronterfahrenes Ausbildungspersonal zurückgegriffen werden. Bei der Infanterie bildete beispielsweise jedes Regiment (auch Reserve und Landwehr) im Heimatstandort ein Ersatzbataillon zu je vier Kompanien (zunächst 406 Infanterieersatzbataillone). 1915 trat im Zuge der ständigen Heeresvergrößerung ein weiteres Ersatzbataillon je Regiment hinzu. 1917/18 führte der Ersatzmangel allerdings wieder zu dessen Auflösung. Den Ersatzbataillonen oblag nicht nur die Grundausbildung der neuen Rekrutenjahrgänge, sondern auch die Rückführung von in der Heimat genesenen Verwundeten zur Fronttruppe. In der Heimat verblieben schließlich auch der evangelische und katholische Feldpropst der Armee. Sie erteilten Weisungen, die von den bei den jeweiligen Armeeoberkommandos vertretenen Oberpfarrern umgesetzt wurden.

Die Kaiserliche Marine Charakteristika Trotz der nach der Jahrhundertwende intensivierten Flottenrüstung und des Kaisers besonderer maritimer Vorliebe stand die Marine auch im Ersten Weltkrieg stets im Schatten der dominanten Landkrieg-

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führung des Heeres. Sie blieb die deutlich kleinere Teilstreitkraft der klassischen Kontinentalmacht Deutschland, deren Friedensstärke im August 1914 von 79 000 auf eine Kriegsstärke von zunächst 161 500 Mann anwuchs und sich dann bis zum Sommer 1918 bei einer Kopfstärke von im Durchschnitt 240 000 Mann hielt. Die Marine galt dem übermächtigen Generalstab des Feldheeres eher als Juniorpartner, der hier kein großes Ansehen genoss. Auch in der Öffentlichkeit sank zwischen 1914 und 1918 das Interesse an der Marine deutlich. Die Organisation der Kaiserlichen Marine im Krieg wurde in erster Linie bestimmt durch eine von personellen Macht- und Konkurrenzkämpfen charakterisierte chaotische Führungsstruktur. Kompetenzrangeleien und Intrigenspiele zur Durchsetzung persönlicher Inte ressen prägten im Ersten Weltkrieg wie beim Heer nachhaltig das Bild der dezentralisierten Marineführung. Erst im August 1918 hatte sich eine einheitliche Seekriegsleitung im Großen Hauptquartier etabliert. Ein dem Heer entsprechendes ausgefeiltes und angesehenes Admiralstabssystem existierte in der Marine jedoch nicht. Führungsqualitäten der Marineoffiziere leiteten sich ausschließlich aus seemännischen, navigatorischen und waffentechnischen Fertigkeiten ab. Nicht Selbstständigkeit und Initiative im Sinne der heerestypischen Auftragstaktik, sondern vorwiegend Handeln nach Schema bestimmten Führung, Dienstbetrieb und Ausbildung dieser Teilstreitkraft. Darüber hinaus wurde die Marineorganisation durch die wechselnden und differierenden seestrategischen Ansätze der einzelnen Führungsspitzen primär in der Entscheidung zwischen Flotte und U-Booten beeinflusst, was sich auch auf die Struktur und den Einsatz der Marine im Krieg auswirkte. Spitzengliederung Die im Jahre 1899 reformierte Führungsstruktur der Kaiserlichen Marine unterhalb des Kaisers als Oberbefehlshaber blieb auch im Kriege grundsätzlich bestehen. Zu den bereits bestehenden Immediatstellen Reichsmarineamt, Marinekabinett, Admiralstab, Marinestationen Ost- und Nordsee, Hochseeflotte, Kreuzergeschwader in Übersee und Generalinspekteur der Marine traten nach Kriegsbeginn noch der Oberbefehlshaber der Ostseestreitkräfte (Großadmiral Prinz Heinrich von Preußen unter praktischem Fortfall des Generalinspekteurs der Marine), die Mittelmeerdivision, das Sonderkommando der Marine in der Türkei sowie seit November 1914 das Marinekorps in Flandern. Diese Vielzahl von unabhängigen und direkt dem Obersten Kriegherrn unterstehenden Immediatstellen stritten unablässig um ihren Einfluss und ihre Stellung innerhalb der Marineführung. Die herausragende Stellung des Generalstabes des Feldheeres bei der Landkriegführung schon zu Kriegsbeginn fand in der Marine de facto keine Analogie, da der

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Die Marineleitung im Ersten Weltkrieg

Deutscher Kaiser und König von Preußen Staatssekretär des Reichmarineamts

1. 2. 3. 4.

Alfred von Tirpitz (8.6.97–15.3.16) Eduard von Capelle (15.3.16–11.8.18) Paul Behncke (interimistisch 11.8.–7.10.18) Ernst Karl August Klemens Ritter von Mann (7.10.18–13.2.19)

Chef des Admiralstabs 1. 2. 3. 4.

Hugo von Pohl (1.4.13–2.2.15) Gustav Bachmann (2.2.–3.9.15) Henning von Holtzendorff (4.9.15–7.8.18) Reinhard Scheer (Chef der Seekriegsleitung 7.8.–14.11.18)

Chef der Hochseeflotte

1. 2. 3. 4.

Friedrich von Ingenohl (1.2.13–31.1.15) Hugo von Pohl (1.2.15–15.1.16) Reinhard Scheer (15.1.16–7.8.18) Franz von Hipper (7.8.–13.12.18)

Chef des Marinekabinetts

1. Georg Alexander von Müller (1.4.08–28.11.18; ab 28.10.18 beurlaubt) 2. Karl von Restorff (28.10.–28.12.18)

Chef der Marinestation der Ostsee

1. 2. 3. 4.

Gustav Bachmann (24.2.14–2.2.15) Friedrich von Ingenohl (2.2.–13.8.15) Gustav Bachmann (3.9.15–13.12.18; ab 30.10.18 beurlaubt) Wilhelm Souchon (30.10.18–17.3.19)

Chef der Marinestation der Nordsee

1. Günther von Krosigk (15.7.14–8.1.19; am 22.3.15 formell ernannt)

Chef des Kreuzergeschwaders

1. Maximilian Graf von Spee

Oberbefehlshaber der Ostseestreitkräfte

1. Prinz Heinrich von Preußen (bis Februar 1918)

Kommandeur Mittelmeerdivision

1. Wilhelm Souchon

Sonderkommando Marine Türkei

1. Guido von Usedom

Kommandeur Marinekorps Flandern

1. Ludwig von Schröder

Quellen: 7.4 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 259; 5.1 Die deutsche Seekriegsleitung im Ersten Weltkrieg, Bd 1, S. 13.

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06322-07

140

Strukturen

Kaiser sich hier nicht wie bei der Heeresführung mit der Ausübung der nominellen Befehlsgewalt begnügte. Eine zentrale Kommandobehörde zwischen sich und den einzelnen Marinebefehlshabern erachtete der Monarch bereits im Frieden für unzweckmäßig. Vielmehr trat die Marine ohne eine klare Abgrenzung der Rechte und Befugnisse der einzelnen selbstständigen Immediatstellen in den Krieg. Obwohl sich diese diffuse Friedensorganisation schnell als ineffizient erwiesen hatte, erfolgten hier Veränderungen bis zur Einrichtung der gemeinsamen Seekriegsleitung im Großen Hauptquartier im August 1918 eher zögerlich und marginal. Der Kaiser, wenngleich er als Einzelperson nicht zu einer Gesamtkoordination des Einsatzes der deutschen Seestreitkräfte in der Lage sein konnte, war auch im Kriege kaum bereit, eine zentrale Kommandobehörde der Marine unterhalb seiner obersten Befehlsgewalt zu dulden. Reichsmarineamt Eine bedeutende Rolle in der Organisation der Marineführung spielte seit 1899 das unter Verantwortlichkeit des Reichskanzlers stehende Reichsmarineamt. Der Staatssekretär an der Spitze dieser Reichsbehörde – vergleichbar dem preußischen Kriegsminister – trug politische Verantwortung und vertrat den Marinehaushalt vor dem Parlament. Als oberste Marineverwaltungsbehörde waren ihre interne Organisation und Aufgaben bis zum Ende des Krieges fast unverändert beibehalten worden. Kommandobefugnisse über die Flotte übte das Reichsmarineamt aber nicht aus. Es bestand aus einer Zentralabteilung, dem Allgemeinen Marinedepartment unter dem stellvertretenden Staatssekretär, einem Werft-, Konstruktions-, Etats-, Waffen- und Verwaltungsdepartment, einem nautischen Department, der Medizinalabteilung, dem Justitiariat sowie dem Nachrichtenbüro. Im Krieg kamen noch ein U-Boot-Amt, ein Luftamt und eine Fabrikenabteilung hinzu. Das Reichsmarineamt vereinte unter sich alle administrativen, technischen und Ausbildungsbehörden der Marine. Nachgeordnet waren die Inspektion des Bildungswesens der Marine in Kiel (u.a. Marineschule Mürwik und Marineakademie), das Gouvernement Kiautschou einschließlich der dort dislozierten Marinelandtruppen, die technischen Institute und Küstenbezirksämter der Marine, die Marinebekleidungs- und Sanitätsämter, die Marineintendanturen, die deutsche Seewarte (Hamburg), das Observatorium (Wilhelmshaven) und das Chronometer-Observatorium (Kiel) sowie schließlich in technischer und administrativer Hinsicht die Fortifikationen (u.a. Kiel, Wilhelmshaven). Hinzu traten noch die Marineattachés im Ausland. Bis März 1916 stand mit Großadmiral Alfred von Tirpitz eine besonders starke und populäre Persönlichkeit an der Spitze des Reichmarine amtes. Seit der Jahrhundertwende hatte er konsequent den

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Ausbau einer modernen Schlachtflotte unter weltpolitischen Interessen betrieben. Geleitet wurde er dabei von der offensiven Vorstellung der schnellen operativen Vernichtungsschlacht gegen die Briten in der Nordsee, wobei die langfristige Bedeutung geografischer Faktoren für die Seemacht und die Kontrolle von Seewegen für einen Seekrieg unberücksichtigt geblieben waren. Davon wich er auch im Kriege trotz der britischen Fernblockade zumindest offiziell nicht ab. Zugleich hatte der ehrgeizige Admiral für eine Zerschlagung der Flottenführung gesorgt und den machtkonkurrierenden Admiralstab bis 1914 nahezu ausgeschaltet. Dafür fand er nicht zuletzt auch die Unterstützung des einflussreichen Chefs des Marinekabinetts, Admiral Georg Alexander von Müller, der anfangs Tirpitz noch bewunderte und den Admiralstab generell äußerst gering schätzte. Der Chef des Marinekabinetts, von Amts wegen eigentlich nur zuständig für die Offizierpersonalien, agierte als Generaladjutant in unmittelbarer Nähe des Kaisers. Er hatte den häufigsten Zutritt zum Obersten Kriegsherrn, der stets dessen Rat auch in operativen Fragen berücksichtigte. Eine Ausweitung des Admiralstabssystems und die Förderung eines speziellen Admiralstabsoffizierkorps vergleichbar der Entwicklung beim Heer verhinderte der vorrangig am Flottenausbau interessierte Tirpitz. Seine Initiativen aber während der Mobilmachung 1914, über eine Vereinigung mit dem Admiralstab unter seiner Person eine zentrale Marineführung unterhalb des Obersten Kriegsherrn einzurichten, scheiterten dann doch am Widerstand des Marinekabinettchefs und schließlich des Kaisers. Dazu trugen Befürchtungen über eine zu ausgedehnte Machtposition und Tirpitz’ überwiegend »unfruchtbare Kritik« (Wulf Diercks, in 2.7   Deutsche Marinen, S. 249) in den Vorschlägen zum Flotteneinsatz im Krieg bei. Tirpitz fürchtete mit der defensiven Rolle der Flotte als Fleet-in-being um sein Lebenswerk und machte intrigenhaft Front gegen das seiner Meinung nach ängstliche Zurückhalten im Seekrieg. Hinzu traten die ständigen Reibereien mit der Reichsleitung. Dies führte am Ende im März 1916 in der Kontroverse um den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, zu deren schärfsten Verfechtern Tirpitz im Gegensatz zu Reichskanzler von Bethmann Hollweg zählte, zu seiner Absetzung durch den Monarchen. Im September 1915 hatte ihm der Oberste Kriegsherr bereits das zu Beginn des Krieges eingeräumte Recht entzogen, in den die auswärtige Politik berührenden Marinefragen und damit der Seekriegführung gehört zu werden. Umso eifersüchtiger versuchten Tirpitz und auch sein Nachfolger, Admiral Eduard von Capelle, unverändert jedweden Aufstieg einer anderen Immediatstelle zu einer zentralen Kommandobehörde zu verhindern. Dies ging schließlich soweit, dass Capelle nach Einrichtung der Seekriegsleitung im August 1918 seinen Rücktritt nahm.

142

Strukturen

Admiralstab Zur strategischen Leitung des Seekrieges unterhalb des Kaisers war der durch Tirpitz zielstrebig kleingehaltene Admiralstab 1914 nicht in der Lage. Seine Aufgaben in der Kriegführung waren im Grunde genommen rein planerischer Art (u.a. taktische Verwendung der Seestreitkräfte und Operationsdirektiven), die generell weder mit Verwaltungsaufgaben noch eigentlichen Kommandobefugnissen gekoppelt waren. In der 1912 durch kaiserliche Billigung festgelegten Kriegsgliederung der Marineführung fand er keinen Platz. Für den Einsatz der Hochseeflotte war der Flottenchef verantwortlich, der sich während des Krieges nicht im Großen Hauptquartier aufhielt. Der Admiralstab erhoffte sich daher, über die Operationsdirektiven einen Einfluss auf die Seekriegführung zu sichern. Daran fühlten sich aber schon vor dem Kriege weder das Flottenkommando noch das Reichsmarineamt gebunden. Sie verhinderten auch nach Kriegsbeginn konsequent den Aufstieg des Admiralstabes zur Seekriegsleitung und schwächten dadurch nachhaltig dessen Position gegenüber dem übermächtigen Generalstab des Feldheeres. Der Admiralstabschef, der durch die Mobilmachung zumindest nominell die entscheidende Stimme als Berater des Kaisers bei der Ausübung des Oberbefehls war, musste sich mit dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes vor Immediatvorträgen beim Kaiser abstimmen. Auf etwa abweichende Meinungen des Staatssekretärs hatte er im Vortrag hinzuweisen, so ein Kabinettschreiben des Kaisers vom 30. Juli 1914. Lediglich hinsichtlich der militärpolitischen Verwendung der selbstständigen Seestreitkräfte im Ausland übernahm der Admiralstab Befehlsbefugnisse als unmittelbar ausführendes Organ des Kaisers. 1915 erlangte der Admiralstab dann direkte Befehlsgewalt über die von den Adriastützpunkten Pola und Cattaro zeitweilig unter k.u.k. Flagge operierenden U-Boote und zeitweise über den in Kiel stationierten U-Kreuzerverband. Diese großen U-Boote operierten in der zweiten Kriegshälfte ausschließlich in den Gewässern um die amerikanische Ostküste und in den Sperrgebieten um die Azoren und um Dakar. Zudem befahl er generell den Einsatz der Marineflieger. Für die Seekriegsleitung war der Admiralstab weder personell noch materiell ausreichend ausgestattet. Er umfasste nur rund 25 aktive Seeoffiziere, wobei die Masse des Stabes – wie auch das weit größere Reichsmarineamt – nicht im Großen Hauptquartier, sondern unter dem stellvertretenden Admiralstabschef in Berlin verweilte. Der 3. Admiralstabschef während des Krieges, Admiral Henning von Holtzendorff, verlagerte seinen Dienstsitz wieder nach Berlin. Nur ein Verbindungsoffizier des Admiralstabes verblieb im Großen Hauptquartier. Erst in dessen Amtszeit von September 1915 bis August 1918 gewann der Admiralstab mit dem gleichzeitigen Machtverlust von Tirpitz allmählich eine größere Bedeutung in

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Kriegsgliederung des Admiralstabes der Marine (1.10.1918) Chef des Admiralstabes der Marine Admiral Reinhard Scheer

Stellvertretender Chef des Admiralstabes

Kapitän zur See Friedrich von Bülow

Stab der Seekriegsleitung im Großen Hauptquartier

Zentralabteilung Organisation des Admiralstabes

Kapitän zur See Magnus von Levetzow

Op I Überwasser-, Luftund Landkrieg Op Ia Bearbeitung aller operativen Angelegenheiten Kriegstagebücher Verteilung und Organisation der Seestreitkräfte Op Ib Meldungen Küstenverteidigung Führung d. Operationskarten Kriegstagebuch SKL Pressezensur Typenfragen Handelsschifffahrt

Op II U-Boot-Krieg Op IIa Bearbeitung aller operativen Angelegenheiten Kriegstagebücher Verteilung und Organisation der U-Boot-Streitkräfte Op IIb Meldungen Listenführung Führung d. Operationskarten Pressezensur Typenfragen

Abteilung III Organisation Abteilung IV Militärpolitik Abteilung V Presse Abteilung VI Adjutantur Abteilung VII Verbindungsoffizier SKL/OHL

Quelle: 7.3 Hubatsch, Der Admiralstab, S. 252.

A

Fremde Marinen

AI A II A III A IV AV

Westen Osten Mittelmeer Übersee U-Handelskrieg

B

Militärpolitik

BI B II B III B IV

U-Krieg (polit.) Bundesgenossen Wirtschaftskrieg Völkerrecht

D

Personal und Material

DI D II D III D IV DV D VI

Material Signal Personal Admiralstabsausbildung Schiffsmaschinen Luftschiffe, Minen

G

Spionageabwehr

G I Organisation der feindlichen Nachrichtendienste G II Bearbeitung der Spionageabwehr

N

Nachrichtenabteilung

NI N II N III N IV

Erkundung – Kassenwesen Agenten

P

Presse

PI P II P II P IV

Zensur Neutrale Länder Vaterländischer Unterricht Aufklärungstätigkeit

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144

Strukturen

der Seekriegführung. Holtzendorff stellte 1916/17 ein grundlegendes Programm für den Admiralstabsdienst auf, das dem umfassenden Tätigkeitsfeld und Aufgabenspektrum des Generalstabes ähnelte. Ihm kam es in der Organisation besonders darauf an, die dem Admiralstab für die Kriegsdauer bereits zugestandenen Einrichtungen wie die eigene Operationsabteilung auch für die künftige Friedensorganisation beizubehalten. Seit Anfang April 1915 gliederte sich der Admiralstab in eine Zentralabteilung C mit Nachrichtenabteilung (u.a. Verwaltung), eine Heimische Operationsabteilung A (Ost- und Nordseekriegsschauplatz) und eine Außerheimische Operationsabteilung B (Auslandskriegführung). Im April 1916 trat noch eine Abteilung für Gegenspionage hinzu. Das Gesamtprogramm blieb allerdings insgesamt ein Entwurf, den die anderen Immediatstellen missbilligten. In gleichem Maße wuchs deren Opposition gegen die durch den Admiralstab im Namen des Kaisers getroffenen Weisungen gegenüber der Flotte. Als einzelne Marinebefehlshaber während der im Oktober 1917 erfolgten Landung auf den baltischen Inseln Moon, Dagö und Ösel wiederholt die Leitungsfunktion des Admiralstabes infrage stellten, musste der Oberste Kriegsherr in einem Erlass darauf hinweisen, dass die Anordnungen des Admiralstabschefs den Befehlen des Kaisers gleichzusetzen waren. Es kann wenig überraschen, dass die Einrichtung einer der OHL entsprechenden einheitlichen Seekriegsleitung aus dem Admiralstab am 11. August 1918 im Zuge eines Intrigenspiels um personelle Besetzungen und interner Machtkämpfe in der Marineführung erfolgte. Den Rahmen bildete die Erfolglosigkeit des U-Boot-Krieges, für den die OHL auch den Admiralstab verantwortlich gemacht hatte. Dahinter verbargen sich in erster Linie führende Köpfe des Flottenkommandos, insbesondere der Chef des Stabes der Hochseeflotte, Konteradmiral Adolf von Trotha, und der Führer der II. Aufklärungsgruppe, Kapitän Magnus von Levetzow. Sie erreichten letztlich mit der Zustimmung des Kaisers, der sich dem zuvor lange widersetzt hatte, die Durchsetzung dieser wichtigsten Organisationsänderung innerhalb der deutschen Marineführung während des Ersten Weltkrieges. Damit war der seit der Ära Tirpitz andauernde Streit um die Spitzengliederung der Marine vorläufig beendet. Fortan war der neue Chef der Seekriegsleitung, der vormalige Chef der Hochseeflotte, Admiral Reinhard Scheer, durch den Obersten Kriegsherrn ermächtigt, im Rahmen der kaiserlichen Richtlinien direkte Befehle für die Seekriegführung der Marine zu erteilen. Das Reichsmarineamt wurde ihm stillschweigend untergeordnet, und er erhielt nun auch entscheidenden Einfluss auf die Spitzenbesetzung in der Marine eingeräumt. Damit fand auch die hier vormals bedeutende Stellung des Marinekabinettschefs ihr Ende. Er wurde im Gefolge des Parlamentarisierungsprozesses Ende Oktober 1918 wiederum

145

dem Reichsmarineamt unterstellt. Die Seekriegsleitung nahm ihren Sitz wieder im Großen Hauptquartier, während der stellvertretende Admiralstab weiterhin in Berlin verblieb. Der Stab der Seekriegsleitung (21 Seeoffiziere) umfasste neben einem Chef des Stabes (Kapitän zur See von Levetzow) im Kern die Operationsabteilung sowie einen Verbindungsoffizier zur OHL, um im engen Zusammenwirken mit der OHL die Leitung der Seeoperationen sicherzustellen. Marinestreitkräfte Den eigentlichen Kern der Kaiserlichen Marine bildete die seit der Jahrhundertwende kontinuierlich ausgebaute Hochseeflotte. An der Spitze stand das Flottenkommando mit dem Chef der Hochseeflotte. Sie setzte sich mit der Mobilmachung in erster Linie aus der Schlachtflotte (aktiv und Reserveschlachtflotte) sowie den Torpedoboot- und U-BootFlottillen in der Nordsee zusammen. Im Ostseeraum (Verband der Ostseestreitkräfte) operierten vorwiegend leichte Seestreitkräfte (Kleine Kreuzer und Torpedoboote). Größere Schiffe und Kreuzer wurden nur zeitweise zugeteilt. Die Seestreitkräfte standen jeweils unter eigenen Befehlshabern. Die beiden Marinestationen Nordsee und Ostsee in Wilhelmshaven und Kiel übten in ihrem Territorialbezirk unverändert Befehlsbefugnis über alle Marinebehörden und Marineteile einschließlich zugeteilter Schiffe aus, die keinem selbstständigen Befehlsverband angehörten. Im Laufe des Krieges traten an weiteren Kommandobehörden noch der Befehlshaber der Torpedobootsstreitkräfte, der Befehlshaber des Sicherungsverbandes in der Nordsee (Vorposten- und Geleitdienst) sowie der dem Flottenchef unterstellte Befehlshaber der U-Boote (vorher Führer der U-Boote) hinzu. Der Ostseeraum wurde im letzten Kriegsjahr aufgeteilt unter einen Befehlshaber der Sicherung der Ostsee (zugleich Chef der Marinestation Ostsee) sowie den Befehlshaber der baltischen Gewässer. Die Dienststelle des Oberbefehlshabers der Ostseestreitkräfte wurde Anfang 1918 aufgelöst. Die Masse der deutschen Seestreitkräfte blieb im Kampf gegen den Hauptgegner England auf dem Hauptkriegsschauplatz Nordsee konzentriert, während der Ostseeraum eine nur untergeordnete Rolle spielte. Im Auslandsdienst befanden sich unter den eigenen immediaten Befehlshabern das Kreuzergeschwader unter Vizeadmiral Maximilian Graf Spee sowie die Mittelmeerdivision unter Vizeadmiral Wilhelm Souchon. Weitere kleinere selbstständige Kreuzerverbände formierten eine australische, ost- und westafrikanische sowie ostamerikanische Station. Sie standen unter Führung des jeweils ältesten Seeoffiziers der Station. Naturgemäß waren die Handlungsfreiheiten dieser einzeln operierenden Verbände und Schiffe wie auch der U-Boote wesentlich größer als etwa der taktisch eng geführten Kommandanten in einem Geschwaderverband der Hochseeflotte. Weder zum Schutz

146

Strukturen

Kriegsgliederung der deutschen Seestreitkräfte im August 1914 A. Heimatbereich/Nordsee

Flottenflaggschiff SMS Friedrich der Große I. Geschwader

8 Großkampfschiffe

IV. Geschwader

II. Geschwader

8 ältere Linienschiffe

V. Geschwader

III. Geschwader 6 Großkampfschiffe

VI. Geschwader

7 ältere Linienschiffe

7 ältere Linienschiffe

8 ältere Küstenpanzerschiffe

I. Aufklärungsgruppe

II. Aufklärungsgruppe

III. Aufklärungsgruppe

IV. Aufklärungsgruppe

V. Aufklärungsgruppe

3 Schlachtkreuzer, 1 Großer Kreuzer

4 Große Kreuzer

7 Kleine Kreuzer

5 Kleine Kreuzer

4 ältere Große Kreuzer

8 Torpedobootsflottillen mit insgesamt 89 Torpedobooten, 2 U-Boot-Flottillen mit insgesamt 19 U-Booten, 4 Torpedoboote und 2 Kleine Kreuzer als Führungsschiffe, 3 Minenleger und 5 Hilfsstreuminendampfer, 1 Luftschiff, 6 Wasser- und 8 Landflugzeuge. 6 ältere Kleine Kreuzer, 6 Kanonenboote, 6 ältere Torpedoboote, diverse Sicherungs- und Hilfsfahrzeuge für Hafenverteidigung, Küstenschutz, Instandsetzungs- und Versorgungsaufgaben.

B. Heimatbereich/Ostsee 4 Kleine Kreuzer, 4 ältere Kreuzer, 1 Kanonenboot, 11 Torpedoboote, 6 U-Boote, 4 Hilfsstreuminendampfer, 2 Luftschiffe, 6 Wasser- und 4 Landflugzeuge, diverse Sicherungs- und Hilfsfahrzeuge.

C. Auslandsbereich Ostasiatische Station

Ostafrikanische Station

Australische Station

Westafrikanische Station

2 Große Kreuzer, 4 Kleine Kreuzer, 1 Begleitdampfer, 4 Kanonenboote, 3 Flußkanonenboote, 1 Torpedoboot

1 Kleiner Kreuzer, 1 Vermessungsschiff

1 Kleiner Kreuzer, 1 Vermessungsschiff

1 Kanonenboot

Ostamerikanische Station 2 Kleine Kreuzer

Mittelmeer-Station

1 Schlachtkreuzer, 1 Kleiner Kreuzer, 1 Stationsjacht

Quellen: 3.2 Der Krieg zur See 1914 ‒ 1918: Nordsee, Bd 1, Tabelle 1; Grundzüge der deutschen Militärgeschichte, Bd 1, S. 232.

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der deutschen Kolonien und Schutzgebiete in Übersee noch zu einem gezielten Handelskrieg in der Lage, bestand ihre primäre Aufgabe lediglich in der Störung des gegnerischen Schiffsverkehrs. Das aus rund 550 Mann Marinepersonal bestehende »Sonderkommando Türkei« unter Admiral Guido von Usedom führte vornehmlich artilleristische Ausbildungsaufgaben für die türkische Küstenverteidigung im Bereich der Meerengen Bosporus und Dardanellen aus. Auf der Krim übernahm nach dem Friedensschluss mit Russland ein Marinekommando die russischen Kriegsschiffe im Schwarzen Meer, eine kleinere Marineflugstation wurde in Bulgarien eingesetzt. Der Kommandierende Admiral des Marinekorps, Ludwig von Schröder, verfügte über die der 4. Armee in Flandern angegliederten Marinelandstreitkräfte. Sie hatten das Heer in Nordflandern im

147

Seekriegsmittel der Kaiserlichen Marine im Vergleich

Großlinienschiff SMS Kaiser (1912)

Kleiner Kreuzer SMS Dresden (1908)

Unterseeboot SM U 31 (1915)

Quelle: E. Gröner, Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – 1945, Bd 1, München 1966, S. 85, 171, 346.

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Kampf gegen die Briten zu unterstützten. Wie der Oberbefehlshaber der Ostseestreitkräfte war er zugleich als Seebefehlshaber im Bereich des Ärmelkanals neben der geringen Anzahl der unter seinem Kommando stehenden eigenen Seestreitkräfte stets auf Zuteilungen der Hochseeflotte und Marineluftstreitkräfte angewiesen. So unterstanden ihm am Ende des Krieges beispielsweise eine Zerstörer- und zwei Torpedobootflottillen, eine Minensuch- und Räumflottille, die Motorbootdivision, zwei U-Boot-Flottillen sowie nahezu 100 Seeund Landflugzeuge. Ausgehend von den Stützpunkten Ostende und Zeebrügge bestand deren Auftrag in der Sicherung und Überwachung der flandrischen Küste sowie in der Unterbindung des britischen Kanaltransportes. Dazu gehörten auch Angriffe gegen die Hafenanlagen des Gegners. Im Seekrieg bildeten sechs bis acht zu einem Verband zusammengezogene Schiffe ein Geschwader bzw. eine Gruppe, zwei Schiffe ein Treffen, drei bis vier Schiffe eine Division. Das Rückgrat der Hochseeflotte, die eigentliche Kampflinie im Seegefecht, waren die mit schwerer Artillerie (bis zu 38-cm-Geschütze) ausgestatteten Großkampfschiffe (Linien-

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Strukturen

bzw. Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer). Hinzu traten noch Große Kreuzer bzw. Panzerkreuzer. Zu den leichten Seestreitkräften zählten die vorwiegend zu Aufklärungszwecken und im Auslandsdienst verwendeten Kleinen bzw. Geschützten Kreuzer, im Küstenbereich und auf Flüssen eingesetzte Kanonenboote sowie die schnellen Torpedoboote und U-Boote. Letztere zog man zu Halbflottillen oder Flottillen zusammen. Zwei Linienschiffsgeschwader unter gemeinsamen Oberbefehl formierten eine Flotte. Aufklärungskräfte und auch Flottillen wurden den Kommandeuren bei Bedarf zugeteilt. Die einzelnen Schiffe standen unter oberster Befehlsgewalt des Kommandanten und den ihm zur Seite stehenden wenigen Seeoffizieren, die den Dienstbetrieb zu organisieren hatten. So wurde beispielsweise die rund 1100 Mann starke Besatzung des Linienschiffs »Helgoland« von 21 Seeoffizieren befehligt. Im Zusammenhang mit der allmählichen Schwerpunktverlagerung der Seekriegführung auf die leichten Seestreitkräfte und die U-Boote wurden diese Waffensysteme im Laufe des Krieges stärker ausgebaut. Zugleich erlitten sie, an der Spitze die U-Boote, auch die meisten Verluste. So gingen allein 179 U-Boote verloren. Insgesamt verlor die Marine in der Mehrzahl durch Minenwirkung rund 200 Kriegsschiffe (ohne Hilfskriegs- und Hilfsschiffe sowie U-Boote). Der Bestand der Torpedoboote stieg von 100 zu Kriegsbeginn auf rund 200 Mitte 1917, der Minensuchbootbestand von 106 auf 394 im September 1918 und schließlich der U-Boot-Bestand von 28 auf 177 (346 Indienststellungen aller Typen vom U-Torpedoboot, U-Minenleger über kleinere KüstenUB- bzw. UC-Boote bis zu größeren U-Kreuzern und U-Minenkreuzern) im gleichen Zeitraum. Der Bestand an Kleinen Kreuzern nahm trotz Neubauten (zwölf, weitere fünf kurz vor Fertigstellung) dagegen von 29 auf 18 kontinuierlich ab. Mit Rücksicht auch auf den Vorrang der Landkriegführung musste der Zuwachs von Großkampfschiffen eng begrenzt werden. Insgesamt wurden bis Kriegsende fünf Linienschiffe (weitere zwei vor der Fertigstellung) und zwei Schlachtkreuzer (weiter zwei vor der Fertigstellung) in Dienst gestellt, wobei nur ein Schlachtkreuzer (Lützow) und ein älteres Linienschiff (Pommern) verloren gegangen waren. Die älteren Linienschiffe und Großen Kreuzer wurden aufgrund des ständig wachsenden Personalbedarfs für die U-Boote und Minensucher und ihrer geringen Widerstandskraft gegen moderne Torpedos und Minen 1916 zunehmend außer Dienst gestellt. Die Geschütze kamen an den Landfronten zum Einsatz. Die Zahl der Geschwader der Hochseeflotte reduzierte sich in der Folge von sechs auf drei, die der Aufklärungsgruppen von fünf auf drei. Einen kontinuierlichen Aufwuchs während des Krieges erfuhren die Marineluftstreitkräfte. Zu Beginn des Krieges einheitlich unter einem Befehlshaber der Marineluftfahrabteilung zusammengefasst, trat

149

Schiffsverluste der deutschen Marine im Ersten Weltkrieg Gesamtverluste 1914 – 1918

1914

1915

1916

1917

1918

Schlachtkreuzer





1





1

Linienschiffe













ältere Linienschiffe





1





1

ältere Große Kreuzer

4

2







6

Kleine Kreuzer

10

3

4



1

18

Torpedoboote

14

16

18

18

32

98

Minenschiffe

1

2







3

Minensuchfahrzeuge

1

10

9

26

25

71

U-Boote

5

19

22

64

69

179

Luftschiffe



11

16

15

13

55

Chronologische Auflistung der Verluste an schweren Schiffseinheiten der deutschen Marine Einzelverlust 26.8.1914 Kleiner Kreuzer Magdeburg Seeschlacht vor Helgoland am 28.8.1914 Kleiner Kreuzer SMS Ariadne, Kleiner Kreuzer SMS Mainz, Kleiner Kreuzer SMS Cöln Einzelverluste 13.9.1914 Kleiner Kreuzer Hela, 4.11.1914 Großer Kreuzer York, 4.11.1914 Kleiner Kreuzer Karlsruhe, 9.11.1914 Kleiner Kreuzer Emden, 17.11.1914 Großer Kreuzer Friedrich Carl Falklandschlacht am 8.12.1914 Großer Kreuzer SMS Scharnhorst, Großer Kreuzer SMS Gneisenau, Kleiner Kreuzer SMS Nürnberg, Kleiner Kreuzer SMS Leipzig Seeschlacht auf der Doggerbank am 24.1.1915 Großer Kreuzer SMS Blücher Einzelverluste 11.7.1915 Kleiner Kreuzer Dresden, 11.7.1915 Kleiner Kreuzer Königsberg, 23.10.1915 Großer Kreuzer Prinz Adalbert, 7.11.1915 Kleiner Kreuzer Undine, 17.12.1915 Kleiner Kreuzer Bremen Skagerrakschlacht 31.5. bis 1.6.1916 Schlachtkreuzer SMS Lützow, Linienschiff SMS Pommern, Kleiner Kreuzer SMS Frauenlob, Kleiner Kreuzer SMS Wiesbaden, Kleiner Kreuzer SMS Elbing, Kleiner Kreuzer SMS Rostock Einzelverlust 20.1.1918 Kleiner Kreuzer Breslau (ab 16.8.1914 mit deutscher Besatzung als „Midilli“ unter türkischer Flagge)

Quellen: V.E. Tarrant, Kurs West. Die deutschen U-Boot-Offensiven 1914 ‒ 1945, Stuttgart [1993], S. 104, 221 f.; 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, Bd 8, S. 509 f.

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1916 an dessen Stelle eine Befehlshaber der Marinefliegerabteilungen (Juni 1917 Marineflugchef) und ein Führer der Marineluftschiffe. Letzter unterstand dem Kommando der Hochseestreitkräfte. Im Reichsmarineamt entstand ein selbstständiges Luftamt. Den Einsatz der beiden Marinefliegerabteilungen (Herbst 1915 Seefliegerabteilungen) befahl der Admiralstabschef. Die taktische Leitung oblag besonderen Kommandeuren der Flieger, die den jeweiligen örtlichen Befehlshabern unterstellt wurden. Eine Marinelandfliegerabteilung (zuvor Detachement der Marinefliegerabteilung) stellte den Personalersatz und die Ausbildung sicher. Flugzeugtypen und Einsatzgliederung der Marineluftstreitkräfte des Marinekorps entsprachen im Wesentlichen den im Heer verwendeten fliegenden Verbänden. Daneben wurden 1918

150

Strukturen

auch zwei Kleine Kreuzer zu Flugzeugträgerschiffen umgebaut. Den im Frühjahr 1915 beginnenden Einsatz der Mitte 1917 mit 21 Stück ihren höchsten Bestand erreichenden Luftschiffe gegen England stellte die Marineführung in der zweiten Kriegshälfte aufgrund der hohen Verluste ein. Der Bestand an See- und Landflugzeugen stieg bis Ende des Krieges von anfangs zwölf auf über 1200 im September 1918 an. Die Luftstreitkräfte der Marine umfassten zuletzt über 20 000 Mann Personal.

Reichstruppen in den Schutzgebieten und Kolonien Die kaiserlichen Schutz- und Polizeitruppen in den Kolonien (Stärke zu Kriegsbeginn – ohne Marinetruppen – rund 5600 Europäer und 7800 einheimische Soldaten) waren als Reichstruppen unterhalb des Kaisers dem Staatssekretär des Reichskolonialamtes, seit 1911 Wilhelm Heinrich Solf, und dessen Kommando der Schutztruppen (Generalmajor Georg von Glasenapp, April 1914 Oberst Ernst von Below) unterstellt. Bis 1914 umfasste ihr Kernauftrag Polizeiaufgaben zum Schutz der weißen Bevölkerung, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung aller Kolonien nicht einmal ein Prozent betrug. An ihrer Spitze standen örtliche Kommandeure, die allerdings über keine Stäbe zur Führung, Administration und Versorgung der zumeist weit über das Kolonialgebiet verstreuten Einheiten verfügten. Sie waren verantwortlich gegenüber den Gouverneuren, die die oberste militärische Gewalt in den Kolonien ausübten. Bei Streitigkeiten hatte grundsätzlich das Reichskolonialamt zu entscheiden. Völlig anders als bei Heer und Marine und damit geradezu revolutionär für die sonstige Organisationsstruktur des Kaiserreichs oblagen damit zivilen Behörden wesentliche Verantwortlichkeiten im Bereich des Militärs. Den Kern der Schutz- und Polizeitruppen bildete freiwilliges Personal aus dem Heer und der Marine. Hinzu traten einheimische farbige Söldner (in Ostafrika Askaris) und Hilfspersonal sowie mit Kriegsbeginn die zum Dienst einberufenen wehrdienstpflichtigen Deutschen und weitere Freiwillige. Erst mit dem »Wehrgesetz für die Schutzgebiete vom 22. Juli 1913« hatte man für die Mobilmachung der Deutschen in den Kolonien eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Das Gesetz gestattete die Ableistung der Militärdienstpflicht in der Schutztruppe anstelle der im Kriegsfall angewiesenen Rückkehr nach Deutschland. Die Stärke der Schutztruppen in den verschiedenen Kolonien reichte von einzelnen Polizeieinheiten (Togo, Pazifikinseln) bis zu 60 Kompanien in Ostafrika Mitte 1916. Diese größte Schutztruppe in den Kolonien (Friedensstärke 1914 ohne Landespolizei: 14 Kompanien mit rund 260 Deutschen und 2500 Askaris) erreichte im März 1916 ihren größten

151 } Abb. 13: Paul von Lettow-Vorbeck, von 1914 bis 1918 Kommandeur der deutschen Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika, um 1918. akg-images

Umfang mit einer Stärke von rund 3000 Europäern und 12 000 Askaris. Für die im Buschkrieg unerlässlichen Trägerdienste wurden nochmals mehrere Tausend Einheimische als Hilfspersonal verpflichtet. Die Truppe bestand im Kern aus den Askari-Feldkompanien (150 Mann mit 320 Trägern), geführt von deutschen Unteroffizieren und Offizieren. Nach der Jahrhundertwende mussten diese vorrangig aus den eigenen Kolonialgebieten rekrutiert werden, da etwa Großbritannien die Anwerbung von Söldnern aus seinen Kolonien unterbunden hatte. Hier griff man auf als besonders kriegerisch und zuverlässig geltende Ethnien zurück. Mit Kriegsbeginn waren nur noch rund 30 Prozent der Soldaten die aus Sicherheitsgründen eigentlich von den Offizieren bevorzugten Äthiopier, Sudanesen, Somali oder Zulus. 1914/15 wurden vorübergehend aus deutschen Siedlern noch reine Europäereinheiten (Schützenkompanien zu 120 Mann mit 700 Trägern) sowie ein einige Hundert Mann starkes »Araberkorps« aufgestellt. Die Schutztruppe in Kamerun war ähnlich zusammengesetzt. Sie besaß 1914 eine Friedensstärke (ohne Landespolizei) von zwölf Kompanien mit 200 Deutschen und 1650 afrikanischen Söldnern. Sie erreichte im Krieg einen Höchstumfang von 1460 Deutschen und 6500 farbigen Söldnern (34 neuaufgestellte Kompanien). Der Anteil deutscher Offiziere und Unteroffiziere in einer Kompanie betrug 1914 durchschnittlich sieben Prozent. Dagegen bestand die Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika vorwiegend aus Deutschen. Ihre Friedensstärke betrug 1914 – ohne Landespolizei – rund 2000 Mann, die auf 5000 Mann Kriegsstärke anwuchs. Sie gliederte sich in neun berittene Infanteriekompanien, drei Gebirgsbatterien sowie zwei Verkehrszüge.

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Strukturen

| Abb. 14: Askaris der deutschen Schutztruppe beim Übungsschießen, DeutschOstafrika 1914/18. BArch, Bild 105-DOA3049, Walther Dobbertin

Aus einheimischen farbigen Söldnern zusammengesetzte Truppenteile wie etwa die im Oktober 1914 formierte Kamerunkompanie blieben hier aufgrund des Herero- und Namaaufstandes eine Ausnahme. Die Schutztruppen konnten im Kriegsfall nicht wie in Europa auf gekaderte Reserveformationen mit einem entsprechenden Vorrat an Ausrüstung und Material zurückgreifen. Schwere Waffen waren nur in begrenztem Umfang vorhanden, da sich etwa der Transport von Artillerie im Buschkrieg als schwierig erwiesen hatte und er die Bewegungsfähigkeit der Truppe erheblich einschränkte. So verfügte beispielsweise die Schutztruppe in Kamerun über lediglich vierzehn veraltete Artilleriegeschütze. Pioniere und technische Formationen waren überhaupt nicht vorhanden. Trotz der generellen Vernachlässigung der Schutztruppen in der Heimat hatte man unmittelbar vor dem Krieg begonnen, die Schutztruppe in Ostafrika und Kamerun wie die am modernsten ausgestattete in Südwestafrika mit dem Mehrladeinfanteriegewehr 98 auszurüsten. Acht der 14 Kompanien in Ostafrika verfügten hier zu Kriegsbeginn über diese Waffe. Zudem wurde die Anzahl der Maschinengewehre von zwei auf drei pro Kompanie erhöht. Zur Ergänzung der Schutz- und Polizeitruppen bzw. an deren Stelle wurden in den Kolonien auch weitere Reichstruppen wie Marineinfanterie eingesetzt, beispielsweise ein Seebataillon zusammen mit einer Matrosenartillerieabteilung als Besatzung des Hafens Tsingtau mit rund 2400 Mann im Schutzgebiet Kiautschou in China. Dies war der einzige befestigte Stützpunkt in Übersee. Hinzu traten nach Kriegsbeginn noch 500 Mann des in Peking und Tiensin stationierten ostasiatischen Marinedetachements. Der Gouverneur war Marineoffizier und unterstand dem Reichsmarineamt.

Rüstung Rüstungsstrategische Unterlegenheit und Kriegsvorbereitung Die Überlegenheit an Menschen sowie wirtschaftlichem Potenzial verschaffte der Entente schon mit dem britischen Kriegseintritt einen (rüstungs-)strategischen Vorteil gegenüber den Mittelmächten. So verfügten Deutschland und die Donaumonarchie über lediglich annähernd 46 Prozent der Bevölkerung (118 zu 260 Millionen ohne Kolonien) und nur 61 Prozent des Sozialproduktes von Großbritannien, Frankreich und Russland. Die Gesamtkriegsstärke der Landstreitkräfte der Entente (9,4 Millionen) übertraf schon zu Kriegsbeginn die der Mittelmächte (6,3 Millionen) um rund drei Millionen Mann. Auf See verkehrten mehr als doppelt so viele alliierte Kriegsschiffe aller Klassen und U-Boote, mit denen nicht zuletzt eine wirksame Fernblockade der deutschen Nordseeküste aufrechterhalten werden konnte. Damit blieb das von kriegswichtigen Rohstoffen und Nahrungsmittelimporten stark abhängige Deutschland vom weltweiten Überseehandel abgeschnürt. Von den angenommenen 71 Millionen Kriegsteilnehmern stellten Russland, Frankreich (ohne farbige Kolonialtruppen), England (ohne Dominions und indische Truppen), Italien und die USA im Laufe des Krieges 39 Millionen Mann. Deutschland (13,4 Millionen) und Österreich-Ungarn (9 Millionen) konnten dagegen zusammen nur rund 22 Millionen Mann unter Waffen halten. Von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Krieges war am Ende jedoch in erster Linie die immense Wirtschaftskraft der USA, die der Entente ab April 1917 zur Verfügung stand. Dieses Potenzial versetzte die Alliierten in die Lage, eigene personelle und materielle Verluste noch schneller zu kompensieren als zuvor. Die Ende 1916 von der 3. OHL durch das Hindenburgprogramm und das Hilfsdienstgesetz umstrukturierte und forcierte wirtschaftliche Mobilisierung in Deutschland konnte das eklatante Kräfteungleichgewicht kaum verändern. So förderte bzw. erzeugte die stärkste Industrienation der Welt im letzten Kriegsjahr viermal so viel Steinkohle und Rohstahl sowie dreimal so viel Eisenerz und Roheisen wie Deutschland als führende Wirtschaftsmacht der Mittelmächte. Dieser Vorsprung im Bereich der Grundlagen der Rüstungsproduktion sicherte den alliierten Landstreitkräften 1918 ein deutliches Übergewicht an Kriegsmaterial, Munition und Betriebsstoffen, auch wenn der materielle Vorteil auf dem Schlachtfeld anhand der Offensiven der 3. Britischen Armee von August bis November 1918 jüngst relativiert worden ist (  6.33   Boff). Zugleich produzierten die Werften in den USA und Großbritannien das Doppelte an Schiffstonnage, die die

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deutschen U-Boote – deren Zahl von Januar bis September 1918 um lediglich elf Boote erhöht werden konnte – im mit vielen Erwartungen verbundenen uneingeschränkten Handelskrieg zur See versenkten. Auf deutscher Seite lähmte im Verlauf des Jahres 1918 die immer begrenztere Kapazität an Menschen und damit an Facharbeitern und Soldaten zusehends die längst überspannte Leistungsfähigkeit von Kriegswirtschaft und Streitkräften. Hinzu traten die Auswirkungen des Rohstoffmangels, vor allem an Buntmetallen, die Kohle- und Nahrungsmittelknappheit sowie die völlige Überlastung des Eisenbahntransportwesens. Diese Engpässe bewirkten im Sommer 1918 nicht nur einen schlagartigen Rückgang der Rüstungsproduktion. Vielmehr trugen sie in Verbindung mit den ungelösten sozialen Spannungen der Klassengesellschaft sowie einer ständig zunehmenden Kriegsmüdigkeit maßgeblich zu einer schleichenden Demoralisierung von Heimat und Streitkräften bei. Am Ende stand deren völlige Erschöpfung und der Zusammenbruch des Kaiserreichs. Fixpunkt »schneller Sieg« In den Jahren vor Kriegsausbruch verschob sich der Schwerpunkt der deutschen Rüstung vom Ausbau der Hochseeflotte als sichtbarem Zeichen deutschen Weltmachtstrebens zur See wieder auf die Vergrößerung des personellen Umfangs der Landmacht. Eingeleitet wurde diese Wende durch Reichskanzler Bethmann Hollweg, dem vor allem die Tirpitzsche Flottenpolitik für einen außenpolitischen Ausgleich mit England im Wege stand. Generell bestimmte der Reichskanzler unter dem Primat der Politik vor der Entscheidung des Kaisers das Ausmaß der Heeresrüstung. Deren genaue Ausgestaltung wie auch die Operationsplanungen für den Krieg überließ die Reichsleitung dagegen bereitwillig den zuständigen militärischen Stellen Kriegsministerium und Großer Generalstab. Auch während des Krieges koordinierte das Militär anders als etwa in Frankeich und England weitgehend Rüstung und Kriegswirtschaft. Zwei grundlegende Konzepte standen sich vor dem Krieg beim personellen Ausbau des Heeres in einer armeeinternen, aber auch öffentlich geführten Diskussion kontrovers gegenüber: Qualität und Quantität. Insbesondere im Kriegsministerium hielt sich die Vorstellung vom kurzen Krieg, wobei man umfangreiche wirtschaftliche Maßnahmen trotz der Gefahr einer britischen Blockade vorab als nicht notwendig erachtete. Dessen Vertreter befürchteten bei einer zu starken zahlenmäßigen Vergrößerung des Heeres unakzeptable Einbußen in der bisherigen Güte und Schlagkraft des Heeres, was unter anderem durch einen hohen Tauglichkeitsgrad der Wehrpflichtigen und ein sozial möglichst homogenes Offizierkorps sichergestellt werden sollte. Dagegen zogen vor allem Generalstabschef Moltke und einige seiner Untergebenen wie

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der Chef der Aufmarschabteilung Ludendorff die Möglichkeit eines längeren kräftezehrenden Volkskrieges in Betracht. Doch hatte bereits die Umsetzung der Kriegsplanungen Schlieffens Truppenstärken verlangt, mit denen der Große Generalstab teils nur auf dem Papier operiert hatte. So plädierte man hier neben wirtschaftlichen Vorbereitungen für eine starke Vermehrung des Heeres, und zwar unter weitgehender Ausschöpfung der Wehrpflicht. Dessen ungeachtet galten auch im Großen Generalstab Qualitätsaspekte wie eine hohe Truppenmoral und vor allem ein ausgewähltes Offizierkorps als unverzichtbare Grundlagen für den Wert einer Armee. Unter dem außenpolitischen Druck der Aufrüstung Russlands und einer zunehmenden innenpolitischen Agitation zugunsten des Heeresausbaus trat dessen Aufrüstung unmittelbar vor dem Krieg in eine Hochphase. Die Heeresvorlagen 1912/13 bildeten dann im Endeffekt einen Kompromiss zwischen den hohen quantitativen Forderungen des Großen Generalstabes – 300 000 Mann mit Aufstellung von drei zusätzlichen Armeekorps – und dem Qualitätsaspekt des Kriegsministeriums (60 000 Mann). Sie führten im Winter 1913/14 zu einer Ist-Friedenspräsenzstärke des Heeres von 760 000 Mann (29 000 Offiziere, 3340 Sanitätsund Veterinäroffiziere, 105 800 Unteroffiziere, 599 200 Mannschaften, 16 000 Einjährig-Freiwillige, 2880 Beamte, 4025 Zeug- und Feuerwerkspersonal). Hinzu traten die 79 000 Angehörigen der Marine – einschließlich Marineinfanterie und ostasiatisches Detachement – sowie rund 6500 Mann Schutztruppen in den Kolonien. Damit standen 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung von rund 68 Millionen im Militärdienst (ohne Einjährig-Freiwillige, Sanitätsoffiziere, Beamte, Schutztruppen, Zeugund Feuerwerkspersonal). Diese seit 1871 größte Heeresvermehrung bedeutete eine Aufstockung der Soll-Friedenspräsenzstärke von 1912 auf 1913 um knapp 21 Prozent. Dennoch blieb die Rüstung nach den richtungsweisenden Vorstellungen des Kriegsministeriums auf einen kurzen Krieg von allenfalls wenigen Monaten Dauer fixiert. Anders als etwa in Frankreich wurde in Deutschland vor dem Krieg nur rund die Hälfte der tauglichen Wehrpflichtigen eines Jahrganges – in der Regel mit Vollendung des 20. Lebensjahres – überhaupt zum aktiven Dienst in die Armee ein gezogen. Noch 1913 berief die Heeresverwaltung nur die besonders tauglichen Militärdienstpflichtigen ein. Von 1,3 Millionen Wehrpflichtigen wurden mehr als 600 000 zurückgestellt. Lange Zeit betonte die Forschung wie bei der Flottenrüstung die primäre Funktion eines Machterhalts der staatstragenden Eliten nach Innen (Primat der Innenpolitik). Damit verbunden war auch die Auffassung, die überproportionale Einberufung der Landbevölkerung vor dem Krieg mit politischer Zuverlässigkeit zu begründen. Ein neuerer Ansatz sieht den

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Hauptgrund dafür jedoch schlichtweg im besseren Gesundheitszustand gegenüber den Stadtbewohnern. Allenfalls in Elsass-Lothringen spielte die politische Haltung bei der Rekrutierung der Militärdienstpflichtigen eine vordergründige Rolle. Ausbildung und Ausrüstung des Heeres orientierten sich in erster Linie an einem kurzen Schlagabtausch gegen die potenziellen äußeren Gegner Russland und Frankreich. Eine systemstabilisierende Rolle etwa als Bürgerkriegstruppe zur Niederschlagung von Aufständen im Inneren war allenfalls von marginaler Bedeutung. Den kriegsmateriellen Sektor der Produktion von Waffen, Munition, Ausrüstung und Verpflegung teilten sich staatliche Rüstungsbetriebe (Heereswerkstätten und Marinearsenale) mit Unternehmen der Privatwirtschaft, allen voran die Krupp AG in Essen. Unmittelbar vor dem Krieg vergaben Kriegsministerium und Reichsmarineamt nur noch rund 40 Prozent der Rüstungsaufträge an die staatlichen Betriebe. Die Vorkriegsmaßnahmen beschränkten sich hier auf die Anlegung begrenzter Lagervorräte sowie den Abschluss von Lieferverträgen mit den Betrieben der Privatwirtschaft, die schon im Frieden das Rüstungsgeschäft betrieben. Mit dieser Klientel sowie einer gesteigerten Produktion der staatseigenen Betriebe hoffte die Militärverwaltung, den materiellen Streitkräftebedarf für kurze Zeit decken zu können. Unverarbeitete Rohstoffe und Nahrungsmittel sollten solchen Vorausberechnungen zufolge rund ein Kriegsjahr lang ausreichen, und zwar ohne massive Einschnitte für die Bevölkerung. 900 große Industrieunternehmen gingen bei den Rohstoffen zu Kriegsbeginn sogar allenfalls von einem halben Jahr aus. Gleiches bezweckte die Finanzierung des Krieges, die im Wesentlichen unbeliebte Steuererhöhungen vermeiden und trotz Inflationsgefahr über inländische Kredite in Form von Reichsschatzanweisungen und Kriegsanleihen gewährleistet werden sollte. Die erwarteten Kriegsgewinne dienten zur Kreditdeckung. Wie im vorangegangenen Krieg sollten die Verlierer für die Schulden aufkommen. Die immense Mobilisierung von Menschen und Kriegsmaterial konfrontierte das Deutsche Reich bald nach Kriegsausbruch mit unberechenbaren Herausforderungen. Im Interessengeflecht von Militär, Staat und Wirtschaft vollzog sich ein unsicherer Anpassungsprozess gigantischen Ausmaßes, der vielfach in »durch immer neue Fehler belastete Improvisation« mündete (  1.13   Kielmannsegg, S. 162).

Aspekte der personellen Streitkräfteentwicklung Verlust‑ und Ersatzgrößen Den Umfang der personellen Mobilisierung der deutschen Streitkräfte im Weltkrieg möge ein Blick auf die Ersatz- und

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Mobilisierung 1914 bis 1918 Bevölkerung wehrfähige Männer* Anteil in % 67 800 000

16 300 000

24,0

* Männer im Alter zwischen mind. 18 Jahren zu Kriegsbeginn (oder die während des Krieges dieses Alter erreichten) und höchstens 49 Jahren

Kriegsteilnehmer

Heer Marine Schutztruppen (ohne Indigene)

Gesamt

Anteil in % Anteil in % Bevölkerung wehrfähige Männer

Tote

Anteil in % Kriegsteilnehmer

13 387 000

19,7

82,1

2 000 876

14,9

281 000

0,4

1,7

34 836

12,4

9 600

< 0,1

< 0,1

1 185

12,3

13 677 600

20,2

83,9

2 036 897

14,9

Quellen: 1.7 Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 664 f; 8.4 Sanitätsbericht über das Deutsche Heer, Bd 3, S. 12, 31; 8.5 Vom Sterben des Deutschen Offizierkorps, S. 54, 68 f, 74 f.

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Verlustgrößen illustrieren. Unter den zu Kriegsbeginn 10,5 Millionen Militärdienstpflichtigen ab Geburtsjahr 1870, die dem Heer zur Verfügung standen (ohne Rekrutenjahrgang 1914 sowie Landsturmpflichtige von 17 bis 19 Jahren), befanden sich neben den 120 000 Offizieren nur 4,9 Millionen ausgebildete Mannschaften und Unteroffiziere, somit rund die Hälfte der militärdienstpflichtigen Männer. Hinzu traten nochmals 172 000 Mann der Marine. Dieses Personal formte mit der Mobilmachung die planmäßige Kriegsstärke der deutschen Streitkräfte von vier Millionen Mann, davon Feldheer 2,4 Millionen und Marine 161 500 Mann. Bis zum Kriegsende erreichte die personelle Mobilisierung einschließlich des Geburtsjahres 1900 mit 13,4 Millionen Soldaten beim Heer – davon bis Ende Juli 1918 10,6 Millionen beim Feldheer sowie nochmals 291 000 Kriegsteilnehmern bei Marine und Schutztruppen (ohne Farbige) – bislang unerreichte Ausmaße. Über 80 Prozent der wehrfähigen männlichen Bevölkerung Deutschlands der Altersgruppe zwischen 15 bis 49 Jahren (geschätzt 16,3 Millionen) wurde während des Krieges zu den Streitkräften eingezogen, und zwar im Heer überwiegend zu Infanterietruppenteilen. Mit einer durchschnittlichen Ist-Stärke von 6,4 Millionen Soldaten (4,2 Millionen im Feld- und 2,2 Millionen im heimatlichen Besatzungsheer) erreichte der Heeresumfang mehr als das Achtfache der Friedenspräsenzstärke. Die durchschnittliche Kopfstärke der Marine (einschließlich Landformationen) lag nach den Zahlen des Kriegssanitätsberichtes über die Deutsche Marine bis zum Sommer 1918 bei 240 000 Mann, sie betrug damit rund das Dreifache ihrer Personalstärke unmittelbar vor dem Krieg. Insgesamt leisteten zwischen 1914 und 1918 rund ein Fünftel der Deutschen Militärdienst, wäh-

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rend etwa der Anteil der Kriegsteilnehmer an der Gesamtbevölkerung im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 gerade einmal 3,6 Prozent betragen hatte. Somit prägte der Militärdienst in diesen fünf Jahren eine gesamte Generation von Männern. Die Masse überlebte zwar, aber kaum einer kehrte unversehrt nach Hause zurück. Durchschnittlich jeder zweite Soldat des Feldheeres wurde einmal verwundet und jeder Feldheerangehörige war einmal und rund ein Drittel zweimal krank gewesen. Doch nur wenige Soldaten befanden sich den ganzen Krieg über an der Front. Die durchschnittliche Felddienstdauer eines Soldaten lag bei rund 15 Monaten. Die umfangreichen personellen Mobilisierungsgrößen resultierten aus den hohen Verlusten an Toten, Verwundeten und Kranken insbesondere des Feldheeres, die sich unterschiedlich auf die einzelnen Kriegsphasen und Fronten verteilten, sowie dem entsprechenden Ersatzbedarf der laufend durch Neuaufstellungen vergrößerten Streitkräfte. Die Zahlen geben einen Eindruck von der Organisationsfähigkeit und dem Mobilisierungswillen von Staat und Nation für den industrialisierten Massenkrieg. Davon waren alle kriegführenden Nationen betroffen, wobei die Verluste der Alliierten diejenigen der Deutschen insgesamt noch erheblich übertrafen. Das Heer hatte im Verlauf des Krieges und den anschließenden Grenzkämpfen im Osten rund zwei Millionen Tote (einschließlich 100 000 als tot angenommene Vermisste) zu beklagen. Hinzu traten im Feldheer bis zum Sommer 1918 nochmals über 19 Millionen Verwundungen und Krankheitsfälle. Knapp eine Million deutsche Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Davon kehrten 85 Prozent lebend nach Deutschland oder die nach dem Krieg abgetretenen Gebiete zurück. Der in Relation zur Ist-Stärke des Feldheeres hohe Gesamtausfall (Tote, Vermisste, längerfristiger Abgang an Verwundeten und Kranken) der Bewegungskriegsphasen des ersten Kriegsjahres fiel bis in das Jahr 1918 kontinuierlich ab. Im Osten waren dabei die Gesamtverluste noch bis Mitte des Jahres 1916 höher als im Westen. Wegen des folgenden Rückgangs der Kampfintensität und schließlich des Waffenstillstandes mit Russland Ende 1917 gingen diese dann erheblich zurück.1917/18 standen dem durchschnittlichen Monatsausfall von 121 000 Mann im Westen lediglich 5200 Mann im Osten gegenüber. An der Westfront erreichten 1916 selbst mit den Materialschlachten bei Verdun und an der Somme die Verluste nicht die hohen Ausmaße des Jahres 1914. Erst mit den Frühjahrsoffensiven 1918 stiegen diese wieder sprunghaft an. So betrug der durchschnittliche monatliche Gesamtausfall der deutschen Truppen bis zum Jahresende 1914 etwa 10 Prozent, im Laufe des Jahres 1916 3,5 Prozent, 1917 noch 2,7 Prozent und in den ersten sie-

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ben Monaten des Jahres 1918 wieder 3,9 Prozent der Ist-Stärke des Westheeres. Die Zahl an Toten bei Marine und Schutztruppen lag bei 35 000 bzw. 1200 Mann (sowie etwa 14 000 Farbigen) sowie nochmals ca. 31 000 bzw. 1200 Verwundungen (ohne Farbige) und 370 000 Krankheitsfällen (nur Marine). Die Masse der Verwundeten bei der Marine entfiel auf die Marinelandformationen. In Relation zu den jeweiligen Kriegsteilnehmern ergeben sich vom Heer zur Marine hinsichtlich der Toten nur geringfügige Unterschiede von ca. 2,5 Prozent. Doch zeigen die Personalverluste der ständig aufwachsenden U-Boot-Waffe, auf der im Verlauf des Krieges der Schwerpunkt der Seekriegführung lastete, den teils hohen Blutzoll der Marine: Rund die Hälfte der kämpfenden U-Boot-Mannschaften – etwa 5000 Mann – war während des Krieges zu Tode gekommen oder galt als vermisst. Bei den Heer und Marine angegliederten Luftstreitkräften hatte die Heeresfliegertruppe mit rund 6900 Toten und nochmals 7400 Verwundeten die höchsten Verluste zu beklagen. Über 60 Prozent der Todesfälle resultierten dabei nicht aus Luftkämpfen, sondern waren eine Folge von Unfällen an der Front und in der Heimat. Die meisten Schutztruppenangehörigen starben schon aufgrund des Umfangs der Truppe sowie der Länge und Intensität der Kämpfe in Ostafrika. Der Anteil der Toten an der Zahl der Kriegsteilnehmer lag hier mit rund 20 Prozent deutlich über dem jeweiligen Gesamtverhältnis bei Schutztruppen, Heer und Marine. Beim Feldheer erlitt die Waffengattung Infanterie die meisten Verluste. Laufend im Brennpunkt von Kämpfen eingesetzte Truppenteile waren davon mehr betroffen als Einheiten, die überwiegend an ruhigeren Frontabschnitten verweilten. So musste etwa das bayerische Infanterieleibregiment als Teil des kampfintensiven Alpenkorps mit 3400 Toten das Zweieinhalbfache der Verluste des 31. preußischen Landwehrregiments kompensieren. Ernst Jünger, dessen Einheit die schweren Kämpfe an der Westfront 1916 durchlebte, hielt in seinen Tagebuchaufzeichnungen zum Weihnachtsfest 1916 bezeichnenderweise fest, dass von den rund 200 Soldaten der Vorjahresfeier noch gerade fünf Mann übrig waren. Die meisten Soldaten starben durch die unmittelbare Wirkung der Artilleriegeschütze. Mit Fortgang des Krieges trieben sie auch die Zahl der Verwundungen im deutschen Heer gegenüber anderen Waffen in die Höhe. So betrug beispielsweise bei einer deutschen Armee der Westfront Mitte 1917 der Anteil der durch Artilleriegeschosse verwundeten Soldaten nahezu 80 Prozent, während die Anzahl der Verwundungen durch Infanteriehandwaffen bei unter 20 Prozent lag. Dagegen verursachten blanke Waffen wie Bajonette und Säbel gerade einmal

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0,1 Prozent der Verwundungen. Rund die Hälfte der Gefallenen war zwischen 19 und 24 Jahre alt, während der Anteil älterer Soldaten über 35 Jahre deutlich niedriger bei etwa 10 Prozent lag. Da jüngere Soldaten im Laufe des Krieges zunehmend im Schwerpunkt der Kämpfe an vorderster Front eingesetzt wurden, stieg generell auch ihre Sterblichkeit. Dieses Risiko betraf vor allem die während des Krieges neueingestellten Wehrpflichtigen. So wuchs der Anteil der 18- bis 20-Jährigen an den Toten 1917/18 im Vergleich zu 1914 um mehr als das Dreifache auf annähernd ein Viertel an. Immerhin rund ein Zehntel der Todesfälle resultierte trotz einer verbesserten sanitätsdienstlichen und medizinischen Versorgung aus Krankheiten. Die langanhaltenden Kämpfe in Verbindung mit den entsetzlichen Lebensbedingungen sowie oft unzureichender Ernährung forderten ihren schrecklichen Tribut. Einen traurigen Höhepunkt bildete die Ausbreitung der spanischen Grippe seit Frühjahr 1918, der zahlreiche Soldaten aller Nationen zum Opfer fielen. Dennoch gelang es dem Sanitätsdienst schon bei der Truppe und in den Frontlazaretten, von 19,5 Millionen Verwundeten und Krankheitsfällen des Feldheeres 75 Prozent wieder gesund zu pflegen. 3,2 Millionen Feldheerangehörige kehrten dabei nach einem Heimaufenthalt über die Ersatztruppenteile bis Ende Juli 1918 dienstfähig an die Front zurück. Die Marine konnte nahezu alle zeitweilig erkrankten Soldaten wieder im Dienst einsetzen. Insgesamt musste das Feldheer bis Ende Juli 1918 6,3 Millionen längerfristig ausgefallene Soldaten ersetzen. Dieser Ersatz setzte sich jeweils zur Hälfte aus Wiedergenesenen sowie den im Krieg neu eingestellten Wehrpflichtigen aller Militärdienstverhältnisse zusammen. Hinzu traten noch die sich unaufgefordert zum Dienst meldenden Kriegsfreiwilligen, von denen nach Schätzungen für Preußen bereits im August 1914 185 000 Mann in die Truppe eingestellt worden waren. Deren Zahl ging zwar im Laufe des Krieges zurück, dennoch lassen sich Kriegsfreiwillige in den erhaltenen Kriegsstammrollen einzelner Regimenter bis in das Jahr 1918 feststellen. Die ständigen Neuformationen einschließlich der rasanten Vermehrung technischer Truppen innerhalb des Massenheeres erschwerten erheblich die Deckung des aus den immensen Verlusten resultierenden hohen Ersatzbedarfs. Im Sommer 1915 betrug dieser monatlich 300 000, Mitte 1917 dann 250 000 Mann. Nach den Berechnungen des Sanitätsberichtes für das Heer lag der zwischen 1915 und 1918 monatlich ins Feld gesandte Ersatz bei durchschnittlich 132 000 Mann. Um Personal für solche Neuaufstellungen aus der Truppe zu gewinnen, wurden die Felddivisionen seit März 1915 nach und nach um rund ein Viertel ihres Bestandes an Truppenteilen reduziert. Gleiches bezweckte die von der 3. OHL veranlasste Herabsetzung der Gefechtsstärken der Infanterie unter Vermehrung ihrer Feuerkraft durch die Maschinengewehre. Darin

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spiegelte sich die Absicht, den Menschen im Gefecht zusehends durch die Maschine zu ersetzen. Spannungsfeld Industrie – Militär Das größte und bis zum Ende des Krieges ungelöst gebliebene Spannungsfeld personeller Mobilisierung bildete die Notwendigkeit, der Industrie ausreichend geschulte Arbeitskräfte für die stetig wachsende Rüstungsproduktion zur Verfügung zu stellen. Das betraf auch die Sicherstellung der Nahrungsmittelproduktion in der Landwirtschaft und die Instandhaltung des kriegswichtigen Eisenbahnwesens. Streitkräfte und Rüstungsindustrie standen in stetiger Konkurrenz um Facharbeiter, die als sogenannte Reklamierte zeitweilig vom Wehrdienst zurückgestellt waren. Frauen, Jugendliche, ältere Männer und Kriegsversehrte fanden schon 1915 in der Kriegsindustrie Verwendung. Hinzu traten viele der im Reich bis Oktober 1918 rund 2,5 Millionen internierten Kriegsgefangenen sowie vor allem in Belgien und Polen angeworbene und teils auch zwangsrekrutierte Arbeitskräfte. Während die Unternehmer starke Vorbehalte gegen ungelernte Arbeiter hegten, stieg das Unverständnis vieler Militärbehörden an der stetig wachsenden Zahl der Reklamierten – Ende 1915 rund eine Million. Viele Industrielle forderten zudem eine stärkere Disziplinierung und damit Beschränkung der Freizügigkeit wie auch der Löhne der Arbeiter durch das Militärdienstverhältnis. Doch die zuständigen Stellen des Kriegsministeriums bemühten sich generell um einen gerechten Interessenausgleich zwischen Industrie, Gewerkschaften und militärischer Kriegführung. Dazu zählte auch die Vermeidung weiterer sozialer Spannungen, die den zu Kriegsbeginn proklamierten Burgfrieden belasteten. Soldaten wurden zur Arbeitsleistung aus der Armee entlassen bzw. zurückgestellt oder beurlaubt. Arbeitszwang für die Zivilbevölkerung lehnte man ab. Hindenburgprogramm und Hilfsdienstgesetz Mit dem Hindenburgprogramm verließ die 3. OHL Ende August 1916 die bislang eher moderaten Wege des Kriegsministeriums. Urheber dieses forcierten Rüstungsprogrammes zur Fortsetzung des Abnutzungskrieges gegen den an Menschen und Material überlegenen Gegner war ein enger Vertrauter Ludendorffs. Als Leiter der Operationsabteilung II in der OHL pflegte Oberstleutnant Max Bauer seit Langem beste Kontakte zur Großindustrie und signalisierte Unterstützung für deren Interessen. Gestützt wiederum auf deren Zusagen, sollte die Produktion von Munition und wichtigen Waffen bis zum Frühjahr 1917 um das Zwei- bis Dreifache gesteigert und zugleich die Förderung von Kohle und Eisenerz deutlich erhöht werden. Neben einer Stilllegung von als nicht kriegswichtig eingestuften Betrieben war eine umfangreiche personelle Mobilisierung der deutschen Gesellschaft sowie die rigorose Ausbeutung der Besatzungsgebiete beabsichtigt. Die

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Paul von Hindenburg, Denkschrift vom 2. November 1916 Der Chef des Generalstabes des Feldheeres erarbeitete zusammen mit der Rüstungsindustrie das »Hindenburg-Programm«, das die letzten Menschen- und Materialreserven für den Krieg mobilisieren sollte. In einer »Denkschrift« an Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg legt er schließlich seine Überlegungen dar. Wir können den Krieg daher nur gewinnen, wenn wir dem Heere so viel Kriegsgerät zuführen, dass es den feindlichen Armeen gleich stark gegenübersteht und wenn wir die Ernährung des gesamten Volkes sicherstellen. Das ist bei den reichen Mitteln, die unsere Feinde haben, nur möglich, wenn alles, was unser Land an Bodenschätzen birgt und was die Industrie und der Acker hergeben können, ausgenutzt wird, lediglich für die Förderung des Krieges. Dieses Höchstmaß an Leistungen kann aber nur erreicht werden, wenn das gesamte Volk sich in den Dienst des Vaterlandes stellt [...] Es ist nach meiner Überzeugung von höchster Wichtigkeit, dass ein Gesetz zustande kommt, in welchem ausdrücklich die Wehrpflicht für die gesamte männliche Bevölkerung hinsichtlich der Dauer auf das 16. bis 60. Lebensjahr und hinsichtlich der Verwendung auf die gesamte Kriegswirtschaft ausgedehnt wird. Jeder Mann muss seinem Können entsprechend in den Dienst gestellt werden, an der Drehbank, in der Schreibstube oder zu jeder anderen Betätigung, in der er dem Staat am meisten nutzt. Quelle: Der Erste Weltkrieg in Bildern und Dokumenten, Bd 2: Stellungskrieg und Materialschlachten 1915‑1916. Hrsg. von Hans Dollinger, München 1969, S. 164. neue Militärführung sorgte dabei nicht nur für einen personellen Wechsel an der Spitze des Kriegsministeriums. Vielmehr schuf sie hier mit dem Kriegsamt unter Generalleutnant Wilhelm Groener eine neue zivilmilitärische Zentralbehörde, mit der man sich selbst eine bessere Koordination und Kontrolle der wirtschaftlichen Mobilisierung in ihrem Sinne versprach. Zur Lösung der Ersatz- und Arbeitskräftefragen schwebte der OHL der zivile Arbeitszwang mit Hilfe eines Kriegsleistungsgesetzes sowie auch die Dienstpflicht für Frauen vor, um kriegsverwendungsfähiges Personal für die Front freizumachen. Die Forderung nach Einschränkung des Freizügigkeitsrechtes ging damit einher. Dem Drängen der OHL auf eine Ausweitung der Wehrpflicht vom 15. bis zum 60. Lebensjahr stellte sich jedoch der Reichskanzler entgegen. Beim Gegner könnte der Eindruck entstehen, Deutschland sei am Ende seiner Kräfte. Stattdessen trat nach heftiger Debatte im Reichstag Anfang Dezember 1916 das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst in Kraft. Doch diese Arbeitsverpflichtung für alle männlichen Deutschen zwischen 17 und 60 Jahren konnte am Ende nur mit erheblichen Konzessionen an

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die Reichstagsmehrheit durchgesetzt werden. Vor allem aber wurde die Stellung der Gewerkschaften gegenüber den Unternehmen nachhaltig gestärkt. Arbeiter saßen beispielsweise künftig in Ausschüssen, die über Streitfragen bei der praktischen Anwendung des Gesetzes mitentschieden, da den Hilfsdienstpflichtigen das Recht zustand, sich gegen die Einschränkungen der Arbeitsplatzwahl zu beschweren. Der OHL blieben solche Zugeständnisse an die Freizügigkeit der Arbeiter ein Dorn im Auge. Revisionsversuche des Gesetzes scheiterten 1917 dann jedoch am Widerstand der Großindustriellen, die sich einer weiteren Einmischung von Militär und Gewerkschaften bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen und Löhnen entgegenstellten. Die ursprüngliche Forderung nach einer Erweiterung der Wehrpflicht wie auch die Dienstpflicht für Frauen verfolgte die OHL noch bis zum Juni 1918 weiter. Allerdings blieb sie im militärischen Führungskreis von OHL und Kriegsministerium umstritten. Insbesondere weitere umfangreiche innenpolitische Zugeständnisse an die Reichstagsmehrheit wie u.a. eine Wahlrechtsreform sprachen dagegen. Zudem waren die meisten der körperlich noch geeigneten Betroffenen durch das Hilfsdienstgesetz längst in der Kriegswirtschaft tätig, wo man sie ebenfalls dringend benötigte. Auch die große Mehrheit der Frauen arbeitete bereits dort, Mitte 1918 rund 4 Millionen. Im Endeffekt konnte das Hilfsdienstgesetz das Kernproblem von Arbeitskräftemangel und Streitkräfteersatz nicht überwinden, da Deutschlands wirtschaftliche und militärische Kapazitäten schlichtweg zusehends überspannt wurden. Die Zahl der Reklamierten stieg im Zuge des Hindenburgprogramms bis Mitte 1918 noch auf über 2,4 Millionen an. Zwar konnte damit einerseits der schon in den ersten Kriegsjahren einsetzende Rückgang des industriellen Produktionsvolumens vorübergehend verzögert werden. Doch folgerichtig musste andererseits im Laufe des Krieges der Personalersatz für das Feldheer, wie es ein führender Offizier des preußischen Kriegsministeriums im Nachhinein ausdrückte, immer dünner werden. Neue Methoden zur Personalgewinnung Schon 1915 sah man sich im preußischen Kriegsministerium gezwungen, die planmäßig zur Verfügung stehenden Personalquellen von 2,9 Millionen Mann mit neuen Methoden und Aushilfen laufend zu erweitern und zugleich die Organisation des Ersatzwesens effizienter zu gestalten. Dazu oblag dem preußischen Kriegsministerium seit Frühjahr des Jahres das alleinige Verfügungsrecht über die bislang noch nicht einberufenen Mannschaften, um eine zwischen den Provinzen ausgeglichene und bedarfsgerechte Verteilung der Wehrpflichtigen im Krieg sicherzustellen. Dieser Schritt bedeutete die Aufgabe des ausschließlich territorial (innerhalb eines Korpsdistriktes) gebun-

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denen Ersatzsystems der Vorkriegszeit. Die Aushebung und Verteilung des Ersatzes wurde im Laufe des Krieges immer stärker reglementiert. Die Heeresverwaltung hielt die Fronttruppen zu einem sparsamen Umgang mit den Personalressourcen an und ließ diese schon seit Mitte 1915 nicht mehr bis zur vollen Kriegsstärke auffüllen. Bis zum Frühjahr 1917 musste das Kriegsministerium nahezu alle Tauglichen der militärpflichtigen Geburtsjahrgänge 1869 bis 1898 ausschöpfen. Die Rekrutenjahrgänge 1895/96 wurden vorzeitig bereits 1915, die Jahrgänge 1897/98 im Jahr 1916 einberufen. Von dieser Ausschöpfung waren auch die noch vor 1914 für untauglich befundenen Wehrpflichtigen ab Jahrgang September 1870 betroffen, die nach einer Gesetzesänderung im September 1915 nachgemustert und neuerdings als kriegsbrauchbar galten (rund 500 000 Mann). Nachdem bereits in den ersten Kriegsmonaten begonnen worden war, die unausgebildeten jüngeren Jahrgänge des Landsturm (I. Aufgebot) als Ersatz heranzuziehen, ließ das Kriegsministerium im Mai 1915 auch dessen unausgebildete ältere Angehörige zwischen 39 und 45 Jahre des II. Aufgebotes mustern. Bis Ende 1916 waren auch die Reste der tauglichen Landsturmpflichtigen einberufen worden. Im Frühjahr 1917 blieben an neuen Ersatzquellen nur noch die Geburtsjahrgänge 1899 und 1900 übrig. Erstere berief die Militärverwaltung beginnend im Sommer 1917 ein. Nach Freigabe der OHL zur Einstellung in die Fronttruppe fiel die Masse bereits den Frühjahrsoffensiven 1918 zum Opfer. Der Jahrgang 1900 stand nach Einberufung und Ausbildung erst im Herbst 1918 zur Verfügung. Das Kriegsende verhinderte jedoch den Fronteinsatz der meisten Angehörigen des kriegsverwendungsfähigen Jahrgangs 1900 (300 000 Mann). Schon im Februar 1915 änderte ein kriegsministerieller Erlass die bisher zweigeteilte Tauglichkeitsbestimmung (Feld- und Garnisonsdienstfähige) in nun »kriegsdienstverwendungsfähig« (kv), »garnisonsdienstverwendungsfähig« (gv) und »arbeitsdienstverwendungsfähig« (av). Die vorrangige Verwendung der nur eingeschränkt tauglichen Militärdienstpflichtigen beispielsweise in den für Arbeitseinsätze vorgesehenen Armierungsbataillonen, aber auch in Stäben, der Etappe und in der Kriegsindustrie sollte im Prinzip eine ausreichende Versorgung der kämpfenden Fronttruppe mit geeignetem kv-Ersatz sicherstellen. In der zweiten Kriegshälfte verschärften Kriegsministerium und OHL das sogenannte Auskämmen Kriegsverwendungsfähiger aller Dienstgrade in Heimat, Etappe sowie im Ostheer. In der Kriegsindustrie scheiterte dies schon am hohen Bedarf an Reklamierten. Die Zahl der Neureklamierten überstieg um ein Vielfaches die Freigemachten. Im Heer stieß diese Absicht zudem bei vielen rückwärtigen Dienststellen auf Unverständnis und sogar Widerstand. Offenbar war man hier seit Langem wenig be-

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reit, selbst benötigtes Personal an die Front abzugeben, zumal geeigneter Ersatz hierfür kaum zur Verfügung stand. Gegen den Einsatz von Frauen bei militärischen Dienststellen bestand eine weitverbreitete offene Abneigung. Seit Anfang 1917 sorgten Generalmusterungskommissionen, im Militärjargon spöttisch auch als »Heldengreifkommissionen« bezeichnet, dennoch dafür, rund 124 000 Kriegsverwendungsfähige für die Front freizumachen. Damit verband sich durchaus die Absicht, schonungsbedürftige Mannschaften – letzte Söhne von Familien, kinderreiche Väter und Soldaten hohen Alters – aus der Front herauszulösen. In die gleiche Richtung zielten Maßnahmen, jüngere Soldaten im Laufe des Krieges mehr auf die kampfintensiven Frontverbände zu verteilen. Sie galten als körperlich leistungsfähiger und motivierter. So waren etwa für die Auswahl des Ersatzes der elitären Sturmbataillone Gesichtspunkte wie »Alter bis 25 Jahre« und »unverheiratet« maßgeblich. Auch aus dem Ostheer, das seit Sommer 1917 nur noch eingeschränkt Ersatz erhielt, wurden vor den Frühjahrsoffensiven 1918 unter 35-jährige Mannschaften für die Westfront herausgezogen. Die stetige Überalterung von Reserve- und Landwehrdivisionen mit Soldaten über 35 Jahren wie auch der Fronttruppen des Ostheeres nahm die OHL, die die Personalversorgung jetzt selbst nach Dringlichkeitsaspekten steuerte, dabei in Kauf. Mit solchen Aushilfen konnten zwar bis Ende 1917 die Verluste nochmals kompensiert und sogar der Personalbestand des Feldheeres leicht auf über 5,2 Millionen Mann erhöht werden. Doch mit den verlustreichen Fehlschlägen der Frühjahrsoffensiven 1918 waren die menschlichen Ressourcen endgültig erschöpft. Die Auflösung von 28 Divisionen seit Juni und das Absinken der durchschnittlichen Bataillonsstärken auf deutlich unter 600 Mann im September 1918 dokumentierten die ausweglose personelle Notlage zum Kriegsende in schonungsloser Offenheit. Pferde Ähnlich zeigte sich die Situation bei den Pferden. Von 1915 bis 1917 hatte das Heer rund eine halbe Millionen von ihnen zum überwiegenden Teil durch Krankheiten, insbesondere die Räude, und Erschöpfung verloren. Trotz vielfältiger Ermahnungen an die Truppe zur weitgehenden Schonung der Pferde war auch hier die Leistungsfähigkeit völlig überspannt worden. Kernproblem bei den Pferden war deren Unterernährung, da die Tiere Ende 1917 nur noch die Hälfte der ursprünglich festgesetzten Futterrationen erhielten. Heimatlicher Pferdeersatz stand mit Rücksicht auf die Landwirtschaft nur bedingt zur Verfügung. Schon im Herbst 1915 wurde die Zufuhr an das Westheer untersagt. Das Heranziehen von Pferdeersatz durch Ankäufe im neutralen Ausland, Aushebungen im besetzten Gebiet wie auch Abgaben durch das Ostheer 1917

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konnte den starken Rückgang des Pferdebestandes nicht ausgleichen. Herabsetzungen der Sollstärken bei den Truppenteilen und schließlich die Festlegung einer Obergrenze von im Allgemeinen nur noch maximal 92 Prozent des Solls waren die unausweichliche Folge. Personalfluktuation Verluste und Neuaufstellungen skizzierten den Rahmen für den Ersatz und die immense Personalfluktuation innerhalb des Massenheeres. Die Folgen für die sozialen Strukturen der Truppe sind bislang nur ansatzweise erforscht. Kampfintensive und die Fronten oft wechselnde Verbände verfügten im Laufe des Krieges über größere Anteile an jüngeren Soldaten. Sie waren von der Personalfluktuation stärker betroffen als Truppenteile, die über längere Zeit mit wenigen Verlusten vorwiegend an ruhigeren Frontabschnitten verweilten. Der Personalbestand des bayerischen Infanterieleibregiments erreichte während des Krieges beispielsweise rein rechnerisch eine Größe von 22 000 Mann. Das bedeutete mehr als das Sechsfache der Ausrückstärke zu Kriegsbeginn. Die Fluktuationsrate solcher Truppenteile wurde noch intensiviert durch häufige Versetzungen und Kommandierungen aller Dienstgrade zu rückwärtigen Einheiten und durch Urlaubs-, Ausbildungs- und Lehrgangsabwesenheit. Folgerichtig konnte es durchaus vorkommen, dass selbst in der letzten Phase des Krieges die Hälfte der Soldaten einer Kompanie bei der Grabenstärke, also der Zahl der tatsächlich für das Gefecht verfügbaren Soldaten, fehlte. Darüber hinaus kehrte die Masse der Soldaten im Laufe des Krieges nach Verwundung und Heimataufenthalt nicht zu ihrer alten Einheit zurück. Offenbar ließen dies die ständigen Neuformationen sowie die Ersatzverteilung nach Dringlichkeit im Rahmen der sich in der zweiten Kriegshälfte drastisch verschlechternden Personallage kaum zu. So kam beispielsweise auch nur knapp ein Siebtel der Soldaten des Infanterieleibregiments wiederholt zu dem Verband zurück. Ähnlich gering waren auch die Quoten bei der 11. Bayerischen Infanteriedivision. Die Zahl der Soldaten des Friedensheeres ging dabei zugunsten der im Kriege neueingestellten Militärdienstpflichtigen stetig zurück. Die Aufgabe des territorial gebundenen Rekrutierungsprinzips der Vorkriegszeit sorgte für eine stärkere landsmannschaftliche Durchmischung von Truppenteilen. Nichtsdestoweniger waren die Militärbehörden im Laufe des Krieges bemüht, die bundesstaatliche Zusammensetzung möglichst zu erhalten, indem etwa kontingentsfremde Soldaten in den Einheiten ausgetauscht wurden. Das bayerische Besatzungsheer bestand noch 1916 zu annähernd 90 Prozent aus Bayern. Auch der Mannschaftsersatz einer Frontkompanie des 3. Bayerischen Infanterieregimentes wies eine weitgehende landsmannschaftliche Kontinuität von über 80 Prozent regionaler Zusammensetzung während des Krieges auf. Generell bleibt zu vermuten, dass die landsmannschaft-

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liche Durchmischung in den einzelnen Truppenteilen des Heeres völlig unterschiedliche Ausmaße angenommen hat. Mannschaften Trotz der hohen Zahl reklamierter Facharbeiter waren Mannschaften aus landwirtschaftlichen Berufsgruppen in Relation zu ihrem Gesamtanteil an den Erwerbstätigen nur im Besatzungsheer überproportional hoch vertreten. Da viele militärische Führer des Feldheeres Landwirte für den technisierten Grabenkrieg als kaum geeignet betrachteten, versuchte man sie wenn möglich aus der kämpfenden Fronttruppe fernzuhalten. Während etwa in Maschinengewehreinheiten hauptsächlich Industriearbeiter zum Einsatz kamen, fanden sich Landwirte berufsnah häufig bei Truppen, die wie etwa die Artillerie über viele Pferdegespanne verfügten. Die Kriegsfreiwilligen waren anders als bislang angenommen weniger enthusiasmierte junge Männer (Studenten und Schüler) der bürgerlichen Oberschicht. Vielmehr eilten überwiegend Angehörige einer breiten städtischen Arbeiter- und insbesondere Mittelschicht vorrangig aus Pflichtgefühl freiwillig zu den Fahnen. Offiziere Nach den hohen Verlusten unter den aktiven Vorkriegsoffizieren bereits in den ersten Kriegsmonaten wurden die Fronteinheiten vor allem durch Reserveoffiziere oder schnell ausgebildete »Kriegsleutnants« (aktiver oder Reserveleutnant) geführt. 1918 betrug der Anteil von aktiven Offizieren bei einem Infanterieregiment durchschnittlich nur noch rund 13 Prozent. Die Reste der aktiven Berufsoffiziere wurden größtenteils der Front entzogen, um ihre durch langjährige Ausbildung erworbene Kompetenz in hinteren Stäben wie auch im Generalstab oder im Kriegsministerium zu nutzen. Dessen ungeachtet waren auch in den Stäben viele Reserveoffiziere vorhanden. In den Armeeoberkommandos beispielsweise betrug 1918 ihr Anteil 47 Prozent, in aktiven Infanteriedivisionen 54 Prozent. Bei Reserve- und Landwehrtruppenteilen lag der Reserveoffizieranteil noch höher. Insgesamt traten (einschließlich der Schutztruppen) 226 000 Reserveoffiziere (35 500 Tote, ca. 16 Prozent) während des Krieges an die Seite der knapp 51 000 aktiven Offiziere und Fähnriche (12 600 Tote, ca. 25 Prozent). An der Front verwässerte der immense Ersatzbedarf die soziale Exklusivität des Vorkriegsoffizierkorps. Dessen primäre Rekrutie rungsgrundlage bildeten bislang die sogenannten erwünschten Kreise vor allem aus dem Adel, den Offizierfamilien sowie der höheren Beamtenschaft, aber auch dem Bildungs- und Besitzbürgertum. Bereits die Heeresvermehrungen unmittelbar vor dem Krieg zwangen zu einer gewissen Lockerung dieser sozialen Schranken, ohne freilich, wie es der preußische Kriegsminister im Januar 1913 ausdrückte, das Offizierkorps der Gefahr einer Demokratisierung auszu-

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setzen. Im Unterschied zu Preußen waren darüber hinaus in Bayern wegen einer liberaleren Personalpolitik weniger erwünschte Kreise des Bürgertums im Offizierkorps stärker repräsentiert. Im Krieg konnte man bei der Wahl des Ersatzes »nicht so viel Federlesens machen wie in Friedenszeiten«, so eine treffende Beschreibung dieses schleichenden sozialen Veränderungsprozesses bei den unteren Offizierrängen (  3.28   Demeter, S. 51). Folgerichtig befanden sich vor allem unter den Kriegsreserveoffizieren vermehrt auch Angehörige des mittleren und kleineren Bürgertums, während der Adelsanteil in der gesamten Armee von 25 auf 18 Prozent weiter schrumpfte. Infolge der Personalpolitik des Militärkabinettes blieb der Adel in den höheren Offizierrängen ab Oberst jedoch stets deutlich überrepräsentiert. Der Trend: je höher der Rang, umso stärker der Adel, setzte sich fort (  8.21   Preradovich, S. 134). Den jüdischen Wehrpflichtigen hatten die Militärbehörden vor dem Kriege nur in Bayern die Tore zum Reserve- bzw. Landwehroffizier offen gehalten. Traten im Zeichen des Burgfriedens und des erhöhten Offizierbedarfs zunächst noch Lockerungen der Beschränkungen durch vermehrte Ernennungen zum Reserveoffizier ein, so nahmen schon 1915 die Diffamierung und Diskriminierung der Juden wieder deutlich zu. Sie gipfelten in der sogenannten Judenzählung im Heer vom Herbst 1916, die der preußische Kriegsminister General Adolf Wild von Hohenborn auf Druck antisemitischer Kreise in Gesellschaft und Armee veranlasst hatte. Im Krieg geheim gehalten, wurden die Ergebnisse durch andere wissenschaftliche Erhebungen auf Grundlage der Zahlen des Ausschusses für Kriegsstatistik des Verbandes der deutschen Juden erheblich infrage gestellt. Demzufolge ergaben sich etwa angesichts von Kriegsteilnehmern, Frontsoldaten und Verlusten kaum Unterschiede zur nichtjüdischen Bevölkerung. Die Vorwürfe angeblicher Drückebergerei waren letztlich völlig haltlos. Insgesamt wurden lediglich 2000 jüdische Soldaten zum Offizier ernannt. An der Einjährigfreiwilligenberechtigung, die in der Regel den Nachweis der höheren Schulbildung (Mittlere Reife/Sekundarreife) voraussetzte, wurde indes für die Rekrutierung von Offizierersatz aus den Mannschaften im Krieg unverändert festgehalten. Die Bildungsschranke war mit den Vermögensverhältnissen gekoppelt und schottete untere soziale Schichten ab. Denn im Prinzip konnte sich nur das wohlhabende Bildungs- und Besitzbürgertum leisten, seine Söhne höherwertige Schulen besuchen zu lassen. Auch die Offizierwahl im Regiment, mit dem durch das Offizierkorps über die sogenannte Offizierwürdigkeit eines Aspiranten entschieden wurde, bestand, wenn auch eingeschränkt, fort. Generell verwischte der Krieg die Unterschiede zwischen aktiven und Reserveoffizieren, wobei erweiterte fachlich-technische Fertigkeiten an der Front und verwalterisches Können in den Stäben die klassische

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Rolle des Offiziers für den modernen Krieg erheblich modifizierten. So vollzog sich in den fünf Jahren des Weltkrieges im Offizierkorps ein tiefgreifender Funktionswandel sowie »der Übergang von einer adelig-agraischen zu einer bürgerlich-industriellen Mentalität« (  2.6   Deist, S. 43 f.). In diesem Rahmen blieb auch die Stellung des Monarchen, insbesondere bei der jungen Kriegsoffiziergeneration, nicht mehr unangetastet. Unteroffiziere Für die offiziell zu den Mannschaften zählenden Unteroffiziere, die sich vor dem Krieg vorwiegend aus kleinbürgerlichen und ländlichen Schichten rekrutierten, blieb das System nach oben undurchlässig. Mit ähnlich hohen Anfangsverlusten wie bei den Offizieren traten auch hier mehr und mehr Reserve- und Landwehrangehörige sowie vielfach aus geeigneten Mannschaften der Truppe hervorgehende junge Kriegsunteroffiziere an die Stelle der alten Friedensunteroffiziere. Zwar waren Beförderungen innerhalb der Dienstgradgruppe schneller möglich als vor dem Krieg. Doch die Aufstiegsmöglichkeiten zu den Offizieren reduzierten sich auf die Ernennung zum Offizierstellvertreter oder Feldwebelleutnant. Diese rangierten allerdings in der Hierarchie noch hinter dem jüngsten Leutnant und wurden nur selten Kompanieführer. Von Tapferkeitsbeförderungen zum Offizier, die zumindest im preußischen Kontingent vorab auch den Erwerb entsprechend hoher Ehrenzeichen voraussetzten, wurde kaum Gebrauch gemacht. Nur rund 150 Unteroffiziere im preußischen sowie 135 im bayerischen Kontingent, davon 44 mit Einjährigenberechtigung, wurden zum Leutnant ernannt. Zwar gewannen fachliche Qualifikationen sowie das Leistungsprinzip vor sozialen Maßstäben im industrialisierten Krieg nicht zuletzt über die Generalstabsoffiziere an Bedeutung, und schließlich war im Krieg auch die sichtbare Leistung eines Führers für die Anerkennung seiner Untergebenen von zentraler Bedeutung. Doch die Durchsetzung solcher Aspekte gegenüber sozialen Schranken war im Offizierkorps umstritten und scheiterte letztlich an militärinterner Kritik. Die Undurchlässigkeit des Systems sorgte einerseits gerade bei den Unteroffizieren für eine wachsende Unzufriedenheit während des Krieges. Viele von ihnen standen 1918 an der Spitze der Soldatenräte. Andererseits aber blieben damit dem Unteroffizierkorps auch viele fähige und erfahrene Leute im Krieg erhalten. »Milizheer« und Ausbildung Die hohe Personalfluktuation höhlte die vor dem Krieg oft fest gewachsenen Gemeinschaften in vielen Regimentern strukturell immer mehr aus. Zugleich verwischten sich im Kampf ums Überleben an der Front die Vorgesetztenverhältnisse zwischen den Dienstgradgruppen. Diese Art Frontgemeinschaft betrachteten viele höhere

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Offiziere mit Besorgnis, da sich hier Entwicklungen hin zum stets befürchteten Milizheer abzeichneten. In diesem Kontext häuften sich die Klagen von Frontkommandeuren insbesondere über die mangelnde Disziplin und Ausbildung der Truppe. Auch das Führungsverhalten der vielen jungen und wegen ihrer kurzen Dienstzeit unerfahrenen Kriegsoffiziere im inneren Dienst geriet nicht zu Unrecht, wie die zahlreichen Beschwerden aus dem Mannschaftsbereich offenlegten, in die Kritik. Es zeigte die Brüchigkeit der in der Nachkriegszeit oft mythisch verklärten Frontgemeinschaft. Die mehrjährige gründliche Friedensschulung der Soldaten musste notgedrungen einer zeitlich verkürzten Kriegsausbildung weichen. Laufend hoher Ersatzbedarf der Front und intensive Ausbildung im modernen Stellungskrieg vom Schützen bis hin zum Offizier waren hier für die Militärbehörden kaum in Einklang zu bringen. Noch 1914 führten die einzelnen Bundesstaaten in Jugendkompanien eine freiwillige vormilitärische Ausbildung für ältere Jugendliche ab 16 Jahren ein. Die militärdienstpflichtigen Rekruten durchliefen dann gemäß Mobilmachungsbestimmungen zunächst für acht, später bis zu zwölf Wochen ihre Grundausbildung in den heimatlichen Ersatzformationen. Diese litt jedoch wie in den Jugendkompanien an der mangelnden Qualifikation nicht fronterfahrener älterer Ausbilder. Vorübergehend während der Wiedergenesung in der Heimat zur Ausbildung verwendetes Personal wechselte zudem häufig. Abhilfe versprachen sich die Militärbehörden seit 1915 mit der Einrichtung von dauerhaft hinter der Front installierten Ausbildungseinrichtungen wie den Feldrekrutendepots oder auch der Infanterieersatztruppe in Beverloo (Belgien) und Warschau. Sie sollten Forderungen nach einer kriegsnahen Gefechtsausbildung des Ersatzes durch fronterfahrenes Personal gerecht werden. Beim Offiziernachwuchs setzte das Kriegsministerium nach der Rekrutenzeit auf einen schnellen Wechsel von besonderen Schulungskursen in der Heimat und Frontverwendung. Dies galt gleichermaßen für aktive Fahnenjunker und Reserveoffizieraspiranten aller Waffengattungen. Die Ernennung zum Fähnrich oder Vizefeldwebel nach neun bzw. zwölf Monaten Dienstzeit schuf dann die Voraussetzung zur Offizierwahl. Im Allgemeinen waren die Militärbehörden bemüht, den Herausforderungen von technisiertem Krieg und Massenheer an die Ausbildung über ein weitverzweigtes System von Lehrkursen und Schulen für alle Dienstgrade Rechnung zu tragen. Dazu zählte auch die Herausgabe von stärker gefechtsorientierten und stetig auf Kriegserfahrungen weiterentwickelten neuen Reglements wie beispielsweise der Ausbildungsvorschrift für die Fußtruppen im Kriege (A.V.F.) Anfang 1917. Doch die Ausbildungspraxis blieb neben dem Zeitdruck von vielen Problemen

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behaftet. So fiel es zahlreichen Offizieren in der Praxis schwer, einen Kompromiss zwischen einer immer komplexeren Kampfverfahren angepassten modernen Gefechtsausbildung und dem alten Paradedrill der Friedenszeit zu finden. Die in den Vorschriften propagierte Erziehung zur Selbstständigkeit von Schützen und Unterführern im Gefecht sowie straffste äußere Manneszucht standen sich gerade in der verkürzten Kriegsausbildung nahezu unvereinbar gegenüber. Marine Über die Ersatzentwicklung und Personalfluktuation in der Kaiserlichen Marine einschließlich ihrer Landformationen ist während des Krieges mit Ausnahme der Offiziere kaum etwas bekannt. Zu Kriegsbeginn hatte die Marine noch aus zahlreichen Freiwilligen und ihren großen Personalreserven von über 13 000 Reservisten schöpfen können. Dies ermöglichte nicht zuletzt die Formation der Marinedivision zum Landeinsatz an der belgischen Küste. Dennoch ergaben sich bei den Offizieren wegen des Aufwuchses der Marinestreitkräfte sowie erster Verluste schon in dieser Phase erhebliche Engpässe, die mit Personalverschiebungen überbrückt wurden. Die Führung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges bereitete spätestens 1917 immer größere Personalprobleme, zumal die Prioritäten unverändert auf der Landkriegführung lagen. So hatten die im Kriegsverlauf zunehmenden Ersatzschwierigkeiten des Heeres unmittelbare Auswirkungen auch auf die Marine, wie eine der OHL seitens des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes vorgelegte Denkschrift von Ende Mai 1918 offenlegte: Trotz vorzeitiger Einberufung zweier Rekrutenjahrgänge, äußerster Einschränkungen der Personalwirtschaft sowie Umverteilungen durch Auflösungen und Kürzungen vorhandener Formationen sei die Marine mit eigenen Mitteln völlig am Ende. Auf die Bitte um Zuweisung von jungem Personalersatz entgegnete die OHL lapidar, dass man eher eine Verminderung des Schiffsbestandes der Flotte ertragen könne, als eine Kürzung des Ersatzes für die Infanterie. Der im Vergleich zum Heer niedrigere Verlustumfang bedeutete auch eine geringere Personalfluktuation. Die militärdienstpflichtigen wie auch freiwilligen Mannschaften rekrutierten sich größtenteils aus der seemännischen und halbseemännischen Bevölkerung des ganzen Deutschen Reiches. Hinzu traten vor allem für den Marinedienst geeignete technische und handwerkliche Berufsgruppen der binnenländischen Bevölkerung. In der Hochseeflotte dienten berufsnah etwa als Heizer besonders viele Industriearbeiter. Zur Mannschaftsebene zählten organisatorisch weiterhin die Unteroffiziere (bei der Marineinfanterie war dies teils Heerespersonal), aber auch das sich aus diesen ergänzende marinespezifische Deckoffizierkorps. Als technische Fachleute (u.a. Feuerwerker) rangierten die Deckoffiziere in der Hierarchie zwar

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vor den Feldwebeln, sie standen aber auch von der sozialen Stellung her hinter den Seeoffizieren und hinter den über eine höhere Bildung verfügenden Fachoffizieren (Ingenieure). Im Krieg rückten sie zudem noch hinter den Offizierstellvertreter, der wie beim Heer auch in den Marineinfanteriedivisionen als kriegsbedingte Aufstiegsmöglichkeit für Unteroffiziere eingeführt wurde. Ein Vorgesetztenverhältnis gegenüber den Deckoffizieren vermied man allerdings. 40 Deckoffiziere erhielten den Sonderrang eines Deckoffizier-Leutnants oder DeckoffizierIngenieurs, jedoch erst nach Ableistung des Kriegsdienstes und bei ihrer Entlassung aus der Marine. Keineswegs war damit eine Gleichstellung mit den Seeoffizieren verbunden. Sanitäts- und Marineinfanterieoffiziere (Heerespersonal) wie auch die Marinebeamten unterschiedlicher Rangstufen bildeten daneben unverändert gesonderte Gruppen. Die nahezu kastenmäßige Trennung zwischen diesen einzelnen Dienstgradgruppen bestand auch während des Krieges weiter fort. Etwaige Bestrebungen seitens der Ingenieure und Deckoffiziere nach einer sozialen und militärischen Gleichstellung mit den Seeoffizieren, die, so Tirpitz schon 1906, eben als »Frontoffiziere« bis hin zum Admiral unangefochten auf den Schiffen führten, lehnte die Marineführung vom Grundsatz her ab. Insbesondere die älteren Seeoffiziere hielten unvermindert an ihrer Vorrangstellung gegenüber dieser aufstrebenden technischen Konkurrenz fest. Zwar war innerhalb des Seeoffizierkorps der Adelsanteil zugunsten des Bürgertums noch stärker rückgängig als beim Heer. Es galt durch die überwiegende Herkunft aus den Schichten der Akademiker, Kaufleute und höheren Beamten als das »bürgerlichste des Deutschen Reiches« (  8.22   Scheerer, S. 44). Doch zu einer dem Heer vergleichbaren Auflockerung der sozialen Homogenität während des Krieges kam es hier schon wegen der geringeren Verluste nicht. Auch das bei der Marine nahezu ausgeglichene Zahlenverhältnis von 5000 Reserveoffizieren zu 4800 aktiven Offizieren und Fähnrichen (im Heer ca. 4:1) bei den Kriegsteilnehmern spricht dafür. Neue Kadetten nahm die Marine indes erst wieder im April 1915 auf. Bis zum Ende des Krieges wurden rund 1300 Kadetten eingestellt, die eine verkürzte Kriegsausbildung durchliefen. Die strikte Abschottung des Seeoffizierkorps nach außen sorgte intern für dessen Homogenität sowie den Erhalt einer stark ausgeprägten konservativ-monarchischen Grundhaltung. Extern steigerte sie die Unzufriedenheit der anderen Dienstgradgruppen, woraus noch größere Spannungen resultierten als beim Heer. Aus den Schwierigkeiten der Personaldeckung der stetig aufwachsenden leichten See- und Luftstreitkräfte ergab sich derweil im Laufe des Krieges ein weiteres Problemfeld. Die erst seit April 1915 allmählich einsetzenden Neueinstellungen von Offizieranwärtern, die wie im

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Heer eine verkürzte Kriegsausbildung durchliefen, konnten hier kaum Abhilfe schaffen. Daraufhin setzte 1915 eine verstärkte Abwanderung junger Seeoffiziere, aber auch von Ingenieuren und Deckoffizieren von den untätig in den Häfen liegenden großen Schiffseinheiten insbesondere zu den U-Booten ein. In die Lücke sprangen nicht die verbliebenen, meist erfahrenen Deckoffiziere, sondern Reserveoffiziere und der junge Offiziernachwuchs, denen es, wiederum wie im Heer, oft am notwendigen Fingerspitzengefühl im unmittelbaren Umgang mit den Mannschaften fehlte. Gerade auf den großen Schiffen verschärften die erkennbaren Standesgegensätze, Unterschiede in der Verpflegung und der eintönige Dienst das Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaft. Die Personalfluktuation bei den unmittelbaren Vorgesetzten in der Hochseeflotte bildete eine wichtige Grundlage für die Marinemeutereien 1917/18, zumal auch die höheren Befehlshaber ihre Auswirkungen unterschätzt hatten. Schutztruppen Die Schutztruppen in den von der Heimat nach Kriegsbeginn weitgehend abgeschnittenen Kolonien waren nach 1914 auf das jeweils lokal vorhandene Personal an Europäern – Militärdienstpflichtige, Freiwillige, Schiffsbesatzungen – sowie teils auch die indigene Bevölkerung angewiesen. Örtliche Polizeikräfte ergänzten personell die Schutztruppen. Wie bei der Marine liegen auch zu den Schutztruppen keine genauen Zahlen zum laufenden Ersatzbedarf während des Krieges vor. Die umfangreichste personelle Mobilisierung erfolgte jedenfalls wegen der Länge der Kampfhandlungen in Ostafrika. Der Schutztruppenkommandeur ließ hier fast alle männlichen Europäer zum Dienst einberufen, die letzten Landsturmpflichtigen Deutschen noch im Jahre 1917. Dagegen dienten höchstens ein Prozent der einheimischen Bevölkerung als Askari in den Feldkompanien – Ehemalige, Aktive und rund 9000 neu angeworbene Freiwillige aus der Kolonie. Gerade dieses Personal stellte die Masse der kämpfenden Schutztruppe. Wenn nötig griff daneben auch die deutsche Kolonialmacht rigoros auf einen großen Teil der Einheimischen für Trägerdienste und kriegswirtschaftliche Belange zurück. Vergleichbar den Entwicklungen beim Heer und in der Marine ergaben sich Ersatzprobleme für die Schutztruppe erst in der zweiten Kriegshälfte. Die anfänglichen militärischen Erfolge hatten noch einen vermehrten Zustrom indigener Freiwilliger begünstigt. Doch die Rückzugsbewegungen seit März 1916 reduzierten solche Neurekrutierungen erheblich, zumal nun die Briten auf dem Gebiet ihres Gegners problemlos farbige Söldner anwerben konnten. Da Verluste auch unter den Europäern nicht mehr ersetzt werden konnten, ging der Umfang der Schutztruppe stetig zurück. Über personelle Umverteilungen von Europäern und indigenen Söldnern erfolgte eine immer stärkere Angleichung in der Zusammen-

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setzung der Einheiten, wobei sich viele der oftmals aus Weißen bestehenden Schützenkompanien auflösten. Unter den Askaris befanden sich am Ende vermehrt ganz junge Soldaten, da die Schutztruppe notgedrungen vermehrt Halbwüchsige verpflichten musste. Wenn auch unmittelbar nicht vergleichbar, so ist hier durchaus eine Parallele zu den Entwicklungen im Heer erkennbar.

Streitkräfte und materielle Rüstung: Zentrale Problemfelder Mangelverwaltung Die produzierende Wirtschaft des Kaiserreiches war in hohem Maße abhängig von industriellen Rohstoffen, die unmittelbar vor dem Krieg zu über 40 Prozent aus dem Ausland importiert wurden. Auch seinen Nahrungsmittelbedarf musste Deutschland zu immerhin rund einem Viertel aus Einfuhren decken. Mit dem Beginn der britischen Seeblockade war das Deutsche Reich von den Weltmärkten weitgehend abgeschnitten und damit auf die Produktion und Mittel im eigenen Land sowie im neutralen und verbündeten Ausland angewiesen. Die Führung des langen Abnutzungskrieges konfrontierte die materielle Kriegsrüstung und den Streitkräfteunterhalt infolgedessen mit zwei grundlegenden Problemfeldern. Dabei handelte es sich zum einen um die Sicherstellung der Rohstoffversorgung zur massenhaften Produktion von Munition, Waffen(systemen) und militärischer Ausrüstung für Heer und Marine, zum anderen war die ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln von Streitkräften und Bevölkerung zu gewährleisten. Die logistische Verteilung und damit der Transport kriegswichtiger Güter waren damit eng verbunden. Front und Heimat standen im Ringen um die knappen personellen Ressourcen in einer engen Wechselbeziehung, die hinsichtlich der Lastenverteilung viel Konfliktpotenzial in sich barg. Die dramatische Munitionskrise des Heeres Anfang November 1914 zeigte auch der deutschen Führung die mangelnde rüstungswirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg mit aller Klarheit. Allein die in der Marneschlacht täglich verbrauchten Mengen an Granaten und Patronen hatten Dimensionen angenommen, die in vorherigen Kriegen nie erreicht worden waren. Dies führte in Deutschland zum Wandel des kapitalistisch strukturierten Wirtschaftssystems hin zu einer stärker staatlich gelenkten Kriegswirtschaft. Die rechtliche Grundlage hierfür schuf das Kriegsermächtigungsgesetz vom 4. August 1914. Mit der Errichtung der Kriegsrohstoffabteilung im preußischen Kriegsministerium noch im gleichen Monat erfolgte dann bereits der wichtigste Schritt in Richtung staatliche Steuerung. An deren Spitze trat der Unternehmer Walter Rathenau. Zusammen mit dem AEG-Ingenieur Wichard von Moellendorff hatte er mit Blick auf die zu erwartende Munitionskrise

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bei Kriegsminister Falkenhayn die Gründung der Abteilung angeregt. Beide galten mit ihren Ideen einer Kombination von staatlicher Planung und Selbstverwaltung der Wirtschaft als Vorkämpfer des Kriegs- bzw. Staatsozialismus, der allerdings in weiten Kreisen der Unternehmerschaft auf Ablehnung stieß. Im Laufe des Krieges entstanden über die 1916 dem Kriegsamt angegliederte Behörde nahezu 200 sogenannte Kriegsrohstoffgesellschaften wie die Kriegschemikalien AG oder Kriegsmetall AG. Unter staatlicher Aufsicht sollten eine Art marktwirtschaftliche Selbstregulierung für eine erhöhte Produktion von Rüstungsgütern erfolgen und öffentliche und private Hand dabei eng zusammenarbeiten. Tatsächlich trugen, wie auch in Fragen der Arbeitskräftebeschaffung, die beteiligten zivilen Instanzen, militärischen Dienststellen und die Privatwirtschaft vielfältige Interessenkonflikte um die Lastenverteilung zwischen Staat und Wirtschaft im Krieg untereinander aus. Vor allem die Begrenzung von Preisen und Gewinnen erwies sich als Hürde, die kaum zu überbrücken war. Im Endeffekt dominierten die führenden Vertreter der Wirtschaft wie Hugo Stinnes und August Thyssen die Rüstungsproduktion. Großunternehmen bestimmten nicht nur maßgeblich den Kurs der Kriegsrohstoffgesellschaften. Sie steuerten zum eigenen Vorteil und Profit die Verteilung der Rohstoffbestände zunächst im Inland und später in den Besatzungsgebieten. Gleichermaßen saßen deren Reprä sen tanten auch im Kriegsausschuss der Deutschen Industrie, einem zu Kriegsbeginn erfolgtem Zusammenschluss des Bundes der Industriellen und des Zentralverbandes deutscher Industrieller, der das Kriegsministerium maßgeblich in Produktions- und Rüstungsfragen beriet. In der Konsequenz gewannen sehr zum Unmut und Nachteil kleinerer Unternehmen, die nicht unmittelbar an der Rüstungsindustrie mitwirkten, Kartelle und Großkonzerne einen immer größeren Einfluss auf die gesamte Kriegswirtschaft. Während diese ihre Gewinne stetig vergrößerten, litten die sogenannten kriegsunwichtigen Betriebe immer deutlicher unter dem Arbeitskräfte- und Rohstoffmangel. Der Interessenkonsens der Groß- und Schwerindustrie mit der 3. OHL verstärkte in der zweiten Kriegshälfte diese Entwicklung. Rohstofflieferungen aus dem neutralen Ausland beschränkten sich im Laufe des Krieges in erster Linie auf schwedische Eisenerzlieferungen im Schiffsverkehr über die Ostsee. Dem Zwang von Rohstoffknappheit und Wirtschaftskrieg versuchte die Kriegsrohstoffabteilung daher durch eine strengere Bewirtschaftung zugänglicher Rohstoffe im eigenen Land und die Ausbeutung von Besatzungsgebieten zu begegnen. Seit Frühjahr 1915 stellte die Kriegsrohstoffabteilung auf mehrere Jahre ausgerichtete feste Wirtschaftspläne auf. Grundlage bildete eine genaue Berechnung des Bedarfs und Verbrauchs der vorhan-

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denen bzw. neu zu gewinnender Rohstoffe. Daneben propagierte das Kriegsministerium vor allem Sparsamkeit. In der Heimat erfolgten Sammlungen, später auch die Beschlagnahmung von kriegswichtigen Metallen bis hin zu Kirchenglocken. An das Heer ergingen Weisungen, die heimatliche Waffenproduktion etwa durch das Sammeln entbehrlichen Gerätes bis hin zum »Aufräumen des Schlachtfeldes« und dem Einbringen von Beutewaffen zu entlasten. Hinzu trat die Entwicklung von Ersatzstoffen, ohne deren Hilfe die Führung eines materialintensiven Abnutzungskrieges für die deutsche Seite längerfristig kaum möglich gewesen wäre. Auf diese Weise konnte beispielsweise mit dem schon vor dem Krieg von Fritz Haber und Robert Bosch entwickelten Verfahren zur synthetischen Salpetergewinnung aus Stickstoff eine Massenfertigung von Pulver und Munition aufrechterhalten werden, und zwar unabhängig von chilenischen Nitratimporten. Dies ging jedoch auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion, da die Zufuhr stickstoffhaltiger Düngemittel für die Landwirtschaft erheblich gedrosselt werden musste. Zudem wurden durch die vielfältige Verwendung von Werkstoffen geringer Güte wie etwa Zink, Aluminium und Eisen anstelle von hochwertigem Kupfer Qualitätseinbußen bei der Munitionsherstellung in Kauf genommen. So betrieb die deutsche Kriegswirtschaft nur eine Mangelverwaltung. Immerhin konnte die Bedarfsdeckung für das Heer unter laufender Vermehrung der Produktionsstätten bis in die erste Jahreshälfte 1916 hinein noch weitgehend sichergestellt werden. Die monatliche Pulverfertigung stieg beispielsweise von zu Kriegsbeginn 1200 Tonnen auf schrittweise 6000 Tonnen und die Zahl der produzierten Maschinengewehre erhöhte sich sogar um mehr als das Dreifache. Eine Vielzahl moderner Kampf- und Führungsmittel für den Stellungskrieg wie Flammenwerfer, Funkgeräte, Giftgasmunition, aber auch neue Ausrüstung wie Stahlhelme und Gasmasken hielten sukzessive Einzug in die Truppe. Besonderes Augenmerk der materiellen Rüstung galt der Weiterentwicklung der Luftstreitkräfte, und hier vor allem einer Spezialisierung des Flugzeugbaus durch die Herstellung mehrmotoriger Bomben- sowie einsitziger Jagdflugzeuge. Viele rüstungstechnische Weiterentwicklungen reduzierten sich allerdings oftmals auf Verbesserungen des bestehenden Materials, um etwa größere Feuerkraft und Schussweiten bei Geschützen zu erreichen. Für aufwendige waffentechnische Neukonstruktionen blieb dagegen in der Mangelverwaltung kaum Raum und Zeit. Exemplarisch dafür steht die verfehlte Massenproduktion von Tanks. Nach den ersten alliierten Einsätzen in der Sommeschlacht galten sie in der OHL als durchaus effektive Angriffswaffe. Doch Versuche mit eigenen Prototypen zeigten schnell auch die Nachteile der noch behäbigen Fahrzeuge im Gelände. Zudem

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stellten viele Erfahrungsberichte der Fronttruppen 1917 heraus, wie leicht nach der ersten moralischen Wirkung Tanks mit konventionellen Waffen wie Geschützen zu stoppen waren. Kurzum: Aus Sicht der OHL besaßen Tanks etwa im Vergleich zu den U-Booten lange Zeit kaum einen taktisch-operativen Wert als kriegsentscheidende Angriffswaffe, zumal sich das Heer an der Hauptfront im Westen seit Ende 1916 auf eine defensive Kriegführung vorzubereiten hatte. Erst mit den Erfahrungen des britischen Tankangriffs von Cambrai im November 1917 gewannen sie eine größere Bedeutung. Dennoch blieb die taktische Landkriegführung bis in das Jahr 1918 hinein in erster Linie an der Optimierung des Zusammenwirkens der herkömmlichen Waffengattungen Infanterie und Artillerie unter Einbeziehung der Luftstreitkräfte orientiert. So entwickelte die OHL erst ab August 1918 konkrete Pläne zum Bau von 900 Kampfwagen, deren Herstellung bis in das Jahr 1919 hinein ausgelegt war. Doch für eine Umsetzung war es angesichts der Überspannung der Produktionskapazitäten, des Arbeitskräfte- und Rohstoffmangels in der letzten Phase des Krieges längst zu spät. Hindenburgprogramm Auf dem Höhepunkt der britischen Offensive an der Somme in den Monaten Juli und August 1916 verschoss die deutsche Feldartillerie an allen Fronten rund elf Millionen Granaten. Dieser bislang unerreichte Munitionsverbrauch entsprach dem Dreifachen des gesamten Bestandes an Granaten der Feldartillerie zu Kriegsbeginn. Um den erhöhten Kriegsmittelbedarf der Streitkräfte für eine Fortsetzung des Kampfes gegen die Alliierten zu gewährleisten, stellte die 3. OHL mit dem Hindenburgprogramm umfängliche Forderungen auf: 1. Verdoppelung der Produktion von Pulver und Minenwerfer; 2. Verdreifachung der Zahl an Geschützen, Maschinengewehren und Flugzeugen; 3. Steigerung der Kohleförderung um eine Million Tonnen sowie der Eisenerzförderung um 800 000 Tonnen. Die schnelle Umsetzung dieses überzogenen Rüstungsprogrammes bis zum Frühjahr 1917 führte sofort zu einer Überlastung der Wirtschaft und des Transportsystems. Die Kapazitäten der Eisenbahn stießen durch den Neubau zahlreicher Fertigungsstätten nun endgültig an ihre Grenzen. In diesem Zusammenhang verschärfte sich im Herbst 1916 auch die schon lange gärende Kohlekrise, was wiederum die Leistungsfähigkeit der Rüstungsbetriebe erheblich beeinträchtigte. Die OHL verzichtete daraufhin auf weitere Neubauten und setzte auf eine Auslastung bestehender Industrieanlagen. Unter Anspannung aller volkswirtschaftlichen Kräfte konnte bis 1918 hinein die Produktion wichtigen Kriegsmaterials teils erheblich gesteigert werden. So wurden im letzten Kriegsjahr noch über 14 000 Flugzeuge produziert. Die Herstellung von Geschützen erreichte

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noch im Juni 1918 mit rund 2500 Stück die höchste Quote während des Krieges, bevor sie drei Monate später um die Hälfte einbrach. Streitkräfteintern gingen die Rüstungsschwerpunkte des Hindenburgprogrammes allerdings nicht nur auf Kosten des Tankbaus sowie wegen des erhöhten Arbeitskräftebedarfs der Industrie zu Lasten der Personaldeckung. Auch die Marinerüstung stand nach Auffassung von Reichsleitung und OHL bis Mitte 1918 weiterhin hinter den Bedürfnissen des Heeres zurück. Dabei verzichtete das Reichsmarineamt zunächst trotz der Schwerpunktverlagerung der Seekriegführung auf die leichten Seestreitkräfte auf eine umfangreiche Produktion hochseetüchtiger U-Boot-Typen. Die Behörde hielt bis Mitte 1917 lieber am prestigeträchtigen Flottenbauprogramm fest. Dies ging mit einer kontroversen Diskussion um die Weiterentwicklung der Schiffstypen in Fragen von Bewaffnung, Geschwindigkeit und Panzerung einher. Daran waren auch Admiralstab und Flottenführung beteiligt. Erst nachdem sich der vom Admiralstab gegenüber der OHL versprochene schnelle Sieg im uneingeschränkten U-Boot-Krieg als Illusion herausgestellt hatte, intensivierte die Marineführung im Dezember 1917 über ein neugegründetes U-Boot-Amt den U-Boot-Bau. Die OHL widersprach allerdings bis zum Sommer 1918 unter Hinweis auf den Vorrang des Landkrieges jeglichen Forderungen nach Facharbeiterkräften für die Produktion in den Werften. Erst nach dem Scheitern der Westoffensiven sagte sie der Seekriegsleitung in dieser Hinsicht ihre Unterstützung zu. Unter dieser Voraussetzung initiierte deren Chef Admiral Scheer ein dem Hindenburgprogramm vergleichbar überdimensioniertes Bauprogramm (Scheer-Programm) für U-Boote. Es sah eine Verdreifachung der bisherigen Produktion bis in das Jahr 1920 vor, wobei der monatliche Ausstoß an U-Booten von zwölf auf 36 gesteigert werden sollte. Doch die ambitionierten Planungen erwiesen sich allen vorsichtigen Versprechungen der OHL zum Trotz in der letzten Phase des Krieges wie das zeitgleich entworfene Tankbauprogramm als reines Wunschdenken. Zum einen konnte und wollte die OHL am Ende die rund 120 000 notwendigen Arbeitskräfte der Front nicht entziehen. Zum anderen verfügte die Marine selbst über zu wenig Personal, um genügend Besatzungen für die mehr als 250 neuen U-Boote zu stellen. Nahrungsmittelknappheit Die Priorität der militärischen Heeresrüstung führte darüber hinaus zwangsweise zu einer generellen Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie und der Landwirtschaft. Letztere verzeichnete während des Krieges einen Produktionsrückgang wichtiger Agrargüter wie Getreide und Kartoffeln von rund einem Drittel. Hauptgründe dafür waren unter anderem der Arbeitskräfte- und Pferdemangel sowie vor allem der Düngemittelausfall. Leidtragender blieb in erster Linie die

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Zivilbevölkerung, da die Versorgung der Truppen Vorrang hatte. So verbrauchte das Heer Anfang 1917 nach Schätzungen der OHL rund zwei Drittel der offiziell verfügbaren Lebensmittel. Die allgemeine Nahrungsmittelknappheit sorgte dennoch dafür, dass der Hunger auch unter den Soldaten ein ständiger Begleiter während des Krieges war. Um eine möglichst ausgeglichene Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs sicherzustellen, erfolgte schon nach Kriegsbeginn eine verstärkte Steuerung und Kontrolle lokaler sowie staatlich-militärischer Behörden in der Heimat. Doch die zahlreichen neugeschaffenen öffentlichen Stellen wie etwa im November 1914 die Kriegsgetreidegesellschaft oder im April 1915 die Reichskartoffelstelle verschärften das Behördenchaos und die Bürokratie auch auf dem Nahrungsmittelektor. Sie wurden zudem ähnlich den Kriegsrohstoffgesellschaften in der Industrie von führenden Vertretern der Agrarwirtschaft und deren Interessen dominiert. Eine gewisse Zentralisierung in Fragen der Ernäh rungswirtschaft des Reiches trat im Mai 1916 mit der Gründung des Kriegsernährungsamtes ein. Als Reichsamt unterstand es dem Reichskanzler. Weisungsrecht gegenüber militärischen Dienststellen besaß das Kriegsernährungsamt indes nicht. Die Durchsetzung militärischer Belange im gesamten Heimatgebiet oblag seit August 1914 generell der dem Reichsamt des Inneren angegliederten Zentralstelle zur Beschaffung der Heeresverpflegung. Die Mobilmachung 1914 führte durch den unkontrollierten Ankauf von Nahrungsmitteln seitens der militärischen Beschaffungsstellen zu ersten Versorgungsengpässen. Die Zivilbevölkerung reagierte wiederholt mit Hamsterkäufen, was die Preise explodieren ließ. Die durch den Krieg verursachte Nahrungsmittelkonkurrenz zwischen Kommunen, Militär und den Industriebelegschaften intensivierte den Teuerungsprozess. Die Behörden versuchten mit dirigistischen Maßnahmen wie Höchstpreisfestsetzungen, später Rationierungen bis hin zur Beschlagnahmung von Nahrungsmitteln solchen Entwicklungen entgegenzutreten. Daneben griff man auch bei der Lebensmittelherstellung verstärkt auf Ersatzstoffe und Streckungsmaßnahmen zurück. Brot wurde mit Kartoffelmehl gebacken, Milch mit Wasser verdünnt und Baumrinde zur Kaffeeherstellung benutzt. Kernproblem der bürokratisierten Zwangswirtschaft blieb ihre weitgehende Unvereinbarkeit mit marktwirtschaftlichen Mechanismen, was sich für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zusätzlich kontraproduktiv auswirkte. Die behördlichen Kontrollmaßnahmen stießen sowohl in der Bevölkerung als auch in der weitverzweigten Agrarwirtschaft auf große Ablehnung. So umgingen die Landwirte die staatlichen Preisregulierungen, indem sie etwa Produkte vom Markt fernhielten und die Herstellung preisungebundener Erzeugnisse för-

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derten. Auf die Preiskontrollen bei Getreide und Kartoffeln reagierten die Bauern beispielsweise mit deren Verfütterung an Schweine, da das Fleisch noch nicht preisbegrenzt war. Zur Vermeidung einer Kartoffelverknappung ordneten die Behörden daraufhin im Frühjahr 1915 eine großangelegte Zwangsschlachtung der Tiere an. Über die Folgen des sogenannten Schweinemordes schienen sich die Verantwortlichen indes wenig klar gewesen zu sein. Denn die Landwirte produzierten nun Kohlrüben anstelle von Kartoffeln. Schweinefleisch, Fett und Fettprodukte wurden langfristig immer knapper und teurer. Zudem erlitt die Düngemittelherstellung einen weiteren schweren Rückschlag, da den Tieren hier bislang eine wichtige Funktion zugekommen war. Unter diesen Verhältnissen verschlechterte sich die Versorgungslage mit Nahrungsmitteln in der zweiten Kriegshälfte dramatisch. Massive Ernteausfälle wie im »Steckrübenwinter 1916/17« sowie die Überlastung des Transportsystems infolge des Hindenburgprogramms verschärften die Notsituation. Hinzu trat noch die durch die Kriegsfinanzierung entstandene Inflation. Der Unterhalt des Massenheeres sowie die Versorgungsansprüche von Hinterbliebenen in der Heimat trieben die Kosten für Kommunen und Reichsregierung schnell in ungeahnte Höhen. Steuererhöhungen kamen wegen der zu befürchtenden negativen Auswirkungen auf die Moral der Bevölkerung nur sehr begrenzt infrage. Mitte 1916 erhobene besondere Steuern etwa auf Luxusgüter und Kriegsgewinne deckten am Ende lediglich 15 Prozent der Kriegskosten. Die Reichsleitung setzte in erster Linie auf die Zeichnung von günstig verzinsten Kriegsanleihen im Inland. Die enorme Staatsverschuldung nahm man in Hoffnung auf den Sieg und die zu erwartenden Reparationen des Verlierers in Kauf. Doch die rund 100 Milliarden Mark, die mit neun Kriegsanleihen in die Staatskasse flossen, waren immer noch zu wenig, um den Krieg ausreichend zu finanzieren. Der vermehrte Rückgriff auf die Notenpresse sollte die Lücken füllen, trieb aber letztlich nur die Preisspirale zusätzlich in die Höhe und zerstörte sukzessive die ökonomische Basis Deutschlands. Der größte Verlierer dieser Entwicklung war die verarmte Stadtbevölkerung. Sie war kaum noch in der Lage, die horrenden Preise auf dem sich stetig ausweitenden und sogar öffentlich geduldeten Schwarzmarkt zu bezahlen oder mit Hamsterfahrten aufs Land den Lebensmittelmangel auszugleichen. Doch auch der Lebensstandard der bürgerlichen Mittelschicht erlitt durch Vermögensverluste schwere Einbußen. Besonders betroffen waren Berufsgruppen außerhalb der Rüstungsindustrie, insbesondere Angestellte, Beamte und kleine Selbstständige. Hauptursachen waren stagnierende Einkommen und die Zeichnung der Kriegsanleihen, die infolge der Inflation zunehmend an realem Wert verloren. Misstrauen wuchs gegenüber den »Wucherern«

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des Handels und den Landwirten. Im Besitz von Naturalien, hatten die Bauern kaum Hunger zu befürchten, und sie verdienten gut am Leid der Bevölkerung. Wut richtete sich gleichermaßen auf die wohlhabenderen Bevölkerungskreise, die sich die steigenden Preise noch leisten konnten. Ins Visier geriet auch die gewerkschaftliche organisierte Arbeiterschaft der großen Rüstungsbetriebe. Mit Argwohn betrachtete die bürgerliche Mittelschicht die Lohnzuwächse der Industriearbeiter und die organisierte Lebensmittelversorgung durch die Unternehmen, zumal sich mit besserem Verdienst auch die soziale Stellung der Facharbeiterschaft verbessert hatte. Nichtsdestoweniger hatten diese sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Kriegsgesellschaft in den Augen weiter Kreise der Bevölkerung primär der Staatsapparat und seine politisch-militärische Führung zu verantworten. Das evidente Versagen der übergreifenden Leitungsinstanz bewirkte eine schleichende Erosion seiner Autorität, die zu Kriegsbeginn im Zeichen des Burgfriedens noch nahezu unangefochten war. So lösten die Nahrungsmittelengpässe schon 1915 eine erste Protestwelle von Frauen und Jugendlichen in Berlin aus. Solche Anzeichen bröckelnden Durchhaltewillens weiteten sich in der zweiten Kriegshälfte zu teils massiven überregionalen Streiks der Industriearbeiterschaft aus. Sie erhielten mit der Spaltung der Arbeiterbewegung im Frühjahr 1917 und der ungezügelten Siegfriedenspolitik der 3. OHL zusätzliche Brisanz. Das ungelöste Versorgungsproblem verband sich immer mehr mit politischen Forderungen nach Wahlrechtsreformen und einem schnellen Friedensschluss ohne Annexionen. Hier lag eine wichtige Keimzelle der Novemberrevolution 1918, die schließlich in der Marine ihren Anfang nahm. Zwar blieben massenhafte Streiks und Meutereien vergleichbar den Vorkommnissen in der französischen Armee 1917 in den deutschen Streitkräften aus. Doch die zunehmenden Spannungen in der Kriegsgesellschaft wie auch die Stimmungsverschlechterung übertrugen sich in der engen Wechselwirkung zwischen Front und Heimat auch auf den inneren Zustand des Militärs. »Als die angenehmen Dinge des Lebens, vom Brot bis zum Toilettenpapier, knapper und schlechter wurden, waren die bisher ganz selbstverständlich hingenommenen Ungleichheiten der Kasten- und Klassengesellschaft immer schwerer zu ertragen«, so die treffende Beobachtung des amerikanischen Militärhistorikers Dennis Showalter (  8.23   Showalter, S. 58 f.).

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| Abb. 15: Frauen in einer Maschinengewehrfabrik im Deutschen Reich, um 1916. akg-images

} Abb. 16: Britische Soldaten nehmen einen deutschen Maschinengewehrschützen gefangen, Westfront 1917/18. akg-images

| Abb. 17: Novemberrevolution 1918 in Wilhelmshaven: Revolutionäre Matrosen nach Erstürmung einer Arrestanstalt zur Befreiung gefangener Kameraden. BArch/Bild 183-G1102-0006-001

Alltag, Kriegserfahrungen, Motivationen Der innere Wandel: Offizierhass und Durchhaltevermögen Unter den Schrecken und Entbehrungen des Krieges mehrten sich bei vielen Soldaten bereits 1915 Anzeichen einer fortschreitenden Friedenssehnsucht. Hinzu traten bald Worte wie »Missstände« und »Ungerechtigkeit«, die sich in erster Linie auf das Militärsystem und die Offiziere als dessen vorrangige Repräsentanten bezogen. Dies betraf Offizierprivilegien und Günstlingswirtschaft bei Verpflegung, Löhnung und Urlaub wie auch eine oft schlechte Behandlung der Soldaten, insbesondere durch jüngere Vorgesetzte. Der Reserveunteroffizier Hermann Kantorowicz sprach in einer 1916 verfassten und 1919 publizierten Denkschrift sogar von einem regelrechten Offizierhass im Heer. Zur Zielscheibe scharfer Kritik wurde darüber hinaus das traditionelle militärische Belohnungssystem. Neben den mangelnden Aufstiegschancen der Unteroffiziere zu den Offizieren ist die Korrumpierung im Ordenswesen zu nennen, vor allem beim Eisernen Kreuz. Rund 5,4 Millionen Exemplare dieser durch den Kaiser zu Kriegsbeginn neu gestifteten Kriegsauszeichnung sind zwischen 1914 und 1918 verliehen worden, jeder dritte Soldat hatte es erhalten. Die großzügige Verteilungspraxis der anfangs noch hoch angesehenen Auszeichnung auch an die sogenannten Etappenhengste erzeugte größte Verbitterung unter den Frontsoldaten. Verschärft wurde der Bedeutungsverlust des Ordens dabei noch durch die vorrangige Verleihung des Ordens I. Klasse an Offiziere. Diese Vorwürfe bekräftigte nach dem Krieg vor dem Untersuchungsausschuss des Reichstages auch das Gutachten des linksliberalen Historikers Martin Hobohm. Ähnliches berichtete für die Marine der Matrose Richard Stumpf. Zahlreich sind die Belege, wonach Offiziere allen Richtlinien zum Trotz Privilegien schamlos zum eigenen Vorteil ausgenutzt haben. Im Lichte vieler für die Gutachten verwendeter Dokumente trug so gerade das Fehlverhalten des Offizierkorps eine erhebliche Mitschuld am Zusammenbruch. Dies stand im krassen Gegensatz zum Mythos der alle Gesellschaftsschichten umfassenden Frontgemeinschaft, so wie sie in der Nachkriegsliteratur etwa eines Ernst Jünger gerne gepflegt wurde. Damit geriet auch die von Hindenburg und Ludendorff 1919 initiierte Dolchstoßlegende ins Wanken. Auf der anderen Seite leugneten Gegner von Hobohm wie der ehemalige Offizier Erich-Otto Volkmann zwar keineswegs die Missstände und die daraus resultierenden wachsenden Spannungen zwischen Offizieren und Mannschaften. Gleichwohl bestand hier die

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Brief eines Pfarrers an den bayerischen Kriegsminister vom 6. August 1916 Soldaten beschwerten sich über Missstände in ihren Einheiten unter Umgehung des Dienstweges bei Land- bzw. Reichstagsabgeordneten oder bei Pfarrern ihrer Heimatgemeinden, die die Beschwerden unter Wahrung der Anonymität der Soldaten an militärische Behörden weiterleiten. Überall hört man jetzt die Klage über Ungerechtigkeiten an der Front, über schlechte Behandlung des gemeinen Soldaten durch Offiziere und über den großen Unterschied in der Verpflegung. Der Soldat weiß ja sehr gut und findet es ganz in der Ordnung, dass der Offizier im Allgemeinen eine bessere Lebenshaltung hat, er baut ihm auch gerne einen netten Unterstand und tut im alles zuliebe, wenn er nur sieht, dass der Offizier ein Herz für ihn hat, gerecht gegen ihn ist und alles Schwere mit ihm teilt [...] Dagegen kann es der Soldat, insbesondere der von der Landwehr und vom Landsturm, nicht begreifen und ertragen, wenn die Offiziere, namentlich die jungen, ihm hochmütig gegenübertreten und ihn ungerecht behandeln und dazu einen Luxus treiben, der an der Front ganz und gar nicht angebracht ist. Das Wort »Champagner« hat im ganzen Volk einen bösen, ja geradezu aufreizenden Klang gefunden. Das Kasinoleben, das sich an der Front ausgebildet hat, bewirkt eine steigernde Erbitterung unter den Soldaten. Sie berichten davon in ihren Briefen, sie erzählen davon im Urlaub [...] Euer Exzellenz gestatten, dass ich mit dürren Worten sage, wie man jetzt vom Kriege spricht: Der ganze Krieg ist ein Schwindel, er wird nur dazu weitergeführt, dass die Offiziere recht viel Geld verdienen und ein Wohlleben an der Front führen können, während die Soldaten darben müssen. Quelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv/Kriegsarchiv, 11. Bayerische Infanteriedivision, Bund 62. klare Tendenz, das Offizierkorps mithilfe anderer Dokumente von kollektiven Schuldzuweisungen zu entlasten. Der zu Beginn des Krieges noch gefestigte innere Zustand der Streitkräfte vollzog unter dem kontinuierlichen Ressourcenmangel einen schleichenden Wandel, an dessen Ende 1918 Zusammen bruch und Niederlage standen. Diese Entwicklung wirft Fragen nach den Alltagserfahrungen und Motivationen des einfachen Soldaten in der Wechselwirkung mit dem Führungsverhalten unter den spezifischen Rahmenbedingungen des Krieges auf. Insbesondere in der neueren deutschen Historiografie hält sich der Trend, in Anlehnung an das Hobohm-Gutachten die gestörten Beziehungen zwischen Offizieren und Mannschaften zu akzentuieren. Die sich in den Streitkräften widerspiegelnde Klassengesellschaft und die elitären Standesdünkel des Offizierkorps gelten hierfür als Ausgangspunkt. Der Trend reicht bis zur These einer Revolutionierung der Frontsoldaten (  9.6   Kruse). Letzteres hat in der Forschung allerdings wenig Zuspruch gefunden. Gleichermaßen thematisieren die Vertreter einer »Militärgeschichte von unten« (  2.14   Der Krieg des kleinen Mannes) einseitig soldatische

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Verweigerungshaltungen. Dennoch sind allmählich auch Faktoren, die trotz allen Kriegsleids den Alltag der Soldaten und damit deren Moral positiv beeinflussen konnten, stärker berücksichtigt worden. Dazu zählt mit Blick auf die spezifischen Entwicklungen in einzelnen Truppenteilen auch eine differenziertere Bewertung der Menschenführung im Militär. Schließlich blieb die Erfahrung des Mitmachens und Durchhaltens, also normgerechtes Verhalten, bis in das Jahr 1918 hinein unter den Soldaten dominant, was sich allein mit militärischem Zwang nicht erklären lässt. Die Widerstandskraft der Soldaten zeigte sich erstaunlich robust. Deutlichere Anzeichen nachlassender Disziplin in Form von Streiks und Gehorsamsverweigerungen traten im Sommer 1917 vor allem bei der Hochseeflotte zutage. Im Feldheer hatten sich während der Truppentransporte von der Ost- an die Westfront zum Jahreswechsel 1917/18 bis zu zehn Prozent der Mannschaften abgesetzt. Doch ein dramatischer Anstieg der Bereitschaft, sich auf die eine oder andere Art dem militärischen Dienst zu entziehen oder sich dem Gegner zu ergeben, setzte erst im Sommer 1918 ein. Obwohl dabei allen voran die sogenannte Drückebergerei bis heute empirisch mit Zahlen nicht zuverlässig belegt werden kann, entwickelten sich Verweigerungshaltungen der Soldaten einerseits unzweifelhaft zu einem zentralen Problem militärischer Kriegführung. Die Wahrnehmungen vieler höherer Offiziere von Disziplinlosigkeiten und negativer Stimmung der ersatzgeschwächten und völlig erschöpften Truppen sprechen eine deutliche Sprache der Demoralisierung. Und dennoch erlitten andererseits die Alliierten an der Westfront noch bis in den Herbst 1918 hinein außerordentlich hohe Verluste. Nachhaltige Indizien für eine umfassende Erosion der Kommandoautorität ergaben sich erst nach dem ersten Waffenstillstandsgesuch Anfang Oktober 1918. Damit blieb offenbar ungebrochener Kampfwillen an der Front in vielen Einheiten immer noch ein Gegenpol zum »verdeckten Militärstreik« (Wilhelm Deist, in 2.14 Der Krieg des kleinen Mannes, S. 146‑167). Dessen Auslegung ist aufgrund der unsicheren Zahlen zur »Drückebergerei« in der Historiografie längst nicht mehr unumstritten. In dieser Hinsicht wird auch der Offizierhass an der Front relativiert. Während hier trotz aller Missstände eben auch paternalistisches Verhalten der Offiziere das Überleben einer durchaus solidarischen Gemeinschaft sicherte, richtete sich der Unmut in erster Linie wie in vielen Armeen gegen die hinteren Stäbe. Diese Entwicklung ist Ausgangspunkt der zuletzt in der Forschung vertretenen These des »ordered surrender« (  6.34   Watson, S. 235). Anders als die gängige Meinung interpretiert sie Zusammenbruch und Niederlage im Herbst 1918 nicht als Folge einer massenhaften individuellen Fluchtbewegung disziplinloser Soldaten nach hinten, sondern vorwiegend als freiwilligen

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Gang der völlig erschöpften Truppe unter Führung ihrer Frontoffiziere in die Gefangenschaft.

»Der Geist von 1914« Die Aufrechterhaltung der Moral von Bevölkerung und Streitkräften spielte, vergleichbar den unzureichenden kriegswirtschaftlichen Vorbereitungen, in den Erwägungen der politisch-militärischen Führung vor dem Krieg kaum eine Rolle. So verfügte etwa nur das Auswärtige Amt über einen größeren Pressedienst. Die Pressearbeit anderer staatlicher und militärischer Behörden lenkten zumeist nur wenige zuständige Referenten, die gemeinhin die Interessen ihrer Ressorts vertraten. Im Großen Generalstab reduzierten sich geistige Kriegführung und Propaganda maßgeblich auf die Aufrechterhaltung der militärischen Geheimhaltung. Während des Krieges oblag die heimatliche Pressezensur in erster Linie den örtlichen Militärbefehlshabern, und zwar weitgehend nach eigenem Ermessen. Eine gewisse Vereinheitlichung trat erst im Oktober 1914 mit Einrichtung einer Oberzensurstelle im stellvertretenden Generalstab ein. Deren Zuständigkeit erstreckte sich auch auf die Marine. Sie ging ein Jahr später im Kriegspresseamt auf. Dieses stand bis kurz vor Ende des Krieges maßgeblich unter dem Einfluss der Abteilung IIIb des Generalstabes des Feldheeres und ihres Chefs Oberstleutnant Walter Nicolai. Im Hinblick auf die Propagandatätigkeit im In- und Ausland war Nicolai wiederum auf die Zusammenarbeit mit der Mitte 1916 entstandenen militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes (Juli 1918: Auslandsabteilung der OHL) angewiesen. Vergleichbar den Feldern Kriegführung und Rüstung behinderten Kompetenzüberlagerungen und Reibereien zwischen den zuständigen staatlich-militärischen Stellen auch eine effiziente Ausübung von Pressezensur und Propaganda während des Krieges. Ein von der OHL angestrebtes zentrales Propagandaministerium konnte nie realisiert werden. Die Öffentlichkeit blieb generell wegen der Vielfalt der Presseorgane und zugleich unverändert weitreichender Informationsfreiheiten für die militärische Führung nur begrenzt manipulierbar. Dagegen boten sich in der relativ geschlossenen Streitkräfteorganisation im Laufe des Krieges bessere Möglichkeiten einer gezielten Meinungsbeeinflussung von oben. Sie erfolgte in der zweiten Kriegshälfte in erster Linie über die Feldpresse und den Vaterländischen Unterricht. In der ersten Phase des Krieges bestand für die militärische Führung noch kein Anlass, auf dem Feld geistiger Kriegführung umfangreich tätig zu werden. Die politischen Parteien des Reichstages folgten mit ihrer Zustimmung zu Kriegsanleihen und Kriegsermächtigungsgesetz zunächst geschlossen der Proklamation des Burgfriedens durch den

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Kaiser. Die Sozialdemokratie hoffte auf die lange verwehrte innenpolitische Anerkennung in Verbindung mit Reformen etwa des preußischen Dreiklassenwahlrechtes. Doch vor allem fruchteten die Mühen der Regierung, den erwarteten kurzen Waffengang als notwendigen Verteidigungskrieg der von außen überfallenen Heimat zu propagieren. Kriegsbegeisterung, so Generalstabschef Moltkes Beobachtung, habe sich in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet. Diese selektive Wahrnehmung des führenden Militärs entbehrte angesichts spontaner Begeisterungsstürme jubelnder Menschen in vielen größeren Städten durchaus nicht der Grundlage. Auf den Straßen verabschiedete die Menge mit Gesängen die aus den Garnisonen ausmarschierenden und mit Blumen geschmückten Soldaten. Armee und Marine waren zunächst kaum in der Lage, das hohe Aufkommen an Kriegsfreiwilligen zu bewältigen. Viele glaubten, dass wie 1870/71 auch dieser Krieg in wenigen Monaten siegreich beendet und die Truppe Weihnachten wieder zu Hause sein werde. In dieser Euphorie des sogenannten »Geistes von 1914« vereinte sich eine nationale Aufbruchsstimmung, die vor allem vom städtischen Bürgertum, vielen Intellektuellen, aber auch zahlreichen Journalisten öffentlich getragen und verbreitet wurde. Bekannte Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler wie Thomas Mann, Max Liebermann oder Friedrich Meinecke deuteten den Krieg als Kampf der deutschen Kultur gegen die westliche Zivilisation. Sie beschworen eine sich von vergangenen sozialpolitischen Spannungen befreiende und erneuernde nationale Gemeinschaft der Deutschen. Dagegen stellte man die individuelle Dekadenz westlicher Zivilisation, wie sie etwa der geläufige Topos vom »perfiden Albion« für den Kriegsgegner Großbritannien versinnbildlichte. Solche ideologisierten Feindbilder fanden auch unter Soldaten Verbreitung. Zahlreiche Intellektuelle meldeten sich freiwillig zur Front und bezahlten ihren Enthusiasmus wie der Künstler Franz Marc 1916 vor Verdun am Ende mit dem Leben. In der Heimat trat die Mehrheit der Bildungselite in einen regelrechten »Kulturkrieg« (  1.15   Mommsen, S. 115) mit den Intellektuellen im Westen. Ausgangspunkt waren die scharfen Proteste aus England und Frankreich gegen die Gewalteskalation deutscher Truppen während des Vormarsches in Belgien im Sommer 1914. Mit einem öffentlichen Manifest rechtfertigten 93 Intellektuelle Anfang Oktober 1914 Militarismus, Kriegführung und Kriegspolitik des eigenen Landes zum vermeintlichen Schutz deutscher Kultur. Für die Kämpfe im Osten hatten kulturelle Aspekte ein noch stärkeres Gewicht, galten die Gegner hier doch zumeist als »unterentwickelte und unzivilisierte Barbaren«. Die Mehrheit der bürgerlichen Eliten des Kaiserreichs vertrat bis zum Kriegsende einen Kurs nationalistischer Kriegsdeutung.

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Doch trotz der Woge nationaler Begeisterung zu Kriegsbeginn hatte der »Geist von 1914« längst nicht alle Bevölkerungsschichten und damit auch die massenhaft mobilisierten Soldaten erfasst. Zwar blieb offene Kriegsgegnerschaft eine Ausnahme. Aber insbesondere in ländlichen Gebieten des Reiches überwog ein Gefühl von Unsicherheit und Sorge angesichts der im Krieg zu befürchtenden Entbehrungen. Auch in der städtischen Arbeiterschaft fand Kriegseuphorie kaum Verbreitung. Von dem ideologisch hochstilisierten einheitlichen Augusterlebnis konnte genauso wenig die Rede sein wie später von einer allumfassenden Gemeinschaft der Frontsoldaten. Wenig gemein mit der Realität hatte gleichermaßen der vermeintlich in den »Stahlgewittern« der Westfront neu geborene eiserne Frontkämpfer. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um ein Produkt der das Kriegserlebnis ästethisierenden Erinnerungsliteratur Ernst Jüngers. Diese verklärende Deutung leistete dem in der Nachkriegszeit vor allem in nationalistischen Kreisen weitverbreiteten Kult des Frontsoldaten Vorschub. Gleichwohl fand darin schon die im Krieg allmählich einsetzende militärische Propaganda ein geeignetes Leitbild, um den spätestens 1916 kaum noch übersehbaren Anzeichen angeschlagenen Durchhaltewillens entgegenzutreten. Den meisten militärdienstpflichtigen Soldaten war überschwängliche Kriegsbegeisterung fremd. Genauso wenig bestand aber ein grundlegender Wille zu völliger Verweigerung. Die breite Masse einte vielmehr ein gewisses Pflichtgefühl, die Familie und Heimat zu verteidigen und sie dem Gegner nicht schutzlos auszuliefern. Das traf ebenso für die Masse der Kriegsfreiwilligen zu, denen überwiegend ein defensiver Patriotismus zu eigen war. Die Mehrheit war bereit, den Militärdienst mehr oder weniger willig für eine gewisse Zeit zu verrichten; eine Grundhaltung, die sich im Laufe des Krieges vielfach in der Redewendung »es muss eben sein« widerspiegelte. Das Verhalten der in der Gesellschaft unterschiedlich sozialisierten Soldaten war von vielfältigen individuellen Motivationen und Sinnstiftungen geleitet. Sie reichten von Abenteuerlust, Männlichkeitsriten, bäuerlichem Heimweh, Religiosität bis hin zu einem vielleicht anthropologisch begründeten Todestrieb. Eine besonders wichtige Rolle spielte das Alter. Rund die Hälfte der Soldaten des Heeres war zwischen 30 und 45 Jahre alt. Die Sorge der lebensälteren Familienväter um das Wohl der Angehörigen war naturgemäß von hoher Bedeutung. Anpassungs- und Risikobereitschaft fielen hier deutlich geringer aus als bei ledigen jüngeren Soldaten. Für die meisten Frontsoldaten waren ein schnelles Kriegsende mit Rückkehr in die gewohnten heimatlichen Lebensumstände sowie das Überleben die zentralen Handlungsmotive. Auf diese Grundmotivation wirkten die situativen Erfahrungen des Kriegsalltages nachhaltig ein.

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Die Stimmung, so die Bezeichnung aus Sicht der militärischen Führung, schwankte in der Folge laufend in einem Spannungsbogen von Friedenssehnsucht und Durchhalten. Anzeichen der Desillusionierung wechselten sich mit Kampfeswillen ab, wobei sich dieser vor allem bei Aussicht auf ein Ende des Krieges erheblich steigern konnte. Friedenssehnsucht und Kampfmotivation bedingten sich in vielen Fällen. Davon zeugen besonders viele Aussagen von Soldaten vor den Frühjahrsoffensiven 1918, die – wie die militärische Postüberwachung feststellte – nochmals zu einem zeitweiligen Stimmungshoch in der Truppe führten.

Soldatenalltag und Erfahrungen im Krieg Wie gestalteten sich nun die vielfältigen Erfahrungswelten des einfachen Soldaten im Kriegsalltag? In der Regel begann für die ungedienten Soldaten der Militärdienst mit Einberufung in die heimatlichen Ersatztruppenteile und der bis zu dreimonatigen Grundausbildung. Hier lernte beispielsweise der Infanterist zunächst das Schießen mit dem Gewehr und das Marschieren mit vollem Gepäck auf Entfernungen bis zu 30 km. Straffste Disziplin und »Manneszucht« galten der militärischen Führung stets als unverzichtbare Säulen der gesamten militärischen Ausbildung. In der Heimat neigten daher frontferne Ausbilder schon bei den Rekruten zu übertriebenem Drill, den zumeist ein schnarrender Kasernenhofton begleitete. Erich Maria Remarques berühmter Antikriegsroman »Im Westen nichts Neues« spitzte später den Typus des schleifenden Ausbilders in der Figur des Reserveunteroffiziers Himmelstoß zu. Wenngleich dies wohl kaum zu den schlimmsten Erfahrungen im Krieg zählte, dämpfte diese erste Konfrontation mit dem Militär bereits die willige Bereitschaft vieler Soldaten zu bedingungsloser Pflichterfüllung. Ost‑ und Westfront Das eigentliche Kriegserlebnis bestimmten maßgeblich die militärische Waffengattung einschließlich der Einheit sowie der Einsatzort des Soldaten. Der zentrale Aspekt des Überlebens stellte sich für Mannschaften von Versorgungseinheiten und Wirtschaftstruppenteilen oder auch für Etappenangehörige weniger dringend dar als etwa für einen Infanteristen in der vorderen Kampfzone. Es gab zahlreiche Mannschaften, die das Töten und Sterben an der Front allenfalls aus der Ferne wahrgenommen haben. Das traf umso mehr für Soldaten des heimatlichen Besatzungsheeres zu. Im Erfahrungsraum Front stieg das Risiko eines Infanteristen nochmals, wenn er etwa Angehöriger einer besonders kampfintensiven, häufig an Brennpunkten verschiedener Fronten eingesetzten Division

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war. So konnte ein Soldat durchaus verschiedene Abschnitte mehrerer Kriegsschauplätze erleben. Die Weiträumigkeit der Ostfront und die im Vergleich zum Westen geringere Truppenmassierung ermöglichten immer wieder längere Phasen des Bewegungskrieges. Einen nachhaltigen Eindruck hinterließen hier vor allem die physischen Belastungen weiter Märsche bei miserablen Straßenverhältnissen. Lange Zeit gärende ethnische Konflikte sorgten zudem im Osten und auf dem Balkan für eine zunehmend entfesselte Kriegführung aller Parteien, die ganze Landstriche verwüstete sowie zu massiven Vertreibungen der Zivilbevölkerung und oft zügelloser Brutalität führte. Trotz einiger Überschneidungen prägte die vergleichsweise beengte deutsche Hauptfront im Westen mit einer Ausdehnung von rund 800 km ein differenziertes Bild des Krieges. Dort tobte seit Herbst 1914 der vom Feuer der Artillerie weitgehend dominierte statische Stellungskrieg, den die deutsche Armee überwiegend defensiv in der Verteidigung führte. Die Konfrontation mit extremer Gewalt begrenzte sich auf einen nur wenige Tausend Meter tiefen Frontbereich, den ein System von Gräben mit befestigten Unterständen durchzog. Neben der Artillerie kamen auf engstem Raum eine Vielzahl moderner Waffen wie Maschinengewehre, Flammenwerfer, Giftgas, Tanks und Flugzeuge zum Einsatz. Zu ihrem Schutz verschwanden die Soldaten buchstäblich in der Erde, was in der taktischen Sprache des Militärs mit dem Begriff »Leere des Gefechtsfeldes« bezeichnet wurde. Rückwärtige Stäbe verwalteten und planten bürokratisch den industrialisierten Massenkrieg. Organisatorische Handlungsabläufe des militärischen Alltages glichen dem maschinisierten Fabrikbetrieb der Industriegesellschaft. Markantes Beispiel dafür waren peinlich nach der Uhrzeit geregelte Angriffe. In diesem Kontext wandelte sich die klassische Rolle des Soldaten als Krieger zu einem schon von Ernst Jünger bezeichneten »Arbeiter des Krieges«. Heldentum und Tapferkeit im Kampf Mann gegen Mann ließ das anonymisierte Töten und Sterben absurd erscheinen. Vielmehr verlangte der Alltag in den oft verschlammten und von Ungeziefer befallenen Schützengräben von den Männern psychisches Durchhaltevermögen oder »eiserne Nerven«, wie es aus Sicht der militärischen Führung hieß. Der Granatenhagel der Materialschlachten verurteilte die Soldaten in den Schützengräben zum passiven Ausharren, bis 1917 die Taktik der elastischen Verteidigung der Truppe zwischen den Gräben ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit zugestand. Dennoch hatten Gefühle des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und Ohnmacht hier eine besonders starke Wirkung, zumal im Stellungskrieg kaum ein Ende der Kämpfe in Aussicht war. Daher nahmen Frontsoldaten allen Entbehrungen zum Trotz auch lieber Kampfeinsätze im zumeist erfolgreich geführten Bewegungskrieg im Osten in Kauf. Die indoktrinier-

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te straffe Disziplin und Opferbereitschaft konnte hier sogar noch sinnstiftend für Heldentum wirken. »Jedes Schlachtfeld erweckt durch die ihm verbundenen Vorstellungen ganz bestimmte Vorstellungen und Gefühlseinstellungen im Seelenleben der Truppe. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Gegend zum Inbegriff des Sieges und des Ruhmes der eigenen Waffen wird oder zu einem Symbol der Öde, des Leidens und des Grauens«, vermerkte der ehemalige Offizier Friedrich Altrichter in einer der wenigen beachtenswerten zeitgenössischen Analysen zum Kampfgeist der deutschen Armee. Vor allem das maschinisierte Töten an der Westfront bezeichneten einfache Soldaten in Briefen vielfach mit kurzen Schlagworten wie »Schlachthaus« oder »Menschenschlächterei«. Dieses Entsetzen über das unmittelbare Erleben massiver Destruktionsgewalt der Materialschlachten teilten aus der Distanz selbst höhere Offiziere. Ein Divisionskommandeur beschrieb beispielsweise die Flandernschlacht im Herbst 1917 als »blutgetränkte Front« und »Massenmord«, bei dem Divisionen wie in einem gefühllosen Fabrikbetrieb innerhalb kürzester Zeit durch hohe Verluste »zu Schlacken verbrannten«. Unter dem immensen psychischen Druck wuchs im Laufe des Krieges die Zahl traumatisch bedingter Nervenzusammenbrüche in der Fronttruppe. Was im englischen Sprachgebrauch der »shell-shock« umschrieb, versinnbildlichte in Deutschland der »Kriegszitterer«. Nach den Zahlen des Sanitätsberichtes für das Heer waren rund 600 000 Soldaten bis Ende Juli 1918 in psychatrischer Behandlung in Lazaretten. In Relation zur Gesamtzahl der Kriegsteilnehmer waren dies aber nur knapp fünf Prozent. Die Medizin betrat indes bei der Behandlung solcher Erkrankungen völliges Neuland. Die Betroffenen mussten nicht nur üble Denunzierungen als vermeintliche »Simulanten« oder »Feiglinge« erdulden, sollten ihnen doch etwaige staatliche Versorgungsansprüche vorenthalten werden. Zudem versuchten die Militärärzte die unbedingte Wiederherstellung der Dienstfähigkeit mit teils brutalen Methoden wie Hungerkuren und Zwangsexerzieren zu erreichen. Immerhin berücksichtigte die deutsche Militärjustiz nervenärztliche Gutachten erstmals als Grundlage der Urteilsfindung bei Desertion oder Befehlsverweigerung, und zwar zugunsten der Angeklagten. Durchhaltevermögen und Verweigerungen Angesichts der psychischen Extrembelastungen vermag das Durchhaltevermögen der breiten Masse jenseits aller verklärter Deutung des »eisernen Frontkämpfers« doch ziemlich zu überraschen. Robustheit und Leidensfähigkeit kamen nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass sich in Briefen von Soldaten vielfach auch Worte wie »Ruhe« und »Nervenstärke« fanden; erstaunlicherweise genau solche Eigenschaften, die auch die militärische Führung mit dem Topos

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des »unbändigen Willens« immer wieder beschwor. Im Gefecht bestand bei vielen Soldaten die Neigung, Gefahren und Leid des Fronteinsatzes in trügerischem Optimismus und im Glauben an das eigene Überleben schlichtweg zu verdrängen. Darüber hinaus waren die Frontsoldaten dem Schrecken der Todeszone eben auch nicht dauerhaft ausgesetzt. Dafür sorgten schon Verwundungen, Krankheiten, Kommandierungen zu Lehrgängen sowie nicht zuletzt Urlaub. Der Alltag des Soldaten bestand zudem keineswegs in einer dauerhaften Gefechtstätigkeit. Der Verlauf der großen Schlachten beschränkte sich im Wesentlichen auf die Zeit von Frühjahr bis Herbst, während in den Wintermonaten oft Zeit für Ruhe und Ausbildung vorhanden war. In der zweiten Kriegshälfte rotierten Divisionen zwischen vorderem Stellungseinsatz und dahinter stehender Eingreifreserve. Nach mehrtägigem Verbleib in Großkämpfen verlegte man die Verbände zur Regeneration, Ausbildung und Auffüllung in das Etappengebiet oder in ruhigere Frontabschnitte. Den soldatischen Alltag bestimmten hier einerseits oft Langeweile und eintönige Routine, was wiederum auf viele Mannschaften demotivierend wirkte und was man mit vielen Matrosen der untätig in den Häfen liegenden Hochseeflotte teilte. Doch andererseits wurde der Erholungswert von Ruhephasen vielfach durch das Heranziehen zu schweren Arbeiten im Bau von Feldbefestigungen wieder gemindert; eine Erfahrung, die neben dem Kampf mit modernen Waffen häufig bereits den vorderen Stellungsdienst geprägt hat. Gleiches traf für den oft unverändert übertriebenen Drill in der Ausbildung zu, den die Soldaten als besonders lästig empfanden. Nichtsdestoweniger fand der Soldat im Alltag stets auch Zeit, die extremen Belastungen zu verarbeiten. Viele hielten dazu ihre Erlebnisse in Tagebüchern fest oder schrieben Briefe und Postkarten an die Daheimgebliebenen. Die Feldpost blieb das wichtigste Kommunikationsmittel mit der Heimat. Die Briefe stellten einen täglichen millionenfachen beiderseitigen Informationsfluss sicher. Auf diesem Wege erreichten auch Liebesgaben in Form etwa von Lebensmitteln und Kleidung die Front. Über die »Jammerbriefe« erhielten die Soldaten wiederum Kenntnis von der verzweifelten Versorgungslage der Heimat und schickten Beutegut der Front an ihre Angehörigen. Den militärischen Vorgesetzten gestattete die Zensur partielle Einblicke in diese schriftliche Kommunikation. Die Kontrolle erfolgte wegen der Masse der Post allenfalls stichprobenartig. Zuständig waren bis Frühjahr 1916 in der Regel die Disziplinarvorgesetzten bis zur Regimentsebene, wobei nach völlig unterschiedlichen Kriterien geprüft wurde. Das Wissen um diese Beobachtung ließ Soldaten bei ihren Äußerungen schon eine gewisse Zurückhaltung wahren. Viele Schreiber vermieden zudem eine allzu offene Schilderung der Schrecken des Krieges, um Angehörige

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nicht unnötig zu beunruhigen. Dennoch lieferte die Feldpost der militärischen Führung wichtige Anhaltspunkte über die Stimmung an Front und Heimat. Eine systematische Auswertung setzte allerdings erst Mitte des Krieges mit Einrichtung von Postüberwachungsstellen bei den Armeeoberkommandos, teils sogar auf Divisionsebene ein. Die enge Bindung der Soldaten an das Schicksal der Angehörigen begleitete ein Prozess der Entfremdung, den maßgeblich die unterschiedlichen Erfahrungswelten Front und Heimat bedingten. Urlaubsoder Genesungsphasen konfrontierten die Frontsoldaten unmittelbar mit den Alltagsproblemen der Heimat. Das Verständnis für das Leid und die Entbehrungen jenseits des familiären Umkreises stieß dort an Grenzen, wo Kriegsgewinnler sich unverblümt auf Kosten anderer bereicherten oder Stammtischstrategen lautstark eine annexionistische Kriegszielpolitik proklamierten. Gleichermaßen wurden aber auch die in der zweiten Kriegshälfte sich ausweitenden Streiks der Industriearbeiter überwiegend abgelehnt. Die oft realitätsfernen Vorstellungen der Zivilbevölkerung vom Leben an der Front und die schwindende Anerkennung für die Leistungen im Felde verbitterten viele Soldaten. Unter denen reifte nicht selten der Wunsch nach einer schnellen Rückkehr zur Truppe. Erstaunlich wenig Soldaten griffen zu Mitteln offener Verweigerung. Kollektive Meutereien ganzer Gruppen von Soldaten kamen nur sehr selten vor. Auch Fahnenflucht und unerlaubte Entfernung blieben mit 150 000 Verurteilungen im Heer selbst bei Annahme einer dreifach höheren Dunkelziffer in Relation zu über 13 Millionen Kriegsteilnehmern eine eher unbedeutende Größe. Trotz des generellen Anstiegs der Zahlen Mitte 1918 handelte es sich dabei um das Verhalten einzelner Soldaten und nicht um etwa politisch motivierten Protest einer breiten Massenbewegung. Politische Motive spielten bei Fahnenflüchtigen im Vergleich zu Heimweh kaum eine Rolle. Aus Sorge um einen Entzug der heimatlichen Familienversorgung desertierten nur wenige verheiratete Soldaten. Die Mehrheit waren ledige Angehörige der Arbeiterschaft. Eine stärkere Neigung zur Fahnenflucht bestand unter nationalen Minderheiten, allen voran den Elsass-Lothringern. Anlass dazu boten nicht zuletzt die rigiden Repressionsmaßnahmen, denen in erster Linie die »Reichsländer« in der Armee unterworfen waren. Sie galten pauschal als unzuverlässig, sogar als »geborene Verräter«. Die Diskriminierung von Minderheiten nahm hier im Vergleich zum Umgang mit den jüdischen Soldaten noch einmal gesteigerte Ausmaße an. So ließ die Militärführung die Post der Elsass-Lothringer gesondert überwachen, verhängte strikte Urlaubsbestimmungen oder verlegte sie viele einfach an die Ostfront, da man sie im Westen generell als Überläufer verdächtigte.

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Bei den meisten Soldaten bestand aber nicht die Absicht, sich dauerhaft, beispielsweise durch Absetzen in das neutrale Ausland, von der Truppe zu entfernen. Lieber machten die Soldaten zunächst ihrem Ärger und Frust über die Länge des Krieges und die Privilegien der Offiziere durch maßloses Schimpfen Luft. Viele ließen einfach Dampf ab, um dann doch oft wieder »ohne zu murren« und mit »völliger Selbstverständlichkeit« in die Kampfstellung zu rücken (  3.27  Altrichter, S. 118). Darüber hinaus bot der im Krieg aufgeblähte bürokratische Militärapparat den Soldaten umfangreiche Nischen, die halfen, den belastenden Frontdienst mit kleinen Fluchten je nach Stimmungslage oft unauffällig zu umgehen. Gesundheitliche Einschränkungen für den längeren Dienst in einer Schreibstube auszunutzen, ist hier nur eines von vielen Beispielen. Das Hinauszögern der Genesung von Krankheiten oder der Heilung von Verwundungen zog dann aber weitere Kreise in Form von Selbstverstümmelungen. Gängig war hier die Methode, sich mit Schusswaffen an den Gliedmaßen zu verletzen. Für die Militärärzte war der Unterschied für den vom Gegner zugefügten sogenannten Heimatschuss kaum zu unterscheiden. Teilweise versuchten Soldaten während der Ruhephasen ihrer Verbände sogar, sich bei Prostituierten gezielt mit Geschlechtskrankheiten anzustecken. Vor allem an ruhigeren Frontabschnitten war manchmal zu beobachten, was der britische Soziologe Tony Ashworth treffend mit dem »live and let live system« umschrieben hat (  9.14  Ashworth). Soldaten reduzierten teils unter Duldung ihrer direkten Vorgesetzten durch stille Übereinkünfte mit der Gegenseite Kampfhandlungen. Ein bekanntes Beispiel solchen Verhaltens waren die Weihnachtsverbrüderungen mit Fußballspielen deutscher und britischer Soldaten im Niemandsland zwischen den Fronten in Flandern 1914. Kriegsgefangenschaft Gefangenenverluste entwickelten sich erst seit Sommer 1918 zu einem ernsthaften Problem für das Heer. Im Osten gerieten während des gesamten Krieges 167 000 Soldaten des deutschen Heeres in russische Gefangenschaft. Die Angaben allein für die letzten Kriegsmonate im Westen reichen einschließlich der Vermissten bis zu 385 000 Mann. Umstritten in der Forschung bleibt die Erklärung für die Bereitschaft von Soldaten, sich freiwillig gefangen zu geben. Hinderte etwa das Risiko einer Tötung bei Gefangennahme das schnelle Heben der Hände? Oder verlor Gefangenschaft bei den Soldaten im Laufe des Krieges generell ihren vor allem von der Propaganda geschürten Schrecken? Vieles spricht dafür, dass die Entscheidung eines Soldaten stark von der jeweiligen Gefechtssituation beeinflusst wurde, Soldaten also in einem Augenblick noch verbissen kämpften, um wenig später etwa angesichts eines überlegenen Gegners dann doch schnell aufzugeben. So sank

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etwa die Bereitschaft deutscher Frontsoldaten sich zu ergeben, nachdem die Wucht der britischen Offensiven im Herbst 1918 nachgelassen hatte. Strittig unter Historikern bleibt nach wie vor die Einordnung der freiwilligen Gefangenschaft in den Zusammenhang von Zusammenbruch und Niederlage 1918. Was erwartete den Soldaten eigentlich in der Gefangenschaft? Nach der Haager Landkriegsordnung von 1899 waren Kriegsgefangene nach den gleichen Prinzipien wie die eigenen Soldaten und mit dem Gebot der Menschlichkeit zu behandeln. Im Vergleich etwa zum barbarischen Umgang mit russischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg waren die kriegführenden Nationen noch bemüht, internationale Rechtsgrundlagen und zeitübliche humanitäre Standards möglichst einzuhalten. Unter Vermittlung neutraler Staaten und des Internationalen Roten Kreuzes kam es während des Krieges wiederholt zu Verhandlungen zwischen den Parteien, um internationale Rechtsfragen weiterzuentwickeln und das Schicksal der Kriegsgefangenen zu verbessern. Doch trugen vielfach propagandistisch gefärbte gegenseitige Vorwürfe völkerrechtswidrigen Verhaltens auch dazu bei, scharfe Repressalien gegenüber Kriegsgefangenen auszuüben. Die Herabsetzung von Nahrungsmittelportionen, das Vorhalten von Post wie auch Misshandlungen trieben die »Spirale der Gewalt« (  9.22   Kriegsgefangene, S. 17) insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich immer weiter an. Offiziere genossen im Gegensatz zu den Mannschaften und Unteroffizieren zumeist in eigenen Lagern Privilegien bei Verpflegung und Unterkunft. Sie waren zudem vom Arbeitszwang befreit. Die einfachen Soldaten wurden dagegen vor allem in der jeweiligen Kriegswirtschaft zum Arbeitseinsatz verpflichtet. Damit schlossen die Kriegsgefangenen teilweise die Lücken in Landwirtschaft und Industrie der Gewahrsamsnation, die der gewaltige Bedarf an Soldaten für die Front in der Heimat gerissen hatte. In Russland arbeiteten beispielsweise im Herbst 1916 rund 1,5 Millionen kriegsgefangene Deutsche und Deutsch-Österreicher saisonal außerhalb sibirischer Lager auf Feldern russischer Landgüter und in der Kriegsindustrie. Anders als Zwangsverpflichtete in Großprojekten der Industrie erlebten Kriegsgefangene, die in einem persönlichen Verhältnis zu ihren Arbeitgebern standen, oft eine gute Behandlung. In der russischen Bauernschaft galten sie manchmal sogar als Familienmitglieder. Vor allem die wichtige ökonomische Funktion der Kriegsgefangenen im industrialisierten Krieg verleitete schließlich auch zu einem dauernden Unterlaufen der rechtlichen Grenzen der Haager Landkriegsordnung. Arbeitseinsätze durften, so die Formulierung, in keiner Beziehung zu Kriegsunternehmungen stehen. Dennoch ließen die Militärbehörden

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Kriegsgefangene im Front- und Etappengebiet Straßen, Eisenbahnlinien oder Verteidigungsstellungen bauen, wodurch sie unter Beschuss der eigenen Truppen gerieten. In den Kriegsgefangenenlagern selbst war das Alltagsleben vorwiegend von Eintönigkeit und Langeweile geprägt. Viele Insassen litten unter der »Stacheldrahtkrankheit«, deren Symptome sich in ständiger Müdigkeit und Apathie bis hin zu schweren Depressionen äußerten. Bedingte Abhilfe schuf die Entwicklung einer regelrechten Lagerkultur, wobei sich Soldaten in Sport-, Musik- und Theatergruppen organisierten. Militärjustiz Die im Krieg häufigsten Verweigerungsformen unter Soldaten waren kurzfristige Drückebergereien in Form etwa von Urlaubsüberschreitungen oder im Gefecht vorübergehendes Verbleiben in einem Unterstand. Schon in Richtung Meuterei ging allerdings die zeitweilige Weigerung einzelner Soldaten, in einer Schlacht, wie es oftmals hieß, »weiter vorzugehen«. Doch selbst solche Handlungen konnten manchmal noch ohne ernsthafte disziplinarische oder militärstrafrechtliche Konsequenzen bleiben. Die Handhabung der Militärgerichtsbarkeit wurde im Laufe des Krieges generell milder, zumal der Reichstag im Frühjahr 1917 eine gesetzliche Herabsetzung der Mindeststrafen verabschiedet hatte. Die französische und britische Armee vollstreckten zehnmal so viele Todesurteile wie ihr deutscher Gegner mit insgesamt »nur« 48 Fällen. Zudem übten die einzelnen Landesherren für ihre Kontingente eine großzügige Amnestie- und Begnadigungspraxis aus, um die Stimmung positiv zu beeinflussen. Nichtsdestoweniger missfiel wiederum vielen höheren Offizieren bis hin zur OHL eine moderate Strafpraxis, da man hier eine Schwächung der Disziplin im milizartigen Massenheer fürchtete. Zahlreich waren die kritischen Stimmen von Kommandeuren, die sich bei einer Umfrage des Kriegsministeriums Ende 1915 gegen eine Abschaffung der entehrenden Disziplinarstrafe des Anbindens von Soldaten an einen Baum oder eine Mauer im Felde aussprachen. Die Maßnahme konnte von jedem Disziplinarvorgesetzten als Ersatz für strengen Arrest vollstreckt werden. Sie wurde letztlich im Frühjahr 1917 nicht zuletzt aufgrund der vielen Beschwerden von Soldaten abgeschafft. Den Vertretern der Dolchstoßlegende diente eine zu milde Handhabung der Militärgerichtsbarkeit später vorschnell zur Erklärung der Niederlage. Die Folgen reichten bis in den Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf eine rechtlich entgrenzte Wehrmachtjustiz rund 15 000 Todesurteile an Soldaten vollstrecken ließ. Im Ersten Weltkrieg blieben sowohl das militärische Disziplinarwesen als auch die Militärgerichtsbarkeit rechtsstaatlichen Prinzipien unterworfen. Damit waren auch der Willkür von Vorgesetzten in den deutschen Streitkräften zumindest formale Grenzen gesetzt. Zweifelsohne verfügten vor allem

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Disziplinarvorgesetzte über weitreichende Handlungsoptionen, um auf den Alltag des Soldaten nach eigenem Ermessen positiv oder negativ einzuwirken. Die Befehlsgewalt ermöglichte die wohlwollende Gewährung kleiner Freiheiten bei Urlaub und Ruhepausen genauso wie eine gezielte Abkommandierung zu gefährlichem Patrouillendienst zwischen den Fronten. Das Disziplinarwesen räumte einem Kompaniechef das Recht ein, Pflichtverletzungen von Mannschaften mit Strafexerzieren bis hin zu mehrtägigem Arrest zu ahnden. Immerhin aber stand es dem Soldaten zu, sich gegen vorschriftswidrige Behandlungen, angefangen bei verbalen persönlichen Beleidigungen, zu beschweren. Gleichwohl war das Verfahren für den Betroffenen wegen des mangelnden Schutzes des Beschwerdeführers mit erheblichen Risiken verbunden. So drohte dem Soldaten bei »Unbegründetheit«, überführter Verleumdung oder Nichteinhalten von Dienstweg und Fristen selbst eine Disziplinarbestrafung. Im militärischen Alltag fehlte es zudem nicht an Belehrungen, sich Beschwerden doch reiflich zu überlegen und »keine falschen Empfindlichkeiten« an den Tag zu legen. Gerichtliche Verurteilungen von Vorgesetzten wegen vorschriftswidriger Behandlung von Untergebenen blieben während des Krieges selten, im Feldheer gab es nur rund 130 Fälle. Daneben hing es vor allem von höheren Vorgesetzten ab, disziplinarische Maßnahmen wie etwa Verweise oder Stubenarrest bei Offizieren zu ergreifen. Im Interesse eines ungestörten inneren Dienstes einer Einheit wurden aber zumeist die Beschwerdeführer einfach versetzt. Wegen der Unzulänglichkeiten des Dienstweges reichten Soldaten häufig Beschwerden zu Missständen über Land- bzw. Reichs tagsabgeordnete oder Pfarrer in der Heimat unter Wahrung von Anonymität ein. Die folgenden Ermittlungen verliefen in den betroffenen Einheiten zwar zumeist im Sande. Doch immerhin nahm die militärische Führung die Auswirkungen solcher Vorgänge auf die Durchhaltebereitschaft zur Kenntnis und zeigte Reaktionen. Mehrere militärinterne Erlasse des Kriegsministeriums und der OHL an die Fronttruppen forderten im Laufe des Krieges neben unverzichtbarer straffer Disziplin nachhaltig auch beispielhaftes und fürsorgliches Verhalten der Vorgesetzten ein. Schließlich verlangte die Auftragstaktik im kaum noch kontrollierbaren modernen Gefecht eine Menschenführung, die auf das Vertrauen und die innere Selbstdisziplin des Soldaten setzte. Fürsorge, Vorbildfunktion wie auch die Kampferfahrung eines Vorgesetzten waren für die Mannschaften wichtige Kriterien der Gefolgsamkeit. Vor allem jüngere unerfahrene Offiziere und Unteroffiziere waren schlichtweg überfordert, die Rolle des beispielgebenden und zugleich fürsorglichen militärischen Führers zu erfüllen.

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Gleichermaßen zeigten sich viele Vorgesetzte aber auch hilflos, auf den wachsenden Disziplinverfall im letzten Kriegsjahr notfalls mit angemessenen rechtskonformen Zwangsmitteln zu reagieren. In diesem Zusammenhang betonte im August 1918 ein kriegsministerieller Erlass sogar nachhaltig das Recht des Vorgesetzten, nach § 128 des Militärstrafgesetzbuches Befehle in Fällen der äußersten Not und Gefahr mit der Schusswaffe durchzusetzen. Dass Militärstrafen bei vielen Soldaten ihre abschreckende Wirkung weitgehend verloren hatten, förderte die Erosion der Kommandoautorität. Das betraf ebenso die Funktion der Strafe als soziales Druckmittel in der Heimat. Im Sommer 1918 musste Hindenburg verbittert zur Kenntnis nehmen, dass im Felde verhängte Strafen selbst bei entehrendem Verhalten vor dem Feind von den Angehörigen in der Heimat nicht mehr als etwas Schmachvolles angesehen wurden. Strafverbüßung im Gefängnis bot dem Soldaten vielmehr Schutz vor dem gefährlichen Frontdienst. Strafaussetzung seitens der mit der Militärgerichtsbarkeit betrauten Gerichtsherren (in der Regel Divisions- und Korpskommandeure) sollte dies verhindern. Gleichzeitig fürchtete man hier aber den negativen Einfluss von Straftätern auf den Zusammenhalt der Truppe. Daher stellte das Heer in der zweiten Kriegshälfte über siebzig spezielle Militärgefangenkompanien auf, um die Abschreckungswirkung zu verstärken. Diese Sondereinheiten wurden zu besonders schweren Arbeiten im unmittelbaren Gefahrenbereich der Front eingesetzt. »Vaterländischer Unterricht« Die Anmahnung beispielhaften Verhaltens von Vorgesetzten blieb nicht die einzige Reaktion der militärischen Führung auf die wachsende Stimmungsverschlechterung, die ihr keineswegs völlig egal sein konnte. Mit der Einrichtung einer Feldpressestelle im März 1916 begann eine gezielte propagandistische Meinungsbeeinflussung im Heer unter Leitung der Abteilung IIIb der OHL. Deren primäre Aufgabe bestand darin, die armeeinternen Feldzeitungen zu kontrollieren und mit ausgewählten Presseinhalten der Friedenssehnsucht der Soldaten entgegenzuwirken. Hinzu traten intensive Werbekampagnen zur Zeichnung der Kriegsanleihen. Solche Bemühungen gipfelten im Sommer 1917 in der Einführung der »Aufklärungstätigkeit unter den Truppen«, die zwei Monate später als »Vaterländischer Unterricht« bezeichnet wurde. Organisation, Arbeitsweise und Gegenstand regelten die vom Chef des Generalstabes des Feldheeres am 29. Juli 1917 herausgegebenen »Leitsätze für die Aufklärungsarbeit unter den Truppen«. Die Marine übernahm den »Vaterländischen Unterricht« für ihren Organisationsbereich erst Ende des Jahres 1917. Dieses umfassende Propaganda- und Betreuungsprogramm war zunächst eine unmittelbare Reaktion der OHL auf die Friedensresolution des Reichstages. Zugleich lieferte es die geistigen Waffen

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Erich Ludendorff an die Generalstabschefs der Heeresgruppen und Armeen, 31. Juli 1917 Der Erste Generalquartiermeister weist in dem Schreiben mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Kampfkraft auf die Notwendigkeit der Aufklärungstätigkeit unter den Truppen hin. Die Stimmung in der Heimat ist tief gesunken. Bei den engen Beziehungen von Heimat und Heer kann das Heer auf die Dauer nicht unberührt bleiben. Im Inneren machen sich neben krassem Egoismus und rücksichtsloser Gewinn- und Genusssucht Flaumacherei, Pessimismus und Pflichtvergessenheit breit, die den Ausgang des Krieges gefährden können [...] Unser Volk ist in Alltagssorgen befangen und hat für die Größe und den Ernst der Zeit, wie für die Leistungen von Heer und Flotte, kaum noch Verständnis. Es zerfleischt sich in fruchtlosen Erörterungen, statt zunächst freudig, geschlossen und seiner kämpfenden Söhne würdig, den Krieg und seine unvermeidlichen Lasten zu tragen [...] Es gilt im Heer die Kampfkraft und damit die Siegeszuversicht, wie sie bei unserer Lage durchaus berechtigt ist, die Liebe zum Kaiser und Landesherren und ein starkes deutsch-vaterländisches Gefühl immer von Neuem zu beleben, stark zu erhalten und ferner dafür zu sorgen, dass aus dem Heer heraus den Hetzern, Flaumachern und Schwächlingen daheim und im Heere entgegengetreten, ohne dass die Notlage, die in der Heimat ist, übersehen wird. Quelle: 5.7 Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914‑1918, Teil 2, S. 846‑848. für die wirtschaftliche Mobilisierung des Hindenburgprogramms. Ziel war die Stärkung des angeschlagenen Durchhaltewillens in Richtung des angestrebten Siegfriedens. Diese einseitige Agitation und Nähe zu den Annexionisten der Vaterlandspartei führte zu laufender scharfer Kritik der Mehrheitsparteien des Reichstages am System des »Vaterländischen Unterrichtes«. Die Vermittlung der zumeist durch das Kriegspresseamt gestellten Inhalte erfolgte über ein Netz von Aufklärungsoffizieren vor allem mittels Vortragsveranstaltungen und Filmvorführungen. Regelmäßig angefertigt wurden zugleich Stimmungsberichte. Beteiligt waren später auch truppeneigene Unterrichtsoffiziere, die unmittelbaren Vorgesetzten sowie auch Vertrauensleute aus dem Kreise der Mannschaften. In der Regel boten allerdings nur Ruhephasen und Etappenaufenthalte genügend Raum und Zeit für die Maßnahmen des »Vaterländischen Unterrichtes«. Dessen Wirkung hing wesentlich vom Einfallsreichtum der beauftragten Offiziere ab. Auf plumpe ideologische Beeinflussung, die über den propagierten Verteidigungskrieg hinausging, reagierten die meisten Soldaten ablehnend. Dagegen versprach die Koppelung mit Betreuungs- und Unterhaltungselementen mehr Erfolg. Film- und Theatervorführungen, Kompanieabende oder Fortbildungsmaßnahmen an Hochschulen erfreuten sich großer Beliebtheit unter den Soldaten, zumal es dem Ruhe- und Erholungsbedürfnis der Männer entsprach.

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Vielerorts wurden Sportveranstaltungen mit Wettkämpfen organisiert; für die meisten Soldaten eine gern gesehene Abwechslung. Sie halfen nicht zuletzt, den alltäglichen Nahrungsmittelmangel einschließlich der Kürzung der Brotportionen 1917 sowie Privilegien der Offiziere zumindest kurz zu vergessen oder zu überbrücken. Die Veranstaltungen wurden oftmals wie Volksfeste mit zusätzlicher Verpflegung und Bier organisiert. Alkohol und Genusswaren wie Tabak erfüllten eine wichtige Funktion, um die Soldaten bei Laune zu halten. Auch Wohlfahrtsaspekte des »Vaterländischen Unterrichtes« wie Soldatenheime, Feldbüchereien und Rechtsauskunftstellen fanden Anklang unter den Mannschaften. Urlaub und Geldprämien Neben dem Vaterländischen Unterricht versuchte die militärische Führung auch über Urlaub und gesonderte Geldprämien auf die Motivation der Soldaten einzuwirken. Der Urlaub spielte neben der Verpflegung eine zentrale Rolle im Alltag des Soldaten, hielt er doch die wichtige Verbindung zur Heimat aufrecht. Generell zählte auch hier Günstlingswirtschaft seitens der Offiziere zu den wichtigsten Heeresmissständen. Gleichwohl nutzten Vorgesetzte den Urlaub gezielt auch als Belohnung für Kampferfolge. Zugleich wurden für das Einbringen von Gefangenen bei Patrouillenunternehmungen oder für außer Gefecht gesetzte feindliche Flugzeuge und Kampfkraftwagen Belohnungsgelder in Aussicht gestellt. Ebenso zahlte man Finder- und Bergelöhne beispielsweise für im Gefecht stehen gebliebene Geschütze. Gleiches traf für besondere Arbeitsleistungen wie den Stollenbau oder die Drahthinderniserstellung zu. Vielen Mannschaften bot sich so die Möglichkeit, durch die Aufbesserung des kargen Armeelohnes Kantinen- und Marketenderwaren zu erwerben oder in Ruhephasen der käuflichen Liebe nachzugehen. In der Etappe entstanden teils sogar vom deutschen Militär geleitete und von Militärärzten überwachte Bordelle für Offiziere und Mannschaften, um der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten vorzubeugen. Primärgruppen Den Gefechtsalltag des Frontsoldaten der Infanterie im Stellungskrieg bestimmte in der zweiten Kriegshälfte maßgeblich das Leben in einer kleinen Gruppe von rund zehn Mann, der sogenannten kleinen Kampfgemeinschaft. In Abhängigkeit von der Personalfluktuation der betreffenden Einheit erneuerten sich diese Kleingruppen im Kriege dynamisch, wobei Soldaten nach Verwundung mit Heimataufenthalten eben kaum mehr zum »alten Haufen«, wie es im Soldatenjargon hieß, zurückkehrten. Die vielfältigen sozialen und politischen Konflikte der Kriegsgesellschaft sorgten zwar auch in den Primärgruppen für Zündstoff. Die Bevorzugung der Landwirte bei Ernteurlauben erzeugten beispielsweise genauso viel Missgunst wie die hohen Löhne der reklamierten Arbeiter. Dennoch begünstigte der unvermeidliche Überlebenskampf

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an der Front Kameradschaftsbeziehungen unter den Soldaten. Neben der psychologischen Funktion individueller Bewältigungsstrategien bot gerade die solidarische Gemeinschaft in Form einer Ersatzfamilie Halt, um die Schrecken des Krieges einigermaßen ertragen zu können. Die militärische Führung versuchte diesen gruppendynamischen Prozess über das Korsettstangenprinzip in ihrem Sinne positiv zu beeinflussen. So sollten zuverlässige und gefechtserfahrene Soldaten und Führer in den Fronteinheiten gezielt als soziale Stützen wirken, um Kampfwillen und Disziplin notfalls im Rahmen des Gruppenzwanges durchzusetzen. Darüber hinaus waren auch die fortentwickelte Taktik des Gefechtes der verbundenen Waffen und die Gefechtsausbildung darauf ausgerichtet, gleichermaßen solidarisches Verhalten und Konformitätsdruck zu erzeugen. Hinzu trat der für die Psyche des Soldaten im Stellungskrieg nicht zu unterschätzende Aspekt der Bewegung. Die Truppe lernte in erster Linie, wie mit modernen Waffen ausgestattete Infanteriegruppen beweglich auf dem Gefechtsfeld zu kämpfen hatten. Der einzelne Soldat an der Front konnte sich diesem System nur schwer entziehen. Doch andererseits bot sich hier durchaus die Möglichkeit, in kameradschaftlich und untereinander agierenden Kampfgruppen das eigene Überleben im beweglichen Gefecht zu sichern. Schließlich begann der Zerfall der Moral weniger in den noch fest gefügten Frontverbänden als vielmehr im Chaos des Hinterlandes und der Etappe. Die letzten Kriegsmonate zeigten freilich, wie schnell die völlig erschöpften Frontsoldaten bereit waren, den Kampf einzustellen. Marinemissstände In der Marine hatte der Wandel des inneren Zustandes trotz der dem Heer vergleichbaren Missstände im Krieg eine besonders dramatische Dynamik entwickelt. Sie fand ihren Endpunkt in den Meutereien der Matrosen der Hochseeflotte Ende Oktober/Anfang November 1918. Der Alltag und die Erfahrungen vieler Frontsoldaten des Marinekorps in Flandern unterschieden sich kaum von dem eines Infanteristen des Heeres an der Westfront. Die häufig im Einsatz stehenden kleinen Besatzungen von Torpedo-, Minensuch- und U-Booten funktionierten ähnlich den Infanteriegruppen des Heeres nach dem Prinzip der kleinen Kampfgemeinschaft. In diesem Rahmen traten standesbedingte Gegensätze zwischen Offizieren und Mannschaften weitgehend in den Hintergrund. Vielmehr überwog hier eine oft enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Besatzung, wobei Offizier und Mann gemeinsam die Gefahren teilten und das gleiche Essen erhielten. Die Lebenswelt der meisten Soldaten auf den Linienschiffen und großen Kreuzern sah dagegen anders aus. Die Hochseeflotte befand sich während des Krieges nur wenig mehr als 400 Stunden im Einsatz auf See, da sie eben primär in der bloßen Präsenz einer defensiven

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Alltag, Kriegserfahrungen, Motivationen

Tagebuch des Matrosen Stumpf Richard Stumpf hielt in seinem während des Krieges verfassten Tagebuch unter anderem die schikanösen Zustände auf den Schiffen der Kaiserlichen Marine fest. Vor dem Untersuchungsausschuss des Reichstages zur Klärung der Ursachen des Zusammenbruchs 1918 sagte er dann im Jahre 1926 als Sondersachverständiger aus. An der Meuterei selbst war Stumpf nicht beteiligt. Fast unverständlich erscheint mir heute die Geduld der Matrosen bei den verschiedenen Schikanen der damaligen Vorgesetzten. Irgendein lumpiger Leutnant hat da z.B. die halbe Nacht bei Kameraden eines anderen Schiffes gezecht. Um 2 Uhr früh lässt er einen Morsespruch machen, dass ein Boot geschickt werden solle, um ihn an Bord zu bringen. Nun wird die [...] Wache geweckt, um die Pinasse [Beiboot] auszusetzen, und ihr bedeutet zu warten bis dasselbe zurück sei. In eisiger Kälte, bei Schnee oder Regen vertritt sich nun einer nach den andern die Fußspitzen und horcht, ob nicht bald das Rauschen des zurückkehrenden Bootes zu vernehmen sei. Eine halbe Stunde vergeht, eine ganze, noch ist nichts zu vernehmen. Der Herr Lt. hat sich es noch einmal anders überlegt und gedenkt noch eine Stunde zu bleiben. Er denkt nicht an die ihres Schlafes beraubten frierenden und vielleicht auch hungrigen 150 Matrosen [...] Sonntagsmusterung. Eine halbe Stunde schon steht die Division angetreten auf der Schanze, bis sich der Herr Oberleutnant herbeilässt, die Leute zu mustern. Dazu setzt er sein denkbar anmaßendstes Gesicht auf. Programmmäßig »fällt« etwa jeder zehnte Mann auf. Feldwebel! Dieses Schwein putzt nachher die Sirene! Dieser da meldet sich um sechs sieben acht neun und zehn beim W.O. [Wachoffizier] in Paradeanzug. Und dieses Ferkel? Hat um 12 Uhr zur Zeugmusterung ausgepackt u.s.w. u.s.w. Quelle: 9.3 Stumpf, Das Tagebuch, S. 309 f. Fleet-in-being wirkte. Für einen großen Teil der durchschnittlich über 80 000 Angehörigen der Hochseeflotte reduzierte sich der Krieg daher überwiegend auf Untätigkeit in den Häfen. Die Langeweile wurde lediglich durch zeitweiliges Auslaufen zu Fahr- und Schießübungen und Vorpostendienst durchbrochen. Der eigentliche Schrecken des Krieges blieb vielen Matrosen – trotz einer Teilnahme mancher Matrosen an den Seegefechten auf der Doggerbank 1915 oder der Skagerrakschlacht 1916 – weitgehend erspart. Doch Untätigkeit ohne Aussicht auf ein Ende des Krieges konnte genauso demoralisierend wirken wie eine maßlose Überspannung der Belastungsfähigkeit. »Unsere Kameraden liegen wohl auch draußen im Dreck bei Sturm und Wetter, aber die wissen wenigstens warum. Wir aber nicht!«, so die bezeichnende Wahrnehmung des Matrosen Richard Stumpf. Hinzu trat die nervtötende Routine des Dienstbetriebes in den Häfen. Das bedeutete für die Besatzungen der Großkampfschiffe nahezu täglich: »Vormittag Reinschiff, Musterung,

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Gefechtsdienst. Am Nachmittag Geschützreinigen, Arbeitsdienst oder Zeugflicken«. An Bord war jedem Besatzungsmitglied in Rollen wie etwa »Klarschiff« ein fester Platz und Aufgabenbereich zugewiesen. Die Aufrechterhaltung einer möglichst hohen Leistungs- und Kriegsbereitschaft erforderte ein drillmäßiges Üben entsprechender Routineabläufe. Hier versuchten die jungen Leutnants mit 18, 19 Jahren mit großem Schneid das zu verdecken, was ihnen an Tüchtigkeit fehlte, beklagte wiederum Stumpf. Die Abwanderung von Vorgesetzten, die oft jahrelang mit den Mannschaften in engem Kontakt gestandenen hatten, vor allem zur aufwachsenden U-Boot-Waffe hatte Lücken gerissen, die der junge unerfahrene Offiziernachwuchs füllte. Übungen arteten oft in stupides langwieriges Exerzieren aus. Die meisten Mannschaften empfanden dies nicht nur als bloße Beschäftigungstherapie, sondern oft schlichtweg als pure Schikane. Abwechslung im Dienst durch Sport stand bei Marineoffizieren nicht besonders hoch im Kurs. Lieber verbrachte man seine im Vergleich zu den Matrosen oft ausgedehnte Freizeit mit Lesen, Landgängen oder ausgiebigen Feiern in den Offiziermessen. Dabei erhielten die Offiziere eine qualitativ hochwertige und reichhaltige Verpflegung, und sie konnten sich aufgrund ihrer Löhnung auch leisten, in den Gaststätten an Land zu speisen. Auch übermäßiger Alkoholkonsum war keine Seltenheit. Die Rationen der Matrosen wurden dagegen aufgrund der sich verschlechternden Versorgungslage erheblich gekürzt. Der Unterschied zu den Offizieren nahm hier besonders eklatante Formen an. Der stupide Routinealltag und die teils offen zur Schau getragenen Offizierprivilegien entwickelten sich in der Hochseeflotte über die Jahre hinweg zu einem hochexplosiven Gemisch. Dass aus den Reihen der mehrheitlich der Industriearbeiterschaft stammenden Heizer teils große Sympathie für die Friedensziele der im April 1917 neugegründeten Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bekundet wurde, beschleunigte den Vertrauensverlust zwischen Offizier und Mann. Die angespannte Atmosphäre entlud sich im August 1917 in für deutsche Streitkräfte bislang beispiellosen kollektiven Gehorsamsverweigerungen mehrerer Hundert Mannschaften. Ungeachtet einer im Kriegsverlauf generell milderen Handhabung der Militärgerichtsbarkeit griff die Marineführung hier nun besonders hart durch. Entgegen erheblicher juristischer Bedenken verurteilte ein Kriegsgericht fünf der Rädelsführer zum Tode. Die Todesurteile gegen den Matrosen Max Reichpietsch und den Heizer Albin Köbis wurden nach Bestätigung durch den Chef der Hochseeflotte in Wahn bei Köln auch vollstreckt. Das sorgte zwar trotz der Verbitterung unter den Mannschaften über das harte Vorgehen vorübergehend wieder für Ruhe

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Alltag, Kriegserfahrungen, Motivationen

in der Hochseeflotte, doch keineswegs nahm die Marineführung die Ereignisse etwa zum Anlass, um die eigentlichen Ursachen des gestörten Verhältnisses zwischen Mannschaften und Offizieren zu beheben. Ins Visier rückte allein die politische Agitation unter den Matrosen und Heizern, die man mit den belehrenden Vorträgen des Vaterländischen Unterrichtes glaubte beeinflussen zu können. Die vor allem von Marineoffizieren offen bekundete Sympathie für die Tirpitzsche Vaterlandspartei vertiefte allerdings nur noch die bestehende Kluft. Anstelle von Vertrauensbildung und Versöhnung trat eine weiter zunehmende Entfremdung. Dieser Desintegrationsprozess mündete schließlich Ende Oktober 1918 in die kollektive Weigerung der kriegsmüden Mannschaften, den zur Ehren- und Existenzrettung der Marine von der Seekriegsleitung geplanten letzten Flottenvorstoß mitzutragen. Der Beginn der Meutereien auf einzelnen Großkampfschiffen und Kreuzern in Wilhelmshaven verhinderte zunächst das Auslaufen der gesamten Hochseeflotte. Die Lage eskalierte dann mit Rückkehr des III. Geschwaders in den Heimathafen Kiel Anfang November. In der Stadt feuerte eine Militärpatrouille Schüsse auf eine Protestkundgebung von Matrosen und Arbeitern ab. Die acht Toten und zahlreichen Verletzten lösten sofort eine breite Aufstandswelle unter den Mannschaften aus. Bewaffnung und Bildung von Soldatenräten zogen auch Streiks unter den Werftarbeitern nach sich. Auf den Schiffen ersetzten rote Fahnen die kaiserliche Kriegsflagge. Beschwichtigungsversuche seitens der Reichsregierung durch den SPD-Abgeordneten Gustav Noske sorgten für eine vorübergehende Beruhigung der angespannten Situation; Noske trat an die Spitze der Soldatenräte und löste Admiral Wilhelm Souchon als Gouverneur ab. Doch die Revolte übertrug sich durch zahlreiche Matrosenabordnungen schnell auf die anderen Küstenstädte und erfasste schließlich ganz Deutschland. Die Streitkräfte waren am Ende, wie es Wilhelm Deist treffend bezeichnet, »vom Garanten zum Totengräber dieses monarchischen Systems geworden« (  1.7   Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 876). Unter dem Druck der revolutionären Bewegung dankte der »Oberste Kriegsherr« am 9. November 1918 ab und ging ins holländische Exil. Damit war der Weg frei für den Waffenstillstand und die neue Republik.

Epilog: Das Erbe Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 beendete die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges. Doch das Kriegsende bedeutete für das deutsche Militär keine dem Jahr 1945 vergleichbare scharfe Zäsur. Vielmehr begann vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen eine Phase des Umbruchs, die mit der erstmaligen Aufstellung gesamtdeutscher Streitkräfte von 115 000 Mann Reichswehr und Reichsmarine 1921 ein vorläufiges Ende fand. Der Übergang war zum einen geprägt durch den Rückmarsch und die beginnende Demobilisierung von rund sechs Millionen Soldaten, zum anderen aber auch durch die teilweise Wiederauffüllung von alten Truppenteilen sowie die Neubildung von Freikorpsformationen, die sich aus Freiwilligen zusammensetzten. Diese Einheiten waren für den Einsatz gegen revolutionäre Kräfte im Innern und zum Schutz der Grenzen im Osten vorgesehen. Der Nachfolger Ludendorffs, Generalleutnant Wilhelm Groener, hatte Reichskanzler Friedrich Ebert bereits am Vortag des Waffenstillstandes die militärische Unterstützung der OHL angeboten. Aus Furcht vor einem revolutionären Umsturz nach russischem Vorbild ließ sich Ebert auf das Bündnisangebot der Militärführung ein (Ebert-Groener-Bündnis). Im Gegenzug garantierte er den Offizieren weiterhin die alleinige Kommandogewalt über die Streitkräfte. Dieser Rückgriff auf die alten Eliten steht beispielhaft für den faulen staats- und gesellschaftspolitischen Kompromiss, der das brüchige Fundament der Republik bildete. Insofern fühlten sich die führenden Offiziere bestärkt, die bisherige Sonderrolle auch im neuen Staatsgefüge zumindest partiell fortzusetzen. Die Folgen reichten bis in das Selbstverständnis von Reichswehr und Reichsmarine, die sich als überparteilicher »Staat im Staate« und Träger der alten Ordnung definierten. Das Loyalitätsdefizit ergänzte die Dolchstoßlegende, die die alte Militärelite Republik und Streitkräften gleichermaßen als fatales Erbe hinterließ. Der Mythos des »im Felde unbesiegten Heeres« kaschierte schamlos das eigene Führungsversagen und damit die wahren Ursachen für den Zusammenbruch. Die meisten Soldaten waren zunächst einfach nur erleichtert, den Krieg überlebt zu haben und in das zivile Umfeld zurückzukehren. Für viele Veteranen wirkte die Schuldzuweisung an die angeblich zersetzenden Kräfte in der Heimat sowie an die Politik dann wie eine versöhnliche Formel, die vom Makel der Niederlage und dem »Schmachfrieden« von Versailles befreite. Ein festes Band, das viele gesellschaftliche Gruppierungen der neuen Republik einte, war die Ablehnung des »Versailler Diktats« mitsamt der Deutschland allein zugewiesenen Kriegsschuld. Der gleichzeitig entstehende Revanchismus zählte zu den Haupthindernissen einer Aussöhnung mit den ehemali-

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Epilog: Das Erbe

| Abb. 18: Einweihung des Tannenbergdenkmals: Reichspräsident Paul von Hindenburg schreitet im Innenhof die Front der Veteranen ab; hinter ihm sein Sohn Oskar von Hindenburg, dahinter Generalfeldmarschall August von Mackensen in Husarenuniform. Hohenstein, Ostpreußen, 18. September 1927. ullstein bild

gen Kriegsgegnern, allen voran Frankreich. Er verhinderte maßgeblich den wichtigen Bruch mit der Vergangenheit. Die Friedenssehnsucht der Kriegszeit wich bald einer breiten öffentlichen Identifikation mit einer heroisierenden Kriegsdeutung, die auf der dominanten Durchhalteerfahrung im Krieg fußte. Die inneren Missstände in Armee und Marine wurden dagegen weitgehend verdrängt. In der Erinnerungsliteratur vieler ehemaliger Soldaten setzten ästhetisierende Darstellungen der Kriegserlebnisse starke Akzente. Gleiches kam auch in der Heldenverehrung der Kriegerdenkmäler zum Tragen. Hier entwickelte sich ein ausgiebiger Kult des Gedenkens um die Gefallenen des Weltkrieges, der von militärischem Pomp und Zeremoniell bei öffentlichen Feiern und Veranstaltungen umrahmt wurde. Dies bereitete nationalistischen Gruppierungen einen idealen Nährboden, um den schon im Krieg geschaffenen Mythos des »eisernen Frontkämpfers« über den Topos der allumfassenden Frontgemeinschaft neu zu beschwören. In das Zentrum politischer Agitation gegen Pluralismus und Demokratie rückten dabei nicht nur traditionell militärische Werte wie Kameradschaft, Treue und Ehre. Vielmehr vermittelte das verzerrte Gemeinschaftsideal genau das klassische Bild von Ruhe und Ordnung, was der neuen Republik in einer Zeit gesellschaftlicher Verunsicherung und Orientierungslosigkeit fehlte. Hier knüpfte vor allem Hitlers visionäre Idee der NS-Volksgemeinschaft an und propagierte eine bessere Zukunft. Sie versprach eine neue Gesellschaftsform, die den Geist von 1914 mit neuem Leben zu füllen schien und zugleich am auffälligsten die demütigende Niederlage von 1918 beseitigen wollte. Die Aufbruchsstimmung wirkte auf viele Frontsoldaten aller Dienstgrade und spätere Freikorpsangehörige faszinierend. Dieser Weltkriegsteilnehmer wandelte sich zu einem politisch motivierten Kämpfer, der bereit war, gegen die Republik und den ideologischen

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Feind mit hohem Gewaltpotenzial vorzugehen. Er prägte maßgeblich das spätere Soldaten- und militärische Führerbild der nationalsozialistischen Wehrmacht. Der brutale Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion warf seine Schatten voraus. Für diese Art des politisch motivierten neuen Kriegertums paramilitärischer Gruppen wie der SA oder SS war in Reichswehr und Reichsmarine vorerst kein Platz. Die Bestimmungen des Versailler Vertrages zogen der Personalübernahme aus der Weltkriegsarmee enge Grenzen. Vorrangiges Ziel der neuen militärischen Führung war die Bewahrung von Tradition und Geist der Streitkräfte des Kaiserreichs und der Erhalt militärischer Professionalität. Für eine solche Kontinuität sollte in der Reichswehr vor allem die Übernahme ehemaliger Generalstabsoffiziere sorgen. Deren Richtlinie lautete: politische Enthaltsamkeit im Innern und Konzentration auf das eigentliche militärische Handwerk. Es galt, die Voraussetzungen für den erwarteten Revanchekrieg zu schaffen, um die alte Großmachtstellung wiederherzustellen. Doch der Mythos von »im Felde unbesiegt« verstellte auch hier den Blick auf die Realitäten. In maßloser Selbstüberschätzung glaubten deutsche Militäreliten erneut, strategische Unterlegenheit und Ressourcenarmut durch überlegene Führungskunst und taktisch-operative Beweglichkeit im Gefecht ausgleichen zu können. Desgleichen vermied man, die Schwächen des Schlieffenplans kritisch aufzuarbeiten und das Scheitern lieber der vermeintlichen Inkonsequenz Moltkes anzulasten. In den 1930er Jahren setzten Offiziere wie General Heinz Guderian auf den offensiven Einsatz der im vorherigen Krieg vernachlässigten Panzerwaffe, um schnelle Entscheidungen auf dem Schlachtfeld herbeizuführen. Die überraschenden Erfolge der Wehrmacht im Polen- und Frankreichfeldzug 1939/40 euphorisierten zunächst, bis wiederum der Kriegseintritt der USA den Selbstbetrug überführte und die Illusion zerplatzen ließ.

Quellen und Literatur Beiträge aus hier genannten Sammelbänden, Forschungsbilanzen und Enzyklopädien werden nicht mehr einzeln aufgeführt.

Überblicksliteratur und Nachschlagewerke Zur Militärgeschichte allgemein: 1.1 Deutsche Militärgeschichte 1648 bis 1939, 6 Bde. Hrsg. vom MGFA, Herrsching 1983; Erstausgabe u.d.T. Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648 bis 1939 1.2 Müller, Rolf-Dieter, Militärgeschichte, Köln [u.a.] 2009 1.3 Das Zeitalter der Weltkriege. Völker in Waffen. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Karl-Volker Neugebauer, München 2007 (= Grundkurs deutsche Militärgeschichte, 2) Zum Ersten Weltkrieg, zu seiner Vorgeschichte und zur historiografischen Einordnung: 1.4 Berghahn, Volker R., Sarajewo, 28. Juni 1914 – der Untergang des alten Europa, München 1997 1.5 Chickering, Roger, Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, 2. Aufl., München 2005 1.6 Deutschland im ersten Weltkrieg. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Fritz Klein, Willibald Gutsche und Joachim Petzold, 3 Bde, Berlin (Ost), 1968‑1969 1.7 Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Hrsg. von Gerhard Hirschfeld [u.a.], akt. und erw. Studienausg., Paderborn [u.a.] 2009 1.8 Ferguson, Niall, Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, 2. Aufl., Stuttgart 1999 1.9 Herwig, Holger H., The First World War. Germany and Austria-Hungary 1914‑1918, London [u.a.] 1998 1.10 Hobsbawm, Eric J., Das imperiale Zeitalter 1875‑1914, Frankfurt a.M. 2004 1.11 Keegan, John, Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Hamburg 2000 1.12 Kennan, George F., Bismarcks europäisches System in der Auflösung. Die französisch-russische Annäherung 1875‑1890, Frankfurt a.M. 1981 1.13 Kielmannsegg, Peter Graf von, Deutschland und der Erste Weltkrieg, Frankfurt a.M. 1968 1.14 Kruse, Wolfgang, Der Erste Weltkrieg, Darmstadt 2009 1.15 Mommsen, Wolfgang J., Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914‑1918, 10., völlig neu bearb. Ausg., 1. Nachdr. der 10. Aufl., Stuttgart 2002 (= Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, 17) 1.16 Neitzel, Sönke, Weltkrieg und Revolution 1914‑1918/19, Berlin 2008 (= Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, 3) 1.17 Segesser, Daniel Marc, Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive, Wiesbaden 2010 1.18 Stevenson, David, Der Erste Weltkrieg 1914‑1918, 3. Aufl., Düsseldorf 2006 1.19 Strachan, Hew, The First World War, vol. 1: To Arms, Oxford 2001

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1.20 Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914‑1949, 2. Aufl., München 2003 1.21 Wehler, Hans-Ulrich, Das Deutsche Kaiserreich 1871‑1918, 7. Aufl., Göttingen 1994 (= Deutsche Geschichte, 9)

Forschungsbilanzen und wichtige Sammelbände Forschungsbilanzen: 2.1 Epkenhans, Michael, Neuere Forschungen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. In: Archiv für Sozialgeschichte, 38 (1998), S. 458‑487 2.2 Hirschfeld, Gerhard, Der Erste Weltkrieg in der deutschen und internationalen Geschichtsschreibung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 29-30/2004, S. 3‑12 2.3 Meteling, Wencke, Literaturbericht. Neue Forschungen zum Ersten Weltkrieg. Englisch- und französischsprachige Studien über Deutschland, Frankreich, Großbritannien. In: Geschichte und Gesellschaft, 37 (2011), S. 614‑648 2.4 Neitzel, Sönke, Militärgeschichte ohne Krieg? Eine Standortbestimmung der deutschen Militärgeschichtsschreibung über das Zeitalter der Weltkriege. In: Geschichte der Politik. Alte und neue Wege. Hrsg. von Hans-Christof Kraus und Thomas Nicklas, München 2007 (= Historische Zeitschrift, Beih. 44), S. 287‑308 2.5 Nübel, Christoph, Neuere Forschungen zur Sozial- und Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges. Themen, Tendenzen, Perspektiven, http://hsozkult. geschichte.hu-berlin.de/forum/2011-06-001 Wichtige Sammelbände (darin auch weitere Forschungsbilanzen): 2.6 Deist, Wilhelm, Militär, Staat und Gesellschaft. Studien zur preußischdeutschen Militärgeschichte, München 1991 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 34) 2.7 Deutsche Marinen im Wandel. Vom Symbol nationaler Einheit zum Instrument internationaler Sicherheit. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Werner Rahn, München 2005 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 63) 2.8 Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert. Hrsg. von Jay Winter, Geoffrey Parker und Mary R. Habeck, Hamburg 2002 2.9 Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Wolfgang Michalka, München [u.a.] 1994 2.10 Erster Weltkrieg – Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich. Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Bruno Thoß und Hans-Erich Volkmann, Paderborn [u.a.] 2002 2.11 Facing Armageddon. The First World War Experienced. Ed. by Hugh Cecil and Peter H. Liddle, London 1996 2.12 Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914‑1918. Ed. by Roger Chickering and Stig Förster, Cambridge 2000 2.13 »Keiner fühlt sich hier als Mensch ...« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkrieges. Hrsg. von Gerhard Hirschfeld [u.a.], Essen 1993 (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N.F., 1)

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Quellen und Literatur

2.14 Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten. Hrsg. von Wolfram Wette, 2. Aufl. München, Zürich 1992 2.15 Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltages als Aufgabe der historischen Forschung und Friedenserziehung. Hrsg. von Peter Knoch, Stuttgart 1989 2.16 Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Jörg Duppler und Gerhard P. Groß, München 1999 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 53) 2.17 Die Medizin und der Erste Weltkrieg. Hrsg. von Wolfgang U. Eckardt und Christoph Gradmann, 2. Aufl., Herbolzheim 2003 (= Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte, 3) 2.18 Mommsen, Wolfgang J., Der Erste Weltkrieg. Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters, Frankfurt a.M. 2004 2.19 Der Schlieffenplan. Analysen und Dokumente. Im Auftrag des MGFA und der Otto-von-Bismarck-Stiftung hrsg. von Hans-Ehlert, Michael Epkenhans und Gerhard P. Groß, Paderborn [u.a.] 2006 (= Zeitalter der Weltkriege, 2) 2.20 Skagerrakschlacht. Vorgeschichte, Ereignis, Verarbeitung. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Michael Epkenhans, Jörg Hillmann und Frank Nägler, München 2009 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 66) 2.21 Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914‑1918. Hrsg. von Rolf Spilker und Bernd Ulrich [Ausstellungskatalog], Bramsche 1998 2.22 Die vergessene Front. Der Osten 1914/15. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Gerhard P. Groß, Paderborn [u.a.] 2006 (= Zeitalter der Weltkriege, 1) 2.23 War Planning 1914. Ed. by Richard F. Hamilton and Holger H. Herwig, Cambridge 2010 2.24 Eine Welt von Feinden. Der Große Krieg 1914‑1918. Hrsg. von Wolfgang Kruse, Frankfurt a.M. 1997 2.25 Wirkungen und Wahrnehmungen des Ersten Weltkrieges. Hrsg. für Zeitgeschichte-online und H-Soz-u-Kult von Klaus Große Kracht und Vera Ziegeldorf, Veröffentlichungen von Clio-online, Nr. 2 [= Historisches Forum 3/2004]

Amtliche Militärgeschichtsschreibung, Militärpublizistik zwischen den Weltkriegen und Erinnerungsliteratur 3.1 Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik. Der Erste Weltkrieg – die amtliche deutsche Militärgeschichtsschreibung 1914‑1956, Paderborn [u.a.] 2002 (= Krieg in der Geschichte, 12) Unverzichtbare Gesamtdarstellungen und Reihen: 3.2 Der Krieg zur See 1914‑1918. Hrsg. vom Marine-Archiv, später von der Kriegswissenschaftlichen Abteilung der Marine bzw. vom Arbeitskreis für Wehrforschung in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Militärarchiv, 23 Bde, Berlin 1920‑1941; Frankfurt a.M. 1964‑1966 3.3 Der Krieg zur See 1914‑1918. Der Krieg in der Nordsee, Bd 7: Vom Sommer 1917 bis zum Kriegsende 1918. Kritische Edition. Im Auftrag des

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MGFA bearb. und neu hrsg. von Gerhard P. Groß unter Mitarb. von Werner Rahn, Hamburg [u.a.] 2006 3.4 Schlachten des Weltkrieges in Einzeldarstellungen, 36 Bde. Bearb. und hrsg. im Auftrag und unter Mitw. des Reichsarchivs, Oldenburg 1921‑1930 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, 10 Bde. Hrsg. von Max Schwarte, Leipzig 1921‑1933 3.6 Der Weltkrieg 1914‑1918. Die militärischen Operationen zu Lande, 14 Bde. Bearb. im Reichsarchiv. Hrsg. vom Reichsarchiv/Forschungsanstalt für Kriegs- und Heeresgeschichte/Bundesarchiv, Berlin, Koblenz 1925‑1956 Kriegserinnerungen einzelner Personen: 3.7 Jünger, Ernst, In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers, 14. Aufl., Berlin 1934 3.8 Loßberg, Fritz, Meine Tätigkeit im Weltkrieg 1914‑1918, Berlin 1939 3.9 Ludendorff, Erich, Meine Kriegserinnerungen 1914‑1918, Berlin 1919 3.10 Mühlmann, Carl, Das deutsch-türkische Waffenbündnis im Weltkriege, Leipzig 1940 3.11 Rupprecht von Bayern, Mein Kriegstagebuch, 3 Bde. Hrsg. von Eugen von Frauenholz, München 1929 3.12 Tirpitz, Alfred von, Erinnerungen, Leipzig 1919 3.13 Wrisberg, Ernst, Heer und Heimat 1914‑1918, Leipzig 1921 Streitkräfteorganisation, Strategie, Taktik: 3.14 Balck, William, Entwickelung der Taktik im Weltkriege, 2., bed. erw. Aufl., Berlin 1922 3.15 Cron, Hermann, Geschichte des Deutschen Heeres im Weltkriege 1914‑1918, Berlin 1937 3.16 Die deutschen Luftstreitkräfte im Weltkriege. Unter Mitwirk. von 29 Offizieren und Beamten der Heeres- und Marine-Luftfahrt nach amtlichen Quellen hrsg. von Georg Paul Neumann, Berlin 1920 3.17 Elze, Walter, Das deutsche Heer von 1914, Neudr. der Ausg. 1928. Der strategische Aufbau des Weltkrieges 1914‑1918, Neudr. der 2. Ausg. 1939. Mit einer Einl. von Ursula von Gersdorff, Osnabrück 1968 (= Bibliotheca Rerum Militarium, 16) 3.18 Die Entwicklung der deutschen Infanterie im Weltkriege 1914‑1918. Bearb. von der der 7. Abt. des Generalstabes des Heeres. In: Militärwissenschaftliche Rundschau, 3 (1938), S. 367‑419 3.19 Gruss, Hellmuth, Die deutschen Sturmbataillone im Weltkrieg. Aufbau und Verwendung, Berlin 1939 3.20 Jochim, Theodor, Die Vorbereitung des deutschen Heeres für die Große Schlacht in Frankreich im Frühjahr 1918, 7 Hefte, Berlin 1927‑1934 (= Taktische Erfahrungen aus dem Weltkrieg 1914‑1918) 3.21 Das königlich bayerische Infanterie-Leibregiment im Weltkrieg 1914/18. Hrsg. von der Kommission für die Regiments-Kriegsgeschichte, München 1931 (= Erinnerungsblätter deutscher Regimenter – Bayerischer Anteil, 70) 3.22 Der Stellungskrieg 1914‑1918 auf Grund amtlicher Quellen und unter Mitw. namhafter Fachmänner technisch, taktisch und staatswissenschaftlich dargestellt von Friedrich Seeßelberg, Berlin 1926

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Quellen und Literatur

Zur Kolonialgeschichte: 3.23 Boell, Ludwig, Die Operationen in Ostafrika, Hamburg 1951 3.24 Das Buch der deutschen Kolonien. Hrsg. unter Mitarb. der früheren Gouverneure von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo, Deutsch-Neuguinea, Leipzig 1937 3.25 Deppe, Ludwig, Mit Lettow-Vorbeck durch Afrika, Berlin 1919 Zur Zusammenarbeit mit Verbündeten: 3.26 Mühlmann, Carl, Das deutsch-türkische Waffenbündnis im Weltkriege, Leipzig 1940 Zum Offizierkorps und zum inneren Wandel des Heeres: 3.27 Altrichter, Friedrich, Die seelischen Kräfte des Deutschen Heeres im Frieden und im Weltkriege, Berlin 1933 3.28 Demeter, Karl, Das deutsche Offizierkorps in Gesellschaft und Staat 1650‑1945, 4., überarb. und erw. Aufl., Frankfurt a.M. 1965; Erstaufl. Berlin 1930 3.29 Kantorowicz, Hermann, Der Offizierhaß im deutschen Heer, Freiburg i.Br. 1919 3.30 Neter, Eugen, Der seelische Zusammenbruch der deutschen Kampffront 1918. Betrachtungen eines Front-Arztes. In: Süddeutsche Monatshefte, 22 (1925), 10, S. 1047

Biografien 4.1 Afflerbach, Holger, Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich, 2. Aufl., München 1996 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 42) 4.2 Kiesel, Helmuth, Ernst Jünger. Die Biographie, München 2009 4.3 Michels, Eckard, »Der Held von Deutsch-Ostafrika«: Paul von LettowVorbeck. Ein preußischer Kolonialoffizier, Paderborn [u.a.] 2008 4.4 Mombauer, Annika, Helmuth von Moltke and the Origins of the First World War, Cambridge 2001 4.5 Nebelin, Manfred, Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg, München 2011 4.6 Pyta, Wolfram, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, Berlin 2007 4.7 Röhl, John C.G., Wilhelm II. [Bd 3:] Der Weg in den Abgrund 1901‑1941, 2. Aufl., München 2009 4.8 Venohr, Wolfgang, Ludendorff. Legende und Wirklichkeit, Berlin, Frankfurt a.M. 1993

Quelleneditionen 5.1 Die deutsche Seekriegsleitung im Ersten Weltkrieg. Dokumentation, 4 Bde. Bearb. von Gerhard Granier, Koblenz 1999‑2004 (= Materialien aus dem Bundesarchiv, 9)

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5.2 Die Deutschen an der Somme 1914‑1918. Krieg, Besatzung, Verbrannte Erde. Hrsg. von Gerhard Hirschfeld [u.a.], Essen 2006 5.3 Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente. Hrsg. von Bernd Ulrich und Benjamin Ziemann, Frankfurt a.M. 1994 5.4 Hopmann, Albert, Das ereignisreiche Leben eines »Wilhelminers«. Tagebücher, Briefe und Aufzeichnungen 1901 bis 1920. Im Auftrag des MGFA hrsg. von Michael Epkenhans, München 2004 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 62) 5.5 Jünger, Ernst, Kriegstagebuch 1914‑1918. Hrsg. von Helmuth Kiesel, Stuttgart 2010 5.6 Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914‑1918. Bearb. und eingel. von Holger Afflerbach, München 2005 (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, 64) 5.7 Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914 bis 1918, 2 Teile. Im Auftrag der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien und des MGFA hrsg. von Erich Matthias und Hans Meier-Welcker. Bearb. von Wilhelm Deist, Düsseldorf 1970 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. 2 Reihe: Militär und Politik, 1) 5.8 Müller, Georg Alexander von, Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marinekabinetts Admiral Georg Alexander von Müller 1914‑1918. Hrsg. von Walter Görlitz, Göttingen 1959 5.9 Thaer, Albrecht von, Generalstabsdienst an der Front und in der OHL. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915‑1919. Unter Mitarb. von Helmuth K.G. Rönnefarth hrsg. von Siegfried A. Kaehler, Göttingen 1958 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-historische Klasse, 3. Folge, Nr. 40) 5.10 Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18. Hrsg. von Erich Ludendorff, 4. Aufl., Berlin 1922

Kapitel »Militärisches Denken und Kriegführung« Unentbehrlich für die Operationsgeschichte des Ersten Weltkrieges bleiben die großen Reihenwerke der amtlichen Militärgeschichtsschreibung. Ältere Standardwerke zu Politik und Kriegführung: 6.1 Fischer, Fritz, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 1961 6.2 Ritter, Gerhard, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des »Militarismus« in Deutschland, 4 Bde, 1954‑1968 Zu den Kriegsplanungen 1914 v.a.: 2.19 Der Schlieffenplan; 2.23 War Planning 1914 6.3 Förster, Stig, Der deutsche Generalstab und die Illusion des kurzen Krieges 1871‑1914. Metakritik eines Mythos. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 54 (1995), S. 61‑95

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Quellen und Literatur

6.4 Groß, Gerhard P., Der Schlieffenplan: Siegesrezept oder Notlösung? In: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung, 2007, 1, S. 14‑17 6.5 Zuber, Terence, Inventing the Schlieffen-Plan, Oxford 2002 Ergänzend zu Strategie und operativem Denken: 2.9 Der Erste Weltkrieg. Wirkung (hier Abschnitt II: Krieg und Politik); 4.1 Afflerbach, Falkenhayn; 4.4 Mombauer, Helmuth von Moltke; 4.5 Nebelin, Ludendorff; 4.6 Pyta, Hindenburg; 4.7 Röhl, Kaiser Wilhelm; 5.4 Hopmann, Das ereignisreiche Leben; 5.6 Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr 6.6 Foley, Robert T., German Strategy and the Path to Verdun. Erich von Falkenhayn and the Development of Attrition, 1870‑1916, Cambridge 2005 (= Cambridge Military Histories) 6.7 Groß, Gerhard P., Mythos und Wirklichkeit. Geschichte des operativen Denkens im deutschen Herr von Moltke bis Heusinger, Paderborn [u.a.] 2012 (= Zeitalter der Weltkriege, 9) 6.8 Herwig, Holger H., The Dynamics of Necessity: German Military Policy During the First World War. In: Military Effectiveness, vol. 1: The First World War. Ed. by Allan R. Millet and Williamson Murray, Boston, MA, 1988 6.9 Kitchen, Martin, The Silent Dictatorship. The Politics of the German High Command under Hindenburg und Ludendorff, 1916‑1918, New York [et.al.] 1976 6.10 Köster, Burkhard, Ermattungs- oder Vernichtungsstrategie? Die Kriegführung der 2. und 3. Obersten Heeresleitung (OHL). In: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung, 2008, 2, S. 10‑13 6.11 Mommsen, Wolfgang J., Bethmann-Hollweg und die öffentliche Meinung 1914‑1917. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 17 (1969), 2, S. 117‑159 6.12 Wallach, Jehuda L, Das Dogma der Vernichtungsschlacht. Die Lehren von Clausewitz und Schlieffen und ihre Wirkungen in zwei Weltkriegen, Frankfurt a.M. 1967 Taktik des Landkrieges: 3.14 Balck, Entwickelung; 3.18 Die Entwicklung der deutschen Infanterie; 3.19 Gruss, Die deutschen Sturmbataillone; 3.20 Jochim, Die Vorbereitung; 3.22 Der Stellungskrieg 6.13 Gudmundsson, Bruce I., Stoormtroop Tactics. Innovation in the German Army, 1914‑1918, New York 1989 6.14 Kaufmann, Stefan, Kommunikationstechnik und Kriegführung 1815‑1945. Stufen telemedialer Rüstung, München 1996 6.15 Leistenschneider, Stephan, Auftragstaktik im preußisch-deutschen Heer 1871 bis 1914, Hamburg [u.a.] 2002 6.16 Linnenkohl, Hans, Vom Einzelschuß zur Feuerwalze. Der Wettlauf zwischen Taktik und Technik im Ersten Weltkrieg, Koblenz 1990 6.17 Lupfer, Timothy T., The Dynamics of Doctrine. The Changes in German Tactical Doctrine During the First World War, Fort Leavenworth, KS 1981 (= Leavenworth Papers, 4) 6.18 Raths, Ralf, Vom Massensturm zur Stoßtrupptaktik. Die deutsche Landkriegtaktik im Spiegel von Dienstvorschriften und Publizistik 1906 bis 1918, Freiburg i.Br. [u.a.] 2009 (= Einzelschriften zur Militärgeschichte, 44)

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6.19 Samuels, Martin, Command or Control? Command, Training and Tactics in the German and British Armies, 1888‑1918, London 1995 6.20 Stachelbeck, Christian, Militärische Effektivität im Ersten Weltkrieg. Die 11. Bayerische Infanteriedivision 1915 bis 1918, Paderborn [u.a.] 2010 (= Zeitalter der Weltkriege, 6) Zur Kriegführung aus dem Blickwinkel einer »Geschichte der Gewalt«: 6.21 Geyer, Michael, Vom massenhaften Tötungshandeln, oder: Wie die Deutschen das Kriegmachen lernten. In: Massenhaftes Töten. Kriege und Genozide im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Peter Gleichmann und Thomas Kühne, Essen 2004, S. 105‑142 (= Frieden und Krieg. Beiträge zur historischen Friedensforschung, 2) 6.22 Horne, John, und Alan Kramer, Deutsche Kriegsgräuel 1914. Die umstrittene Wahrheit, Hamburg 2004 6.23 Hull, Isabell V., Absolute Destruction. Military Culture and the Practices of War in Imperial Germany, Ihtaca [u.a.] 2005 6.24 Kramer, Alan, Dynamic of Destruction. Culture and Mass Killing in the First World War, Oxford 2007 Kriegsschauplatz Westen: 6.25 Herwig, Holger H., The Marne, 1914: The opening of World War I and the Battle that changed the World, New York 2009 6.26 Millotat, Christian, Die Schlacht um Verdun 1916. Zur Anatomie einer Schlüsselschlacht des 20. Jahrhunderts. In: Militärgeschichte, N.F., 1996, 6, S. 26‑34 6.27 Münch, Matti, Verdun. Mythos und Alltag einer Schlacht, München 2006 (= Forum Deutsche Geschichte, 11) 6.28 Zabecki, David T., The German 1918 Offensives. A Case Study in the Operational Level of War, New York 2006 Kriegsschauplatz Osten: Im Vergleich zum Hauptkriegsschauplatz Westfront ist die Literaturlage hier nach wie vor als »dünn« zu bezeichnen. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Koalitionskriegführung der Mittelmächte. 2.22 Die vergessene Front 6.29 Hebert, Günther, Das Alpenkorps. Aufbau, Organisation und Einsatz einer Gebirgstruppe im Ersten Weltkrieg, Boppard a.Rh. 1988 (= Wehrwissenschaftliche Forschungen, 33) 6.30 Showalter, Dennis E., Tannenberg. Clash of Empires 1914, Washington, DC 2004 6.31 Stone, Norman, The Eastern Front, 1914‑1917, London 1975 6.32 Torrey, Glenn E., The Romanian Battlefront in World War I, Lawrence, KS (= Modern War Studies) Kriegsende 1918: 2.6 Deist, Militär, Staat und Gesellschaft; 2.16 Kriegsende 1918 6.33 Boff, Jonathan, Winning and Losing on the Western Front. The British Third Army and the Defeat of Germany in 1918, Cambridge 2012 (= Cambridge Military Histories)

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Quellen und Literatur

6.34 Watson, Alexander, Enduring the Great War. Combat, Morale and Collapse in the German and British Armies, 1914‑1918, Cambridge 2008 (= Cambridge Military Histories) »Totalisierung« des Krieges: 2.12 Great War, Total War 6.35 Chickering, Roger, Freiburg im Ersten Weltkrieg. Totaler Krieg und städtischer Alltag 1914 bis 1918, Paderborn [u.a.] 2009 6.36 Geyer, Michael, Deutsche Rüstungspolitik 1860‑1980, Frankfurt a.M. 1984 Seekriegführung: 2.7 Deutsche Marinen im Wandel; 2.20 Skagerrakschlacht 6.37 Gemzell, Carl-Axel, Organization, Conflict and Innovation. A Study of German Naval Strategic Planning 1888‑1940, Lund 1973 6.38 Groß, Gerhard P., Die Seekriegführung der Kaiserlichen Marine im Jahre 1918, Frankfurt a.M. [u.a.] 1989 (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3, 387) 6.39 Halpern, Paul G., A Naval History of World War I, Annapolis, CA 1994 6.40 Herwig, Holger H., »Luxury« Fleet. The Imperial German Navy 1888‑1918, London 1980 6.41 Hobson, Rolf, Maritimer Imperialismus. Seemachtideologie, seestrategisches Denken und der Tirpitzplan 1875 bis 1914, München 2004 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 61) 6.42 Rahn, Werner, Die Kaiserliche Marine und der Erste Weltkrieg. In: Ringelnatz als Mariner im Krieg 1914 bis 1918. Hrsg. von Stephan Huck, Bochum 2003 (= Kleine Schriftenreihe des MGFA, 4), S. 39‑89 6.43 Schröder, Joachim, Die U-Boote des Kaisers. Die Geschichte des deutschen U-Boot-Krieges gegen Großbritannien im Ersten Weltkrieg, Lauf a.d. Pregnitz 2001 (= Subsidia academica. Reihe A: Neuere und neueste Geschichte, 3) 6.44 Stegemann, Bernd, Die deutsche Marinepolitik 1916‑1918, Berlin 1970 6.45 Wolz, Nicolas, Das lange Warten. Kriegserfahrungen deutscher und britischer Seeoffiziere 1914 bis 1918, Paderborn [u.a.] 2008 (= Zeitalter der Weltkriege, 3) Zusammenwirken von Heer und Kaiserlicher Marine: 6.46 Groß, Gerhard P., Unternehmen »Albion«. Eine Studie zur Zusammenarbeit von Armee und Marine während des Ersten Weltkrieges. In: Internationale Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Winfried Baumgart zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Wolfgang Elz und Sönke Neitzel, Paderborn [u.a.] 2003, S. 171‑186 Kriegführung in den Kolonien: 1.19 Strachan, To Arms; 4.3 Michels, Der Held 6.47 Bührer, Tanja, Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Koloniale Sicherheitspolitik und transkulturelle Kriegführung 1885 bis 1918, München 2011 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 70) 6.48 Kuß, Susanne, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 2010

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6.49 Schulte-Varendorff, Uwe, Krieg in Kamerun. Die deutsche Kolonie im Ersten Weltkrieg, Berlin 2011 (= Schlaglichter der Kolonialgeschichte, 13)

Kapitel »Strukturen« Ältere Standardwerke: 7.1 Eyck, Erich, Das persönliche Regiment Wilhelms II. Politische Geschichte des deutschen Kaiserreiches von 1890 bis 1914, Erlenbach, Zürich 1948 7.2 Görlitz, Walter, Der Deutsche Generalstab. Geschichte und Gestalt 1657‑1945, Frankfurt a.M. 1950 7.3 Hubatsch, Walter, Der Admiralstab und die obersten Marinebehörden in Deutschland 1848‑1945, Frankfurt a.M. 1958 7.4 Huber, Ernst-Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd 3‑5, Stuttgart [u.a.] 1969, 1978, 1988 7.5 Rosinski, Herbert, Die Deutsche Armee. Eine Analyse, Düsseldorf, Wien 1970 7.6 Schmidt-Richberg, Die Generalstäbe in Deutschland 1871‑1945. Aufgaben in der Armee und Stellung im Staate, Stuttgart 1962 (= Beiträge zur Militärund Kriegsgeschichte, 3) Zum Verhältnis Kaiser, Reichsleitung und militärische Führung besonders: 2.6 Deist, Militär, Staat und Gesellschaft; 4.1 Afflerbach, Falkenhayn; 4.4 Mombauer, Helmuth von Moltke; 4.5 Nebelin, Ludendorff; 4.6 Pyta, Hindenburg; 4.7 Röhl, Kaiser Wilhelm; 5.4 Hopmann, Das ereignisreiche Leben; 5.6 Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr; 6.9 Kitchen, The Silent Dictatorship 7.7 König, Alexander, Wie mächtig war der Kaiser? Kaiser Wilhelm II. zwischen Königsmechanismus und Polykratie von 1908 bis 1914, Stuttgart 2009 (= Historische Mitteilungen im Auftrage der Ranke-Gesellschaft, 73) Organisation, Aufgaben, Gliederung der Streitkräfte: Unentbehrlich bleiben auch hier zunächst die großen Reihenwerke der amtlichen Militärgeschichtsschreibung sowie ergänzend vor allem zum Heer: 1.1 Deutsche Militärgeschichte, Bd 3; 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, Bd 6, 7, 8; 3.13 Wrisberg, Heer und Heimat; 3.15 Cron, Geschichte des Deutschen Heeres 7.8 Kraus, Jürgen, Handbuch der Verbände und Truppen des deutschen Heeres 1914‑1918, Wien 2007 ... zur Kaiserlichen Marine: 1.1 Deutsche Militärgeschichte, Bd 5; 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, Bd 4, 7, 8; 6.37 Gemzell, Organization; 6.38 Groß, Die Seekriegführung; 6.43 Schröder, Die U-Boote 7.9 Forstmeier, Friedrich, Deutsche Großkampfschiffe 1915‑1918. Die Entwicklung der Typenfrage im Ersten Weltkrieg, München 1970 7.10 Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften, Bd 3/1: Die Kriegsmarine. Hrsg. von Hermann Franke, Berlin, Leipzig 1938 7.11 Herzog, Bodo, 60 Jahre deutsche U-Boote 1906‑1966, München 1968

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Quellen und Literatur

... speziell zu den Luftstreitkräften: 1.1 Deutsche Militärgeschichte, Bd 3; 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, Bd 4; 3.16 Die deutschen Luftstreitkräfte ... sowie zu den Schutztruppen in den Kolonien: 1.1 Deutsche Militärgeschichte, Bd 3; 3.5 Der Weltkampf um Ehre und Recht, Bd 4; 4.3 Michels, Der Held; 6.47 Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe; 6.49 Schulte-Varendorff, Krieg in Kamerun 7.12 Morlang, Thomas, Askari und Fitafita. »Farbige« Söldner in den deutschen Kolonien, Berlin 2008 (= Schlaglichter der Kolonialgeschichte, 8) Besatzungsherrschaft und Zwangsarbeit: 7.13 Liulevicius, Vejas Gabriel, Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2002 7.14 Mayerhofer, Lisa, Zwischen Freund und Feind. Deutsche Besatzung in Rumänien 1916‑1918, München 2010 7.15 Thiel, Jens, »Menschenbassin Belgien«. Anwerbung, Deportation und Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg, Essen 2007 (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N.F., 20) 7.16 Westerhoff, Christian, Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg. Deutsche Arbeitskräftepolitik im besetzten Polen und Litauen 1914‑1918, Paderborn [u.a.] 2012 (= Studien zur historischen Migrationsforschung, 25)

Kapitel »Rüstung« Grundlegende Entwicklungslinien in vielen Bereichen der personellen und materiellen Rüstung des Heeres zeichnet bereits das Reihenwerk »Der Weltkrieg 1914‑1918« nach. Für die unmittelbare Vorkriegszeit bis in das Jahr 1914 liegt in der Reihe ein eigener Band »Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft« (Berlin 1930) vor. Ältere Standardwerke: 8.1 Goebel, Otto, Deutsche Rohstoffwirtschaft im Weltkriege, Stuttgart [u.a.] 1930 8.2 Skalweit, August, Die deutsche Kriegsernährungswirtschaft, Stuttgart [u.a.] 1927 Ergänzend zu Personalverlusten und Personalersatz: 8.3 Kriegssanitätsbericht über die Deutsche Marine 1914‑1918, 3 Bde. Hrsg. von der Medizinalabteilung der Marineleitung im RWM/Marinemedizinalamt des Oberkommandos der Kriegsmarine, Berlin 1934‑1939 8.4 Sanitätsbericht über das Deutsche Heer im Weltkriege 1914/1918, 3 Bde. Bearb. in der Heeres-Sanitätsinspektion des RWM, Berlin 1934‑1938 8.5 Vom Sterben des Deutschen Offizierkorps. Die Gesamtverluste unserer Wehrmacht im Weltkrieg. Hrsg. von Constantin von Altrock, 2., erw. Aufl., zugleich 1. Beiheft zum 106. Jahrgang des Militär-Wochenblattes, Berlin 1922 Heeres- und Flottenrüstung bis 1914: 8.6 Epkenhans, Michael, Die wilhelminische Flottenrüstung 1908 bis 1914. Weltmachtstreben, industrieller Fortschritt, soziale Integration, München 1991 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 32)

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8.7 Stein, Oliver, Die deutsche Heeresrüstungspolitik 1890‑1914. Das Militär und der Primat der Politik, Paderborn [u.a.] 2007 (= Krieg in der Geschichte, 39) Zum Verhältnis Kriegswirtschaft, Industrie und Militär: 2.9 Der Erste Weltkrieg. Wirkung (Abschnitt III: Kriegswirtschaft und Wirtschaftskrieg); 6.35 Chickering, Freiburg im Ersten Weltkrieg; 6.36 Geyer, Deutsche Rüstungspolitik 8.8 Feldman, Gerald, Armee, Industrie und Arbeiterschaft in Deutschland 1914 bis 1918, Berlin, Bonn 1985 8.9 Raths, Ralf, German Tank Production and Armoured Warfare, 1916‑18. In: War & Society, 30 (2011), 1, S. 24 47 8.10 Roerkohl, Anne, Hungerblockade und Heimatfront. Die kommunale Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkrieges, Stuttgart 1991 8.11 Roth, Regina, Staat und Wirtschaft im Ersten Weltkrieg. Kriegsgesellschaften als kriegswirtschaftliche Steuerungsinstrumente, Berlin 1997 (= Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 51) 8.12 Zunkel, Friedrich, Industrie und Staatssozialismus. Der Kampf um die Wirtschaftsordnung in Deutschland 1914‑1918, Düsseldorf 1974 Personalfluktuation und militärische Ausbildung: Im Vergleich zu den Offizieren ist die Entwicklung der Sozialstrukturen bei den Unteroffizieren, v.a. aber den Mannschaften nur ansatzweise erforscht. Gleiches gilt für den Aspekt der militärischen Ausbildung. 6.20 Stachelbeck, Militärische Effektivität 8.13 Dreetz, Dieter, Methoden der Ersatzgewinnung für das deutsche Heer 1914 bis 1918. In: Militärgeschichte, 16 (1977), S. 700‑707 8.14 Watson, Alexander, ›For Kaiser and Reich‹: The Identity and Fate of the German Volunteers, 1914‑1918. In: War in History, 12 (2005), 1, S. 44‑74 8.15 Ziemann, Benjamin, Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914‑1923, Essen 1997 (= Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung. Schriftenreihe A: Darstellungen, 8) Offiziere und Unteroffiziere: 2.6 Deist, Militär, Staat und Gesellschaft; 3.28 Demeter, Das deutsche Offizierkorps; 4.3 Michels, Der Held; 6.45 Wolz, Das lange Warten; 6.47 Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe 8.16 Bald, Detlef, Der deutsche Offizier. Sozial- und Bildungsgeschichte des deutschen Offizierkorps im 20. Jahrhundert, München 1982 8.17 Bald, Detlef, Vom Kaiserheer zur Bundeswehr. Sozialstruktur des Militärs: Politik der Rekrutierung von Offizieren und Unteroffizieren, Frankfurt a.M. 1981 (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 31, 28) 8.18 Das Deutsche Offizierkorps 1860 bis 1960. In Verb. mit dem MGFA hrsg. von Hanns Hubert Hofmann, Boppard a.Rh. 1980 (= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, 11) 8.19 Herwig, Holger H., Das Elitekorps des Kaisers. Die Marineoffiziere im Wilhelminischen Deutschland, Hamburg 1977 (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, 13)

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Quellen und Literatur

8.20 Ledebur, Ferdinand von, Geschichte des deutschen Unteroffiziers, Berlin 1939 8.21 Preradovich, Nikolaus von, Die Führungsschichten in Österreich und Preußen (1804‑1919). Mit einem Ausblick bis zum Jahre 1945, Wiesbaden 1955 (= Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, 11) 8.22 Scheerer, Thomas, Die Marineoffiziere der Kaiserlichen Marine. Sozialisation und Konflikte, Bochum 2002 (= Kleine Schriftenreihe zur Militär- und Marinegeschichte, 2) 8.23 Showalter, Dennis E., Niedergang und Zusammenbruch der deutschen Armee 1914‑1919. In: Deutsche Umbrüche im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Dietrich Papenfuß und Wolfgang Schieder, Köln 2000, S. 39‑61 Deutsche Jüdische Soldaten: 8.24 Angress, Werner T., Das deutsche Militär und die Juden im Ersten Weltkrieg. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 19 (1976), 1, S. 77‑97 8.25 Deutsche Jüdische Soldaten. Von der Epoche der Emanzipation bis zum Zeitalter der Weltkriege. Eine Ausstellung des MGFA in Zusammenarb. mit dem Moses Mendelssohn Zentrum, Potsdam, und dem Centrum Judaicum, Berlin. Ausstellungskatalog. Bearb. von Frank Nägler, Berlin 1996 Erziehung und Militarisierung: 8.26 Schubert-Weller, Christoph, »Kein schönrer Tod ...« Die Militarisierung der männlichen Jugend und ihr Einsatz im Ersten Weltkrieg 1890 bis 1918, Weinheim 1998 (= Materialien zur historischen Jugendforschung)

Kapitel »Alltag, Kriegserfahrungen, Motivationen« Gutachten des Untersuchungsausschusses des Reichstages in der Weimarer Republik zu den inneren Missständen in den Streitkräften: 9.1 Hobohm, Martin, Soziale Heeresmißstände als Teilursache des deutschen Zusammenbruchs von 1918, Berlin 1929 (= WUA, 4. Reihe, 11/1) 9.2 Stumpf, Richard, Gutachten des Sondersachverständigen früheren Matrosen Richard Stumpf. Das Verhältnis von Offizier und Mann auf dem Kriegsschiff »Helgoland«, Berlin 1928. In: Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919‑1930 (WUA), 4. Reihe, 10/1, S. 43—58 9.3 Stumpf, Richard, Das Tagebuch des Matrosen Richard Stumpf, Berlin 1928 (= WUA, 4. Reihe, 10/2) 9.4 Volkmann, Erich Otto, Soziale Heeresmißstände als Teilursache des deutschen Zusammenbruchs von 1918, Berlin 1929 (= WUA, 4. Reihe, 11/2) Ergänzend zur Entwicklung der inneren Verhältnisse/Menschenführung/Motivation: 3.20 Neter, Der seelische Zusammenbruch; 3.27 Altrichter, Die seelischen Kräfte; 3.29 Kantorowicz, Der Offizierhaß; 6.20 Stachelbeck, Militärische Effektivität; 6.34 Watson, Enduring the Great War; 8.15 Ziemann, Front und Heimat 9.5 Bröckling, Ulrich, Disziplin. Soziologie und Geschichte militärischer Gehorsamsproduktion, München 1997

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9.6 Kruse, Wolfgang, Krieg und Klassenheer. Zur Revolutionierung der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg. In: Geschichte und Gesellschaft, 2 (1996), S. 530‑561 9.7 Thoß, Bruno, Menschenführung im Ersten Weltkrieg und im Reichsheer. In: Menschenführung im Heer. Mit Beitr. von Johann Christoph Allmayer-Beck [u.a.], Herford, Bonn 1982 (= Vorträge zur Militärgeschichte, 3), S. 113‑138 Kaiserliche Marine: 6.45 Wolz, Das lange Warten 9.8 Horn, Daniel, The German Naval Mutinies of World War I, New Brunswick 1969 9.9 Rahn, Werner, Führungsprobleme und Zusammenbruch der deutschen Marine 1917/18. In: Die deutsche Marine. Historisches Selbstverständnis und Standortbestimmung, Herford 1983 (= Schriftenreihe der Deutschen Marine-Akademie und des Deutschen Marine-Instituts, 5), S. 171‑190 Zum »Geist von 1914« sowie zu den Wechselwirkungen von Propaganda, Meinungslenkung, »Vaterländischem Unterricht« und Stimmung während des Krieges: 9.10 Geinitz, Christian, Kriegsfurcht und Kampfbereitschaft. Das Augusterlebnis in Freiburg – eine Studie zum Kriegsbeginn 1914, Essen 1998 9.11 Lipp, Anne, Meinungslenkung im Krieg. Kriegserfahrungen deutscher Soldaten und ihre Deutung 1914‑1918, Göttingen 2003 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 159) 9.12 Reimann, Aribert, Der große Krieg der Sprachen. Untersuchungen zur historischen Semantik in Deutschland und England zur Zeit des Ersten Weltkrieges, Essen 2000 (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N.F., 12) 9.13 Verhey, Jeffrey, »Der Geist von 1914« und die Erfindung der Volksgemeinschaft, Hamburg 2000 Zu Kriegsalltag und Kriegserfahrungen weiterhin: 2.11 Facing Armageddon; 2.13 Keiner fühlt sich hier als Mensch; 2.14 Der Krieg des kleinen Mannes; 2.15 Kriegsalltag. Die Rekonstruktion; 2.24 Eine Welt von Feinden; 2.25 Wirkungen und Wahrnehmungen des Ersten Weltkrieges 9.14 Ashworth, Tony, Trench Warfare 1914‑1918. The Live and Let Live System, London [u.a.] 1986 9.15 Jürgs, Michael, Der kleine Frieden im Großen Krieg. Westfront 1914: Als Deutsche, Franzosen und Briten gemeinsam Weihnachten feierten, München 2003 9.16 Meteling, Wencke, Ehre, Einheit, Ordnung. Preußische und französische Städte und ihre Regimenter im Krieg, 1870/71 und 1914‑19, Baden-Baden 2010 (= Historische Grundlagen der Moderne, 1) 9.17 Mommsen, Wolfgang J., Kriegsalltag und Kriegserlebnis im Ersten Weltkrieg. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift, 59 (2000), S. 125‑138 9.18 Ulrich, Bernd, Die Augenzeugen. Deutsche Feldpostbriefe in Kriegs- und Nachkriegszeit 1914‑1933, Essen 1997 (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, 8) 9.19 Ziemann, Benjamin, Die Eskalation des Tötens in zwei Weltkriegen. In: Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500‑2000. Hrsg. von Richard van Dülmen, Wien [u.a.] 1998, S. 411‑429

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Quellen und Literatur

Kriegsgefangenschaft: 9.20 Davis, Gerald H., Deutsche Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg in Rußland. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 31 (1982), S. 37‑49 9.21 Jones, Heather, Violence against Prisoners of War in the First World War. Britain, France, and Germany, 1914‑1920, Cambridge 2011 9.22 Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkrieges. Hrsg. von Jochen Oltmer, Paderborn [u.a.] 2006 (= Krieg in der Geschichte, 24) 9.23 Wurzer, Georg, Die Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Russland im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2005 Militärjustiz und Desertion: 9.24 Jahr, Christoph, Gewöhnliche Soldaten. Desertion und Deserteure im deutschen und britischen Heer 1914‑1918, Göttingen 1998 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 123) 9.25 Ziemann, Benjamin, Fahnenflucht im deutschen Heer 1914‑1918. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 55 (1996), S. 93‑130

Ergänzende Einzelstudien: 9.26 Tauber, Peter, Vom Schützengraben auf den grünen Rasen. Der Erste Weltkrieg und die Entwicklung des Sports in Deutschland, Berlin, Münster 2008 (= Studien zur Geschichte des Sports, 3) 9.27 Winkle, Ralph, Der Dank des Vaterlandes. Eine Symbolgeschichte des Eisernen Kreuzes 1914 bis 1936, Essen 2007

Kapitel: Das Erbe Zum Kriegsende und zu den Nachwirkungen des Krieges in der Weimarer Republik allgemein: 2.16 Kriegsende 1918 Zur Dolchstoßlegende: 10.1 Barth, Boris, Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1914‑1933, Düsseldorf 2003

Abkürzungen Abt. AEG

Abteilung Allgemeine ElektricitätsGesellschaft AOK Armeeoberkommando Ft. Fort (Festung, Befestigungsanlage) Gen. General gv garnisonsdienstverwendungsfähig HKK Höherer Kavalleriekommandeur k.u.k. kaiserlich und königlich

Kp kv MG NS OHL Res SA S.M. SMS SS UUSA

Kompanie kriegsdienstverwendungsfähig Maschinengewehr nationalsozialistisch Oberste Heeresleitung Reserve Sturmabteilung Seine(r) Majestät Seiner Majestät Schiff Schutzstaffel UnterseeUnited States of America

Personenregister Altrichter, Friedrich 191 Arnim, Sixt von 61 Bachmann, Gustav 76 Bauer, Hermann 78 Bauer, Max 114, 116, 161 Beatty, David 80, 82 Beck, Ludwig 67 Below, Ernst von 150 Below, Otto von 40, 54 Bethmann Hollweg, Theobald von 22, 38 f., 49, 51‑53, 72, 77 f., 83 f., 100‑102, 105, 113, 133, 140 f., 154, 162, 179 Bismarck, Otto von 19 Boroević von Bojna, Svetozar 41 Bosch, Robert 176 Botha, Louis 94 Bronsart von Schellendorff, Paul 36, 100 Bruchmüller, Georg 57 Brussilow, Alexej A. 34, 48 Bülow, Karl von 27, 29 Capelle, Eduard von 84, 141 Conrad von Hötzendorff, Franz 23, 33 f., 39 Coupette, Karl 114 Dmitriew, Radko 41 Duisberg, Carl 114 Ebermaier, Karl 91 Ebert, Friedrich 205 Eichhorn, Hermann von 40 Eisenhart-Rothe, Ernst von 68 Enver Pascha, Ismail 35 f. Erzberger, Matthias 52, 69 Falkenhayn, Erich von 11, 14, 18, 21 f., 29, 32‑34, 36‑41, 43 f., 46‑50, 53‑55, 78, 104, 175 Foch, Ferdinand 105 Franke, Victor 90 Friedrich II., König von Preußen 20 Glasenapp, Georg von 150 Groener, Wilhelm 21, 113 f., 162, 205 Guderian, Heinz 207 Haber, Fritz 176 Hannibal 20 Heeringen, Josias von 24 Heinrich, Prinz von Preußen 138

Hentig, Werner Otto von 37 Hentsch, Richard 28 f. Hertling, Georg Graf von 52 Heydebreck, Joachim von 90 Heye, Wilhelm 116 Hindenburg, Paul von 11, 14, 18, 29 f., 32, 34, 38 f., 50, 52, 69, 84, 104, 112, 116 f., 162, 183, 198, 206 Hindenburg, Oskar von 206 Hipper, Franz von 11, 76, 80 Hitler, Adolf 206 Hobohm, Martin 11, 183 Hoffmann, Ulrich 113 Holtzendorff, Henning von 76, 78, 83 f., 142, 144 Ingenohl, Friedrich von 72, 76 Jagow, Gottlieb von 22 Jellicoe, Sir John R. 80, 82 Joffre, Joseph 24, 28 Joseph Ferdinand, Erzherzog von Österreich-Toskana 41 Jünger, Ernst 12, 17, 65, 159, 183, 188, 190 Kantorowicz, Hermann 183 Karl I., Kaiser von Österreich 18, 105 Kluck, Alexander von 27 Köbis, Albin 203 Koeth, Josef 113 Kuhl, Hermann von 28 Laffargue, André 55 Lans, Wilhelm von 75 Lenin, Wladimir I. 36 Leopold, Prinz von Bayern 117 Lettow-Vorbeck, Paul von 15, 93‑97, 151 Levetzow, Magnus von 144 f. Liman von Sanders, Otto 35 Linsingen, Alexander von 40 Loßberg, Fritz von 61 Luckner, Felix Graf von 73 Ludendorff, Erich 11 f., 14 f,, 18, 29 f., 34, 38 f., 47, 50, 52, 54 f., 57 f., 61 f., 64, 66‑69, 75, 84, 104, 110‑112, 116, 133, 135, 155, 161, 183, 199, 205 Ludwig III., König von Bayern 99 Lyncker, Moriz Freiherr von 17, 39, 103

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Personenregister

Mackensen, August von 32, 41, 44, 206 Mahan, Alfred Thayer 69, 71 Marc, Franz 187 Marwitz, Georg von der 40 Maunoury, Joseph 28 Max von Baden, Prinz 69, 87 Mertz von Quirnheim, Hermann 116 Meyer-Waldeck, Alfred 89 Michaelis, Georg 52 Michaelis, William 73 Moellendorff, Wichard von 174 Moltke (d.Ä.), Helmuth von 19 f., 22 Moltke (d.J.), Helmuth von 11, 21‑23, 27‑29, 33, 36, 39, 111, 154, 187, 207 Müller, Georg Alexander von 103, 141 Nicolai, Walter 17, 116, 186 Niedermayer, Oskar Ritter von 37 Nikolaus II., russ. Kaiser 32, 43 Noske, Gustav 204 Pascha, Ismail Enver 98 Pétain, Philippe 62 Plessen, Hans Georg von 17, 103 Pohl, Hugo von 76 f. Pulkowski, Erich 57 Rathenau, Walter 113, 174 Reichpietsch, Max 203 Remarque, Erich Maria 189 Rennenkampf, Paul von 30 Rupprecht, Kronprinz von Bayern 24, 39, 46 Samsonow, Alexander W. 30 Scheer, Reinhard 11, 18, 76‑80, 82 f., 87, 144, 178

Scheüch, Heinrich 113 f. Schlieffen, Alfred Graf von 19‑23, 26, 28, 30, 109, 155 Schnee, Heinrich 95 f. Schröder, Ludwig von 146 Schwarte, Max 11 Seeckt, Hans von 36, 42, 44, 100 Seitz, Theodor 93 Sievers, Thadeus von 40 Solf, Wilhelm Heinrich 90, 150 Souchon, Wilhelm 35, 74, 145, 204 Spee, Maximilian Graf von 73, 145 Stinnes, Hugo 175 Stumpf, Richard 183, 202 f. Tappen, Gerhard 29, 116 Thaer, Albrecht von 68 Thyssen, August 175 Tirpitz, Alfred von 12, 52, 69‑72, 75, 77‑79, 87, 103, 140‑144, 172 Trotha, Adolf von 144 Usedom, Guido von 36, 146 Volkmann, Erich Otto 11, 183 Waldersee, Alfred Graf von 19 Wandel, Franz Gustav von 136 Wetzell, Georg 116 Wild von Hohenborn, Adolf 39, 168 Wilhelm II. 14, 18, 22, 29, 34, 39, 46, 49, 52 f., 68‑70, 72 f., 76 f., 79, 83 f., 87, 89, 99, 100‑105, 133, 136‑138, 140‑142, 144, 150, 154, 183, 187 Wilhelm, Kronprinz von Preußen 44 Zimmermann, Carl 90 f.