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German Pages 325 [316] Year 1948
Lehrbücher und Grundrisse der
Rechtswissenschaft
Vierter Band
Berlin 1948 Walter de Gruyter & Co. v o r m a l s G. J. G ö s c h e n ' s c h e V e r l a , g s h a n d l u n g - J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g - G e o r g R e i m e r - Karl J . T r ü b n e r - V e i t & C o m p .
Deutsches Familienrecht von Professor
Dr.
iuris
Heinrich Lehmann in Köln
Zweite v e r m e h r t e und v e r b e s s e r t e A u f l a g e
Berlin 1948 Walter de Gruyter & Co. v o r m a l s G. J. G ö s c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g - J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g - G e o r g R e i m e r - Karl J. T r ü b n e r - V e i t & C o m p .
Copyright by W a l t e r d e G r u y t e r & C o . Berlin 1948
Archiv-Nr. 23054B/4 Druck von W. Girardet, Wuppertal.
Vorwort zur ersten Auflage Die Mitarbeit am Aufbau der juristischen Fakultät und überhaupt der Universität Köln hat meine Kräfte in den letzten Jahren so in Anspruch genommen, daß die schriftstellerische Arbeit zurücktreten mußte. Deshalb vermag ich erst heute den Grundriß des Familienrechts vorzulegen. Mein Streben ging dahin, neben der dogmatisch-systematischen Verarbeitung des Rechtsstoffes auch die treibenden Kräfte und Leitgedanken des „Familienrechts" herauszuarbeiten und seine Vorschriften und Einrichtungen zweckbegrifflich zu würdigen — selbstverständlich in den Grenzen, die durch die Anlage unserer Grundrisse gezogen sind. Mir scheint, daß wir gegenüber einem Gesetz, das die Abstraktion so weit getrieben hat, wie das BGB., die inhaltliche Bedeutung seiner Rechtssätze mehr hervorheben, daß wir die wirtschaftliche und soziale Funktion seiner Einrichtungen stärker betonen müssen. Die Rechtswissenschaft darf nicht zu einer reinen Fonnenwissenschaft erstarren, wenn die Jünger des Rechts ihre Aufgabe als Mitschöpfer und Bildner passender Lebensformen richtig erfüllen sollen. Das können sie nur, wenn sie zum Sach- und Zweckdenken erzogen werden und sich stets vergegenwärtigen, daß die Rechtsordnung eine praktische und gerechte Lebensordnung sein will und soll Schopenhauer hat einmal gesagt, daß der innerste Kern jeder echten und wirklichen Erkenntnis eine Anschauung sei, daß alle großen Köpfe stets in Gegenwart der Anschauung gedacht haben. Auf den Juristen angewandt: Es gilt mehr aus den Dingen heraus, statt an die Dinge heran zu denken. Das ist es j a auch, wodurch sich die klassische Jurisprudenz der Römer von d'er nachklassischen und der Scholastik unterscheidet. Möchte es mir gelungen sein, meiner Darstellung etwas von diesem Geist echt juristischer Betrachtungsweise einzuhauchen. K ö l n , Silvesterabend 1925.
Heinrich Lehmann.
Vorwort zur zweiten Auflage Eine Neuauflage des Familienrechts unter der Herrschaft des Nazismus herauszubringen, widerstrebte mir, obwohl ich mehrfach dazu aufgefordert wurde. Ich hätte die Grundhaltung meines Buches aufgeben müssen. Nunmehr ist dieses Bedenken weggefallen. Die Neuauflage hat die inzwischen erlassenen Gesetze, namentlich das neue Ehegesetz von 1946, eingehend berücksichtigt und überall die Rechtsprechung, soweit sie verwertbar war, nachgetragen. Köln, 1. August 1947. Heinrich Lehmann.
Inhaltsverzeichnis Einleitung. Seite
§ 1. Begriff, Wesen und gesetzliche Regelung des Familienrechts . . § 2. Treibende Kräfte und Leitgedanken des Familienrechts. — Kritische Stellungnahme zum BGB § 3. Verwandtschaft und Schwägerschaft § 4. Das Schrifttum des Familienrechts . . . . I. A b s c h n i t t . I. T i t e l .
7 16 18
Eherecht.
§ 5. Wesen der Ehe. — Kirchliches und weltliches Eherecht . . . . § 6.
1
Das Verlöbnis
20 24
II. T i t e l . Die Eingehung der Ehe §7. I. K a p i t e l . Dir Form der Eheschließung II. K a p i t e l . Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung. — Fehlerhafte Ehe und Ehehindernisse § 8. A. Allgemeines. Grundgedanken und Art der Regelung . § 9. B. Fehlerhafte Ehe. — Die verschiedenen Arten der Unwirksamkeit § 10. C. Die sächlichen Voraussetzungen der Eheschließung. — Ehehindernisse'
29 29
§11. III. T i t e l .
52 52
Allgemeine Rechtswirkungen der Ehe I. Die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft II. Vorrang d e s . Mannes in allen Gemeinschaftsangelegenheiten III. Die Rechtsstellung der Frau. — Die Schlüsselgewalt IV. Unterhaltspflicht V. Einschränkung der Haftung bei Erfüllung der ehelichen Pflichten VI. Gerichtliche Geltendmachung der allgemeinen Verpflichtungen aus der Ehe VII. Eigentumsvermutungen
34 34 35 42
53 55 58 59 60 60
X
Inhaltsverzeichnis Seite
IV. T i t e l . Die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe . . . §12. I . K a p i t e l . Allgemeines — Gesetzlicher und vertraglicher Güterstand. — Güterrechtsregister. — Überleitung der Güterstände
62
II. K a p i t e 1. Der Güterstand der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung (Nutzverwaltung oder Verwaltungsgemeinschaft)
72
§ 13. § 14.
I. Das Wesen der Nutzverwaltung
62
72
II. Eintritt der Nutzverwaltung
74
§ 15.
III. Das Vorbehaltsgut
74
§ 16.
IV. Das Verwaltungs- und Nutzungsrecht des Mannes am eingebrachten Gut 1. Allgemeines 2. Das Besitznahmerecht des Mannes 3. Das Verwaltungsrecht des Mannes a) Begriff und Grenzen des Verwaltungsrechts . . b) Verfügungsgeschäfte c) Verpflichtungsgeschäfte d) Erwerbsgeschäfte e) Entgegennahme von Willenserklärungen . . . f) Prozeßführung (Sachlegitimation) 4. Das Nutzungsrecht des Mannes 5. Die Pflichten des Mannes aus der Nutzverwaltung
79 79 81 81 81 82 84 85 87 88 89 90
§ 17. § 18.
§ 19. § 20. § 21.
V. Die Rechtsstellung gebrachten Gutes
der Frau
hinsichtlich -des
ein94
VI. Schuldenhaftung und Schuldenausgleich 1. Mannesschulden 2. Frauenschulden 3. Schuldenausgleich zwischen eingebrachtem Vorbehaltsgut
101 101 101 und
VII. Ende des Güterstandes der Nutzverwaltung . . . . III. K a p i t e l .
Gütertrennung
•
IV. K a p i t e l . Die allgemeine Gütergemeinschaft I. Das Wesen der allgemeinen Gütergemeinschaft . . II. Eintritt III. Die Gütermassen 1. Das Gesamtgut 2. Sondergut der beiden Gatten 3. Vorbehaltsgut beider Gatten .
105 106 107 109 109 109 110 110 110 111
Inhaltsverzeichnis
XI Seite
IV. Die Rechtsstellung der Gatten zum Gesamtgut . . V. Schuldenhaftung und Schuldenausgleich VI. Ende der allgemeinen Gütergemeinschaft VII. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft §22.
V . K a p i t e l . Die Errungenschaftsgemeinschaft I. Wesen II. Eintritt III. Die Gütermassen IV. Die Rechtsstellung der Gatten zu den Massen . V. Schuldenhaftung und Schuldenausgleich VI. Ende der Errungenschaftsgemeinschaft
§23.
§24.
§25. §26.
122 122 122 .122 . . 123 124 125
VI. K a p i t e l . Die Fahrnisgemeinschaft I.Wesen II. Eintritt III. Die Gütermassen . . . . IV. Die Rechtsstellung der Gatten zu den Massen . V. Schuldenhaftung und Schuldenausgleich VI. Ende der Fahrnisgemeinschaft VII. K a p i t e 1. Das gesetzliche Güterrecht der Zukunft
111 114 116 118
126
.
.
126 126 126 127 127 127
.
128
V. T i t e l . Die Auflösung der Ehe I. K a p i t e 1. Wiederverheiratung nach irrtümlicher Todeserklärung
130
II. K a p i t e 1. Die Ehescheidung
130 133
I. Geschichtliche Entwicklung. — Fremde Rechte . . . II. Die Grundgedanken des geltenden Scheidungsrechts III. Die einzelnen Scheidungsgründe IV. Das Recht auf Scheidung und der Scheidungsprozeß V. Die Scheidungswirkungen VI. Verträge zur Regelung der Scheidungsfolgen . . . VII. Die Härtemilderungsklage
133 134 137 142 147 153 155
III. K a p i t e l . Die Aufhebung der Ehe und der ehelichen Gemeinschaft
157
II. A b s c h n i t t . Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht. § 28. Die Familie als Entwicklungs- und Erziehungsstätte des Staatsbürgers. — Die Beteiligung des Staates an der Jugendfürsorge. — Die Jugendwohlfahrtsgesetzgebung
158
§ 27.
XU
Inhaltsverzeichnis Seite
I. T i t e l . Das Recht des ehelichen Kindes .§29. § 30.
§31.
166
I . K a p i t e l . Eheliche Abstammung
166
II. K a p i t e 1. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen I. Grundsätzliches II. Die Persönlichkeitssphäre des Kindes, Namengebung usw III. Folgen der Hausgemeinschaft IV. Vermögensrechtliche Hilfspflichten und Hilfsleistungen außerhalb der elterlichen Gewalt. — Aussteuer und Ausstattung
171 171 171 172 173
III. K a p i t e l . Die elterliche Gewalt
176
A. Die elterliche Gewalt im allgemeinen
176
I. Herkunft und Wesen 176 II. Beteiligung der Mutter an der elterlichen Gewalt . . 177 III. Die Dauer der elterlichen Gewalt 177 IV. Überblick über die Bestandteile der elterlichen Gewalt 178 V. Umfang der elterlichen Gewalt und Vertretungsmacht 178 §32.
§ 33.
§34.
§35, § 36.
B. Die elterliche Gewalt des Vaters
179
I. Personenfürsorge II. Vermögensfürsorge HI. Vermögehsnutzung IV. Ausübungshinderung und Ende der elterlichen Gewalt oder einzelner Bestandteile V. Obervormundschaftliche Aufsicht. — Einschreiten des Vormundschaftsgerichtes C. Die elterliche Gewalt der Mutter I. Allgemeines. — Charakter, und Eintreten der elterlichen Gewalt der Mutter II. Besonderheiten der elterlichen Gewalt der Mutter .
179 182 186
D, Die elterliche Gewalt über Kinder aus geschiedenen Ehen
195
II. T i t e l . Das Recht der den ehelichen gleichgestellten Kinder .
197
I . K a p i t e l . Kindschaft aus nichtiger Ehe
190 192 192 193
197
II. K a p i t e 1. Kindschaft durch nachfolgende Ehe . . . .
§37.
III; K a p i t e l . Kindschaft durch Ehelichkeitserklärung
§ 38.
IV. K a p i t e 1. Kindschaft (Adoption)
durch Annahme
188
an
.
199 . 200
Kindesstatt 203
XIII
Inhaltsverzeichnis
Seite
III. T i t e l . Das Recht der unehelichen Kinder §39. §40. § 41.
I. K a p i t e 1. Begriff. — Allgemeine Rechtsstellung unehelichen Kindes. — Rechtspolitisches
210 des 210
II. K a p i t e 1. Das Verhältnis des unehelichen Kindes zur Mutter und deren Verwandten
215
III. K a p i t e l . Das Verhältnis des unehelichen Kindes zum Vater
217
§ 42. IV. T i t e l . Verwandtschaitsrecht.
Unterhaltspflicht
225
Iii. A b s c h n i t t . Vormundschaftsrecht. § 43. Begriff und Aufgabe der Vormundschaft. — Arten. — Geschichtliches' 233 I. T i t e l . Vormundschaft über Minderjährige § 44. § 45. § 46. § 47. § 48. § 49. § 50. §51. § 52.
I. K a p i t e 1. Anordnung der Vormundschaft
239. 239
II. K a p i t e 1. Führung der Vormundschaft 243 I. Der Wirkungskreis des Vormunds im allgemeinen . 243 II. Die Sorge für die Person 243 III. Sorge für das Vermögen 246 IV. Der Genehmigungszwang 251 V. Ausschluß der Vertretungsmacht des Vormundes . . 257 VI. Ansprüche aus der Führung der Vormundschaft . . 258 VII. Führung durch mehrere Vormünder 259 VIII. Der Gegenvormund 260
§ 54. § 55. § 56. § 57.
III. K a p i t e l . Fürsorge und Aufsicht des Vormundschaftsgerichts 261 I. Rechtsnatur, Ziel 'und Grenzen der vormundschaftsgerichtlichen Tätigkeit 261 II. Die einzelnen Befugnisse des Vormundschaftsgerichts 263 III. Die Anordnung der Schutzaufsicht insbesondere . . 264 VI. Die Anordnung der Fürsorgeerziehung insbesondere 266 V. Die Pflichten des Vormundschaftsgerichts . . . . 269
§58.
IV. K a p i t e l . Mitwirkung des Gemeindewaisenrats. — Das
§ 53.
Jugendamt § 59. § 60.
V. K a p i t e 1. Befreite Vormundschaft
270 273
VI. K a p i t e l . Die Mitwirkung der Familie. — Einrichtung eines Familienrats 274
XIV
Inhaltsverzeichnis Seite
§61.
VII. K a p i t e l . Ende der Vormundschaft II. T i t e l . Vormundschaft über Volljährige
§62. §63. § 64. §65.
I. K a p i t e 1. Endgültige Vormundschaft über Volljährige . II. K a p i t e l . Vorläufige Vormundschaft
275 277 277 279
III. T i t e l . Pflegschaft I. K a p i t e 1. Wesen und Fälle der Pflegschaft II. K a p i t e l . Das Sonderrecht der Pflegschaft
280 280 283
Register
285
Einleitung Begriff, Viesen und gesetzliche Regelung des Familienrechts. I. Begriff. Das F a m i l i e n r e c h t soll die F a m i l i e n b e z i e h u a g e n regeln, d. h. die Lebensbeziehungen, die sich aus E h e und A b s t a m m u n g (Verwandtschaft) ergeben. Für die Familie als s o z i a l e Erscheinung ist daneben noch das Merkmal der H a u s z u g e h ö r i g k e i t bedeutsam, wonach auch Personen, die nicht mit den übrigen verwandt sind, zur Familie gerechnet werden, wenn s i e ' i n die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind, wie z. B. das Hausgesinde. Für den r e c h t l i c h e n B e g r i f f der Familie ist die Hauszugehörigkeit gleichgültig. F a m i l i e i m R e c h t s s i n n i s t d i e G e s a m t h e i t der durch E h e oder V e r w a n d t s c h a f t ( A b s t a m m u n g ) verbundenen Personen. Die H a u p t b e s t a n d t e i l e des Familienrechts des BGB. bilden danach E h e - und V e r w a n d t s c h a f t s r e c h t . Kein Familienverhältnis im eigentlichen Sinne ist die V o r m u n d s c h a f t , aber sie ist E r s a t z eines solchen. Die A l t e r s Vormundschaft ersetzt die mangelnde e l t e r l i c h e F ü r s o r g e — und auch die Vormundschaft über G r o ß jährige ist nach dem Vorbild der elterlichen Gewalt gestaltet. Andererseits verweist das Gesetz bei Regelung der elterlichen Gewalt mehrfach auf das Vormundschaftsgesetz (1642/43, 1667). Nicht bloß der Z w e c k der Vormundschaft rechtfertigt ihre Regelung im Familienrecht, sondern auch ihre g e s c h i c h t l i c h e Verknüpfung mit der Familie, der nach deutschem Recht die Sorge und Vertretung ihrer schutzbedürftigen Angehörigen vorbehalten war. Ehe-, Verwandtschafts-, und Vormundschaftsiecht sind. Ausflüsse eines einheitlichen germanischen Rechtsbegriffs der Munt (manus) Mundium, Muntrecht bedeutet Schutzrecht und Schutzpflicht über freie Personen auf Grund eines besonderen Verhältnisses, hier des Familienverhältnisses. Die familienrechtliche Munt stand dem Familienhaupte zu und sonderte sich in die ehemännliche, väterliche und vormundschaftliche Munt. Diese ging dann später auf die Sippe über, für die der nächste Schwertmage zunächst als „gekorener" Vormund die Verwaltung übte bis zuletzt die Gesamtvormundschaft der Sippe zur Obervormundschaft verblaßte und der nächste Schwertma,ge als „geborener" Einzelvormund übrig blieb
Danach zerfällt das Familienrecht des BGB. in drei Abschnitte: 1. A b s c h n i t t . E h e r e c h t , bei dem Verlöbnisrecht, persönliches Eherecht und eheliches Güterrecht geschieden werden, §§ 1297—1588. Lehmann,
Familienrecht.
1
2
§ 1 II
Sozialrechtlicher
Charakter des
Familienrechts
2. A b s c h n i t t . V e r w a n d t s c h a f t s r e c h t , §§ 1589—1772. 3. A b s c h n i t t . V o r m u n d s c h a f t s r e c h t , §§ 1773—1921. II. Wesen. Das Familienrecht ist ein Teil der P r i v a t r e c h t s Ordnung. Seinem Grundgehalt nach ist es S b z i a l r e c h t . Nur' a u s n a h m s w e i s e haben seine Vorschriften ö f f e n t l i c h rechtliche Natur. Das P r i v a t recht hat die Aufgabe, die E n t f a l t u n g der freien E i n z e l persönlichkeit zu gewährleisten. Dieser Aufgabe wird es gerecht, indem es dem Einzelnen einen bestimmten Anteil an den Lebensgütern zuweist, ihm einen: Machtkreis schafft, und zugleich dessen grundsätzlich selbstherrliche Gestaltung ermöglicht. Das V e r m ö g e n s recht (Eigentums- und Sachenrecht) und das V e r k e h r s recht (Schuldrecht) sind der Kern jeder Privatrechtsordnung. Damit sind aber die Aufgaben der Privatrechtsordnung noch nicht erfüllt. Zwischen dem Einzelnen und dem Staat steht die F a m i l i e . Durch sie und in ihr bildet und gestaltet sich die Einzelpersönlichkeit, in ihr findet sie ihre Ergänzung. Die Familie steht geschichtlich sogar v o r dem Staat, sie ist älter als er. Sie ist die Urzelle der staatlichen Gemeinschaft: in ihr hat der angeborene Geselligkeitstrieb seine erste Befriedigung gefunden. Die Familie entsteht durch natürliche Vorgänge. Die Familienbeziehungen tragen als natürliche Beziehungen schon eine gewisse Regelung in sich: sie empfangen diese durch Natur, Religion und Sitte. Der Staat kann sich wegen der Bedeutung der Familie für das Wohl des Einzelnen und der Gesamtheit mit dieser natürlichen Ordnung nicht begnügen, er muß die Familienbeziehungen auch einer r e c h t l i c h e n Regelung unterwerfen und ihnen Schutz verleihen. Zunächst sucht der Staat in der Familie die Stätte für die Entwicklung und Ergänzung der E i n z e l person zu schützen. Dabei übt er wegen des vorwiegend sittlichen und religiösen Charakters der Familienbeziehungen weise Z u r ü c k h a l t u n g , er überläßt ihre Gestaltung in weitem Umfang der P r i v , a t a u t o n o m i e , erkennt die S e l b s t v e r w a l t u n g der Familie an. Das sind p r i v a t rechtliche Wesenszüge. Auch die F o r m e n , worin er die Familienbeziehungen schützt, entsprechen den im Vermögensund Schuldrecht ausgebildeten. So ist die Beziehung des Vaters zum Kinde als a b s o l u t e s Recht ausgestaltet nach Art des Eigentums (1632). ebenso die des Vormundes zum Mündel Die Rechte des Ehegatten gegeneinander sind trotz der Ausschliefillchkeit des Verhältnisses der Gatten zueinander in der monogamischen Ehe nicht als absolute Rechte zu erfassen, sondern als relative (1353)
Diese Zwecke, Formen und Grundgedanken sprechen für di6 Einordnung des Familienrechts in das P r i v a t r e c h t . Auf der anderen Seite läßt die starke persönliche Verbundenheit und Abhängigkeit der Familienmitglieder die G e s a m t interessen viel mehr in den Vordergrund treten als im Vermögens- und Verkehrsrecht. Ein eigennütziger Gebrauch der Familienstellung müßte dem F a m i l i e n v e r b a n d gefährlich werden, aber auch der s t a a t l i c h e n Gemeinschaft selbst schaden i denn von der Rein- und Gesunderhaltung der Ehe und der Fami-
3
$ 1 tt. Sozialrechtlicher Charakter des Familienrechts.
lienbeziehungen hängt letzthin die staatliche Wohlfahi£ noch mehr ab, als von dem Gedeihen der einzelnen Privatwirtschaften. Deshalb müssen sich die S o n d e r interessen der Einzelnen- durch das Familienrecht eine s t a r k e B e s c h r ä n k u n g zugunsten der höheren Einheit der Familie und der staatlichen Gemeinschaft gefallen lassen. Der für das Privatrecht charakteristische Grundsatz der Gleichordnung wird vielfach ersetzt durch den der U b e r - und U n t e r Ordnung. Das ist ein ö f f e n t l i c h rechtlicher Wesenszug. Uberordnung der Eltern und des Vormundes — Entscheidungsrecht des Mannes trotz grundsätzlicher Gleichordnung der Gatten.
Gleichwohl wäre es verfehlt, das Familienrecht wegen dieser Berücksichtigung der Gesamtinteressen grundsätzlich als Teil des ö f f e n t l i c h e n Rechts zu betrachten. Zum öffentlichen Recht gehören nur die Vorschriften, die u n m i t t e l b a r schützen wollen die Interessen des S t a a t e s , ajso des' herrschenden, mit unabhängiger' Herrschaftsgewalt ausgestatteten Gemeinwesens und seiner Teile, der ö f f e n t l i c h e n Verbände (Provinz, Kreis, Stadt- und Landgemeinde), und die die einzelnen Rechtsträger gerade a l s M i t g l i e d e r eines s o l c h e n V e r b a n d e s mit diesem in Beziehung setzen. Solche Vorschriften sind selbstverständlich auch im Familienrecht des BGB. geradeso wie im Sachenrecht enthalten. Man denke an die Mitwirkung des Standesbeamten beim Eheschluß, an die Überwachimg der Kindererziehung durch das Vonqundschaftsgericht. Aber in der Hauptsache sind die Gemeinschaftsinteressen, deren unmittelbaren Schutz das Familienrecht beiweckt, nicht solche des Staates und der öffentlichen Verbände, sondern eines e n g e r e n , im Staate bestehenden s o z i a l e n Verbandes, eben des F a m i l i e n-Verbandes. Erst mittelbar wird aus ihrer Befriedigung das Gedeihen, der staatlichen Gesamtheit erwartet. Rechte und Pflichten werden durch das Familienrecht dem Einzelnen grundsätzlich nicht in seiner Sonderexistenz, aber auch nicht in seiner Eigenschaft als Staatsglied — sondern in seiner organischen Verbindung mit den andern Gliedern der Familie, als F a m j 1 i e n mitglied zugesprochen. Die Normen, die das Interesse der s o z i a l e n Verbände unmittelbar schützen, - die Beziehungen der menschlichen Willensträger als G e s e l l s c h a f t s wesen regeln, bilden das S o z i a l recht. Das Sozialrecht darf nun aber keineswegs hl seiner Gesamtheit als öffentliches Recht bezeichnet werden; es gibt unendlich viel Sozialrecht, das nicht, Staatsrecht ist (v. Gierke, Deutsches Privatrecht I 27). Der Staat weist dem Sozialrecht — je'nach dem Wert, das er ihm für sein eigenes Leben zumißt — eine verschiedene Stellung zu. Bald schützt er die Interessen der sozialen Verbände In den Formen und mit den, Mitteln des Privatrechts — so grundsätzlich im Familienrecht; bald schützt er sie auch mit den Mitteln des öffentlichen Rechts, macht sie geradezu zu staatlichen Interessen — so zu einem erheblichen -Teil im modernen Arbeitsrecht. In 119 II Weim. RV. wurde zwar gesagt: Die Reinerhaltung, Gesundung und soziale'Förderung der Familie ist Aufgabe des S t a a t e s und der r
4
§ 1 III
überblick
über
die
gesetzliche
Regelung
des
Familienrechts
G e m e i n d e n . Aber auch dadurch wird das Familienrecht n i c h t zum ö f f e n t l i c h e n Recht. Dieser Satz ist nichts anderes als die Verheißung, die Familienbeziehungen b e v o r z u g t zu schützen, ü b e r die F o r m e n und M i t t e l des Schutzes ist damit nichts gesagt. Einstweilen sind diese in der Hauptsache solche der P r i v a t r e c h t s Ordnung. Die sog. „Sozialisierung des Familienrechts" bedeutet eine stärkere Betonung und Berücksichtigung der staatlichen Gesamtinteressen, läßt aber die Art der Durchführung des Programms offen. Danach bilden den Grundstock des Familienrechts s o z i a l rechtliche Normen n i c h t ö f f e n t l i c h rechtlicher Natur, die die Beziehungen der menschlichen Willensträger als G e s e l l s c h a f t s w e s e n , und zwar F a m i l i e n m i t g l i e d e r ordnen. Daneben finden sich i n d i v i d u a l rechtliche Normen von zweifellos p r i v a t rechtlicher Natur, die die Sonderinteressen der Einzelnen als solche schützen wollen, insbesondere die Entfaltung der Eigenpersönlichkeit trotz Einordnung in den Familienverband gewährleisten. Endlich finden sich in geringerem Umfang ö f f e n t l i c h rechtliche Vorschriften, die Beziehungen zwischen dem S t a a t als s o l c h e m und dem Einzelnen in seiner Eigenschaft a l s S t a a t s g l i e d herstellen, z. B. die Mitwirkung von Behörden vorsehen, wie die des Standesbeamten, der Vormundschaftsbehörden, des Gemeindewaisenrats usw. Die n e u e r e Entwicklung hat diesen öffentlichrechtlichen Einschlag des Familienrechts erheblich verstärkt. Das JugendwohlfahrtsG. erkennt z. B. dem Kinde neben dem privatrechtlichen Anspruch gegen die Eltern einen ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Anspruch gegen den Staat auf Erziehung zu. III. Uberblick über die gesetzliche Regelung des Familienrechts. W ä h r e n d das BGB. in seinem P a r a g r a p h e n g e f ü g e bis heute im allgemeinen unverändert bestehen geblieben ist, hat sich sein 4. Buch — Familienrecht — einschneidende Abänderungen gefallen lassen müssen. 1. Bis zum Z u s a m m e n b r u c h d e r n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Herrschaft. a) Am fühlbarsten sind die Eingriffe in das E h e r e c h t , das im 1. Abschnitt über die bürgerliche Ehe (§§ 1297—1588) geregelt ist. Hier u n t e r n a h m es der nationalsozialistische Gesetzgeber, seine völkische Auffassung "vom W e s e n der Ehe als der blutmäßigen und erbgesundheitlichen Grundlage der Familie durchzuführen. Das sogen. Blutschutzgesetz vom 15. 9. 1935 und seine A V O e n stellten Eheverbote auf, die sich gegen die Eheschließung zwischen Staatsangehörigen deutschen oder artverw a n d t e n Blutes und J u d e n sowie jüdischen Mischlingen richteten. W e i t e r e Verbote brachte das Ehegesundheitsgesetz vom 18. 10. 1935, um Ehen zu verhindern, aus denen nach der Anlage der Eltern erbkranke Kinder zu erwarten waren. Diese Gesetze wurden später eingearbeitet in das am 6. 7. 1938 erlassene Ehegesetz (Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und
§ 1 III.
Uberblick
über
die
gesetzliche
Regelung
des
Familienrechts.
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Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet). Das Ehegesetz brachte eine Reform des ganzen Rechts der Eheschließung, Ehenichtigkeit, Eheaufhebung und Ehescheidung, auch was das Verhältnis zu den Kindern angeht. Es trat an Stelle der früheren ihm abschnittsmäßig entsprechenden Stücke des 4. Buches, wurde aber in dieses nicht eingefügt, sondern als daneben stehendes Einzelgesetz veröffentlicht. Durch das Ehegesetz sind außer Kraft gesetzt die_§§ 1303—1352, 1564—1587, 1608 II, 1635—1637, 1699—1704, 1771 II S. 2 BGB. Ergänzende Bestimmungen wurden weiter in dem neu gefaßten Personenstandsgesetz vom 3. 11. 1937 erlassen. In Kraft geblieben sind vom 1. Abschnitt des 4. Buches der erste Titel über das Verlöbnis (1297—1302), die Bestimmungen des 5. Titels über die Wirkungen der Ehe im allgemeinen (1353—1362), des 6. Titels über das eheliche Güterrecht (1363—1563) und endlich der praktisch bedeutungslose § 1588 über „kirchliche Verpflichtungen". b) V e r w a n d t s c h a f t s - u n d V o r m u n d s c h a f t s r e c h t des BGB. (1589—1921) sind dagegen im wesentlichen erhalten geblieben, haben sich aber tiefgehende Eingriffe durch Sondergesetze gefallen lassen müssen. Auf dem Gebiet des Eltern- und Kindesrechtes (1589—1722) sind durch das Ehegesetz die §§ 1635—1637 betr. die Kinder aus geschiedenen Ehen und die §§ 1609—1704 betr. die Kinder aus nichtigen Ehen beseitigt worden. Das am 12. 4. 1938 erlassene Gesetz über Ä n d e r u n g und E r g ä n z u n g f a m i l i e n r e c h t l i c h e r V o r s c h r i f t e n brachte neue Bestimmungen über die Anfechtung der Ehelichkeit, die Abstammungsfeststellung und die Annahme an Kindesstatt. Noch einschneidender wirkte sich die J u g e n d w o h l f a h r t s g e s e t z g e b u n g aus, die mit dem Reiehsjugendwohlfahrtsgesetz vom 9. 7. 1922 einsetzte. Sie hat einzelne Bestimmungen des BGB. abgeändert und im übrigen das Eltern- und Kindesrecht sowie das Vormundschaftsrecht weitgehend ergänzt. Das Reiehsjugendwohlfahrtsgesetz wurde erlassen in Verwirklichung des durch Art. 120 WeimRVerf. anerkannten E r z i e h u n g s g e d a n k e n s , wonach die Erziehung des Nachwuchses zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit die oberste Pflicht und ein natürliches Recht der Eltern ist, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft zu wachen hat. Unter der Herrschaft des Nazismus wurde die Erziehungsgewalt des S t a a t e s immer stärker betont und das n a t ü r l i c h e R e c h t der E l t e r n zur Erziehung ihrer Kinder nahezu völlig mißachtet. Das Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. 12. 1936 faßte die gesamte deutsche Jugend in der HJ. zusammen und bestimmte, daß die Jugend außer im Elternhaus und Schule in der HJ. körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen sei. Ein neues Jugendrecht wurde ausgebaut, das alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr verpflichtete, in der HJ. Dienst zu tun, § 1 JugenddienstVO. (2. DurchfVO. zum HJugGes. vom 25. 3. 1939).
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5 1 III.
Obelblick
über die gesetzliche Regelung des Familienrechts.
2. N a c h d e m Z u s a m m e n b r u c h d e r n a z i s t i s c h e n H e r r s c h a f t war es eine der ersten Aufgaben der Militärregierung Deutschland, auch die Änderungen des Familienrechts wieder zu beseitigen, die t y p i s c h n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e m Rechtsdenken entsprachen. Das Gesetz Nr. 1 der Militärregierung Deutschland hob deshalb u. a. ausdrücklich auf: das Blutschutzgesetz vom 15. 9. 1935, das Reichsbürgergesetz vom gleichen Tage, ferner das Gesetz über die HJ. vom 12. 1. 1936. Für das Familienrecht und seine Anwendung sind die in dem Gesetz Nr. 1 der Militärregierung aufgestellten G r u n d s ä t z e über die A n W e n d u n g und A u s l e g u n g von Rechtssätzen besonders bedeutsam. Nach Art. II darf kein deutscher Rechtsatz, gleichgültig wie und wann erlassen oder verkündet durch die Gerichte oder Verwaltung innerhalb des besetzten Gebietes in irgend einem Falle angewendet werden, wenn diese Anwendung U n g e r e c h t i g k e i t oder U n g l e i c h h e i t dadurch verursachen würde," daß jemand wegen seiner Beziehung zur NSDAP., zu deren Gliederungen, angeschlossenen Verbänden oder betreuten Organisationen begünstigt wird oder daß jemand wegen seiner Rasse, Staatsangehörigkeit, seines Glaubensbekenntnisses oder seiner Gegnerschaft zur NSDAP, und deren Lehren Nachteile zugefügt werden. Nach Art. III (Abs. Nr. 4) ist die Auslegung oder Anwendung des deutschen Rechts nach nationalsozialistischen Lehren, gleichgültig wie, wo und wann dieselben kundgemacht wurden, verboten. Nach dem 2. Absatz des Art. III (Nr. 5) dürfen als Q u e l l e für die A u s l e g u n g oder A n w e n d u n g deutschen Rechtes Entscheidungen deutscher Gerichte, Amtsstellen, Beamten -und juristische Schriften, die nationalsozialistische Lehren oder Ziele vertreten, erklären oder anwenden, nicht mehr zitiert oder befolgt werden. Das EheG. vom 6. 7. 1938 wurde von den nationalsozialistischen Gedanken gereinigt und neu publiziert durch Kontrollratsgesetz Nr. 16 vom 20. 2. 1946. Im § 79 wird das alte EheG. einschließlich aller seiner Durchführungsbestimmungen aufgehoben, ebenso alle sonstigen Gesetze, die mit dem neuen EheG. unvereinbar sind. Dadurch ist im wesentlichen der Rechtszustand wieder hergestellt worden, wie er vor der Machtergreifung durch Hitler bestand, abgewandelt freilich durch die Änderungen späterer Gesetze, die kein Ausfluß typisch nationalsozialistischer Ideen sind, wie z. B. die Bestimmungen des Personenstandsgesetzes vom 3. 11. 1937 und des FamRÄG. vom 12. 4. 1938. Der deutsche Text des § 79 EheG. ist mißverständlich gefaßt. Er will nur sagen, daß alle Bestimmungen, namentlich auch Durchführungsbestimmungen zum alten EheG., i n s o w e i t — aber auch n u r i n s o w e i t — aufgehoben sind, als sie mit der neuen Regelung u n v e r e i n b a r sind; so zutreffend D o l l e Gegenwart 1946 S. 19.
§ 2. Treibende Kräfte und Leitgedanken des Familienrechts.
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Treibende Kräfte und Leitgedanken des Familienrechts. Kritische Stellungnahme zum BGB. Auf keinem Gebiet des Privatrechts sieht sich der Gesetzgeber vor schwierigere Aufgaben gestallt als auLdem des Familienrechts. Nirgendwo sonst sind die Gegensätze größer, nirgendwo sonst außerrechtliche Mächte stärker als hier. Stehen doch in Widerstreit: Persönliches zu Uberpersönlichem, sittliche Mächte, Weltanschauungen zur starren Rechtsordnung, nationale Eigenart zum Zweckgedanken, Kirche zum Staat, Geschlecht zu Geschlecht, Generation zu Generation, Einzelwirtschaft zur Gesamtwirtschaft, Sonderinteressen der Einzelnen zu gesellschaftlichen Forderungen des Staatswohles, der Volksgesundheit und Volkserziehung. Nirgendwo sonst muß deshalb das positive Recht dem kritischen Blick mehr als die Verkörperung des ewig Gestrigen erscheinen. Für das BGB., das ein richtiges Kompromißwerk einer Übergangsepoche ist, gilt das in verstärktem Maße. Seine Hinneigung zur abstrakten, formaljuristischen Regelung, die den sachlichen Leitgedanken oft genug Zurücktreten läßt, wirkt hier am unerfreulichsten. Wo das Gesetz Zurückhaltung übt, erscheint es kleinlich. Und auch wo es die Gegensätze auszugleichen versucht, vermißt man oft die Großzügigkeit. Namentlich zeigt sich das bei seiner Stellungnahme zur F r a u e n frage. Viel volkstümlicher ist demgegenüber die Regelung des Familienrechts im Schweizer ZG. ausgefallen! Man vergleiche etwa die Formelung der allgemeinen Rechte und Pflichten der Ehegatten in Art. 159 Schweizer ZG. Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden Sie verpflichten sich gegenseitig, das Wohl der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken zu wahren und für die Kinder gemeinsam zu sorgen Sie schulden einander Treue und Beistand
Menschheitswert und Würde der Ehe kommen hier — ohne übertriebenes Moralisieren — w§it schöner zur Geltung als in dem nüchternen Satz des § 1353 BGB. „die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet". Die wissenschaftliche Darstellung des Familienrechts des BGB. hat deshalb die Aufgabe, die t r e i b e n d e n K r ä f t e und L e i t g e d a n k e n dei Regelung möglichst sichtbar zu machen. I. P e r s ö n l i c h e r und s i t t l i c h e r Charakter der Familienbeziehungen — Z u r ü c k h a l t u n g des Gesetzes. Durchaus im Vordergrund steht die große Bedeutung der P e r s ö n l i c h k e i t für die Familie. Vornehmlich gilt das für die E h e . Körperlicher Geschlechtstrieb und seelisches Bedürfnis nach Liebe und Gegenliebe führen die Gatten zueinander, sie suchen zunächst s i c h s e l b e r . Die Ehe wird geschlossen»als ein Individualbund zu gegenseitigem Genügen und gegenseitiger Ergänzung. In dem Maße, wie diese Absicht sich verwirklicht und in jedem Gatten eine Verständnis- und liebevolle ergänzende Fürsorge für den andern ausgelöst
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Persönlicher
und
sittlicher
Charakter
der
Familienbeziehungen
wird, l ä u t e r t sich dann dieser E i g e n b u n d (Individualbund) zu e i n e m Gem e i n s c h a f t s b u n d (Sozialbund). Die V e r t i e f u n g des E l t e r n - und K i n d e s V e r h ä l t n i s s e s ist nicht minder e i n e F r a g e der P e r s ö n l i c h k e i t , h ä n g t davon ab, w i e w e i t die Hilfsbedürftigkeit des K i n d e s und der T r i e b der Zuneigung zum e i g e n e n B l u t s e e l i s c h e K r ä f t e in den Eltern und K i n d e r n auslösen, ein a u s Liebe, F ü r s o r g e , H e r r s c h a f t uhd U n t e r w e r f u n g e i g e n t ü m l i c h g e m i s c h t e s V e r h ä l t n i s erzeugen. W e i l die F a m i l i e n b e z i e h u n g e n sich nicht in e i n e r N a t u r v e r b i n d u n g erschöpfen, s o n d e r n im P e r s ö n l i c h e n wurzeln, s e e l i s c h e n Bedürfn i s s e n des M e n s c h e n e n t s p r e c h e n und diese befriedigen, tragen sie zugleich s i t t l i c h e n C h a r a k t e r . U n m i t t e l b a r e r und e i g e n t l i c h e r T r ä g e r der Sittl i c h k e i t ist i m m e r die E i n z e l p e r s ö n l i c h k e i t . Das B e s t e bei der g l ü c k l i c h e n G e s t a l t u n g des F a m i l i e n l e b e n s muß demn a c h v o n der P e r s ö n l i c h k e i t , i h r e r s i t t l i c h e n Kraft erwartet w e r d e n — zumal die V e r p f l i c h t u n g e n a u s der F a m i l i e n g e m e i n s c h a f t sich nicht in e i n e r e i n m a l i g e n Leistung e r s c h ö p f e n , s o n d e r n e i n e f o r t w ä h r e n d e , l e b e n d i g e H i n g a b e der M i t g l i e d e r an die G e m e i n s c h a f t v e r l a n g e n . D e s h a l b geziemt dem G e s e t z g e b e r v o r allem w e i s e Zurückhaltung bei der R e g e l u n g des F a m i l i e n r e c h t s . Er k a n n n i c h t durch V o r s c h r i f t e n g e w ä h r l e i s t e n , daß die Z w e c k e der F a m i l i e n g e m e i n s c h a f t e r r e i c h t werden, e r muß sich damit b e g n ü g e n , ihre F ö r d e r u n g anzustreben, S t ö r u n g e n fernzuhalten. Die i d e a l e G e s t a l t u n g muß S a c h e des Einzelfalles bleiben. N i r g e n d w o gilt m e h r als hier, daß das R e c h t sich mit e i n e m „ e t h i s c h e n M i n i m u m " b e s c h e i d e n , das B e s t e v o n der F r e i w i l l i g k e i t des Einzelnen e r w a r t e n muß. In der E h e , w o die r e c h t e e h e l i c h e G e s i n n u n g herrscht, r e g e l t sich meist a l l e s v o n selbst. D e r S t a a t hat h a u p t s ä c h l i c h die Aufgabe, da einzugreifen, wo die sittlichen K r ä f t e v e r s a g e n und die B e z i e h u n g e n zwischen den G a t t e n S c h a d e n gelitten haben. Hier muß e r M i ß b r ä u c h e n e n t g e g e n treten, die zur V e r k ü m m e r u n g der P e r s ö n l i c h k e i t und der V e r m ö g e n s i n t e r e s s e n des u n t e r d r ü c k t e n T e i l s führen könnefi. Das BGB. hat dieser Erkenntnis nicht i m m e r g e n ü g e n d R e c h n u n g g e t r a g e n und s e i n e e h e r e c h t l i c h e n V o r s c h r i f t e n zu s e h r n a c h dem Ideal der v o l l k o m m e n e n Ehe aufgestellt, w ä h r e n d sie doch v o r n e h m l i c h für die z e r s t ö r t e Ehe p r a k t i s c h werden. D i e s e r V o r w u r f trifft n a m e n t l i c h das e h e l i c h e G ü t e r r e c h t . Das K i n d s c h a f t s Verhältnis v e r t r ä g t und erfordert eine e i n g e h e n d e R e g e l u n g a u c h für den n o r m a l e n Fall, weil die E r z i e h u n g s g e w a l t der Eltern über das unmündige Kind n o r m i e r t und a b g e g r e n z t w e r d e n muße b e n s o bedarf die w i r t s c h a f t l i c h e S e i t e des K i n d s c h a f t s v e r h ä l t n i s s e s einet g e n a u e r e n Ordnung. Ganz a n d e r s l i e g e n die Dinge für das V o r m u n d s c h a f t s Verhältnis. Die V o r m u n d s c h a f t als A m t der O b h u t und V e r t r e t u n g schutzbedürftiger, nicht unter e l t e r l i c h e r G e w a l t s t e h e n d e r P e r s o n e n ist e i n e r e i n e
§ 2 II. R e l i g i ö s e S e i t e d e r F a m i l i e . — S t a a t u n d
Kirche.
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R e c h t s e i n r i c h t u n g und erfährt ihre Regelung überhaupt erst durch die Rechtsordnung. II. Die r e l i g i ö s e Seite der Familie — S t a a t und K i r c h e . Die Familienbeziehungen bedürfen nicht bloß rechtlicher Regelung, sie haben auch eine r e l i g i ö s e Seite. Die beiden großen Mächte: S t a a t und K i r c h e sind an ihrer Ordnung gleichmäßig interessiert, besonders an der der Ehe. Keine kann auf ihre Regelung verzichten, die Kirche nicht, wenn sie ihre religiösen Aufgaben erfüllen will, der Staat nicht, weil die Ehe als Grundlage aller rechtlichen Ordnung der rechtlichen Regelung und der dadurch erzeugten Rechtssicherheit bedarf, weil ferner bei dem Widerstreit der Kirchen die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Bekenntnisse und Bekenntnislosen ermöglicht werden muß. Der Staat kann heute einer einzelnen Kirche die Regelung gar nicht mehr übertragen, er muß die Voraussetzungen selbständig prüfen und aufstellen, unter denen er eine Ehe im Rechtssinn anerkennen und ihre Trennung gestatten will. Für den Staat sind dabei mehr praktische Gesichtspunkte, wirtschaftliche und .bevölkerungspolitische maßgebend, die Kirchen lehnen sich dagegen an Offenbarungen und Dogmen an. Aus diesen Gründen wird man sowohl der kirchlichen wie der staatlichen Gemeinschaft das Recht zusprechen müssen, die Ehe und die Familienbeziehungen im Hinblick auf i h r e Zwecke selbständig zu regeln. Wünschenswert aber ist, daß diese Regelungen sich streng auf das Gebiet der eigentümlichen Aufgaben der fraglichen Gemeinschaft beschränken und alle unnötigen Widerstreite vermeiden, um so ihren Angehörigen einen modus vivendi zu eröffnen, wonach diese den beiderseitigen Vorschriften ohne Konflikte der Pflichten nachkommen können. Dieses hohe Ziel ist im wesentlichen durch das BGB. erreicht. Das grundsätzliche Verhältnis der kirchlichen und staatlichen Ehegesetzgebungsgewalt hat viele Wandlungen durchgemacht. Die'alleinige Zuständigkeit der Kirche, die im Mittelalter allgemein anerkannt war, wurde zuerst erschüttert durch die Reformatoren, die die Sakramentsnatur der Ehe leugneten und die Ehe für ein „weltlich Ding" erklärten. Die Gesetzgebung der Aufklärungszeit nahm Eherecht und Ehegerichtsbarkeit als ausschließlichen Herrschaftsbereich des Staates in Anspruch. In Deutschland wurde die obligatorische Zivilehe durch das ReichspersonenstandsG. vom 6. 2. 1875 eingeführt und auch vom BGB. beibehalten. Obwohl das BGB. darüber hinaus die g a n z e r e c h t l i c h e Seite der Ehe s e l b s t ä n d i g regelt, erkennt es an, daß die Ehe auch eine r e l i g i ö s e Seite hat und erklärt in § 1588, daß die k i r c h l i c h e n Verpflichtungen in Ansehung der Ehe durch seine Vorschriften nicht berührt werden. Damit ist praktisch ein Ausgleich auf der oben angedeuteten Linie gewonnen und der religiöse Friede gewahrt. Demgegenüber darf in den Kauf genommen werden, daß die Normen des staatlichen Eherechts zuweilen strenger Einheitlichkeit und Folgerichtig-
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$ 2 III. Nationale Tönung des F^milienrechts.
keit entbehren und Kompromißcharakter haben. Höher als die Konsequenz steht der religiöse Friede. III. N a t i o n a l e T ö n u n g d e s F a m l l i e n r e c h t s . Weil die allgemeinen sittlichen und religiösen- Ideen, die in einer Volksgemeinschaft herrschen, auf dem Gebiete des Familienrechts vorwiegende Bedeutung haben, ist das Familienrecht mehr als alle anderen Teile einer Privatrechtsordnung n a t i o n a l getönt. Der tyivatrechtsangleichung, der Ausbildung'eines Weltrechts stehen hier unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Diese Bodenständigkeit des Familienrechts erklärt, daß das d e u t s c h e Familienrecht seinen s o z i a l r e c h t l i c h e n Charakter ziemlich bewahrt und sich am freiesten gehalten hat von dem Einfluß des stark i n d i v i d u a l i s t i s c h e n r ö m i s c h e n Rechts der späteren Kaiserzeit. Römischrechtliche Gedanken sind zwar schon vor der eigentlichen Rezeption durch Vermittlung der Kirche in Deutschland eingedrungen — sog. Frührezeption. Man denke an den Grundsatz: cqnsensus facit nuptias. Die Rezeption hat dagegen das p e r s ö n l i c h e Familienrecht s a c h l i c h kaum beeinflußt, ihm in der Hauptsache nur römischrechtliche Benennung und Rechtstechnik gebracht. Erheblicher war ihre Bedeutung für däs Fämilieng ü t e r recht. Die Aufnahme des Dotalrechts hat z. B. die weitere Entwicklung der Verwaltungsgemeinschaft mitbestimmt. Die Stellung des Vaters zum Kindesvermögen und die Ausgestaltung der Vormundschaft tragen z. T noch heute römischrechtliches Gepräge. Die Übersteigerung der nationalistischen Gedanken in der nazistischen Epoche gehört der Vergangenheit an. Auch das Familienxecht darf die M e n s c h h e i t s i d e e nicht miß achten, muß einen A u s g l e i c h zwischen n a t i o n a l e m und i n t e r n a t i o n a l e m Ideal suchen^ IV. W i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t i T n g d e r F a m i l i e . Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Familie erschließt sich mir, wenn wir sie als H a u s h a i t u n g s g t e m e i n s c h a f t erfassen. Dann umfaßt sie außer der Familie im Rechtssinn auch die sonstigen in die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen Personen: Gesinde, Gesellen, Lehrlinge usw. (vgl. 1356/58, 1360, 161.8—1623). Im Haushalt haben wir eine Zusammenfassung wirtschaftlicher Kräfte, einen Sozialverband, der nicht minder wichtig ist als die gewefbliche Unternehmung und zahlenmäßig diese weit übertrifft. Während die Unternehmung eine E r w e r b s Veranstaltung; ist, bildet der Haushalt einen Soziatverband zur dauernden B e s c h a f f u n g und V e r w e n d u n g von Gütern für die eigene Versorgung. Die Eingliederung in die Erzeugungs- und Verzehrgemeinschaft des Haushalts verlangt, daß, wer sich am, Verzehr beteiligt, auch nach seinen Kräften an der Beschaffung der Güter teilnimmt (vgl. für die Frau (1356), für die Kinder (1617/18). Die Bedeutung der Familie als P r o d u k t i o n s gemeinschaft ist freilich in dem Maße zurückgegangen, in dem wir von der geschlossenen Haus-
§ 2. IV. W i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g d e r F a m i l i e .
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Wirtschaft zur Tausch-, Geld- und Kreditwirtschaft übergegangen sind. Hin Stück hauswirtschaftlicher Betätigung nach dem andern ist der Familienwirtschaft durch die Industrialisierung verloren gegangen, und damit hat sich der häusliche Lebenskreis zuerst dés Mannes und dann der Frau immer mehr verkleinert. Als das BGB. entstand, lag der Schwerpunkt für die meisten Haushalte im a u B e r h ä u s l i c h e n Arbeitseinkommen des M a n n e s . Schon diese w i r t s c h a f t l i c h e Stellung des Mannes als Ernährer der Familie rechtfertigte in den Augen dej Gesetzgeber seine r e c h t l i c h e Anerkennung als F a m i l i e n h a u p t — ganz abgesehen von der geschichtlich überkommenen, in der christlichen Moral begründeten Vorrangstellung des Mannes. Seitdem ist aber der Anteil der F r a u an der nationalen Erzeugung ständig gewachsen, sie ist in steigendem Maße aus dem Haus in die soziale Gemeinschaft ausgewandert. Immer mehr Frauen sehen sich genötigt, durch aufierhäüsllche Arbeit das sonst zum Unterhalt der Familie unzureichende Einkommen zu vergrößern. Nach der gewerblichen Betriebszählung von 1907 standen bereits 119Ö6 391 gewerblich tätigen Männern 3 529 531 gewerblich tätige Frauen gegenüber. Damit ist die Nachprüfung der Frage unabweisbar geworden, ob das Verlangen der Frau auf völlige Gleichberechtigung mit dem Manne nicht schon allein durch diese wirtschaftliche Umwälzung gerechtfertigt wird. Dafür läßt sich weiter anführen die große Bedeutung der Familie als V e r z e h r gemeinschaft; denn die Ordnung dieser Gemeinschaftsfragen liegt vorwiegend in den Händen der Frau. Das Haushalten, also das Auskommen mit einem bestimmten Einkommen wird in dem Maße, wie sich das Einkommen für die meisten Haushalte um das Existenzminimum bewegt, eine immer bedeutsamere Leistung. Zweckmäßige Verwendung ist heute mindestens so schwer wie ausreichende Güterbeschaffung. Diese Erwägung dürfte das Verlangen der Frau nach Gleichberechtigung mit dem Manne auch für die Ehen stützen, wo die Beschaffung des Einkommens noch völlig in den Händen des Mannes liegt. V. D i e B e d e u t u n g d e r Geschlechtsverschiedenheit für die Familie. — Frauenfrage. Auf die w i r t s c h a f t l i c h e Entwicklung beruft sich vor allem die m o d e r n e F r a u e n b e w e g u n g , die sich als eine rechtsbildende Kraft von höchster Bedeutung für die Gestaltung des Familienrechts erwiesen hat. Zur Zeit der Entstehung des BGB. r war die Frauenbewegung noch im Anfangsstadium. Nachdem sie inzwischen ihre Forderungen nach politischer Gleichberechtigung der Frau und Teilnahme an der Staatsverwaltung durchgesetzt'hat,, sammelt sie alle Energie, um auch die völlige p r i v a t r e c h t liche Gleichstellung mit dem Manne für das Familienrecht zu erringen. Schon das BGB. hatte zwar diesen Forderungen ein gewisses Verständnis entgegengebracht, aber doch im Grundsatz festgehalten am p a t r i a r c h a l i s c h e n und c h r i s t l i c h e n Eheideal. Danach- ist die Ehe zwar eine Verbindung gleichwertiger, aber nicht gleichberechtigter Genossen; der
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i 2 V. Die Frauenfrage.
r e c h t l i c h e V o r r a n g gebührt dem M a n n sowohl im Verhältnis der Gatten zueinander wie zu den Kindern. Dem gegenüber vertreten die Anhänger der Frauenbewegung ein streng i n d i v i d u a l i s t i s c h e s Eheideal und verlangen restlose Beseitigung der Vorherrschaft des Mannes. In diesem Verlangen vereinen sich die Anhänger eines folgerichtig durchgedachten Individualismus mit den Wortführern des S o z i a l i s m u s . Daß auch diese sich für eine derartige individualistische Forderung eingesetzt haben, darf nicht wunder nehmen. Denn nach Bebels Buch ,,Die Frau und der Sozialismus" erstrebt der Sozialismus einen Gesellschaftszustand, „in dem volle Gleichberechtigung a l l e r ohne Unterschied des Geschlechts zur Geltung kommt". Sozialismus ist eben nach S c h ä f f l e s treffendem Wort „potenzierter Individualismus". Auch Art. 119 I der Weimarer Reichsverfassung erklärte sich zugunsten der individualistischen und sozialistischen Forderungen, wenn er sagt: „Sie (die Ehe) beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter." Indessen ist damit nur ein Programm aufgestellt, aber das, geltende Bürgerliche Recht nicht unmittelbar umgestaltet. Alles hängt davon ab, ob die Kräfte, die die Aufnahme dieses Leitsatzes durchgesetzt haben, auch die Macht haben werden, ihn zu verwirklichen. Und so bleibt nach wie vor die Aufgabe für uns bestehen, kritisch zu prüfen, ob und inwieweit wir für die Durchführung eintreten dürfen und sollen. Entsprechend der m a t e r i a l i s t i s c h e n Einstellung unserer Zeit legen die Anhänger des individualistischen Eheideals das Schwergewicht auf die schon betonte Veränderung in der w i r t s c h a f t l i c h e n Stellung der Frau, auf ihre erzwungene Auswanderung aus dem Hause und ihre wachsende Beteiligung am Erwerbsleben — Vorgänge, die sich seit Ausgang des Weltkriegs mit beängstigender Schnelligkeit vollziehen. Sicher ist diimit der Hauptgrund getroffen, der zu einer Nachprüfung des geltenden Familienrechts, namentlich des Familiengüterrechts, daraufhin zwingt, inwieweit es den Belangen der Frau gerecht wird. Aber zu einer völligen Beseitigung der eheherrlichen und väterlichen Vorrechte könnte das doch nur dann schlechthin nötigen, wenn diese Vorrechte bloß durch überholte w i r t s c h a f t l i c h e Verhältnisse gerechtfertigt würden, wenn der Mann lediglich in seiner Eigenschaft als den Unterhalt in der Hauptsache beschaffender Teil zum Familienhaupt gemacht worden wäre. Gerade das läßt sich aber nicht sagen. Ihre eigentliche Rechtfertigung findet der Vorrang des Mannes im G e m e i n s c h a f t s gedanken. Das Gedeihen der Familie bedingt eine e i n h e i t l i c h e Lebensführung. Da das Gesetz nicht bei jeder Meinungsverschiedenheit den Richter oder Schiedsmann hineinsprechen lassen wollte, mußte es einem der Gatten die entscheidende Stimme geben, unter Schutz des anderen gegen einen Mißbrauch dieses Rechtes. Wenn es in diesem Zwiespalt dem M a n n die maßgebende Stimme zuerkennt, hat es die Wahl getroffen, die dem D u r c h s c h n i t t der Lebensverhältnisse damals entsprach und auch heute noch entspricht. Von diesem grundsätzlichen Ausgangspunkt aus kann die w i r t -
$ 2 VI. Die soziale Bedeutung d e r Familie.
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s c h a f t l i c h e Entwicklung höchstens dazu führen, die Vorrechte des Mannes bis auf das durch die Gemeinschaftsinteressen erforderte Mindestmaß zu beschränken. Es muß anerkannt werden, daß das BGB. hierin hätte weiter gehen können. Damit ist selbstverständlich die Frage nicht entschieden, ob es nicht dem Gemeinschaftsleben ebenso zuträglich gewesen wäre, dem R i c h t e r die Entscheidung zu übertragen, falls die Gatten sich nicht zu einem einheitlichen Vorgehen zusammenfinden können. Das soll erst später geprüft werden. Hier kam es nur darauf an, einen klaren Ausgangspunkt zu gewinnen und davor zu warnen, alles nur unter w i r t s c h a f t l i c h e n Gesichtspunkten zu werten. Letzte Wertmaße kann man nur gewinnen'aus dem Gedanken der G e m e i n s c h a f t . VI. D i e s o z i a l e B e d e u t u n g d e r F a m i l i e . 1. A l l g e m e i n e s . D i e H a u p t a u f g a b e n d e s S t a a t e s . Im Familienleben ist das Leben des Einzelnen mit dem der Gesellschaft aufs engste verwachsen, im Familienrecht muß sich deshalb die individuelle Freiheit des Einzelnen auch stärkere Einschränkungen gefallen lassen als auf irgendeinem anderen Gebiete des Privatrechtes — zunächst im Interesse des Gedeihens der F a m i l i e s e l b s t und dann mittelbar im Interesse der großen s t a a t l i c h e n G e m e i n s c h a f t , die sich auf der Familie aufbaut. Denn Leben und Entwicklung eines Volkes, seine wirtschaftliche Blüte und seine politische Stellung sind durch die Gesundheit und Reinheit des Familienlebens bedingt. Die Familie ist die Quelle zur fortwährenden Erneuerung des Volkskörpers. Dementsprechend erklärte Art. 119 WeimRV.: Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. Kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge. Daraus ergibt sich, daß der Staat die Bedingungen, unter denen eine Ehe, d. h. eine rechtmäßige Geschlechtsverbindung zustande kommt, einer eingehenden Regelung unterwirft und daß er eine soziale Überwachung der Ehe vorsieht sowie ihre Lösung erschwert. Nicht minder, daß der Staat die Erziehung des Nachwuchses zu leiblicher, seelischer und gesellschaftlicher Tüchtigkeit als die oberste Pflicht und das natürliche Recht der Eltern anerkennt und überwacht, WeimRV. 120. Wo die elterliche Fürsorge fehlt oder versagt, greift staatliche Obhut ein durch* Ernennung eines unter gerichtlicher Aufsicht tätigen Vormundes oder Pflegers, notfalls durch staatliche Fürsorgeerziehung. Darüber hinaus hat die neue Jugendwohlfahrtsgesetzgebung ein e i g e n e s R e c h t d e s K i n d e s selbst auf eine derartige Erziehung nicht bloß den Eltern gegenüber, sondern auch dem S t a a t selbst g e g e n ü b e r entwickelt. „Insoweit der A n s p r u c h des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird, tritt unbeschadet der Mitarbeit freiwilliger Tätigkeit ö f f e n t l i c h e J u g e n d h i l f e ein" (§ 1 III RJWG.).
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§ 2 VI. Die soziale Bedeutung der Familie.
Da eine genügende Gewähr für die richtige Erziehung' der Kinder nur in der ehelichen Familie geboten wird, ist es erklärlich, daß der Staat die u n e h e l i c h e GeschlechtsverBindung ungern sieht und die aus ihr stammenden Kinder als „uneheliche" benachteiligt. Nach BGB. ist das-uneheliche Kind mit dem natürlichen Vater nicht verwandt und hat bloß einen eingeschränkten Unterhaltsanspruch gegen ihn; der Mutter ist die elterliche Gewalt versagt, das Kind erhält einen Vormund. Die Bedenken, die sich gegen diese Regelung vom bevölkerungspolitischen Standpunkt aus erheben, haben im letzten Jahrzehnt namentlich der Bund für Mutterschutz und die Vereinigung der Berufsvormünder mit Nachdruck geltend gemacht. Heute ist die Überzeugung ziemlich allgemein verbreitet, daß die rechtliche und soziale Stellung der unehelichen Kinder schon im Staatsinteresse gehoben werden muß. Sie den ehelichen Kindern r e c h t l i c h v ö l l i g g l e i c h zustellen, würde freilich den Bestand der Ehe und der Fortpflanzung des Volkes im e h e l i c h e n Familienleben gefährden und dem verfassungsmäßig zugesagten Schutz der Familie widersprechen. 2. Z w i n g e n d e r u n d a u s s c h l i e ß l i c h e r C h a r a k t e r der f a m i 1 i e n r e c h 11 i c h e n R e g e l n u n d E i n r i c h t u n g e n . Die eben kurz gewürdigte besondere Bedeutung der Familie für Leben und Wohlfahrt des Staates selbst macht es ohne weiteres verständlich, daß die familienrechtlichen Vorschriften zum größten Teil z w i n g e n d e n Charakter haben, -der Parteivereinbarung entzogen sind. Das muß um so mehr da gelten, wo die Rechtsregeln sich mit den Normen der Moral decken — eine abweichende Vereinbarung also einen Verstoß gegen die guten Sitten enthalten würde. Die gleichen Erwägungen rechtfertigen den a u s s c h l i e ß l i c h e n Charakter der familienrechtlichen Einrichtungen. Das Familienrecht ist, ähnlich wie das Sachenrecht, g e b u n d e n e s Recht. Andere als die gesetzlich anerkannten Rechtsverhältnisse können grundsätzlich nicht geschaffen werden. Man kann z. -B. niemanden als Bruder, Schwester oder Schwiegermutter annehmen, die A n n a h m e an Kindesstatt ist von Gesetz nur unter genau bestimmten, einschränk e n d e n ' Voraussetzungen zugelassen (§§ 1741 ff.). Zwei Personen verschiedenen Geschlechts können nicht einen formlosen, obligatorisch wirksamen V e r t r a g zu körperlicher und geistiger Lebensgemeinschaft nach Art der Ehe schließen und damit eine „ f r e i e E h e " mit rechtlichem Inhalt schaffen. Ein solcher V e r t r a g würde* der rechtlichen A n e r k e n n u n g entbehren.
3. E r h ö h t e R e c h t s s i c h e r h e i t , K l a r h e i t , E r k e n n b a r k e i t . W e g e n ' d e r s o z i a 1 e n Bedeutung der familienrechtlichen Beziehungen, namentlich ihFer Tragweite für d r i t t e Personen, die, mit den Familienmitgliedern in Beruhrung kommen, hat das Gesetz für e r h ö h t e R e c h t s s i c h e r h e i t , K l a r h e i t und E r k e n n b a r k e i t gesorgt. Weitgehende Mitwirkung von B e h ö r d e n und E i n t r a g u n g e n in ö f f e n t l i c h e R e g i s t e r sind vorgesehen. Die "Ehe m u ß v o r d e m S t a n d e s b e a m t e n unter p e r s ö n l i c h e r und g l e i c h z e i t i g e r Anwesenheit b e i d e r T e i l e - - u n b e d i n g t und u n b e f r i s t e t eingegangen werden uind soll ins Familienbuch eingetragen werden. Zulässige
1 VI 4. Ordnung der Familienbeziehungen aus dem Gemeraschaftsgedanken.
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A b w e i c h u n g e n des ehelichen G ü t e r r e c h t s vom gesetzlichen müssen, um dritten gegenüber zu. wirken, im G ü t e r r e c h t s r e g i S t e r verlautbart werden, 1435. Nichtigkeit und Aufhebung der Ehe können grundsätzlich nur durch K l a g e geltend gemacht werden. Im E h e prozefl wirkt der S t a a t s a n w a l t mit und hat das staatliche Interesse an der Au^rechterhaltung der Ehe zu wahren (607 ZPO.). Auch in den Rechtsptreitigkeiten, die die Feststellung des Eltern- und Kindschaftsverhältnisses bezwecken (Familienstandssachen) ist er befugt mitzuwirken und Tatsachen zur Aufrechterhaltung des Familienverhältnisses geltend zu machen (640 ZPO.). 4. S a c h l i c h e O r d n u n g d e r F a m i l i e n b e z i e h u n g e n a u s dem Gernein s c h a f t s g e d a n k e n . Die bisher herausgearbeiteten Eigenheiten des Familienrechts sind mehr förmlicher Natur. Als Hauptfrage bleibt die, wie der Staat durch den s a c h l i c h e n -Inhalt seiner Vorschriften die möglichst vollkommene Erreichung der Zwecke der Familie .fördern soll. Das kann nur geschehen durch Ordnung der Familienbeziehungen atfs dem G e m e i n s c h a f t s g e d a n k e n heraus. Damit der Staat, der w e i t e r e Sozialverband, gedeihen kann, mufi vor allem die E i n h e i t und G e s c h l o s s e n h e i t der F a m i l i e , also des e n g e r e n Sozialverbandes, gewährleistet sein,. Das ist ohne lebendige Hingabe der Mitglieder an die Familiengemeinschaft nic^it denkbar, .verlangt also, daß die einzelnen Mitglieder ihr Sonderinteresse am freien Ausleben ihrer Persönlichkeit hinter dem Gesamtinteresse der Familien-' gemeinschaft zurücktreten lassen. Das gilt auch für die an sich berechtigte Forderung der Frau auf völlige Gleichstellung mit dem Mann. Es- ist die Schwäche der radikalen Wortführer eines folgerichtigen ethischen Individualismus, daß sie diese Rücksichtnahme auf die sittlichen Anforderungen, die sich aus dem Gemeinschaftsgedanken ergeben, vielfach vermissgn lassen. Noch seltsamer berührt der Widerspruch, in den sich die Anhänger des Sozialismus mit dem Gemeinschaftsgedariken setzen, wenn sie für Ehe und Familie eine rein individualistische Ordnung befürworten. Seit der Revolution von 1918 haben wir unter denp Einfluß der sozialistischen Strömungen die s o z i a l r e c h t l i c h e Seite, die auch den V e r m ö g e n s rechten innewohnt, schärfer betont. Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das gemeine Beste (Art. 153 III Weim. RV). Und wie viel mehr muß das gelten für die f a m i 1 i e n rechtlichen Beziehungen! Hier ist nicht" einmal eine g r u n d s ä t z l i c h eigennützige Ausgestaltung der Rechtsstellung erträglich, die P f l i c h t Seite steht im V o r d e r g r u n d . Die Familienrechte stehen den Einzelnen- nicht zu in ihrem Sonderdasein, sondern in ihrer organischen Verknüpfung als Mitglieder des Familienverbandes. Sie sind P f l i c h t rechte. Die elterliche Gewalt wird -den Eltern in erster Linie um des K i n d e s willen zugesprochen, nicht um ihrer selbst willen. Die Rechtsstellung des Vormundes ergibt sich aus seiner Amtsstellung; er d a r f , was er s o l l .
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{ 3. Verwandtschaft und Schwägerschaft.
Aus diesen Gründen müssen auch V e r z i c h t und U b e r t r a g b a r k e i t der Familienrechte grundsätzlich versagt werden. Vgl z." B. Unübertragbarkeit des Nutzungsrechts des Mannes am Frauengut (1408), des Vaters am Kindesvermögen (1658), des Aussteueranspruchs der Tochter (1623).
Auch A r t und S c h r ä n k e n der R e c h t s a u s ü b u n g ergeben sich aus dem G . e m e i n s c h a f t s g e d a n k e n . Im Hinblick darauf verlangt und erfährt eine besondere Ausprägung der Grundsatz, des § 242 BGB., wonach die Rechtsausübung^ nur so zulässig ist, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte entspricht An Stelle der Verkehrssitte tritt im Familienrecht die I d e e der r i c h t i g e n , der r e c h t e n G e m e i n s c h a f t . Mifibrauch und unzulässig ist danach jede Ausübung von Familienrechten, die Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Idee einer rechten Familiengemeinschaft widerspricht. Die Gatten dürfen ihre Rechte nur so ausüben, wie es die rechte e h e l i c h e Gesinnung erfordert 1353/54, 1357/58; die Eltern die elterliche Gewalt n u r so, wie es der r e c h t e n e l t e r l i c h e n Gesinnung entspricht, 1666. — Rechte Gesinnung ist aber nur eine solche, die mit einer rechten Gemeinschaft verträglich ist.
Wie das Gesetz im e i n z e l n e n der Mißachtung des Gemeinschaftsgedankens entgegentritt und seine FörGerung erstrebt, kann nur bei den einzelnen Rechtseinrichtungen gezeigt werden. Hier muß der Hinweis auf die schon erwähnte soziale Überwachung der Eheführung und der elterlichen und vormundschaftlichen Fürsorgetätigkeit genügen. Für eine zielbewußte planmäßige F a m i l i e n p o l i t i k bleibt jedenfalls noch viel zu tun. Namentlich müssen die Belange der k i n d e r r e i c h e n F a m i l i e n mehr berücksichtigt werden. Ihre Stärkung ist die wichtigste Vorbedingung für einen neuen Aufstieg des deutschen Volkes. Selbstverständlich kann das Bürgerliche Recht diese Aufgabe allein nicht lösen, vielmehr müssen (um mit H i t z e (Geburtenrückgang und Sozialreform, 1917 S. 202) zu schließen] „alle Maßnahmen auf wirtschaftlichem, steuerpolitischem, sozialem und ethischem Gebiet in erster Linie daraufhin gewürdigt werden, ob und wie sie dem Familienleben dienlich sind. Das gilt für die Gesetzgebung, aber vielleicht noch mehr für die Verwaltung; es gilt für Reich, Staat und Gemeinde. Jeder Beamte muß sich von diesem Gedanken durchdringen lassen." g 3
Verwandtschaft und Schwägerschaft. Verwandtschaft und Schw&gerschaft sind familienrechtllche G r u n d b e g r i f f e , die mannigfache Bedeutung, haben und deshalb systematisch besser nicht erst beim Verwandtenrecht (vgl. II. Abschnitt 1589 ff. BGB.), sondern vorab geklärt werden. Das Recht der Ehehindernisse setzITihre Kenntnis voraus.
I. Die V e r w a n d t s c h a f t b e r u h t auf der A b s t a m m u n g . . Das BGB. versteht also unter Verwandtschaft nur die B l u t s Verwandtschaft. Das römische Recht dagegen hat zwei Verwandtschaftsbegriffe entwickelt, von denen der eine (agnatio) auf der väterlichen Gewalt und der andere (cognatio) auf der Abstammung beruhte. Das deutsche Recht unterscheidet die im Mannesstamm verwandten Männer als Schwertmagen von den übrigen durch Abstammung verbundenen: Spilmagen oder Kunkelmagen. Das BGB. kennt derartige Unterschiede nicht, die Verwandtschaft wird durch blutmäflige Abstammung sowohl von Märinern wie von Frauen glelchjnäBig vermittelt.
$ 3. V e r w a n d t s c h a f t und
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Schwägerschait.
1. Sie ist entweder eine Verwandtschaft in g e r a d e r Linie — so zwischen Personen, die voneinander abstammen, oder eine solche in der S e i t e n linie — so zwischen Personen, die gemeinsam von einer dritten Person abstammen (1589, I). V a t e r und Sohn sind in gerader Linie v e r w a n d t , Bruder und Schwester in Seitenlinie. Die Ehegatten sind als solche ü b e r h a u p t nicht miteinander verwandt.
der
Die S e i t e n verwandten unterscheidet man weiter in v o l l bürtige, die von demselben Elternpaar abstammen und halbbürtige, die nur einen Elternteil gemeinsam haben. Im Leben bezeichnet man halbbürtige Seitenverwandte meist als Stiefverwandte und spricht von Stiefbruder, Stiefschwester usw. Mit dem Ausdruck Stiefverwandtschaft werden aber auch die Schwägerschaftsbeziehunßen des Stiefvaters zum Stiefkind usw. getroffen (siehe unten II).
2. Der G r a d der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Z a h l der sie vermittelnden G e b u r t e n , 1589 I 3; tot gradus, tp^ot generationes. Das BGB. hat ' sich damit die einfache, mechanische Berechnungsweise desrömischen Rechts zu eigen gemacht. Das g e r m a n i s c h e Recht hat eine organische Zählung entwickelt und behandelt eine Person mit allen ihren Abkömmlingen als eine Einheit (Parentel oder Ordnung). Diese Zählung lie,gt der Beerbung zugrunde (1924 ff.). Im Anschluß an das germanische Recht zählt das kanonische Recht bei der Feststellung des Ehehindernisses nur nach einer Seite des Stammbaums und zwar bei Ungleichheit nach der längeren. Nach kanonischem Recht sind danach Geschwister im ersten Grade, nach BGB, im zweiten verwandt; Tante und Nichte nach kanonischem Recht im zweiten nach BGB. im dritten.
3. Je nachdem die Verwandtschaft durch eheliche oder uneheliche Abstammung vermittelt wird, unterscheidet man e h e l i c h e und u n e h e l i c h e Verwandtschaft. Die u n eheliche Abstammung erzeugt verwandtschaftliche Beziehungen nur zwischen dem Kind und seiner M u t t e r und den m ü t t e r l i c h e n Verwandten. Ein u n eheliches Kind und dessen V a t e r g e l t e n als n i c h t v e r w a n d t , 1589 II. Nur für das Eheverbot der Blutsverwandtschaft werden die Beziehungen zwischen dem unehelichen Kind und seinem Erzeuger der Verwandtschaft gleichgestellt (4 EheG.).
II. Die S c h w ä g e r s c h a f t beruht auf der V e r w a n d t s c h a f t in V e r b i n d u n g mit der E h e . Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem andern verschwägert und umgekehrt (1590 I). Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, wodurch sie begründet wurde, aufgelöst ist (1590 II). Der Schwägerschaftsbegriff des BGB. entspricht der römischrechtlichen affinitas. Die Schwägerschaft umfaßt nicht bloß die sogenannte , . V e r s c h w ä g e r u n g " des täglichen Lebens, sondern auch Fälle der so,g. Stiefverwandtschaft. Stiefvater und Stiefmutter sind mit den Stiefkindern nicht verwandt, sondern v e r s c h w ä g e r t — w ä h r e n d die Stiefkinder unter sich v e r w a n d t sind (halbbürtige V e r w a n d t e ) ; dies selbstverständlich nur, wenn sie wenigstens einen Elternteil gemeinsam haben. Die Schwägerschaft reicht andererseits nicht über den Kreis der Blutsverwandten des andern Gatten hinaus; der Ehemann ist mit dem Ehegatten der Schwester seiner Frau im Rechtssinne nicht verschwägert, mögen sie sich auch Schwager nennen.
1. Auch bei der Schwägerschaft unterscheidet man eine solche in g e r a d e r L i n i e — das Verhältnis des Gatten zu Abkömmlingen und Vorfahren des anderen, und eine solche in der S e i t e n l i n i e — die Beziehungen des Gatten zu den Seitenverwandten des andern (1590 I 2). 2. Der G r a d der Schwägerschaft bestimmt sich nach dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft (1590 I 2). Lehmann,
Faniilienrecht.
2
]g
§ 3
Verwandtschaft
und
Schwägerscliaft
3. Die Schwägerschaft wird nur durch die Ehe, n i c h t aber durch u n e h e l i c h e B e i w o h n u n g begründet. Da aber das unehelich? Kind mit seiner Mutter und deren Verwandten verwandt ist, ist es mit dem Ehegatten eines dieser Verwandten, verschwägert, wie auch sein Ehegatte mit diesen in Schwägerschaft steht. 4. Die Schwägerschaft bleibt bestehen, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist, sei es durch Tod, Scheidung oder Aufhebung (1590 II). Die nichtige Ehe begründet keine Schwägerschaft; doch känn dies erst geltend gemacht werden, wenn die Ehe durch Urteil für nichtig erklärt ist (23 EheG.) E i n e E h e darf a b e r a u c h zwischen P e r s o n e n n i c h t g e s c h l o s s e n w e r d e n , voll denen die e i n e mit E l t e r n , V o r e l t e r n oder A b k ö m m l i n g e n d e s a n d e r e n G e s c h l e c h t s g e m e i n s c h a ' f t gepflogen hat (4 II EheG.Ji s o g e n , i l l e g i t i m e S c h w ä g e r schaft.
III. Die r e c h t l i c h e B e d e u t u n g vo'n Verwandtschaft und Schwägerschaft. Beziehungen zwischen den durch Abstammung oder Ehe verbundenen Personen werden heute hauptsachlich im engeren Familienkreis von Gatten, Eltern und Kindern gepflegt, darüber hinaus sind sie im Laufe der Zeit immer schwächer geworden,, das Gefühl für die Bedeutung eines geschlossenen Geschlechtsverbandes ist dem modernen, individualistisch dankenden Menschen verlorengegangen. Erst wenn die B e e r b u n g in Frage kommt, wird es wieder lebendiger. Dementsprechend sind die Rechtswirkungen von Verwandtschaft und Schwägerschaft immer geringfügiger geworden. 1. Die B e d e u t u n g d e r V e r w a n d t s c h a f t zeigt sich namentlich a) im F a m i l i e n r e c h t , ci) in e i n e r auf d i e V e r w a n d t e n g e r a d e r Linie - bfefchränkten U n t e r h a l t s p f l i c h t (1601 ff.) j ß) in der A u f s t e l l u n g v o n E h e h i n d e r n i s s e n ( ü r V e r w a n d t e g e w i s s e r Art und G r a d e (4 E h e G ) in e i n e r B e t e i l i g u n g der V e r w a n d t e n an der ' v o r m u n d s c h a f t l i c h e n F ü r s o r g e (1338, 1673, 1847, 1862 I 2 |Recht auf A n h ö r u n g ! 1776, 1899, 1900 und 1779 {Berufung zum V o r m u n d ) usw ) . b) im E r b r e c h t d u r c h A n e r k e n n u n g eines g e s e t z l i c h e n V e r w a n d t e n e r b r e c h t s , für d a s die P a r e n t e l o r d n u n g mafigebend ist 11924 ff.). c) im P r o z e ß r e c h t und S t e u e r r e c h t in d e r Zubilligung e i n e s Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g s r e c h t s , (ZPO. 383, 384, 408 S t P O 52 ff RAbjgO § 176), f e r n e r in der A u s s c h l i e B u n g v o n d e r Ausübung des R i c h t e r a m t e s (ZPO 41, 3, S t P O 22, 3, FGG. § 6, 3 ) : d) in» S t r a f r e c h t in d e n B e s t i m m u n g e n über die Stellung des A n g e h ö r i g e n (52, 54, 232, 247, 257, 263, ¿92 StGB.) 2. D i e B e d e u t u n g d e r S c h w ä g e r s c h a f t ist weit g e r i n g e r Im F a m i l i e n r e r h t s p i e l t s i e e i n e R o l l e als E h e h i n d e r n i s (in g e r a d e r Linie 4 I E h e G . ) , eine U n t e r h a l t s p f l i c h t b e g r ü n d e t s i e n i c h t ; d a g e g e n sind die V e r s c h w ä g e r t e n im V o r m u n d s c h a f t s r e c h t d e n V e r w a n d t e n v i e l f a c h g l e i c h g e s t e l l t (1308 II, 1673, 1847 u s w . ) . H i n s i c h t lich d e s Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g s r e c h t s und d e s A u s s c h l u s s e s v o m R i c h t e r a m t wird die S c h w ä g e r s c h a f t , ä h n l i c h w i e die V e r w a n d t s c h a f t , a b e r nur zu einem g e r i n g e r e n G r a d e berücksichtigt.
Das -Schrifttum des Familienrechts. I. Die großen L e h r b ü c h e r zum BGB. enthalten alle eine eingehende Darstellung des Familienrechts, so Kipp-Wolff (7. Bearbeitung 1931), CosackMltteis, Crome, Dernburg, Kohler.
§ 4
Das Schrittlum
des
Familienrechts.
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II. An k ü r z e r e n L e h r b u c h e r n und G r u n d r i s s e n seien genannta) Zum Recht des BGB. M i 11 e i s , Heinrich, in der von Kohlrausch und Kaskel herausgegebenen Enzyklopädie, ferner T i t z e in der Sammlung Göschen. b) Zum Recht der Familienordnung unter Berücksichtigung des Ehegesetzes von 1938: H. A. F i s c h e r , Personen-, Familien- und Erbrecht, 2. Auflage, aus „Die Verwaltungsakademie", I s e 1 e , Famiii« und Familienerbe, 2. Auflage 1942, D i e t z , Rolf, Deutsches Personen-, Familien- und Erbrecht Bd. 1 1943. D i e s e W e r k e kommen, s o w e i t sie sich mit d e n a u f g e h o b e n e n n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n G e s e t z e n b e f a s s e n und Entscheidungen verwerten, d i e t y p i s c h n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e m R e c h t s d e n k e n entsprechen, als Quelle nach dem G e s e t z N r . 1 d e r Militärregierung (vgl. o b e n § 1 III) nicht mehr in Betracht
III. Von den K o m m e n t a r e n zum BGB. seien genannt: A c h i l l e s G r e i f f . Das BGB. 18. Auflage 1944, P a l a n d t , Kurzkommentar (6) 1944 P l a n c k , 4. Auflage, v. S t a u d i n g e r , 9. Auflage, S c h l e g e l b e r g e r V o'g e 1 s , im Erscheinen, R e i c h s g e r i c h t s r ä t e k o m m e n t a r , 9. Auflage, S o e r g e l (7) 1939, W a r n e y e r , Das bürgerliche Gesetzbuch (10) 1942. Auch d i e s e Kommentare sind, s o w e i t sie n a c h 1933 e r s c h i e n e n sind u n d nationals o z i a l i s t i s c h e G e s e t z e , d i e a u f g e h o b e n sind, k o m m e n t i e r e n o d e r E n t s c h e i d u n g e n verwerten, die t y p i s c h nationalsozialistischem R e c h t s d e n k e n e n t s p r u n g e n sind, als Quellen nicht verwertbar
IV. Z u r R e c h t s v e r g l e i c h u n g : B o s c h a n , Europäisches Familienrecht 1937, S c h l e g e l b e r g e r, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch. V. An n e u e n Zeitschriften sind zu nennen: DRZ. (Deutsche Rechtszeitschrift), herausgegeben von Bader; SdJZ. (Süddeutsche Juristenzeitung) herausgegeben von Geiler. VI. Einzeldarstellungen von allgemeiner Bedeutung: W i e r u s z o w s k i , Handbuch des Eherechts, 1900, 1904, N e u s t a d t , Kritische Studien zum Familienrecht 1907, W e b e r , Marianne, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, Das E h e b u c h , angeregt und herausgegeben von Graf Hermann K e y s e r l i n g , 1925, H e y e r , im Staatslexikon der Görres.Ges. 4 I, D ö l l e , Neues Eherecht in „Die Gegenwart" 1946 S. 17—20.
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§ 5 I W e s e n der Ehe
— § 5 II
Kirchliches und weltliches Eherecht.
I. A b s c h n i t t .
Eherecht Wesen der Ehe. — Kirchliches und weltliches Eherecht. I. Die E h e ist die rechtlich anerkannte und geregelte vertragliche Verbindung von Mann und Frau zu ungeteilter und dauernder Lebensgemeinschaft. Das Gesetz hat eine Begriffsbestimmung unterlassen Gleichwohl ist man sich über die aufgestellten Merkmale einig, die dem sittlichen Idealbild einer Geschlechtsverbindung entsprechen, wie es der europäischen Kulturwelt gemeinsam ist.
Wesentlich ist zunächst die Anerkennnung und Regelung einer solchen Verbindung durch die R e c h t s o r d n u n g ; die Ehe ist ein R e c h t s Verhältnis. Damit wäre an sich vereinbar, daß der Staat die nähere Regelung der Voraussetzungen und Formen des Eheschlusses einer anderen Macht, der Kirche, überlassen würde, wie das während des ganzen späteren Mittelalters der Fall war. Das BGB. steht nicht auf diesem Standpunkt, sondern regelt das Ehewesen s e l b s t ä n d i g mit Rücksicht auf die s t a a t l i c h e n Bedürfnisse. Die Regelung erfolgt ferner e r s c h ö p f e n d und a u s s c h l i e ß l i c h , versagt also jeder anderen Geschlechtsverbindung als der nach den Vorschriften des Gesetzes geschlossenen — den Charakter und die Rechtsfolgen der Ehe. Es gibt nach BGB. nur e i n e Ehe und das ist die seinen Vorschriften entsprechende. II. Die Ehe als i n n i g s t e Lebensgemeinschaft zweier Menschen, die mit der Fortpflanzung des Geschlechts geradezu an der göttlichen Schöpfertätigkeit teilnehmen, ist eben deshalb auch ein religiöses Verhältnis. Ihre Beziehung zur Religion zeigt sich bei allen Völkern und kommt namentlich in den r e l i g i ö s e n F o r m e n der Eheschließung zur Erscheinung. Vor allem wird die religiöse Natur des Ehebundes von der k a t h o l i s c h e n Kirche betont. Ihr ist die Ehe ein geistlich Ding, eine von Gott eingesetzte Einrichtung, ein S a k r a m e n t . Daher nimmt sie die E h e g e s e t z g e b u n g und E h e g e r i c h t s b a r k e i t — soweit es sich nicht um die bürgerliche Seite (Registrierung und vermögensrechtliche Wirkungen) handelt — a u s s c h l i e ß l i c h f ü r s i c h in Anspruch; sie verlangt für die kirchliche Eheordnung, die in der Offenbarung wurzelt, den V o r r a n g vor dem weltlichen Recht.
$ 5 II
K i r c h l i c h e ^ und w e l t l i c h e s E b e r e c h t .
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In dieser Schärfe ist der kirchliche Standpunkt erst allmählich entwickelt worden. Bis zum 10. Jahrhundert hat die Kirche die staatliche Ordnung des Ehewesens hingenommen und nur versucht, das weltliche Recht in einzelnen Punkten zu beeinflussen. In dem Maße, wie das kirchliche Gesetzgebungsrecht auch auf anderen Gebieten anerkannt und die kirchliche Eheordnung ausgebildet wurde, eroberte im späteren Mittelalter die Kirche das ganze Gebiet des Ehewesens für sich, das weltliche Eherecht verschwand. Erst der n e u z e i t l i c h e , p a r i t ä t i s c h e S t a a t vermochte das verlorene Gebiet zurückzugewinnen und die Ordnung des Ehewesens als eine a u s s c h l i e ß l i c h e Aufgabe der w e l t l i c h e n Gesetzgebung durchzuführen. Das geistige Rüstzeug lieferten ihm die Lehren der Reformatoren — nach Luther ist die Ehe ein „äußerlich, weltlich Ding" —, die Unterscheidung der gallikanischen Theologen zwischen dem Ehevertrag und dem Sakrament, und die Schriften der Naturrechtslehrer und Philosophen der Aufklärungszeit, die die Sakramentsnatur der Ehe leugneten und diese als einen reinen contractus civilis auffaßten. Die p r a k t i s c h e N o t w e n d i g k e i t zur Ausbildung eines s t a a t l i c h e n , k o n f e s s i o n s l o s e n Eherechts ergab sich aus den Grundsätzen der Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Gleichberechtigung der Konfessionen; die Mischehen und die Ehen der Dissidenten (Freigläubigen) konnten den Vorschriften eines konfessionellen Eherechts nicht wohl unterworfen werden. Auch das selbständige, staatliche Eherecht, das ohne Rücksicht auf kirchliche Anforderungen das Ehewesen rein aus staatlichen Notwendigkeiten zu ordnen sucht, hat sich erst allmählich ausgebildet, namentlich ließ es der Staat lange bei den k i r c h l i c h e n F o r m e n der Eheschließung bewenden und regelte anfänglich nur die Ehehindernisse und die Ehescheidung selbständig, so z. B. das Preuß. ALR. und das Osterr. Allg. Bürg. Gesetzbuch. W o der Staat auch eine b ü r g e r l i c h r e c h t l i c h e F o r m der Eheschließung geschaffen hat, spricht man von Z i v i l e h e , und zwar: von N o t z i v i l e h e , wo eine solche Form nur für gewisse Gruppen (Dissidenten, Juden) vorgesehen ist oder für den Fall, daß der Geistliche die kirchliche Trauung verweigert; von f a k u l t a t i v e r (Wahl-) Z i v i l e h e , w o den Brautleuten die Wahl zwischen der kirchlichen und staatlichen Form gelassen wird — so in England, Schweden, Norwegen, Island, Dänemark, der Tschechoslowakei, Italien; von o b l i g a t o r i s c h e r Zivilehe, w o der Staat n u r die Ehe als gültig anerkennt, die in den von i h m vorgeschriebenen Formen geschlossen ist — so in Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien, der Schweiz, Ungarn, Rumänien, Portugal, Sowjet-Rußland. Den Gedanken der bürgerlichen Ehe in reiner Form für alle Staatsbürger hat zuerst Frankreich (1792) verwirklicht. Le mariage sera- célébré publiquement devant l'officier civil du domicile de l'une des deux parties (art 165 c. c !
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{ 5 II
Kirchliches und weltliches
Eherecht.
Für D e u t s c h l a n d hat erst das ReichspersonenstandsG. v. 6. II. 187G die obligatorische Zivilehe eingeführt, die kirchliche Gerichtsbarkeit beseitigt und die Ehehindernisse (aber nicht deren Wirkungen) näher bestimmt. Das BGB. hat den eherechtlichen Inhalt des PersonenstandsG. in der Hauptsache übernommen, ihn aber folgerichtig zu einem geschlossenen Eherecht ausgestaltet. Dessen Inhalt steht in wesentlichen Punkten mit dem Eherecht der katholischen Kirche in Widerspruch, namentlich was die Voraussetzungen und die Form der Eheschließung (Zwangszivilehe) und das Scheidungsrecht angeht. Daran wäre das Zustandekommen des BGB. beinahe gescheitert, wenn nicht einige Zugeständnisse an die kirchlichen Kreise (Zentrum) die- Hauptgewissensbedenken ausgeräumt hätten. Bein förmliche Bedeutung hatte die Änderung der Überschrift des I. Abschnittes des IV Buchs in „ B ü r g e r l i c h e E h e " statt „ E h e " Damit wird nicht zugegeben, daß es neben der „bürgerlichen' noch eine zweite, die „ k i r c h l i c h e " Ehe gibt, sondern nur gesagt, daß, das tiesetz nur die b ü r g e r l i c h e Seite der (einen) Ehe regelt. Das darin liegende mittelbare Zugeständnis, dafl die Ehe auch eine religiöse Seite habe, daß die Beziehungen der Brautleute und Ehegatten zu ihrer Religionsgemeinschaft ihnen besondere kirchliche Pflichten auferlegen können, kommt noch klarer zum Ausdruck in dem ausdrücklichen Hinweis des $ 1S88 (des sog Kaiserparagraphen) auf diese Pflichten. Rechtliche Bedeutung hat dieser Paragraph aber nicht; das Gesetz will auf die kirchlichen Pflichten nur so weit hinweisen, als sie seinen Normen n i c h t widersprechen, Eine Annäherung an die katholische Auffassung lag in d e r Änderung der Eheschließungsform (1317) ¿gegenüber dem PersonenstandsG. Nach diesem w u r d e die Eheschließung vollendet erst durch den Ausspruch des Standesbeamten, daß e r die Eheleute nunmehr kraft des Gesetzes f ü r rechtmäßig v e r b u n d e n e Eheleute erkläre. Der Zusammenspruch w a r also entsprechend der p r o t e s t a n t i s c h e n Auffassung die entscheidende Handlung. Nach 1318 BGB dagegen w u r d e eine solche Erklärung des Standesbeamten nur mehr durch eine Sollvorschrift vorgeschrieben und hat rein feststellende Bedeutung die entscheidende Handlung liegt entsprechend der katholischen Auffassung in der vorhergegangenen Selbsttrauun,g durch die Verlobten; ebenso EheG. (13 und 14) Das sachlich wertvollste Zugeständnis war die Zulassung der bloßen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft statt d e r völligen Scheidung, die das EheG gestrichen hat
III. Wenn die Rechtsordnung das Ehewesen auch s e l b s t ä n d i g regelt, so schließt das nicht aus, daß sie s a c h l i c h stark von dem Inhalt des k i r c h l i c h e n Eherechts, das viele Jahrhunderte allein herrschend war, b e e i n f l u ß t wird. Nicht minder ist selbstverständlich, daß die gesetzliche Eheordnung n a c h dem s i t t l i c h e n I d e a l einer geschlechtlichen Verbindung von Mann und Weib gestaltet ist. Daraus ergeben sich fol gende R e c h t s g r u n d s ä t z e : 1. Der Grundsatz der f r e i e n V e r t i a g s e h e der G a t t e n . Als Begründungsakt der ehelichen Gemeinschaft ist anerkannt nur die f r e i e E i n i g u n g der künftigen G a t t e n s e l b s t , d e r e n f r e i e r V e r t r a g Das allein entspricht dem Gedanken der Ehe als eines Treubundes voll ausgereifter, sittlicher Persönlichkeiten. Raub- und Kaufehe gehören überwundenen Kulturepochen an. Die katholische Kirche hat das Verdienst, diesem Gedanken im Anschluß an das -spätere römische Recht zum Sieg verholfen zu haben. Consensus facit nuptias. 2. Der Grundsatz der U n g e t e i l t h e i t der Gemeinschaft. Auch das Z i e l der R e c h t s einrichtung der Ehe liegt in der Herstellung v ö l l i g e r Lebensgemeinschaft; dem sittlichen Ideal genügt die rein leibliche Ge-
5 5 III. Leitende Grundsätze des Eherechts
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schlechtsverbindung nicht, es erfordert auch geistige Gemeinschaft, die dem seelischen Bedürfnis nach Liebe und Gegenliebe, nach Ergänzung der Persönlichkeit gerecht wird. Schön drückt das aus die römischrechtliche Begriffsbestimmung: nuptiae sunt coniunctio maris et f e m i n a e ' e t consortium omnis vitae, divini et humani iuris communicatio, D. 23, 2, I. 21. Weil das Ziel der Rechtseinrichtung, nämlich die Herstellung vollkommener Lebensgemeinschaft, aus dem sittlichen Ideal der Geschlechtsverbindung gewonnen wird, ist es gleichgültig, ob der Ehevertrag s u b j e k tiv diesen Zweck verfolgt. Darauf kann die Rechtsordnung keine Rücksicht nehmen, die Rechtsfolgen der Ehe, also namentlich die Verpflichtung zu voller Lebensgemeinschaft, treten unabdingbar ein, sobald der Vertrag formgerecht geschlossen ist. Für die bloße Namensehe, nicht für die Staatsangehörigkeitsehe, macht aber EheG. § 10 eine Ausnahme.
3. Der Grundsatz der E i n p a a r i g k e i t der Ehe, der E i n e h e . Volle gegenseitige Hingabe ist mit der Vielmännerei und Vielweiberei unverträglich und nur bei Einheit der Ehe (Monogamie) denkbar. Die Ehe der heutigen Kulturwelt ist die E i n e h e . 4. Der Grundsatz der U n a u f l ö s l i c h k e i t der Ehe. Die Idee einer vollkommenen Lebensgemeinschaft verlangt, daß ihre D a u e r über die Wechselfälle des Geschicks hinausgehoben und unabhängig gemacht wird von der Willkür des einen oder des anderen Teils, zumal, wenn Kinder dem Ehebund entsprossen sind, deren Erziehung durch die Zerstörung des elterlichen Heimes Schaden leiden muß. Daher darf die Lösung des Bandes k e i n e s f a l l s i n s B e l i e b e n der G a t t e n gestellt werden. Fraglich kann nur sein, ob die Trennung der Ehe unter erschwerten, richterlich nachzuprüfenden Voraussetzungen a u s n a h m s w e i s e zuzulassen ist. Die katholische Kirche lehnt derartige Ausnahmen aus religiösen und ethischen Gründen schlechthin ab und erblickt in der Unlöslichkeit der Ehe einen W e s e n s z u g der von Christus selbst gestifteten Einrichtung. Protestantismus und neuzeitlicher Staat, für die mystische Beweggründe ausscheiden, sehen in der ausnahmslosen-Unlöslichkeit eine Überspannung an sich berechtigter sittlicher und sozialer Erwägungen. Sie erkennen die Löslichkeit a u s n a h m s w e i s e an, wenn die Festhaltung der Gatten am Ehebande zu einem die Persönlichkeit zerbrechenden oder doch für sie unerträglichen Zwange führen müßte, ü b e r die nähere Bestimmung der Ausnahmefälle gehen die Ansichten und Rechtsordnungen auseinander. statis Reiche 1932: Die Zahl 1941: 62 323.
t i s c h e s : Die Zahl der E h e s c h l i e ß u n g e n betrug im Deutschen 509 597; 1938: 645 062; 1939: 217 947; 1940 : 613 103; 1941: 504745; 1942: 525459. der E h e s c h e i d u n g e n b e t r u g 1932: 42 202; 1939 : 61 789; 1940 : 59 106; Auf 10 000 b e s t e h e n d e Ehen entfielen 1932: 29,7; 1939: 38,3.
24
9 6 1. W e s e n und Rechtsnatur des
Verlöbnisses
I. Titel: Das Verlöbnis G e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k.1 u n g. 1. Das spätere r ö m i s c h e Recht unterscheidet von dem Vertrag auf g e g e n w ä r t i g e Schließung der Ehe (sponsalia de praesenti) den Vertrag auf k ü n f t i g e Schließung (sponsalia de futuro, Verlöbnis), der formlos und unklagbar war. 2. Das g e r m a n i s c h e Recht zerlegte nach Übergang zur K a u f e h e den E h e s c h l u ß in zwei Teile, den Kaufvertrag (die Verlobung) und die Übergabe der Braut (traditio, Trauung). An dieser Zweiteilung hielt man fest, als aus der Kaufehe ein freier V e r t r a g zwischen den Eheleuten selbst wurde. Dem eigentlichen EheschluO ließ man vorhergehen einen förmlichen Vorvertrag, gerichtet auf Abgabe der Eheschließungserklärungen. Aus ihm erwuchsen schuldrechtliche und personenrechtliche Wirkungen; die Verpflichtung zur Eingehung der Ehe w a r klagbar und vollstreckbar. 3. Das k a n o n i s c h e Verlöbnisrecht, das das weltliche verdrängte, übernahm die Erfüllungsklage (ohne Vollstreckungszwang) aus dem deutschen Recht — actio "matrimonialis oder ex sponsu —, schloß sich aber im übrigen dem römischen Recht an, also: Formlosigkeit des Verlöbnisses, das nicht als Teil der Eheschließung, sondern als selbständiger Vorvertrag aufgefaßt wuide. 1907 hat die katholische Kirche das Verlöbnisrecht reformiert. Nach cod. iur. canonici (1017 } 1) ist Voraussetzung der Gültigkeit schriftlicher Abschluß v o r Pfarrer oder Bischof oder zwei Zeugen. Keine Klage auf Eheschließung mehr! 4. Die staatliche Gesetzgebung der Neuzeit hat sich immer mehr vom Gedanken des Erfüllungszwanges abgewandt und die Wirkung des Verlöbnisses auf einen Schadensersatzanspruch bei ungerechtfertigtem Rücktritt beschränkt; so schon praktisch Preuß. ALR. II 1, $ 82, Sächs, BGB. 1579, das englische, schweizerische, schwedische, dänische Recht — und das BGB. 1297 ff.
I. W e s e n
und R e c h t s n a t u r
des V e r l ö b n i s s e s
nach
BGB.
Der Eheschließung geht in der Regel ein Brautstand (Verlöbnis) v o r aus. Dieser wird begründet durch das w e c h s e l s e i t i g e Versprec h e n k ü n f t i g e r Eheschließung (ebenfalls Verlöbnis genannt). Sein Z w e c k ist n i c h t , eine P r ü f u n g s z e i t einzuleiten, sonst könnte grundloser Rücktritt nicht ersatzpflichtig machen (1298), sein Zweck ist vielmehr, den U b e r g a n g v o m F r e m d s e i n zum späteren ehelichen V e r t r a u t s e i n zu erleichtern, und die engeren Beziehungen zwischen den Brautleuten der Gesellschaft gegenüber zu r e c h t f e r t i g e n . Uber die R e c h t s n a t u r des Verlöbnisses herrscht Streit. Es stehen sich gegenüber: die V e r t r a g s theorie, die das Verlöbnis als schuldrechtlichen Veit rag im Sinne des Allgemeinen Teils ansieht, die T a t s ä c h l i c h k e i t s t h e o r i e , die in der Verlobung einen sozialen, rechtlich nicht näher geregelten V e r t r a g erblickt, und endlich die Theorie des f a m i l i e n r e c h t l i c h e n Vertrags, der unmittelbar auf die Begründung eines Gemeinschaftsverhältnisses (des Brautstandes) gerichtet ist, auf den w e g e n seiner sozialrechtlichen Eigenart die Vorschriften der §§ 107 ff. BGB. übeT Willenserklärungen keine unmittelbare Anwendung finden können. Die Stellungnahme zu diesen Theorien ist p r a k t i s c h bedeutsam, weil über die näheren Voraussetzungen eines wirksamen Verlöbnisses im Gesetz nichts gesagt ist. Wissenschaft und Rechtsprechung müssen diese Voraussetzungen also finden. M a n hat das meist im W e g e a p r i o r i s c h e r Konstruktion versucht. Für den, der sich zur Vertragstheorie bekennt, ergibt sich dann im W e g e logischer Sehlußfolgerung von selbst, daß für den Verlöbnisvertrag alle Erfordernisse maßgebend sind, die der Allgemeine Teil
5 6 1. Wesen und Rechtsnatur des
Verlöbnisses.
25
des BGB. für einen wirksamen Vertrag aufstellt. So die herrschende Lehre und das RG. 61 270; 80 89. Danach wäre z. B. ein Verlöbnis eines zwanzigjährigen Mädchens kein Verlöbnis im Rechtssinn, wenn der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung versagen würde; also kein Ersatzanspruch der grundlos verlassenen Braut (1298, 1300), kein Zeugnisverweigerungsrecht nach Zivil- und Strafprozeflrecht (383, 408 ZPO. 51, 76 StPO.), kein Strafausschließungsgrund bei Notstand und Begünstigung (52, 54, 257 II StGB.). Um diese zweckwidrigen Ergebnisse zu vermeiden, -wurde die T a t ; s ä c h l i c h k e i t s t h e o r i e entwickelt, die es ermöglichte, den Verlobungs t a t b e s t a n d der unmittelbaren-Anwendbarkeit der Vorschriften des Allgemeinen Teils über die Willenserklärungen zu entziehen und die Voraussetzungen des Verlöbnisses aus seiner sozialrechtlichen Natur zu entwickeln, namentlich die Fähigkeit zur Eingehung eines Verlöbnisses jedem zuzugestehen, der die genügende tatsächliche Reife zur Abgabe eines ernsthaften Eheversprechens hat. Unbefriedigend an dieser (in dei Vorauflage vertretenen) Theorie war freilich, daß sie bei dem Verlöbnis die r e c h t l i c h verpflichtende Kraft absprechen und n u r eine s i t t l i c h e Verpflichtung zur Erfüllung des Versprechens anerkennen konnte. Dieses Bedenken räumt aus die Theorie des f a m i 1 i e n rechtlichen, im Tatbestand nicht unmittelbar geregelten Vertrags. Nachdem die Erkenntnis durchgedrungen ist, daß die Vorschriften des Allgemeinen Teils über die Willenserklärungen nur Abstraktionen aus den angeschauten Tatbeständen des i n d i v i d u a l r e c h t l i c h e n , v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e n Verkehrs sind und deshalb auf. die s o z i a l r e c h t l i c h e n Geschäfte nicht unmittelbar, sondern nur vorsichtig analog angewandt werden dürfen, besteht kein Hindernis mehr, auch die rechtliche Verbindlichkeit des Verlöbnisses anzuerkennen und die Theorie des f a m i l i e n r e c h t l i c h e n V e r t r a g s als die zutreffende anzunehmen. Sie liefert die gesundesten Ergebnisse und entspricht am besten dem vernünftigen Willen des Gesetzes, der im Zweifel auf die zweckmäßigste Lösung gerichtet ist. II. D e r V e r l ö b n i s t a t b e s t a n d . Das Verlöbnis wird begründet durch einen V e r t r a g , genauer die erklärte Willensübereinstimmung zweier Personen verschiedenen Geschlechts., miteinander die Ehe eingehen zu wollen und das G e m e i n s c h a f t s Verhältnis des B r a u t s t a n d e s zu begründen, das ihre engeren Beziehungen der Gesellschaft gegenüber rechtfertigen soll. Mangels näherer gesetzlicher Regelung des Tatbestandes sind die V o r a u s s e t z u n g e n des Vertrags in vorsichtiger Analogie zu den Bestimmungen des Allgemeinen Teils über die Willenserklärung und der Sonderregelung des Ehegesetzes über Hie Erfordernisse der Eheschließung zu bestimmen. Daraus ergibt sich: * . 1. Das Verlöbnis unterliegt k e i n e r F o r m . Das macht die Abgrenzung zur bloßen Liebschaft schwierig. Wo einzelne Gesellschaftsschichten Formen ausgebildet haben (Ringwechsel, Anzeige), erleichtern diese die Feststellung
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S 6 II
Der Verlöbnistatbestand
eines Verlöbnisses, sind aber nicht wesentlich. Einer Feststellungsklage auf Bestehen oder Nichtbestehen des Verlöbnisses steht nichts im Wege. 2. V e r l o b u n g s f ä h i g k e i t deckt sich n i c h t mit Geschäftsfähigkeit, sondern verlangt nur tatsächlich genügende geistige Reife und Klarheit, um die Bedeutung des Eheversprechens zu erfassen. Daraus folgt: a) Die Verlobung eines Geschäfts u n f ä h i g e n ist nichtig. b) Die Verlobung eines Geschäfts b e s c h r ä n k t e n ist wirksam, wenn sie im konkreten Fall als ein ernsthaft gemeintes Eheversprechen eines hinreichend gereiften Menschen Anerkennung verlangt. Die fehlende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters schließt die Wirksamkeit nicht aus, begründet aber für den Geschäftsbeschränkten ein Recht zur Aufhebung (Lossage), ohne die Folgen, die ii 1298 ff. BGB. an den R ü c k t t ' t t knüpfen. Der gesetzliche Vertreter braucht der Aufhebung so wenig zustimmen, wie der Verlobung selbst. Er kann auch wegen ihrer höchstpersönlichen Natur die Aufhebung nicht selbst erklären; vgl. RG. 98, 13 (für den Rücktritt). Der volljährige Teil hat kein Recht zur Aufhebung wegen der fehlenden Einwilligung, sondern n u r ein R ü c k t r i t t s r e c h t mit den Rechtsfolgen der §§ 1298 ff. BGB., macht sich also durch einen Rücktritt, der nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt wird, ersatzpflichtig. Das Fehlen der Einwilligung für sich allein ist kein nichtiger Grund, wohl aber z. B. die Vorspiegelung der Einwilligung.
3. Mangel der E r n s t l i c h k e i t schließt die Annahme eines Verlöbnisses aus. Nichtig ist das s i m u l i e r t e Verlöbnis, z. B. das zwischen Dirne und Verbrecher, um der Zeugnispflicht zu entgehen. 4. I r r t u m , Z w a n g , B e t r u g begründen zwar kein Anfechtungsrecht nach 119 und 123, geben aber ein Recht zur Auflösung. Lag dem Irrtum ein Verschulden des Irrenden zugrunde, muß er den anderen Teil nach 1298 entschädigen. 5. S t e l l v e r t r e t u n g (im Willen) ist als V e r s t o ß » gegen die g u t e n Sitten grundsätzlich nicht anzuerkennen. Vertretung in der E r k 1 ä r u n g ist möglich; RG. 98, 13. 6. B e d i n g u n g und B e f r i s t u n g können das Verlöbnis unsittlich machen (z. B. die Bedingung, daß der Geschlechtsverkehr Folgen habe), brauchen das aber nicht. Unbedenklich ist z. B., das Verlöbnis von der Zustimmung der Elterfi abhängig zu machen. Regelmäßig wird man eine derartige Bedingung als Bedingung für den Eheschluß auffassen, die die Gültigkeit des Verlöbnisses nicht berühren soll; RG. 80, 91 7. Das Bestehen von E h e h i n d e r n i s s e n , die die Ehe nach dem Ehegesetz unheilbar nichtig machen, steht auch der Gültigkeit der Verlobung im Wege. 8. N i c h t i g ist endlich eine Verlobung, die g e g e n d i e g u t e n S i t t e n verstößt, wie z. B. das Verlöbnis eines Verheirateten oder bereits Verlobten; vgl. RG. 105, 245. III. D i e V e r l ö b n i s w i r k u n g e n . 1. Das Verlöbnis erzeugt nicht bloß eine s i t t l i c h e Pflicht zu einem dem Verlöbnis entsprechenden Verhalten und zür Eheschließung, sondern auch eine r e c h t l i c h e V e r p f l i c h t u n g dazu, die aber wegen des vorwiegend sittlichen Gehalts der Ehe nicht erzwungen werden kann. „Aus einem Verlöbnisse kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden" § 1297 I. Auch die m i t t e l b a r e Erzwingung des Eheversprechens, durch eine Vertragsstrafe, ist unzulässig, § 1297 II.
§ 6 III
Die Verlöbniswirkungen
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i 888 II ZPO versagt außerdem noch einer Verurteilung zur Eheschließung die Vollstreckbarkeit, was nur mehr für ein etwaiges ausländisches Urteil bedeutsam ist.
Das Verlöbnis hat ferner g e w i s s e p e r s o n e n r e c h t l i c h e Wirkungen der Ehe selbst. Der Verlobte ist „Angehöriger" im Sinne des StGB., was einen Strafausschließungsgrund bei „Notstand" und „Begünstigung" begründet (52, 54, 257 II StGB.), der Verlobte hat ein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses und Sachgutachtens im Zivil- und Strafprozeß (383, 408 ZPO.; 51, 76 StPO.). Die Erleichterungen zugunsten der Ehegatten bei Erbvertrag und Erbverzicht kommen auch den Verlobten zugute (§ 29 IV TestG., 2347, 2352, 3 BGB.). 2, Mit der Verneinung des RechtszwangS hängt innerlich zusammen die F r e i h e i t z u m R ü c k t r i t t vom Verlöbnis, die in § 1298 mittelbar anerkannt ist. Der Rücktritt löst das Verlöbnis stets und ausnahmslos auf. Jedoch ist zwischen g r u n d l o s e m und b e g r ü n d e t e m Rücktritt zu unterscheiden; jener erzeugt eine Schadenersatzpflicht, dieser nicht. Für die Rücktrittserklärung gilt grundsätzlich gleiches wie für die Verlobung selbst; RG. 98, 13; 141, 360. a) G r u n d l o s e r Rücktritt erzeugt S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e . Hä,ufig hat der Rücktritt Nachteile für den anderen Verlobten oder dritte zur Folge, die .im Vertrauen auf das Zustandekommen der Ehe gehandelt haben, z. B. die Aussteuer ist schon beschafft worden, ein Verlöbnisschmaus hat stattgefunden, eine Stellung ist aufgegeben worden usw. Wenn nun auch der Rücktritt mit Rücksicht auf die Persönlichkeit unbedingt freistehen muß, entspricht es doch der Billigkeit, den, der sein Wort ohne wichtigen Grund nicht einlöst, mit einer Entschädigungspflicht gegenüber dem vertrauenden Teil zu belasten. § i298 I. o) G r u n d - l o s ist der Rücktritt, wenn er „ o h n e wichtigen G r u n d'^ erfolgt (1298 III). Wie der grundlos Zurücktretende wird behandelt, wer d u r c h s e i n V e r s c h u l d e n dem andern einen wichtigen Rücktrittsgrund gibt (1299), also z. B. der Verlobte, der durch seine Untreue den andern zur Lösung des Verlöbnisses veranlaßt. Ebenso muß trotz Schweigens des Gesetzes behandelt werden, wer schuldhaft einen Rücktrittsgrund gibt und dann selbst *aus wichtigem Grund zurücktritt, z. B. wegen einer durch Untreue erlangten Geschlechtskrankheit. ß) Als w i c h t i g e r G r u n d werden von,, der Rechtsprechung nur T a t s a c h e n anerkannt, wonach einem Verlobten die Erfüllung des Eheversprechens b i l l i g e r w e i s e n i c h t z u g e m u t e t werden kann, wenn man die Anschauungen der Gesellschaftskreise der Verlobten berücksichtigt und die Umstände des einzelnen Falles o b j e k t i v würdigt. — Also z. B. Untreue, Mißhandlungen, Beleidigungen Angehöriger, schwere Krankheit, Vermögens verfall, schwere Charakterfehler, nicht dagegen ohne weiteres Versagung der nötigen väterlichen Einwilligung (RG. 58, 254), erst recht nicht der Mangel der elterlichen Einwilligung bei Volljährigkeit.
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$ 6 III. Die
Verlöbniswirkungen.
Auch die Erlangung der Uberzeugung: zueinander nicht zu passen, ist kein wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes, obwohl m o r a l i s c h darin der allerwichtigste Grund zum Rücktritt erblickt werden muß; andernfalls würde der Ersatzanspruch in den meisten Fällen bedeutungslos sein. y) Der Ersatzanspruch geht n i c h t auf das p o s i t i v e Interesse an der Eheschließung (das Erfüllungsinteresse), sondern nur auf das n e g a t i v e Interesse an der Kenntnis der Nichterfüllung des Eheversprechens (das Vertrauensinteresse). Zu ersetzen sind also nicht die Vorteile, die die Ehe gebracht hätte, sondern nur die Nachteile, die man nicht erlitten hätte, wenn man den späteren Rücktritt schon damals vorhergesehen hätte. ¿) Ersatz b e r e c h t i g t sind außer dem andern Verlobten auch dessen Eltern sowie Personen, die an Stelle der Eltern gehandelt haben (Pflegeeltern, Angehörige, Freunde usw.). Der Inhalt der Ansprüche ist aber je nach der Person der Ersatzberechtigten verschieden. E l t e r n u n d D r i t t e können n u r Ersatz des Schadens verlangen, der daraus erwachsen ist, daß sie während der Verlobungszeit in Erwartung der Ehe A u f w e n d u n g e n gemacht haben oder V e r b i n d l i c h k e i t e n eingegangen sind (129? I, 1): m a n denke an die Kosten des Verlobungsschmauses, der Verlobungsanzeigen, der Aussteuer, einer Reise _zu Verwandten usw Der v e r l a s s e n e V e r l o b t e kann d a r ü b e r h i n a u s auch das s o n s t i g e Vertrauensinteresse ersetzt verlangen, also namentlich die Einbußen durch andere Maßnahmen, die das Vermögen oder die Erwerbsstellung betrafen, z. B. durch Aufgabe einer Stellung, Aufgabe einer Wohnung, Wohnsitzverlegung
c. Grundsätzlich werden nur V e r m ö g e n s n a c h t e i l e , nicht aber Schädigungen in den p e r s ö n l i c h e n Verhältnissen ersetzt, also z. B. nicht der Schaden, den die Braut durch Ablehnung des Heiratsantrags eines anderen Bewerbers in der Zwischenzeit erlitten hat; das war keine Ausschlagung eines v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e n Erwerbes. Nur in einem Falle macht das Gesetz eine A u s n a h m e ; es gibt der u n b e s c h o l t e n e n Braut, die dem Bräutigam die B e i w o h n u n g gestattet hat, einen A n s p r u c h auf E r s a t z auch des n i c h t V e r m ö g e n s rechtlichen Schadens (Deflorationsanspruch, Kranzgeld). Dieser Genugtuungsanspruch ist höchstpersönlich und geht auf billige Entschädigung in Kapital oder Rente, namentlich wegen der verringerten Heiratsaussicht. Er erwächst n i c h t aus unerlaubter Handlung, sondern aus der getauschte^. Erwartung der Braut, ihr Fehltritt werde ihr wegen der versprochenen Ehe keinen Schaden bringen. Unbescholtenheit ist nicht gleich Jungfräulichkeit (auch eine W i t w e hat den Anspruch), sondern U n v e r s e h r t h e i t der Geschlechtsehre. Sie fehlt, wenn die tatsächlichen Grundlagen eines makellosen Rufes infolge geschlechtlicher Verfehlung erweislich verlorengegangen sind und dadurch auch in den Augen dritter der sittliche W e r t gelitten hat; RG. 14(, 147. Der Briutigam selbst aber, dem sich die Braut vor der Verlobung hingegeben hat, darf sie nicht bescheiten. RG. 52, 461 9t, 13.
b) A l l e E n d i g u n g s g r ü n d e des Verlöbnisses außer der Heirat — also grundloser und begründeter Rücktritt, wechselseitiges Einverständnis, Unmöglichkeit der Erfüllung und Tod — erzeugen grundsätzlich einen A n s p r u c h j e d e s V e r l o b t e n auf H e r a u s g a b e der B r a u t g e s c h e n k e nach Bereicherungsrecht (1301). Das ist aber n a c h g i e b i g e s
§ 7
Die
Form d e r E h e s c h l i e ß u n g
— Geschichtliche
Entwicklung
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Recht, lur den Fall des T o d e s eines Verlobten ist sogar im Z w e i f e l der Ausschluß der Rückforderung als gewollt anzusehen (1301, 2). Den B r a u t g e s c h e n k e n s t e h t gleich, w a s zum Z e i c h e n d e s V e r l ö b n i s s e s g e g e b e n w i r d ( V e r l o b u n g s r i n g ) , w o h l auch d i e Briefe. Der R ü c k f o r d e r u n g s a n s p r u c h e r g i b t sich s c h o n nach dem Recht d e r V o r a u s Setzung; d i e A n w e n d b a r k e i t d e s B e r e i c h e r u n g s r e c h t s f ü h r t nach 815 zum A u s s c h l u ß d e s R ü c k f o r d e r u n g s r e c h t s f ü r den G e b e r , der d i e Eheschließung w i d e r T r e u u n d G l a u b e n v e r h i n d e r t hat, was f r e i l i c h n i c h t o h n e w e i t e r e s bei j e d e m g r u n d l o s e n Rücktritt g e s a g t w e r d e n k a n n ; OLG. 41, 42.
c) Beide Ansprüche verjähren in zwei Jahren von der Auflösung des Verlöbnisses an (1302). Das gilt nicht für Ansprüche aus andern Gesichtspunkten, z. B. aus u n e r l a u b t e r Handlung, etwa aus einem B e t r u g oder einer Nötigung bei Eingehung des Verlöbnisses.
II. Titel: Die Eingehung der Ehe M a ß g e b e n d ist h e u t e das KontrRG. N r . 16 Ober die Ehe v o m 20. 2. 1946, d a s a n S t e l l e d e s nazistischen EheG. v o m 6. 7. 1936 g e t r e t e n ist. Dieses h a t t e b e r e i t s d i e §'} 1303—1352, 1564—1587, 1608 II, 1635—1637, 1699—1704, 1771 II S: 2 BGB a u ß e r K r a f t g e r e i z t ; vgl. § 84 des alten E h e G . S c h r i f t t u m . D ö l l e , N e u e s E h e r e c h t , G e g e n w a r t 1946 S. 17 f.; N i e s e r t , EheG von 46 T e x t a u s g a b e mit A n m . 1946; M i c h a e l i s , Das n e u e EheG 1947.
I. K a p i t e l . Die Form der Eheschließung. G e s c h i c h t l i c h e Ent c k 1 u n g. 1. W e n n man v o m F r a u e n r a u b absieht, d e r d e r g e s c h i c h t l i c h e n Vorzeit ang e h ö r t , darf man als die g e r m a n i s c h e Form d e r Eheschließung den F r a u e n k a u f (emptio puellae) b e z e i c h n e n . Er zerfiel in zwei T e i l e : in den K a u f v e r t r a g , d i e V e r l o b u n g , u n d in die U b e r g a b e d e r Braut, d i e T r a u u n g (traditio puellae). U r s p r ü n g l i c h w a r d a s ein V e r t r a g s s c h l u ß z w i s c h e n den S i p p e n : mit d e m M u n t w a 11 d e r B r a u t w u r d e n die B e d i n g u n g e n d e s K a u l s v e r e i n b a r t u n d i h m d e r K a u f p r e i s g e z a h l t ; b e i d e r T r a u u n g ü b e r g a b d e r M u n t w a l t dem B r ä u t i g a m die Braut. Allmählich t r a t e n die B r a u t l e u t e s e l b s t in den V o r d e r g r u n d , die B r a u t verlobt s i c h mit d e m Bräutigam, sie w i r d i h m n i c h t m e h r ü b e r g e b e n , s o n d e r n die Brautleute werden unter Teilnahme der Sippe z u s a m m e n g e ^ e b e n , der Kaufpreis w i r d z u r G a b e des Bräutigams an die B r a u t z w e c k s W i t w e n v e r s o r g u n g . D i e Kirche setzt d u r c h , daß d e r T r a u u n g ein K i r c h g a n g u n d g e i s t l i c h e S e g n u n g d e r Ehe folgt, im 11. J a h r h u n d e r t wird d i e T r a u u n g v o r d i e K i r c h e n t ü r v e r l e g t u n d in G e g e n w a r t d e s G e i s t l i c h e n v o r g e n o m m e n , der d a s P a a r s e g n e t ,,aus d e m Z u s a m m e n g e b e n w i r d e i n Z u s a m m e n s p r e c h e n " (Sohm). Endlich b e m ä c h t i g t s i c h d i e K i r c h e d e r T r a u ung ganz; die L a i e n t r a u u n g w i r d d u r c h d i e k i r c h l i c h e Trauung des G e i s t l i c h e n v e r d r ä n g t , der sie z u e r s t n o c h v o r , seit dem 16. J a h r h u n d e r t i n der Kirche vornimmt 2. N a c h k a t h o l i s c h e r , d e m r ö m i s c h e n Recht e n t s p r e c h e n d e n A u f f a s s u n g liegt a b e r d a s W e s e n t l i c h e b e i d e r E h e s c h l i e ß u n g n i c h t *in d e r T r a u u n g d u r c h d e n Geistlichem s o n d e r n in dem f r e i e n V e r t r a g s s c h l u ß d e r B r a u t l e u t e s e l b s t , m i t e i n a n d e r die Ehe e i n g e h e n zu w o l l e n , c o n s e n s u s facit n u p t i a s . Das ergibt sich auch a u s der s a k r a m e n t a l e n N a t u r d e r Ehe, w o n a c h die S p e n d e r d e s S a k i a m e n t s die G a t t e n selber sind, nicht "etwa d e r a s s i s t i e r e n d e o d e r k o p u l i e r e n d e Priester Die „ p r i e s t e r l i c h e T r a u u n g " folgt also dem Eheschluß n a c h , b e d e u t e t n u r F e s t s t e l l u n g und E i n s e g n u n g . Durch V e r l e g u n g des e h e b e g r ü n d e n d e n A k t e s in die K o n s e n s e r k l ä r u n g d e r G a t t e n w u r d e d i e Ehe auf e i n e h ö h e r e S t u f e g e h o b e n , u n d ihrem p e r s ö n l i c h e n u n d s i t t l i c h e n C h a r a k t e r in b e s o n d e r e m M a ß e R e c h n u n g g e t r a g e n . I n d e s s e n e r g a b sich a u s dem Satz, daß z u r G ü l t i g k e i t d e s E h e s c h l u s s e s d i e e i n f a c h e K o n s e n s e r k l ä r u n g genüge, a u c h die n a c h t e i l i g e Folge, d a ß h e i m l i c h e Ehen (matrimonia clandestina) g e s c h l o s s e n w e r d e n konnten, und d a ß die U n t e r s c h e i d u n g d e r V e r l o b u n g (sponsalla d e f u t u r o ) v o m e i g e n t l i c h e n Eheschluß (sponsalia d e p r a e s e n t i sc matrimonio) erschwert wurde Um d i e s e n M i ß s t ä n d e n a b z u h e l f e n und die O f f e n k u n d i g k e i t d e r Eheschließung zu sichern, m a c h t e das K o n z i l v o n T r i e n t 1563 (decretum tametsi, sessio XXIV
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§ 1. (Die Eheschirefiungsform des BGB de ref matrim. c 1 ) die Mitwirkung eines Geistlichen und zweier Zeugen zu einer w e s e n t l i c h e n F o r m der Eheschließung, deren Mangel einen Ehenichtigkeitsgrund bedeutet. Zuständig war der e i g e n e Pfarser (parochus proprius), d. h. der Pfarrer des Domizils, Quasidomizils oder (bei Heimatlosen) des Aufenthaltsortes eines der Verlobten (und der entsprechende Ordinarius proprius). Es genügte „ p a s s i v e Assistenz", es war also eihe Überrumpelung möglich. Die tridentinische Eheschließungsform galt aber nur da, wo das decretum tametsi verkündet war, was in manchen nicht katholischen oder gemischt-konfessionellen Ländern (GroBbritannien, nordische Staaten, in großen Teilen Deutschlands und der Schweiz) unterblieben ist. Daher konnte hier eine Ehe qpch vortridentinischem Recht geschlossen werden und wurde auch die bloße Zivilehe als kirchlich gültige Ehe anerkennt. Dem machte die Bulle Pius X. ..ProVida" vom 18. Januar 1906 ein Ende, indem sie für alle Ehen die tridentinische Form vorschrieb. Am 3. Augqst 1907 erging dann das Dekret ,,ne fernere"; das die tridentinisctie Form so umgestaltete, wie sie beute im wesentlichen in den codex iuris canonici von 1917 c. 1094 ff. übergegangen ist. Zur Gültigkeit der Ehe genügt heute nicht mehr rein passive Assistenz, vielmehr muß der Pfarrer f r e i w i l l i g mitwirken (neque vi neque metu gravi constrictus). Zuständig ist heute jeder Pfarrer innerhalb seines Spiengels, an Stelle des parochus proprius ist also getreten der O r t s pfarrer (oder der Ordinarius loci bzw. der von ihnen ermächtigte Priester). Sind die zuständigen Geistlichen nicht wohl erreichbar, so, kann ausnahmsweise die Ehe nach can. 1098 vor zwei Zeugen geschlossen werden, wenn Lebensgefahr besteht oder die Unerreichbarkeit voraussichtlich einen Monat dauern wird. Nach can. 1099 cod. iur. can. gilt die kirchliche Eheschließungsform nicht bloß für die Ehen von Katholiken, sondern auch von Katholiken mit Akatholiken (Mischehen). Dagegen gilt sie n i c h t f ü r r e i n a k a t h o l i s c h e Ehen! Die nicht vor dem katholischen Pfarrer eingegangene Mischehe ist also nach katholischem Kirchenrecht ein „Konkubinat", während die standesamtliche Trauung von Akatholiken nach dem Satz „consensus facit nuptias" als gültige Ehe im kirchlichen Sinne anerkannt wird. 3. In der e v a n g e l i s c h e n Kirche hat sich ein einheitliches Eherecht nur langsam entwickelt. Seit dem 18. Jahrhundert wird die k i r c h l i c h e Trauung als der d i e E h e b e g r ü n d e n d e Akt anerkannt, d. h. die Ehe wird auf Grund der vor dem Pfarrer abgegebenen Eheschließungserklärungen der Brautleute d u r c h die H a n d l u n g des G e i s t l i c h e n (Zusammensprechen und Segnung) geschlossen. 4. Das Bestreben, die kirchliche und staatliche Seite der Ehe zu trennen und ein s e l b s t ä n d i g e s w e i t liches Eherecht zu schaffen, hat im Lauf des 19. Jahrhunderts zum Sieg w e l t l i c h e r Eheschließungsformen in fast allen Kulturstaaten geführt. Die Zwangszivilehe, schon eine Forderung der Grundrechte (1848) ist in Preußen durch Gesetz vom 9. März 1874 und für das deutsche Reich durch das Personenstandsgesetz vom 6. II. 1875 eingeführt worden — Kulturkampf 1 Danach kann eine gültige Ehe' n u r v o r d e m S t a n d e s b e a m t e n in Gegenwart z w e i e r Z e u g e n geschlossen werden; der Standesbeamte hat an die Verlobten einzeln und nacheinander die Frage zu richten, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen und nach bejahender Antwort zu erklären, daß sie nunmehr kraft des Gesetzes rechtmäßig, verbundene Eheleute seien. Das BGB. hat diese Form im wesentlichen übernommen (1317), sie aber ihres kirchenfeindlichen Charakters entkleidet (1S88). An Stelle der §§ 1303—1352 trat später das Ehegesetz vom 6. 7. 1938, das als ein nationalsozialistisches Gesetz durch das Kontrollratgeset^ vom 20. 2. 1946 aufgehoben und ersetzt wurde.
D i e E h e s c h l i e ß u n g s f o r m d e s E h e G. v o m 20. 2. 1946. Das EheG. stellt w e s e n t l i c h e Erfordernisse auf (M u ß Vorschriften) und n i c h t wesentliche (bloße Ordnungs- oder S o 11 Vorschriften); das Fehlen der ersteren macht die Ehe ungültig, das der letzteren hindert die Gültigkeit nicht, macht aber den Eheschluß unerlaubt. Die Förmlichkeiten gehen z. T. der Eheschließung voraus, z. T. betreffen sie den Akt selbst, z. T. folgen sie ihm nach. Mußerfordernisse sind nur für den Akt selbst aufgestellt. I. V o r h e r g e h e n d e Förmlichkeiten, von deren Beobachtung die Gültigkeit der Ehe nicht abhängt — Sollvorschriften,
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Die Eheschließungsform des BGB
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Der Eheschließung soll regelmäßig ein vom Standesbeamten anzuordnendes A u f g e b o t (Bekanntmachung der Personalien) vorhergehen, um Ehehindernisse zur amtlichen Kenntnis zu bringen und den Abschluß unerlaubter Ehen zu hindern (PersStG. 3). Diesen Zweck vermag das Aufgebot aber heute allenfalls noch auf dem Lande und in der Kleinstadt zu erreichen, da die Form der Bekanntmachung (vierzehntägiger A u s h a n g am Standesamt und Rats- oder Gemeindehaus der Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsgemeinde) fi>r die Großstädte wenig Erfolg verspricht. Die aus dem kanonischen Recht stammende Einrichtung ist v e r a l t e t . Das Aufgebot darf unterbleiben bei lebensgefährlicher Erkrankung eines Verlobten, ferner auf Grund Befreiung (} 12 II und III EheG.)
Der Mangel des Aufgebots ist a u f s c h i e b e n d e s Ehehindernis. Sein Unterbleiben hat keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Ehe. Der Standesbeamte darf das Aufgebot aber nur erlassen, wenn er ein Ehehindernis nicht für gegeben hält .(5 PStG.). Zum Nachweis der E h e f ä h i g,k e i t haben die Verlobten eine beglaubigte Abschrift aus -dem Familienbuch beizubringen § 5 II PStG. II. F ö r m l i c h k e i t e n d e s E h e s c h l i e ß u n g s a k t e s s e l b s t . 1. W e s e n t l i c h e Förmlichkeiten (M u ß erfordernisse) deren Mangel die Nichtigkeit der Ehe (oder doch ihre Vernichtbarkeit) zur Folge hat (11, 13, 17 EheG.). Die p e r s ö n l i c h und g l e i c h z e i t i g anwesenden Verlobten müssen v o r einem S t a n d e s b e a m t e n u n b e d i n g t und U n b e f r i s t e t erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Der Beamte kann die Entgegennahme der Erklärungen verweigern, er muß b e r e i t sein (11 und 13 EheG.). Die Ehe s o 11 vor dem z u s t ä n d i g e n Standesbeamten geschlossen werden. Z u s t ä n d i g ist der Standesbeamte, in dessen Bezirk e i n e r der Verlobten seinen W o h n s i t z oder seinen g e w ö h n l i c h e n A u f e n t h a l t hat. Unter mehreren zuständigen Standesbeamten haben die Verlobten die Wahl. Ist danach kein Standesbeamter in beutschland zuständig, so ist der Standesbeamte des Standesamtes I in Berlin oder der Hauptstandesämter in München, Baden-Baden und Hamburg zuständig. Der nach dem Gesetz zuständige Standesbeamte kann einen anderen zur Eheschließung ermächtigen (15 EheG.). A u ß e r h a l b s e i n e s A m t s b e r e i c h s ist der Standesbeamte überhaupt n i c h t S t a n d e s b e a m t e r . Um nichtige Eheschlüsse zu verhindern, stellt aber § 11 II EheG. der Mitwirkung eines Standesbeamten gleich die Mitwirkung einer Person, die, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines Standesbeamten ö f f e n t l i c h a u s g e ü b t hat; doch muß die Ehe in das Familienbuch eingetragen werden. Mangels solcher Eintragung liegt in derartigen Fällen überhaupt keine Ehe, auch keine vernichtbare, sondern nur eine Nichtehe vor; vgt unten § 9 I. Wenn dagegen ein w i r k l i c h e r Standesbeamter in s e i n e m A m t s b e z i r k bei einem Eheschluß, ohne für d i e s e Verlobten z u s t ä n d i g zu sein, mitwirkt, so steht das der Gültigkeit der Ehe nicht im Wege, selbst wenn die Eintragung in das Familienbuch unterbleibt.
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$ 7. Die Eheschließungsform des 6GB.
2. U n wesentliche Förmlichkeiten ( S o l l Vorschriften), deren Mangel die Gültigkeit der Ehe nicht berührt. a) Mitwirken s o l l der z u s t ä n d i g e Standesbeamte oder der von diesem schriftlich ermächtigte Standesbeamte (15 EheG.). Der Standesbeamte wird von den Gemeinden mit Zustimmung der unteren Verwaltungsbehörde bestellt, VO. v. 22. 6. 1942. Regelmäßig ist der Bürgermeister zu bestellen; in Gemeinden, die einen Stadtkreis bilden, müssen, in anderen Gemeinden können besondere Beamte als Standesbeamte bestellt werden; 53 PersStG. Innerbalb seines Amtsbezirks ist er nur nach Mafigabe des § 15 EheG. zuständig (siehe oben unter 1). Außerhalb seines Amtsbezirks ist er nicht bloß unzuständig, sondern überhaupt nicht Standesbeamter. Deshalb die Schutzvorschrift des § Ii II EheG.
b) Z w e i Z e u g e n s o l l e n zugezogen werden (Näheres 14 EheG.).. c) Der Standesbeamte s o 11 an die Verlobten einzeln und nacheinander die Frage richten, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen (14 I EheG.). d) Nach Bejahung dieser Frage s o l l der Standesbeamte im „ N a m e n d e s R e c h t s " aussprechen, daß die Verlobten nunmehr rechtmäßig verbundene Eheleute seien. Dieser Ausspruch hat aber n u r feststellende Bedeutung, ist unwesentlich, vorheriger Tod eines der Verlobten w ä r e unschädlich.,
III. Dem Eheschluß n a c h f o l g e n d e Förmlichkeiten (Sollvorschriften). Der Standesbeamte s o l l die Eheschließung in das F a m i l i e n b u c h eintragen (14 II EheG.), in dem für jede neu gegründete Familie ein besonderes Blatt eröffnet wird (9 PStG.). Die näheren Vorschriften trifft PersStG. 10 ff. Die Eintragung in .das Familienbuch ist w e s e n t l i c h nuc in dem Fall, wenn die Ehe vor einem Scheinstandesbeamten geschlossen wird (siehe ob. unter 1). Sonst ist ihr Unterbleiben auf den Bestand der Ehe ohne Einlluß, beweist aber den EheschlieBungsvorgang, so w i e er beurkundet ist (60 PStG.). Der Nachweis d e r Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig.
IV. B e s o n d e r e E h e s c h l i e ß u n g s f o r m e n . 1. F e r n t r a u u n g . Für Angehörige der Wehrmacht hat die Personenstands VO. der Wehrmacht vom 4. 11. 1943 besondere Eheschließungsformen eingeführt. a) Es war auch der Standesbeamte für die Eheschließung zuständig, in dessen Bezirk sich ein Verlobter a u f h i e 11 (§ 12 WPStVO.). b) Der W e h r m a c h t a n g e h ö . r i g e , der an einem Kriege, einem, kriegsähnlichen Unternehmen oder einem besonderen Einsatz teilnahm und seinen Standort verlassen hatte, konnte sich f e r n t r a u e n lassen. Die Eheschließungserklärung der Frau konnte y ° r dem Standesbeamten unter Abwesenheit des Mannes abgegeben werden, wenn dieser seine Eheschließungserklärung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (2 Monate, später 6 Monate) vorher vor der zuständigen Wehrmachtsdienststelle abgegeben hatte. Mit der Erklärung der Braut vor dem Standesbeamten kam die Ehe zustande, und zwar-auch dann, wenn der Mann in der Zwischenzeit verstorben war. In diesem Falle galt die Ehe an dem Tage geschlossen, an dem der Mann seinen Eheschließungswillen gegenüber der Wehrmachtsteile zur Niederschrift erklärt hatte (§ 19 WPStVO.).
5 7 IV
Besondere
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Eheschließungsformen
Die gleiche Möglichkeit wurde später den Angehörigen der Waffen-SS und in den Ostgebieten, im Generalgouvernement und außerhalb d e ; Reichsgebietes der Polizei eröffnet (Erlaß vom 28. 12. 1939, RMBliV 1940 S. 13/24. 4. 1940 RMBliV S. 825 für die Waffen-SSi Erl. v 9, 9. 1940 RMBliV S. 1807 für die Polizei). Endlich konnte die Ehe im Ausland, aber auch im Inland, wenn kein Standesbeamter vorhanden war (Räumungsgebiet), vor dem deutschen richterlichen Militärjustizbeamten geschlossen werden. Hier erfolgte der Eheschluß grundsätzlich in den allgemeinen Formen des deutschen Rechts, doch war auch Ferntrauung zulässig.
Gegen die Gültigkeit dieser Ehen erheben Bedenken.
sjch
keine
allgemeinen
2. N a c h t r ä g l i c h e E h e s c h l i e ß u n g . Weiterhin wurde auf Grund eines vertraulichen Ründerlasses des RMdl. vom 15, 6.1943 die Möglichkeit eiher n a c h t r ä g l i c h e n E h e s c h l i e B u n g anerkannt. Danach konnte die Braut eines gefallenen Wehrmachtangehörigen einen entsprechenden Antrag an die untere oder obere Verwaltungsbehörde richten, die ihn dem RMdl. vorzulegen hatte. Dieser beauftragte die Aufsichtsbehörde und durch sie den Standesbeamten mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine nachträgliche EheschlieBung im konkreten Fall gegeben seien. Als einzige Voraussetzung kam grundsätzlich die bis zum Tode des Gefallenen nicht aufgegebene, ernstliche Eheschließungsabsicht in Betracht, bei. deren Prüfung großzügig verfahren werden sollte, wenn ein Kind des Gefallenen vorhanden oder zu erwarten war. Bei Bejahung der Voraussetzung erging eine Eheschließungsanordnung des RM. Auf Grund derselben wurde die Eheschließung in den für sie allgemein vorgesehenen Formen vollzogen. Der für den Aufenthaltsort der Verlobten zuständig^ Beamte richtete an J i e erschienene Frau die Frage, ob sie die nachträgliche Ehe mit dem gefallenen Verlobten eingehen wolle und sprach dann im Namen des Reichs und auf Anordnung des hierzu besonders ermächtigten Reichsministers des Innern aus, daß die Ehe hiermit rechtmäßig geschlossen werde und daß die Braut nunmehr die rechtmäßig verbundene Ehefrau des 'am so und sovielten gefallenen Verlobten sei, und zwar nachträglich mit Wirkung von dem Tage ab, der dem Sterbetag des Ehemannes vorausgegangen war. Die Rechtsgültigkeit dieser nachträglichen Ehen ist vielfach bezweifelt worden, weil dem g e h e i m e n Ministerialerlaß, der sich auf einen n i c h t n a c h w e i s b a r e n F ü h r e r e r l a ß stützte, die R e c h t s g r ü n d i a g v e fehle. Diese Erlasse sind niemals in der für Rechtsnormen erforderlichen Weise veröffentlicht wordeni bloße Verwaltungsakte können aber die Eheschließungsformen des bürgerlichen Rechts, nicht abändern. Wenn man gleichwohl die vor Inkrafttreten des Ehegesetzes von 1946 vollzogenen nachträglichen Eheschließungen anerkennen will, muß man eine g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h e Bildung annehmen; so LG. Verden vom 8.8.1946 und zustimmend D o l l e , DRZ. 47, 39 ff. Dann taucht aber die Frage auf, wie man diejenigen nachträglichen Ehen behandeln soll, die in mißbräuchlicher Ausnutzung der MinisterialVO. zustandegekommen sind. Dölle will hier beifallswert dadurch helfen, daß er die Grundsätze übei den erschlichenen Verwaltungsakt anwendet, weil es sich um gar keine wirklichen Eheschließungen gehandelt habe, sondern nur um die V e r l. e Ii ni a n n .
Famiiienrecht
3
34
§
8
Allgemeines über die sachlichen Voraussetzungen
der
Eheschließung
' e i h u n g der R e c h t s t e l l u n g eines V e r h e i r a t e t e n . Nach allgemeinem Verwaltungsrecht können derartige erschlichene Verwaltungsakte widerruflich beseitigt werden. Vgl. aber auch die Bedenken dagegen bei S c h ä t z e t , DRZ. 1947, 214 f. Seit Erlaß des EheG. von 1946 können selbstverständlich nachträgliche Eheschließungen, weil'in Widerspruch mit § 13 EheG. stehend, nicht meht angeordnet werden. 3. Durch KontrG. 52 ist in das EheG. der § 15a neu eingefügt worden Danach ist, sofern keiner der Verlobten deutscher Staatsangehöriger ist, eine Eheschließung nach den Gesetzen des Landes möglich, dessen Staatsangehörigkeit einer der Verlobten besitzt. II. K a p i t e l . Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung. Fehlerhafte Ehe und Ehehindernisse. A. Allgemeines. Grundgedanken und Art der Regelung. Die Eheschließung hat außer förmlichen Voraussetzungen auch s a c h l i c h e . Sie ergeben sich einmal aus dem V e r t r a g s cliarakter des Eheschlusses; dieser muß den a l l g e m e i n e n r . e c h t s geschäftlichen Voraussetzungen entsprechen. Sie ergeben sich sodann aus b e s o n d e r e n e h e r e c h t l i c h e n Gesichtspunkten, sittlichen, religiösen, sozialen und p.olitischen Rücksichten; die allgemeinen Vertragsvorschriften genügen hier nicht. Deshalb sind die Voraussetzungen der Eheschließung besonders geregelt, aber zum großen Teil im Anschluß an das kanonische Recht unter dem Gesichtspunkt des E h e v e r b o t e s , Ehehindernisses, des F e h l e n s einer V o r a u s s e t z u n g , impedimentum. Das kirchliche Recht unterscheidet zwischen trennenden Ehehindernissen (impedimenta dirimentia), die dem gültigen Zustandekommen der Ehe entgegenstehen und bloß aufschiebenden Ehehindernissen (impedimenta impedientia), die zwar den Abschluß verbieten, unerlaubt machen, die Qültigkeit der trotzdem geschlossenen Ehe aber nicht berühren. Diese Scheidung haben auch das BGB. und das Ehegesetz übernommen. Bei d e n i m p e d i m e n t a d i r i m e n t i a u n t e r s c h i e d d i e b i s h e r i g e k i r c h l i c h e L e h r e {bee i n f l u ß t d u r c h d i e p r o t e s t a n t i s c h e Doktrin) w e i t e r z w i s c h e n i m p e d i m e n t a dirimentia p u b l i c a u n d p r i v a t a , erster© f ü h r e n , w e i l im ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e a u f g e s t e l l t , z u r A n n u l a t i o n d e r Ehe, l e t z t e r e b e g r ü n d e n , weil b l o ß d e m S o n d e r i n t e r e s s e d e r G a t t e n d i e n e n d , n u r ein A k k u s a t i o n s r e c h t d e s B e t e i l i g t e n . A u c h d i e s e L e h r e k l i n g t a n bei d e r S c h e i d u n g d e s BGB z w i s c h e n N i c h t i g k e i t s - u n d A n f e c h t u n g s , g r ü n d e n (1323 ff ) s o w i e b e i d e r S c h e i d u n g d e s EheG z w i s c h e n N i c h t i g k e i t s - und A u f h e b u n g sg r ü n d e n (16 f u n d 28 f E h e G ), wird a b e r v o m c o d e x i u r i s c a n o n i c i n i c h t m e h r beibehalten
Das EheG. zählt zunächst die V o r a u s s e t z u n g e n des Eheschlusses auf, o h n e d i e F o l g e n i h r e s F e h l e n s a n z u g e b e n , und zwar in folgender Reihenfolge A) Ehefähigkeit (1—3), B) E h e v e r b o t e (4—10), C) Eheschließung (11—15). Dann regelt es die F o l g e n ihres Fehlens, soweit sie die N i c h t i g k e i t der Ehe oder ihre A u f h e b b a r k e i t begründen. D) Nichtigkeit der Ehe (16—27) und E) Aufhebung der Ehe
§ 9, Fehlerhafte Ehe
— Die verschiedenen
Arten der
Unwirksamkeit
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(28—40). Das Fehlen der nicht erwähnten Voraussetzungen beeinflußt also den Bestand der Ehe nicht, insoweit handelt es sich nur um aufschiebende Hindernisse (impedimenta impedientia).
Unser« Darstellung wird deshalb zuerst die verschiedene Ausgestaltung der Rechtsfolgen entwickeln und dann die Ehehindernisse nach ihren Wirkungen gruppiert aufzählen. S t a t i s t i s c h e s : Die Zahl der rechtskräftigen Urteile, die auf Nichtigkeit der Ehe auf Grund einer Nichtigkeitsklage lauteten, betrug im Deutschen Reich 1940 99i 1941 127 Die Zahl der Aufhebungsurteile 1940 1053, 1941 1129
B. Fehlerhafte Ehe. § g Die verschiedenen Arten der Unwirksamkeit. Fehlerhaft nennen wir die Ehe, der materielle oder formelle Mängel anhaften, welche ihre volle Wirksamkeit ausschließen. Der verschiedenen Bedeutung der Voraussetzungen, der Art und dem Grade der Fehlerhaftigkeit entsprechen d r e i v e r s c h i e d e n e G r a d e mangelnder Wirksamkeit, nämlich: v ö l l i g e N i c h t i g k e i t , V e r n i c h t b a r k e i t und Aufhebbarkeit. I. D i e v ö l l i g e N i c h t i g k e i t . Völlig nichtig ist die Ehe, wenn nicht einmal der ä u ß e r e Tatbestand eines Eheschlusses vorliegt. Dies ist der Fall: 1. bei einer Ehe zwischen Personen g l e i c h e n Geschlechts, selbst wenn die „Ehe" ins Familienbuch eingetragen wird, 2. bei einer Ehe, die nicht v o r einem S t a n d e s b e a m t e n a b g e s c h l o s s e n ist, 11 I EheG. Vergleiche dazu oben § 7 II 1 und 2 a — Dem Abschluß vor einem Nichtstandesbeamten muß man den Abschluß vor einem zur Entgegennahme der Erklärung n i c h t bereiten Standesbeamten gleichstellen
Hier ist r e c h t l i c h nichts vorhanden, j e d e r kann die Nichtigkeit in jeder Form geltend machen, sie ist von Amts wegen zu beachten; die sog. Ehegatten können ohne weiteres wieder heiraten, die Kinder sind unehelich. Eine Nichtigkeits e r k l ä r u n g nach § 23 EheG. kommt nicht in Frage, sondern nur ein Urteil, durch das das Nichtbestehen einer Ehe f e s t g e s t e l l t wird. Vgl. auch § 638 ZPO. II. V e r n i c h t b a r k e i t .
Regelmäßig ist aber die Ehe, der ein Nichtigkeitsgrund anhaftet, kein reines Nichts, sondern z u n ä c h s t als g ü l t i g z u b e h a n d e l n , bis sie auf erhobene N i c h t i g k e i t s k l a g e eines I n t e r e s s e n t e n hin f ü r n i c h t i g e r k l ä r t worden ist und das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. .Die Ehe ist also nicht im gewöhnlichen Sinn nichtig, sondern v e r n i c h t b a r . Daß das Gesetz eine gerichtliche Prüfung und Feststellung des Nichtigkeitsgrundes verlangt (23 EheG.), ehe die Nichtigkeit von j e d e r m a n n geltend gemacht werden kann, rechtfertigt sich aus der sittlichen Bedeutung der Ehe und ihrer Wichtigkeit für die Lebensstellung der Gatten und Nachkommen. Es wäre z. B. unerträglich, wenn die Gatten auf Grund fälschlich angenommenen Nichtigkeitsgrundes sich neu verheiraten könnten. 3"
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§ 9 II
Vernichtbarkeit
der
Ehe
Das Nichljgkeitsurteil z e r s t ö r t den S c h e i n d e r E h e , der durch den-formgerechten Eheschluß oder doch ihre Eintragung erzeugt w o r d e n ist. A u c h w e n n die Ehe durch Tod eines Gatten, d u r c h Scheidung oder auf A u f l ö s u n g s k l a g e a u f g e l ö s t ist, k a n n sie n u r durch Nichtigkeitsklage vernichtet w e r d e n . § 23 EheG. k e n n t die A u s n a h m e , die § 1329 BGB. f ü r diese Fälle machte, nicht mehr W e n n b e i d e G a t t e n v e r s t o r b e n sind, kann eine N i c h t i g k e i t s k l a g e nicht mehr e r h o b e n w e r d e n (24 II EheG.)! die Ehe ist dann f ü r immer als gültig anzusehen. Ein schon erlassenes Nichtigkeitsurteil k a n n d a n n nicht mehr r e c h t s k r ä f t i g werden. 1. Das EheG. k e n n t sechs Fälle der V e r n i c h t b a r k e i t (16) a) M a n g e l eines w e s e n t l i c h e n F o r m e r f o r d e r n i s s e s (17 EheG.). b) M a n g e l der G e s c h ä f t s - oder U r t e i l s f ä h i g k e i t eines Verlobten zur Zeit der Eheschließung (18 EheG.). c) N a m e n s ehe (19 EheG.). d) D o p p e 1 ehe (20 EheG.). e) V e r w a n d t s c h a f t oder S c h w ä g e r s c h a f t (21 EheG.). f) E h e b r u c h (22 EheG.). W e g g e f a l l e n sind d i e N i c h t i g k e i t s g r ü n d e , d i e sich nach d e m einem Verstoß gegen das BIutschutzG und d a s E h e g e s u n d h e i t s G Nichtigkeit der Staatsangehörigkeitsehe
EheG v o n 1936 ergaben, terner
aus die
Der A n e r k e n n u n g solcher Ehen w i d e r s p r e c h e n überall gewichtige ö f f e n t l i c h e Belange. 2. Die K l a g e b e r e c h t i g u n g . Weil öffentliche Belange im Spiele sind, k a n n stets der S t a a t s a n w a l t die Nichtigkeitsklage erheben, 24 I EheG. A u ß e r d e m ist auch j e d e r der E h e g a t t e n und bei der Doppelehe auch der E h e g a t t e der f r ü h e r e n E h e klageberechtigt. W e n n die Ehe a u f g e l ö s t ist, k a n n n u r der Staatsanwalt die Klage erheben. Sind beide G a t t e n gestorben, so fällt auch seine Klagebefugnis w e g (24 II EheG.), da kein öffentliches Interesse mehr besteht. N a c h § 634 ZPO k a n n der Staatsanwalt, auch wenn er die Klage nicht e r h o b e n hat, jederzeit v o n sich a u s den Rechtsstreit weiter betreiben, insb e s o n d e r e selbständige A n t r ä g e stellen und Rechtsmittel einlegen. als
D i e d u r c h § 632 Z P O a F j e d e m i n t e r e s s i e r t e n D r i t t e n z u g e s t a n d e n e K l a g e b e f u g n i s ist unserer heutigen Auffassung von der Ehe nicht mehr entsprechend, beseitigt
3. D i e v o r l ä u f i g e W i r k s a m k e i t . Da die Ehe bis zur Rechtskraft des Nichtigkeitsurteils die W i r k u n g e n der gültigen Ehe auslöst, erhält die Frau N a m e n , Wohnsitz, S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t des Mannes, das Güterrecht gilt, die Kinder sind ehelich. Die Ehe ist j e d e r m a n n g e g e n ü b e r und in jeder Hinsicht bis zur N i c h t i g k e i t s e r k l ä r u n g als b e s t e h e n d zu behandeln (RG. 120, 83; 145, 76; 161, 10). Der Folgerung, daß die Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft, also auch zur Leistung der ehelichen Pflicht v e r b u n d e n Sind, k a n n m a n für die blutschänderische und bigamische Ehe v o r b e u g e n durch Berufung auf das M i ß b r a u c h s v e r b o t des § 1353 II BGB. und durch die Erwirkung einer einstweiligen V e r f ü g u n g (627 ZPO.)
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Vernichtbarkeit der
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Ehe
Als vorläufig wirksame Ehe kann die vernichtbare Ehe auch a u f g e l ö s t werden, und zwar durch Tod öder Scheidung. 4. R ü c k w i r k u n g d e s U r t e i l s u n d A u s n a h m e n d a v o n . Die Vernichtung der Ehe durch Nichtigkeitsurteil hat r ü c k w i r k e n d e Kraft, die Ehe ist als von Anfang an nichtig zu behandeln.'Folglich muß der Mann die Nutzungen des Frauengutes herausgeben, bald nach 985 ff (Herausgabeanspruch des Eigentümers), bald nach 812 (Bereicherungsanspruch). Die Frau verlieft den Namen des Mannes. Der Witwe eines Offiziers, die in vernichteter zweiter Ehe lebte, den Anspruch auf Nachzahlung der Pension »zuerkannt (RG 88, 326)
hat das RG.
Im Interesse der K i n d e r , der E h e g a t t e n und g u t g l ä u b i g e r D r i t t e r sind drei A u s n a h m e n von der r ü c k w i r k e n d e n V e r n i c h t u n g gemacht a) K i n d e r aus vernichteten Ehen gelten grundsätzlich als e h e l i c h , sofern sie bei Gültigkeit der Ehe ehelich w ä r e n (25 I EheG.), also auch dann, wenn sie innerhalb 302 Tagen nach der Nichtigkeitserklärung geboren werden (1592). Auf Gut- oder Bösgläubigkeit der Eltern kommt nichts an: Die Gleichstellung ist auf der ganzen Linie erfolgt. Die Rechtsbeziehungen Eltern zu den Kindern w e r d e n nach dem Vorbild des S c h e i d u n g s r e c h t s ordnet, vergleiche im einzelnen unten § 34.
der ge-
b) Hat a u c h n u r e i n e r der Gatten die N i c h t i g k e i t beim E h e S c h l u ß nicht gekannt, so finden in V e r m ö g e n s rechtlicher Hinsicht (aber nur in dieser) die Scheidungsvorschriften entsprechende Anwendung. Wer die Nichtigkeit kannte, wird wie ein schuldig geschiedener Gatte behandelt (26 I EheG.). Der redliche Gatte kann also verlangen, vom Unredlichen Teil so gestellt zu werden, wie wenn die Ehe wegen dessen Alleinschuld geschieden wäre. Der redliche Mann braucht also z. B. der unredlichen Frau beim gesetzlichen Güterstand die Nutzungen des eingebrachten Gutes nicht herauszugeben. Hat er in Gütergemeinschaft gelebt, so kann der redliche Gatte H^Jbteilung verlangen, auch wenn er wenig in das G.esamtgut eingebracht hat. Hat er wesentlich mehr eingebracht, so könnte freilich die Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen zu seinem Nachteil ausschlagen. Um das zu verhüten, gibt 26 II EheG. dem redlichen Gatten das Recht, auf die "Anwendung der Scheidungsvorschriften zu verzichten und es für die vermögensrechtlichen Beziehungen bei den Nichtigkeitsfolgen zu belassen. Er muß diese Erklärung dann binnen sechs Monaten seit Rechtskraft des Urteils dem andern Gatten gegenüber abgeben (26 II EheG.). Waren b e i d e Gatten s c h l e c h t g l ä u b i g , verbleibt es schlechthin bei den Nichtigkeitsfolgen. Waren b e i d e Gatten g u t g l ä u b i g , so ist die Unterhaltspflicht nach den Billigkeitserwägungen des § 61 II EheG. zu bestimmen, ohne daß es darauf ankäme, wer die Klage erhoben hat. c) G u t g l ä u b i g e n D r i t t e n gegenüber ist die Berufung .auf die Nichtigkeit beschränkt (27 EheG.). Unredlich ist, wer die Vernichtbarkeit kennt. Geschützt wird der Redliche nur, wenn zwischen ihm und einem
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§ 9 II
V e r m e i d b a r k e i t der Ehe
der Gatten ein R e c h t s g e s c h ä f t vorgenommen oder ein rechtskräftiges U r t e i l ergangen ist; dann ist das s o n s t unwirksame Rechtsgeschäft oder Urteil zu seinen Gunsten als wirksam aufrechtzuerhalten. Wirksam bleibt also z. B. der Erwerb 'verbrauchbarer Sachen der Frau aus einer V e r ä u ß e r u n g des Mannes, nach 1376 Nr. 1. W e r dagegen dem Mann im Vertrauen auf das reiche Frauengut kreditiert''hat, kann nicht in die Nutzungen des Frauengutes v o l l s t r e c k e n , die der Mann bei wirksamer Ehe gemäß 1383 erworben hätte; anders wenn er sich ein r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e s Pfandrecht hätte bestellen lassen. ü) Zu beachten ist, daß auch das Zeugnisverweigerungsrecht der Gatten erhalten bleibt, §§ 383 I Ziff 2, 384, 408 ZPO , 52 I Z. 2, 55, 76 StPO (RG. HRR. 1930 Nr 1059) Auch vom Richteramt bleiben sie ausgeschlossen (§ 41 Z, 2 ZPO , 22 Z. 2 StPO . 6 Z 2 FrGG 1
6. In mehreren Fällen erkennt das Gesetz eine H e i l u n g der Nichtigkeit an, soa) Für die f o r m w i d r i g geschlossene Ehe, wenn die Gatten fünf Jahre oder bei früherem Tode eines Gatten bis dahin mindestens drei Jahre als Ehegatten miteinander gelebt haben — ohne daß die Nichtigkeitsklage erhoben worden wäre (17 II EheG.). b) Für die Ehe eines G e s c h ä f t s u n f ä h i g e n , B e w u ß t l o s e n Oder zeitweise G e i s t e s gestörten durch f o r m l o s e B e s t ä t i g u n g nach dem Wegfall der Störung, sofern nicht schon vorher die Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist (18 II EheG.). Die Bestätigung ist die Äußerung des Willens, die Ehe fortsetzen zu wollen — was auch^ stillschweigend, z. B durch Fortsetzung der Geschlechtsgemeinschaft geschehen kann (RG 159, 129)
c) Für die N a m e n s ehe unter gleichen Voraussetzungen wie bei der formwidrigen Ehe (19 II EheG.). d) Für die V e r s c h w ä g e r t e n ehe und die e h e b r e c h e r i s c h e Ehe auf Grund n a c h t r ä g l i c h e r B e f r e i u n g (21 II, 22 II EheG.). Gerade bei diesen Fällen der Heilung der Ehenichtigkeit zeigt sich die Undurchführbarkeit des. strengen, römischrechtlichen Nichtigkeitsbegriffs des Allgemeinen Teils. (,,Quod ab initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere und ,.Bestätigung eines nichtigen Geschäfts bedarf der Formen des Neuabschlusses vgl. § 27 II 1 c des Grundr des Allgemeinen Teils) Soziale Vorgänge, die das Schicksal einer Reihe von Menschen entscheidend bestimmen, wie z B der Eheschluß, kanfi man nicht gut, weil sie den rechtlichen Vorschriften nicht völlig entsprechen, als nicht vorhanden betrachten Ihre Behandlung nach Art der Anfechtbarkeit ist das Richtige So auch das BGB und EheG Es drückt sich freilich ungenau aus, wenn es sagt, die Ehe sei auf Grund der Heilung ..als von Anfang an gültig anzusehen Die vernichtbare Ehe ist ja schon ohnedies v o r l ä u f i g als gültig zu behandeln Infolge der Heilung wird die Behandlung eine e n d g ü l t i g e , die Vernichtb a r k e i t ist g e t i l g t
7 Das V e r f a h r e n bei der N i c h t i g k e i t s klage, die zu den „Ehesachen" gehört (606 ZPO.), untersteht wichtigen S o n d e r v o r s c h r i f t e n — um das öffentliche Interesse am Bestand der Ehe, an der Klarheit und Rechtssicherheit der eherechtlichen Beziehungen zu wahren. a) Die Geltung des V e r h a n d l u n g s g r u n d s a t z e s — wonach* die P a r t e i e n des Zivilprozesses Inhalt und Umfang des Rechtsschutzes und der Stoffsammlung bestimmen — ist in wichtigen Punkten a u s g e s c h a l -
$ 9 III
Aufhebbarkeit der Ehe.
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t e t ; andernfalls könnten gültige Ehen unberechtigt vernichtet, vernichtbare aber vollgültig werden. Die Vorschriften über die Wirkungen des gerichtlichen Geständnisses, des Anerkenntnisses usw sind unanwendbar (617 ZPO ). Kein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil gegen den Beklagten! Das Gericht kann das persönliche Erscheinen der Parteien erzwingen (619 ZPO.), und um Klarheit über das Bestehen der Ehe zu erhalten, nicht vorgebrachte Tatsachen berücksichtigen und von An ts wegen Beweise aufnehmen (622 ZPO )
b) Die S t a a t s a n w a l t s c h a f t ist zur Mitwirkung befugt und hat das staatliche Interesse an der Aufrechterhattung der Ehe zu wahren (607 ZPO.). c) Das U r t e i l w i r k t — wenn es bei Lebzeiten beider Gatten oder falls der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage erhoben hatte, des L ä n g s t l e b e n d e n von ihnen rechtskräftig geworden ist — f ü r und g e g e n A l l e (636a ZPO ). III. D i e A u f h e b b a r k e i t . Der schwächste Grad der Eheunwirksamkeit ist die A u f h e b b a r k e i t . Die A u f h e b u n g der Ehe Ist durch das Eheges.etz a n S t e l l e der früheren A n f e c h t u n g der Ehe gesetzt worden, und dabei hat' es auch das neue Ehegesetz (KontrR'G. Nr. 16 vom 20. 2. 46) gelassen. Die Anfech-' tung zerstörte die Ehe mit r ü c k w i r k e n d e r Kraft. Das entsprach der Bedeutung der Gründe, aus denen das Anfechtungsrecht gewährt wurde, nicht. Es handelt sich um W i l l e n s m ä n g e l , die dem Eheschließungswillen e i n e s der Verlobten anhaften, deren Geltendmachung ihm in s e i n e m Interesse freigestellt wird, ohne daß öffentliche Belange das fordern. Da diese Mängel die durch den Eheschluß begründete tatsächliche Gemeinschaft nicht nachträglich aus der Welt schaffen können, erscheint es richtig, dem Ehegatten, in dessen Person sie vorliegen, nur das Rechtzu geben, die F o r t s e t z u n g der G e m e i n s c h a f t zu v e r w e i g e r n , also ein A u f h e b u n g s recht. Die A u f h e b u n g löst die Ehe n u r f ü r d i e Z u k u n f t auf. gerade wie die S c h e i d u n g , ihre W i r k u n g e n sind denen der Scheidung gleichgfestellt (37 I EheG.) Im T a t b e s t a n d unterscheidet sich die Aufhebung aber scharf von der Scheidung. Mit j e n e r werden G r ü n d e geltend gemacht, die s c h o n zur Zeit des E h e s c h l u s s e s v o r l a g e n , mit d i e s e r s p ä t e r eingetretene. 1. Das Gesetz kennt folgende F ä l l e der A u f h e b b a r k e i t : a) Fehlende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt Geschäftsfähigen (30 EheG.) b) Willensmängel (Irrtum, Betrug, Zwang) (31—34 EheG.). c) Rückkehr des fälschlich für tot erklärten Gatten, dessen Gatte eine neue Ehe eingegangen ist (39 EheG.). 2. Die K l a g e b e r e c h t i g u n g . Weil nur private Belange in Betracht kommen, ist der Kreis der A u f h e b u n g s b e r e c h t i g t e n auch auf die unmittelbar Beteiligten b e s c h r ä n k t . Das Aufhebungsrecht steht nur zu dem durch den Aufhebungsgrund geschützten Ehegatten, also dem bc-
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S 9 HI. Aufhebbarkeit der Ehe
schränkt Geschäftfähigen, dem Irrenden, dem Betrogenen, dem Bedrohten, den r e d l i c h e n Gatten der n e u e n Ehe (bei der Todeserklärung). Das Aufhebungsrecht ist eine h ö c h s t p e r s ö n l i c h e Befugnis. Öb jemand seine Ehe aufheben will, soll wegen ihrer die ganze Person erfassenden Bedeutung nur er Selber beurteilen. Auch ein in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Gatte bedarf nicht der Zustimmung seines gesetzliche^ Vertreters (vgl. § 612 ZPO.) — es sei denn, daß gerade der Mangel der Vertretereinwilligung in den Eheschluß dessen Anfechtbarkeit begründet; hier ist — solange die Geschäftsbeschränktheit dauert — n u r der gesetzliche Vertreter zur Anfechtung berechtigt (30 I 2 EheG.) Für den Geschäftsunfähigen muß natürlich der gesetzliche Vertreter das Anfechtungsrecht ausüben, ist aber an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gebunden (612 II ZPO.). Uber den Sonderlall der Rückkehr des fälschlich für tot Erklärten vergleiche § 25 dieses Buches.
3. Der A u f h e b u n g s a k t . Die Aufhebung erfolgt durch U r t e i l auf Grund Aufhebungs k 1 a g e. Das XJrteil ist ein Gestaltüngsurteil, das die Ehe mit der Rechtskraft auflöst (29 EheG ). Hier ist g e r a d e w i e bei nötig, weil die Berechtigung Bedeutung der Ehe gerichtlich zuverlässig wissen, woran sie
Geltendmachung der Nichtigkeit Klageerhebung zur Aufhebung zweifelhaft sein kann und wegen der g e p r ü f t und festgestellt werden muß. Die Gatten müssen sind.
Die Aufhebungsklage kann ijur binnen eines Jahres erhoben werden von dem Zeitpunkt an, in dem der Aufhebungsberechtigte von dem Aufhebungsgrund erfährt bzw. die Erhebung ihm (z. B. wegen Aufhebung der durch Drohung erzeugten Zwangslage) zugemutet werden kann (35 EheG.). Vergleiche auch 36 EheG. über die Verlängerung der Frist bei Versäumung derselben durch dön gesetzlichen Vertreter. 4. Die R e c h t s f o l g e n der Aufhebung sind die gleichen wie die der S c h e i d u n g (371 EheG.). Demgemäß muß das Urteil auch einen S c h u l d a u s s ' p r u c h enthalten (52 I EheG.; RG. 164, 244). Dazu bedarf es eines besonderen Antrags nicht. Als s c h u l d i g ist anzusehen in den Fällen der §§ 30—32 EheG. (Mangel der Vertretereinwilligung und Irrtum) der Ehegatte, der den Anfechtungsgrund beim Eheschluß kannte. Also bei Fehlen der Vertretereinwilligung der a n d e r e Teil, der von diesem Mangel wußte; beim Irrtum .der Partner des Irrenden, dem dessen Irrtum und seine Ursächlichkeit bekannt war; vgl. RG. 164, 106 und 111. Nach RG. 164, 244 soll die Kenntnis k e i n e S c h u l d f ä h i g k e i t voraussetzen!? In den Fällen der §§ 33 und 34 EheG. (arglistige Täuschung und Drohung) ist als schuldig anzusehen, wer dje Täuschung verübt hat; bei Täuschung durch einen Dritten, ' wer darum gewußt hat (37 II EheG.) 5. Das A u f h e b u n g s recht kann vor und nach seiner Ausübung erlöschen. Davon ist zu scheiden der Wegfall der Wirkungen des schon . ausgeübten Rechts. • a) V o r s e i n e r A u s ü b u n g erlischt das Aufhebungsrecht
§ 9 III
A u f h e b b a r k e i t d e r Ehe
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a) Durch B e s t ä t i g u n g des -Aufhebungsberechtigten oder durch G e n e h m i g u n g des g e s e t z l i c h e n Vertreters, dessen Zustimpuqg fehlte. Dadurch wird die Ehe zu einer vollgültigen Ehe. Die B e s t ä t i g u n g ist die mit Kenntnis d e s Aufhebungsgrundes vorgenommene Äußerung des Willens, die Ehe fortzusetzen Das kann auch stillschweigend z. B durch Leistung der ehelichen Pflichten geschehen. Eigenartig ist, daB regelmäßig der Geschäftsbeschränkte trotz der Geschäftsbeschränktheit o h n e Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters die Bestätigung vollziehen kann; nur wenn die Ehe w e g e n fehlender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters anfechtbar ist (3p EheG.), erwirbt der anfechtungsberechtigte Gatte das Bestätigungsrecht erst mit Erlangung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit
ß) Durch den T o d des A u f h e b u n g s b e r e c h t i g t e n — er nimmt sein Aufhebungsrecht mit ins Grab — aber auch dtych den Tod des Nichtaufhebungsberechtigten. •y) Durch S c h e i d u n g der Ehe oder W i e d e r v e r h e i r a t u n g im Falle der Todeserklärung (38 II EheG.). s Duldungsurteils gebrochen werden.
Die Leistungsklage gegen die Frau und die Duldungsklage gegen den Mann werden regelmäßig verbunden. Die Gatten sind dann S t r e i t g e n o s s e n , abef keine „notwendigen" im Sinne des 62 ZPO. (RG. 59 234). Zulässig ist aber auch, zuerst den,Mann oder die Frau zu verklagen. Die Abweisung der Leistungsklage macht den Duldungsprozeß gegenstandslos. Die Verurteilung der Frau zur Leistung hindert den Mann später nicht, die Existenz der Forderung zu bestreiten, wenn er nicht seine Zustimmung zum ersten Prozeß gegeben hat (1400 I) i selbst dann muß aber ihm gegenüber im zweiten Prozeß noch die V o l l • c h u l d eigenschaft der Forderung geprüft werden. Ebensowenig stellt das Duldungsurteil der Frau gegenüber den Bestand der Forderung rechtskräftig fest.
y) Einen wichtigen Bestandteil des Frauenvermögens bilden die Ansprüche der Frau aus der Nutzverwaltung gegen den Mann (1-394), ferner die Ersatzansprüche wegen veräußerter oder verbrauchter verbrauchbarer Sachen (1377 III) oder im Übermaß gezogener Früchte (1383, 1039 I). Die G l ä u b i g e r können diese Ansprüche s o f o r t (1411) gegen den Mann geltend machen, ohne durch die zeitliche Beschränkung des 1394 gebunden zu sein — sie müssen die Ansprüche der Frau aber vorerst pfänden und sich ü b e r w e i s e n lassen; denn die Pflichten des Mannes aus der Nutzverwaltung bestehen n u r d e r F r a u , nicht ihren Gläubigern g e g e n ü b e r (herrschende Meinung, vgl. etwa P l a n c k § 1376 A. 6).
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Schuldenhaftung und Schuldenausgleich heim gesetzlichen Güterrecht.
b) V o r b e h a l t s s c h u l d e n . a) Die F ä l l e . Vorbehaltsschulden sind: aa) Die Schulden aus Rechtsgeschäften, die von der Frau i n der Ehe o h n e d i e e r f o r d e r l i c h e Z u s t i m m u n g des M a n n e s eingegangen werden (1412, 1399 II), ßß) Die Schulden, die der Frau aus einem i n der Ehe gemachten Erwerb einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses als V o r b e h a l t s g u t (nicht als eingebrachtes G\it) erwachsen, wie Nachlaßverbindlichkeiten, Erbschaftssteuern (1413), yy) Die Schulden, die w ä h r e n d der Ehe infolge eines zum V o r b e h a l t s g u t gehörenden R e c h t s entstehen (1414). Auch der B e s i t z ist ein Recht, seine besondere Erwähnung also überflüssig. — Doch sind auch diese Schulden V o 11 schulden, wenn das Recht zu einem von der Frau mit Einwilligung des Mannes selbständig betriebenen E r w e r b s g e s c h ä f t gehört (1414). In Betracht kommen namentlich Steuern und Reallasten, die auf dem Vorbehaltsgut ruhen, Verbindlichkeiten aus ungerechtfertigter Bereicherung des Vorbehaltsguts usw. Auch die Pflichten zum Ersatz des Tier-, Wild- und Hinsturzschadens gehören hierher: wenn das Gesetz diese Schulden in 823 ff. auch als Deliktsschulden behandelt, so verlangt die besondere Tendenz des 1414 doch ihre Ginbeziehung unter diese Vorschrift (streitig).
ß) D i e V e r w i r k l i c h u n g d e r H a f t u n g . Zur Vollstreckung ins Vorbehaltsgut g e n ü g t ein L e i s t u n g s u r t e i l g e g e n d i e F r a u . Der Gläubiger braucht auch nicht vor Beginn der Vollstreckung den Nachweis der Vorbehaltseigenschaft zu führen, seine Behauptung genügt, falls der Gegenstand nicht unstreitig eingebrachtes Gut ist. Der Mann kann einem Übergriff der Vollstreckung in das eingebrachte Gut durch Erinnerung nach 766 ZPO. oder durch Widerspruchsklage (771 ZPO,) entgegentreten. Soweit es sich freilich um Vorbehaltsgegenstände handelt, die sich in den für den gemeinsamen Haushalt bestimmten Räumlichkeiten befinden, gilt nach herrschender Lehre ( J o n a s zu $ 808 II 2) der Mann (in seiner Eigenschaft als Haushaltunysvorstand) als alleiniger G e w a h r s a . m s i n h a b e r . Daher ist eine Pfändung g e g e n seinen Willen auf Grund eines bloB gegen die Frau gerichteten Titels unzulässig (808, 809 ZPO.). Insoweit nützt also dem Gläubiger das Leistungsurteil allein doch nichts. Die Vermutung des 1362 ist, weil sie sich nur auf das Recht bezieht, bedeutungslos.
c) Schulden, die n u r das eingebrachte Gut belasten, a) D i e F ä l l e . Eine solche Haftungsbeschränkung kann zunächst v e r t r a g l i c h geschaffen werden. Eine solche Haftungsbeschränkung kann sich ferner ergeben aus einer zwecks Verwaltung des eingebrachten Gutes übernommenen Verpflichtung des Mannes, zu der die Frau ihre Zustimmung gegeben hat. Darin ist die Einwilligung zur Übernahme einer auf das eingebrachte Gut beschränkten Verpflichtung zu finden. Gleiches gilt, wenn die verweigerte Zustimmung der Frau in analoger Anwendung von 1379 ersetzt wird. Endlich kommt als gesetzlicher Fall der des § 1417 II in Betracht. (Berichtigung einer Vorbehaltsgutslast aus Mitteln des eingebrachten Gutes.)
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18. Schuldenhaftung
und Schuldenausgleich
beim gesetzlichen Güterrecht.
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ß) D i e V e r w i r k l i c h u n g d e r H a f t u n g setzt wie bei der Vollschuld einen Doppeltitel voraus, wenn ein Dritter Gläubiger ist. Im Falle des § 1417 II muß die Frau gegen den Mann ein Urteil auf Leistung aus dem eingebrachten Gut zum Vorbehaltsgut erwirken. Die zeitliche Beschränkung des 1394 gilt nicht. 3. S c h u l d e n a u s g l e i c h z w i s c h e n e i n g e b r a c h t e m und Vorbehaltsgut. Da für die meisten Frauenschulden eingebrachtes und Vorbehaltsgut haften, haben die Gläubiger die Wahl, welche der beiden Massen sie angreifen wollen. Der Zufall des Zugriffes darf aber nicht darüber entscheiden, wer im V e r h ä l t n i s der G a t t e n z u e i n a n d e r durch die Berichtigung der Schulden betroffen wird. Deshalb war die Masse zu bestimmen, auf der iin I n n e n Verhältnis die Schulden e n d g ü l t i g lasten,* die also zum Ausgleich verpflichtet ist, falls Vermögensopfer aus der andern, im Innenverhältnis nicht Pflichtigen Masse gebracht worden sind. Die Ersatzansprüche, die sich daraus ergeben, werden durch 1394 nicht getroffen, können also schon vorher verfolgt werden. a) R e g e l m ä ß i g bleiben die Vollschulden, für die das eingebracht« Gut nach a u ß e n mithaftet, auch e n d g ü l t i g auf diesem l a s t e n . Sind sie aus dem Vorbehaltsgut befriedigt worden — sei es gezwungen oder freiwillig —, so erwächst der Frau ein sofort durchsetzbarer Ersatzanspruch gegen den Mann als Verwalter des eingebrachten Gutes. Der Mann erfüllt den Anspruch durch einfache Ubergabe und Einigung, ohne daß die Formen des Ehevertrags nötig wären. V e r p f l i c h t e t ist er nur zur Leistung aus dem eingebrachten Gut, so daß er bei freiwilliger Befriedigung aus seinem Vermögen wiederum einen Ersatzanspruch gegen die Frau erlangt, den er im Rahmen des § 1376, 1 als Verwalter des eingebrachten Gutes an sich selbst (181) ohne Zustimmung der Frau erfüllen kann. Befriedigt er den geltend gedachten Ausgleichsanspruch der Frau nicht, kommt er in Verzug. b) A u s n a h m s w e i s e werden aber gewisse V o l l s c h u l d e n im I n n e n Verhältnis zu endgültigen V o r b e h a l t s g u t s l a s t e n erklärt, so daß der Mann bei ihrer Berichtigung von der Frau Auffüllung des eingebrachten Gutes verlangen kann. Das gilt: a) für die Deliktsschulden — aber nur aus einer w ä h r e n d der Ehe begangenen unerlaubten Handlung samt den Kosten eines deswegen gegen sie gerichteten Strafverfahrens (1415 Z. 1); ß) Für Vorbehaltslasten (1415 Z. 2); Das sind die Verbindlichkeiten aus einem auf das Vorbehaltsgut sich beziehenden Rechtsverhältnis, wie z. B. die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber einem unehelichen Kinde der Frau, die Verbindlichkeiten aus dem selbständigen Betrieb eines mit Einwilligung des Mannes betriebenen Erwerbsgeschäfts usw — Diese Vorbehalts l a s t e n sind scharf zu scheiden von den Vorbehalts s c h u 1 d e n nach 1412—14, die auch nach auBen nur das Vorbehaltsgut belasten. Daß der Mann, wenn er eine Vorbehaltss c h u l d aus dem eingebrachten Gut oder seinem Vermögen befriedigt, Ersatz verlangen kann, brauchte als selbstverständlich nicht gesagt zu werden.
y) Für gewisse Prozeßkosten (1415 Z. 3 und 1416).
Neben den auf die Deliktsschulden und Vorbehaltslasten bezüglichen Prozeßkosten (1415 Z 3) rechnen hierzu auch die Kosten eines Prozesses mit dem M a n n , soweit
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$ 19. Ende des Güterstandes der Nutzverwaltung.
sie nicht nach den ProzeB- und Kostengesetzen dem Mann zur Last fallen, der Mann also in der Hauptsache unterliegt odeY aus einem anderen Grunde als kostenpflichtige Partei anzusehen ist (1416 I). Endlich die Kosten eines Prozesses mit einem D r i t t e n , es sei denn, daß das Urteil dem Mann gegenüber In Ansehung de« eingebrachten Gutes wirksam ist; von dieser grundsätzlichen Belastung des Vorbehaltsguts ist wieder eine Ausnahme gemacht, wenn der ProzeB eine persönliche Angelegenheit der Frau oder eine Vollschuld betrifft, die eine Eingebrachtenlast ist, und die Aufwendung den Umständen nach geboten war (1416 II).
Die gesetzliche Verteilung der Schuldenlast im Innenverhältnis rechtfertigt nicht nur den ausdrücklich anerkannten E r s a t z anspruch für den Fall der e r f o l g t e n B e f r i e d i g u n g , sondern auch einen Anspruch der Gatten gegeneinander a u f rechtzeitige B e f r i e d i g u n g des Gläubigers aus der im Innenverhältnis heiasteten Masse. Dafür sprechen die Rechtslogik, die Verwaltungspflicht des Mannes (1374, 1377 II) und die Pflichten aus dem ehelichen Gemeinschaftsverhältnis, auf die W o 1 f J ({ 57 III) die allgemeinen Grundsätze des Gesamtschuldenrechts anwenden will.
VII. Ende des Gttterstandes der Nutzverwaltung. 1. E r l ö ' s c h e n s g r ü n d e . Das Recht der ehemännlichen Nutzverwaltung erlischt: a) Durch A u f l ö s u n g der E h e (Tod eines Gatten, Scheidung, Aufhebung der Ehe, endlich Wiederverheiratung des Mannes nach Todeserklärung der Frau). b)-Trotz F o r t d a u e r d e r E h e : a) Durch T o d e s e r k l ä r u n g d e s M a n n e s (1420), während die Todeserklärung der Frau nur eine widerlegbare Vermutung für ihren Tod bedeutet und ihre Ehe erst durch die Wiederheirat des Mannes aufgelöst wird. DaB anders als bei der Frau schon verwaltung endet, Ist bei der praktischen noch lebenden Verschollenen einleuchtend; aber auf Wiederherstellung seiner Rechte
die Todeserklärung des Mannes die * NutzUnmöglichkeit ihrer Ausübung durch einen der zu Unrecht, für tot erklärte Mann kann klagen (1425 I 2 und II).
ß) mit der Rechtskraft des K o n k u r s e T ö f f n u n g s b e s c h l u s s e s über das Vermögen des M a n n e s (1419), n i c h t a b e r d e r Frau. Das Nutzungsrecht gehört nicht zur" Konkursmasse. Auch nach der Konkursbeendigung lebt der Güterstand nicht wieder auf, müfite vielmehr durch Ehevertrag neu begründet werden. y) durch E h e v e r t r a g , der jederzeit abgeschlossen werden kann. Ein einseitiger Verzicht ist dagegen wirkungslos, da das Nutzverwaltungsrecht ein P f l i c h t recht ist.
5) durch ein r e c h t s k r ä f t i g e s G e s t a l t u n g s u r t e i l auf A u f • h e b u n g s k l a g e der Frau, die diese in bestimmten Fällen anstellen kann (1418). Bei erheblicher Gefährdung des eingebrachten Gutes durch den Mann (1391, 1418 Z. 1); bei Verletzung der Unterhaltspflicht gegen die Frau und die gemeinsamen Abkömmlinge, falls auch für die Zukunft eine erhebliche Unterhaltsgefährdung zu besorgen ist (1418 Z. 2); bei Unfähigkeit des Mannes zur Vermögensverwaltung, die das Gesetz annimmt, wenn er entmündigt ist, wenn er für seine Veimögensangelegenheiten wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen einen Pfleger erhalten hat (1910) oder wenn ihm ein
§ 20 Abwesenheitsplleger ist (1418 Z. 3—5).
Gütertrennung.
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bestellt und b a l d i g e A u f h e b u n g de» P f l e g s c h a f t nicht zu e r w a r t e n
Mit der R e c h t s k r a f t d e s U r t e i l s t r i t t G ü t e r t r e n n u n g e i n (1418 II, 1426). Doch kann der Mann in den Fällen der Entmündigung und Pflegschaft nach deren Aufhebung oder nach erfolgreicher Anfechtung des Entmündigungsbeschlus$es auf Wiederherstellung seiner Rechte (ex nunc) klagen (1425). 2. R e c h t s f o l g e n d e r B e e n d i g u n g . a) Die Ansprüche der Frau auf Grund der Nutzverwaltung werden sämtlich klagbar (1394). b) Der Mann'(oder sein Erbe) hat das eingebrachte Gut der Frau oder ihren Erben herauszugeben und Rechenschaft zu legen (1421, Einzelheiten, 1422/23). c) Der Mann ist ähnlich wie ein Beauftragter zur Fortführung der Verwaltung auch über den Zeitpunkt der Beendigung hinaus berechtigt, u. U sogar verpflichtet (1424). III. K a p i t e l . Gütertrennung. I. Das Wesen der Gütertrennung besteht in der r e c h t l i c h e n S o n d e r u n g der beiderseitigen Vermögensmassen nach Zuständigkeit, Verwaltung und Nutzung. Doch wird diese Trennung g e m i l d e r t einmal durch das Eingreifen der allgemeinen vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe [Schlüsselgewalt (1357), Unterhaltspflicht (1360/66), Eigentumsvermutungen (1362)], sodann durch einige S o n d e r s ä t z e (1427 ff.). Davon abgesehen stehen sich die Gatten in vermögensrechtlicher Beziehung so gegenüber, wie wenn sie nicht verheiratet wären. II. Eintritt der Gütertrennung. Die Gütertrennung kommt vor: 1. Als h i l f s w e i s e r g e s e t z l i c h e r Güterstand in folgenden Fällen: a) Wenn eine geschäftsbeschränkte Frau ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters heiratet (1364, 1426), b) Wenn der gesetzliche Güterstand durch Ehevertrag ausgeschlossen oder der bisherige Güterstand aufgehoben wird — ohne durch einen andern vertraglichen Güterstand ersetzt zu werden. A u f h e b u n g d e s Gfiterstandes d e r e h e m ä n n l i c h e n N u t z V e r w a l t u a g o d e r d e r G ü t e r g e m e i n s c h a f t d u r c h G e s t a l t u n g s u r t e i l (1416, 1426, 1470 I 2, 1545 I, 1549). M a n n e s k o n k ü r s b e i d e r N u t z v e r w a l t u n g (1419, 1426 I) und E r r u n g e n s c h a f t s g e m e i n s c h a f t (1545 I), T o d e s e r k l ä r u n g g e g e n den M a n n bei d e r N u t z v e r w a l t u n g (1420, 1426 I), T o d e s e r k l ä r u n g g e g e n M a n n o d e r F r a u b e i der E r r u n g e n s c h a f t s g e m e i n s c h a f t (1545), e h e v e r t r a g l i c h e Aus* Schließung d e r N u t z v e r w a l t u n g oder A u f h e b u n g eines G U t e r s t a n d e s d e r G e m e i n s c h a f t (1436).
2. Als v e r t r a g l i c h e r Güterstand kann die Gütertrennung j e d e r z e i t eingeführt werden (1432).
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} 20. Gütertrennung.
DI. Zur Wirkung gegenüber redlichen Dritten ist die E i n t r a g u n g der Gütertrennung (und zwar sowohl der vertraglichen wie gesetzlichen) ins G ü t e r r e c h t s r e g i s t e r nötig (1431, 1470 II, 1545 II). Im Verhältnis der Gatten zueinander ist die Eintragung nicht notwendig.
IV. Die Milderung der Vermögens trennung durch Sondersätze. 1. Der Mann muß auch hier als Haupt der ehelichen Gemeinschaft den e h e l i c h e n A u f w a n d tragen, hat aber einen A n s p r u c h gegen die Frau auf einen a n g e m e s s e n e n B e i t r a g (1427). Die Beiträge werden nur aus den E i n k ü n f t e n des Frauenvermögens und dem Ertrag ihrer Arbeit oder ihres Erwerbsgeschäfts geschuldet, den Vermögensstamm braucht sie nicht anzugreifen. Weiter geht { 1360 II, der bei Bedürftigkeit des Mannes eingreifen kann. Für die V e r g a n g e n h e i t schuldet sie aber einen Beitrag nur, soweit sie trotz Aufforderung (keine Mahnung im technischen Sinne) im R ü c k s t a n d geblieben ist (1427 II).
Auch was die Frau über ihre Beitragspflicht hinaus zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes aus ihrem Vermögen aufwendet oder dem Mann überläßt, kann sie im Zweifel nicht ersetzt verlangen (1429). Diese Auslegungsregel verhütet Streit und entspricht der regelmäßigen Willensrichtung der Frau, muß aber bei Aufwendungen aus dem Vermögensstamm vorsichtig gehandhabt werden. ' Die Beitragspflicht erlischt nicht dadurch, dafi die Frau vom Mann getrennt lebt und die Herstellung der häuslichen Gemeinschaft mit Recht verweigert. Nur wenn der Mann den ihr und den gemeinsamen Abkömmlingen geschuldeten Unterhalt erheblich gefährdet, kann sie den Beitrag, soweit er zum Unterhalt erforderlich ist, zur eigenen Verwendung zurückbehalten) gleiches gilt, wenn der Mann entmündigt ist oder einen Gebrechlichkeits- oder Äbwesenheltspfleger erhalten hat (1428).
2. Abgesehen von der Beitragspflicht hat der Mann keinerlei Rechte hinsichtlich des Frauenvermögens, ebensowenig ist er aber auch zur Verwaltung verpflichtet. Doch führt die eheliche Gemeinschaft in sehr vielen Fällen dazu, daB die F r a u f r e i w i l l i g dem Mann ihr V e r m ö g e n ganz oder teilweise z u r V e r w a l t u n g ü b e r l ä ß t , und der Mann sich dieser Verwaltung freiwillig unterzieht. Ein solcher Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist grundsätzlich rein g e s c h ä f t l i c h zu behandeln. Die Verwaltung ist nach den Regeln zu führen, die für die Verwaltung f r e m d e r Güter gelten, also nach dem Recht des Auftrags bei unentgeltlicher Verwaltung und dem des Dienstvertrags bei entgeltlicher. Die Frau ist danach in der Lage, selbst über die Verwendung der Einkünfte ihres Vermögens zu befinden, unverzügliche Auskunft und Rechenschaftslegung zu erzwingen, notfalls dem Mann die Verwaltung sofort zu entziehen. Die analoge Übertragung der Regeln des gesetzlichen Güterstandes, die K o h 1 e r (233) vorschlägt, wird den Interessen und damit dem mutmaßlichen Willen der Frau nicht gerecht; der Mann wird also nicht ohne weiteres Eigentümer der Früchte des Frauenvermögens, so daß seine Gläubiger diese pfänden könnten, noch viel weniger darf er verbrauchbare Sachen für sich verwenden (1377 III) — seine Befugnisse und Pflichten ergeben sich vielmehr aus dem Auftrags- oder Dienstvertragsrecht und der Auslegung des konkreten Vertrags.
§ 21 I und II. Wesen und Eintritt der allgemeinen Gütergemeinschaft.
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Nur in einem Punkte hat das Gesetz die Unsicherheit der Rechtslage gemildert durch eine D i s p o s i t i v r e g e l über die V e r w e n d u n g der vom M a n n während der Verwaltung g e z o g e n e n V e r m ö g e n s e i n k ü n f t e (1430). Den Ü b e r s c h u ß der Einkünfte, der sich bei ordnungsmäßiger Verwaltung ergibt, darf der Mann nach f r e i e m E r m e s s e n verwenden. Doch müssen vorher nicht nur die Verwaltungs k o s t e n , sondern auch die Frauen s c h u l d e n belichtigt werden, die bei ordnungsmäßiger Wirtschaft aus den Einkünften des fraglichen Vermögens bestritten werden (1430 in Verbindung mit 1384—87, die analog zur Anwendung kommen). 3. Die Gatten können außerdem durch E h e v e r t r a g weitere Besonderheiten festlegen (1432), namentlich der Ehefrau einen Anteil am Arbeitserwerb des Mannes zusprechen. Jede vertragliche Vereinbarung, wodurch bei Gütertrennung die Beitragspflicht der Frau abweichend von 1427 II bestimmt wird, stellt einen Ehevertrag dar (RG. (7 56).
IV. K a p i t e l . Die allgemeine Gütergemeinschaft. I. Das Wesen der allgemeinen Gütergemeinschaft. Das W e s e n der allgemeinen Gütergemeinschaft besteht in der E r w e i t e r u n g der L e b e n s gemeinschaft zur G ü t e r gemeinschaft. Die Vermögen der Gatten (sowohl die eingebrachten, wie später erworbenen) werden grundsätzlich auch dem E i g e n t u m nach v ö l l i g v e r s c h m o l z e n zu einer Gesamthandsgemeinschaft (Gesamtgut). Selbst bei Auflösung der Ehe findet keine Sonderung der Vermögen nach ihrer Herkunft statt (1438). per nach Zahlung der Gesamtgutsverbindlichkeiten verbleibende Uberschuß gebührt den f h e g a t t e n zu g l e i c h e n Teilen (1476 1^.
Von dieser Verschmelzung gibt es aber A u s n a h m e n , es kommt auch E i g e n vermögen der Gatten vor, und zwar kann jeder Gatte zwei Arten von Eigenvermögen haben: S o l i d e r g u t und V o r b e h a l t s g u t . Danach können im besondern Fall f ü n f G ü t e r m a s s e n nebeneinander bestehen: 1. Gesamtgut, 2. Sondergut der Frau, 3. Sondergut des Mannes, 4. Vorbehaltsgut der Frau, 5. Vorbehaltsgut des Mannes. Die Erweiterung der Lebensgemeinschaft zur Gütergemeinschaft umfaßt auch die Schulden der Gatten, sie werden Gesamthandsschulden. II. Eintritt. Die allgemeine Gütergemeinschaft tritt niemals unmittelbar kraft Gesetzes ein, sondern n u r a u f G r u n d e i n e s E h e v e r t r a g s (1437). Wegen der einschneidenden Wirkungen des Vertrags ist in Ausnahme von der Regel des 1434 Abschluß durch einen gesetzlichen Vertreter unzulässigi der geschäftsbeschränkte Gatte bedarf der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters und, wenn dieser ein Vormund ist, sogar der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (1437).
110
§ 21 III. Die Gütermassen bei der allgemeinen
Cutergemeinschatt
III. Die Gtttermassen. 1. D a s G e s a m t g u t . Es umfaßt das g a n z e Vermögen der Gatten, a u c h das e r r u n g e n e — soweit es nicht ausnahmsweise Sonder- oder Vorbehaltsgut ist (1438). Infolgedessen muß die Zugehörigkeit zum Sonder- oder Vorbehaltsgut von dem bewiesen werden, der sie behauptet. Eine ausdrückliche entsprechende Verteilung der Beweislast durch eine Vermutungsregel, wie in 1517 bei der Errungenschaftsgemeinschaft, w a r unnötig. **
Die Vergemeinschaftung erfolgt von R e c h t s w e g e n (ipso iure) sofort mit dem Eintritt der Gütergemeinschaft bzw. mit dem späteren Erwerb eines Vermögensstückes. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung der einzelnen Gegenstände kommt nicht in Frage. Beim Eintritt der allgemeinen Gütergemeinschaft gehen vielmehr die beiderseitigen Vermögen durch Gesamtnachfolge (Universalsukzession) auf die Gesamthandsgemeinschaft de.r Gatten über; ebenso erlangt diese die während der Ehe von einem Gatten im eigenen Namen "erworbenen Rechte als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes in demselben Augenblick, in dem der Gatte den Erwerb gemacht hat. Die Bedeutung des. Gesagten tritt am klarsten zutage beim ,grundbuchmäßigen Erwerb. W e r sich mit jemand, der im Grundbuch als Hauseigentümer eingetragen ist, unter Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft verheiratet, wird mit dem Eheschluß gemeinschaftlicher Eigentümer des Grundstücks, das Grundbuch wird also unrichtig, j e d e r G a t t e kann vom andern Mitwirkung zur Berichtigung des Grundbuchs verlangen (1438 III) Der Grundbucheintraß muß das ,,für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis bezeichnen" (47 GBO ), also die Gatten als in „allgemeiner Güterg e m e i n s c h a f t " mitberechtigt angeben. W a r einer der Gatten zu Unrecht als Eigentümer eingetragen, kann sich der andere G a t t e nicht auf gutgläubigen Erwerb b e r u f e n (892); denn sein Erwerb ist kein „rechtsg e s c h ä f t l i c h e r " . Dagegen kann ein d r i t t e r redlicher Erwerber von dem zu Unrecht noch im Grundbuch als Alleineigentümer eingetragenen Mann das gemeinschaftliche Grundstück wirksam erwerben, selbst wenn die Gütergemeinschaft schon im Güterrechtsregister eingetragen sein sollte; denn der öffentliche Glaube des Grundbuchs geht vor Bèi einem Erwerb von der zu Unrecht allein eingetragenen Frau w ü r d e er freilich nicht geschützt, weil er nicht verlangen kann, besser gestellt zu werden, als wenn die Frau im gesetzlichen Güterstand gelebt hätte — und dann w ü r d e 1404 seinem Erwerb entgegengestanden haben. W e n n w ä h r e n d der Ehe ein Gatte ein Grundstück erwirbt, so macht er den Erwerb für die Gütergemeinschaft nicht bloß, wenn er die Auflassung unmittelbar für diese entgegennimmt, sondern auch, wenn er im eigenen Namen handelt und als Alleineigentümer eingetragen wird; der andere Gatte erwirbt dann sofort einen Berichtigungsanspruch (RG. 84 71 und 326)
2. S o n d e r g u t der b e i d e n Gatten. a) Sondergut eines Gatten sind die Gegenstände, die n i c h t d u r c h R e c h t s g e s c h ä f t ü b e r t r a g e n werden können. Es gibt nur gesetzliches, kein ehevertragliches Sondergut (1439). Z. B. Fideikommißgüter, u n p f ä n d b a r e Lohn- oder Gehaltsansprüche, Anspruch auf Schmerzensgeld, Rentenansprüche aus der Sozialversicherung, Nießbrauch, Gesellschaftsanteile. Nach § 399 k a n n j e d e r G a t t e eine Forderung als Sondergut erwerben, indem er mit dem Schuldner ihre Unübertragbarkeit vereinbart.
b) Auf das Sondergut finden nach 1439 die Vorschriften entsprechende Anwendung, die für das e i n g e b r a c h t e Gut bei der E r r u n g e n s c h a f t s g e m e i n s c h a f t gelten, mit Ausnahme des § 1524. Da bei der Errungenschaftsgemeinsch'aft (1525) auf die Vorschriften des gesetzlichen Güterstandes, also der ehemännlichen Nutzverwaltung, verwiesen wird, ergibt sich, daß das Sondergut zwar im Sondereigentum der
$ 21 KI. Die Cutermassen bei der atigemeinen Gütergemeinschaft.
III
Gatten bleibt, aber vom M a n n für R e c h n u n g des G e s a m t g u t s zu v e r w a l t e n ist (1525). Sein e i g e n e s Sondergut yerwaltet er f r e i nach seinem Gutdünken, das der F r a u wie das eingebrachte Gut beim gesetzlichen Güterstand, also ohne Verfügungsfreiheit. Die Nutzungen beider Sondergüter werden Gesamtgut, der Mann hat also kein NutznieSungsrecht am Sondergut seiner Frau. Da die Surrogation ausgeschlossen ist (1524 in Verbindung mit 4439), fallen die Surrogate, z. B. ausbezahlte Gehaltsbetiäge, Renten, Schmerzensgelder, ins Gesamtgut. 3. V o r b e h a l t s g u t b e i d e r Gatten ist denkbar, aber nur auf Grund Rechtsgeschäfts und Surrogation (1440). a) Vorbehaltsgut ist: et) Was durch E h e v e r t r a g für Vorbehaltsgut erklärt ist und was einem 'der Gatten von einem D r i t t e n unentgeltlich oder von Todes wegen mit der Vorbehaltsklausel zugewendet wird (1440, 1369); ß) was als Surrogat von Vorbefcaltsgut anzusehen ist, wie beim gesetzlichen Güterstand (1440 II, 1370). Da es, abgesehen von der Surrogation, k e i n g e s e t z l i c b e s Vorbebaltsgut gibt, sind die Kleidung und Schmuck der Gatten, ihr Arbeitsgerät und Arbeltserwerb G e s a m t g u t.
b) Mann und Frau verwalten und nutzen ihr Vorbehaltsgut völlig frei, wie wenn sie unverheiratet wären. Doch finden auf das Vorbehaltsgut der Frau die Regeln der Gütertrennung Anwendung: also Beitragspflicht der Frau aus den Einkünften zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes, aber nur fcoweit die ins Gesamtgut fallenden Einkünfte den Aufwand nicht decken (1441). Dem steht gegenüber die Unterhaltspflicht des Mannes (1360, 1606), zu deren Erfüllung er notfalls sogar den Stamm seines Vorbehaltsgutes opfern muß. IV. Die Rechtsstellung der Gatten zum Gesamtgut. 1. A l l g e m e i n e s . Das G e s a m t g u t steht den Gatten g e m e i n s c h a f t l i c h zu zur g e s a m t e n H a n d , also nicht zu ziffermäfiig ausdrückbaren Bruchteilen, sondern unbezifferbaren und untrennbaren Anteilsberechtigungen. Die V e r f ü g u n g s g e b u n d e n h e i t ist denkbar fest: Keiner kann über seinen Anteil am Gesamtgut und an den einzelnen zugehörigen Gegenständen verfügen, keiner kann Teilung -verlangen (1442 I). Bei der Erbengemeinschaft ist die Blndun,g weit geringer: jeder Miterbe kann wenigstens über seinen Anteil am Nachlaß (im -Gegensatz zu den einzelnen NacblafigegenstSnden) verfügen (2033), jeder Miterbe kann jederzeit die A u s e i n a n d e r s e t z u n g verlangen (2042) — Natürlich kann bei der allgemeinen Gütergemeinschaft Uber die e i n z e l n e n G e g e n s t ä n d e selbst oder einen ideellen Anteil derselben verfügt werdeni aber auch in diesem stecken stets die beiden ziffermäfiig nicht ausdrückbaren Anteilsrechte der Gatten
Ebensowenig ist der Anteil eines Gatten p f ä n d b a r (860 ZPO.). Vollstreckung ins Gesamtgut ist nur zulässig zugunsten von Gesamtgutsverbindlichkeiten.
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} 21 IV. Rechtsstellung der Gatten zum Gesamtgut usw
2. Die S t e l l u n g d e s M a n n e s zum Gesamtgut. Die Herrscherstellung des Mannes als Haupt des Hauses und der Familie tritt bei der allgemeinen Gütergemeinschaft noch schärfer in die Erscheinung als beim gesetzlichen Güterstand. Dem M a n n e steht g r u n d s ä t z l i c h Recht und Pflicht zur Verwaltung des Gesamtgutes zu (1443). Er führt die Verwaltung im wesentlichen frei, ohne Auskunftspflicht (RG. 72, 13 ff.), im eigenen Namen. Die Rechtsstellung der Frau ist zwecks e i n h e i t l i c h e r Wahrung der Gemeinschaftsinteressen stark gemindert bis auf das zur Sicherung ihrer Lebensbelange erforderliche Mindestmaß. Einzelheiten: a) Der Mann ist befugt, die Gesamtgutssachen — als Besitzmittier für die Gesamthand — in B e s i t z zu nehmen (aber nicht durch Eigenmacht); er ist grundsätzlich auch zur f r e i e n V e r w a l t u n g und V e r f ü g u n g über das G e s a m t g u t [ohne Verantwortlichkeit gegenüber der Frau (1456)] berechtigt; er kann nicht bloß sich, sondern auch die g e s a m t e H a n d v e r p f l i c h t e n [die F r a u p e r s ö n l i c h d a g e g e n n u r k r a f t V o l l m a c h t (1443 II)]; er kann E r w e r b s g e s c h ä h e für das Gesamtgut vornehmen (sei es, daß er zuerst im eigenen Namen als Durchgangseigentümer für das Gesamtgut erwirbt, sei es, daß er den Gegenstand unmittelbar im Namen der gesamten Hand für diese erwirbt); er hat endlich das P r o z e ß f ü h r u n g s r e c h t über das Gesamtgut (und zwar die Aktiv und Passivlegitimation, 1443 I). Um diese weitgehenden Befugnisse des Mannes zu verstehen, muB man sich klar machen, daB sein ganzer Erwerb in die Gemeinschaft fällt, und deshalb die Unterwerfung unter die Kontrolle der Frau hart wäre. Wenn aber das Gesamtgut hauptsächlich aus dem eingebrachten Vermögen der Frau besteht, kann die Lage der Frau, die sich kein Vorbehaltsgut vorbehalten hat, noch unerträglicher werden.
b) A u s n a h m s w e i s e b e d a r f der M a n n zu gewissen V e r p f l i c h t u n g s - und V e r f ü g u n g s geschäften der E i n w i l l i g u n g der Frau, die, abgesehen von einseitigen. Rechtsgeschäften, durch Genehmigung ersetzt werden kann. a) Zustimmungsbedürftig ist das V e r p f l i c h t u n g s g e s c h ä f t , in dem der Mann sich zu einer V e r f ü g u n g über das G e s a m t g u t im g a n z e n verpflichtet, sowie die Verfügungsgeschäfte zur Erfüllung einer solchen Verpflichtung (1444). Man denke an die sogenannten Ubertragungsverträge, wodurch sich jemand zur Übertragung seines ganzen Vermögens gegen die Zusage einer Leibrente, eines NleBbrauchs oder dergleichen verpflichtet (RG. M 314). Durch einen solchen Vertrag könnte der Gütergemeinschaft das Substrat und der Frau ihre Rechte am Gesamtgut zum einseitigen Vorteil des Mannes entzogen werden.
/?) Zustimmungsbedürftig ist die V e r f ü g u n g über ein G e s a m t . g u t s g r u n d s f ü c k sowie die E i n g e h u n g e i n e r V e r p f l i c h t u n g d a z u (1445). Das rechtfertigt sich aus der wirtschaftlichen Bedeutung des G r u n d b e s i t z e s . Der Mann kann also ein Gemeinschaftsgrundstück nicht ohne Einwilligung der Frau belasten, abgesehen von der Belastung eines für die gesamte Hand neuerworbenen Grundstücks mit dem Erwerbspreis (Restkaufpreishypothek)•, das ist wirtschaftlich ein modifizierter Erwerb (vgl. RG. 69 17?; OLG. 31 247). Dagegen kann er über eine Aktivhypothek allein verfügen, denn diese ist kein unbewegliches Gut.
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i 21 IV. Rechtsstellung der Gatten zum Gesamtgut usw.
y) Zustimmungsbedürftig ist die s c h e n k w e i s e V e r f ü g u n g Tiber das G e s a m t g u t und das S c h e n k u n g s v e r s p r e c h e n , gleichgültig, ob sich dieses auf das Gesamtgut bezieht oder nicht; denn alle Verbindlichkeiten des Mannes sind nach 1459 Gesamtgutsverbindlichkeiten. Der Mann ist dagegen nicht «gehindert, aus seinem Vörbehaltsgut eine Realschenkung zu machen. Deshalb wird ein mangels Einwilligung der Frau unwirksames Schenkungsversprechen wirksam, wenn ef es aus dem Vorbehaltsgut erfüllt. W o 11 f ft 62 VI, 3 S. 248) will sogar die Eingebung eines Schenkungsversprechens ohne Einwilligung der Frau als wirksam anerkennen, wenn der Mann von vornherein die Haftung des Gesamtgutes ansschlielt. Mit Recht, denn die VerpOichtusgsf&higkelt des .Mannes ist nur deshalb beschränkt, well das Gesamtgut für seine Schulden haftet (1459),- folglieh kann er durch Ausschluß dieser Haftung seine Verpflichtungsfreiheit gewinnen.
Freigegeben sind Anstands- und Pflichtschenkungen.
Das wird man weitherzig handhaben müssen: Zuwendungen für humanitäre, wissenschaftliche und künstlerische Zwecke sind, wie K o h l e i richtig sagt (240), eine moralische Pflicht für Inhaber groBer Vermögen. Die Gewährung einer Aussteuer (1620) ist überhaupt keine Schenkung, die einer Ausstattung nur unter den Voraussetzungen des $ 1624.
ö) E r s a t z d e r Z u s t i m m u n g . Falls das Rechtsgeschäft zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Gesamtgutes erforderlich ist, kann die Zustimmung der Frau — abgesehen vom Falle der Schenkung (1446) — unter Umständen durch das Vormundschaftsgericht e r s e t z t werden (1447). Ein solcher Ersatz ist vorgesehen einmal bei grundloser Verweigerung der Zustimmung (1447 I), sodann in gewissen Notfällen (Krankheit oder Abwesenheit und Gefahr beim Aufschub, 1447 II)
Ist der gerichtliche Ersatz der Zustimmung nicht zu erreichen, so entsteht eine s c h w e b e n d e N i c h t i g k e i t , da ja.immer noch Heilung des Mangels durch nachträgliche Genehmigung der Frau (außer bei einseitigen Geschäften) möglich ist. Der Vertragsgegner (Drittkontrahent) hat dem Mann gegenüber eine ähnliche Stellung wie gegenüber der konsenslosen.Verfügung der Frau über eingebrachtes Gut heim gesetzlichen Güterstand: also ein Widetrufsrecht und das Recht, den Mann unter Fristsetzung zur Beschaffung der Genehmigung aufzufordern (1448). Doch ist zu beachten, dal) die Rechtslage hie* einfacher ist als beim gesetzlichen Güterstand, weil eine getrennte Behandlung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nicht in Frage kommt, da nicht bloß das Verfügungs-, sondern a u c h d a s V e r p f l i c h t u n g s g e s c h ä f t des M a n n e s zustimmungsbedürftig ist. 3. Die S t e l l u n g der F r a u zum Gesamtgut. a) Die F r a u ist von der V e r w a l t u n g u n d V e r f ü g u n g über das Gesamtgut g r u n d s ä t z l i c h a u s g e s c h l o s s e n , sie hat dementsprechend auch k e i n P r o z e ß f ü h r u n g ^ r e c h t . Ebensowenig kann sie das Gesamtgut rechtsgeschäftlich verpflichten — das einzige was sie kann, ist einen Eryrerb für das Gesamtgut machen, da ja grundsätzlich aller Erwerb beider Gatten Gesamtgut wird. b) Ausnahmsweise ist die Frau zu s e l b s t ä n d i g e n R e c h t s h a n d l u n g e n befugt: a) In den sog. „Eilfällen" (1450) — und zwar ist ihr ausdrücklich freigestellt, entweder im eigenen oder im Namen des Mannes Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Prozesse zu führen; Lehmann.
Familienrecht
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- Schuldenhaftung "od -ausgleich bei der allgemeinen Gütergemeinschaft.
ß) wenn zur ordnungsmäßigen Besorgung einer p e r s ö n l i c h e n Angelegenheit der Frau ein Rechtsgeschäft erforderlich ist und die verweigerte Zustimmung des Mannes durch das Vormundschaftsgericht ersetzt.worden ist (1451, vgL 1402); y) beim selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, soweit der Betrieb das mit sich bringt und der Mann seine Zustimmung zum Betrieb gegeben hat