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German Pages 813 [828] Year 1971
Peter Wiesinger Phonetisch-phonologische Untersuchungen Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten
Studia Linguistica Germanica Herausgegeben von Ludwig Erich Schmitt und Stefan Sonderegger 2/1
Deutscher Sprachatlas Gesamtdarstellungen Vokalismus 1 Herausgegeben vom Forschungsinstitut für deutsche Sprache
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1970
Peter Wiesinger
Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten Band 1 Die Langvokale im Hochdeutschen
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1970
Mit 11 Karten in eigener Mappe
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Archiv-Nr. 435670/1 Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Triibner — Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany — Alle Rechte der Ubersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Anfertigung von Mikrofilmen - auch auszugsweise - vorbehalten Satz und Druck: H. Heenemann KG, 1 Berlin 42 Karten: Eukerdruck KG, 355 Marburg/Lahn
Inhalt Deutscher Sprachatlas Gesamtdarstellungen. Rechenschaftsbericht des Direktors des Forschungsinstituts für deutsche Sprache, Professor Dr. Ludwig Erich Schmitt VII Vorwort
XXI
Die Lautschrift
1
Einleitung
3
I. Die Entwicklung der Reihe mhd. î — û — u vor Konsonanten....
69
§ 1 Einleitung S. 69. § 2 — § 5 Das Alemannische S. 74. § 6—§ 9 Das Bairische S. 95. § 10 Das Ostfränkische S. 109. § 11 Das Rheinfränkische S. 114. §12 Das Hessische S. 120. § 13—§ 15 Das Mittelfränkische S. 123. § 16 Das Niederfränkische S. 141. §17 —§21 Der thüringische Großraum S. 142. § 22 Das Obersächsische S. 159. § 23 Daa Südmärkische S. 163. § 24—§ 25 Das Schlesische und die mitteldeutschen Sprachinseln S. 164. § 26 Das Hochpreußische S. 177
II. Zur Entwicklung der Reihe mhd. î — û — û im Hiatus
179
§ 27 Einleitung S. 179. § 28 Das Alemannische und das Rhein- und Moselfränkische in Lothringen S. 183. § 29 Das Moselfränkische des Siegerlandes, das Ripuarische und das Niederfränkische S. 192. § 30 Der thüringische Großraum S. 194
III. Die Entwicklung der Reihe mhd. ê — ô — Ò
199
§ 31 Einleitung S. 199. § 32 —§ 35 Das Alemannische S. 203. § 36—§ 39 Das Bairische S. 216. § 4 0 Das Ostfränkische S. 239. §41 Das Rheinfränkische S. 247. § 42 Das Hessische S. 251. § 4 3 - § 45 Das Mittelfränkische S. 252. § 46 —§ 49 Der thüringische Großraum S. 265. § 50 Das Obersächsische S. 275. § 51 —§ 52 Das Schlesische und die mitteldeutschen Sprachinseln S. 279. § >3 Das Hochpreußische S. 286
IV. Die Entwicklung von mhd. â § 54 Einleitung S. 288. § 55—§ 58 Das Alemannische S. 292. §59—§62 Das Bairische S. 304. § 63 Das Ostfränkische S. 318. § 64 Das Rheinfränkische S. 325. §65 Das Hessische S. 328. §66 — § 6 8 Das Mittelfränkische S. 329. § 69 Das Niederfränkische S. 336. §70-§73 Der thüringische Großraum S. 337. § 74 Das Obersächsische S. 344. § 75 Das Südmärkische S. 348. § 76 —§ 77 Das Schlesische und die mitteldeutschen Sprachinseln S. 349. § 78 Das Hochpreußische S. 354
288
Inhalt
VI
V. Die Entwicklung von mhd. se
356
§ 79 Einleitung S. 356. § 80—§ 83 Das Alemannische S. 359. § 84—§ 85 Daa Bairische S. 368. § 86 Das Ostfränkische S. 372. § 87 Das Rheinfränkische S. 378. §88 Das Hessische S. 380. §89—§91 Das Mittelfränkische S. 381. § 92 Das Niederfränkische S. 388. § 93—§ 105 Das Ostmitteldeutsche S. 390. § 93 Die ostmitteldeutsche Spaltung von mhd. œ S. 390. §94 Die Entwicklung von mhd. ® im OsthessischenS. 393. §95—§100 Die Entwicklung von mhd. œ 1 S. 393. § 95 Der thüringische Großraum und das Altenburgische und Nordmeißnische des Obersächsischen S. 393. § 96 Das Obersächsische S. 396. §97 Das Südmärkische S. 398. § 98—§99DaaSchlesische und die mitteldeutschen Sprachinseln S. 399. § 100 Das Hochpreußische S. 404. §101 —§105 Die Entwicklung von mhd. ae2 S. 405. §101 Der thüringische Großraum S. 405. § 102 Das Obersächsische S. 407. § 103 Das Südmärkische S. 408. § 104 Das Schlesische S. 409. § 105 Die mitteldeutschen Sprachinseln S. 409
Anhang Erläuterungen zu den Karten 1 bis 11 S. 413.
411
Deutscher Sprachatlas Gesamtdarstellungen Rechenschaftsbericht des Direktors des Forschungsinstituts für deutsche Sprache, Professor Dr. Ludwig Erich Schmitt Die
von
ERICH SCHMITT (Marburg/Lahn) und S T E F A N (Zürich) herausgegebene Reihe „Studia Linguistica Germanica" soll der Erforschung der germanischen Sprachen in ihrem systemimmanenten Bau und ihren zeitlich, sozial, geographisch und letztlich anthropologisch bestimmten Erscheinungen dienen. Sie wird bevorzugt aufnehmen Beiträge zu Theorie und Methodologie der Sprachwissenschaft, die aus der Erforschung der germanischen Sprachen erwachsen sind, möglichst kombiniert mit ausgewählten Arbeiten zu Grammatik, Lexikologie, Onomastik, Soziolinguistik, Geolinguistik und Anthropolinguistik der germanischen Sprachen. Dabei wird eine möglichst enge Verbindung der modernen Linguistik mit den Ergebnissen der Sprachwissenschaft im 19., 18. und teilweise dem 17. Jahrhundert angestrebt. LUDWIG
SONDEKEGGER
Über die Vermittlung theoretischer und methodologischer Neuansätze soll aber die materialintensive und systematische Aufarbeitung der germanischen Sprachen nicht zurücktreten. Vor allem wird man hier rechtzeitig in geeigneter Form zur Zusammenfassung schreiten müssen, die eine geeignete Basis zur Weiter arbeit abgibt. Eine nicht unwichtige Rolle wird bei altangebauten Disziplinen auch die Sonderbehandlung der Bibliographien bieten, die Überholtes aussondert, ausreichend Information vom Titel her gewährt und damit gleichzeitig neue Formen der elektronischen Datenverarbeitung vorbereiten hilft. Ohne dem Zwang vorweg zu weit festgelegter Dispositionen zu erliegen, möchte die Reihe damit versuchen, neue Formen der Zusammenfassung in enzyklopädischer Form zu erreichen, die in sich von exemplarischer Einzeluntersuchung mit vorwiegend theoretisch-methodischer Fragestellung und möglichen technischen Neuerungen zur zweiten Stufe übergreifender, aber noch spezieller Untersuchungen, zur dritten Stufe führt: der handbuchmäßigen Zusammenfassung. Dafür bietet die Graphematik mit Nr. 1 ein Beispiel. Dem Bande von I L P O T A P A N I P H R A I N E N werden in der angedeuteten Stufung zwei weitere Bände mit ausgreifender Materialbasis folgen. Die nächsten beiden Nummern sind der gesprochenen Sprache gewidmet, wobei die „Texas Studies in Bilingualism" nicht nur thematisch den in
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Deutscher Sprachatlas
Gesamtdarstellungen
vieler Hinsieht drängenden P r o b l e m k r e i s d e r Zwei- u n d M e h r s p r a c h i g k e i t in Einzeluntersuchungen für Texas als zweitgrößten Staat der USA anfassen, sondern auch theoretisch und stofflich P r o b l e m e „ a t l a n t i s c h e r " D i a l e k t o l o g i e im V e r h ä l t n i s zur E r f o r s c h u n g gesprochener europäischer Kultursprachen. Mit den hier vorgelegten beiden Bänden von P E T E R W I E S I N G E R sollen G e s a m t d a r s t e l l u n g e n zum D e u t s c h e n S p r a c h a t l a s als L a u t - u n d F o r m e n a t l a s 1 in abschließender und weiterführender Form geboten werden. Nachdem die Publikationsform zu diesem Grundlagenwerk aus technischen Schwierigkeiten und wegen fehlender Finanzierung geändert werden mußte, vor allem die vereinfachte Publikationsform der Jahre 1 9 2 6 — 1 9 5 6 in mehrfacher Hinsicht nicht weitergeführt werden konnte, war W A L T H E R M I T Z K A seit seiner Tätigkeit in Marburg ab 1 9 3 4 bemüht, eine Vervielfältigung über farbige Diapositive zu erreichen. Da aber der Begründer G E O R G W E N K E R bei ausgesprochen malerischer und zeichnerischer Begabung die Sprachkarten farbig unter Verwendung von zwei Dutzend verschiedenen Tuschfarben und sehr dünnen farbigen Strichzeichen-Symbolen angelegt hat, ist es der Farbphotographie trotz hochentwickelter Technik auch heute nicht möglich, eine solche Lösung in wirtschaftlicher und arbeitstechnisch sinnvoller Form vorzulegen. Nach sehr eingehenden Überlegungen in den Jahren 1 9 5 6 — 1 9 6 0 wurde daher 1 9 6 0 ein Publikationsplan entworfen, der eine ausreichende Auswertung des Laut- und Formenatlasses in der darstellerischen Form des Buches vorsieht, unter Einarbeitung aller vorgelegten Orts- und Landschaftsuntersuchungen, die ebenso wie die Reihe des Instituts „Deutsche Dialektgeographie" damit eine gute Ausgangsbasis für alle künftige Arbeit bietet. Diese Gesamtdarstellung wird in vier Bänden den Vokalismus, in drei Bänden den Konsonantismus und in einem Band den Formenbestand aller Dialekte des deutschen Sprachgebietes behandeln. Gleichzeitig mit dieser Zusammenfassung ist eine entsprechende Bibliographie zur Laut- und Formenlehre der deutschen Dialekte angefertigt worden, die zusammen mit einer bibliographischen Fortsetzung für Struktur und Geschichte der deutschen Hochsprache ein dringend benötigtes biblio1
WALTHER MITZKA, Handbuch zum Deutschen Sprachatlas. Marburg 1952; BERNHARD MARTIN, Georg Wenkers Kampf um seinen Sprachatlas (1875—1889). In: Von Wenker zu Wrede. Marburg 1933 (DDG 21), 1 - 3 7 ; LUDWIG ERICH SCHMITT, Das Forschungsinstitut für deutsche Sprache — Deutscher Sprachatlas — an der Universität Marburg, mit wissenschaftlichem Jahresbericht 1964. Dem II. Internationalen Dialektologenkongreß 5. —10. September 1965 in Marburg (Lahn) gewidmet. Marburg 1965 / nicht im Buchhandel /. BERND KRATZ, Die Marburger dialektologische Schule. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik (ZDL) 37, 1970, 1—25. LUDWIG ERICH SCHMITT, V o m D e u t s c h e n S p r a c h a t l a s z u r G e r m a n i s t i s c h e n
Lin-
guistik (1956—1970). In: Germanistische Linguistik (GL) 1970. LUDWIG ERICH SCHMITT, Germanistische Gruppen- und Institutsforschung (Studia Linguistica Germanica). Berlin 1971.
Rechenschaftsbericht
IX
graphisches Handbuch zur deutschen Sprache ergibt. Dies wird wie die Zusammenfassung zum Laut- und Formenbestand der deutschen Dialekte selber eine erhebliche Entlastung aller künftigen Darstellungen ergeben. Zu den beiden Herausgebern mit ihren Wirkungsorten Marburg und Zürich, sowie mit deren institutionellen Einrichtungen, ist mit Herrn W I E S I N G E R ein Vertreter der „Wiener Schule" getreten. Es sind damit die drei Vororte der deutschen Dialektologie der letzten Generationen in gemeinsamer Arbeit vereint, wie wir hoffen, zum Vorteil der ganzen germanistischen Forschung. Herr W I E S I N G E R kam auf Wunsch der Herren Professoren H Ö F L E B und K R A N Z M A Y E R an das Marburger Institut, um seine Dissertation über Vokalprobleme des Oberdeutschen mit dessen Mitteln zu Ende zu führen. So trafen sich der Institutsplan mit seinem persönlichen. In dieser Kombination war es dann auch möglich, die Habilitation von Herrn W I E S I N G E R ZU betreiben. Wir hoffen, daß die mühsame und erfolgreiche Arbeit von 10 Jahren ebenso der gesamten germanistischen Forschung wie der speziellen Dialektologie Österreichs und der Alpenländer dient und auf weitere 150 Jahre Früchte trägt. Was ist nun der „Deutsche Sprachatlas" ? Diese Frage stellt der Außenstehende mit Recht bei unserer Überschrift. Es gibt auf sie mehrere mögliche Antworten. Die beiden naheliegenden sind: 1. ist es die kürzeste und bekannteste Bezeichnung — sozusagen seine Telegrammadresse — für ein sprachwissenschaftliches Unternehmen, das 1876 in der hessischen Universitätsstadt Marburg von einem 24jährigen jungen Mann, GEORG W E N K E R aus Düsseldorf, begründet wurde. Nach wechselvollem Geschick ist aus ihm in bald 100 Jahren ein Forschungsinstitut geworden, eine wissenschaftliche Anstalt, die sich der speziellen Erforschung gesprochener deutscher Sprache in ihren Differenzierungen widmet, also Geolinguistik und Soziolinguistik betreibt. Beide sind nur zwei Teile einer soziographischen „Extralinguistik", die ihrerseits als intralinguistischen Kern die systematische Auffächerung von Phonologie, Morphologie, Syntax und Suprasegmentalien verlangt. Wir bezeichnen sie als spezielle und allgemeine Dialektologie, die wiederum integrierender Teil der allgemeinen und speziellen Linguistik ist. 2. Der Kern aber bleibt der „Deutsche Sprachatlas" als Kartographierungs- und Publikationsunternehmen. Der von außen Kommende fragt, nicht ohne Hemmungen: Ist das so etwas wie der „geographische Atlas" oder der „Putzger" als historischer Handatlas, an den man sich aus den Schultagen erinnert? Tatsächlich steht der S p r a c h a t l a s als spezielles Kartenwerk zwischen geographischem und historischem Atlas und seinen Möglichkeiten, ohne daß er schon Eingang als „Schulbuch" gefunden hätte. Der Deutsche Sprachatlas ist jedenfalls ohne Vorbild entstanden, hat aber
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Deutscher Sprachatlas Gesamtdarstellungen
seinerseits als Vorbild gedient für mehr als 120 ähnliche Unternehmen für viele Sprachen der Welt. Soweit mit ihrer Publikation begonnen wurde, sind sie in der Bibliothek des Forschungsinstituts gesammelt 2 . Der Neubeginn ohne Vorbild 1 8 7 6 durch G E O R G W E N K E R für eine analytische, explizite Sprachkartierung brachte im Dezember 1878 als überraschendes Ergebnis den ersten Sprachatlas der Welt : „Sprachatlas der Rheinprovinz nördlich der Mosel, sowie des Kreises Siegen". W E N K E R fertigte ihn in 2 1 / 2 Jahren handschriftlich in zwei Exemplaren an auf Grund v o n Fragebogenformularen aus 1500 Orten des Regierungsbezirkes Düsseldorf, in denen die Volksschullehrer 42 kurze Sätze auf vorgedruckten Formularen mit Hilfe der Orthographie der deutschen Standardsprache für jeden Schulort in den Ortsdialekt übertragen hatten. „Das kartenmässige Ergebnis bestätigte die erwartete Einheitlichkeit der Lautverschiebungsfälle nicht und überraschte überhaupt durch eine unübersehbare Fülle von Stoff und Problemen" 3 . Diese Formulierung v o n M I T Z K A aus dem Jahre 1 9 5 2 stellt also dreierlei fest : 2
s. Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik Beihefte. Neue Folge hrsg. von Heft 8. S p r a c h a t l a n t e n . Berichte über sprachgeographische Forschungen I. Wiesbaden 1969: Die Publikation wird aus 3 Heften bestehen. Das bereits erschienene Heft I enthält: W E B N E R H. V E I T H = Washington D. C . , Die Themakartierung der Sprachen der Welt. Überschau und Folgerung (Klassifikationsmöglichkeiten, Genealogie, Struktur, Funktion der Sprachen), S. 1—26. B E R N D K R A T Z = Lexington (Kent.), Plurilinge Atlanten, S. 2 7 — 4 0 . W E R N E R H. V E I T H = Washington D. C., Sachbezogene Sprachatlanten. Exemplarisch dargestellt am Problem der mitteleuropäischen Weinbaukartierung L U D W I G E R I C H SCHMITT.
S. 4 1 - 6 0 . B E R N D K R A T Z = Lexington (Kent.), Romanische Sprachatlanten (Zu Anlage und Methodik der romanischen Sprachatlanten, die galloromanischen Atlanten, die Atlanten Italiens, Korsikas und der Südschweiz, die iberoromanischen Atlanten, die rumänischen Atlanten, Zusammenfassung und chronologische Übersicht) S. 6 1 - 1 1 6 .
= Manchester (England), Keltische Sprachatlanten (Das keltische Sprachgebiet, die kartographische Erschließung der keltischen Sprache, das Irische, Manxische, Schottische, Walisische, Bretonische), S. 1 1 7 — 1 4 0 . MIECZYSLAW K A R A S = Krakau, Slawische Sprachatlanten (Überblick über die Sprachatlasunternehmen im slawischen Sprachgebiet, publizierte slawische Sprachatlanten (des russischen, weißrussischen, ukrainischen, bulgarischen, sorbischen, polnischen Sprachgebietes; Beurteilung der sprachgeographischen Forschungen im slawischen Bereich), S. 141 — 179. Das II. Heft wird die Sprachatlanten des germanistischen Sprachgebietes und alle übrigen behandeln, das III. Heft eine Auswertung für die weitere Forschung bringen. MABTDT D U R R E L L
3
s. M I T Z K A , Handbuch S. 1. Es scheint mir nützlich, Wenkers ungedruckte Vorb e m e r k u n g zu seinem Kartenwerk hier einzurücken: „Das Material, welches den nachfolgenden Karten zu Grunde liegt, wurde vor 2 1 / 2 Jahren von mir mit Hülfe der Volksschullehrer und unter Mitwirkung der meisten Kreisschulinspektoren des
Rechenschaftsbericht
XI
1. Entgegen dem junggrammatischen Dogma von der „Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze", gegen das sich schon HUGO SCHUCHHARDT bei seiner Leipziger Probevorlesung als Privatdozent im Winter 1870 gewandt hatte 4 — ebenso wie er dort schon zwei Jahre vor JOHANNES SCHMIDT ( 1 8 7 2 ) die „Wellentheorie" formulierte —, fallen die Lautgrenzen in dem niederrheinischen Atlasgebiet für die sogenannte 2. Lautverschiebung n i c h t zusammen. 2 . Das von W E N K E R vorgelegte Kartenwerk überrascht durch eine unübersehbare Fülle von Stoff, behandelten Gebietes gesammelt. Es geschah dies in der Weise, daß ich jedem Lehrer ein Formular mit einer Anzahl bestimmter, zu diesem Zwecke gebildeter hochdeutscher Sätzchen zustellte mit der Bitte, diese Sätzchen in das Platt seiner Schulgemeinde entweder selbst zu übertragen oder durch einen eingebornen Schüler übertragen zu lassen. Von den etwa 2200 Lehrern haben nahezu 1500 meiner Bitte entsprochen; sie haben durch diese über Erwarten große Bereitwilligkeit nicht nur sich selbst und ihrem Stande ein ehrendes Zeugnis ausgestellt, sondern auch der vorliegenden Arbeit den breiten festen Boden gegeben, auf welchem allein befriedigende Ergebnisse zu gewinnen waren. Was die Zuverlässigkeit der Übersetzungen in sprachlicher Hinsicht betrifft, so darf man dieselbe, da ja die Übersetzer alle in redlicher Absicht — viele mit sichtlichem Eifer — gearbeitet und mit deutlicher Schrift und in der bekannten hochdeutschen Orthographie geschrieben haben, im allgemeinen für größer ansehen, als die einer alten Handschrift, deren Verfasser kaum bekannt, deren Alter und Entstehungsart zweifelhaft ist, ja deren Schreibweise erst nach ihrer phonetischen Geltung untersucht sein will. Zur Vermehrung der Sicherheit hatte ich obendrein jeden Lehrer seinen Geburtsort angeben sowie bemerken lassen, ob die Übersetzung von ihm oder von einem Schüler herrühre. Im letzteren Falle war nämlich nur ein Einfließen hochdeutscher Formen zu befürchten, im erstem dagegen konnten sich, wenn der Lehrer nicht ortseingeboren war, auch Formen aus der Mundart des Geburtsortes des Lehrers eingeschlichen haben, wie dies hier und da sich klar ergeben hat. Außerdem aber gaben die sorgfältigere oder nachlässigere Art der Ausführung, selbst die der Schriftzüge, sowie vielfach beigefügte Bemerkungen, phonetische oder lexicalische Erläuterungen u. ähnl., einen brauchbaren Anhalt zur Beurteilung, ob mit Verständnis gearbeitet war oder nicht. Überhaupt mußte bei der ganzen langwierigen Verarbeitung des weitschichtigen Materials eine stille unausgesetzte Kritik obwalten, bei der das Vertrauen in die Sicherheit der Ergebnisse seine feste Stütze hauptsächlich an zwei Thatsachen fand: einmal daran, daß bei der großen Zahl der vertretenen Orte (die sehr häufig nur V2 Stunde, ja noch weniger von einander entfernt liegen) jede Übersetzung gewissermaßen zur Controle der aus den Nachbarorten stammenden diente, und dann daran, daß an so manchem Beispiele, oft in der überraschendsten Weise, hervortrat, wie die Übersetzungen so recht aus dem frischen vollen Quell des gesprochenen, immittelbar und ungekünstelt aufgefaßten Platt geschöpft sind. Die nachfolgenden Karten enthalten von den gewonnenen Ergebnissen nur die hervorstechendsten und entschiedendsten, zugleich diejenigen, zu deren Verständnis eine kurze Erläuterung, wie sie auf jeder Karte rechts unten gegeben ist, genügte. Jede einzelne Lautklasse oder Formengruppe ist in einer besonderen Farbe zur Darstellung gebracht, indem die verschiedenen Gestaltungen durch Zahlen und durch Coloriren oder Schraffiren kenntlich gemacht sind. Die Gesamtheit der vorhandenen mundartlichen Bildungen ist auf jeder Karte rechts oben übersichtlich
XII
Deutscher Sprachatlas
Gesamtdarstellungen
3. es wirft eine ebenso u n ü b e r s e h b a r e F ü l l e v o n P r o b l e m e n auf. E s sind die gleichen Feststellungen, die W E N K E R selber i m letzten Abschnitt seiner „Vorbemerkungen" (s. A n m . 3) m a c h t u n d aus denen er die N o t w e n d i g k e i t der Weiterarbeit folgert. Mit U n t e r s t ü t z u n g seines Lehrers 5 F E R D I N A N D JUSTI u n d der Marburger Philosophischen F a k u l t ä t richtet er als Hilfsarbeiter der Universitätsbibliothek einen Antrag a n d e n Preußischen Kultusminister FALK u m ein Stipendium für die Erweiterung des rheinisch-westfälischen Atlasunternehmens auf ganz Nord- u n d Mitteldeutschland. N a c h einem positiven G u t a c h t e n der Preußischen A k a d e m i e der Wissenschaften, erstattet v o m Berliner Germanisten MÜLLENHOFF, erhält er es. N a c h weiteren 2 1 ¡ 2 Jahren schließt er m i t d e m damals führenden u n d ungemein anregenden germanistischen Verleger K A R L J . T R Ü B N E R = aufgeführt. Um für die oft verwirrenden farbigen Linien einen klaren Untergrund zu gewinnen, sind bloß die größeren Orte mit vollem Namen, alle übrigen dagegen nur mit den Anfangsbuchstaben versehen worden. Die vollständigen Namen gibt Bl. 2, zum Theil in den Ecken rechts oben und unten, wo dann die Anfangsbuchstaben leicht nach der Zahl und dem Buchstaben der betreffenden Quadrate in der Karte zu finden sind. Die Darlegung der gesammten Ergebnisse muß einer spätem Veröffentlichung mit ausführlichem Text aufbehalten bleiben. Eine Fülle von Fragen und Vermuthungen drängt sich schon bei dem kleinen vorliegenden Theil der Resultate Jedem auf. Sie weiter zu verfolgen, ihre Lösung zu versuchen würde verfrüht erscheinen müssen, solange die Forschung neben dem beschränkten Boden dieses kleinen Bruchtheils der deutschen Mundarten deren weithin rings sich dehnendes Feld noch nicht in ähnlicher Weise erschlossen ist. — Möge es mir beschieden sein, durch Sammlung und Verarbeitung weiteren Materials der deutschen Wissenschaft nach dieser Richtung hin freiere Bahn zu schaffen. Marburg i. H., December 1878. G. Wenker" 4
S CHUCHU AR DT: Über die Lautgesetze gegen die Junggrammatiker. Berlin 1885. Durch die erst nach 15 Jahren erfolgte Publikation ist in beiden Fällen die Priorität SCHTTCHHARDTS unbeachtet geblieben. Dies oberflächliche Arbeiten und zusammenhanglose Argumentieren gilt übrigens auch sonst. Ich verweise nur darauf, daß das Problem des „Phonems" neben der „Betrachtung der Laute vom rein physiologischen Standpunkt" schon im Winter 1870 bei seiner Antrittsvorlesung als Dozent an der Universität Petersburg von B A U D O U I N D B COTTRTENAY (1845— 1929) behandelt wird (s. R O M A N J A K O B S O N , J a n Baudouin de Courtenay. I n : Slawische Rundschau 1. 1929, 809 ff.).
5
F E R D I N A N D J U S T I ( 1 8 3 7 — 1 9 0 7 ) war seit 1 8 6 1 Dozent, seit 1 8 6 5 ao., 1 8 6 9 o. Professor in Marburg für orientalische Sprachen, germanische und vergleichende Grammatik, stammte aus der bekannten hessischen Theologenfamilie JUSTI. Sein Bruder war der spätere Bonner Kunsthistoriker K A R L J U S T I , auch sein Sohn L U D W I G J U S T I ( 1 8 7 6 — 1 9 5 7 ) war Kunsthistoriker in Halle, Frankfurt, Berlin. F E R D I N A N D J U S T I malte eine große Zahl hessischerTrachtenbilder. Diese Zusammenhänge förderten wohl auch den zeichnerisch begabten G E O R G W E N K E R bei seinen Atlasplänen. Die Verwendimg von 22 verschiedenen Tuschfarben gehört in den gleichen Zusammenhang (s. Catalogue Professorum Academiae Marburgensis, bearb.
HUGO
v o n FRANZ GUNDLACH. M a r b u r g 1927, S . 4 2 5 ) .
Rechenschaftsbericht
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Straßburg einen Vertrag für einen „Sprach=Atlas von Nord- und Mitteldeutschland", von dem im Oktober 1 8 8 1 eine 1. Lieferung von TRÜBNER publiziert wird. 6 Ich nenne künftig diese beiden Arbeitsstufen W e n k e r - A t l a s I und W e n k e r - A t l a s II. Eine kritische Analyse gebe ich in „Germanistische Gruppen- und Institutsforschung". Zieht man das Fazit, so läßt sich sagen: Wenker-Atlas I von 1878 bietet auf 23 Kartenblättern (Blatt 3—25) Kombinationskarten mit jeweils mehreren Beispielen in systematischer Ordnung, 6
Sein Titelblatt lautet: „Sprach = Atlas von Nord- und Mitteldeutschland Auf Grund von systematisch mit Hilfe der Volksschullehrer gesammeltem Material aus circa 30 000 Orten Bearbeitet, entworfen und gezeichnet von Dr. Georg Wenker Übersichtskarte in 13 Abteilungen Strassburg Karl J. Trübner London Trübner & Comp. 1881"
Der Verleger KAHL J. TRÜBHER gab gleichzeitig mit der 1. Lieferung einen Werbeprospekt heraus, der auch auf der 4. Umschlagseite der Lieferung abgedruckt ist : „Prospectus Das vorliegende Werk ist die Frucht mehrjähriger Sammlungen des Verfassers, die derselbe mit Unterstützung der preußischen und der übrigen nord- und mitteldeutschen Regierungen in durchaus neuer und durch ihre Resultate hervorstechender Weise angelegt hat. Der Verfasser hatte zunächst vor mehreren Jahren in der Rheinprovinz auf eigne Hand die gleichen Sammlungen und Forschungen angestellt und die glänzenden Ergebnisse derselben, die den vollkommenen Beweis für die Fruchtbarkeit und Sicherheit seines Verfahrens enthielten, in einem handschriftlichen Sprach-Atlasse niedergelegt. Diesen reichte er dem königlich preußischen Cultusministerium ein, welch letzteres die Arbeit der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin zur Begutachtung vorlegte. Wir heben aus dem darauf erfolgten Gutachten der Akademie (vom 25. April 1879) folgende Stelle hervor: ,Wer immer einen Blick in die von Dr. Wenker vorgelegten Karten wirft, wird von der Fülle des darin verarbeiteten Materials überrascht sein, und der Geschicklichkeit die es zusammenbrachte und verwerthete, und dem außerordentlichen, ja erstaunlichen auf die Verarbeitung verwendeten Fleiße seine Anerkennung nicht versagen. Durch manche Thatsachen, die nun erst ans Licht treten und die für hinlänglich festgestellt gelten dürfen, wird auch der Sprachkenner überrascht sein, so gleich auf den ersten Blättern dadurch, daß die Grenze des hochdeutschen und niederdeutschen mit der letzten des hochdeutschen und niederdeutschen nicht völlig zusammenfällt. Wer überhaupt auf sprachlichem Gebiete und wäre es dem entlegensten und verschiedensten arbeitet, wird erfreut sein über die Gelegenheit, die
XIV
Deutscher Sprachatlas Gesamtdarstellungen
die insgesamt Ansätze zu Strukturkarten darstellen. Das Kartenwerk steht so im Gegensatz zu den späteren Arbeitsweisen, etwa von THEODOR FRINGS, die gleiche Linienverläufe im Baume (Isoglossen) unter sich und mit sonstigen historischen Grenzen „atomistisch", d. h. ohne Rücksicht auf sprach, liehe Struktur, vergleichen. Bis auf einige Karten zu Pronominal- und Verihm hier wie bisher nirgendwo anders geboten wird, von den mannigfachen Abstufungen und Schattierungen innerhalb eines Dialects sich in wenigen Augenblicken durch die Anschauung überzeugen zu können. Mit Hülfe solcher Karten w i r d die H e r k u n f t u n d H e i m a t h m a n c h e r n a m e n l o s e n ä l t e r e n D e n k m ä l e r u n s e r e r S p r a c h e l e i c h t e r u n d g e n a u e r sich b e s t i m m e n l a s s e n a l s b i s h e r , wenn auch nicht anzunehmen ist, daß die heute von Dr. Wenker gezogenen Linien von Alters her immer unverändert festgestanden haben. Mit solchen Karten wird jedenfalls der geschichtlichen Erforschung unserer Sprache, der Entwicklung ihrer Dialecte und landschaftlichen schriftlichen Gestaltungen ein wichtiges Hülfsmittel geboten und es möglich sein, auch die Verschiebung der Grenzen mancher Spracheigenthümlichkeiten innerhalb der einzelnen Dialecte in der Zukunft zu verfolgen. Das Unternehmen und Vorhaben des Dr. Wenker erweist sich daher der Wissenschaft in mehr als einer Hinsicht nützlich und darf der Förderung von Seiten des Staates um so mehr empfohlen werden, weil voraussichtlich nicht so bald wieder eine Kraft zur Verfügung stehen wird, die mit gleicher Hingebung, Energie und Geschicklichkeit die weit ausgehende Aufgabe ergreifen und zu ihrer Lebensaufgabe machen würde.' Von bisherigen Sprachkarten unterscheidet sich der Sprach-Atlas des Verfassers nicht nur durch Umfang und Genauigkeit, in dem er fast jeden Ort des behandelten Gebietes beachtet (die 1. Abtheilung beruht auf Material aus über 3000 Orten), sondern vor allem in der Art seiner Methode. Der Verfasser geht nämlich nicht von vorher bestimmten Dialectgrenzen und -gebieten aus und registriert etwa die innerhalb eines jeden vorkommenden Eigenthümlichkeiten — sondern, die Frage nach den Dialectgrenzen zunächst völlig unentschieden lassend, gibt er uns auf den einzelnen Blättern g e n a u v o n O r t zu O r t festgestellte Einzelgrenzlinien für jede in der Entwicklungsgeschichte der deutschen Sprache irgend wichtige und characteristische Eigenthümlichkeit im Lautstande, in der Flexion und Bildung des Nomens, des Verbums, der Pronomina, Zahlwörter etc. Wir finden beispielsweise auf den einzelnen Karten genau die Grenzlinien zwischen anlautend z- und t, p- und pf-; inlautend -ss- und -t-, -f- und -p-, sowie aller gesetzmäßigen Veränderungen unterworfener Consonanten des An- und Inlautes. In gleicher Vollständigkeit sind die mannigfachen Vocalverhältnisse in scharfen Linien zur Anschauung gebracht. Weitere Blätter bringen die Casus der Personalpronomina, des Articéis, die Substantiv- und die starke und schwache Adjectivdeclination, die Flexion der regelmäßigen Verba sowie die der Hülfsverba,Praeteritopraesentia,der Verba thun, stehn etc., die Bildung gewisser zur Scheidung unserer Mundarten wichtiger Wörter, wie fünf, neun, der Diminutivsilben etc. — kurz der Wenker'sche Sprach-Atlas bietet nicht etwa wie bisherige Dialectkarten eine Anzahl dürftiger und oftmals imbestimmter Dialectgrenzlinien mit mehr oder weniger anfechtbaren Namen, sondern er enthält in Verbindung mit dem Texte in übersichtlicher Darstellung einen Abriß der Laut- und Formenlehre aller heutigen Mundarten Nord- und Mitteldeutschlands. Das hier Festgestellte wird die Grundlage aller weiteren mundartlichen Einzelforschungen bilden müssen: hier ergibt sich klar und unbestreitbar, wo die Dialectgrenzen liegen, in denen der einzelne Dialect — soweit dies heute noch möglich —
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baiformen (Karten 15—23), die in der Kombination von Wenker etwas wirr wirken, zeigen schon die vorgelegten Karten großartig a l l e dialektologischlinguistischen Ergebnisse, die F R I N G S in seinem Beitrag zu A U B I N - F K I N G S MÜLLER, „Kulturstrômungén und Kulturprovinzen in den Rheinlanden". Bonn 1926 herausarbeiten konnte: Unübertrefflich die Wirkung des Kölner Sprach- und Kulturraumes, die sprachliche Wirkung der Rheinstraße, die konservative Haltung der westlichen und östlichen Gebirgsflanken, die Einbettung von Sprachraum und Sprachbewegung in den Rahmen der Sprachschranken, und alles schon im kurzen, raffenden Überblick, wie der Prospekt zu Wenker-Atlas I I ausdrücklich hervorhebt. W E N K E R S Karte 1 bringt die Flußläufe und Wasserscheiden und betont die Wirkung der letzteren als Sprachscheiden. Wenn man den Atlas I studiert hat, ist es fast schmerzlich, ihn im Vorwort des epochemachenden Dreimänner-Buches von 1926 nicht einmal erwähnt zu finden. Jedenfalls verdient er noch heute, publiziert zu werden als 1. Band eines dringend nötigen mehrbändigen Sprachkartenwerks des Rhein-Ruhr-Gebietes zwischen Wesel und Bonn, zwischen Aachen und Unna/Hamm. Schon mit der doppelten Anzahl von ßO Karten im Maßstab 1 : 480 000, mit rund 300 kombinierten sprachlichen Merkmalen hätte das Unternehmen nach weiteren 2—3 Jahren, also bis 1880/81, veröffentlicht werden können, sogar mit handkolorierten Sprachlinien, wie beim Wenker-Atlas II. Dieser ist im Prinzip ein R e g i o n a l a t l a s , der ganz Norddeutschland bis zum Main in 13 Einzelatlanten von gleichmäßig quadratischem Umfang rein und unvermischt erfaßt werden kann, und wo die Mischgebiete, die Übergangszonen mit den seltsamsten, den Forseher erst überraschenden, dann aber zu den anregendsten Untersuchungen auffordernden Mischformen sich finden. Den Atlas wird ein Text in Octavformat begleiten, welcher die durch den Atlas erwiesenen Thatsaohen in knapper Form besprechen wird. Der Wenker'sche Sprach-Atlas erscheint in 13 Abtheilungen à circa 36 Blatt; jede Abtheilung wird ein möglichst in sioh abgerundetes Gebiet umfassen (siehe die Übersichtskarte). Die Publication erfolgt in einzelnen Lieferungen à 6 Blatt vom 1. October 1881 an und darf die Vollendung des ganzen Werkes bestimmt in 3—6 Jahren in Aussicht genommen werden. Der Preis jeder einzelnen Abtheilung à 6 Lieferungen einschließlich Text und Mappe ist M. 50,— zahlbar bei Erscheinen der Lieferungen à M. 8,— und der Mappe zu M. 2,—. Einzelne Lieferungen werden nicht abgegeben, dagegen ist j e d e A b t h e i l u n g einzeln käuflich, worauf n a m e n t l i c h die G y m n a s i a l s c h u l b e h ö r d e n aufmerksam gemacht werden. Im Uebrigen erlaubt eich die Verlagshandlung, das große nationale Werk allen Bibliotheken, Archiven und Unterrichtsbehörden, sowie allen Sprachforschern und sonstigen Fremden unserer Sprache und des deutschen Volksthums zu empfehlen. Gefällige Bestellungen wolle man an die nächste Buchhandlung gelangen lassen. Alle Buchhandlungen des In- und Auslandes nehmen Bestellungen an. Strassburg, October 1881. Die Verlagshandlung Karl J. Trübner, Buohdruckerei von G. Otto in Darmstadt."
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(Maßstab 1:800 000) aufteilt. Die 1. Abteilung umgrenzt die südliche Rheinprovinz und den größten Teil der damals preußischen Provinz HessenNassau einschließlich des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Sachlich gilt das gleiche wie für Wenker-Atlas I. Nach dem Prospekt hoffen Autor und Verlag, das gesamte Unternehmen in 3—6 Jahren publizieren zu können. Für die zeitliche Disposition ist interessant, daß I und I I von W E N K E B in je 2 1 lz Jahren vorgelegt wurden. Allerdings sind in diese Zeit auch „Sammlung" und Aufarbeitung des Materials eingeschlossen. Bei 13 Abteilungen bzw. Teilatlanten, hätte eine Abteilung rund 3 Mannjahre, das Ganze also 39 Mannjahre beansprucht. Nach den erschließbaren Dispositionen dachte W E N K E B schon 1881 an eine zentrale Arbeitsstelle mit mehreren Mitarbeitern. Rechnet man 3 volle Mitarbeiter, so hätten Nord- und Mitteldeutschland in der projektierten regionalen Form in 13—15 Jahren, also bis etwa 1895, publiziert werden können. Bei einer Besetzung der zentralen Arbeitsstelle mit 6—7 Mitarbeitern hätte das Unternehmen für das Gebiet des Bismarckschen Reiches frühestens 1900, spätestens bis zum 1. Weltkrieg fertig gestellt werden müssen. Statt der zentralen Arbeitsstelle hätte man bei der Projektierung auch dezentralisiert etwa 6 Arbeitsstellen in Nord- und Mitteldeutschland vorsehen können, von denen jede durchschnittlich zwei Abteilungen hätte erledigen müssen. Mit Vorbereitung und zeitlichem Spielraum hätten diese Arbeitsstellen bei Zwei-Mann-Besetzung das Werk bis 1890 fertigstellen können, das ganze Reichsgebiet also wieder bis 1900 oder spätestens 1910. Allerdings hätte die Dotierung des Staates etwa 10- bis 20mal so groß sein müssen als im Verhandlungszeitraum 1878—1880, oder sechs- bis siebenmal so groß wie 1886—1910, in dem W E N K E B mit 2 Assistenten arbeiten konnte. Ansätze zu einer solchen dezentralisierten Lösung gab es erst unter der Ägide von GUSTAV R O E T H E nach 1902 — und dann kam der erste Weltkrieg dazwischen ! Auch das Projekt zum Wenker-Atlas I I soll sich nach dem Prospekt des Verlegers systematisch auf Laute, Formen, Wortschatz, Syntax und Akzent beziehen. Es barg also durchaus strukturelle Ansätze, ohne daß dies ausdrücklich gesagt wird. Aber noch ehe die erste Lieferung des Unternehmens von 1881 international bekannt war, mußte W E N K E B auf Veranlassung des Preußischen Kultusministeriums den Vertrag mit dem Verleger T B Ü B N E E kündigen. Das Sprachatlas-Werk wurde auf das Bismarck-Reich ausgedehnt, W E N K E B erhielt nach sehr schwierigen Verhandlungen Mittel für drei Arbeitskräfte ab 1886, mußte aber vor handschriftlichem Abschluß des Werkes auf Publikationen verzichten, von Habilitation und sonstiger wissenschaftlicher Arbeit wurde ihm abgeraten. Das ergab eine Reihe von entscheidenden Nachteilen : 1. zog sich das Unternehmen bei unzureichender Finanzierung zu lange hin ;
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2. es blieb ohne Publikation weithin unbekannt und ohne intensive Auswirkung ; 3. ohne die ständige Nötigung zur Drucklegung wurden die technischen Möglichkeiten nicht entwickelt, so daß man nach der Katastrophe des 1. Weltkrieges über wenig Erfahrung im Kartendruck verfügte. 4. Die Ansätze zur Ausbildung hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses mußten bei den getroffenen Maßnahmen zu gering bleiben. 5. Die wissenschaftlichen Fragestellungen mußten sich wandeln. Alles drängte in dieser 1 8 8 2 — 1 8 8 6 entscheidend angelegten Entwicklung zur Institutionalisierung, die unter W E N K E R S Nachfolgern F E R D I N A N D W R E D E und W A L T H E R M I T Z K A vor allem gefördert wurde, so daß wir im Jahre 1970 unter „Deutscher Sprachatlas" (DSA) verstehen: 1 . Den von G E O R G W E N K E R ( 1 8 5 2 — 1 9 1 1 ) von 1 8 7 6 bis 1 8 8 8 begründeten „Sprachatlas des Deutschen Reiches" (SAD), der n u r h a n d s c h r i f t l i c h in Fragebogen und Karten (rund 1 7 0 0 Einzelkarten im Maßstab 1 : 1 0 0 0 0 0 0 ) im Forschungsinstitut für deutsche Sprache — Deutscher Sprachatlas in Marburg aufbewahrt wird. Er kann nur wissenschaftlich ausgewertet werden unter steter Hinzuziehung des Fragebogen-Archivs und der im 19. und 20. Jahrhundert geschaffenen wissenschaftlichen Sekundärliteratur. Diese ist als Spezialbibliothek vollständig auch nur im Marburger Institut vorhanden. 2 . Die von W E N K E R S Nachfolgern F E R D I N A N D W R E D E ( 1 8 6 3 — 1 9 3 4 ) und W A L T H E R M I T Z K A (geb. 1 8 8 8 ) bearbeitete T e i l p u b l i k a t i o n „Deutscher Sprachatlas. Auf Grund des von G E O R G W E N K E R begründeten Sprachatlas des Deutschen Reichs und mit Einschluß Luxemburgs, der deutschen Sprachteile der Tschechoslowakei, Österreichs, der Sprachinsel Gottschee, Liechtensteins in vereinfachter Form bearbeitet bei der Zentralstelle für den Sprachatlas des Deutschen Reichs und deutsche Mundartenforschung". Herausgegeben von F E R D I N A N D W R E D E und (ab Lieferung 5 ) B E R N H A R D M A R T I N ( 1 9 2 6 ff.). Ab Lieferung 7 fortgesetzt von W A L T H E R M I T Z K A ( 1 9 3 4 ff.) und B E R N H A R D M A R T I N . Lfg. 1 - 2 3 . Marburg 1 9 2 6 - 1 9 5 6 . IV, 36 Seiten Text, 128 Karten. Folio. In dieser „vereinfachten Form" (statt 22 verschiedenen Tuschfarben Umzeichnung auf Schwarz-Weiß-Druck und Maßstab 1:2 000 000, wodurch aus drei Originalkartenblättern 1:1 000 000 ein Blatt wurde), ist ungefähr ein Sechstel publiziert. Diese Umarbeitung für den Druck mußte eingestellt werden, weil sie zu langwierig (etwa weitere 50—60 Jahre bei 6—5 linguistisch-dialektologisch hochspezialisierten Zeichnern) und damit viel zu teuer geworden wäre. Außerdem war es schon zwischen 1923 und 1950 schwierig, gute Mitarbeiter für solche anspruchsvolle, aber im Grunde unproduktive Reproduzierarbeit zu bekommen. Seitdem ist es unmöglich geworden. 3.0. Seine Ergänzungen und Erweiterungen erhielten der handschriftliche SAD und der vereinfachte Teildruck des DSA in weiteren Unternehmen:
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Deutscher Sprachatlas
Gesamtdarstellungen
3.1. Den „Berichte(n) über Georg Wenkers Sprachatlas des Deutschen Reiches' ',von F E R D I N A N D W E E D E 1 8 9 2 — 1 9 0 2 verfaßi,publiziert im,,Anzeiger für das deutsche Altertum" (dem Rezensionsorgan der „Zeitschrift für deutsches Altertum") Bd. 1 8 — 2 8 , wieder abgedruckt und damit erst eigentlich zugänglich gemacht in F E R D I N A N D W R E D E , Kleine Schriften. Hrsg. von L U I S E B E R T H O L D , B E R N H A R D MARTIN und W A L T H E R MITZKA. Marburg 1 9 6 3 ( = D D G 6 0 ) , S. 9 - 2 2 8 . Diese Berichte geben für die noch ungedruckten Karten wichtige verbale Deskriptionen, nicht selten auch Interpretationshinweise. Sie können aber noch ausstehende Kommentare zu den wichtigsten Karten oder Kartengruppen nicht ersetzen. 3.2. Die „Deutsche Dialektgeographie. Untersuchungen zum Deutschen Sprachatlas", begründet von F E R D I N A N D W R E D E , Bd. 1 — 4 2 , hrsg. von F E R D I N A N D W R E D E u n d W A L T H E R MITZKA, B d . 4 3 — 4 6 , h r s g . v o n HARD MARTIN,
Bd.
47—70,
hrsg. von
L U D W I G E R I C H SCHMITT.
BERN-
Marburg
1908-1970.
Diese Untersuchungen kombinieren in den ersten siebzig Bänden direkte Feldforschung in Gebieten, die im Normalfall identisch sind mit mittleren politischen Verwaltungseinheiten (Kreise), mit den Ergebnissen des SprachatlasWerkes. Sie sind die wesentlichste Ergänzung und Erweiterung der Atlasarbeit unter F E R D I N A N D W R E D E . Bis zu einer lückenlosen Aufarbeitung des deutschen Sprachgebietes nach 1945 in diesen „Kleinräumen" braucht es noch viel Arbeit. Daher wird ab Band 50 versucht, einen paradigmatischen und exemplarischen Querschnitt anzusteuern, zugleich die methodischtheoretische Erneuerung einzuarbeiten, einschließlich modernen apparativen phonetischen Arbeitsmöglichkeiten. Für die Bände 7 0 — 1 0 0 ist eine systematische Behandlung nach „Sprachlandschaften" geplant und in Arbeit, so daß mit den ersten hundert Bänden ein gewisser Abschluß der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts für Teilgebiete erreicht sein wird, die T H E O D O R F R I N G S und HERMANN A U B I N 1 9 2 6 „Kulturprovinzen" nannten. 3.3. Im „Deutschen Wortatlas"(DWA), nach längeren Vorarbeiten seit den zwanziger Jahren 1 9 3 9 — 1 9 4 2 begründet von W A L T H E R MITZKA und als „Deutscher Sprachatlas. Reihe: Wortatlas des Forschungsinstituts für deutsche Sprache Marburg. Bd. 1 — 4 herausgegeben von W A L T H E R MITZKA, Bd. 5 — 2 0 herausgegeben von W A L T H E R MITZKA und L U D W I G E R I C H SCHMITT. Gießen 1 9 5 1 - 1 9 7 0 . 3.4. Der Reihe „Deutscher Sprachatlas: Regionale Atlanten, herausgegeben vom Forschungsinstitut für deutsche Sprache. Deutscher Sprachatlas Marburg 1 9 6 2 — 1 9 7 0 , begründet von L U D W I G E R I C H SCHMITT, bis 1 9 7 0 erscheinen 8 Bände im großen Atlasformat im Druck, 10 weitere Bände befinden sich in Vorbereitung7, und 7
s. L . E . SCHMITT, V o m Deutschen S p r a c h a t l a s zur germanistischen Linguistik. 1970.
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3.5. „Kleiner Deutscher Sprachatlas" (KDSA), auf Grund der Sammlungen von W E N K E R S Deutschem Sprachatlas vorbereitet vom Forschungsinstitut für deutsche Sprache Marburg seit 1959, bearbeitet von W E R N E R V E I T H mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung (Computer und Plotter) nach Vorarbeiten WOLFGANG PUTSCHKES „über ein Computerprogramm zur Herstellung von Sprachkarten". Erscheinen im Druck vorgesehen für 1971 ». 4. Die institutionalisierte Form der Arbeit an den aufgeführten Unternehmen unter 1. bis 3.5, die zunächst als „ Z e n t r a l s t e l l e f ü r d e n S p r a c h a t l a s des D e u t s c h e n Reichs und d e u t s c h e M u n d a r t e n f o r s c h u n g " unter W E N K E R und W R E D E dann als „ D e u t s c h e r S p r a c h a t l a s " unter MITZKA, als „ F o r s c h u n g s i n s t i t u t f ü r d e u t s c h e S p r a c h e . D e u t s c h e r S p r a c h a t l a s " unter SCHMITT firmiert 9 . 5. Die Forscher der Marburger dialektologischen Schule, die sich um die unter 1.—3.5. genannten Grundlagenprojekte der linguistischen Kartographie gesammelt haben oder aus ihr hervorgegangen sind. Linguistisch exakt handelt es sich beim „Deutschen Sprachatlas" unter 1. und 2. also um einen „Laut- und Formenatlas" der Dialekte und der dialektisch bestimmten regionalen Sprachgruppen des Deutschen. Vom Ansatz her stellt er den Versuch eines synchronen Querschnitts der dialektalen Sprach Verhältnisse des Deutschen Reiches um 1882 dar mit einem Aufnahmezeitraum von 1876 bis 1888. Schon darin ist aber ein dreistufiger Aufnahmeprozeß zusammen gefaßt, wie wir oben ausgeführt haben und wie die Übersichtskarte über die Fragebogensammlung 10 zeigt : 1876 Rheinprovinz und südwestliches Westfalen 1879/80 Nord- und Mitteldeutschland bis zum Main und mit Einschluß von Hessen-Darmstadt 1887/88 Süddeutschland und Elsaß-Lothringen. Bereits 1888 war durch eine besondere Sammlung von J O H N M E I E R Luxemburg hinzugekommen. W R E D E vermehrte die Sammlungen 1926— 1933 um die deutschsprachige Schweiz, Österreich, die deutschsprachigen Gebiete der Tschecho-Slowakei, der 7 und 13 Gemeinden des Tridentienischen und die Gottschee. MITZKA konnte Südtirol 1939 hinzufügen. Damit war man aber bereits zeitlich zwei Menschenalter (63 Jahre) von der ersten Sammlung im Rheinischen entfernt. Von Synchronie im strengen Sinne kann man dabei nicht mehr sprechen. 8 9 10
s. Germanistische Linguistik 1/1969; 3/1970. s. Jahresberichte des Institute 1956—1970. s. MITZKA, Handbuch S. 8ff.; L. E. SCHMITT, Jahresbericht 1964, S. 7ff. und Karte S. 9.
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Deutscher Sprachatlas Gesamtdarstellungen
In dem fünfstufigen Ausweiten der Marburger Sammlungen zeigt sich die Tendenz zur Vollständigkeit, zu der der Linguist und Dialektologe bei der Feldforschung leicht verführt wird. Überm Sammeln ertrinkt man leicht im Material. Die Neigung zu möglichst vollständiger räumlicher Übersicht ergibt sich schon bei der eigentümlichen Verkettung und Mischung der Verhältnisse gesprochener Sprache im Raum und der Bindung an wechselnde und wechselnd mobile Sprechergruppen. Es ist also auch ein Sachzwang, der den Sammler und Forscher immer weiter treibt. Ihm hoffen wir mit unseren „Gesamtdarstellungen" zu begegnen. Dazu kommt weiter ein ständig wechselndes Verhältnis von linguistischer Stoffsammlung, ihrer systematischen Durchdringung sowie Entwicklung der Theorie, ein Wechsel zwischen Extremen; aber auch innerhalb Stoffsammlung, Systematik und Theorienbildung ein manchmal krasser Wechsel zwischen einseitigen Einstellungen und extremen Methoden. In den jungen und noch stark in der Entwicklung begriffenen Einzelwissenschaften wie der Linguistik zeigen sich außerdem fortwährend Abhängigkeiten und Parallelen zu Nachbarwissenschaften, Zeichen unbewußter oder bewußter Kommunikation, die bei indirekten Kontakten durch den „Zeitgeist" gesteigert werden können bis zu modischer Abhängigkeit. Je näher sich die Wissenschaften stehen, umso enger sind die Wechselbeziehungen, ohne daß es dem Einzelforscher oder dem Mitglied einer Arbeitsgruppe ganz bewußt wird. Nicht zu vergessen ist aber auch die wissenschaftsimmanente Entwicklung gerade in entscheidenden Phasen, ζ. B. einer mehrfach wiederholten Abfolge von Graphematik, Phonologie, Morphologie, Syntax. Eingebettet ist sie in eine Abfolge vor- und frühwissenschaftlicher Gesamtbetrachtung (Holismus), die leicht von außen wieder in eine schon weit getriebene Analytik eindringt oder als Residuum erhalten bleibt. Die Abfolge von zentralen Begriffen wie dem metaphorischen Gebrauch von „Mechanismus", „Organismus", „Gestalt", „Ganzheit" in der Linguistik ist dafür kennzeichnend. Sie werden noch lange, nicht genügend terminologisch kontrolliert, nebeneinander gebraucht. Auch der Rückfall ζ. B. aus streng linguistischen Verfahren gesprochener Sprache in ältere philologische, ζ. B. Ortsbestimmung von älteren geschriebenen Texten durch W E N K E E , W E E D E , GUSTAV R O E T H E , L U I S E BEBTHOLD, die Verwendung der SIEVEES'schen Schallanalyse als textkritisches Mittel usw. weist in diese Richtung. Gesamtdarstellungen zum Deutschen Sprachatlas müssen in diesen Zusammenhängen gesehen werden. Sie verlangen daher einen Forschungsstand, der den unterschiedlichen materialen, theoretischen und methodischen Positionen ausgleichend gerecht wird.
Vorwort Die deutsche Dialektologie der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts ist aufs engste mit dem Wirken von Ferdinand W R E D E , Theodor F R I N G S , Walther M I T Z K A , Karl B O H N E N B E R G E R , Primus L E S S I A K , Eberhard K R A N Z MAYER, Ernst SCHWARZ, Hermann T E U C H E R T u. a. verbunden. Ihre großen Leistungen liegen auf dialektgeographischem Gebiet und haben das Verhältnis von Sprache und Geschichte in Raum und Zeit zum Gegenstand. Die Gegenwart lenkt mehr und mehr ihren Blick auf die Sprache selbst, ihre Struktur und ihre Leistungsfähigkeit und erweist sie als ein geformtes Gebilde mit systematischen Ordnungen. Ältere und neuere Richtungen vermögen sich zu vereinigen in der Erforschung des innergesetzlichen Werdegangs der Dialekte, insbesondere im Bereich des Lautlichen mit Hilfe der synchronen und diachronen Phonologie. Hierzu beizutragen ist die Aufgabe der vorliegenden Untersuchungen, die sich mit Herkunft und Struktur des deutsch-mundartlichen Vokalismus beschäftigen. Dabei gilt es aufzuzeigen, daß lautliche Veränderungen nicht nur das Ergebnis zufälliger und willkürlicher Einwirkungen sprachexterner Kräfte verkörpern, wie es die dialektgeographische Forschung angenommen hat, sondern daß sich diese weitgehend sprachintern als gerichtete, systemgebundene, genetische Entwicklungen vollziehen. Solche Probleme lassen sich nicht an einer einzelnen Ortsmundart oder im Bereich einer enger begrenzten Mundartlandschaft behandeln, sondern verlangen das gesamte deutsche Dialektgebiet als Grundlage, um alle vorhandenen Möglichkeiten zu erfassen. So wird mit dieser Arbeit gleichzeitig auch der Versuch gewagt, über die regionale Forschung hinaus, gesamtdeutsche Dialektologie zu betreiben und damit Pläne zu verwirklichen, wie sie bereits seit Beginn einer wissenschaftlichen Dialektologie der Begründer des Deutschen Sprachatlasses, Georg W E N K E R , verfolgt hat. Georg W E N K E R S Deutscher Sprachatlas muß daher auch als Materialgrundlage dienen, weil er das gesamtdeutsche Sprachgebiet umfaßt. Hier wird unter Gesamtdeutsch der geschlossene deutsche Sprachraum verstanden, wie er bis 1945 bestanden hat: das ist Deutschland in den Grenzen bis 1918 (also mit Einschluß von Elsaß-Lothringen und der deutschen Gebiete um Malmedy und Eupen im Westen und der deutschen Gebiete in Posen und Westpreußen im Osten), Luxemburg mit dem Areler und Tintinger Gebiet in Belgien, die Schweiz, Liechtenstein, Österreich mit Südtirol und die sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei. Nicht einbezogen ist der zur niederländischen Schriftsprache gehörende niederfränkische und nieder-
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Vorwort
sächsische Sprachbereich Belgiens und der Niederlande. An deutschen Sprachinseln im fremdsprachigen Gebiet werden nur die in nächster Nähe des geschlossenen deutschen Sprachbereichs gelegenen alten Bauernsprachinseln des Mittelalters in Italien, Jugoslawien, Ungarn, der Tschechoslowakei und in Oberschlesien berücksichtigt. Das Kartenwerk des Deutschen Sprachatlasses entstand auf Grund einer in den J a h r e n 1879/80 u n d 1887/88 von der Lehrerschaft durchgeführten
Übertragung von eigens für diesen Zweck konstruierten 40 Sätzen in die ortsüblichen Mundarten und erbrachte im damaligen Deutschen Reich über 40 000 Aufzeichnungen. Im Laufe von 40 Jahren wurden die aus den Fragebogen gewonnenen sprachlichen Daten von WENKEB, seinem späteren Nachfolger Ferdinand WBEDE und seinem Mitarbeiter Emil MAURMANN in mühevoller Kleinarbeit mit bis zu 22 verschiedenen Tuschfarben auf 1650 Kartenblätter gezeichnet. Als Ergebnis dieses Ringens um einen deutschen Sprachatlas liegen seit 1930 am Forschungsinstitut für deutsche Sprache — Deutscher Sprachatlas in Marburg/Lahn 580 Sprachkarten zur Laut- und Formenlehre der deutschen Dialekte vor. Da die Abfragung der 40 Sätze in den Jahren 1926 — 1933 von Ferdinand WBEDE und 1939 von Walther MITZKA auch noch auf die deutschen Sprachgebiete der Schweiz, Liechtensteins, Österreichs, der Tschechoslowakei, Italiens und Jugoslawiens ausgedehnt wurde, umfaßt der Deutsche Sprachatlas unter Einschluß des von John MEIEB 1888 in Luxemburg gesammelten Materials insgesamt über 49 300 deutsche Mundartaufzeichnungen. Mit Hilfe dieses Ergänzungsmaterials w u r d e n 1934—1956 v o n W a l t h e r MITZKA u n d B e r n h a r d MABTIN
80 und seit 1962 unter meiner Leitung weitere 90 Sprachkarten hergestellt. Da aus dem Gesamtwerk des Deutschen Sprachatlasses nur der Bruchteil von 80 in schwarz-weiß umgezeichneten Karten in den Jahren 1926—1956 veröffentlicht wurde, fehlt der Dialektologie auch heute noch ein allgemein zugänglicher, ausführlicher Überblick über die Laut- und Formenverhältnisse in sämtlichen deutschen Dialekten. Er kann hier durch die spezifische Themenstellung für den Teilbereich des mundartlichen Vokalismus der Gegenwart geboten werden, so daß diese um die Fortführung der Forschung bemühten Untersuchungen in gewisser Weise auch den Dienst eines Handbuches zu erfüllen vermögen, jedoch keine in jeder Hinsicht vollständige Vokalgeographie und keinen Ersatz für den Deutschen Sprachatlas bieten können noch wollen. Das geplante Gesamtwerk soll in vier Bänden vorgelegt werden, zu denen eine Mappe mit Sprachkarten ergänzend hinzutritt. Band Band Band Band
I : Die I I : Die I I I : Die IV: Die
Langvokale im Hochdeutschen Diphthonge im Hochdeutschen Kurz- und Dehnungsvokale im Hochdeutschen Lang-, Kurz- und Dehnungsvokale im Niederdeutschen.
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Dabei beruht die Einteilung des Stoffes auf den historischen Grundlagen des gegenwärtigen neuhochdeutschen bzw. neuniederdeutschen Lautstandes in Gestalt des Mittelhochdeutschen bzw. des Mittelniederdeutschen als der jeweils unmittelbar vorangegangenen Sprachperiode. Die Anordnung des Materials innerhalb der einzelnen Bände erfolgt nach den großräumigen Dialektlandschaften, wobei sich die Erläuterung der zugrunde gelegten Dialektgliederung des Hochdeutschen mit dem Verzeichnis der benutzten Dialektliteratur aus technischen Gründen als Anhang in Band I I befindet. Die Problemstellung dieser Untersuchungen verlangt die Erarbeitung stoffadäquater, flexibler Methoden. Es besteht dabei die Notwendigkeit, die historische Entwicklung und den gegenwärtigen Lautstand in einer systematischen Darstellung zu verbinden, was mir in einer Synthese von genetischem und strukturellem Sprachdenken möglich scheint. Dabei können dankbar jene fruchtbaren Ansätze aufgegriffen werden, wie sie in der Wiener dialektologischen Schule von Primus L E S S I A K , Anton P F A L Z , Eberhard K R A N Z M A Y E R und Otto H Ö F L E R entwickelt worden sind, wie überhaupt die gesamte Arbeit im Geist der Wiener Schule entstanden und den bahnbrechenden Leistungen dieser Gelehrten verpflichtet ist. Das Ziel einer fruchtbaren Verbindung von Phonetik, Phonologie und historischer Lautentwicklung soll nicht nur in der Darstellung, sondern bereits im Titel zum Ausdruck kommen. Laute müssen zunächst durch die Phonetik erfaßt, um dann nach ihrem Stellenwert als bestimmte Größen durch die Phonologie gewertet zu werden. Sie sind schließlich in ihrer gegenwärtigen Gestalt das Ergebnis von Entwicklungen, die sich im Laufe von Jahrhunderten vollzogen haben. Freilich kann auf solche Weise nur ein Teil einer erwünschten Gesamterforschung des deutschen Vokalismus geleistet werden. Eine vollständige Strukturgeographie und ein sprachgeschichtlicher Aufriß als vollkommene Erschließung der Dialektlandschaften müssen als weitere Ziele zwar im Blickfeld bleiben, übersteigen aber wegen fehlender Vorarbeiten derzeit noch die Kräfte des Einzelnen. Phonetisch-phonologische Untersuchungen verlangen phonetisch gesicherte Materialgrundlagen, die außerdem noch die soziologische und zeitliche Einheit wahren sollen. Da der Deutsche Sprachatlas auf Grund der Laienschreibungen mit Hilfe des normalen Alphabets unter geringer Verwendung von Zusatzzeichen keine phonetischen Transkriptionen sondern nur Annäherungswerte enthält, war es notwendig, die Laienschreibungen zu interpretieren. Dies geschah unter Heranziehung der rund 570 Orts- und Landschaftsgrammatiken, welche ihre Ergebnisse in direkter Methode gewonnen haben, und unter Verwendung der reichlichen Tonbandaufnahmen deutscher Mundarten des Deutschen Spracharchivs in Münster, des Forschungsinstituts für deutsche Sprache — Deutscher Sprachatlas in Marburg/ Lahn, des Phonogrammarchivs der österreichischen Akademie der Wissen-
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Schäften in Wien und des Phonogrammarchivs der Universität Zürich. Leider sind die vorliegenden Mundartmonographien, die im Anhang zu Band I I zusammengestellt sind, nicht gleichmäßig über den ganzen deutschen Sprachraum verteilt, so daß besonders die Angaben über das nördliche und östliche Schwaben, Ober- und Niederbayern, die Oberpfalz, Unterfranken, Lothringen, das mittlere Rheinland (insbesondere das Mosel- und Eifelgebiet) und Thüringen manches an Genauigkeit entbehren müssen. Man kann nur hoffen und wünschen, daß die hierfür zuständigen Universitäten Tübingen, München, Würzburg, Mainz, Bonn und Jena im Interesse der Sache lange Versäumtes bald nachzuholen beginnen. Der Mangel an Untersuchungen zum Schlesischen ist nun durch den äußerst verdienstvollen Schlesischen Sprachatlas von Günter B E L L M A N N im letzten Augenblick einigermaßen behoben worden. Für die Feststellung der Verbreitung von Lauterscheinungen im Bairisch-Österreichischen diente eine Kombination des Sprachatlasses mit den mehr oder minder ausgeführten, mit phonetischen Eintragungen versehenen Lautkarten Eberhard K R A N Z M A Y E R S im Archiv der Bairisch-Österreichischen Wörterbuchkommission der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und für Tirol noch zusätzlich der zwar manche Probleme offenlassende Tirolische Sprachatlas von Egon K Ü H E BACHER. Den Idealfall einer Materialgrundlage bildet der großartige Sprachatlas der deutschen Schweiz von Rudolf H O T Z E N K Ö C H E B L E , der die Mitbenutzung des Deutschen Sprachatlasses weithin ersparte. Die benutzte Sekundärliteratur ist im allgemeinen durchgängig zitiert worden. Nur im Falle der Schweiz und dank Eberhard K R A N Z M A Y E R S Historischer Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes wurde zur Vermeidung unnötiger Belastung des ohnehin sehr umfänglichen Anmerkungsapparates für diese Sprachräume bloß ergänzend zitiert. Obwohl die Sekundärliteratur nicht immer fehlerlos ist, wurden derartige Hinweise nur selten gemacht, besonders wenn die betreffenden Werke den Charakter von Handbüchern für bestimmte Gegenden besitzen, sonst aber wieder zur Vermeidung der Aufschwellung Fehler nur stillschweigend verbessert. Überhaupt sind die phonetischen Angaben vor allem aus der Benutzung der nicht näher angeführten Tonbandaufnahmen und gegendweiser eigener Beobachtungen stärker modifiziert worden, als dies aus der Sekundärliteratur hervorgeht. Besonders die bisher kaum beachtete schwache Palatovelarität erhält dadurch den ihr gebührenden Platz. Wenngleich das Ohr öfters gegen die landschaftliche Auffassung anders gehört hat, so wurde bei der Transkription dennoch weitgehend an der Tradition festgehalten, bei Änderungen aber immer die phonologischen Relationen und Oppositionen innerhalb der Systeme mitberücksichtigt. Was die soziologische und zeitliche Einheitlichkeit dieses Materials betrifft, so dürfte diese annähernd gewahrt sein. Die einheitliche Sprachschicht, die „langue" — „Sprachnorm" sein soll, ist dadurch gegeben, daß
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nur die traditionsgebundene, alteingesessene Mundart zur Darstellung gelangt und Verkehrsmundart und Umgangssprache als weitere meist nebeneinander bestehende höhere Sprachschichten allgemein übergangen werden. Die weitgehend von den ländlichen Mundarten abweichenden Stadtsprachen wurden nur dann berücksichtigt, wenn sie, wie etwa im Falle von Wien, Straßburg oder Mainz, selbständige Mundarten verkörpern. Dagegen konnten sie als Form einer von der Hochsprache stark abhängigen Umgangssprache hier keine Aufnahme finden. Eine derartige Ausklammerung ist freilich nicht generell möglich, da wegen des Nebeneinanders der Sprachschichten Erscheinungen der Umgangssprache auf Grund ihres sprachsoziologischen Mehrwertes oftmals in der Umgebung von Städten in die ländliche Mundart eindringen. Als 1880 und 1888 W E N K E R S Aufzeichnung des Deutschen Sprachatlasses meist mit Schulkindern als Gewährspersonen erfolgte, waren die deutschen Dialektlandschaften noch allgemein völlig intakt und die umgangssprachlichen Auswirkungen großer Städte noch gering, so daß die daraus gewonnenen Kartenbilder den noch ungetrübten mundartlichen Zustand zeigen. Diese rund 1870 geborene Generation hat überall die Mundart in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter tradiert, so daß Mundartaufnahmen um 1930 mit der damals nun älteren, durchschnittlich 60jährigen Generation im allgemeinen mit den Ergebnissen von W E N K E R S Deutschem Sprachatlas der achtziger Jahre in Erscheinung und Verbreitung übereinstimmen. Was sich inzwischen verändert hat, ist der Schwund der bereits um 1880 veralteten Erscheinungen, die dieser Generation im Alter bereits zu Erinnerungsformen ihrer Jugendzeit geworden sind. Der rund 50jährige zeitliche Abstand zwischen den Sprachatlassammlungen W E N K E R S und jenen von W R E D E und MITZKA kann nun durch die Mitverwendung der österreichischen und schweizerischen Materialien aufgehoben werden, da sich die österreichische Direktbefragung um 1930 an die ältere und die schweizerische um 1950 an die älteste bäuerliche Generation wandte, deren Kindheit ungefähr in die Zeit von W E N K E R S Aufnahmen fällt. Etwas schwieriger läßt sich der zeitliche Unterschied für das Sudetengebiet überbrücken. Hier können nur die zahlreichen, mit Ausnahme von Nordböhmen vorliegenden Dialektgeographien als Hilfe dienen, die zwischen etwa 1920 und 1940 meist ebenfalls die Mundart der älteren Generation aufzeichnen. Was die vorliegende Untersuchung zur Darstellung bringt, ist daher die durchschnittliche echte Mundart, wie sie von der älteren ländlichen Generation im allgemeinen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch weithin gesprochen wurde. Nicht näher datierte Zeithinweise innerhalb der Darstellung sind daher etwa von 1930 aus gesehen einzustufen. Freilich ist die Zeit in den seit W E N K E R S Aufnahmen vergangenen rund 80 Jahren nicht still gestanden, sondern hat mannigfaltige gesellschaftliche Veränderungen mit sich gebracht, die auf die Sprache als das Kommunikationsmittel der Gesellschaft nicht ohne Einfluß geblieben sind. Mit dem Beginn des 20.
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Jahrhunderts setzte allenthalben der Wandel der bis dahin noch relativ statischen Gesellschaft in eine mobile ein, der besonders seit dem ersten Weltkrieg bei der jüngeren Generation einen spürbaren Abbau der altüberlieferten, oftmals nur sehr kleinräumigen Mundarten, mehrfach noch zu landschaftlichen Verkehrsmundarten, hervorrief. Seit dem zweiten Weltkrieg, der, zeitlich etwa in die Mitte unseres Jahrhunderts fallend, den eigentlichen Umbruch von den älteren Lebensformen früherer Zeiten zu den gegenwärtigen auf allen Gebieten geradezu schlagartig nach sich gezogen hat, schreitet der Mundartverfall überall sehr rasch fort. Die Ursachen des Mundartrückganges sind zwar mannigfaltig und haben in einzelnen Landschaften zu verschiedenen Zeiten eingesetzt, doch erweisen sich als durchschnittliche Hauptgründe mit gegendweise unterschiedlichem Schwergewicht die starke Industrialisierung, die nun auch das bis jetzt traditionsgebundene Bauerntum als Hauptträger der Mundart erfaßt; die damit verbundene Landflucht der dörflichen Bevölkerung (Bauern, kleine Handwerker); die ungemein vielfältige Auswirkung der Kommunikationsmittel mit Verkehr (auch Fremdenverkehr), Rundfunk, Fernsehen, Presse und Film, die jegliche Grenzen abbauen und dadurch die Bevölkerung enger zusammenschließen; das allgemeine Ansteigen des Bildungsniveaus durch längeren und intensiveren Schulbesuch in allen Bevölkerungsschichten und Berufsklassen ; das Nachlassen religiöser und konfessioneller Bindungen; und die große Umsiedlung des deutschen Ostens, die in Deutschland seit 1945 die ursprüngliche Bevölkerungsstruktur verändert hat. Dieser gesellschaftliche Wandel hat bei der mittleren und vor allem bei der jüngeren und jüngsten Generation im Oberdeutschen allgemein zur Entstehung großlandschaftlicher Verkehrsmundarten geführt, bei der die mundartlichen Elemente die hochsprachlichen bei weitem überwiegen und die sich zwischen die älteren echten Mundarten und die höheren Schichten der Umgangssprache stellen, und im Mitteldeutschen sofort die Aufnahme der mehrschichtigen Umgangssprache hervorgerufen, die, von konstitutiven Sprechfaktoren und damit verbundenen Erscheinungen abgesehen, in jeder Form der Hochsprache viel näher steht. In einzelnen mitteldeutschen Landschaften haben diese Umwälzungen bereits so gut wie gänzlich zum Aussterben der alten Mundarten geführt. So ist ζ. Β. heute die stark differenzierte Mundartenvielfalt im ripuarischniederfränkischen Übergangsgebiet um Mönchen-Gladbach — Krefeld — Düsseldorf — Solingen — Remscheid — Mülheim und im anschließenden Niederdeutsch-Westfälischen um Essen — Recklinghausen — Dortmund, also im Industriegebiet an Rhein und Ruhr, fast ausgestorben, da sich nur mehr sehr wenige alte Leute meist niedriger Sozialschichten wie kleine Handwerker, Gärtner, Schiffer und Bauern in heute als Stadtteile einbezogenen Vororten der Mundart familiär im täglichen Leben bedienen. Die mittlere Generation versteht dort die Mundart zwar meistens noch, spricht sie aber selbst kaum mehr, der jüngeren Generation ist beides
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versagt. Derartige allgemeine Verfallstendenzen lassen den unschätzbaren Wert des Deutschen Sprachatlasses für die Belange der deutschen Sprachgeschichte erst richtig erkennen und müssen zum Teil noch heute vorgetragene Bedenken zum Schweigen bringen. Die Untersuchung der Vokalprobleme im gesamtdeutschen Raum mit Hilfe verschiedener, kombiniert verwendeter Materialien macht eine Konzentration des Stoffes sowie der phonetischen Angaben, der phonologischen Bezüge und der räumlichen Verbreitung der einzelnen Erscheinungen notwendig, so daß weder der von Dorf zu Dorf notierende Deutsche Sprachatlas noch die genaueren, durch direkte Befragung entstandenen Mundartmonographien ersetzt werden können. Was hier in stofflicher und phonetischer Hinsicht zur Darstellung gelangt, sind die durchschnittlichen vokalischen Aussprachetypen der verschiedenen Mundarten in den sogenannten „Normalstellungen" vor Verschluß- und Reibelauten. Nur hier auftretende Abweichungen von der Regel können als „Lautkombinatorische Erscheinungen" Aufnahme finden, während die häufigen Sonderentwicklungen vor Liquiden und Nasalen wegbleiben müssen. Dazu zwingt einerseits die Tatsache, daß diese Erscheinungen ohne die Behandlung dieser Sonorkonsonanten nicht zu verstehen sind, was außerhalb des hier gesetzten Rahmens liegt, und andererseits für diese Belange ein erheblicher Materialmangel im Deutschen Sprachatlas herrscht bzw. das wenige vorhandene Material wegen der Schwierigkeit der Notation meist nicht das nötige Minimum an Exaktheit zu bieten vermag. Nur teilweise werden die Sonderentwicklungen der Vokale im Auslaut und Hiatus berücksichtigt, wofür neben Materialmangel auch entscheidend ist, daß es sich dabei meistens nur um wenige Beispiele handelt, die aus verschiedenen Gründen oftmals sogar wortweise Eigenentwicklungen aufweisen. Bei der phonologischen Einordnung wird stets auf die gegenwärtige Reihenbildung und ihre historische Zusammensetzung geachtet. Wahrscheinlich wird jedoch bei der Vielzahl der Möglichkeiten und der beinahe unübersehbaren Materialfülle im allgemeinen nur die phonologische Hauptstruktur, also die räumliche Zentralphonematik, erfaßt, nicht aber die zahlreichen Mischungen insbesondere in Grenz- und Überschneidungsgebieten als auch in sehr kleinräumig differenzierten Mundartlandschaften. Ebensowenig ist es bei Wahrung der Übersichtlichkeit möglich, Grenzangaben von Ort zu Ort zu geben. Hier können nur die Grenzverläufe, vorbei an Städten, Märkten oder gelegentlich auch größeren Gemeinden und entlang von Flüssen und Gebirgskämmen beschrieben werden, wobei die üblichen geographischen Abkürzungen der Himmelsrichtungen das Lageverhältnis andeuten. Da die Grundkarten des Deutschen Sprachatlasses über ein diesbezüglich sehr dichtes Ortsnetz verfügen, sind die Entfernungen von Grenzpunkt zu Grenzpunkt im allgemeinen nicht sehr weit. Von den Sprachkarten des Deutschen Sprachatlasses und der regionalen Sprachatlanten her würde es vielleicht nahe liegen, bei der Angabe
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von Beispielen immer nur auf die dort enthaltenen Paradigmen zurückzugreifen. Da aber lautgesetzliche Entwicklungen alle in einer Sprache vorkommenden Wörter mit denselben Voraussetzungen betreffen, scheint es mir sinnvoller, bei der Beispielauswahl nach Maßgabe der Möglichkeiten der Vielfalt des Wortschatzes von Mundart zu Mundart Rechnung zu tragen. Entsprechend den Quellen entstammen die bei großräumigen Erscheinungen jeweils ausgewählten zwei Beispiele bzw. das bei kleinräumigem Auftreten jeweils gebotene eine Beispiel im allgemeinen dem alltäglichen Grundwortschatz. Die vorliegende Arbeit hätte nicht entstehen können ohne meine langjährige Tätigkeit als Betreuer der Karten- und Fragebogensammlung des Marburger Sprachatlas-Instituts und ohne die mir von vielen Seiten zuteil gewordene Förderung und Hilfe, die mich zu tiefstem Dank verpflichtet. Sie wurde vor allem durch die Unterstützung von Herrn Prof. Dr. Ludwig Erich SCHMITT, dem Leiter des Marburger Forschungsinstituts, ermöglicht. Mit ständigem Rat und Beistand hat auch mein Wiener Lehrer, Herr Prof. Dr. Otto H Ö F L E B , das Entstehen dieser Untersuchungen begleitet. Nicht minder gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. William F O E B S T E f, Münster. In seiner unvergeßlichen gütigen, verständnisvollen und allem Neuen aufgeschlossenen Art hat er stets lebhaftes Interesse an der Arbeit genommen und sich gemeinsam mit Herrn Prof. S C H M I T T um ihre Drucklegung eifrig bemüht. Ferner habe ich Herrn Prof. Dr. Rudolf H O T Z E N K Ö C H E B L E für die Benutzung seines Sprachatlasses der deutschen Schweiz, zum Teil noch vor dessen Drucklegung, und die damit verbundenen schönen Tage in Zürich, teils in seinem Haus, teils bei Herrn Dr. Rudolf T R Ü B , dem erfahrenen Explorator des Unternehmens, zu danken. Die Verwendung seiner Lautkarten im Archiv der Bairisch-österreichischen Wörterbuchkommission in Wien erlaubte mir mein Lehrer, Herr Prof. Dr. Eberhard K R A N Z M A Y E R . Einen Teil der Materialien seines noch in Ausarbeitung befindlichen elsässischen Sprachatlasses machte mir in äußerst entgegenkommender Weise Herr Prof. Dr. Ernest B E Y E B , Straßburg, zugänglich. Die Verwertung der Tonbandmaterialien gewährten mir Prof. Dr. Eberhard Z W I B N E B am Deutschen Spracharchiv in Münster, Prof. Dr. Walter G R A F und Dr. Elfriede H E R M A N N am Phonogrammarchiv der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und Dr. Rudolf B R U N N E R am Phonogrammarchiv der Universität Zürich. Schließlich möchte ich für mannigfaltige wissenschaftliche Auskünfte und verschiedenartige Hilfe bei der Beschaffung der ungedruckten Sekundärliteratur danken: Doz. Dr. Günter B E L L M A N N , Marburg/Lahn; Prof. Dr. Franz J. B E B A N E K I, Gießen; Dr. Anneliese B B E T S C H N E I D E B , Potsdam; Doz. Dr. Rudolf F B E U D E N B E R G , Marburg/Lahn ; Doz. Dr. Eugen G A B B I E L , Wien; Prof.Dr. Jan GOOSSENS, Löwen — Münster; Prof. Dr.Rudolf G B O S S E , Leipzig; Dr. Irmgard H A M P , Stuttgart; cand. phil. Ernst I B B O M , Marburg — Augsburg; Dr. Gerhard Koss, Weiden/Opf. ; Prof. Dr. Bernhard M A B T I N ,
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Marburg/Lahn; Prof. Dr. Walther MITZKA, Marburg/Lahn; Dr. Helmut SCHÖNFELD, Berlin; Dr. Karl SPANGENBERG, Jena; Dr. Erich STRASSNER, Erlangen; Prof. Dr. Pawel TROST, Prag; Dr. Otto W E B E R , München; und nicht zuletzt Dr. Renate W I N T E R , Greifswald. Auch den Beamten der Universitätsbibliothek Marburg gilt mein Dank für ihre Hilfsbereitschaft und ihre Bemühungen bei der nicht immer leichten Beschaffung der zahlreichen ungedruckten Dissertationen. Helmut SCHOLZ, Marburg/Lahn, ist die ausgezeichnete graphische Gestaltung der Karten zu verdanken. Ein wesentliches Verdienst an der wohlgelungenen Drucklegung des Werkes kommt endlich zu der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch die großzügige Finanzierung, dem Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin, sowie der Druckerei H. Heenemann, Berlin, die sich mit großer Aufmerksamkeit um einen sauberen und fehlerfreien Satz dieses schwierigen Textes bemüht hat. Ihnen allen sei herzlichst gedankt.
Marburg/Lahn, im Sommer 1969
PETER WIESINGER
Die Lautschrift Der Lautschrift liegen mit geringfügigen Änderungen die im Forschungsinstitut für deutsche Sprache in Marburg/Lahn erarbeiteten und von Ludwig Erich SCHMITT und mir veröffentlichten „Vorschläge zur Gestaltung eines für die deutsche Dialektologie allgemein verbindlichen phonetischen Transkriptionssystems" (ZfMaf. 31,1964, S. 57—61) zugrunde.
Im Vokalismus werden unterschieden : palatal ungerundete Vokale, velopalatale Vokale, palatal gerundete Vokale, palatovelare Vokale und reine velare Vokale. Dabei werden die im Klang noch mehr an die palatalen bzw. velaren Vokale gemahnenden velopalatalen bzw. palatovelaren Vokale ohne Trema und die bereits stark an U und ö anklingenden mit Trema wiedergegeben. An Öffnungsgraden kommen im I — Ü — U-Bereich geschlossene, halboffene und offene und im E — ö — O-Bereich geschlossene, halboffene, offene und überoffene Qualitäten in Betracht, wobei die halboffenen besonders im Schweizerdeutschen und im Bairischen Anwendung finden. I m ABereich werden ein nach der palatalen Seite geneigter heller, ein neutraler und ein nach der velaren Seite geneigter dunkler Wert unterschieden. So ergibt sich folgendes Vokaldreieck : palatal ungerundet geschlossen halboffen offen geschlossen halboffen offen überoffen
i i i e e g ä hell a
velopalatal y, y ¥'P y, y ε, ε (, Ç ξ, Ç oc
palatal gerundet ü ü Ü ö 9 Q Λ a
palatovelar
velar gerundet
ϋ, υ Ρ, V
u V U 0 9
9, 0
?, ? ? 3
9 à q dunkel
a neutral An Reduktionsvokalen werden a bei -Ε-artigem und ν bei 4-artigem Klang unterschieden. Die nasalierte Nebenform der Vokale bezeichnet eine übergesetzte Tilde An Quantitäten werden nur Kürze, die unbezeichnet bleibt, und Länge mit übergesetztem Querstrich unterschieden. Nur in den rheinischen Mund1
Wieeinger Band X
2
Die Lautschrift
arten kommen die mit einem Circumflex ~ bezeichnete Halblänge bei Schärfung, die selbst mit hoch- und tiefgestellten Punkten ausgedrückt wird, und die mit zwei Querstrichen = versehene Überlänge bei Trägheitsakzent hinzu. Bei besonderen Erfordernissen dient ein Akut über einem Vokal zur Wiedergabe des Druckakzents. In den Einleitungsabschnitten werden zur Wiedergabe von Vokaltypen statt der phonetischen Zeichen Kapitälchen verwendet, um nicht mit den phonetisch genauen Angaben der folgenden Einzelabschnitte in Widerspruch zu geraten. Die Halbvokale werden als i — u mit untergesetztem, nach unten geöffnetem Bogen wiedergegeben. Im Konsonantismus, der leider nur annähernd wiedergegeben werden kann, erfolgt bei Verschluß- und Reibelauten jeweils eine Trennung in Lenes und Portes mit Hilfe von Drucktypen. Während die Stimmhaftigkeit der Lene8 unbezeichnet bleibt, wird die Stimmlosigkeit mit einem untergesetzten Punkt wiedergegeben. Portes sind grundsätzlich stimmlos. Die zwischen der stimmlosen Lenis und der Fortis stehende Halbfortis bezeichnet ein Strich unter dem Fortiszeichen. Die Behauchung von Verschlu Blauten bleibt unbezeichnet. Geminaten oder gelängte Konsonanten werden durch Doppelschreibung ausgedrückt. Reduzierte Lenesverschlußlaute werden hochgestellt. Verschlu Blaute : bilabial : b — p, dental oder alveolar : d — t, palatal oder velar: g — k Reibelaute:
bilabial oder labiodental: ν — /, dental oder alveolar: ζ — s, palatoalveolar : ζ — s, palatal : j — χ, velar : γ — x
Bei den Liquiden Í und r ist keine Differenzierung in lateral (hell) und velarisiert (dunkel) bzw. in alveolar, uvular und retroflex möglich. Die Nasale bilabial m, dental η und velar y werden als stimmhaft und der Hauchlaut h als stimmlos aufgefaßt. Stark palatale (mouillierte) Aussprache an und für sich nicht palataler Konsonanten wird mit einem übergesetzten, nach unten geöffneten Bogen ^ bezeichnet.
Einleitung Übersicht: 1. Zur Geschichte der systematischen Erforschung der Vokalentwicklung. — 2. Die junggrammatische Auffassung vom Lautwandel — Der ausnahmslose Lautwandel. — 3. Die dialektgeographische Auffassung vom Lautwandel — Der nicht ausnahmslose Lautersatz. — 4. Das Reihenschrittgesetz von Anton PFALZ — Die phonetischen Voraussetzungen für die Reihenbildung. — 5. Das Reihenprinzip der Phonologie. — 6. Das Problem der historischen Ausgangsbasis zur Anwendung des Reihenschrittgesetzes. — 7. Das mittelhochdeutsche Vokalsystem. — 8. Das Problem der Vereinbarkeit von Reihenschrittgesetz und Sprachgeschichte: Reihenersatz — Reihenschritte im Raum — Entfaltungs- und Wellentheorie — Siedeldialekte — Methodische Lösung. — 9. Die phonetisch gekoppelten Monophthongreihen — Der Vokal A und das Reihenprinzip — Die phonetisch gekoppelten Diphthongreihen. — 10. Die gekoppelten Weiterentwicklungsmöglichkeiten der gekoppelten Reihen nach dem Reihenschrittgesetz. — 11. Zweigliedrige oder dreigliedrige Reihen als durchgängige Systemerscheinung — Erhaltene Umlautrundung in Teilen des Hochdeutschen. — 12. Die Maximal- und Minimalbesetzung phonologisch unterscheidbarer Reihen im System einer Mundart — Reihenausweichung, Reihenaufsaugung und Reihenzusammenfall bei gekoppelten Reihen. — 13. Die gestörte Reihe als eine phonologische, nicht aber phonetische Einheit: Palatovelarität und Velopalatalität und ihre Polgen — Die Entpalatalisierung von Umlauten — Die Diphthongreihe Al — AU — AÜ. — 14. Das Reihenstreben von reihenbildungsfähigen Einzellauten — Die phonologische Zwischenstellung. — 15. Lautkombinatorische und akzentuelle Veränderungen — Quantitätengesetze — Kürzungen — Die rheinische Akzentuierung. — 16. Zusammenfassung und Ausblick.
1. D a s im Zeitalter der Romantik erwachte sprachwissenschaftliche Interesse galt fast ausnahmslos der Erforschung der aus der schriftlichen Überlieferung bekannten Sprachepochen Althochdeutsch und Mittelhochdeutsch und der zum Vergleich herangezogenen schriftlichen Überlieferung der übrigen germanischen Sprachen. So darf es nicht verwundern, daß Jakob GRIMM in seiner 1819 erschienenen „Deutschen Grammatik" eine Gleichsetzung v o n Buchstabe und Laut, also v o n Schriftzeichen und physiologisch-akustischem Gebilde, vornahm und daher den Vokalismus nach dem in seiner Abfolge zufälligen alphabetischen Prinzip a ei ou anordnete. Als zur selben Zeit im süddeutschen Sprachbereich der Schweizer Franz Joseph S T A L D E R und der Bayer Johann Andreas SCHMELLER die ersten Versuche in der Untersuchung der lebenden Mundarten unternahmen — S T A L D E R legte 1819 „Die Landessprache der Schweiz oder Schweizerische Dialektologie mit kritischen Sprachbemerkungen beleuchtet" und SCHMELLER zwei Jahre später 1821 seine im Vergleich fortschrittlichere Studie „Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt" vor — bedienten 1·
Einleitung
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sie sich ebenfalls des alphabetischen Anordnungsprinzipes der Laute. Diese in den Anfängen getroffene Darstellungsart blieb auch für die folgenden Jahrzehnte verbindlich, als einzelne Gymnasiallehrer da und dort Vergleiche des mundartlichen Lautstandes mit dem des Mittelhochdeutschen durchzuführen begannen, wie etwa 1 8 5 5 LATTCHERT in seiner Lautlehre der Mundart von Rottweil oder 1 8 6 4 BATTER in seiner Darstellung der ostfränkischen Mundart von Künzelsau 1 . Der sich seit der Jahrhundertmitte stärker entwickelnden Lautphysiologie, wie die Phonetik damals genannt wurde, wandten sich in den siebziger Jahren der Germanist Eduard S I E V E R S und sein Schweizer Freund Jost W I N T E L E R zu, da sie deren Bedeutung für das bessere Verständnis der Sprachentwicklung erkannt hatten. Beide legten im Jahre 1876 ihre aus dieser Beschäftigung hervorgegangenen, zukunftsweisenden Werke der Öffentlichkeit vor: Während S I E V E R S „Grundzüge der Lautphysiologie zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen", das er in der 2. Auflage 1881 in „Grundzüge der Phonetik" umbenannte, dem Titel entsprechend von allgemeiner Art war, führte W I N T E L E R in seinem Buch „Die Kerenzer Mundart des Kantons Glarus in ihren Grundzügen dargestellt" die praktische Anwendung der Lautphysiologie an einer einzelnen Mundart vor. Bei der Vokalbildung beobachtete W I N T E L E R eine Verwandtschaft zwischen den palatalen und velaren Vokalen i — u und e — o, was ihn veranlaßte, bei Unterscheidung geschlossener und offener Qualitäten die Vokale in der Abfolge uy,oçqa,çeii anzuordnen und die einander entsprechenden palatalen und velaren Vokale u — i, % — \ usw. jeweils durch einen Halbkreis zu verbinden, auf dessen Scheitel die vermittelnden Umlaute g, ö, ü zu stehen kamen. Als nun W I N T E L E R daran ging, die Vokale seiner Mundart mit den entsprechenden mhd. zu vergleichen, bestätigten sich ihm die Zusammenhänge zwischen ma. í—ü — ü und mhd. î — u — û, ma. ë — 5 — δ und mhd. ê — o — ô, ma. ja — i p — if,d und mhd. ie — üe — uo und ma. a{ — ay, — ay, und mhd. ei — öü — ou, doch zog er daraus keine sprachgeschichtlichen Folgerungen. Obwohl in der Dialektologie der Folgezeit zwar W I N T E L E R S lautphysiologische Erkenntnisse aufgegriffen wurden und zur genauen phonetischen Beschreibung der ma. Laute führten, blieb seine systematische Vokalbetrachtung auf Grund der Bildungsweise unbeachtet. Die Ursache hierfür lag wohl in der zu starken Ausrichtung W I N T E L E R S auf die gegenwärtigen Lautverhältnisse — wir würden heute sagen in dem zu stark synchronen Vorgehen —, während das Sprachdenken der Junggrammatiker in Fortsetzung von GRIMM ein überwiegend historisches war. Wilhelm B R A U N E hatte damals mit seiner „Gotischen Grammatik" (1880), in der er bei der Beschreibung des Vokalismus an der alphabetischen Anordnung festhielt und das phonetische System gesondert behandelte, ein bis in die X
8 9 . LAUCHERT; 2 7 1 . BAUER.
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Gegenwart gültig gebliebenes Vorbild für die Darstellung von Lautverhältnissen gegeben. Im Jahre 1894 stellte Hermann F I S C H E R in seiner „Geographie der schwäbischen Mundart" zwar fest, daß die mhd. Langvokale î — û — ΰ und ê — ô — ô und die Diphthonge ie — uo — üe im Schwäbischen gleichsinnige Entwicklungen durchgemacht haben, weswegen er sie auch zusammenhängend behandelte, fand dafür aber keine Erklärung. Die Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung von einander in ihrer Bildungsweise entsprechenden palatalen und velaren Vokalen gelang erstmals wohl unter dem Einfluß von Eduard S I E V E R S dem Niederländer Nicolaas VAN W I J K in seinem 1903 veröffentlichten Aufsatz „Zur relativen Chronologie urgermanischer Lautgesetze" 2 , indem er an verschiedenen indogermanischen Sprachen nachwies, daß mit der Diphthongierung von I zu EI die Diphthongierung von U zu OU und mit der Monophthongierung von EI zu I die Monophthongierung von OU zu U verbunden ist. V A N W I J K S Gedankengänge griff im Jahre 1918 der Wiener Dialektologe Anton P F A L Z in seinem Aufsatz „Reihenschritte im Vokalismus" 3 auf. Mit der ländlichen Mundart aufgewachsen, hatte er sich stets die Beziehung zum organischen Wesen der Sprache bewahrt und sah dieses u. a. in derartigen Gesetzmäßigkeiten verkörpert, wozu freilich auch noch die junggrammatische Auffassung von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze beitrug 4 . An Hand eines reichen Belegmaterials hauptsächlich deutscher Mundarten konnte P F A L Z vier Gesetze formulieren, die den phonetischen Charakter dieser Erscheinung, der er den Namen „Reihenschritte" gab, zum Ausdruck bringen. Schon 1925 folgte Eberhard KHAÍTZMAYER dieser Anregung und baute in seiner Dissertation die Darstellung des Vokalismus der südbairischzimbrischen Mundarten auf diesen Grundlagen auf, womit die Reihenschritte erstmals zur praktischen Anwendung gelangten 5 . Für die weitere Entwicklung grundlegend wurde jedoch erst KRANZMAYERS im Jahre 1956 veröffentlichte „Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes", die die phonetisch bestimmten Gedankengänge von P F A L Z ins Phonologische ausweitete, ihre Gebundenheit an das phonologische System der Mundart darlegte und die historischen Entwicklungen mit einbezog 6 . 2 In PBB 28 (1903), S. 243-253. In: Beiträge zur Kunde der bayerisch-österreichischen Mundarten I. ( = Sitzungsberichte der Akademie d. W. in Wien 190/2), Wien 1918, S. 22—42. 4 Eine Würdigung der Verdienste von Anton PFALZ enthält der Nachruf von E. KRANZMAYER in: Almanach der österr. Akademie d. W. 108, Wien 1959, 3
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S. 3 8 2 - 3 9 1 . 161. KRANZMAYER.
Von ähnlichen Gedankengängen ließ sich KRANZMAYER auch bei der Darstellung des Konsonantismus leiten, der zwar immer schon nach Gesichtspunkten der Bildungsweise behandelt wurde, dem aber doch erst durch ihn eine vertieftere systematische Auffassung zuteil wurde.
Einleitung
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Im selben Sinn war 1 9 5 3 K R A N Z M A Y E R S aufschlußreicher Aufsatz „Lautwandlungen und Lautverschiebungen im gegenwärtigen Wienerischen" 7 vorausgegangen. Damit wurde erst die Mehrschichtigkeit dieser Betrachtungsweise, des phonetischen Vorgangs mit phonologischen Folgen, ins rechte Licht gerückt und phonologische Gesetzmäßigkeiten wie Reihenausweichung, Reihenaufsaugung und Reihenzusammenfall abgeleitet. Zur gleichen Zeit prägte Otto H Ö F L E R in seiner 1955 begonnenen, für die Sprachforschung entscheidend gewordenen Aufsatzfolge „Stammbaumtheorie, Wellentheorie, Entfaltungstheorie" 8 im Anschluß an P F A L Z den Begriff der „gekoppelten Lautgesetze", dem H Ö F L E R jüngst auch eine ausführliche Studie unter besonderer Berücksichtigung des Konsonantismus gewidmet hat 9 . Dieser Begriff darf mit der Bezeichnung „Reihenschritt" inhaltlich gleichgesetzt werden und mißt dem phonetischen Aspekt dieser Erscheinung wieder größere Bedeutung zu. Gleichzeitig soll der neue Terminus nachdrücklich auf Gesetzmäßigkeiten in der Lautentwicklung hinweisen, welche die jahrzehntelang geübte dialektgeographische Methode als Gegenreaktion auf die junggrammatische Auffassung der mechanisch bedingten, ausnahmslosen Lautgesetze nicht nur in Frage stellte, sondern oft genug sogar leugnete. Von K R A N Z M A Y E R S Werken, vor allem von der „Lautgeographie", ging eine außerordentlich große Wirkung aus. Daß unter seiner Leitung in Wien als Dissertationen entstandene Lautlehren zu österreichischen Mundarten auf der Grundlage der Reihenschritte aufgebaut sind, versteht sich von selbst 1 0 . 1959 entschloß sich Walther M I T Z K A als Bearbeiter der 18. Auflage von P A U L S „Mittelhochdeutscher Grammatik" einen Abschnitt „Gruppenentwicklung von starktonigen Vokalen" einzuführen, der die gleichsinnigen Vokalentwicklungen vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche zum Neuhochdeutschen unter dem Aspekt der „Reihenschritte" versteht 1 1 . 1961 leitete Otmar W E R N E R in seiner Erlanger Dissertation auf Anregung 2 1 0 . KRANZMAYER. 8 I n : P B B 77 (Tübingen 1955), S . 3 0 - 6 6 und 4 2 4 - 4 7 6 ; P B B 78 (Tübingen 1956), S. 1 - 4 4 . 7
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0 . HÖFLEE, Über „gekoppelte" Lautgesetze. In: Mundart und Geschichte, hg. M. HOP.NUNQ ( = Studien zur österreichisch-bairisohen Dialektkunde 4), Wien 1967, S. 1 - 2 4 .
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Z u n e n n e n w ä r e n hier 2 3 0 . SEIDELMANN ( 1 9 5 7 ) , 2 3 2 . GRABNER ( 1 9 5 9 ) , 2 0 5 . SCHWARZ ( 1 9 6 3 ) , 2 0 7 . WIECHL ( 1 9 6 5 ) , 1 5 0 . WINNICKI ( 1 9 6 5 ) , 1 9 0 . E B NER ( 1 9 6 6 ) u n d 2 3 1 . GRÄFTNER ( 1 9 6 6 ) . D i e a n d e r e n u n t e r KRANZMAYERS A n l e i t u n g e n t s t a n d e n e n
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Wiener Dissertationen benutzen in der Darstellung der Lautlehre wieder das traditionelle alphabetische Prinzip, besonders wenn sie nur kurze Einleitungen zu laut- und wortsoziologischen Studien darstellen, die KRANZMAYER mit dem neuen Pachterminus „Sprachbiologie" bezeichnet. H. PATJL, Mittelhochdeutsche Grammatik, 18. Auflage von W. MITZKA, Tübingen 1959, § 37 ff. In der 19. Auflage 1963 hat MITZKA diese Gliederung wieder umgestoßen.
Einleitung
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von Ernst SCHWARZ den gegenwärtigen Vokalstand der ostfränkischen Mundart des Frankenwaldes im Sinne der Reihenschritte vom Mittelhochdeutschen ab 1 2 . Weitere Erlanger Arbeiten folgten, ohne freilich immer die nötigen Konsequenzen aus dieser Methode zu ziehen 13 . 1962 nahm Rudolf 14 HOTZENKÖCHERLE in seinem „Sprachatlas der Deutschen Schweiz" die Anordnung der Lautkarten nach den mhd. Reihen vor. Schließlich habe ich 1965 in der Bearbeitung von Walther K U C K S Lautlehre hoch- und niederpreußischer Mundarten selbst versucht, sowohl die Darstellung des Vokalismus als auch des Konsonantismus auf dem Prinzip der Reihenschritte aufzubauen 1 5 . Diese Anregung wurde dann von Wilfried STOLLE in seiner 1966 abgeschlossenen Marburger Dissertation über den Vokalismus der Iglauer Sprachinsel aufgegriffen 16 . Zuletzt verwendete 1967 Günter B E L L M A N N das Reihenprinzip zur Anordnung der Sprachkarten im „Schlesischen Sprachatlas" 16a . Im Zusammenhang mit der Geschichte der systematischen Erforschung der Vokalentwicklung ist auch auf die von Nikolai TRTXBETZKOY begründete strukturelle Arbeitsweise, die Phonologie, zu verweisen, die seit Roman JAKOBSON als „diachrone Phonologie" sprachgeschichtlich ausgewertet wird und worauf später noch einzugehen sein wird. I m Gegensatz zum genetischen Denken der auf Joseph SEEMÜLLER und Primus L E S S I A K zurückgehenden Wiener Schule, die heute Phonetik, Phonologie und Sprachgeschichte fruchtbar miteinander verbindet, wird hier hauptsächlich der Beschaffenheit der phonologischen Systeme der gegenwärtigen Mundarten, der synchronen Struktur, nachgegangen. Beim diachronen Vergleich mit dem Mittelhochdeutschen kommt der Phonetik und Sprachgeschichte nur eine untergeordnete Rolle zu. 2. Die Junggrammatiker verfochten ein normativ geprägtes Sprachdenken, das sprachliche Entwicklungen als mechanische Veränderungen determinierter Art verstand. So gelangten sie zur Formulierung von Lautgesetzen, deren Ausnahmslosigkeit seit August L E S K I E N immer wieder betont wurde 1 7 und die die lautliche Seite der Sprache wie das Funk12 13
2 9 8 . WEENER. 186. BERGMANN (1961), 2 4 5 . WOLF (1961), 2 4 9 . BRENDEL (1962), 2 9 5 . TRUKENBROD (1963), 2 9 6 . WAGNER (1964), 2 4 2 . STEINHAUSER (1965), 2 8 2 . Koss (1967), 2 4 7 . SCHÖDEL (1967).
14
R. HOTZENKÖCHERLE, Sprachatlas der deutschen Schweiz, B a n d i : Vokalismus, Bern 1962.
15
5 6 2 . KUCK. 2 5 8 . STOLLE.
16
lea
Schlesischer Sprachatlas, hg. L. E. SCHMITT ( = Deutscher Sprachatlas — Regionale Sprachatlanten 4), Band I : Laut- und Formenatlas, von G. BELLMANN unter Mitarbeit von W. PUTSCHKE und W. VEITH, Marburg 1967.
17
Vgl. A. LESKIEN, Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. ( = Preisschriften der Fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft zu Leipzig 19), Leipzig 1876.
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tionieren des Mechanismus eines komplizierten Räderwerkes erscheinen ließ. Eduard S I E V E R S prägte damals die Begriffe des „spontanen" und des „kombinatorischen" Lautwandels als Hauptarten gesetzmäßig gebundener Lautveränderungen 1 8 . Während er im „kombinatorischen" Lautwandel die Ursache in der Einwirkung von benachbarten Lauten fand und dieser Lautwandel daher bedingt erschien, wurden „spontane" Veränderungen als Verschiebungsakte angesehen, die „lediglich der freien Willkür der Sprechenden ihren Eintritt verdanken, ohne an irgend eine andere Bedingung geknüpft zu sein" 1 9 . In diesem Sinn ist z. B. die in frühahd. Zeit eingetretene Monophthongierung von germ, ai zu ê vor r, h und w ein kombinatorischer oder bedingter und die Diphthongierung von germ, ô zu ahd. uo ein spontaner oder nicht bedingter Lautwandel. Schon P F A L Z hat mit Recht an SIEVEBS'Definition eines nicht bedingten Lautwandels Anstöß genommen und festgestellt, „daß der spontane Lautwandel letzten Endes physiologisch bedingt ist" 2 0 , das heißt, daß sprachliche Veränderungen gesetzmäßiger Art immer innersprachliche Ursachen haben, auch wenn diese nicht unmittelbar ersichtlich sind. Der Lautwandel muß daher nach neuerer Anschauung als ein organisch-genetischer Vorgang naturgebundener Art beurteilt werden 21 . Er vollzieht sich, wie Beobachtungen an lebenden Mundarten beweisen, als ein physiologischer Vorgang, bei dem bestimmte artikulatorische Veränderungen eine in ihrem Ablauf kontinuierliche Wandlung eines Lautes zu einem neuen Laut hervorrufen. So betrifft er alle zur Zeit seines Eintritts vorhandenen, unter denselben Bedingungen stehenden Beispiele einer Mundart und ist deshalb ausnahmslos. Durch den allmählichen Vollzug wird den Sprechern die Gestaltveränderung nicht bewußt, da sie nicht den phonetischen Vorgang mit seinen zahllosen Minimalvarianten, sondern nur den bedeutungsunterscheidenen Lauttypus als Phonem wahrnehmen. Erst wenn der physiologische Vorgang abgeschlossen ist und neue phonologische Oppositionsverhältnisse herrschen, tritt das Ergebnis eines Lautwandels in das Bewußtsein der Sprecher. So bleibt etwa die Monophthongierung der Diphthonge AI — AU zu überoffenem Ë — Ö im Mittelbairisch-Wienerischen oder der steigende Diphthongierungsansatz von / — U — Ü zu EI — OU — ÖÜ im alemannischen Bregenzer Vorderwald Vorarlbergs den Sprechern unbewußt, weil sich noch keine neuen phonologischen Oppositionsverhältnisse konstituiert haben. Solche Beobachtungen rechtfertigen und bestätigen den schon von Jakob G R I M M geprägten 18
19
E. SIEVBKS, Grundzüge der Lautphysiologie zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. ( = Bibliothek indogerm. Grammatiken 1), Leipzig 1876, S. 125ff. E. SIEVEBS, Grundzüge der Phonetik . . . , 4. Auflage, Leipzig 1893, S. 251.
20 PFALZ a . a . O . , S . 2 2 . 21
Darüber habe ich ausführlich gehandelt in meinem Aufsatz Dialektgeographie — Phonologie — Entfaltungstheorie. Ein Beitrag zur Frage des Lautwandels und seiner räumlichen Gültigkeit in den deutschen Dialekten. In: Pestschrift für Otto Höfler, Wien 1967, S. 4 4 5 - 4 7 1 , S. 459ff.
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Fachausdruck des „Lautgesetzes", den die Forschung der letzten Jahrzehnte zu Unrecht verworfen hat. Wenn soeben von der Ausnahmslosigkeit des Lautwandels als genetischen Prozesses gesprochen wurde, so schmälert das Auftreten von Ausnahmen nicht die Gültigkeit dieser Aussage. Diese bestätigen uns vielmehr die Sprache als einen lebendigen Organismus im Gegensatz zur junggrammatischen Auffassung als Mechanismus. Solche scheinbaren Ausnahmen des Lautwandels ergeben sich am häufigsten aus der Vermengung verschiedener Lautungen unterschiedlicher Sprachschichten. So entbehren etwa die Wörter ,Geist' (Verstand und Hl. Geist), .heilig', ,Kaiser', ,Eid', ,Meineid', ,beleidigen' in den meisten Mundarten der lautgesetzlichen Entwicklung von mhd. ei und zeigen die hochsprachliche Lautung AI, weil sie der Kirchen- und Rechtssprache angehören, die sich der mundartlichen Ebene entzieht. Ähnliches gilt auch für die Kirchenwörter ,ewig', ,Ewigkeit', ,Seele', ,Ehre', ,bekehren' und ,Ehe' und die teils zur Kirchen- und teils zur Schulsprache zu zählenden Wörter ,lehren', .Lehre', ,Lehrer' mit mhd. ê, die weitgehend die hochsprachliche Lautung E bewahren. Neben dieser soziologisch zu verstehenden Durchkreuzung lautgesetzlicher Entwicklungen, die von außen die Sprachstruktur beeinflussen, gibt es auch zwei innersprachliche Erscheinungen der Verhinderung gesetzlichen Lautwandels. Der eine Fall wird durch die den Lauten innewohnende onomatopoetische, lautmalende Kraft der Sprache ausgelöst und betrifft naturgemäß vor allem die hellen Hochzungenvokale i — u — ü. So haben sich etwa .blitzen', .kitzeln', .zittern' und das durch die Kindersprache nicht minder lautmalende Verbum .bitten' sowie ,gucken' und ,küssen' in den mitteldeutschen Mundarten weitgehendst der Senkung zu e — o (— ö) entzogen. Ähnliches gilt für die Substantiva ,Glucke' und ,Kuckuck'. Im niederalemannischen Elsaß beobachtet man bei Beispielen mit u an Stelle der Senkung neben Schließung sogar noch Palatalisierung zu ü. Der andere Fall der Durchbrechung lautgesetzlicher Entwicklungen ist semasiologischer Art. Wenn es durch lautgesetzlichen Zusammenfall ursprünglich getrennter Phoneme zu Homonymen oder besser zu Homophonen kommt, so umgeht die Sprache die Möglichkeit von Bedeutungsmißverständnissen bei im Zusammenhang verwendeten Wörtern entweder durch die Schaffung von Synonymen oder durch Aufhebung der Homophone. So wird etwa im Rheinfränkisch-Vorderpfälzischen die lautgesetzliche Homophonie der in der Küche verwendeten Bezeichnungen ,Lauge' und ,Lauch' als Içj dadurch vermieden, daß ,Lauge' lautgesetzlich erscheint, ,Lauch' aber ohne Palatalisierung zu Iqy umgestaltet wird. Ähnlich wird im Mittelbairischen der lautgesetzlichen Homophonie von den am Bauernhof wichtigen Bezeichnungen ,Schaf' und .Schaff' als sçv dadurch gesteuert, daß ersteres seine ursprüngliche, als Reliktlautung zu wertende Aussprache Sö\> beibehält.
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3. Das normative, soziologische Verhältnisse nicht berücksichtigende und daher einschichtige Sprachdenken der Junggrammatiker wurde u m die Jahrhundertwende von einer neuen Richtung abgelöst. Mit Hilfe der damals geschaffenen Dialektatlanten — Georg W E N K E R S Sprachatlas des Deutschen Reichs (seit 1890) und Jules G I L L I É R O N S Atlas linguistique de la France (seit 1902) wären hier zu nennen — und der sich darauf aufbauenden dialektgeographischen Methode, die für das Deutsche von Ferdinand WRE DE begründet wurde 2 2 , glaubte man nachweisen zu können, daß es im größeren R a u m keine Sprach Veränderungen im Sinne der junggrammatisch ausnahmslosen Lautgesetze gäbe, weil zahlreiche Beispiele trotz gleicher Voraussetzungen räumlich unterschiedlichen Lautstand aufwiesen. Damit erklärte man alle Ordnungskategorien für hinfällig und öffnete dem ohnehin in der Definition des „spontanen" Lautwandels gegebenen Zufall und der Willkür Tür und Tor. Eine analytisch isolierende Sprachbetrachtung mit der Beobachtung von Einzelerscheinungen ohne Bezug auf eine ordnende Ganzheit, besonders in der Lautlehre, waren die Folge. Die auferlegte Pflicht, nun nach einer Begründung für die bestimmte räumliche Verbreitung einer Erscheinung zu suchen, erwies die Sprache als das Kommunikationsmittel einer Gemeinschaft und die Bindung sprachlicher Erscheinungen an Kulturräume von der kleinen Dorfgemeinschaft über Kirchspiele, Ämter, Grafschaften und Herrschaften bis zu Ländern. Die Verbindung der Sprachträger einer solchen Gemeinschaft gewährleistet der Verkehr, der sich „innerhalb der kleineren und größeren Gruppen vollzieht, die durch kirchliches Leben oder Bindungen der Verwaltung (Heiratsvorschriften, Abgaben, Gerichtswesen, Militärdienst), durch Beziehungen politischer und kultureller Art, freiwillig zusammengehalten werden" 2 3 . Freilich maß man dem hier auftretenden soziologischen Faktor erst im Laufe der Zeit Bedeutung zu und erkannte allmählich die mit der unterschiedlichen Sozialschichtung der Sprachträger eng verbundene Mehrschichtigkeit der Sprache 2 4 . So wurde die Territorialgeschichte zum Hilfsmittel und Werkzeug der Sprachwissenschaft erhoben und löste die Phonetik in dieser Stellung ab 2 5 . War für den Junggrammatiker Hermann PATJX,
22
Ala programmatisch darf WREDES Aufsatz Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Mundartenforschung. In: ZfdMa. 1919, S. 3—18, angesehen werden. 3 Vgl. K. WAGNEB, Deutsche Sprachlandschaften. ( = D D G 23), Marburg 1927, S. 27. 24 Hinweise dieser Art finden sich bereits bei WREDES Schüler Th. FRINGS, Die deutsche Sprachwissenschaft und die deutsche Mundartforschung. In: ZfdMa. 1921, S. 2—12, S. 6. Entscheidenden Einfluß hat gehabt H. NAUMANN, Über das sprachliche Verhältnis von Ober- und Unterschicht. In: Jahrbuch für Philologie 1, 2
M ü n c h e n 1925, S. 5 5 — 6 9 . 25
Vgl. WREDE a. a. O., S. 10: „Um die Geschichte unserer Mundarten zu verstehen, hat also der Phonetiker durch den Historiker abgelöst werden müssen; Zungenmuskel und Gaumensegel haben die führende Rolle an den historischen Atlas abgetreten."
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Sprachwissenschaft noch Sprachgeschichte, so wurde Dialektologie für Ferdinand WEB DE zur soziallinguistischen Geschichtsforschung 26 . Lautveränderungen erklärte man nun unter Zuhilfenahme der ohnehin vorhandenen Vorstellung des freien schöpferischen Spiels der Sprachlaune 27 in Verbindung mit dem aus der Verbreitung einer lautlichen Erscheinung gewonnenen Moment des kulturellen Geschehens, so daß fortan jegliche physiologischen Voraussetzungen des Lautlichen fallengelassen wurden. Kulturelles Geschehen bedeutete aber ständige Auseinandersetzung zwischen einzelnen Gruppen und Bereichen, so daß sprachliche Veränderungen als Ergebnisse dieser immerwährenden Kulturkämpfe angesehen wurden 2 8 . Dafür lassen sich tatsächlich zahlreiche Beispiele bis in die Gegenwart anführen, die die Richtigkeit dieser Beobachtungen bestätigen. So wurde etwa im schwäbisch-fränkischen Grenzbereich von Pforzheim bis Murrhart seit der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts von der jüngeren Generation der Diphthong A U für mhd. ô zugunsten des fränkischen Monophthonges O aufgegeben, so daß jener mit dem Tod der älteren Generation um 1930 gänzlich verschwand 29 , oder übernimmt in der niederösterreichisch-mittelbairischen Umgebung Wiens die jüngere Generation seit dem 1. Weltkrieg an Stelle des angestammten Diphthonges OA für mhd. ei den städtischen Monophthong Ä, weil er für vornehmer und feiner erachtet wird 3 0 . Beide Vorgänge spiegeln die räumliche und soziologische Dynamik sprachlichen Geschehens, so daß man mit Recht von aktiven und passiven Mundarten als gebenden und nehmenden gesprochen hat 3 1 . Besonders in den Grenzbereichen zweier unterschiedlich strukturierter Dialekte werden solche Überlagerungen in Form von Mischgebieten deutlich greifbar. Als Beispiele seien etwa das bairisch-schwäbische Mischgebiet am Lech und das bairischostfränkische des Nürnberger Raumes genannt, wo jeweils schwäbische bzw. ostfränkische Merkmale die ursprünglich bairischen verdrängt haben 3 2 . Daß sogar nahezu ein ganzer Dialekt in der kulturellen Auseinandersetzung zugunsten eines anderen, höher eingeschätzten aufgegeben werden kann, 26
27
28
29 30 31 32
Vgl. H. PAUL, Prinzipien der Sprachgeschichte, 2. Auflage, Halle 1886, S. 19 (beibehalten bis 5. und letzte Auflage 1920, S. 20) gegenüber WREDE a. a. O., S. 18. Typisch darf für diese heute noch vielfach anerkannte Anschauung ein Ausspruch von W. MITZKA, Hochdeutsche Mundarten. In: Deutsche Philologie im Aufriß I, 2. Auflage, Berlin 1957, Sp. 1599—1728, Sp.1700, gelten: „Wir suchen immer nach dem sprachlichen Willen des Mundartträgers, allerdings auch dem freien Spiel seiner Sprachlaune, die wir ohne Tadel mundartgeschichtliche und -geographische Willkür nannten." Vgl. WREDE a. a. O., S. 13: „Überall derselbe sprachliche Werdegang: Sprachmischung und Ausgleich." Vgl. § 35 h. Vgl. § 138e. V g l . WAGNER a . a. O . , S . 5 1 f f . V g l . u . a. 1 6 9 . BOHNENBERGER u n d 2 6 1 . MAURER.
1 7 0 . KRANZMAYER b z w .
251.
EBERL
und
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zeigt das ehemals niederdeutsche Südmärkische, das seit dem Spätmittelalter das Hochdeutsche im Westen in Gestalt der obersächsischen Mundart und im Osten in Form der obersächsischen Verkehrssprache aufgenommen hat und nur mehr einzelne niederdeutsche Reliktlautungen bewahrt 33 . Auch die Erscheinung der sogenannten punktuellen Überspringung ist von soziologischen Faktoren abhängig und läßt sich bis in die Gegenwart beobachten 34 . So hört man heute den schon genannten wienerischen Monophthong Ä für ursprüngliches OA auch in der oberösterreichischen Hauptstadt Linz und in der steirischen Graz, während die dazwischen liegenden Bereiche weiterhin den Diphthong bewahren. Gegen die Umgebung mit dem Monophthong Ä für mhd. ei ist in zahlreichen rheinfränkischen Städten wie Heidelberg, Mannheim, Worms und Aschaffenburg der von Mainz abhängige überoffene Monophthong E üblich 35 . Großräumiger läßt sich die punktuelle Überspringung etwa im deutsch-slowenischen Mischgebiet Südkärntens beobachten, wo man die mit Wien übereinstimmenden Aussprachen offenes E für mhd. ê + ô gegenüber geschlossenem O für mhd. ô, geschlossenes E für mhd. Dehnungs-ë gegenüber offenem E für kurz gebliebenes ë und Ä für mhd. ei findet, die gewiß aus der seit dem Hochmittelalter von Wien bestimmten österreichischen Herrensprache stammen. Es ist offensichtlich, daß sich solche Lautveränderungen nicht als Lautwandel im Sinne der ausnahmslosen Lautgesetze verstehen lassen. Vielmehr handelt es sich dabei nach neuerer Anschauung um Lautersatz 36 , der im Gegensatz zum organisch-genetischen Lautwandel als intellektuell-logischer Vorgang kulturell-historischer Art verstanden werden muß. Er ist eine sprunghafte, kontinuitätslose Veränderung ohne artikulatorische Wandlungen und wird von den Sprechern bewußt und mit Absicht vollzogen. Wie die Beobachtung lehrt, gibt es vier Arten von Lautersatz, deren phonologische Folgen unterschiedlich sind. Die weitaus häufigste Art des Lautersatzes ist die Lautsubstitution mit einem im eigenen Lautinventar bereits vorhandenen Laut, der qualitativ mit dem zu übernehmenden Laut übereinstimmt. Ein solcher Lautersatz bringt daher kein neues Phonem mit sich, sondern vermehrt die Besetzung eines bereits vorhandenen und kann ein vorhandenes Phonem zum Verschwinden bringen, wenn es nur ein Etymon umfaßt. Als im alemannischrheinfränkischen Übergangsgebiet um Rastatt in Nordbaden die fallenden Diphthonge ia — ud für mhd. ie — uo — üe nach fränkischem Vorbild zugunsten von Monophthongen aufgegeben wurden, dienten die für mhd. î — û — û vorhandenen Monophthonge ï — ü zum Ersatz, so daß die Besetzung dieser Phoneme vermehrt wurde, während die diphthongischen 33 34 35 36
Vgl. Band I I , Anhang I b und I l k . Vgl. A. BACH, Deutsche Mundartforschung, 2. Auflage, Heidelberg 1950, S. 135. Vgl. § 141c. Darüber habe ich ausführlich in dem genannten Aufsatz Dialektgeographie—Phonologie—Entfaltungstheorie a. a. O., S. 459ff., gehandelt.
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ausschieden37. Wenn sich hingegen ein Phonem diachron aus mehreren, ursprünglich getrennten und in der zum Vorbild gewordenen Sprachschicht noch immer getrennten Phonemen zusammensetzt, kann einerseits in verkehrsfernen oder in ihrer Etymologie nicht mehr verstandenen Wörtern der ursprüngliche Lautstand bewahrt bleiben und können andererseits hyperkorrekte Bildungen zustande kommen. Beide Erscheinungen fügen sich wegen der bloßen Umbesetzung innerhalb vorhandener Phoneme zwanglos in das fortbestehende System. So wuxde im mittelbairischen westlichen Niederösterreich die Besetzimg des lautgesetzlich entwickelten Diphthongphonems UI, das ursprünglich mhd. uo, iu und die Lautfolgen -ul-, -ol-, -al- und -âl- umfaßte, dahingehend verringert, daß mhd. uo durch den Diphthong UA der Verkehrssprache, wie er mundartlich bereits für die mhd. Lautfolge -ur- galt, und mhd. iu älter durch den Diphthong Ol, wie ihn die Mundart schon für die mhd. Lautfolgen -al- und -âl- eingeführt hatte und jünger durch den Diphthong AI wie für mhd. î + u oder den Diphthong IE wie für mhd. ie -j- üe ersetzt, während UI nur für die mhd. Lautfolge -ulerhalten blieb. Dabei geschah es, daß einerseits die Wörter leuifn Schlittenkufe' (mhd. kuofe) und lüidn ,Kuhfutter' (mhd. luoder) unverändert bewahrt blieben und andererseits der nicht mehr verstandene Ortsname *fuisprün aus älterem Vuozesprunne statt richtig zu *fiwsprün zu hyperkorrektem fo{sprün ,Feuersbrunn' verändert wurde 38 . Soll aus bestimmten Gründen ein bisher im Lautinventar einer Mundart nicht vorhandener Laut übernommen werden, so wird meistens der nächst verwandte, im Lautinventar enthaltene Laut zur Substitution verwendet, weil es offenbar schwerfällt, sich die Aussprache fremder, unbekannter Laute anzueignen. Beispielsweise ahmt die nordburgenländische Jugend die in ihrem Lautinventar fehlenden überoffenen Monophthonge â — à der Wiener Mundart für die eigenen Diphthonge ae — ao dadurch nach, daß sie die halboffenen Lautungen ç — ç für die Reihe mhd. ê — ô — ò als die ähnlichsten Entsprechungen wählt. Also stellt sich auch hier als Folge des Lautersatzes Phonemreduzierung bei gleichzeitiger Vermehrung der Besetzung anderer Phoneme ein. Nur selten beobachtet man beim Lautersatz die Entstehung neuer Lautungen. So führt im Südtiroler Pustertal um Bruneck bei der mittleren Generation die bewußte Vermeidung der geschlossenen palatovelaren Aussprache öd für mhd. ô zur Bildung eines geschlossenen Diphthonges od, der sich vom etwas offeneren pa für mhd. ei unterscheidet. Dabei wird zwar die alte und empfundene Phonemdifferenzierung bewahrt, doch kein neuer O-Laut geschaffen, wie es den Anschein haben könnte. Vielmehr tritt derselbe O-Laut, wie er als Monophthong oder schwach steigender Diphthong für mhd. â + Dehnungs-ä üblich ist, ein. Erst die jüngere Gene37 38
Vgl. § 110 e. Vgl. § 113 c.
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ration, die die Palatovelarität nicht mehr kennt, läßt mhd. ô und mhd. ei in den geschlossenen bis leicht offenen Diphthong çd wie ursprünglich nur für mhd. ei zusammenfallen, weil ihr die Phonemdifferenzierung nicht mehr geläufig ist. Auf den tatsächlichen Versuch der Schaffung neuer Lautungen stößt man heute in den wenigen alemannischen Ortschaften mit Umlautentrundung im Nordwesten Vorarlbergs ab Bregenz. Sie beginnen sich nur langsam nach der Landeshauptstadt auszurichten, in deren Mundart gerundete Umlaute bereits zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Wie schwierig dieses Unterfangen aber ist, zeigt das Ergebnis: Die Sprecher sind nicht imstande, die ihnen völlig ungeläufigen gerundeten Lautungen ü, ö usw. nachzubilden und gelangen bloß zu halbgerundeten Werten zwischen i und ü, e und ö usw., die sich zwar von reinem i und e etwas unterscheiden, aber immer noch diesen qualitativ näher stehen als einem beabsichtigten ü und ö. Immerhin beginnen diese neuen Lautungen phonemisiert zu werden und das Phoneminventar zu erweitern. Die Einführung neuer Lautungen in ein Inventar und ihre Phonemisierung ist auch möglich, wenn die Sprecher über mehrere unterschiedliche Sprachschichten verfügen und Laute von der einen Schicht in die andere eindringen. So kannte die mittel- und nordbairische Mundart im 14. Jahrhundert für mhd. î — û — û keine Diphthonge AI — AU, da diese zu Ä monophthongiert worden waren, während sie in höheren Sprachschichten erhalten blieben. Die Wiederaufnahme der Diphthonge in die Mundart brachte trotz der Entstehung neuer Phoneme keine lautlichen Neuschöpfungen, sondern bedeutete nur die Übernahme ohnehin beherrschter Lautungen aus einer anderen Sprachschicht. Bei der Gegenüberstellung beider Auffassungen von Lautveränderungen, der junggrammatisch-gesetzgebundenen und der dialektgeographisch-gesetzlosen, zeigt sich, daß keine allein den tatsächlichen Anforderungen gerecht zu werden vermag, obwohl beide Seiten die Alleingültigkeit ihrer Meinung oft genug betont und gefordert haben. In Erweiterung beider Auffassungen gelangt man nun zur Beurteilung von Lautveränderungen als organischgenetischen Lautwandel und intellektuell-logischen Lautersatz, die gleichberechtigt und vollgültig nebeneinander bestehen. Es wird eine zukünftige Aufgabe der Sprachgeschichte sein, in den einzelnen Dialektlandschaften die Herkunft des mundartlichen Lautstandes auf beide Möglichkeiten hin zu überprüfen. Schon jetzt kann gesagt werden, daß Lautwandel in ungemein größerem Ausmaß vorliegt, als man bisher anzunehmen geneigt war. 4. Es stellt sich nun die Frage, welche spezifische Stellung die Reihenschritte innerhalb dieser Möglichkeiten der Lautveränderungen einnehmen. Das Reihenschrittgesetz ist, wie es Anton P F A L Z formuliert hat, ein echtes Lautgesetz im Sinne des Lautwandels, das aber nicht bloß den Wandel eines Lautes, sondern mehrerer Laute umfaßt, die in einem innersprach-
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liehen Bezugsverhältnis stehen. Dieses Bezugsverhältnis ist zunächst phonetischer Art. Die Phonetik 3 9 fixiert die Vokale nach der Zungenhebung in der Horizontalen und Vertikalen. Sie gelangt in der Horizontalen auf Grund der Richtung der Zungenhebung zu drei Arten von Vokalen: palatalen (vorderen) — zentralen (mittleren) — velaren (hinteren). Mit Bezug auf den Grad der Hebung sind in der Vertikalen ebenfalls drei Arten von Vokalen zu unterscheiden: hohe — mittlere — tiefe. Das führt zur Festsetzung von Hochzungen-, Mittelzungen- und Tiefzungenvokalen, die jeweils palatal, zentral oder velar sein können. Die Qualität der Vokale ist aber auch noch von der Lippenstellung und von der Spannung der artikulierenden Organe abhängig. Die Lippenstellung beeinflußt die jeweilige Klangfarbe, so daß danach ungerundete bzw. gerundete palatale Hochzungenvokale I — Ü, ungerundete bzw. gerundete Mittelzungenvokale E — Ö und gerundete velare Hoch- bzw. Mittelzungenvokale U — O zu unterscheiden sind. Mit dem Grad der Spannung, der straffen oder schlaffen Artikulation, ist dann das akustisch zu verstehende Moment der geschlossenen und offenen Aussprache der Vokale zu verstehen, indem der durch den Grad der Zungenhebung bestimmte Munddurchgang eines Vokals innerhalb eines relativen Spielraumes enger oder weiter sein kann. Die Bezeichnungen „geschlossen" und „offen" sind daher nur bei Hoch- und Mittelzungenvokalen, nicht aber bei Tiefzungenvokalen anwendbar. Auf Grund dieser Fixierungen der Vokale nach dem Bildimgsort und dem Öffnungsgrad ordnen sich diese zu einem Vokalsystem, das schon 1781 HELLWAG und dann 1 8 4 9 B E L L in Gestalt eines Dreiecks wiedergegeben haben und das bis in die Gegenwart mannigfach Anwendung für das Deutsche gefunden hat : I
U Ε
O A
Das Vokalsystem ist nun dadurch ausgezeichnet, daß jeweils einem palatal ungerundeten ein velar gerundeter Laut gleicher Zungenhebung entspricht. Zum palatal ungerundeten Vokal kann auch noch der palatal gerundete als akustische Parallelform hinzutreten. Anton PFALZ hat nun nach den phonetischen Gegebenheiten die einander in ihrer Bildungsweise entsprechenden palatal ungerundeten und velar gerundeten Vokale, also I — Ό und Ε — O, zusammengefaßt und sie jeweils als „Reihe" bezeichnet. Die von VAN W I J K beobachteten gleichsinnigen, parallelen, und wie ich nach Otto H Ö F L E B sagen möchte, „gekoppelten" Weiterentwicklungen 40 solcher „Reihen", für die PFALZ viele 39 40
Zum folgenden vgl. E. DIKTH, Vademekum der Phonetik, Bern 1950, S. 204ff. Vgl. HÖFLER, Stammbaumtheorie a. a. O., P B B 77, S. 440 und P B B 78, S. 1 ; ders., Über „gekoppelte" Lautgesetze a. a. O.
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Belege aus lebenden Mundarten beibringen konnte, nannte P F A L Z „Reihenechritte" 41 . Er beobachtete sie bei Monophthongen als Hebung, ζ. B. E — O zu I — U, oder Senkung, z. B. I — U zu E — 0, und als steigende Diphthongierung, ζ. Β. E — Ö zu EI — OU, oder fallende, ζ. Β. E — Ö zu EA — OA, und bei Diphthongen als Monophthongierung, z. B. EI —OU zu E — Ö, oder als Veränderung innerhalb der Komponenten, z. B. EA — OA ZU ΙΑ — UΑ. Als Ursache glaubte P F A L Z die physiologischen Momente der „Erhebung des artikulierenden Zungenkörpers gegen das Munddach" und die „Spannung der artikulierenden Muskeln, nach deren Intensität wir die Vokale als gespannte und ungespannte bezeichnen", die er kurz als „Höhe" und „Spannung" zusammenfaßte, verantwortlich machen zu müssen42. So formulierte er an Hand dieser Beobachtungen vier „Reihenschrittgesetze", von denen das 1. allgemeiner Art ist, das 2. sich auf die Diphthongierung von Monophthongen, das 3. auf die Monophthongierung von Diphthongen und das 4. auf die Veränderung von Komponenten innerhalb einer Diphthongreihe bezieht, so daß es sich um ein Grundgesetz mit drei spezifischen Abwandlungen handelt. Das Grundgesetz der Reihenschritte, dessen Gültigkeit außer Zweifel steht, lautet in der Formulierung von P F A L Z 4 3 : „In einer indogerm. Sprache vorhandene vordere und hintere Vokale machen, sofern sie gleiche Höhe und Spannung besitzen, gleichartigen Lautwandel durch, solange nur der eine Vokal ein vorderer und der andere ein hinterer bleibt." So erweist sich das Reihenschrittgesetz als ein Lautgesetz im Sinne des „spontanen" Lautwandels der Junggrammatiker, doch unterscheidet es sich dadurch, daß es physiologische Momente einbezieht und diese zur Voraussetzung für gleichsinnige Entwicklungen macht. Damit aber hat die „Willkür" keinen Platz mehr, und der von der lautlichen Umgebung unabhängige Lautwandel findet eine physiologische Begründung. P F A L Z hat damit den Lautwandel als einen genetischen Vorgang erklärt, ist aber nicht mehr den ihn hervorrufenden Triebkräften nachgegangen. Durch die gemeinsame Betrachtung von in ihrer Bildungsweise entsprechenden palatalen und velaren Vokalen gleicher Zungenhebung wurde ein in der Sprache vorgegebenes Ordnungssystem erkannt. Ohne daß damals (1918) schon etwas von Phonologie (oder Strukturalismus) bekannt gewesen wäre, wurden damit Prinzipien vorweggenommen, die später durch Nikolai T R U B E T Z K O Y zu Normen erklärt wurden. So gewannen die Reihenschritte später auch 41
122. KRANZMAYER, S. 9f und 15f., spricht in anderer Terminologie von „Parallelreihen", „parallelen Reihenschritten" und „Parallellaut" (letzteres für „Glied" einer Reihe).
42
PFALZ a . a . O . , S . 2 2 f . PFALZ a . a . O., S . 2 9 .
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den ihnen bereits innewohnenden phonologischen Aspekt dazu, auf den Eberhard K R A N Z M A Y E E hingewiesen hat. 5. Im Gegensatz zur Phonetik, der die Aufgabe der Beschreibung und Klassifizierung der Laute als physiologisch-akustischen Gebilden obliegt, beschäftigt sich die Phonologie mit der Funktion der Laute im Sprachgebilde. So können nur jene Laute als Phoneme betrachtet werden, die einen bedeutungsunterscheidenden Wert besitzen, denn nach T B U B E T Z K O Y ist das Phonem die Gesamtheit aller relevanten Eigenschaften eines Lautgebildes 44 . Phoneme sind daher nicht als absolute Größen zu verstehen, sondern resultieren aus Bezügen, die sich in Oppositionen und Relationen äußern. Die sich als relevant erweisenden Vokalphoneme werden zu einem System zusammengefaßt, dessen Ordnungsprinzipien der von der Phonetik vorgegebenen Vokalordnung entsprechen. Gleich der Phonetik wird deshalb die Klassifizierung der Vokalphoneme in der Vertikalen nach dem Bildungsort und in der Horizontalen nach dem Öffnungsgrad vorgenommen, so daß die physiologischen Eigenschaften der Lokalisierung und des Öffnungsgrades bzw. die damit verbundenen akustischen des Eigentones und der Schallfülle als Parameter dienen 45 . So erachtet auch die Phonologie die Vokalphoneme gleichen Öffnungsgrades bzw. gleicher Schallfülle wie 1 — U und E — 0 als eng zusammengehörig und setzt sie in Stufen gegeneinander ab, woraus die Einteilung der Systeme nach der Anzahl der Stufen beruht. Man kann dieses Vorgehen der Phonologie als Reihenprinzip bezeichnen. Da allerdings nicht alle phonetischen Eigenschaften eines Vokals phonologische Relevanz besitzen müssen, kann die Phonologie diese „überzähligen" Eigenschaften übergehen und auch Vokale unterschiedlicher Bildung zu einer phonologischen Reihe zusammenfassen. Wir werden darauf noch verschiedentlich zu sprechen kommen. Die Darstellung des phonologisch relevanten Lautsystems ist daher an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden, weil ja das Verhältnis aller in einer Sprache vorhandenen Laute zueinander festgestellt werden soll. Diese Bindung der Darstellung an einen bestimmten Zeitpunkt wird in der Phonologie als „Synchronie" bezeichnet. Aus mehreren „synchronen" Darstellungen zu verschiedenen Zeitpunkten erwächst die „Diachronie", die die historische Entwicklung der Phoneme aufzuzeigen vermag. Bei der von Roman J A K O B S O N begründeten diachronen Phonologie kommt es nur darauf an, die Veränderungen von einem älteren zu einem jüngeren System als solche festzustellen. Diese werden vom strengen Strukturalismus nicht auf die Frage geprüft, ob Lautwandel oder Lautersatz dazu geführt hat, sondern 44
45
2
N. TBUBETZKOY, Grundzüge der Phonologie. ( = Travaux de Cercle Linguistique de Prague 7), Prag 1939, S. 35. Zu den verschiedenen Auffassungen und Definitionen des Phonems vgl. R . FBEÜDENBERO, Das Phonem und seine Struktur. In: ZfMaf. 33 (1966), S. 1 - 1 3 . Vgl. TBUBETZKOY a. a. O., S . 86ff. Wiesinger Band I
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Einleitung
einzig aus der Struktur des Systems selbst zu erklären versucht 46 . So werden Veränderungen als logische Akte gesehen, die aus „innerer Kausalität" erfolgen, weswegen man auch von einer Teleologie der Lautveränderungen gesprochen hat 4 7 . Strenge diachrone Phonologie kann daher nicht als lebendige Sprachgeschichte gewertet werden, weil es zahlreiche Lautveränderungen gibt, die nachweislich nicht aus der Struktur der Systeme resultieren. So läßt denn der nicht „puristische" Strukturalismus auch andere zu Lautveränderungen führende Ursachen linguistischer und extralinguistischer Art gelten 48 . Was das phonetische Reihenschrittgesetz mit dem phonologischen Reihenprinzip verbindet, ist der Ausgang von den gleichen phonetischen Grundlagen und die Beobachtung der reihenweise erfolgenden Lautveränderungen. Während aber die Phonetik den Ablauf des reihenweisen Lautwandels isoliert beobachtet bzw. für die Vergangenheit zu rekonstruieren versucht, vergleicht die Phonologie nur die Ergebnisse der Veränderungen in ihrer Systemgebundenheit. Diese zunächst vorhandene Einseitigkeit beider Methoden muß nun, um zu fruchtbringenden Ergebnissen zu gelangen, im Sinne einer Aufforderung von Otto J E S P E R S E N „Der Phonetiker muß Phonolog werden, und der Phonolog muß Phonetiker sein" 49 überwunden und eine Synthese angestrebt werden 50 . 6. Die Betrachtung von Lautveränderungen nach Reihenschritten verlangt die Kenntnis des älteren vorausliegenden Lautstandes, so daß die Richtung der Veränderung festgestellt werden kann. Das methodische Vorgehen ist daher progressiver Art. Man ist im Deutschen vor allem durch die schriftliche Überlieferung in der Lage, den älteren Lautstand zu ermit teln, was bereits in allgemeiner Art durch die Junggrammatiker geschehen ist, welche die heute noch gültigen Grammatiken für einzelne Sprachepochen, wie des Alt- und Mittelhochdeutschen, geschaffen haben. Als unmittelbar ältere Vorstufe der gegenwärtigen neuhochdeutschen Mundarten geht das Mittelhochdeutsche und diesem das Althochdeutsche voraus, die man nicht als festgefügte Spracheinheiten, sondern vielmehr als Epochen der Sprachgeschichte zu verstehen hat. Die Sprachforschung hat ja gezeigt, daß das Deutsche bereits in ahd. Zeit in mehrere, voneinander unterschiedene Dialekte zerfiel. Diese Unterschiedlichkeit nahm im Laufe der Zeit zu und 48 47
Vgl. dazu ausführlicher meinen Aufsatz Dialektgeographie a. a. O., S. 452ff. Vgl. J. FOURQUET, Phonologie und Dialektologie. In: ZfMaf. 26 (1958), S. 161 — 173, S . 171.
48
49
Vgl. u. a. FOURQUET a. a. O., S. 172, „Die phonologische Kausalität kreuzt sich mit . . . einer außersprachlichen". O. JESPERSEN, Zur Lautgesetzfrage, C. Letzte Worte (1933). In: Linguistica — Selected Papers in English, French and German by Otto JESPERSEN, Kopenhagen und London 1933, S. 205—228, S. 213.
60
Zu diesen Problemen vergleiche ausführlicher meinen Aufsatz Dialektgeographie — Phonologie — Entfaltungstheorie, a. a. O., S. 459ff.
Einleitung
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erreichte schließlich jene bunte Vielfalt von Mundarten, die uns heute entgegentritt. Es ist also gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt man das Deutsche betrachtet, nie und nirgends tritt es in seiner Gesamtheit als eine völlig einheitliche Sprache entgegen. Aus der komplexen Natur der Sprache gilt es, für die Betrachtung der Vokalentwicklung im Sinne der Reihenschritte das unter den gleichen äußeren Bedingungen stehende Phoneminventar einer älteren Sprachstufe heranzuziehen, wobei dann alle betonten Stammsilbenvokale in Frage kommen. Durch diese Einschränkung wird ja die Unterschiedlichkeit der einzelnen älteren Dialekte, die sich auch auf Konsonantismus, Formenbestand, Wortbildung, Syntax und Wortbestand bezieht, zwar wesentlich verringert, doch fragt sich, ob dann ein einheitliches, überall gültiges Phoneminventar als Grundlage zu gewinnen ist. Da den neuhochdeutschen Mundarten die mhd. Sprachepoche vorausgeht, muß diese Frage nach der Einheitlichkeit des Phoneminventars bezüglich Raum und Zeit an das Mittelhochdeutsche gerichtet werden. Diese Frage ist, wenn man den sprachlichen Querschnitt zu einem bestimmten Zeitpunkt durchführt, ζ. B. um 1200, einer Zeit, in der die mhd. Dichter Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, der Nibelungendichter und Walther von der Vogelweide ihre Werke schufen, absolut mit nein zu beantworten. So wurden mundartlich in dieser Zeit ζ. B. im Bairischen 51 die ahd. Monophthonge î — û — u als Diphthonge mindestens der Stufe EI — OU — ÖÜ gesprochen. Die ahd. Diphthonge ei — ou — öü hatten bereits als Reihe zu bestehen aufgehört, da der seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts aus der Lautfolge -egi- neuentstandene Dipthong ei 2 altes ei in die Isolierung gedrängt hatte, das um 1200 wohl schon über AI zu Ol verdumpft wurde, während die neue Reihe ei 2 — ou — öü bereits Extremwerte AI — AU — AÜ (wenn nicht schon mit gelängten 1. Komponenten) besaß. Die Dehnung der ahd. kurzen Vokale in offener Silbe zweisilbiger Wörter war bereits in frühmhd. Zeit im Laufe des 12. Jahrhunderts gesamtbairisch durchgeführt worden u n d brachte eine starke Erweiterung des Phoneminventars mit sich. I m Südbairischen traten damals schon die Ansätze zur Falltonentwicklung der offenen ahd. Monophthongreihe è — ô — o zu EA — OA — ÖA und im Nordbairischen bereits die Steigtonentwicklung zu EI — OU — ÖÜ hervor. Ähnliche Veränderungen lassen sich auch in den übrigen Dialekten feststellen. So geschah z. B. im Schwäbischen die Verdrängung von ahd. ei aus der Reihe ei — ou — öü durch ei 2 aus der kontrahierten ahd. Lautfolge -egi- bereits seit dem Ende des 10. Jahrhunderts 5 2 . I m NiederalemannischElsässischen begann um 1200 die Palatalisierung der velaren Vokale ahd. 51 52
2·
Diese Datierungen nach 1 2 2 . KRANZMAYER. Vgl. W. B R A U N E , Althochdeutsche Grammatik, Tübingen 1963, § 149, 5 a.
11. Auflage von W.
MITZKA,
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Einleitung
û, ou, uo und die Entrundung der entsprechenden Umlaute u, öü, iie 53 . Im Mitteldeutschen vollzog sich die Monophthongierung von ahd. ie — uo — üe zu / — Ü — Ü schon seit dem Ende des 11. Jahrhunderts und etwas später im Mittelfränkischen die Monophthongierung der Diphthonge ei — ou — öü zu E — Ö — Ö54. Zur selben Zeit verharrte aber das Höchst alemannische, das die Sprachstufe des Mittelhochdeutschen nie recht durchschritten hat, noch weitgehend auf spätalthochdeutschem Zustand. Das uns vertraute sogenannte „klassische" Mittelhochdeutsch, dessen sich mit geringfügigen regionalen Unterschieden die obengenannten Dichter um 1200 bedienten, verkörpert also keine allgemein gesprochene Sprachform ihrer Zeit. Es war vielmehr unter den auch damals vorhandenen Sprachschichten eine gehobene überregionale Form der Sprache, eben eine Literatursprache, die etwa der ebenfalls nirgends als sprachliche Grundschicht gesprochenen neuhochdeutschen Hochsprache verglichen werden kann 55 . Wie diese aus mehreren regionalen Quellen gespeist ist, so auch jene. Ihre überregionale Gültigkeit offenbart sich bereits sinnvoll an Reinmar von Hagenau, der niederalemannischer Elsässer war und am bairischen Hof zu Wien seinen Dichterruhm begründete, oder dann besonders an Walther von der Vogelweide, der wohl als Baier seine Dichtungen im ganzen hochdeutschen Sprachgebiet vortrug und dessen schriftlich fixierte Sprache keinerlei Dialektismen aufweist. Aus solchen Erkenntnissen würde sich die Notwendigkeit ergeben, mit Hilfe des historischen Materials und anderer Quellen den absoluten Zeitpunkt des Eintritts der jeweiligen Lautveränderungen festzustellen und danach für die einzelnen Mundarten die phonologischen Systeme mit ihren Reihen in verschiedenen Zeitabschnitten zu erstellen, um dann ganzheitlich die Veränderungen von Stufe zu Stufe zu konstatieren. Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, daß dies für das gesamte hochdeutsche Gebiet einstweilen ein unmögliches und praktisch gänzlich undurchführbares Unterfangen ist. So ergibt sich die Notwendigkeit, die einzelnen Lautveränderungen nicht jeweils unter dem Blickwinkel des gesamten phonologischen Systems bei Wahrung der Einheit von Raum und Zeit zu sehen, sondern nur innerhalb von Teilbereichen des Systems. So wird man z. B. bei der Diphthongierung der mhd. Monophthonge î — û — u zu E I — OU — ÖÜ die Aufmerksamkeit auf das Verhalten der mhd. Diphthonge 53
54
55
Vgl. B. BOESCH, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache des 13. Jahrhunderts, Bern 1946, S. 97ff., und E. HAEKDCKE, Die mundartlichen Elemente in den elsässischen Urkunden des Straßburger Urkundenbuches 1261 — 1332. Diss., Straßburg, Straßburg 1894, S. 44ff. Neuerdings beurteilt 54. BEYER, S. 206f., diese frühen Datierungen skeptisch, da man mit Hilfe der Urkundenschreibungen ja nicht weiter als bis 1250 zurückkomme. Vgl. PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik a. a. O., § 44, und H. SCHWITZGEBEL, Kanzleisprache und Mundart in Ingelheim im ausgehenden Mittelalter. Diss. Mainz, Kaiserslautern 1958, S. 36ff. Vgl. u. a. PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik a. a. O., § 4.
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ei — ou — öü oder anderer mhd. Phoneme richten, auf deren phonetischen und phonologischen Platz die neuen Diphthonge treten, und Ausschau halten, ob der Wandel einer anderen Vokalreihe neue Monophthonge I — L7 — Ü hervorbringt, die auf den freigewordenen phonologischen Reihenplatz nachrücken 5 6 . Dann aber ist es sehr wohl möglich, die hierfür nötigen Grundlagen zu gewinnen, weil die absoluten Momente von Zeit und Raum, die das gesamte System erfordert, zu relativen Größen werden. Man weiß ja, welche Lautwerte für die unter dem Begriff „Mittelhochdeutsch" verstandene Sprachepoche Gültigkeit besaßen. Die Sprachforschung hat auch gezeigt, daß der Vokalstand des Mittelhochdeutschen in diesem allgemeinen Sinn einmal überall durchschritten worden ist. So besaß ζ. B. das Bairische einmal die Monophthongreihe î — û — û, die Diphthongreihe ei — ou — öü, die unkontrahierte Lautfolge - egi - und die Kurz vokale i — u — ü, e — o — ö, ë, ä und a in offener Silbe zweisilbiger Wörter. Das Mitteldeutsche kannte einmal die fallende Diphthongreihe ie — uo — üe und die steigende ei — ou — öü usw. Wenn die mhd. Lautwerte als relative Größen unabhängig vom bestimmten Zeitpunkt und Raum als Grundlagen der heutigen Lautwerte angesehen werden können, dann darf auch der Lautstand der mhd. Literatursprache, obwohl er eine absolute Größe ist, zum Vergleich herangezogen werden. Man muß sich bei diesem Vergleich aber stets der Relativität bezüglich Zeit und Raum bewußt bleiben. Wollte man nämlich diese Momente mit einbeziehen, so heißt z. B. im Bairischen mhd. î — û — u bis längstens 1120 und mhd. ei — ou — öü als Reihe bis längstens 1150; im Elsässischen mhd. î — û — û bis etwa 1200; im Mitteldeutschen ie — uo — üe bis längstens 1150 usw. So rückt das „Mittelhochdeutsche" als gesprochene Sprache in die Nähe des Spätalthochdeutschen, wo sein Lautstand noch volle Gültigkeit besaß. Diesen Sachverhalt hat auch Paul V A L E N T I N bei der Untersuchung des Phoneminventars von Notker von St. Gallen beobachtet, das mit dem rund 200 Jahre jüngeren der klassischen mhd. Literatursprache übereinstimmt 57 . Muß also im Bereich des Vokalismus auf das räumlich unterschiedliche Verhalten des „Mittelhochdeutschen" verzichtet werden, so soll bei der Einzeldarstellung wenigstens dem schon immer verschiedenartigen Kon56
57
Unter anderen Voraussetzungen haben bereits die Junggrammatiker solche Beziehungen beobachtet und gelangten auf Grund dieser Verschiebungen zur „relativen Chronologie". Bereits strukturell mutet das von dem Wiener Anglisten Karl L U I C K in seiner Historischen Grammatik der englischen Sprache I, Leipzig 1914 bis 1921 formulierte „Verdrängungsgesetz" an, das solche Erscheinungen in innersprachlich bedingten Kausalzusammenhängen sieht. In der Phonologie setzen sich jetzt die von André MARTINET, Economie des changements phonétiques, traité de phonologie diachronique, Bern 1955, geprägten Begriffe „Schub" („chaîne de propulsion") und „Sog" („chaîne de traction") durch. P. VALENTIN, Althochdeutsche Phonemsysteme (Isidor, Tatian, Otfrid, Notker). In: ZfMaf. 29 (1962), S. 3 4 1 - 3 5 6 , S. 354ff.
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sonantenstand Rechnung getragen werden. Daß auch dabei ähnliche Probleme wie beim Vokalismus gelten, liegt auf der Hand, soll aber hier nicht erörtert werden. 7. So darf nun das als Vergleichs- und Ausgangsbasis dienende vokalische Phoneminventar der klassischen mhd. Literatursprache zur Darstellung gelangen 58 . Dieses besteht aus drei Teilsystemen, dem Langvokal- oder langen Monophthongsystem, dem Diphthongsystem und dem Kurzvokaloder kurzen Monophthongsystem. Ihre jeweilige Anordnung wird hier nach der phonetischen Stellung der einzelnen Laute im Vokaldreieck getroffen. î —u —û ê —ö — ô se — — á
ie — iie — uo ei — öü — ou
i —ü —u e —ö —o ë — ä — — a
Jedes dieser drei Teilsysteme ist durch je zwei dreigliedrige Reihen gekennzeichnet, deren Glieder einander in der Bildungsweise entsprechen. Dies ist auch bei den Diphthongen der Fall, die jeweils in beiden Komponenten diese Anforderungen erfüllen. Alle diese Reihen sind daher gekoppelte Reihen. Nach der Anordnung im Vokaldreieck nehmen die Laute ae und â im Langvokal- und ë, ä und a im Kurzvokalsystem eine isolierte Stellung ein, so daß sie auch isolierte Entwicklungen durchgemacht haben, worauf wir noch zu sprechen kommen werden. Im Kurzvokalsystem stellt das erste Glied der Reihe e — o — ö der Primärumlaut von germ, a 5 9 , was nach meinen Überprüfungen im gesamten Hochdeutschen zutrifft. Bei der Betrachtung der regionalen Sprachentwicklung müssen für einzelne Räume noch einige nicht überall gültige Phoneme nachgetragen werden. Dabei stellt der nicht umgelautete ahd. Diphthong iu ein besonderes Problem dar. Er wurde von Karl L A C H M A N N für das klassische Mittelhochdeutsch zur Gänze als Monophthong u erklärt, der mit dem i-Umlaut von ahd. û und iu eine Einheit bildet. Das ist sicher für die Sprache Hartmanns von Aue und Wolframs von Eschenbach richtig, in deren Heimatgebieten dieser Zusammenfall heute noch gilt, welcher im Hochalemannischen südlich des Bodensees durch die gleichartige Wiedergabe iu für alle drei Phoneme bei Notker von St. Gallen schon für die spätahd. Zeit gesichert ist. Dagegen hat im Großteil des übrigen Alemannischen und im Bairischen der Diphthong iu selbständige Entwicklungen durchgemacht 60 . Auch im Ostfränkischen und im Mitteldeutschen war der Diphthong iu vorhanden, 58 59 60
Vgl. W. MOTJLTOST, Zur Geschichte des deutschen Vokalsystems. In: PBB 83 (Tübingen 1961/62), S. 1 - 3 5 , S. 20ff. Zu meinen Abänderungen vgl. Abschnitte. Darauf hat erstmals 122. KRANZMAYER aufmerksam gemacht. Vgl. n e b e n § 156 bis § 164 a u c h 1. JUTZ, S. 101, u n d 122. KRANZMAYER, S. 51.
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wenngleich seine Besetzung gegenüber dem Oberdeutschen durch die starke Auswirkung des a-Umlautes gering war und er deshalb auf Einzelwörter und die Hiatusstellung vor w, welches im Mitteldeutschen den Eintritt des i-Umlautes verhinderte, beschränkt blieb. I m Gegensatz zum Oberdeutschen fällt der Diphthong iu im Ostfränkischen einschließlich des Hennebergischen mit u und im Mitteldeutschen mit û zusammen, wenngleich diese ursprüngliche Entwicklung im Mitteldeutschen im Laufe der Zeit durch eine höhere Sprachschicht öfters zugunsten von u beseitigt worden ist 6 1 . Wie sich nachweisen läßt, verkörpert iu bloß ein durch die gesamte ahd. und mhd. Sprachperiode beibehaltenes Graphem für verschiedene, noch in ahd. Zeit aus iu hervorgegangene Palatovelardiphthonge. Da ihre Weiterentwicklungen in den genannten Gebieten schon sehr früh zum Ansehluß an bereits bestehende Phoneme geführt haben, scheint es angebracht, ein mhd. Diphthongphonem iu, das also verschiedenartige, im System isolierte Palatovelardiphthonge bezeichnet, nur mehr für das Alemannische und Bairische, aber nicht mehr für das Ostfränkische und das Mitteldeutsche anzusetzen. In „nachmhd." Zeit wurden mit Ausnahme des Höchst- und Hochalemannischen und des westlichen Vorschwäbischen und Schwäbischen ungefähr bis in die Höhe von Bodensee — Ν Rottweil — Schwarzwald — etwa die mittlere Aare doch ohne den Kanton Uri und die piemontesischen Walserkolonien die ahd. Kurzvokale zunächst in offener Silbe zweisilbiger Wörter, später in offener Silbe dreisilbiger Wörter und durch Formenausgleich oder sonstige Quantitätenregelungen oftmals auch in einsilbigen Wörtern vor Verschluß- und Reibelauten gedehnt, so daß neue Langvokale entstanden. Vor Liquiden und teilweise vor Nasalen ist diese Dehnung auch in den genannten alemannischen Ausnahmegebieten erfolgt. In dieser Stellung erweist sich wegen gebietsweiser Übereinstimmung der Entwicklung mit ursprünglichen Langvokalen diese Dehnung auch sonst als älter. Diese jeweils unter bestimmten Gesetzen stehenden Dehnungen wurden nur teilweise konsequent durchgeführt, so vor allem im Schwäbischen, Bairischen, Ostfränkischen und Schlesischen, betreffen aber im Niederalemannischen und im Mitteldeutschen nur einige Vokale, voran mhd. a, dann ë, e — ö — o und am seltensten i — ü — u 62 . So muß bei der Frage 61
Vgl. §156 e und E.MERTES, Ahd. iu ohne Umlaut im Dialektgebiet des Deutschen R e i c h e s . I n : T e u t h . 6 (1929), S. 1 6 1 — 2 3 4 u n d T e u t h . 7 (1930), S. 4 3 - 1 2 0 268-287.
62
und
Es ist hier nicht möglich, auf diese höchst komplizierten und regional sehr unterschiedlichen Vorgänge näher einzugehen. Dies soll ausführlich in Band 3 dieser Untersuchungen geschehen, so daß diese gedrängten Hinweise genügen mögen. Die Bezeichnungen „nachmhd." oder „nhd." Dehnung sind sinnwidrig und nur von der falschen Einschätzung der mhd. Literatursprache als des Mittelhochdeutschen schlechthin verständlich. Einzeldialektal läßt sich die Dehnung bereits ab der Mitte des 12. Jahrhunderts beobachten, so daß man besser von „mhd." Dehnung sprechen sollte.
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nach der Stellung der aus den mhd. Langvokalen und Diphthongen hervorgegangenen Phoneme in den Vokalsystemen der gegenwärtigen Mundarten auch der Dehnungsvokalismus berücksichtigt werden. Eine weitere Schwierigkeit betrifft das Niederfränkische, das schon in ahd. Zeit einen hochdeutsch-niederdeutschen Mischdialekt darstellt, indem es im Konsonantismus gänzlich auf niederdeutsch unverschobener Stufe verharrt, was zu dem leider heute noch immer weitverbreiteten Irrtum einer Gleichstellung mit dem Niederdeutsch-Sächsischen geführt hat, und im Vokalismus teils hochdeutsch-fränkische und teils niederdeutschsächsische Eigenschaften besitzt. In seinem Vokalstand so gut wie gänzlich zum Hochdeutschen zu rechnen ist das ripuarisch-niederfränkische Übergangsgebiet etwa zwischen der Benrather- und Ürdinger-Linie (machen/ maken — ichjik) einschließlich des ripuarischen Nordoststreifens von Wermelskirchen bis Mülheim/Ruhr (ab Barmen-Elberfeld auch ik), das die deutsche Forschung mit vorrangiger Bewertung des Konsonantismus als Südniederfränkisch bezeichnet hat 6 3 , das aber, ausgehend vom Vokalismus, ebenso richtig Nordripuarisch genannt werden könnte. Was es im Vokalismus mit dem Niederfränkischen im Gegensatz zum Ripuarischen teilt, ist lediglich der i-Umlaut von germ. ai. In diesem Bereich ist auch die Sprache Heinrichs von Veldeke beheimatet, die zuletzt Theodor F R I N G S und Gabriele S C H I E B untersucht haben 6 4 . Wir stellen jenes Gebiet zum Ripuarischen und legen mit den schon oben gemachten Einschränkungen und Vorbehalten das mhd. Vokalsystem zum Vergleich zugrunde. Dagegen muß für das kleine, echt niederfränkische Gebiet am deutschen Niederrhein ab Ν Duisburg den vom Hochdeutschen abweichenden, mit dem Niederdeutschen übereinstimmenden niederfränkischen Besonderheiten unbedingt Rechnung getragen werden. Diese betreffen von Anfang an nur die germ. Reihe ai — au. Während germ, ai dem i-Umlaut unterlag und als ei fortan diphthongisch blieb, unterlag es in allen übrigen Stellungen wie germ, au der Monophthongierung, was die Reihe ê — ô — o ergab 65 . Dadurch unterscheidet sich das Vokalsystem des „Mittelniederfränkischen" von dem des „Mittelhochdeutschen" nur im Bereich der Diphthonge, wo neben der Reihe ie — uo — üe nur noch das Einzelphonem ei vorkommt. 8. Bei der Weiterentwicklung der mhd. Vokalreihen zu den Vokalreihen der gegenwärtigen Mundarten sind die schon in den Abschnitten 2 und 3 behandelten verschiedenen Arten der Lautveränderungen zu beachten, wobei freilich mit der als legitim anerkannten Methode der Rekonstruktion 63
64
65
Vgl. J. GOOSSENS, Die Gliederung des Südniederfränkischen. In : Rheinische Vierteljahrsblätter 30, Bonn 1965, S. 79—94. Einen kurzen Abriß der Sprache Veldekes bieten Th. F R I N G S und G . SCHIEB, Henric van Veldeken: Eneide I. ( = D e u t s c h e Texte des Mittelalters 58), Berlin 1964, S. L X X X I I I f f . Vgl. § 146a.
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gearbeitet werden muß. Wir haben dort einen gesetzlich ausnahmslosen Lautwandel konstatiert, der innersprachlich bedingt ist. Nur bei diesem Lautwandel kann die Frage gestellt werden, ob er sich im Sinne der genetischen Reihenschritte vollzieht. Der Lautersatz entbehrt des organischen Vorgangs. Auch er ordnet sich aber in das phonologische System einer Mundart ein, indem er phonemisiert wird. Solche Veränderungen können wie der gegenwärtig von der nordburgenländischen Jugend durchgeführte Ersatz von AI — AU mit E — O oder der schon früher erfolgte Ersatz von IE — UO mit I — U im alemannischrheinfränkischen Übergangsgebiet Nordbadens durchaus das Aussehen von Reihenschritten haben und auch eine Veränderung der Systemgestalt verursachen, da in diesen Fällen ja die Phoneme AI — AU bzw. IE — UE restlos verloren gehen. Hingegen bleibt die Systemgestalt erhalten, wenn durch den Lautersatz nur eine Veränderung in der Phonembesetzung eintritt. So werden etwa im gegenwärtigen Obersächsischen durch verkehrssprachlichen Einfluß die Phoneme I — 0 für mhd. ê — 6 — o durch die vorhandenen Phoneme E — 5 ersetzt, während dieselben Phoneme I — 0 für mhd. ie — uo — üe von diesem Ersatz nicht betroffen werden. Auch hier handelt es sich um einen Vorgang, der das Aussehen eines Reihenschrittes aufweist. Es ist aber augenscheinlich, daß in solchen Fällen nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht von Reihenschritten gesprochen werden darf. Vielmehr handelt es sich hier, wie ich es nennen möchte, um Reihenersatz. Es muß daher bei in älteren Sprachperioden erfolgten reihenartigen Veränderungen mit Hilfe des historischen Materials, der Reliktwörter, der Ortsund Flurnamen und der Strukturgeographie jeweils entschieden werden, ob Reihenschritt oder Reihenersatz, ob also eine autochthone genetische Entwicklung oder eine soziologisch bedingte Veränderung vorliegt, was nicht immer leicht sein wird. So bietet sich als idealste Lösung dieses Problemkreises die Sprachgeschichte an, die bei richtiger Durchführung die vollkommene Erschließung eines Sprachraumes darstellt. Leider stößt man auch hier wieder auf eine für den einzelnen zunächst undurchführbare Forderung, wenn es um die Darstellung mehrerer Sprachräume geht. Da sich die Sprachgeschichte nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum vollzieht, muß bei der Frage nach Reihenschrittentwicklungen auch die räumliche Gültigkeit untersucht werden, die in der PFALZschen Formulierung des Reihenschrittgesetzes nicht berücksichtigt ist. Wir glauben nach wie vor an der Beobachtung der Dialektgeographie festhalten zu können, daß Sprachgemeinschaften Kultur- und Verkehrsgemeinschaften sind. Wenn Otto H Ö F L E E im Rahmen seiner Entfaltungstheorie außerdem auf sprachliche Entwicklungen durch Prädisposition einzelner Volksgruppen als relative psychophysische Einheiten, geformt durch die gleichen Lebensanforderungen oder übereinstimmende überindividuelle Lebens-
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haltungen, aufmerksam gemacht hat 6 6 , so t u t sich hier durchaus kein Gegensatz auf, da ja sprachliche Entwicklungen in jedem Fall an die Gemeinschaft der Sprachträger gebunden sind. Vielmehr gewährt die Entfaltungstheorie eine Erklärungsmöglichkeit für autochthone Lautentwicklungen nach dem Reihenschrittgesetz. Die Bindung autochthoner Lautentwicklungen an die Sprachgemeinschaft umschließt gleichzeitig die räumliche Gültigkeit der Lautgesetze. Unsere Untersuchungen werden immer wieder zeigen, daß dies auch für das Reihenschrittgesetz zutrifft, indem bei einer als Reihenschritt erfolgten Entwicklung Kongruenz in der räumlichen Lagerung der als Glieder einer Reihe einander entsprechenden Lautungen besteht. Man darf dies freilich nicht immer so auffassen, daß an einer bestimmten Linie die betreffenden Lautwerte in sämtlichen in Betracht kommenden Beispielen schlagartig ein Ende finden müssen. Dies ist bei genauer Einzelbetrachtung von vollgültigen Lautgrenzen zwar für die Mehrzahl der Beispiele oft genug der Fall, doch verursacht der wechselseitige Verkehr der Bewohner von Grenzorten in häufig gebrauchten Einzelwörtern auch die Übernahme von Lautwerten der Nachbarmundart, wobei dann die verschiedenen, oben dargestellten Möglichkeiten des Lautersatzes maßgeblich werden. Solche Grenzabweichungen einzelner Beispiele in der räumlichen Gültigkeit der einen bzw. anderen Lautung erstrecken sich im allgemeinen nur über einen äußerst schmalen Saum, der in der Breitendimension durchschnittlich 1—2 und im seltenen Höchstfall bis 5 Ortschaften umfaßt; nur im Falle der Lautverschiebung an der hd./nd. Sprachscheide sind diese Abweichungen wegen der Übernahme der verschobenen Formen aus der Hochsprache größer und deshalb auch anders zu beurteilen 67 . Sie beeinträchtigen die allgemeine Gültigkeit des Reihenschrittgesetzes im Raum nicht und erlauben zur PrAizschen Formulierung den Zu66
Vgl. HÖFLER Stammbaumtheorie a. a. 0 . ; ders., Über die Vorbestimmtheit sprachlicher Entwicklungen. In: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der österr. Akademie d. W. 1958, Wien 1958, S. 111 — 127. Über Prädisposition zu Artikulationsveränderungen durch überindividuelle Habitusveränderungen vgl. auch HÖFLER, Über „gekoppelte" Lautgesetze a. a. O., S. 4ff., und zu morphologischen Entsprechungen zusammengehöriger Gestaltphänomene, was HÖFLER „Symmorphie" nennt, seine erkenntnistheoretische Abhandlung Über morphologische Evidenz und den Erkenntnis-Typus „Totum ex parte". In: Gestalt und Wirklichkeit — Festschrift für Ferdinand
67
Weinhandl,
h g . R . MÜHLHER u n d J . FISCHL, B e r l i n 1 9 6 7 , S . 1 7 3
bis 200. Ich habe in diesem Zusammenhang mit Hilfe der 22 in Frage kommenden Beispiele des DSA für mhd. î — û — ü den genauen Grenzverlauf der südlichen rheinfränkisch-alemannischen Monophthong-/Diphthonggrenze von Lothringen bis Vorarlberg untersucht und dabei nach Abzug aller gesetzmäßig faßbaren, lautkombinatorisch bedingten Diphthongierungen im Monophthonggebiet bzw. erhaltenen Monophthongen im Diphthongierungsgebiet auf dieser rund 500 km langen Strecke nur 12 Grenzorte gefunden, die in den betreffenden Beispielen ein regelloses Schwanken zwischen Monophthongen und Diphthongen zeigen. Wie gerade Verkehrswörter solche Grenzen durchbrechen, zeigt im Bodenseeraum das im Schwäbischen für ,Pferd' geltende ,Gaul' (mhd. gûl), das als Verkehrswort statt mund-
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satz, daß sich der gleichartige Lautwandel nicht nur zur gleichen Zeit, sondern auch im gleichen Raum vollzieht. Wenn Ferdinand W E E D E und die Dialektgeographie gerade das Phänomen der lautlichen Abweichungen im Grenzgebiet zum Anlaß der Verwerfung jeglicher lautgesetzlicher Entwicklungen genommen haben, so war dies nur möglich, weil sie noch nicht zwischen Lautwandel und Lautersatz zu scheiden wußten. Lautersatz erfolgt aber erst nach abgeschlossenem Lautwandel und ist nicht an das Gesetz der Einheit von Raum und Zeit gebunden 68 . In diesem Zusammenhang muß auch noch ein Wort zum sprachgeschichtlichen Problem von Ausbreitung und Entfaltung als Möglichkeiten lautlicher Veränderungen im Raum gesagt werden. Die Forschung erkennt heute immer mehr, daß es sich hierbei nicht um einen Gegensatz handelt, wie es in der wissenschaftlichen Diskussion zunächst den Anschein hatte. Beide Deutungen — und Otto H Ö F L E R hat dies von Anfang an selbst betont! 6 9 — müssen vielmehr verbunden werden, um gültige Lösungen herbeizuführen. Die ältere dialektgeographische Forschung ( W R E D E , F R I N G S , M I T Z K A , W A G N E R , B A C H U. a.), der heute in mehrfacher Hinsicht bereits historischer Wert zukommt, hat in der Lautlehre als Reaktion auf die junggrammatische Auffassung vom ausnahmslosen Lautwandel zweifellos das Moment der „Willkür", der bewußten Entscheidung zur Übernahme fremder Lautungen, überschätzt und der Möglichkeit der Ausbreitung eine großflächige Wirksamkeit zugeschrieben, die sie in älterer Zeit nicht besessen hat. So deutete sie das Phänomen des i-Umlautes von germ, a als eine von England ausgehende Ausbreitung über die ganze Germania 70 , oder beurteilte im Hochdeutschen trotz räumlicher Unterschiede die Diphthongierung von mhd. î — û — u als eine riesige Auswellung vom bairischen Südosten bis zum moselfränkischen und hessischen Nordwesten und bis zum schlesischen und hochpreußischen Nordosten 7 1 oder ließ die Dehnung kurzer Vokale in offener Silbe trotz mannigfaltiger Abweichungen vom Niederfränkischen aus nahezu den gesamten deutschen Raum erobern 72 . Solche großräumigen Erscheinungen wie die steigende Diphthongierung von altem î — û — u, die ja auch in Teilen des Niederdeutschen und im Niederländischen und Englischen begegnet, oder die Dehnung in offener Silbe werden zwar jeweils von denselben Triebkräften ausgelöst, doch treten
68
69 70
artlichem ,Roß' mit dem schwäbischen Diphthong OU bis in die Nordostschweiz südlich des Bodensees vorgedrungen ist (vgl. u. a. 36. ENDERLIN, S. 42). Derartige Feststellungen macht bereits V. SCHIBMUNSKI, Probleme der vergleichenden Grammatik der deutschen Mundarten. In: P B B 79, Sonderband (Halle 1957), S. 3 5 1 - 3 8 7 . Vgl. HÖFLEB, Stammbaumtheorie a. a. O., P B B 77, S. 43ff. Vgl. LUICK a. a. O., S. 186, von W . MITZKA heute noch als einzig richtige Deutung betrachtet (vgl. PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik a. a. O., § 41).
Ί V g l . WAGNEB a. a. O., S. 3 5 f f . 72
Vgl. 0 . BEHAGHEL, Geschichte der deutschen Sprache. ( = Grundriß der germanischen Philologie 3), 5. Auflage, Berlin 1928, S. 277.
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diese in den einzelnen Dialekträumen zu verschiedenen Zeiten auf und bringen weitgehend zwar äußerlich übereinstimmende Ergebnisse, doch mit unterschiedlicher Funktion hervor. In solchen innersprachlichen Triebkräften äußert sich aber nichts anderes, als was der Begriff Entfaltung meint. Dies wird um so deutlicher, wenn die gleichen Entwicklungen unabhängig voneinander an mehreren Stellen des Sprachraumes auftreten und voneinander getrennt bleiben, was seit Primus L E S S I A K sinnvoll als Polygenese bezeichnet wird 7 3 . So handelt es sich ζ. B. bei der an fünf Stellen (Moselfränkisch, Hessisch, Reußisch-Obersächsisch, Nordbairisch, Teile des Schönhengstgaues) auftretenden Erscheinung der steigenden Diphthongierung der zu / — U — U monophthongierten fallenden mhd. Diphthonge ie — uo — üe zu EI — OU — ÖÜ oder der im Altland in Teilen des Alemannischen, Bairischen, Hessischen, Moselfränkischen und Thüringischen begegnenden Palatalisierung von mhd. û zu U oder bei Diphthongierung zu DU, OiU um polygenetische Entwicklungen aus denselben innersprachlichen Triebkräften. Diesbezügliche, wellentheoretisch orientierte Erklärungsversuche mit Hilfe eines äußeren Kausalkonnexes durch Sprachbewegungen, sei es auf Grund des Verkehrs oder der Umsiedlung von Bevölkerungsteilen, müssen als gänzlich unhaltbar zurückgewiesen werden 7 4 . Die Erkenntnis von innersprachlich bedingten Lautentwicklungen schmälert jedoch keineswegs die Bedeutung der Ausbreitung und des Lautersatzes als weitere Möglichkeiten lautlicher Veränderung, die sich in unzähligen Fällen nachweisen lassen, nur daß sich ihre Wirksamkeit als wesentlich kleinräumiger als bisher angenommen erweist. Ein besonderes sprachgeschichtliches Problem weisen bezüglich der Reihenschritte die Siedelmundarten auf, die ja als neue Dialekte durch sprachliche Mischung der verschiedensten Elemente hervorgegangen sind. Hatte die dialektgeographische Forschung noch geglaubt, in allen gegenwärtigen Lauterscheinungen unverändertes, mitgebrachtes Sprachgut der Ausgangslandschaft zu erkennen und auf Grund von Übereinstimmungen zwischen Mundarten des Siedellandes und solchen des Altlandes die Herkunft der Siedler ermitteln zu können, so weiß man heute, daß sich die sprachliche Mischung im Siedelland sehr rasch vollzog und dann neue, eigenständige Entwicklungen einsetzten, wobei im Sinne der Entfaltungstheorie Prädispositionen durchaus zu gleichen Ergebnissen wie in der Heimat führen konnten. Da die von den einzelnen Siedelgruppen mitgebrachten phonologischen Systeme dem Reihenprinzip unterlagen, hat auch die Mischung zu derartig gestalteten neuen Systemen geführt, die allerdings im Vergleich zu den oft komplizierten Gebilden der Heimat73
74
P. LESSIAK, Beiträge zur Geschichte des deutschen Konsonantismus. ( = Schriften der phil. Fakultät der dt. Universität Prag 14), Wien 1933, S. 7f. Solche typisch wellentheoretisch-dialektgeographische Erklärungen haben erst vor kurzem 3 7 9 . B R U C H , S. 158f., f ü r die steigenden Diphthonge, und 451. R O S E N KRANZ, S . 2 3 1 , f ü r d i e P a l a t a l i s i e r u n g
versucht.
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bereiche durch den Zusammenfall nahverwandter Phoneme eine sehr starke Reduzierung auf den Minimalbestand von Reihen erfuhren. Weiterentwicklungen konnten sich deshalb wieder als Reihenschritte vollziehen, wozu etwa das Neiderländisch-Schlesische das beste Beispiel liefert, das die neuentstandenen Grundlagen landschaftsweise bewahrte oder durch Reihenschritte in Gestalt der Monophthongierung von Diphthongen und der Diphthongierung von Monophthongen weiterentwickelte. Solche Beobachtungen erlauben daher auch für die Siedeldialekte die Anwendung des Reihenschrittgesetzes. Nur muß man sich dabei klar sein, daß eine von den mhd. Reihen ausgehende Entwicklungskontinuität, wie sie im Altlande weitgehendst vorauszusetzen ist, wegen der zur Zeit der Besiedlung so verschiedenartig weiterentwickelten Ausgangsdialekte im einzelnen nicht vorzuliegen braucht. Alle in diesem Kapitel erörterten Probleme münden immer wieder in die Sprachgeschichte als das einzige eindeutig klärende Hilfsmittel in der Entscheidung der Frage nach autochthonem Lautwandel oder unorganischem Lautersatz. Obwohl diese Ideallösung derzeit nicht erreicht werden kann, bietet sich ein methodischer Ausweg an, wenn man als eines der Ziele einer Untersuchung der Vokalentwicklung der Lösung der Frage zustrebt, ob sich Lautwandlungen als gesetzmäßig faßbare, gerichtete Entwicklungen vollziehen. Wir haben gehört, daß der Lautersatz zwar bestimmte Veränderungen im System auslöst, selbst aber kein lautschöpferischer Vorgang ist. Ehe er einsetzt, muß der zum Vorbild gewordene Laut einmal autochthon entstanden sein. Welche Entwicklungen im Hochdeutschen überhaupt möglich sind, erbringt die Untersuchung des gesamten Sprachraums. Mit Hilfe des phonologischen Reihenprinzips können an Hand des Lautstandes der gegenwärtigen Mundarten in Verbindung mit dem des Mittelhochdeutschen durch Synchronie und Diachronie sämtliche Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Dadurch ist es möglich, in indirekter Weise positive Ergebnisse zu erzielen, ohne dabei in jedem einzelnen Fall implizieren zu wollen, daß sich im betreffenden Gebiet die mhd. Lautwerte in autochthonlautgesetzlicher Weise zu den heutigen Lautwerten entwickelt haben. Letzteres möchte ich mit Nachdruck betonen, da in der Einzeldarstellung der Lautentwicklung diesen Fragen ja leider nicht nachgegangen werden kann und deshalb beim Leser der falsche Eindruck aufkommen könnte, daß der gegenwärtig verbreitete Lautstand überall autochthon entstandener Lautwandel sei. 9. Aus der breiten Materialfülle wollen wir für das Deutsche versuchen, Regeln und Gesetzmäßigkeiten der Reihenschrittentwicklungen abzuleiten, die phonetische und phonologische Stellung der Phoneme im System aus der Sicht des Reihenprinzips zu beurteilen und Rückschlüsse auf die Werdegänge der Entwicklungen zu gewinnen.
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Zu einer Reihe im Sinne von PFALZ gehören mindestens zwei Glieder. Ihre Maximalfüllung ist jedoch schon mit drei Gliedern erreicht. Bei Zweigliedrigkeit steht dem palatal ungerundeten ein velar gerundeter Vokal gegenüber, wobei bei Dreigliedrigkeit noch ein palatal gerundeter Vokal hinzukommt, die jeweils den Grad der Zungenhebung (die P F A L Z s c h e „Höhe") und die Spannung gemeinsam haben müssen. So ist eine Reihe bei gleichem Grad der Zungenhebung durch den Gegensatz ihrer Richtung palatal — velar gekennzeichnet. Als weiteres Merkmal tritt das Verhalten der Lippen hinzu. Im Falle der Dreigliedrigkeit sind die palatalen Glieder durch den Gegensatz der Lippenstellung ungerundet — gerundet unterschieden und somit das palatal gerundete Glied nur eine Variante bei gleicher Zungenstellung. Aus phonetischer Sicht ist daher die zweigliedrige Reihe mit dem palatal ungerundeten und dem velar gerundeten Glied als Normalreihe anzusehen, weil das palatal ungerundete Glied als Grundvokal den Primat vor dem palatal gerundeten Glied besitzt. Die Zahl der Glieder einer Reihe ist historisch vorgegeben und betrifft das gesamte System, worauf wir noch zu sprechen kommen werden. Die palatal gerundeten Vokale sind im Deutschen das Ergebnis der Umlautung der velaren Vokale, so daß ein Bezugsverhältnis zwischen beiden nach der Herkunft besteht. Es empfiehlt sich deshalb bei der Betrachtung der Entwicklung, den Umlaut wegen seiner Herkunft stets mit dem velaren Wert in Zusammenhang zu bringen. Das ist sowohl bei erhaltener Umlautrundung als auch bei Umlautentrundung notwendig, weil diese Beziehung immer aufrechterhalten bleibt. Da die zweigliedrige Reihe aus phonetischer Sicht als Normalreihe zu gelten hat, räumen wir ihr den Vorrang ein und bezeichnen fortan das palatal ungerundete Glied als das 1. Glied und das velar gerundete Glied als das 2. Glied. Mit der Einordnung des gerundeten Umlauts als 3. Glied glauben wir einerseits das Bezugsverhältnis zum velaren Glied wahren zu können und andererseits unabhängig von der Entwicklung des Umlauts die beiden anderen Glieder durchwegs in der gleichen unmißverständlichen Art als 1. und 2. Glied bezeichnen zu können. Freilich bin ich mir dabei bewußt, daß diese Anordnung phonetischen Gegebenheiten widerspricht. Hier ist auch darauf aufmerksam zu machen, daß ein palatal gerundeter und ein velar gerundeter Vokal, z. B. Ö — 0, von den Mundartsprechern nicht als Vollreihe empfunden werden, obwohl sie phonetisch eine gleichsinnige Reihe bilden. Erst das Hinzukommen eines palatal ungerundeten Gliedes, in diesem Fall E, schafft eine vollständige Reihe. Wir nennen nun in Anlehnung an Otto HÖFLES.75 eine Reihe, die die obigen Anforderungen erfüllt, bei der also dem palatalen Vokal ein velarer Vokal gleicher Zungenhebung und Spannung entspricht, eine g e k o p p e l t e 75
HÖFLER, Stammbaumtheorie a. a. O., PBB 77, S. 440, und ders., Über „gekoppelte" Lautgesetze a. a. O.
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R e i h e , weil ihre Glieder durch die gleiche Zungenhebung und Spannung, das gemeinsame physiologische Moment, zur Reihe gekoppelt sind. Nach dieser Definition können nur Hochzungenvokale I — U — Ü jeden Öffnungsgrades und Mittelzungenvokale E — O — ö jeden öffnungsgrades gekoppelte Reihen bilden, weil einzig und allein sie diese phonetischen Anforderungen erfüllen. Wie verhält sich nun der Tiefzungenvokal A zur Reihenbildung ? Nach dem Vokaldreieck nimmt das neutrale A die Spitzenstellung ein, so daß es ein isolierter Laut ist. Es ist daher nicht möglich, es mit einem anderen Laut in ein Reihenverhältnis zu bringen, weil die phonetischen Voraussetzungen für eine Reihe nicht gegeben sind. Nun gibt es aber bekanntlich verschiedene Arten von A-Lauten, die entweder hellen, nach der palatalen Seite geneigten, E-artigen und dunklen, nach der velaren Seite geneigten O-artigen Klang aufweisen. Nach der phonetischen Beschaffenheit können, wenn in einer Mundart zwei lautlich nahestehende A-Phoneme vorhanden sind, diese theoretisch als helles a und als dunkles q, eine zweigliedrige Reihe bilden, d a in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Reihe erfüllt scheinen. Wir beobachteten diese Erscheinung im Hochdeutschen nur äußerst selten und dann mehr als vorübergehende Durchgangserscheinung denn als dauerhafte festgefügte Bindung. So wird etwa in den höchstalemannischen Mundarten des Kantons Uri mhd. â zu q bis à verdumpft, gleichzeitig aber mhd. ae anstatt als ä bewahrt zu bleiben, zu hellem ä geöffnet, so daß durch die entgegengesetzte Entwicklungsrichtung der Möglichkeit der Reihenbildung ausgewichen wird. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch im niederalemannischen Elsaß, wo mhd. se + Dehnungs-ë + Dehnungs-a als helles ä bis neutrales ä, aber mhd. Dehnungs-ä wesentlich stärker verdumpft als überoffenes à bis sehr offenes ρ auftritt, so daß ebenfalls die Reihenbildung umgangen wird. Diese Labilität und das aufschlußreiche psychologische Fehlen einer Reihenempfindung bei den Sprechern — in beiden Gebieten werden diese Laute als Ä und E bzw. als Ä und 0 aufgefaßt — lassen die Möglichkeit einer aus hellem und aus dunklem A bestehenden Tiefzungenvokalreihe bezweifeln. Anders beurteilt T r u b e t z k o y vom strukturalistischen Standpunkt aus dieses Problem, der die Vokalsysteme selbstverständlich nicht von rein phonetischen Gesichtspunkten ausgehend, sondern nach den Gesetzen der phonologisch relevanten Eigenschaften aufgebaut h a t 7 6 . Das Vokaldreieck wird von ihm nur dann akzeptiert, wenn das Phoneminventar einer Mundart aus gekoppelten Reihen i — u und e — o mit dem Gegensatz palatalungerundet — velar-gerundet besteht, zu denen das velar neutrale a bezüglich der Lippenstellung in keinem Oppositionsverhältnis steht, so daß das ganze System Dreieckgestalt aufweist. Tritt nun zu diesen Phonemen ein überoffenes palatales ä- oder ein überoffenes velares ά-Phonem hinzu, 76
Zum folgenden vgl. Tbubetzkoy a. a. O., S. 87ff.
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so glaubt T B U B E T Z K O Y aus logischen Überlegungen die Reihe ä — a bzw. die Reihe a — à mit maximaler Öffnung aufstellen zu müssen, die das Dreiecksystem in ein Vierecksystem umformt. Da bei den Phonemen ä und a die Lippenstellung keine Rolle spielt, hebt T B U B E T Z K O Y diesen Gegensatz auch bei den Reihen i — u und e — o auf und erklärt für das ganze System nur den Gegensatz der Zungenhebung palatal — velar für maßgeblich. Umgekehrt wird beim Vorhandensein der Phoneme a und à, die durch den Gegensatz der Lippenstellung ungerundet — gerundet gekennzeichnet sind, dieser ebenfalls auf das ganze System ausgedehnt und der Gegensatz palatal — velar für die Reihen i — u und e — o fallengelassen. Damit wird der Bereich der Tiefzungenvokale von T B U B E T Z K O Y zur grundlegenden Bewertung aller übrigen Phoneme herangezogen, worin ihm, soviel ich sehe, bis jetzt alle Strukturalisten gefolgt sind. Diesen Konstruktionen T B U B E T Z K O Y S kann ich mich nicht anschließen, da sie die phonetischen Gegebenheiten, die die Grundlage für phonologische Bewertungen bilden müssen, aufgeben bzw. vergewaltigen. Vom phonetischen Standpunkt besteht keinerlei Veranlassung, ö und a und α und à auf eine Stufe zu stellen und auf diese Weise eine zweigliedrige Reihe implizieren zu wollen. Das halte ich auch dann nicht für richtig, wenn man sich auf das Vokaltrapez von Daniel J O N E S beruft, das für das Deutsche problematisch ist 7 7 und helles, nach der palatalen Seite geneigtes a und neutrales a quasi als Reihe auf eine Stufe stellt. Vielmehr muß aus phonetischen Gründen stets an der Dreieckgestalt der Systeme auch im Palle des Vorhandenseins von ä und a bzw. a und â festgehalten werden, wobei in dem einen Fall das Phonem à und im anderen das Phonem ä zur Bildung einer gekoppelten Reihe ä — â fehlt, so daß ä und a bzw. a und à jeweils isolierte Phoneme auf verschiedenen Stufen darstellen und das System eine Lücke aufweist 78 . Dies beweist uns in der historischen Entwicklung des Hochdeutschen auch das Verhalten von mhd. se und mhd. â, die eine derartige Reihe â — ä verkörpern würden, nirgends aber eine Reihenschrittentwicklung vollzogen haben. Wenn heute mehrfach mhd. œ und mhd. â als offenes oder geschlossenes Ε — O eine gekoppelte Reihe bilden, so wurde dies erst durch die Verdumpfung von Ä zu Ö ermöglicht, die mhd. â auf die Ebene von mhd. ae
77
78
Vgl. DIETH a. a. O., S. 208, der die Vokalanordnung für das Deutsche ebenfalle nach dem Vokaldreieck vollzieht, und meine Ausführungen: Das phonetische Transkriptionssystem der Association Phonétique Internationale (API) aus der Sicht der deutschen Dialektologie. In: ZfMaf. 31 (1964), S. 42—49. Es ist mir völlig bewußt, daß derartige Überlegungen aus der Sicht der phonologisch relevanten Eigenschaften problematisch sind. Wenn aber die Phonologie nicht zum logischen Spiel werden soll, was leider praktisch allzu oft geschieht, sondern insbesondere als diachrone Phonologie der Sprachgeschichte dienen soll, dann muß auch nach der hierfür nötigen Verbindung gesucht und müssen mehr als nur relevante Eigenschaften berücksichtigt werden. Wir werden weiter unten noch einmal auf ein solches Problem stoßen.
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hob und so die Fähigkeit zur phonetischen und damit auch zur phonologischen Reihenbildung einräumte 7 8 4 . Da dem Deutschen auch Diphthonge eigen sind, muß die Frage gestellt werden, welche Diphthonge eine Reihe bilden können. Unter Diphthongen versteht man phonetisch „eine Folge von zwei Vokalen, die derselben Silbe angehören und wovon der eine führt und der andere begleitet" 79 . Ihre Klassifizierung geschieht nach physiologisch-akustischen und akzentuellen Kriterien. Die Feststellung der führenden und der begleitenden Komponente erfolgt durch den dynamischen Akzent, wonach es Diphthonge mit dem Atemdruck auf der ersten und Diphthonge mit dem Atemdruck auf der zweiten Komponente gibt. I m Deutschen stellen die Diphthonge mit dem Atemdruck auf der ersten Komponente den Normalfall dar. Sie werden nach physiologisch-akustischen Kriterien in steigende oder schließende und fallende oder öffnende Diphthonge eingeteilt 80 . Bei den steigenden oder schließenden Diphthongen steigen Artikulationsbewegung und Eigenton von den tiefer gebildeten ersten zu den höher gebildeten zweiten Komponenten und schließt sich entsprechend der Öffnungsgrad des Munddurchganges. Damit ist meistens auch der musikalische Akzent als steigende Tonbewegung verbunden. Sollen solche Diphthonge im obigen Sinn eine Reihe bilden, dann müssen sowohl ihre ersten als auch ihre zweiten Komponenten zur Reihenbildung fähig sein, was nur bei Hochzungenvokalen I — U — Ü und Mittelzungenvokalen E — 0 —Ö der Fall ist. Als Normaltypus einer phonetisch gekoppelten steigenden Diphthongreihe kommt daher nur die Reihe EI — OU — ÖÜ jeden Öffnungsgrades in Betracht, zu der auch die Reihe {i — y¡u — %ü zu rechnen ist, die entwicklungsgeschichtlich einen phonetischen Durchgangswert darstellt und phonologisch stellvertretend für geschlossenes ei — ou — öü auftritt 8 1 . Durch die allen Gliedern gemeinsame A - Komponente erfüllen die Diphthonge AI — AU — AÜ nicht die obigen Anforderungen und bilden daher keine phonetisch gekoppelte Diphthongreihe; wir werden auf sie noch zu sprechen kommen 8 2 . Fallende oder öffnende Diphthonge sind dadurch gekennzeichnet, daß Artikulationsbewegung und Eigenton von den höher gebildeten ersten zu den tiefer gebildeten zweiten Komponenten fallen, und sich entsprechend der Öffnungsgrad des Munddurchganges öffnet. Meistens schließt sich auch 78a 7
80
81 82
3
Vgl. auch § 5 4 a und § 78b.
» V g l . DIETH a. a. O., S. 3 9 6 .
Schon A. SCHMITT, Akzent und Diphthongierung, Heidelberg 1931, S. 72ff., hat die in der Phonetik übliche Klassifizierung der Diphthonge auf Grund der Verbindung von Druckakzent und Schallfülle für die Beurteilung der Entwicklung von Diphthongen aus Monophthongen als unbrauchbar bezeichnet und eine Einteilung in schließende und öffnende Diphthonge vorgezogen. Vgl. Abschnitt 12 und § Ib. Vgl. Abschnitt 13 und § 131 d. Wiesinger Band I
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M
der musikalische Akzent als fallende Tonbewegung an. Auch hier müssen bei der Fähigkeit zur Reihenbildung die ersten Komponenten Hoch- oder Mittelzungenvokale sein. Ihre zweiten Komponenten erfordern theoretisch eine den ersten Komponenten angenäherte Qualität als Ε — O — Ö, die den mhd. Diphthongen ie — uo — üe wohl eigen war und unter besonderen Akzentverhältnissen teilweise noch im Höchstalemannischen fortbesteht. Fast durchweg erfolgt aber ein gleichmäßiges Abgleiten in den indifferenten zentralen Vokalbereich zu a oder » mit E- oder artigem Klang, so daß eine differenzierte Ausformung der zweiten Komponenten zur phonetisch gekoppelten Reihe nicht unbedingt erforderlich zu sein scheint. Nur selten begegnen im Deutschen Diphthonge mit dem Druckakzent auf der zweiten Komponente als eine besondere Ausformung fallender Diphthonge. Sie unterliegen daher bezüglich der Reihenbildung denselben Voraussetzungen wie jene, unterscheiden sich aber naturgemäß von jenen, indem ihre akzentuierten zweiten Komponenten Mittelzungenvokale E — 0 —ö sind. Schließlich gibt es noch selten eine dritte Gruppe von Diphthongen, die den Druckakzent entweder auf der ersten oder auf der zweiten Komponente tragen können und die wegen ihrer Zusammensetzung aus Vokalen ein und desselben Bereiches als ebene Diphthonge bezeichnet werden. Es sind dies die aus Hoch- bzw. Mittelzungenvokalen bestehenden Diphthonge IU, IÚ und EO, EÓ sowie UI, die aber keinerlei Möglichkeit zur Reihenbildung besitzen. Dagegen stellt der Diphthong oe bzw. çe nur eine durch nachlassenden steigenden Akzent entstehende phonetische Variante des steigenden, in phonetischer Hinsicht ebenfalls nicht reihenbindungsfähigen Diphthonges O l dar. Nach diesen Bestimmungen sind die Möglichkeiten gekoppelter Reihen gering. Insgesamt lassen sich sechs Grundtypen mit zwei Typen von Monophthongreihen und vier Typen von Diphthongreihen jeden Öffnungsgrades feststellen. I - U - Ü E - O - Ö
IE -UE E A - OA EI - OU -
ÜE ÖA ÖÜ
IÉ — UÓ — UÔ
Am Rande sei bemerkt, daß es im Deutschen teilweise auch Triphthonge gibt, die genetisch entweder auf Vokalisierungen von Sonorkonsonanten bzw. die Bildung von Gleitlauten vor bestimmten Konsonanten jeweils nach Diphthongen oder auf akzentuelle Weiterentwicklungen von Diphthongen zurückgehen. Während erstere meistens nur von kurzem Bestand sind und zu neuen Diphthongen kontrahiert werden, so daß sie uns nicht zu beschäftigen brauchen, stellen letztere nur phonetische Varianten der steigenden, fallenden und ebenen Diphthonge dar, z. B. ¡is — — q,iid von id — ño — Ü9 oder eia — oua — öü9 von ea — öa — oa, so daß sie keine besondere Darstellung erfordern.
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10. Die gekoppelten Reihen bilden die Voraussetzung für gleichsinnige Entwicklungen nach dem Reihenschrittgesetz. Bei der Einwirkung derselben verändernden Kräfte auf alle Glieder einer gekoppelten Reihe wird diese zu einer neuen gekoppelten Reihe gewandelt, wobei diese durch die bei allen Gliedern in derselben Richtung erfolgten Veränderung in einem direkten Bezugsverhältnis zur ursprünglichen Reihe steht. Wir nennen diese gleichsinnige, parallele Entwicklung einer gekoppelten Reihe nach H Ö F L E R eine gekoppelte Entwicklung 83 . Die sich einstellenden gekoppelten Entwicklungsergebnisse können deshalb nur wieder im Spielraum der obgenannten sechs Grundtypen liegen, wofür sich unzählige Beispiele aus den deutschen Mundarten beibringen lassen. So können als direkte Entwicklungen die langen Monophthonge / — XJ — Ü zu E — Ö — δ gesenkt, zu IE — UE_— ÜE fallend und zu EI -Ol7 — ÖÜ steigend diphthongiert 84 ; E — Ö — (5 zu I—l7 - Ü gehoben, zu E A — OA — ÖA oder IÉ — UÓ — ÜÖ fallend und zu EI — OU — ÖÜ steigend diphthongiert; und die Diphthonge EI — OU — ÖÜ bei Senkung der zweiten Komponenten zu E — 0 — ö und bei Hebung der ersten Komponenten zu I — U — Ü monophthongiert ; IE — UE — ÜE zu I — Ü — Ü monophthongiert, zu E A — OA — ÖA gesenkt und durch Akzentumsprung zu iE —UÓ— ÜÖ umgestaltet; E A — OA — ÖA zu E — Ö — ö monophthongiert oder zu IE — UE — ÜE gehoben 85 ; und endlich iE — UÓ — ÜÖ zu E — 0 — ö monophthongiert oder durch Akzentumsprung zu IE — UE — ÜE umgebildet werden, wie dies größtenteils bereits P F A L Z beobachtet hat. Als Triebkräfte dieser Wandlungen, die sich im Sinne des Reihenschrittgesetzes als ausnahmslose Lautgesetze vollziehen, glaube ich bei Monophthongierungen und Diphthongierungen Akzentveränderungen verantwortlich machen zu können, während bei Hebungen und Senkungen physiologische Veränderungen ohne Akzentbeteiligung wirksam sind. Vergleicht man die mhd. Lang vokal- und Diphthongreihen mit ihren Entwicklungsergebnissen in den gegenwärtigen Mundarten, so zeigt sich, daß neben den in diachroner Sicht als Entwicklungen ersten Grades zu beurteilenden obgenannten Möglichkeiten auch Entwicklungen zweiten und dritten, gelegentlich auch vierten Grades vorliegen, indem bis zum gegenwärtigen Lautstand zwei, drei oder vier Reihenschritte erforderlich waren. So sind z. B. die ostfränkisch-coburgischen Diphthonge IE —UE — ÜE für mhd. ê — ô — o Entwicklungsergebnisse zweiten Grades, da sie über die Monophthonge I — Ü — Ü entstanden sind. Die mittelbairisch83 84
85
3·
HÖFLER, Stammbaumtheorie a. a. O., P B B 77, S. 440. Eine Diphthongierung zu IÉ — UÓ — ÜÓ kann ich nicht nachweisen. Ob derartige Aussprachen für mnd. Dehnungs-I — ü — ü in Teilen des Westfälischen primär sind, muß zunächst offen bleiben. Eine theoretisch mögliche Umwandlung von EA — OA — ÖA zu IÉ — UÓ — Ό Ó kann ich nicht belegen.
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wienerischen Monophthonge E — Ö für mhd. î — û — û erweisen sich dagegen als Entwicklungen dritten Grades, da sie aus der Reihe AI — AU hervorgegangen sind, die wieder EI — OU zur Grundlage hatte. Mit den gleichsinnigen, gekoppelten Entwicklungen nach dem Reihenschrittgesetz erschöpfen sich aber keineswegs die Entwicklungsmöglichkeiten der mhd. Vokale. Bevor aber diese spezifischen, anderen Gesetzen unterworfenen Lautentwicklungen zur Sprache kommen, wenden wir uns der phonologischen Seite der gekoppelten Reihen zu. 11. Wenn der Phonologe die auf Grund der Oppositionen gewonnenen Phoneme einer Mundart in einem System zur Darstellung bringt, vollzieht er bildlich und methodisch das nach, was dem Mundartsprecher bereits unbewußt als „Gefühl" für die Unterscheidungskraft einzelner Laute innewohnt 8 6 . Die einzelne Lautreihe wird bekanntlich erst zu einer festen phonologischen Realität, wenn sie in einem bedeutungsunterscheidenden Verhältnis zu einer anderen Reihe steht. Der Sprache wohnt eine K r a f t inne, die die Reihenentwicklung nicht willkürlich vor sich gehen läßt, sondern sie stets im Rahmen des Systems, der Summe der bedeutungsunterscheidenden Laute, der Phoneme, regelt. Die Art und Anzahl der Reihen im System einer Mundart ist von zwei Faktoren abhängig. Zunächst bestimmen die phonetisch-physiologischen Voraussetzungen die Qualität der Laute. Welche dieser Möglichkeiten aber zur Realisierung gelangen, wird durch die geschichtliche Herkunft geregelt. Für die Gestalt des Systems ist entscheidend, ob es sich aus dreigliedrigen Reihen mit oder zweigliedrigen Reihen ohne palatal gerundete Vokale zusammensetzt. In diachroner Sicht hängt dies vom Verhalten der mhd. Umlaute ab, die entweder ihre Rundung bewahrt oder aufgegeben haben. Im größten Teil des Hochdeutschen ist die Entrundung der Umlaute, der Wandel der palatal gerundeten zu den palatal ungerundeten Vokalen, durchgeführt worden. Bei der Entsprechung des ersten und dritten Gliedes einer ursprünglich dreigliedrig gekoppelten Reihe verursachte daher die Entrundung den Zusammenfall dieser beiden Glieder. Es gibt im Hochdeutschen nur insgesamt sieben Gebiete, die die gerundeten Umlaute bewahrt haben, während der übrige Raum Umlautentrundung aufweist. So finden sich, von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, synchron und diachron in der einen Ordnung nur dreigliedrige, in der anderen nur zweigliedrige Reihen. Freilich konnten durch Lautwandlungen anderer Art synchron wieder palatal gerundete Vokale entstehen, wie z. B. im Mittelbairischen durch die 1-Vokalisierung, doch besitzen diese Phoneme keinerlei Umlautfunktion. 86
Zu Fragen eines „Phonemgefühls" bei den Sprechern vgl. Verf., Die Beurteilung mundartlicher Aussprachen durch Mundartsprecher im Deutschen. In: Proceedings of the Sixth International Congress of Phonetic Sciences Prague 1967.
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Die sieben Gebiete mit erhaltener Umlautrundung sind : 1. Die höchstalemannische Walserkolonie Issime in Piémont, die Walserkolonien Graubündens außer Obersaxen, Versam, Valendas, Mutten und Schmitten und dem vielleicht mit jenen Kolonien in Zusammenhang stehenden Rheintal von Felsberg bis Tamins sowie die Walserkolonien Vorarlbergs. 2. Der höchstalemannische Klosterort Engelberg im Kanton Obwalden inmitten des höchstalemannischen Umlautentrundungsgebietes. 3. Das Hochalemannische mit Vorarlberg. Die Südgrenze erhaltener Umlautrundung bildet heute die Linie Kantonsgrenze Bern/Wallis bis zum Breithorn — westlich des Lauterbrunnentales — Iseltwald/Brienzersee — Eblingen/Brienzersee — Kantonsgrenze Luzern/Unterwalden — Südufer des Vierwaldstättersees — Kantonsgrenzen Uri/Schwyz, Uri/Glarus und Uri/Graubünden. Früher verlief diese Grenze im Bereich des Vierwaldstättersees jedoch weiter nördlich, da im Luzerner Entlebuch und Rigigebiet und im Süden des Kantons Schwyz Umlautentrundung herrschte 87 . Im gesamten Verlauf keine einheitliche Linie ist dagegen die Nordgrenze. In der Westschweiz herrschte bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vom Murtensee im Norden des Kantons Freiburg über die Kantone Solothurn und Basel bis ins badische Markgräflerland in niederalemannisch-elsässischer Weise allgemeine Umlautentrundung. Dieser Zustand ist dann im Laufe der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch den Einfluß der Umgangssprache und der östlichen Nachbarmundarten durch die Wiederaufnahme gerundeter Umlaute beseitigt worden. Der ursprüngliche Zustand war bis um 1920 noch bei der ältesten Generation in den Dörfern am Westufer des Bielersees lebendig und ist heute nur mehr in der neun Orte umfassenden Pfarrei Gurmels NO Freiburg unverändert erhalten geblieben. Zahlreiche Relikte mit Umlautentrundung und hyperkorrekte Lautungen lassen die ursprünglichen Verhältnisse noch deutlich erkennen 88 . Als Durchschnittslinie der bei den einzelnen Umlauten in diesem Abschnitt etwas abweichenden Grenzverläufe kann außer für mhd. üe die Linie der Birs von der Sprachgrenze bis zur Mündung in den Rhein — unmittelbar rechts des Rheins bis Bamlach genannt werden. Die Grenze setzt sich dann fort über S und O Müllheim — O Sulzburg — O Staufen — Obermünstertal — Schönau im oberen Wiesental — Feldberg — Schluchsee — S Bonndorf — Nordgrenze des Kantons Schaffhausen — S Thengen — S Engen — S Aach — S Radolfzell/Untersee — das Südufer des Untersees und Bodensees ohne die deutsche Stadt Konstanz mit Umlautentrundung — Bregenz/Bodensee. In Bregenz spricht man heute allgemein 87 88
Vgl. 1. JUTZ, S . 147f., 19. SCHMID, S . 105f., 20. FISCHER, S . 95f. Vgl. 1. JUTZ, S. 148f., 15. H E N Z E N , S. 87f., 16. BAUMGARTNER, S. 66f., 23. FER, S. 60ff.
SCHLÄP-
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gerundete Umlaute, doch kennt die älteste Generation noch die Entrundung 8 9 . Heute dringen auch im Nordwestzipfel Vorarlbergs, der bis zur Linie Langen — Sulzberg entrundet, wieder gerundete Aussprachen ein. Ab Sulzberg bildet die österreichisch/deutsche Staatsgrenze und dann die vorarlbergisch/tirolische Landesgrenze bis zur Sprachgrenze am Silvrettahorn den weiteren Verlauf. 4. Die südbairisch-zimbrischen Sprachinseln der Sieben und 13 Gemeinden, Folgaria, Lavarone und Luserna. 5. Ein ostfränkisch-osthessisch-hennebergisches Gebiet mit dem größten Teil des Obermain-, Coburger, Würzburger und hohenlohischen Raumes im Ostfränkischen, einem kleinen Stück des südlichen Osthessischen und dem gesamten Hennebergischen, dem sich das thüringische Gebiet um Waltershausen — Ohrdruf im Thüringerwald anschließt. Nach dem DSA ergibt sich folgende Umgrenzung, die wir bei Steinach am Thüringerwald beginnen : Steinach — der Frankenwald über S Ludwigstadt und Ν Teuschnitz — 0 Wallenfels — W Münchberg — Kupferberg — Ν und W Kulmbach — O Hollfeld — O Waischenfeld — 0 und S Pottenstein — Ν Gräfenberg — S Forchheim — Höchstadt — Schlüsselfeld — S Prichsenstadt — Stadt Schwarzach/Main — etwa der Main bis Ochsenfurt — W Aub — nördlich der Tauber von Creglingen bis Mergentheim — Krautheim/Jagst — NO Forchtenberg/Kocher — Ballenberg — Osterburken — Ν Buchen — W Amorbach — W Miltenberg/Main — Spessarthöhe — NO Aschaffenburg — S und O Orb — O Salmünster — Steinau — N W Schlüchtern — W, S und O Fulda - O Hünfeld - O Geisa — O Lengsfeld — O Salzungen — Ruhla — Waltershausen — Ohrdruf — W Plaue — W Ilmenau — S Amt Gehren — NO Eisfeld — Steinach. 6. Ein mittelfränkisches Gebiet beiderseits des Rheins mit dem Norden des Moselfränkischen und mit dem Ripuarischen nördlich folgender, nachdem DSA bestimmten Linie : Sprachgrenze SW St. Vith — S St. Vith — Ν Prüm — Ν Daun — Mayen — Koblenz/Rhein — westlich des Rheins bis Neuwied — hier liegt NO Valendar/Rhein inmitten des Entrundungsgebietes eine aus dem räumlichen Zusammenhang gerissene kleine Insel mit erhaltener Umlautrundung 9 0 — östlich und südlich der Wied — Hachenburg — W Haiger — S, W und Ν Siegen, so daß die Stadt und ihre nächste Umgebung Umlautentrundung aufweist — Lahnquelle — hd./nd. Sprachscheide O Hilchenbach. Am Südwestrand dieses Bereiches mit erhaltener Umlautrundung liegt an der Sprachgrenze NW St. Vith das ripuarische Dorf Recht mit Umlautentrundung 9 1 .
89 Während 1. J U T Z , S . 149, noch von Entrundung spricht, kann 49. schon die Rundung als normal ansehen. 90 Vgl. die Umlautskapitel bei 396. B L E Y E R . 91
V g l . 3 9 2 . THEISSEN, S. 2 0 2 ff.
GERMANS, S.
81 f.,
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7. Ein kleines nordhessisch-nordthüringisches Gebiet an der hd./nd. Sprachscheide zwischen NO Kassel/Fulda — S Großalmerode — Ν Allendorf/ Werra — W Heiligenstadt/Leine 92 . 12. Das Mittelhochdeutsche verfügte im Langvokalsystem über zwei Reihen und zwei Einzelphoneme und im Diphthongsystem ebenfalls über zwei Reihen, zu denen in Teilen des Oberdeutschen noch ein isoliertes Einzelphonem hinzukam. Dieses mhd. Langvokal- und Diphthongsystem blieb bei synchroner Betrachtung in keiner einzigen Mundart unverändert erhalten, da zumindest konsonantische Veränderungen andere Relationen und Oppositionen schufen und zur Entstehung neuer Phoneme führen konnten. Um das weitere Verhalten der mhd. Reihen und Einzelphoneme in ihrer weiteren Entwicklung zueinander beurteilen und um diesbezügliche Regeln ableiten zu können, genügt es, ihre heutigen Erscheinungsformen den mhd. gegenüberzustellen, was im folgenden an einigen paradigmatischen Beispielen geschehen soll 93 . Mit nur geringfügigen phonetischen Verschiebungen und dem Anschluß von mhd. iu teils an mhd. û und teils an mhd. öü ist der mhd. Zustand in einem Teil des Hochalemannischen, ζ. B. in der Glarner Mundart, bewahrt geblieben, so daß diachron die alte Minimalbesetzung fortbesteht 9 4 . I —ü — ü ë —ô — δ à q, {a — i p — φ
für mhd. î — û — û + iu ê —ô —ô se â für mhd. ie — uo — üe a{ — ay¡ — ay, ei — ou — öü + iu
Beim Eintritt von Weiterentwicklungen einzelner Lautreihen sind die Mundarten bestrebt, so lange als möglich die ererbten einzelnen Reihen voneinander zu trennen und so den Reihenzusammenfall zu verhindern. 95 R R A N Z M A Y E R hat dies R e i h e n a u s w e i c h u n g genannt . Die Reihenausweichung ist so lange möglich, als das phonologisch unterscheidbare Lautinventar dazu ausreicht. I n aufschlußreicher Weise veranschaulicht dies die hochalemannische Mundart östlich von Bern (Emmental) mit folgenden Erweiterungen 9 6 :
82
93
94
Vgl. 4 5 5 . R A S C H , S . 3 2 , die Umlautskapitel bei 4 4 9 . SOOST und 4 4 8 a. H A S S E L und den DSA. Die folgenden Inventare können nicht immer mit Phonemsystemen gleichgesetzt werden ! Nach 28. S T R E I F F .
95
1 2 2 . KRANZMAYER, S . 1 4 .
96
V g l . d e n S D S u n d 18. HALDIMANN.
Einleitung
40 I —ü —ü g —ô —ö
Ϊ9 — Û9 — wa ei — ou — öü
f — Q —Ç â ä
Die Verschiebungen betreffen die zu ê — ö — 5 monophthongierte Reihe mhd. ei — ou — öü, wobei sieh mhd. iu mhd. öü angeschlossen hat, und die an ihre Stelle getretene Hiatusdiphthongreihe für mhd. î — û — u. Alle übrigen Reihen und Einzelphoneme behalten ihren ursprünglichen Platz. Ein verwandtes Beispiel anderer Art bietet auch die hochalemannische Mundart des westlichen Thurgaus, bei der einerseits Erweiterung, andererseits aber schon Reihenzusammenfall stattfindet 9 7 . ï — M —ü è —ö — 5 ξ —ρ - ρ ä
Ï3 — Ü9 — Ü9 çi — çu — QÜ
Die neue Reihe g — ρ — ρ setzt sich aus mhd. se, dem Analogieumlaut von mhd. ei, aus mhd. â und dem Analogieumlaut von mhd. â zusammen. Das isolierte Phonem ä vertritt mhd. ei. Mit mhd. ou und mhd. öü fällt die neue Hiatusdiphthongreihe mhd. î — û — u zur Reihe çi — çu — QÜ zusammen. Mhd. iu hat sich mhd. û angeschlossen. Gleichzeitig liegt hier ein Beispiel für den von K K A N Z M A Y E R als R e i h e n auf s a u g u n g bezeichneten Vorgang vor 98 . Während im östlichen Thurgau gelegentlich noch die Diphthongreihe als geschlossenes ei — ou — öü für mhd. î — û — û im Hiatus von der offenen unvollständigen Diphthongreihe QU — QÜ für mhd. ou und mhd. öü unterschieden wird, verbanden sich hier die Vollreihe und die wegen des fehlenden ersten Gliedes als unvollständig empfundene andere Diphthongreihe zu einer neuen Vollreihe. Die Reihenausweichung wird zwar aus Homonymenflucht, also zur Verhinderung des drohenden Gleichklanges von Reihen und ihrer Beispiele, von der Mundart angestrebt, hat aber ihre oberste Grenze, die durch die phonologische Unterscheidbarkeit von Reihen innerhalb eines Vokalbereiches bestimmt wird. Bei Langvokalen scheint in den deutschen Mundarten diese Sättigung mit der vollständigen Besetzung von je zwei Reihen im / — U — ¿^-Bereich (geschlossen, offen) und zwei Reihen im E — Ö — Ö-Bereich (geschlossen, offen) oder einer Reihe im I — U — ¿^-Bereich (geschlossen) und drei Reihen im Ë — Ö — Ö-Bereich (geschlossen, offen, überoffen) erreicht zu sein 99 . Dazu kommt normalerweise noch ein isoliertes 97
Nach dem SDS.
98
1 2 2 . KRANZMAYER, S . 1 5 .
99
Ähnliche Beobachtungen hat
TRUBETZKOY
a. a. O., S. 101, gemacht. Ein theore-
Einleitung
41
^-Phonem. Wenn der E — Ö — Ö-Bereich nur mit zwei Reihen besetzt ist, können im Ä-Bereich auch ein helles, nach überoffenem E geneigtes und ein normales oder leicht dunkles Ji-Phonem auftreten, wobei dann das helle .¡Ï-Phonem gewissermaßen die Stelle des dritten E-Phonems einnimmt. Als Beispiele seien die nordthüringische Mundart des Leinetales, die mittelbairische Mundart von Wien, beide mit Umlautentrundung, und die hennebergische Mundart von Kleinschmalkalden mit erhaltener Umlautrundung genannt. Leinetal ioo: ï — « \ —Û o e ä
Wien κ « : i — u e —o g- Q ä — à a
für mhd. : î — û — u ie — uo — üe Dehnungs-ê — ö — o + â ê — ô — ô + Dehnungs-â + se1 S32 + Dehnungs-a + Dehnungs-ë
für mhd. : Dehnungs-ï — ü — û Dehnungs-ê — ô — o + Dehnungs-ë + ô ê + o -f- Dehnungs-ë — â + Dehnungs-â î — û — U+OU+ÖÜ
ei + ou + œ -(- Dehnungs-a,
Kleinschmalkalden 1 0 2 : ï — ü — ä für mhd. : î u —u ie — uo — üe + Dehnungs-ï — ü — ü \ — H —Ü Dehnungs-ê — δ — δ + ô + o e —o —o ξ ê + se1 τ 3 à — a â -f Dehnungs-â — Analogieumlaut von â + Dehnungs-â ae2 + Dehnungs-a -f Dehnungs-ë vor Gutt., 1 + Kons, und r Dehnungs-ê vor Dent., Lab., Nas. und einfachem 1 tisch mögliches Langvokalinventar mit zwei Reihen im I — U — U- und drei Reihen im Ε — O — Ö-Bereich, das dem sechsstufigen Dreiecksystem TRUBETZKOYS entsprechen würde, wüßte ich für das Deutsche nicht zu nennen, loo Nach 464. HENTRICH. Nicht einbezogen sind die wenigen Beispiele mit mhd. Dehnungs-ï + ü, die teils als è und teils als a auftreten; für Dehnungs-ü bietet HENTRICH keine sicheren Belege, ιοί Vgl. B. J. KOEKKOEK, Zur Phonologie der Wiener Mundart. ( = Beiträge zur deutschen Philologie 6), Gießen 1955. Nicht mit einbezogen sind die durch die Liquidenvokalisierung entstandenen neuen gerundeten Phoneme. Die Vokalquantität ist im Mittelbairischen wegen ihrer Korrelation mit der Konsonantenintensität nicht relevant (vgl. Abschnitt 15). 102 Nach 433. DELLJT. Zur phonologischen Zwischenstellung vgl. Abschnitt 14.
Einleitung
42
Ehe wir uns der Frage der Maximalbesetzungsmöglichkeit bei Diphthongen zuwenden, sei kurz die vom Strukturalismus immer wieder und ohne endgültigen Entscheid aufgeworfene Frage gestreift, ob Diphthonge monophonematisch oder biphonematisch zu bewerten seien. Wenn man phonomatische Wertungen nach T B U B E T Z K O Y mit Hilfe des Unterscheidungsmomentes, also der Distinktion, durchführt, als deren methodisches Hilfsmittel die sogenannte Vertauschprobe gilt, dann erweisen sich die Diphthonge meistens als ein einziges Phonem 1 0 3 . Verwendet man aber statt des Distinktionskriteriums das Distributionskriterium, also das Moment der Verteilung und Stellung der Phoneme zueinander im Wort, so gelangt man fast immer zu einer biphonematischen Wertung der Diphthonge, die sich dann als Verbindung zweier Phoneme erweisen 104 . Das praktische Ergebnis der Distributionsmethode ist das Verschwinden von Diphthongphonemen aus dem System. Da ein solches Vorgehen aber für unsere Belange wenig sinnvoll erscheint, seien die Diphthonge weiterhin jeweils als ein einziges Phonem verstanden. Übrigens sind Diphthonge auch für Mundartsprecher Realitäten. Bei Diphthongen beobachtet man bezüglich der Maximalbesetzungsmöglichkeit ein ähnliches Verhalten wie bei den Monophthongen. So wird bei den steigenden Diphthongen, so viel ich sehe, im allgemeinen die Besetzung des EI — OU — ö ¿/-Bereiches mit zwei Reihen (geschlossen, offen), der eine Extremdiphthongreihe AI — AU — AÜ gegenübersteht, nicht überschritten, so daß mit höchstens drei Reihen eine Entsprechung zum monophthongischen E — Ö — Ö-Bereich besteht. Ein Beispiel gibt hierfür die schwäbische Mundart der Baar bei Spaichingen mit Umlautentrundung und zwei durch Palatovelarität gestörten Reihen 1 0 5 . ei — ou çi — pu ae — ao
für mhd. : î — û — û 2 ê — ô — ô + ei — ou — öü œ — â
Als gelegentliche Variante dieses Zustandes beobachtet man auch jeweils um einen Grad geschlossenere Lautungen, wofür die im ripuarisch-niederfränkischen Übergangsgebiet gelegene Mundart von Eupen mit erhaltener Umlautrundung ein Beispiel im geschärften steigenden Diphthongsystem 103 V g l . TRUBETZKOY a . a . O . , S . 5 0 f f . , u n d i n F o r t f ü h r u n g v o n A . MARTINET, U n
ou
deux phonèmes ? In: Acta Linguistica 1 , Kopenhagen 1 9 3 9 , S. 9 4 — 1 0 3 : Γ. H I N T Z E , Zur Frage der monophonematischen Wertung. In: Studia Linguistica4, Lund 1950, S. 104
105
14-24.
Die Forschungsdiskussion bis 1958 bietet N. MORCINIEC, Zur phonologischen Wertung der deutschen Affrikaten und Diphthonge. In : Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft 11, Berlin 1958, S. 49—66. Vgl. ferner W. MERLINGEN, Über Ein- und Zweiphonemigkeit. In: dass. 13, Berlin 1960, S. 98—176. Nach 74. D R E H E R .
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43
bietet. Theoretisch wäre hier vielleicht noch die Extremdiphthongreihe AI — AU — AÜ als vierte Reihe möglich, was aber nicht der Fall ist. Allerdings kennt die Eupener Mundart noch den isolierten geschärften Extremdiphthong a'\. für mhd. a vor nd. 1 0 6 . γι. — ψη. — ψϋ. für mhd. : ie — uo — üe -f- î — û — û im Hiatus e~i. — o'u. — ö'il. ei — ou — öü bei Schärfung ç'i. — Q-u. — Q'Ü. i — u — ü + e vor nd + ë und a vor 1 + Kons. Nicht als Normalfall kann das höchst seltene Auftreten von vier steigenden Diphthongreihen gewertet werden, das eine eindeutige Übergangserscheinung von kurzer Dauer darstellt. Will man streng phonetisch vorgehen, so müßte dem soeben behandelten geschärften Diphthongsystem der Eupener Mundart noch die mit Diphthongierungsansatz als vi. — wu. — ü'ü. gesprochene geschärfte Reihe für mhd. î — û — û hinzugefügt werden. Sie gilt den Sprechern selbst noch monophthongisch und beginnt sich langsam aus dem geschärften Monophthongsystem, in dem sie die einzige Hochzungenvokalreihe verkörpert, zu lösen. Ob sich daraus weitere Verschiebungen ergeben werden, kann nicht vorausgesagt werden. Ein anderes Beispiel bietet das Nordbairische, wo teilweise bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts drei, zum Teil durch Palatovelarität gestörte steigende Diphthongreihen unterschieden wurden 1 0 7 : ci — ου für mhd. : ie — uo — üe çi — 2V
ê — ô — ô
äe — âo
Analogieumlaut von â — â
Dazu trat durch den Ersatz des Monophthonges ä für mhd. î — û — û durch neue Extremdiphthonge a\ — a% eine vierte Reihe. Da wegen der nahe beieinander liegenden Lautqualitäten die phonologische Unterscheidbarkeit offenbar überfordert war, erfolgte bald eine Reduzierung der vier Reihen auf nur drei. Das geschah weitgehendst durch den Zusammenfall der überoffenen mit der offenen Reihe, so daß mhd. ê — ô — o und mhd. â und sein Analogieumlaut zusammenfallen oder, wie im äußersten Südwesten bei Günzenhausen, durch den Zusammenfall der geschlossenen mit der offenen Reihe, so daß mhd. ie — uo — üe und mhd. ê — ô — o eine Einheit bilden und jeweils wieder der Normalfall mit zwei Reihen im EI — OTJBereich und einer Extremdiphthongreihe hergestellt ist. Damit erweisen sich vier steigende Diphthongreihen auch im Nordbairischen nur als eine Übergangserscheinung. Da die fallenden Diphthonge dem I — U — Ü- und dem E — Ö — Ö106
N a c h 408. WELTER.
107
Vgl. zum folgenden § 9 a, § 39 a, § 62 a, § 111 und § 114 a.
Einleitung
44
Bereich angehören, wäre bei gleichartiger Akzentuierung und gleicher Quantität theoretisch das Vorhandensein von je zwei fallenden Diphthongreihen in jedem Bereich zu erwarten. Tatsächlich scheint, so viel ich sehe, die Maximalbesetzung bereits mit insgesamt drei Reihen erreicht zu sein. So begegnen entweder zwei Reihen im Bereich der Hochzungenvokale (geschlossen, offen) und eine Reihe im Bereich der Mittelzungenvokale oder umgekehrt. Dagegen erhöht sich die Besetzungsmöglichkeit, wenn relevante Unterschiede in der Stellung des Druckakzentes (erste oder zweite Komponente), der Quantität der ersten Komponenten (kurz, lang) oder gelegentliche qualitative Unterschiede in den zweiten Komponenten (a gegenüber ») hinzukommen. Als Beispiel für zwei Reihen im Bereich der Hochzungenvokale und einer im Bereich der Mittelzungenvokale diene das geschärfte fallende Diphthongsystem der Eupener Mundart im ripuarisch-niederfränkischen Übergangsgebiet 108 . i'd. — m'3. — ü'd. für mhd. : ê — ô — o + œ
{•d. — ψ9. — ψ9. e'a. — i vlîz — fiéis — Fleiß mus — mous lîf — léif — Leib vûst — vöust slîfen — slêifd — schleifen sûfen — zöujd blîven — bleivd — bleiben mûsen — mouzd veiz9 — weisen sûgen — Z0U9 wisen rep — reihen bûen — boud ríen speis — Mörtel schrûve — srouf spîse eil — Eile mûle — moni île — doistdr — düster duster schûmen — sòima — schäumen
20" 3 8 1 . PALGEN, S . 1 8 f f . 201 3 9 2 . THEISSBN, S . 7 8 , 8 6 f f . 9
Wiesinger Band I
129 — Zeug — deutsch
— Kraut — Schlauch — horchen — saufen — hauchen — Säulen — tausend — Euter — trauen — Traube — heute — Pflaume
Maus Faust saufen mausen saugen bauen Schraube Maul
Die Entwicklung der Reihe mhd. î — û — ü vor
130
kluwel muse
Konsonanten
— klöial — Knäuel — möis — Mäuse
c) Schon im Westen des Rheinfränkischen und Hessischen vollzog sich allmählich der Übergang zu den Diphthongen der zweiten Entwicklungsstufe, die dann ab der Linie 0 St. Wendel — W Baumholder — Oberstein — W Kirn/Nahe — Soonwald — Bacharach/Rhein — Nastätten — Diez/ Lahn — W Westerburg — W Driedorf — W Haiger — S Siegen einsetzen. Allgemein gelten Diphthonge der zweiten Entwicklungsstufe nur bei Trägheitsakzent, doch gibt es selbstverständlich Ausnahmen. Überhaupt ist die Variationsbreite der Aussprachen so vielfältig, daß wir nur einen annähernden Überblick geben können. I m unteren Saar- und oberen Moselgebiet mit dem Luxemburgischen hört man allgemein ungespannte, sehr offene bis überoffene Lautungen gj — çy, (besser fe — QO) bis äe — do 202 . Darauf folgen im mittleren Moselgebiet und in der Eifel geschlossenes ëi — öu203. I m unteren Moselgebiet und im Westerwald wechseln offene Lautungen ξί — QU mit geschlossenen êi — öu; besonders gegen die Monophthong/ Diphthonggrenze im Norden treten geschlossene Aussprachen auf 2 0 4 . Gelegentlich begegnet man extremdiphthongnahen Lautungen äe — äo mit Angleichung der Komponenten, wie um Sierk/Mosel in Lothringen und an der mittleren Saar zwischen O Merzig und O Saarlouis 205 . Die energischere Artikulation bei Schärfung hat weitgehend eine starke Öffnung der ersten Komponente zu a e. — a o. mit Angleichung der Komponenten zur Folge, die bereits zum Extremdiphthongbereich gezählt werden müssen. Freilich gibt es auch Gebiete, wo selbst bei Schärfung Lautungen der zweiten Stufe ç~i. — Q'u. oder e'i. — o'u. vorkommen, wie im rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebiet, in Teilen Lothringens, in der Eifel und im südlichen und nördlichen Westerwald, so daß nur der Akzent bzw. die Quantität eine Unterscheidung bewirkt 2 0 6 . Beispiele aus Esch-Alzette und Arzbach siehe oben.
202
3 69.
SCHOLL, S . 3 7 ,
38f.;
370.
BALDES, S. 16, 2 0 f . ; 3 7 2 .
MÜLLER, S . 6 7 ,
80f.;
3 7 4 . MÜLLER-WEHINGEN, S . 2 0 , 2 2 , 2 5 ; 3 7 5 . FUCHS, S . 4 1 , 4 6 f . ; 3 7 6 . THIES, S. 9 0 ,
9 1 f . ; 3 7 8 . FOT,Τ,MANN, S . 14, 16, 1 8 ; 3 8 1 . PALQEN, S . 1 8 f f . ; 3 8 6 . PALGEN, S . 2 5 f f . ; 3 8 9 . PALQEN, S . 1 2 f f . ; 3 9 0 . BRUCH, S. 2 6 , 2 8 ; 3 9 1 . HEIDERSCHEID, S . 128, 1 3 5 f f . 203
3 8 4 . THOMÎ, S . 3 2 f f . ; 3 8 5 . LUDWIG, S . 2 2 , 2 4 f . ; 3 8 7 . ENGELMANN, S . 3 5 , 3 7 ; 3 9 2 . THEISSEN, S . 7 8 , 8 6 f f .
20« 3 9 3 . SCHNATZ, S . 8 8 , 8 7 ; 3 3 1 . M U E N C H , S . 1 2 8 , 1 3 3 f f . ; 3 9 6 . B L E Y E R , S . 1 8 ,
397. 205
206
HOMMER, S .
15, 17; 399.
REUTER, S.
31 ff.; 407a.
SCHULTE, S .
22;
39, 42f.
3 7 3 . LEHNERT, S . 1 8 3 ; 3 7 4 . MÜLLER-WEHINGEN, S . 6 9 , 7 1 ; 3 7 7 . HOFFMANN, S . 1 5 f .
Gleichartige Qualitäten nennen 369.
SCHOLL, S .
37, 38f.; 370.
BALDES, S.
16, 20f.;
3 7 1 . KLAR, S . 1 4 ; 3 7 2 . MÜLLER, S . 6 7 , 8 0 f . ; 3 7 7 . HOFFMANN, S . 1 5 f . ; 3 9 2 . THEISSEN, S.
78, 86ff.; 331.
MUENCH, S.
1 2 9 , 1 3 3 f . ; 395.
BACH, S.
271; 396.
BLEYER, S.
18, 22.
§ 13 bis § 15 Das Mittelfränkische
131
d) I n einem geschlossenen Bereich, der sich von der unteren Nies Ν Busendorf in Lothringen über das untere Saargebiet ab etwa Saarlouis, das Moselgebiet zwischen Trier und Sierk, das westlichste Lothringen um Rodemachern, das gesamte westliche Luxemburgische und das Areler Gebiet in Belgien erstreckt, und getrennt davon nochmals W Echternach und NW Ottweiler sowie vereinzelt im östlichen Luxemburgischen ist die Koppelung durch Palatovelarität gestört. Diese Störung betrifft um Saarlouis, wo die mit Schärfimg und die mit Trägheitsakzent gesprochene Reihe qualitativ gleich sind, und im westlichen Luxemburg mit dem Areler Gebiet beide Reihen, sonst aber meist nur die dem Trägheitsakzent unterliegende Reihe der zweiten Entwicklungsstufe. Die Lautwerte für mhd. û sind um Saarlouis etwa äy, cc.y. mit einer hellen, nach überoffenem ä geneigten, velopalatalen ersten Komponente oder sehr offenes velopalatales £y, f. y.,im unteren Saar- und oberen Moselgebiet allgemein ¡5y, gegenüber a.o., um Rodemachern, im westlichen Luxemburg und im Areler Gebiet im Gegensatz zu mhd. î + û als gj oder äe gegenüber we., ae hauptsächlich gleichartiges offenes bis sehr offenes velopalatales çy, ç'y., çy oder ây, tx'y., ay, selten ?V> 9'V i 9V- Velopalatales £y gegenüber a o., wo. gilt auch W Echternach sowie vereinzelt sonst im östlichen Luxemburgischen. NW Ottweiler herrscht dagegen einheitliches £y, f y . 2 0 7 Beispiele aus Wehingen siehe oben. e) Die schlaffe Aussprache der nicht geschärften Diphthonge im rheinfränkisch-moselfränkischen Übergangsgebiet im Osten und der mit Trägheitsakzent gesprochenen im Gebiet des westlichen Luxemburg um Capellen— Redingen mit der belgischen Stadt Arel im Westen hat zur Monophthongierung zu offenem ξ — ρ bis überoffenem â — à im Osten und mit Störung der Koppelung durch Palatovelarität zu f — p, § bis ä — im Westen geführt. Vereinzelt beobachtet man im Westen die Monophthongierung auch nur beim palatovelaren Glied, das durch seinen dumpfen Klang den Eindruck einer geschlosseneren Aussprache erweckt. Bei der ehemals geschärften Reihe ist im Westen nur teilweise die Monophthongierung eingetreten, so daß sich gelegentlich noch eine jüngere monophthongische und eine ältere diphthongische Reihe gegenüberstehen. Zumindest bei gleichartigen Beispielen hat B E R T R A N D in Arel noch den phonologisch relevanten Quantitätsunterschied, z. B. väs ,weiß' mit Normallänge gegenüber vâs ,weise' mit Halblänge, festgestellt. I m Osten wurden in Idar/Nahe die offenen Monophthonge sekundär zu ë — 0 geschlossen ; dabei fehlen Schärfung bzw. Quantitätsunterschiede gänzlich 208 . 807
208
9·
3 6 9 . SCHOLL, S . 3 9 ; 3 7 3 . LEHNERT, S . 3 1 , 1 8 4 ; 3 7 4 . MULLEE-WEHINGEN, S . 2 2 , 7 1 ; 3 8 2 . PETER, S . 9 3 , 2 1 6 ; 3 9 0 . BRUCH, S . 2 8 . 3 4 3 . MÜLLER, S . 3 5 , 3 6 f f . ; 3 7 1 . KLAU, S. 1 0 , 1 1 ; 3 8 2 . PETER, S . 2 1 0 , 2 1 6 ; 3 8 3 . BERTRANG, S . 1 3 0 , 1 4 2 f f .
132
Die Entwicklung der Reihe mhd. î — û — ü vor Konsonanten
Beispiele aus Arel 209 schîzen — sâsan — scheißen slûfen — slçfzn — schleichen schive — säf — Scheibe hûve — hçf — Haube krûze — kräts — Kreuz läse — läs — Läuse f) Im Gebiet mit erhaltener Umlautrundung gelten bei rheinischer Akzentuierung für den nicht geschärften Umlaut allgemein geschlossenes Sü, 5i oder offenes §ü, gi und für den geschärften teilweise dieselben Entsprechungen ö'il.f ö'i. oder g~ü., g'i., meist aber a.y,. (gelegentlich mit Angleichung der ersten Komponente an die zweite â'%.), teilweise auch sehr offenes ρ' }., wobei die zweite Komponente gar nicht oder nur schwach gerundet ist 2 1 0 . Beispiele aus Waller ode siehe oben. Beispiele aus Sörth O Altenkirchen (ohne Angabe der Akzentuierimg) 211 schrîden — zrêmn — schreiten sûver — zôuvw — sauber nît — va¡t — Neid brût — bra%\ — Braut lude — loüt — Leute duster — dç%zdn — düster g) In einem kleinen Gebiet W Haiger, in dem die steigenden Umlautsdiphthonge im Gegensatz zu den fallenden und zu den Monophthongen in der ersten Komponente entrundet worden sind, tritt der aus dem in der zweiten Komponente entpalatalisierten Diphthong ÖU hervorgegangene Diphthong bei ehemaliger Schärfung als offenes çu und sonst als geschlossenes eu auf 2 1 2 . Beispiele aus Gilsbach W Haiger (ohne Angabe der Akzentuierung) ziden — dzäen — Zeiten schrûven — zrâovd — schrauben bîzen — baeza — beißen hûs — haos — Haus dûtsch — deuts — deutsch hûser — hçuzdr — Häuser h) In einigen Dörfern S Busendorf in Lothringen an der südlichen und in einigen Dörfern um Wilnsdorf S Siegen an der nördlichen Monophthong/ Diphthonggrenze beobachtet man völlig unabhängig voneinander die Diphthongierung zu offenen çi — çu — um Wilnsdorf bereits mit der süd209 3 8 3 . BERTRANG, S . 1 3 0 , 1 4 2 f f . 210 3 9 2 . THEISSEN, S . 9 1 , 2 0 1 ; 3 9 6 . BLEYER, S . 2 1 ; 3 4 0 . HOMMER, S . 1 7 , 2 0 ; 3 6 1 . KROH, S . 197; 399. REUTER, S . 31 ff.; 407a. SCHULTE, S . 43. 211 3 9 7 . HOMMER, S . 1 5 , 1 7 , 2 0 . 212 3 6 1 . KROH, S . 1 9 7 .
§ 13 bis § 15 Das
Mittelfränkische
133
siegerländischen Umlautentrundung — nur vor ehemaligen Verschluß- und Reibelenes, während vor ehemaligen Verschluß- und Reibefortes, wozu auch die durch die Auslautverhärtung aus ursprünglichen Lenes hervorgegangenen Fortes zählen, und vor Konsonantenhäufungen schon die südliche bzw. nördliche Kürzung zu \ — y, gilt 2 1 3 . Beispiele aus Unterwilden SO Siegen 2 1 3 schriven — zrçivd — schreiben drûvel — drçuvdl vlîzich — vH?Í% — fleißig hût — hy,f bedûden — badçird — bedeuten dim. zu strûz — zdrisjg — Sträußchen
— Stachelbeere — Haut
j) I m oberen Moselgebiet, im westlichen Lothringen, in Luxemburg mit dem Areler Gebiet in Belgien und in der westlichen Eifel bildet mhd. î — û — û mit mhd. i — u — ü vor h t eine Einheit. Während im oberen Moselgebiet, zum Teil bei Schwund des Reibelautes, kurze Monophthonge f — u begegnen, z. B. gddj(x)t .dicht' (mhd. gedihte), l\(x)tdn .leuchten' 214 , treten sonst lange Monophthonge i — ü (— w) auf, wobei im mittleren Luxemburg noch die Konsonantenfolge fortbesteht, sonst aber der Reibelaut geschwunden ist, z. B. li(x)t ,leicht', ü(x)t .abendliches Beisammensein in der Spinnstube' (mhd. ûhte), ji(%)t, vü(%)i .feucht' 2 1 5 . I m Westerwald um Attenkirchen ist mhd. î — û — û nicht nur vor ht, sondern wie im anschließenden Ripuarischen (vgl. § 15h) auch vor ch noch vor dem Eintritt der Diphthongierung zu i — y, ( — ü) gekürzt worden, z.B. zljpn .schleichen', ,leicht', bryy^n ,brauchen', büß .Bäuche', pi%í, V¥Z- »feucht'21®. Ob die in der westlichen Eifel ab S St. Vith— S Prüm — W Daun vor ch zu beobachtende Kürzung zu e — o (— ό). ζ. Β. άβχ .Teich', spedar ,Speicher', strox .Strauch', roxdn ,riechen' (mhd. rächen), όδχ .Bäuche' 2 1 7 , erst nach der Diphthongierung oder schon vor der Diphthongierung mit nachfolgender Senkung wie für mhd. i — u — ü erfolgt ist, kann nicht entschieden werden. Doch legt die Kürzung zu \ — y¡ — il nördlich der Diphthongierungsgrenze (vgl. § 15h) eher die erste Annahme nahe. k) I m Nordwesten des Moselfränkischen ist wie im anschließenden Ripuarischen die sogenannte „rheinische Gutturalisierung" verbreitet, eine K ü r 213 I 1 4
3 9 9 . REUTER, S . 32. 3 7 4 . MULLER-WEHINGEN, S . 2 1 ; 3 7 5 . FUCHS, S . 4 2 ; 3 7 6 . T H I E S , S . 9 0 ; 3 8 4 . THOMÉ, S. 3 3 , 3 5 .
215
3 7 7 . HOFFMANN, S . 1 5 . 1 6 ; 3 7 8 . FOLLMANN, S . 1 8 ; 3 8 2 . P E T E R , S . 8 6 , 9 6 , 1 1 6 ; 3 8 3 . BERTBANG, S . 1 3 5 , 1 4 6 , 1 6 6 ; 3 8 5 . L U D W I G , S . 2 5 ; 3 9 1 . HEIDERSCHEID, S . 1 3 2 , 1 3 8 , 1 4 0 ; 3 9 2 . THEISSEN, S . 8 2 , 9 1 .
216
3 9 6 . B L E Y E R , S . 1 8 , 2 1 f . ; 3 9 7 . HOMMER, S . 1 5 , 1 7 , 2 0 ; 3 6 1 . K R O H , S . 1 9 1 , 3 9 9 . REUTER, S. 34. 3 9 2 . THEISSEN, S . 8 1 , 8 9 , 1 0 9 .
217
197;
134
Die Entwicklung der Reihe mhd. î — Û — u vor
Konsonanten
zungs- bzw. Verhärtungserscheinung von in- und auslautendem d — t (aus westgerm. d) zu d — t, gd — kt oder g — k, die wohl als Folge der Schärfung zu erklären ist und bereits nach der Diphthongierung Kürzung hauptsächlich zu offenem ç — ç (— ρ), seltener zu geschlossenem e — o ( —ö) bewirkt hat. Die Grenzen der einzelnen Beispiele wechseln sehr, da die Erscheinung schon lange von Osten nach Westen zurückgedrängt wird. Die äußerste östliche Reichweite bildet etwa die Linie O Esch-Alzette — W Luxemburg — SO Echternach — Bitburg — W Daun — Adenau. Gebietsweise stehen sich als Haupttypen gegenüber : tsçt, hçt, Içt (Igt) — tsçJct, hçkt, Içkt (Içkt) — tsçk, hçk, Içk (Içk) , Z e i t ' , , H a u t ' , , L e u t e ' ; rçddn, çgdar — rçgdn, çgar , r e i t e n ' , , E u t e r ' 2 1 8 .
çdar —
rçgddn,
1) Das Siegerländische hat ab der Linie S Freudenberg — S Siegen — Lahnquelle — Ederquelle — hd./nd. Sprachscheide die Monophthonge ï — ü (— ü) bewahrt. Durch Kürzimg zu f — y, (— i f ) vor allen ursprünglichen inlautenden Reibelautgeminaten, in- und auslautenden Verschluß- und Reibefortes, wozu auch die durch Auslautverhärtung aus ursprünglichen Lenes hervorgegangenen Fortes zählen, vor den Spiranten j und γ für g und vor Konsonantenhäufungen wurde die Anzahl der Beispiele stark verringert 2 1 9 . Beispiele aus Eisern S Siegen 220 îsen — iza — Eisen wise — vis — Weise blîven — bllm — bleiben rîzen — r\z9 — reißen slìchen — zljp — schleichen schît — Iii — Scheit lif — l\f — Leib is — is — Eis stîgen — zdijd — steigen hûser luden lûse bûche dim. zu hût zu grûs -
zu
Mzar Uran Iis bip h\t%3
susen — zûz9 dûve — düv drûve — drüvdl sûfen — zum stûche — zdy,yd rüde — rydd vûst — yy.st krûs — qriis sûgen — — Häuser — läuten — Läuse — Bäuche — Häutchen — grauslich
sausen Taube Traube saufen Pulswärmer Raute Faust kraus saugen
218 y g i . v o r a l l e m 3 8 0 . B R U C H , S . 1 0 9 f f . 21® 3 6 1 . K R O H , S . 1 9 0 , 1 9 6 f . ; 3 9 9 . R E U T E R , S . 3 1 , 4 5 ; 4 0 0 . SCHMIDT, S . 6 1 , 7 3 , 7 8 ; 4 0 1 . HEINZERLING, S . 3 1 f f . ; 4 0 7 a . SCHULTE, S . 3 9 , 42t. 220 4 0 0 . SCHMIDT, S. 6 1 , 7 3 , 7 8 .
§ 13 bis § 15 Das
135
Mittelfränkische
§ 15 Das Ripuarische a) Im Ripuarischen unterliegt die Reihe mhd. î — û — û, abgesehen vom äußersten Südosten, der rheinischen Akzentuierung, die die phonologisch relevante Spaltung in eine dem Trägheitsakzent und eine der Schärfung unterliegende dreigliedrig gekoppelte Reihe I — Ό — Ü hervorruft. Durch Umlautentrundung sind beide Reihen wie immer in Recht NW St. Vith an der Sprachgrenze nur zweigliedrig. Mit der geschärften Reihe fiel teilweise die Reihe mhd. ê — ô — o, der sich mhd. ae angeschlossen hat, und um Mörs—Duisburg noch die Reihe mhd. ie — uo — üe zusammen. In der Diphthongierungsinsel im Biggehochland blieb beim Übertritt der dreigliedrig gekoppelten Reihe E I — OU—ÖÜ ins Diphthongsystem ihre Selbständigkeit bewahrt. b) Die rheinische Akzentuierung äußert sich im Ripuarischen ähnlich den Verhältnissen der Reihe mhd. ei — ou — öü in verschiedener Weise. So erfolgt die Verteilung von Trägheitsakzent und Schärfung außer im Nordoststreifen von Remscheid bis Oberhausen und im Norden um Mörs nach der Regel A wie im westlichen und südlichen Moselfränkischen, so daß wir diese hier nicht mehr zu wiederholen brauchen (vgl. §14b) 2 2 1 . Beim Trägheitsakzent sind wieder je nach der Stellung Überlänge im einsilbigen und Normallänge im mehrsilbigen Wort zu unterscheiden222. Nur im Westen S und NW Aachen gegen die Grenze unseres Untersuchungsgebietes sowie im Norden W Kempen gegen das Niederfränkische zu finden sich vor stimmhaften Reibelauten mehrere Ausnahmebeispiele ohne Schärfung. Ob im Raum der oberen Agger und Bröl wie in anderen Fällen eine kontinuierliche Abnahme der Schärfungsfälle besteht, kann mangels Beispielen nicht gesagt werden. Im Raum um Düsseldorf — Krefeld — Duisburg mit dem Nordoststreifen von Remscheid bis Oberhausen tritt die Schärfung nur mehr bei e-Apokope nach ursprünglich stimmhaften Verschluß- und Reibelauten, Liquiden und Nasalen ein 223 . Das Gebiet um Mörs hingegen nimmt bereits eine Übergangsstellung zum anschließenden Niederfränkischen ein, indem es, abgesehen bei e-Apokope, sowohl vor stimmhafter als auch vor stimmloser Folgekonsonanz in mehrsilbigen Wörtern schärft 224 . 221
Die Regel ergibt sich aus den Beispielen bei 402. M Ü L L E R , S . 4, 7 ; 403. M Ü N C H , 50ff.; 404. G E H L E N , S . 127, 135ff.; 405. M Ü L L E R , S . 60ff.; 406. M A C K E N B A C H ,
S.
S. 26, 2 9 f . ; 407. BUBNER, S . 31, 3 4 ; 408. WELTER, S . 25, 35, 4 8 ;
409. WELTER,
S . i l ; 410. GREFERATH, S . 14, 1 6 f . ; 411. FRINGS, S . 16, 1 8 ; 418. HASENCLEVER, S .
222 2 2 3
23, 24. Diese Scheidving trifft nur
409. WELTER.
413. RÖTTSCHES, S . 43, 4 5 ; 415. LOBBES, S . 1 0 ; 416. ZECK, S . 9 , 1 1 ; 417. LEIHENER, S . X X X I , X X X V ; 4 2 1 a . H E L L B E R G , S . 3 9 f . ; 4 2 4 . MAURMANN, S . 1 8 , 19.
2 2 4
4 1 2 . RAMISCH, S . l O f f .
136
Die Entwicklung der Reihe rtihd. î — û — w vor Konsonanten
Beispiele aus Aachen 2 2 5 pris — pris — Preis — Weib wîf — vif — Leiche lîch — lis grifen — jrljd — greifen rîzen — risa — reißen schive — Sî:f — Scheibe blîven — blî:m — bleiben prisen — φή:ζ9 — preisen zuch ruchen duster muse duvel Beispiele aus Mülheim/Ruhr 226 tît — tit — Zeit kíken — kïkd — sehen wîf — vîf — Weib driven — driva — treiben wisen vizd — weisen side — sî:t — Seide *kîve — kî:f — Kinn *sîge — sî.-χ — niedrig tûch kûten kuken kuven drûge
mus ûz strûch brûchen tûschen
— mus — üs — strüx — brüxa — tusa
— Maus — aus — Strauch — brauchen — tauschen
dûsent — dû:zant — tausend — tsüs — Zeug — rusa — riechen — düstdr — düster — mû:s — Mäuse — dû:wl — Teufel brût sûpen
brüt — sûpa
— Braut saufen krûke — krükd Krug schûven — sûva schieben hûsen — hüzz hausen dûve — dû:f Taube kûle — kû:l Loch p r û m e — prû:m Pflaume tux — Zeug Mía — Waden kûka — Küchlein
kûvd — Kübel drû:χ — trocken
Beispiele aus dem Gebiet um Mörs 224 rìs — rie — Reis vûst — füs strît — strit — Streit s t r û k — strük wise — vî:s — Weise d r û v e — drû:f riven — rî:vvn — reiben dûsent — dû:zant bîten — bî:tdn — beißen sûpen — zû:p9n • tûch — ΐΰχ — Zeug lude — lû:t — Leute duvel — du:vdl — Teufel kûken — kû:kvn — Küchlein
225 2
4 0 9 . W E L T E R , S . 11. 26 4 2 4 . MAURMANN, S . 1 8 , 19.
• Faust • Strauch • Traube • tausend saufen
§ 13 bis § IS Das
Mittelfränkische
137
c) Die ripuarischen Monophthonge setzen an folgender Linie ein : Sprachgrenze NW St. Vith — Ν Manderfeld — Ν Jünkerath — westlich der Ahr — Ahrweiler — Unkel/Rhein — Linz/Rhein — Ν Waldbreitbach/ Wied — S Herchen/Sieg — W Wissen/Sieg — Morsbach — W und S Freudenberg, wo die siegerländische Grenze fortsetzt (vgl. § 141). An Lautwerten kommen die mit Trägheitsakzent gesprochene lange bzw. überlange Reihe % — ΰ — ü und die geschärfte, halblange Reihe %: — Û: — u: mit jeweils geschlossener Aussprache in Frage. In Recht NW St. Yith an der Sprachgrenze gelten wie immer bei Umlautentrundung nur zweigliedrige R e i h e n i — ü u n d î: — Û:227.
Beispiele siehe oben. d) Um Eupen bewirkt die Schärfung eine deutliche Spaltung der Monophthonge in i'i. — wu. — «'«., die einem Diphthongierungsansatz ähnlich ist 2 2 8 . Beispiele aus Eupen 2 2 8 dík — di k — Teich wise — vi'i.s — Weise
brût — brut snûven — snwu.m d u s t e r — düstsr
— düster
muse — mü'ü.s
— Mäuse
— Braut — schnupfen
e) I m Biggehochland findet sich völlig isoliert eine Diphthongierungsinsel. Neben Lautwerten der ersten Entwicklungsstufe \i — ψι — ψί hört man durchaus schon deutlich geschlossene Diphthonge der zweiten Stufe ei — ou —
öw229.
Beispiele 229 » pipe — piip,
peip
— Pfeife duvel —
diluvi,
hûs — h%us, hous — Teufel
—
Haus
döüvl
f) Den Großteil des Ripuarischen erfüllt, wie bereits den Westen des Moselfränkischen, die sogenannte „rheinische Gutturalisierung" von d — t, die sich in einzelnen Beispielen schwankend allgemein bis zur Linie Adenau — Sinzig/Rhein — das mittlere Wiedtal — SO Blankenburg — Mündung der Nister in die Sieg — Wipperfürth — Wermelskirchen — Burg — Höh227
Nach den in den Anm. 221, 223, 224 genannten Grammatiken sowie 392. T H E I S S E N , 193,196; 407a. SCHULTE, S . 39, 42f.; 414. M E Y N E N , S . 19, 20; 419. HOLTHAUSEN,
S.
S . 4 1 0 , 4 0 7 ; 4 2 0 . HOLTHAUS, S . 3 4 7 , 3 5 3 ; 4 2 2 . B R E D T M A N N , S . 4 7 , 5 0 ; 4 2 3 . K O C H , S . Ii,
13.
228
4 0 8 . WELTER, S. 2 5 , 3 5 , 4 8 .
229
407a. SCHULTE, S . 39, 42f.; 407b. 407 b. A B E N S , S . 63, 94, 95.
229a
ARENS, S .
63, 94, 95
138
Die Entwicklung der Reihe mhd. Î — Λ — u vor Konsonanten
scheid — Neuss/Rhein — 0 M.-Gladbach — Odenkirchen — Jülich — Stollberg — Monschau erstreckt. Mit ihr ist die Kürzung der Monophthonge verbunden, die sich weitgehend der Entwicklung von mhd. i — u — ü angeschlossen haben und die Lautwerte \ — % — % oder e — o — ö zeigen. Als Typen stehen sich also wie im Moselfränkischen tset, tsekt, tsek .Zeit' usw. gegenüber (vgl. § 14k) 2 3 0 . Eine Ausnahme macht innerhalb dieses Gebietes das Dorf Recht NW St. Vith an der Sprachgrenze, wo die „Gutturalisierung" unterblieben ist. Während vor ursprünglich auslautendem t die Monophthonge unverändert fortbestehen, z. B. tsit ,Zeit', vit ,weit', Mt ,Haut', krut .Kraut', trat vor inlautendem d und auslautendem t bei e-Apokope steigende Diphthongierung der Monophthonge zu kurzem EI (—OU) ohne Schärfung ein. Da in Recht im Gegensatz zur Umlautentrundung in der Umgebung von mit Lippenrundung gebildeten Konsonanten sowie von 1 und r gerundet wird, wurde EI zu ÖÜ gewandelt und schließlich zu Ol entpalatalisiert. Es heißt d a h e r roidd , r e i t e n ' , loidd .leiden', snoidd
, s c h n e i d e n ' , boiddl , B e u t e l ' , loit
,Leute' ; wohl aus Analogie haben sich die wenigen Beispiele ohne rundende Bedingungen angeschlossen, z. B. zoit ,Seide', tsoidd ,Zeiten'. Für mhd. û vor inlautendem d sind keine Beispiele belegt und vielleicht auch gar nicht vorhanden, da für ,krauten' das Synonym .jäten' gilt 2 3 1 . Westlich der Linie Monschau bis M.-Gladbach und in Fortsetzung Ördingen/Rhein — Mörs — Orsoy/Rhein ist dagegen inlautendes d bei e-Apokope überall unter Schärfung des Vokals zu î: (— û:) — «:, ζ. B. zî: .Seite', lu: ,Leute', und bei einer ursprünglichen Endung -en um Aachen unter Schärfung und einer diphthongierungsähnlichen Spaltung in vi. — wu. — t i ' i ,
ζ. B.
ri'i.d
.reiten',
krwu.9
,Unkraut
ausreißen',
bddü'ü.9
.bedeuten', sonst aber unter Kürzung des Vokals und Schärfung des aus - e n h e r v o r g e g a n g e n e n 3 z u i'9. — wd. —
ζ. B . ri'd.,
kru'9.,
badüd.,
geschwunden 232 . Auch im äußersten Nordoststreifen von Duisburg über Mülheim bis Werden ist im Anschluß an das rechtsrheinische Gebiet Schwund des inlautenden d vor der Endung -en, jedoch ohne Schärfung aber mit Verkürzung der Monophthonge zu Halblängen îa — ûd — wa eingetreten, ζ. B. snÎ9 ,schneiden', lûd .lauten', lud ,läuten'. Dagegen ist auslautendes t bei e-Apokope erhalten, z. B. sî:t ,Seide', lu:t .Leute' 2 3 3 .
230 Vgl. die DSA-Karten „Zeiten" und „Leute". 231 NUR unzusammenhängende Beispiele bei 392. THEISSEN (Z. B. S. 203 und 208).Für mhd. î beobachtet von B. CAPESIUS, Die Vertreter des alten î, û, ü im Siebenbürgisch-Sächsischen. Diss. Berlin, Hermannstadt 1912, S. 85. 232 4 0 8 . WELTER, S . 6 ; 4 0 9 . WELTER, S. 1 1 ; 4 1 0 . GREFERATH, S . 15. 1 6 ; 411. FRINGS, S . 16, 18. 233 4 23. KOCH, S . 2 3 ; 4 2 4 . MAURMANN, S . 38.
§ 13 bis § 15 Das
Mittelfränkische
139
g) Vor ursprünglichem ht unterlag mhd. î — û — u wie mhd. i — u — ü eigenen Entwicklungen, wobei die Konsonantenfolge nur mehr gelegentlich erhalten blieb, meist aber entweder der Verschlußlaut oder der Reibelaut schwand. Linksrheinisch gelten bis in die Höhe von W Köln — Ν Grevenbroich — Ν Erkelenz — Geilenkirchen fallende Diphthonge ïa — Û9 — «a und zwar bis unmittelbar westlich der E r f t mit x, dann mit t, ζ. B. Ihx, IM ,leicht', brüdx, brüst,braucht', lüdxd, lüdtd ,leuchten' 2 3 4 . Nur Eupen hat fallende Diphthonge ea — oa — öd, ζ. B. zöaia .seufzen', u n d eine Insel um Cornelimünster — Stollberg — Ν Aachen Monophthonge ë — δ — δ, ζ. Β. lit .leicht' 2 3 5 . Rechtsrheinisch einschließlich der linksrheinischen Umgebung von Köln trifft man die Monophthonge ë — δ — δ an, wobei zwischen Siebengebirge und Ν Köln bis W Herchen/Sieg und O Gladbach der Verschlußlaut und beiderseits des Rheins zwischen Ν Köln und Benrath der Reibelaut geschwunden ist, an der oberen Agger und Bröl aber die Konson a n t e n f o l g e f o r t b e s t e h t , ζ. Β . νΐέχ, vlêt(s), νΐέχΐ
.vielleicht', dôx, clôt, dôxt
,es dünkte mich' (mhd. dûhte), Ιοχ, lot, lo%l, Leuchte' 2 3 6 . Nur im Gebiet der Wiel begegnen bei t die Monophthonge ï — ü — ü, z. B. füt,feucht'. Der Norden zwischen Wermelskirchen — S Höhscheid — Benrath/Rhein — Ν Grevenbroich — Ν Erkelenz und S Straelen — Ν Kempen — Ν Ürdingen/Rhein — Kettwig/Ruhr — Velbert zeigt steigende Diphthonge ei — ou — öü bei t, ζ. B. deit .dicht' (mhd. dihte), vöüt .feucht' 2 3 7 . Während am Nordwestrand um Gangelt — Waldfeucht bei Bewahrung der Konsonantenfolge kurze Monophthonge e — o — ö gelten, z. B. le%t ,leicht', treten zwischen Ν Hünshoven und Kaldenkirchen bei Erhaltung der Konsonantenfolge oder bei Verlust des Verschlußlautes lange Monophthonge ë — ö — δ auf, ζ. Β. νοχ(ή .feucht' 2 3 8 . I n der Diphthongierungsinsel des Biggehochlandes ist wegen Kürzung vor ht zu j — % — ty die Diphthongierung unterblieben, ζ. B . l¡xtd .leicht', dq,xfo .deuchte', fij/xts . f e u c h t ' 2 3 9 .
h) Von den vielfältigen gebietsweise auftretenden Kürzungen können nur die folgenden drei als regulär angesprochen werden : So wurde im Bereich der Lautverschiebung von k zu ch mit Ausnahme des Gebietes um Monschau — Aachen im Westen vor diesem zu f — y¡ — i¡¡ gekürzt, ζ. Β. Μτ\χ9(η) .streichen', tfy ,Teich', bry¡xd(n) ,brauchen', stry,x 234
235 236
237
238 239
4 0 4 . GEHLEN, S. 128, 1 3 8 ; 4 0 8 . WELTES, S . 2 7 ; 4 0 9 . WELTER, S. 6 . 7. 2 5 ; 4 0 5 . MÜLLER, S . 61, 6 5 . 4 0 8 . WELTER, S. 2 7 ; 4 0 9 . WELTER, S. 2 5 . 4 0 2 . MÜLLER, S . 3 8 ; 4 0 5 . MÜLLER, S . 61, 6 5 ; 4 0 6 . MACKENBACH, S. 2 7 , 2 9 , 30, 1 3 3 , 1 3 6 ; 4 0 7 . BUBNER, S. 2 0 . 4 0 . 4 1 0 . GREFERATH, S. 15, 1 7 ; 4 1 1 . FRINGS, S. 17, 19, 118, 1 2 0 ; 4 1 6 . ZECK, S. 1 1 ; 4 1 8 . HASENCLEVER, S. 2 4 ; 4 1 9 . HOLTHAUSEN, S . 4 1 3 ; 4 2 0 . HOLTHAUS, S . 3 4 8 ; 4 2 2 . BREDTMANN, S . 4 7 . 4 1 1 . FRINGS, S . 118, 120. 4 0 7 b . ABENS, S . 6 4 , 9 6 .
140
Die Entwicklung
der Reihe mhd. Î — û — ü vor
Konsemanten
.Strauch', ki\,%ü%^{n) ,Küchlein', b%% ,Bäuche'. Um Jülich — Bergheim — Grevenbroich und vereinzelt auch sonst ist i wie mhd. i zu e gesenkt worden, z. B. jlex ,gleich'. Um Jülich hat sich außerdem noch vor χ ein palataler Gleitlaut i eingeschoben und damit der Diphthong ei, jlei-χ, ergeben 240 . Mit der Kürzung vor ch ist die Kürzung vor dem stimmhaften Reibelaut für mhd. g zu j — % (— il), ζ. B. sv\p(n) ,schweigen', zyyd(n) .saugen', eng verwandt, die allerdings weniger weit nach Süden reicht, dafür aber teilweise um Aachen gilt, wo wohl sekundär teilweise wieder zu svip und züyd gelängt wurde und teilweise der Konsonant unter Schärfung und diphthongierungsähnlicher Spaltung zu i.i. — U.U., svi.i.9, zu.u.9, wie bei d geschwunden ist 2 4 1 . Nochmals begegnet diese Kürzung im Norden um Dülken 2 4 2 . Endlich gilt eine dritte reguläre Kürzung im linksrheinischen Baum innerhalb der Linie NO St. Vith — Schleiden — Gemünd — Düren — Jülich — Linnich — O Hünshoven — Cornelimünster — Sprachgrenze W Monschau. Dort wurden die nicht geschärften Monophthonge vor den ehemaligen inlautenden Reibelautgeminaten einschließlich der Affrikata z, vor den auslautenden Reibefortes und vor Konsonantenhäufungen zu i — y, — il gekürzt, ζ. B. tysd ,beißen', v\s ,weiß', str\s9 ,streichen', l\s ,Leiche', y¡s ,aus', z^/a ,saufen', br%xs .brauchen', b%x ,Bauch', sn%tsd .schneuzen', dijstdr ,düster', dilti ,deutsch', ts%s ,Zeug' 243 . Alle weiteren Kürzungen sind entweder nur auf ein Glied der Reihe beschränkt oder betreffen nur Einzelwörter. Um Aachen wurde mhd. û vor v, f aus mhd. ν gekürzt und teilweise wie mhd. u zu o gesenkt, ζ. B. diif, dof ,Taube', sr%vd, srovd .schrauben' 244 . Im gesamten Ripuarischen sind Kürzungen in folgenden Wörtern weit verbreitet: ry,p ,Raupe', fyfdl .Schaufel', zif,fd(n) ,saufen', zilfar .Säufer', krilts . K r e u z ' .
I m rechtsrheinischen Gebiet um Düsseldorf mit dem Nordoststreifen und im anschließenden linksrheinischen Bereich um Neuß und Mörs trat in einigen Wörtern, insbesondere vor dentalen Verschlußlauten, Kürzung von û und û zu % und il ein: byidn .draußen', %t ,aus', ryt ,Fensterscheibe', b%k, bilk .Bauch', ,Bäuche', lilt .Leute', bddydan .bedeuten', krilts ,Kreuz', 245 dilts .deutsch' . I n der Diphthongierungsinsel des Biggehochlandes begegnet Kürzung in b%tn ,draußen', krypn .kriechen', b%k ,Bauch', sniltn .schneuzen', dilts ,deutsch', dilstxi .finster', ΟΙχ .Zeug', kilkr) ,Küken' 2 3 9 . 240
4 0 2 . MÜLLER, S . 5 5 ; 4 0 3 . MÜNCH, S . 4 0 ; 4 0 5 . MÜLLER, S . 6 2 , 6 5 ; 4 0 6 . MACKENBACH, S. 27, 2 9 , 3 0 ; 4 0 7 . BUBNER, S. 33, 35. 241 4 0 9 . WELTER, S . 7 3 . 242
4 1 1 . FRINGS, S . 4 4 . 4 0 4 . GEHLEN, S . 1 2 8 , 1 3 6 , 1 3 8 . 244 4 0 9 . WELTER, S . 8 2 . 2 « 4 1 6 . ZECK, S . 9 , 1 2 ; 4 1 9 . HOLTHAUSEN, S . 4 1 4 ; 4 2 0 . HOLTHAUS, S . 3 5 7 ; 4 2 2 . B R E D T MANN, S . 5 2 ; 4 2 3 . KOCH, S . 8 . 243
141
§ 16 Das Niederfränkische
§ 16 D a s N i e d e r f r ä n k i s c h e Übersicht: a) Ubersicht, b) Die rheinische Akzentuierung, c) Palatalisierung von û zu Û in einzelnen Beispielen. —Lautkombinatorische Erscheinungen: d) d-Schwund. e) Die Entwicklung vor ht.
a) Im Niederfränkischen mit der erhaltenen dreigliedrigen Monophthongreihe I — U — Ü bewirkte die ursprüngliche Schärfung Kürzung zu I — U — U, so daß nur eine langvokalische Reihe langer oder überlanger Quantität auftritt, mit der die Reihe mnfr. ie — uo — üe zusammengefallen ist. Das Niederfränkische ist ferner durch die letzten Ausläufer der niederländischen Palatalisierung von û zu Ü, welches mit dem Umlaut zusammenfällt, gekennzeichnet. b) Die ursprüngliche Verteilungsregel von Trägheitsakzent und Schärfung war der Regel Β des Moselfränkischen ähnlich. An Stelle der Schärfung, die vor allen in- und auslautenden stimmlosen Verschluß- und auslautenden stimmlosen Reibelauten, 1 und Nasalen eintrat, findet sich heute ab Geldern — Ν und O Mors — Ν Duisburg — Ν Oberhausen die offene Kurzvokalreihe \ — y, — il, deren Exspirationsdruckverlauf sich nach WELTER durchaus noch von ursprünglichen Kürzen unterscheiden soll 246 . Der Trägheitsakzent steht als Überlänge bei e-Apokope nach allen Konsonanten und als Länge nach inlautenden stimmhaften Reibelauten und inund auslautendem r 2 4 7 . Beispiele aus Aldenrade O Orsoy/Rhein248 schive — sïf — Scheibe drûve rige — Reihe sûge r h wise — vis — überklug vlûse — Pfeife pipe — Jjîp schrîven — srivan — schreiben snûven — izdr îser — Eisen sûsen bûre smîten — smjtdn — schmeißen slîpen — sl'ipvn — schleifen brût — sl\kdii — schleichen krûpen sliken îs — Eis lûs — is wîf -Weib — vif kîl — k\l - Keil vûl tûn — k\nm — keimen kînen lîm schûm — l\m — Leim 246 247
248
— —
drûj ZÜX
— flus
— Traube — sauge — Flause
— — — bün — — br%t — — kri¿pdn — — li¡s — — —
snüvdn
ZÜZdTl
-fui — t%n — siym
schnauben sausen Bauer Braut kriechen Laus
— faul — Zaun — Schaum
409. WELTER, S. 82. Die Formulierung der Regel erfolgt nach den Beispielen bei 426. HANENBERG, S. 198, 199f., und 427. NEUSE, S. 99, 102f. 4 27. NEUSE, S. 99, 102f.
142
Die Entwicklung der Reihe mhd. t — û — ü vor Konsonanten
luse dim. zu dûve sûget dûvel hûser sûgen sturen A vur super tunen schûmen
Läuse Täubchen er saugt Teufel Häuser säugen steuern Feuer Säufer zäunen — si¡m9n — schäumen
— — — — — — — — — —
— lus duflc9n — — ζΟχ dûvdl — hûzdr — zuydn — stürm — fün — zilpdr — ti¡ndn —
c) Mit verschiedener räumlicher Ausdehnung finden sich zahlreiche Beispiele mit Palatalisierung von û zu ü, ohne daß sie sich einer Regel einfügen würden. Da ihre Anzahl rheinabwärts gegen das Niederländische hin zunimmt, müssen sie als letzte Ausläufer der niederländischen Palatalisierung betrachtet werden, die wohl durch Sprachbewegung hierher gelangt sind. Sie schließen sich phonologisch dem dritten Glied der Reihe an. Für Kalkar belegt H A R E N B E R G : snüvd .schnauben', düzdnt .tausend', düra ,dauern', stytd .schließen', Jcryt ,Kraut', bryt .Braut', ψ .aus', lif,stdr9 .lauschen', Ydbrijjcd .gebrauchen', rijjcd .riechen', rifa, .Wallach' 249 . d) Wie immer ist inlautendes d unter Bildimg des hiatustilgenden Halbvokals i, der durch Formenausgleich in den jetzigen Auslaut übertragen wurde, nach allen drei Vokalen geschwunden, ζ. B. zii .Seide', lipn ,leiden', Icruidn .Unkraut ausreißen', lüi .Leute', bddüpn .bedeuten'. Gelegentlich haben sich einige Beispiele sekundär der Hiatusentwicklung angeschlossen, ζ. B. ¿neidn ,schneiden', reim ,reiten' (vgl. § 29g) 250 . e) Vor der Lautfolge mnfr. ht, die entweder als χΐ, xt erhalten oder bei der das t geschwunden ist, wurde mnfr. î — û — û gekürzt und zu e — o — ö gesenkt, ζ. Β. άβχί, άβχ .dicht' (mnfr. diht), doxt, dox, deuchte', Ιοχί, Ιοχ .Leuchter' 251 . Dieselbe Entwicklung gilt vor ht auch für mnfr. i — u — ü und ie — uo — üe.
§ 17 b i s § 2 1 D e r t h ü r i n g i s c h e G r o ß r a u m Übersicht : § 17 Übersicht und ReihengestaJtung — Die Monophthong/Diphthonggrenze. 249 250 251
4 2 6 . HARENBERG, S . 2 0 0 , 2 2 9 ; vgl. a u c h 4 2 7 . NEUSE, S . 1 0 3 , 1 3 9 . 4 2 6 . HANENBERG. S. 1 9 8 , 2 0 3 ; 4 2 7 . NEUSE, S. 1 0 2 , 1 0 3 , 1 0 7 . 4 2 6 . HANENBERG, S . 1 9 8 , 2 0 0 , 2 0 3 ; 4 2 7 . NEUSE, S. 1 0 0 , 1 0 7 .
§ 17 bis § 21 Der thüringische Großraum
143
§ 18 Das südhennebergische Diphthongierungsgebiet, a) Die phonologisch relevante Spaltung der Reihe mhd. î — û — u in EI — OU — ÖÜ und AI — AU — AÜ durch daa Quantitätengesetz. b) Einheitliche Diphthonge EI — OU — ÖÜ in allen Stellungen im hennebergisch-osthessischen Übergangsgebiet. — Lautkombinatorische Erscheinungen: c) Bildung eines Gleitlautes I nach OU, AU vor Dentalen in Teilen des Südhennebergischen, d) Rundung von AI, EI zu AÜ,ÖÜ in Umgebung von mit Lippenrundung gebildeten Konsonanten. § 19 Das ost- und nordhessische Diphthongierungsgebiet, a) Die phonologisch relevante Spaltung der Reihe mhd. î — û — ü in EI — OU (— ÖÜ) und AI — AU — (— AÜ) durch das Quantitätengesetz im südlichen Osthessischen, b) Einheitliche Diphthonge EI — OU in allen Stellungen um Herbstein im westlichen Osthessischen, c) Die phonologisch relevante Spaltung der Reihe mhd. î — û — ü in EI — OU und AI — AU durch die nordhessische Kürzung in einem schmalen osthessischen Weststreiien ab Ν Herbstein und im Nordhessischen außer dem osthessisch-nordhessischen Übergangsgebiet der Schwalm. d) Spezifische Entwicklungen im oberen Lahn- und Edergebiet im westlichen Nordhessischen, e) Die Spaltung der Reihe mhd. î — û — S ία I — U und EI — OU durch die nordhessische Kürzung um Wildungen, f) Die durch Palatovelarität gestörte Reihe EI—50 in allen Stellungen im osthessischnordhessischen Übergangsgebiet der Schwalm. — Lautkombinatorische Erscheinungen : g) Der Diphthong OU vor bilabialem ν aus mhd. b im osthessischen Weststreifen und im Nordhessischen, h) Kürzungen vor mhd. ch und sch in der Schwalm und im nordhessischen Westen, j) Kürzung und „Gutturalisierung" vor stimmlosen Labialen und Dentalen um Wildungen und in der nördlichen Schwalm. § 20 Das hennebergische, ost- und nordhessische und zentral- und nordthüringische Monophthonggebiet, a) Die gekoppelte Reihe / — U (— Ü) des mittleren und nördlichen Hennebergischen und mittleren Osthessischen, b) Die durch Palatalisierung gestörte Reihe / — Ü des nördlichen Osthessischen, südöstlichen Nordhessischen und nordhessisch-thüringischen Übergangsgebietes, c) Reihenauflösung durch Palatovelardiphthongierung und Entpalatalisierung von mhd. û zu U I um Fritzlar — Gudensberg und Spangenberg im Nordhessischen, d) Die gekoppelte Reihe I — U (— Ü) dea nordöstlichen Nordhessischen, e) Die gekoppelte bzw. durch Palatovelarität gestörte Reihe I — U, 0 im Zentral- und Nordthüringischen. — Lautkombinatorische Erscheinungen: f) Kürzungen, g) Bildung eines Gleitlautes I nach U f ü r mhd. û vor Dentalen im Hennebergischen und Osthessischen, h) Rundung von / zu Ü in Umgebung von mit Lippenrundung gebildeten Konsonanten im Hennebergischen und südlichen Osthessischen. § 21 Das ostthüringische Diphthongierungsgebiet, a) Die durch Palatovelarität gestörte Extremdiphthongreihe AI—0CU. b) Reihenauflösung auf der 2. Entwicklungsstufe mit entpalatalisiertem O l für mhd. î + u und palatovelarem DU für mhd. û im „Stellerland". — Lautkombinatorische Erscheinung: c) Relikte ursprünglicher Kürzungen.
§17
Der thüringische Großraum ist einerseits durch die Erhaltung der Monophthonge I —V (— Ü) im mittleren und nördlichen Hennebergischen, im allergrößten Teil des Osthessischen, im Osten des Nordhessischen und im Zentral- und Nordthüringischen und andererseits durch die letzten Ausläufer der Diphthongierung im südlichen Hennebergischen, südlichen und Westlichen Osthessischen und westlichen Nordhessischen gekennzeichnet.
144
Die Entwicklung der Reihe mhd. î — û — ü vor Konsonanten
Die Extremdiphthonge des Ostthüringischen entpuppen sich bei näherer Betrachtung als eine obersächsische Überlagerung ursprünglicher Monophthonge, so daß sie außerhalb einer autochthonen Entwicklung stehen. An den ursprünglichen Zustand gemahnen noch die zahlreichen bewahrten Kürzungen zu I — U und der lange Monophthong in den Wörtern zlizd .Federn schleißen' und glizd ,gleißen'. Wie im nördlichen Ostfränkischen des Würzburger Raumes ist die Diphthongierung zu einem Zeitpunkt eingetreten, zu dem das Quantitätengesetz noch nicht wirksam war. Sein Eintritt während des Diphthongierungsprozesses hatte eine phonologisch relevante Spaltung der Reihe mhd. î — û — û im Südhennebergischen und in Teilen des Osthessischen zur Folge: Während unter dem Einfluß des Quantitätengesetzes die Diphthongierung auf der zweiten Entwicklungsstufe EI — OU (— ÖÜ) stehenblieb, gedieh sie in allen übrigen Stellungen bis zur Extremdiphthongstufe AI — AU (— AÜ). An Weiterentwicklungen der Reihe EI—OU — ÖÜ stellt man im Südhennebergischen um Meiningen — Themar — W Suhl öfters Monophthongierung zu E — 0 — Ö und um Schleusingen — Suhl auf Grund einer extremdiphthongnahen Aussprache Reduzierung des ersten Gliedes und Monophthongierung des zweiten und dritten zu normalem bzw. hellem A fest. Nicht wirksam wurde dagegen das Quantitätengesetz im osthessisch-hennebergischen Übergangsgebiet von Brückenau bis Fladungen und im westlichen Osthessischen um Herbstein, wo in allen Stellungen einheitliche Diphthonge der zweiten Stufe EI — OU (— ÖÜ) gesprochen werden. Im Nordhessischen wirkt wie auf die Reihe mhd. ie — uo — üe auch auf die Reihe mhd. î — û — û eine im Vergleich zum ostfränkisch-hennebergisch-osthessischenQuantitätengesetz erweiterte Kürzungsregel, die ebenfalls eine phonologisch relevante Spaltung der Reihe mhd. î — û — û in die Reihen EI — OU und AI — AU zur Folge hat. Nur um Wildungen an der Monophthong/Diphthonggrenze vollzog sich diese Spaltung auf einer um einen Grad geringeren Entwicklungsstufe, indem Kürzung zu / — U eintrat und die Diphthongierung nur bis zur zweiten Stufe EI — OU gelangte. Eine Ausnahme macht innerhalb dieses Großraumes das osthessisch-nordhessische Übergangsgebiet der Schwalm an der Monophthong/ Diphthonggrenze, wo in allen Stellungen gleichartige Diphthonge der zweiten Stufe herrschen. Für das Nordhessische wären noch einige spezifische Entwicklungen anzuführen: I m obersten Lahngebiet gilt wie im Hessischen Entpalatalisierung des Umlauts zu Ol, das unter dem Einfluß des Kürzungsgesetzes geschlossen, sonst aber offen gesprochen wird. Im anschließenden Gebiet um Banfe und Laasphe entzog sich der gerundete Umlaut ÖÜ der Öffnung zum Extremdiphthong, so daß er beim Eintritt der Entrundung als offenes EI mit dem Umlaut der unter Einwirkung der Kürzung stehenden Reihe zusammenfiel. Im Banfegebiet wurde dann dieses EI zu € Y velarisiert und über 3 Y schließlich zu O l entpalatalisiert. I n Teilen des
§17
bis § 21 Der thüringische
Großraum
145
oberen Edergebietes erfolgte die Monophthongierung der Reihe EI — DU zu E — 0, die als Kürzen in das Kurzvokalsystem übergetreten sind. Im Monophthonggebiet, wo sich die Wirksamkeit der beiden Kürzungsgesetze fortsetzt, werden die Kürzungen im Langvokalsystem phonologisch nicht relevant, da sie zu kurzen Monophthongen I — U (— Ü) geführt haben. Im Gegensatz zur Reihe mhd. ie — uo — üe erstreckt sich die Kürzung im Nordhessischen bis nahezu an die hd./nd. Sprachscheide; nur eine Enklave Ν Kassel im äußersten Norden bleibt davon unberührt. Vom Ostthüringischen wäre das in mancher Hinsicht von der Umgebung abweichende „Stellerland" zu nennen, wo Diphthonge der zweiten Entwicklungsstufe erhalten blieben. Da EI zu 6 F velarisiert und schließlich über 3 Y zu O l entpalatalisiert wurde, löste sich die ohnehin durch Palato velarität gestörte Reihe auf. Die Koppelung der zweigliedrigen Reihen ist weitgehend durch Palatalisierung von mhd. û gestört. Sie erfaßt in unterschiedlicher Ausprägung den Monophthong des nördlichen Osthessischen, des östlichen Nordhessischen und des Zentralthüringischen, den Diphthong der zweiten Entwicklungsstufe im westlichen Nordhessischen und in der Schwalm und den Extremdiphthong in Teilen des westlichen Nordhessischen und des Ostthüringischen. Im Nordhessischen wurde teilweise 3Ü zu O l entpalatalisiert, so daß sich die betreffende Reihe auflöste. Palatovelardiphthongierung von mhd. û und Entpalatalisierung zu Í71 verursachte in zwei kleinen nordhessischen Gebieten um Fritzlar — Gudensberg und um Spangenberg an der Nordgrenze der Palatalisierung ebenfalls Reihenauflösung. Von der allgemeinen Palatalisierung streng zu trennen ist die Bildung eines palatalen Gleitlautes I nach U, OU oder AU für mhd. û vor Dentalen, 1 und η als Folge ursprünglich palataler Artikulation dieser Konsonanten im Hennebergischen und südlichen Osthessischen. Die Diphthongreihen bleiben im allgemeinen von anderen Diphthongreihen getrennt. Nur um Schleusingen — Suhl im Südhennebergischen fiel die dem Quantitätengesetz unterworfene und weiterentwickelte Reihe mhd. î — û — u mit der ebenfalls dem Quantitätengesetz unterliegenden Reihe mhd. ei — ou — öü zusammen, wobei die neuen Monophthonge als normales bzw. helles A für das zweite und dritte Glied ins Monophthongsystem übertraten, während der reduzierte Diphthong für das erste Glied eine isolierte Stellung im Diphthongsystem einnimmt. Der Übertritt ins Monophthongsystem erfolgte auch bei der öfters zu beobachtenden Monophthongierung der zweiten Reihe zu E — 0 — Ö um Meiningen — Themar — W Suhl. Jung ist der Zusammenfall der monophthongischen Reihe I — U des Nordhessischen und Nordthüringischen mit der Reihe mhd. ie — uo — üe und teilweise noch mit der sich anschließenden Reihe mhd. ê — ô — o. Noch bis in den Anfang unseres Jahrhunderts waren diese Reihen dadurch getrennt, daß mhd. ie — uo — üe ( + mhd. ê — ô — o) als offenes I — U gesprochen wurden. Zu den durch diesen Zusammenfall bedingten phono10 Wieeinger Band I
146
Die Entwicklung der Reihe mhd. î — û — ü vor Konsonanten
logischen Veränderungen vgl. §49a und § 125 a. Auf die phonologischen Stellungen der kleinräumigen spezifischen Weiterentwicklungen im westlichen Nordhessischen wollen wir erst in dem betreffenden Abschnitt § 19d eingehen. Ehe wir uns den einzelnen Entwicklungen zuwenden, nennen wir den Verlauf der Monophthong/Diphthonggrenze. Sie beginnt an der hd./nd. Sprachscheide bei Naumburg und verläuft über Züschen — W *Fritzlar 2 5 2 — Borken — *Schwarzenborn — W *Grebenau — *Lauterbach — südlich der oberen Fulda — S *Kalten-Nordheim — *Wasungen — W Zella — Plaue — W und S *Amt Gehren — Königsee — S, W und Ν Stadt Ilm — Kranichfeld - W Berka — Neumark — O *Cölleda — W Wiehe — Artern — Sangerhausen — W Mansfeld und erreicht bei Aschersleben wieder die hd./nd. Sprachscheide. § 18 Das südhennebergische Diphthongierungsgebiet a) Die schon im nördlichen Würzburger Raum des Ostfränkischen durch das Quantitätengesetz hervorgerufene Spaltung der Reihe mhd. î — û — û in zwei Diphthongreihen findet im Südhennebergischen bis etwa zur Linie Brückenau — Bischofsheim — Ostheim — W Meiningen im Westen, der Diphthong/Monophthonggrenze im Norden und der Linie W Themar — Suhl — Zella im Osten ihre Fortsetzimg. An Lautwerten stehen hier der Extremdiphthongreihe ae — ao — aö, qö, ay¡ mit angeglichenen Komponenten zunächst noch offene Diphthonge çi — QU — ρω, im Norden ab etwa Meiningen — Themar — W Suhl aber geschlossene Diphthonge ei — ou — öü gegenüber, die öfters zu e — o — ö monophthongiert werden 253 . I m Osten um Suhl, wo für die unter dem Einfluß des Quantitätengesetzes stehende zweite Reihe extremdiphthongnahe Lautungen üblich waren, wurden diese reduziert bzw. monophthongiert: So hört man dort statt EI helles reduziertes a e , statt OU normales kurzes a und statt ÖÜ helles, nach überoffenem ä geneigtes α 2 5 4 . Wie im Ostfränkischen ist heute die Diffe252
Ein dem Ortsnamen vorgesetztes Sternchen besagt, daß im betreffenden Ort die Monophthonge erhalten sind. 253 Vgl. 428. SPIESS, S. 12f., die DSA-Beispiele und die Schreibungen bei G. BRÜCKNER, Die hemiebergische Mundart. In: Die deutschen Mundarten 2 , hg. K . PROMMANN, Nürnberg 1855, S. 211—221, 320-331 und 494-501, besonders S. 328ff.; Κ. E. STERTZING, Fränkisch-hennebergische Mundart des Dorfes Neubrunn bei Meiningen. In: ebda S . 267—280; G. F. STERTZING, Lieder in fränkisch-hennebergischer Mundart mit sprachlichen Anmerkungen. In: ebda S. 72—79, 167 — 173 und 396—407, aus denen die obige Scheidung klar hervorgeht. Dagegen nennt 429. BRACKE, S. 115, 119ff., für die 2. Reihe offene Monophthonge } — % — korrigiert sich aber auf S. 210, indem er dort erwähnt, daß die Sprecher für solche Beispiele auch Diphthonge vom Typus EI — OU — ÖÜ verwenden, deren Entstehung aber m. E. falsch erklärt wird. 254 4 30. K O B E R , S. 49, 54ff.
§ 17 bis § 21 Der thüringische
Oroßraum
147
renzierung beider Reihen zugunsten einheitlicher Extremdiphthonge stark zurückgegangen. Beispiele aus Suhl 2 6 4 îsen — aez3 — Eisen rîben — raeb — reiben glîzen — glae? — gleißen glichen — c/laej — gleichen krûter lûse krûze buche
krût — ti9r
§ 26 Das Hoch/preußische
177
,Haustortür'). Dieselben Ergebnisse weist für mhd. î und mhd. û auch der Norden um Altstadt auf, wo der entpalatalisierte Umlaut zu çv, ζ. Β. pjoíar ,Euter', gekürzt worden ist. Um Kronau im Süden des Trübauer Gebietes ist AI für mhd. î + û vor Gutturalen und Labialen nur zu ae reduziert, z . B . sraept
,schreibt',
pjaeft
.pfeift', lae%t ,leicht', haefln
.häufeln', lae%t9r
.Leuchter', vor Dentalen aber gänzlich zu a monophthongiert worden, ζ. B. sast .scheißt', snat .schneidet', lat,läutet', gsfrast .Frost'; auch mhd. û wird hier zu a monophthongiert, ζ. B. kam ,kaum'. Das Müglitzer Gebiet zeigt für mhd. î + û den Kurzdiphthong §», z. B. smçmt ,schmeißt', ρζηχί .Beichte', ,Euter', und für mhd. û, diesmal in mehreren Beispielen, a, ζ. B. dras ,draußen', asvendik ,auswendig'. Endlich hat das Kirchspiel Meedl die gesamte Reihe zu a gekürzt, ζ. B. daksl .Deichsel', safl .Schaufel', laxtn .leuchten'. e) In den Sprachinseln D e u t s c h - B r o d e k 3 6 9 , W a c h t l und Olmütz mit Nebotein begegnet eine zweigliedrig reguläre Extremdiphthongreihe mit Umlautentrundung. Die Komponenten der Diphthonge äe — äo sind einander stark angeglichen. In Deutsch-Brodek ergab die Kürzung vor ursprünglichen und vor durch Synkope entstandenen Konsonantenhäufungen für mhd. î + û offenes ç und für mhd. û α, ζ. B . bçs9 .weißer', klapt
.klaubt', Içtn .läuten'.
Beispiele aus Deutsch-Brodek 369 lip — läep — Leib rûschen — râozn — rauschen brûtegam — bräetigd — Bräutigam
§ 26 D a s H o c h p r e u ß i s c h e Auch das Hochpreußische hat die Diphthongierung bis zur Extremstufe AI — AU durchgeführt, deren Grenze genau mit der hochpreußisch/niederpreußischen Trennungslinie zusammenfällt. Im Breslauischen im Osten und im Rosenbergischen im Südwesten hört man allgemein die wenig gespannten Diphthonge ae, — ao mit leicht angeglichenen Komponenten, wobei AI oftmals zur hellen Aussprache ite neigt 370 . Im Oberländischen ist der nach der palatalen Seite geneigte Klang des Diphthongs AI noch wesentlich stärker ausgeprägt, so daß dieser mit äe wiedergegeben werden kann. Auch die A -Komponente des Diphthonges AU klingt gegenüber dem
889 370
12
5 5 9 . BLÖSL, S . 6 5 , 6 8 , 7 8 . 5 6 1 . STTJHBMAIW, S . 2 0 f f . ; 5 6 2 . K U C K , S . 1 2 4 f . Wieeinger Band I
178
Die Entwicklung der Reihe mhd. î — Û — u vor Konsonanten
Breslauischen und Rosenbergischen ein klein wenig dunkler, etwa lët — blöde böse — bê:s — böse
!80 3 9 5 . BACH, S . 2 7 0 . " I 3 8 1 . PALGEN, S. 2 1 f .
— — — — — — -
— groß — rot — Trost — stoßen — Rose — Thron — Bohne — schonen — froh
Schloße rot Ostern stoßen Rose Lohn Floh
§ 43 bis § 45 Das Mittelfränkische
schone — sê:n *rowe — ri:
257
— schön — roh
Beispiele aus Wallerode NO St. Vith 1 8 2 lêren — lî:rs — lehren
mê
ôr — û:r — Ohr döse — d%us — Dose schôz — st^us — Schoß — m\ì — mehr lô — Ιψι — Lohe hören — hu:rd — hören böse — bijfis — böse pl. zu kloster — klyMster — Klöster *strowe — striiü — Stroh
c) Der linksrheinische Osten des Moselfränkischen zeigt im Anschluß an das Rheinfränkische bis zur Linie O Bolchen — Busendorf — O Merzig — W Wadern — östlich der unteren Saar ab Saarburg bis O Trier/Mosel — unmittelbar links der Mosel bis Bernkastel — Trarbach/Mosel — der Hunsrück — St. Goar/Rhein weitgehend die gekoppelte geschlossene Monophthongreihe ë — ô, die in den Gebieten mit rheinischer Akzentuierung ganz oder teilweise zu ê: — ô: geschärft ist 1 8 3 . Im Bereich des Ruwertales bei Trier ist die Koppelung durch Palatovelarität von mhd. ô als ö: gestört 1 7 9 . Vereinzelt neigen die Monophthonge zu steigender Diphthongierung. Innerhalb des E — O-Bereiches finden sich besonders im Hoch- und Idarwald Restbeispiele mit den einst weiter verbreiteten Extremlauten î: — û:, die die Brücke zu den beiden im moselfränkisch-rheinfränkischen Übergangsbereich gelegenen I — [/-Inseln als den östlichsten Ausläufern des moselfränkischen Extremlautbereiches herstellen (vgl. § 41 e). Beispiele aus Diefflen und aus Kenn siehe oben. d) Um Bolchen — Busendorf im Westlothringischen trat fallende Diphthongierung der Monophthonge zu geschlossenem ea — öd ein. Beispiele (ohne Angabe der Akzentuierung) wê — vë3 — weh
brôt — prödt — Brot grôzer — krèasn — größer
e) Im oberen Mosel- und unteren Saargebiet ab der Linie S Sierk/Mosel — W Busendorf — O Merzig/Saar — W Wadern — O Saarburg/Saar — S Trier/Mosel setzen bereits die mittelfränkischen Verhältnisse mit geschlos182 3 9 2 . THEISSEN, S . 9 6 , 1 0 0 , 1 0 3 . 183 3 6 7 . Τ AKRAL, S . 2 5 , 2 7 f . ; 3 6 8 . FRISCH, S . 2 9 ; 3 6 9 . SCHOLL, S . 3 7 , 3 8 ; 3 7 0 . B A L D E S , S. 14, 1 8 f . ; 3 7 1 . KLAU, S. 10, 1 1 ; 3 0 , 3 1 ; 3 9 3 . SCHNATZ, S . 8 9 , 9 8 f . 17
Wiesinger Band I
3 7 2 . MÜLLER, S . 8 9 , 9 8 ; 3 7 3 . LEHNERT, S . 2 9 ,
258
Die Entwicklung der Reihe ttihd. ê — 6 — ö
senen Extremlauten î: — û: ein. Gleichzeitig bildet dieses Gebiet den Übergang zur westlothringisch-luxemburgischen Diphthongierungslandschaft, indem hier im Auslaut bereits die Diphthongierung zu geschlossenem bis leicht offenem f i . — ç'u. einsetzt, wobei mhd. ô oftmals zu γυ. palatalisiert ist. Dieser ursprüngliche Zustand ist allerdings durch Sprachbewegung etwas verwischt worden, indem teilweise auch im Inlaut in luxemburgischer Weise Diphthonge gesprochen werden184. Beispiele aus Wehingen/Merzig185 êwich — ΐ:ν9χ — ewig bêde — bî:t — beide klê — klfi. — Klee sê — z f i . — See lösen — lî:zdn stôze — i(î:s *rôwe — r f i . *strôwe — strfi.
ôstern — û:stdnn lôt — lû:t vrô — jrçu. lô — Içu. — lösen — Stöße — roh — Stroh
— Ostern — Lot — froh — Lohe
f ) Den westlothringischen Moselbereich und das Luxemburgische bis zur Linie Sprachgrenze NW Cleri — Cleri — die Our bis NW Vianden — Diekirch/Sauer — Mündung der Sauer in die Mosel erfüllen steigende geschlossene bis leicht offene Diphthonge f i . — çu. bzw. çi — ρ« 18β , die aus den im Norden noch erhaltenen Extremlauten hervorgegangen sind. Weitgehend ist die Koppelung dieser Reihe durch Palatovelarität von mhd. ô als ç'u., çu gestört. Gelegentlich ging dieses auch in velopalatales çu., çu über oder wurde sogar zu fu., çu entvelarisiert, was die Auflösung der Reihe zur Folge hat. Beispiele aus Esch-Alzette siehe oben. g) Der größte Teil des Moselfränkischen mit dem nördlichen Luxemburg südlich der oberen Our und unteren Sauer, der Eifel, dem unteren Moselraum und dem Westerwald hat die mittelfränkischen Extremlaute als zweigliedrig gekoppelte Reihe î: — Û: bzw. i — ü oder als dreigliedrig gekoppelte Reihe î: — û: — û: bzw. ï — ü — ü bewahrt 187 . Vereinzelt, wie 184
3 7 4 . MÜLLER-WEHINGEN, S . 2 3 f . ; 3 7 5 . TUCHS, S . 3 8 , 4 3 , 4 4 ; 3 7 6 . T H I E S , S . 9 1 , 9 2 ; 3 7 7 . HOFFMANN, S . 1 4 , 1 5 , 1 6 .
185
3 7 4 . MÜLLER-WEHINGEN, S . 2 3 f .
18« Diese Diphthonge werden im Gegensatz zu den sehr offenen für mhd. î — û — ü in der Literatur, offenbar der Einfachheit halber, allgemein als geschlossen bezeichnet. Nur 382. PETER, S. 99, 106ff., und 383. BERTRANG, S. 150, 155ff., geben die für jeden Außenstehenden sofort hörbare leicht offene bis offene Qualität an. — 3 7 8 . FOLLMANN, S . 1 4 , 1 5 , 1 8 ; 3 8 1 . PALGEN, S . 2 1 f . ; 3 8 6 . PALGEN, S . 1 5 f . 187
3 9 0 . BRUCH, S . 2 9 f . ; 3 8 5 .
LUDWIG, S . 2 1 , 2 3 ;
3 8 7 . ENGELMANN, S . 3 8 f f . ;
SCHNATZ, S . 8 9 , 9 8 f . ; 3 9 6 . B L E Y E R , S . 2 3 , 2 4 f . ; 3 9 7 . HOMMER, S . 3 5 , 3 6 .
393.
§ 43 bis § 45 Das Mittelfränkieche
259
ζ. B. in Echternach, hat die Schärfung vor Konsonanten regelrechte Kürzung zu i — u bewirkt 1 8 8 . Die Süd- und Ostgrenze der Extremlaute ergibt sich aus den Abschnitten c und f ; sie stehen mit dem Hessischen in räumlichem Zusammenhang (vgl. § 42 a). Beispiele aus Sörth NO Altenkirchen (ohne Angabe der Akzentuierung) 189 slê — zìi — Schlehe klôster — glüzdw — Kloster êwich — ϊν\χ — ewig nôt — nüf — Not schoze — züs — Schöße loden — lürsn — löten h) Innerhalb dieses Extremlautbereiches liegen um St. Yith und im Baum W Wittlich in der Eifel sowie um Montabaur und Ν Hadamar im Westerwald vier Inseln, in denen außer vor r steigende Diphthongierung eintrat. Während um St. Vith noch die erste Entwicklungsstufe mit stets ungeschärftem, aber kurzem {i — y¡u (— yü) begegnet, ist sonst mit ei. — o'u. bzw. ei — ou bereits eine deutlichere Ausprägung erreicht worden 1 9 0 . Beispiele aus Wallerode und Arzbach siehe oben. j) I m moselfränkisch-ripuarischen mittleren Sieggebiet mit dem moselfränkisch-hessischen Übergangsgebiet zwischen Ν Altenkirchen — Haiger — S Siegen — Ν Freudenberg — östlich der obersten Bröl wurden die Extremlaute zu id — wa — «a fallend diphthongiert, wobei im Westen die Schärfung fehlt. Am Ostrand dieses Gebiets blieben wie im anschließenden Siegerländischen die Monophthonge im Auslaut erhalten 1 9 1 . Beispiele aus Wissenbach NW Dillenburg 192 zêwe — dzÏ9V — Zehe ròse — rüds — Rose wê — vi — weh vlô — ylü — Floh klôze — glids — Klöße vlôhe — vii — Flöhe Innerhalb dieses Bereiches wurde im Wort ,hoch' die fallende zweite Diphthongkomponente durch die palatale Artikulation des Reibelautes weitgehendst zu I gewandelt, was zum steigenden Diphthong üi führte: hüij, άΰίχ, oder sie schwand gänzlich: hüj, hü"/193. « 8 3 8 6 . Ρ ALGEN, S . 2 9 f f . 189
3 9 7 . HOMMER, S . 1 8 , 1 9 .
190
391. H E I D E R S C H E I D , S . 141, 144ff.; 392. THEISSEN, S . 96, 100, 103; 395. B A C H , S. 270. 397. HOMMER, S. 35, 36; 399. K E U T E R , S. 36; 361. K R O H , S. 198, 202, 204; 407a.
191
SCHULTE, S . 4 7 , 4 5 , 4 6 . 192
3 6 1 . KROH, S. 9 3 , 9 4 , 9 6 .
193
Vgl. die DSA-Karte „hoch" und 361. K R O H , S. 232.
17*
260
Die Entwicklung der Reihe rrìhd. ê — 6 — ö
k) Im Siegerländischen blieben im Auslaut und vor mhd. ch die geschlossenen Monophthonge è — ö (— δ) fast überall bewahrt, ζ. B. vë ,weh', rö ,roh', höx ,hoch', hë ,Anhöhe', während vor Konsonanten außer mhd. ch folgende Entwicklungen zu beobachten sind: Der Südosten östlich der Stadt weist wie das anschließende Nordhessische auch vor Konsonanten die geschlossenen Monophthonge ë — δ auf. Im Südwesten erfolgte fallende Diphthongierung zu ea — öa (— oa), die gelegentlich auch auf den Auslaut übergriff. Im Norden um Ferndorf und Hilchenbach trat Schließung der fallenden Diphthonge zu geschlossenem Ϊ9 — Ü9 — Û9 ein, wobei sich gegen das EA — OA — ¿L4-Gebiet mit offenem fa — ya — die Übergänge allmählich vollziehen 194 . Beispiele aus Irmgarteichen O Siegen wênich — veni χ — wenig dôt — döt — tot böse — bës — böse Beispiele aus Eisern S Siegen 1 9 5 sêle — zëdl — Seele
ròse — rods — Rose klôze — glëds — Klöße
Beispiele aus Allenbach W Hilchenbach êwich — ϊθν^χ — ewig
grôz — grüds — groß losen — lüdzd — lösen
1) Im Nordwesten des Moselfränkischen tritt wieder vor dentalen Verschlußlauten die sogenannte „rheinische Gutturalisierung" als Kürzlingsbzw. Verhärtungserscheinung von in- und auslautendem d — t (aus westgerm. d) zu d — t, gd — let oder g — k ein. Die Verbreitung ist wesentlich geringer als bei mhd. î — û — u (vgl. § 14 k) und erstreckt sich innerhalb der Linie südlich der Our und Sauer in Luxemburg — Trier/Mosel — westlich des Salmtales — S Prüm — Sprachgrenze bei Malmedy, doch ohne das ripuarische Recht mit erhaltenem d — t bei Schärfung der Monophthonge. Gebietsweise stehen sich als Haupttypen gegenüber: ahbft, dy,t, bl}t (blüt) — alvbjkt, dukt, bljkt (blükt) — akbfk, duk, bl\k (blük) ,allebeide' (mhd. bêde), , t o t ' , , b l ö d e ' ; ruddn, djddn (dyddn) — ry,gd9n, djgdsn (dügddn) — ry.qvn, djgdn (dügsn) ,den r o t e n ' , , t ö t e n ' 1 9 6 .
§ 45 Das Ripuarische a) Im Ripuarischen sind bei erhaltener Umlautrundung die Reihen stets dreigliedrig gekoppelt. Nur in Recht NW St. Vith tritt wie immer bei 1 9 4
3 9 9 . B E U T E R , S . 3 6 ; 4 0 0 . SCHMIDT, S . 8 0 , 8 8 f f . ; 4 0 1 . HEINZERLING, S . 3 6 , 3 8 .
« s 400. SCHMIDT, S . 80, 88ff. 1 9 6 Vgl. 380. B R U C H , S . 109ff., und die DSA-Karten „tot" und „rote".
§ 43 bis § 45 Das Mittelfränkische
261
Umlautentrundung eine zweigliedrig gekoppelte Reihe auf. Der Reihe mhd. ê — ô — ô hat sich in den linksrheinischen Gebieten und im rechtsrheinischen Norden mit dem Nordoststreifen mhd. sΘ angeschlossen. I m Monophthonggebiet fiel die Reihe neuerdings teilweise mit der geschärften Reihe mhd. î — û — u zusammen. I n dem dem Nordoststreifen westlich vorgelagerten Diphthonggebiet sowie im Süden des Nordoststreifens selbst erfolgte Zusammenfall mit der Reihe mhd. ie — uo — üe. Sehr jungen Datums ist in letzterem Gebiet der Zusammenfall mit der bei e-Apokope geschärften Reihe mhd. ei — ou — öü. Um Werden im Nordoststreifen bilden die Monophthonge Ë — Ö — Ö mit der Reihe mhd. ie — uo — üe eine Einheit. I m Gebiet der fallenden Diphthonge E A — OA — ÖA von der Wiehl über die oberste Bröl bis zur Agger h a t sich der Reihe mhd. ê — ô — o die Reihe mhd. Dehnungs-e — ö — ö angeschlossen. An Besonderheiten wären zu nennen die hochsprachliche Lautung yrô.s ,groß' u m Köln und um Hittdorf ; das in Analogie zum Verbum ,schneien' gebildete Substantiv ,Schnee' im weiten Umkreis von Köln; und das wie schon im größten Teil des Moselfränkischen außer im Westen, Norden und Nordosten ohne auslautendes -ch gebildete Adjektiv ,hoch', das dann die spezifischen Entwicklungen im Auslaut mitmachen konnte 1 9 7 . b) Die Reihe unterliegt nahezu im gesamten Gebiet nach Regel A in allen Stellungen der Schärfung 1 9 8 . Nur im Osten fehlt bei fallender Diphthongierung die Schärfung, während sie bei im Auslaut bewahrten Monophthongen fortbesteht 1 9 9 . U m Remscheid, Kronenberg und Ronsdorf im Nordoststreifen beobachtet L E I H E N E B je nach der Stellung des geschärften Diphthonges einen phonologisch relevanten Quantitätsunterschied, indem bei e-Apokope nach ehemals stimmhaften Konsonanten ein kürzerer Diphthong auftritt als in den übrigen Stellungen 2 0 0 . Wir wollen diesen Unterschied mit ra. — wd. — ü'd. gegenüber ra. — M'a. — ω-a. festhalten. c) Wie schon in der Einleitung festgestellt wurde (§ 31a), fehlt die Spalt u n g der germ. Reihe ai — au im Niederfränkischen. Die Nordgrenze der Trennung beginnt heute Ν Straelen und verläuft über Geldern — Krefeld — Düsseldorf/Rhein — rechts des Rheins bis Urdingen — W Mörs — Orsoy/ Rhein — Oberhausen/Ruhr — hd./nd. Sprachscheide 0 Werden/Ruhr. Ursprünglich ist sie in der Höhe Kempten — Mörs verlaufen, so daß das heutige Fehlen der Trennung in dem schmalen Streifen beiderseits des Rheins zwischen Krefeld — Ürdingen — Düsseldorf jungen Datums ist. 197
Vgl. die DSA-Karten „groß", „Schnee" und „hoch". 198 Nach den Beispielen und Angaben der in den Anmerkungen 205, 206, 207, 208, 211, 212, 216 und 219 genannten Arbeiten. 199 v g l . 4 0 6 . MACKENBACH, S . 1 3 8 .
200 417. LEIHENEB, S. X X X I f .
262
Die Entwicklung der Reihe mhd. ê — 6 — ö
Dies geht aus Reliktbeispielen mit bewahrten ursprünglichen Extremlauten hervor. So lautet ,Stroh' noch in Düsseldorf und seiner nördlichen Umgebung eirw:201. Vereinzelt kommt ,Veilchen' noch als vijû:h (mhd. violen) vor 2 0 2 . Da für ,sehr' das Synonym ,arg' gebräuchlich ist, konnte sich weitgehend die Reliktlautung zî:r behaupten 203 . In Krefeld waren um 1870 bei der älteren Generation vor r noch regelmäßig die Extremlaute üblich, z. B. kî:r ,Kehre', lî:n ,lehren', û:r ,Ohr', hü:η ,hören' 204 . d) Ausgangsbasis für die weiteren Entwicklungen sind die geschärften Extremlaute i: — Û: — û:. Sie werden jedoch nur selten, besonders in Köln und im rechtsrheinischen Bereich, sowie inselhaft bei Umlautentrundung in Recht NW St. Vith an der Sprachgrenze rein monophthongisch gesprochen, so daß sie mit der geschärften Reihe mhd. î — û — û zusammenfallen 205 . Im linksrheinischen Gebiet um Köln klingt teilweise vor Konsonanten ein sehr schwacher fallender Nachschlag an, so daß man zögert, ob man noch î: — û: — u: oder schon besser ra. — ύ·9. — tra. transkribieren soll 206 . Immerhin kommt dadurch ein geringer, von den Sprechern selbst nicht wahrgenommener Minimalunterschied gegenüber geschärftem mhd. î — û — û zustande, der nur vor s etwas deutlicher hervortritt und dann auch weitgehend gehört wird. Vor Konsonanten werden die fallenden Diphthonge, wobei dann die Quantität der ersten Komponenten zu ¿"a. — wa. — ü'9. verringert wird, erst ab folgender Linie deutlich: Sprachgrenze bei Malmedy — oberstes Kylltal — S Blankenheim — etwa entlang der Ahr bis Ahrweiler — NW Remagen/Rhein — Ν Rheinbach — Euskirchen — Ν Zülpich — Cornelimünster — etwa die Inde — 0 Linnich — S Grevenbroich — Neuss/Rhein207. Im Auslaut setzt die deutliche Diphthongierung noch westlicher ab der Linie Sprachgrenze bei Malmedy — W Blankenheim — W Münstereifel — NW Gemünd — Cornelimünster — etwa die Inde — 0 Jülich — O Erkelenz — Odenkirchen — SO M.-Gladbach — Neuss/Rhein ein, so daß im Zwischenbereich den Diphthongen vor Konsonanten die Monophthonge î: — û: — u: im Auslaut gegenüberstehen208; nur in einem kleinen Gebiet 0 Jülich ist dieses Verhältnis umgekehrt.
201 4 1 6 . ZECK, S. 12.
202 Vgl. die DWA-Karte „Veilchen". 203 ygi. die DSA-Karte „sehr". 204 413. RÖTTSCHES, S. 44 und Textbeispiele. Dagegen zeigt der DSA auf Grund der Schulkinderaufnahme von 1880 nur mehr e — o — ¿¡-Schreibungen. 205 4 0 2 . MÜLLER, S . 4 ; 4 0 5 . MÜLLER, S. 57, 5 9 ; 4 0 6 . MACKENBACH, S. 31, 3 2 ; 4 0 7 . BUBNER, S. 37, 3 8 ; 4 1 6 . ZECK, S. 1 2 ; 3 9 2 . THEISSEN, S. 198, 2 0 0 .
206 Während sich 405. MÜLLER, S. 57, 59, bereits für die diphthongische Wiedergabe entscheidet, wählt 403. MÜNCH, S. 58, 57, noch die monophthongische.
207 4 0 4 . GEHLEN, S. 141, 143, 1 4 4 ; 4 0 8 . WELTER, S. 33, 3 4 ; 4 0 9 . WELTER, S. 1 0 ; 4 1 1 . FRINGS, S. 19, 2 0 ; 4 1 2 . RAMISCH, S. 9 . 208 4 1 0 . GREFERATH, S. 17, 18.
§ 43 bis § 45 Das
Mittelfränkieche
Beispiele aus Schlebusch NO Köln 2 0 9 êwich — î:vds — ewig me — mí: — mehr nôdich — nu:dds *strôwe — stru:
263
nôt — nû:t — Not vlô — vlû: — Floh — nötig — Stroh
Beispiele aus Schelsen O Odenkirchen 208 sêle — zvd.l — Seele grôt — yrû'd.t — groß slê — slî: — stumpf lô — lû: — Lohe pote — pû'd.t — Pfoten vlôhe — vlû: — Flöhe Beispiele aus Aachen 2 1 0 sêle — zid.l — Seele rê — ri'9. — Reh
schôz — sw3.s — Schoß vrô — vru'9. — froh kole — Icü'd.l — Kohl *rowe — rü-9. — roh
Im Osten setzt die Diphthongierung an der Linie Wermelskirchen — Burgdorf — Gräfrath — Gerresheim — Ratingen — O Kaiserswerth/Rhein — W Angermünd — Oberhausen ein. Auch hier gelten meist halblange Diphthonge r a . — û'd. — M'a.211. Um Remscheid und in einem geschlossenen Gebiet ab Barmen-Elberfeld — Wülfrath — W Kettwig klingen die zweiten Komponenten deutlich an A an, so daß man î'w. — û'v. — û'x>. hört 2 1 2 . Um Barmen-Elberfeld sind die ersten Komponenten bis é » . — ó'». — o w. geöffnet 2 1 3 . Beispiele aus Kronenberg 2 1 4 snê
— ànî'd. — d e r S c h n e e
rôt
— rû'd.t — r o t
snêwe — snvd. — dem Schnee rôde — ru'd.t — rote losen Iwd.zdn — lösen bose bü'd.s — böse Beispiele aus Mülheim/Ruhr 2 1 5 têwe — tî'n.m — Zehe sê
2
— sî'X).
— See
hôch — hû'K.x — hoch strô — strû'n. — Stroh klôte — klu'w.t — Hoden -Flöhe vlôhe — flû'w.
°9 407. BXJBNBE, S. 37, 38.
210
409. WELTES, S. 10.
211
4 1 7 . L E I H E N E B , S . X V I I ; 4 1 8 . H A S E N C L E V E R , S . 2 5 ; 4 2 0 . HOLTHAUS, S . 3 4 5 , 3 5 0 f .
212
4 1 5 . L O B B E S , S . 2 7 ; 4 1 9 . HOLTHAUSEN, S . 4 1 0 , 4 0 8 f . ; 4 2 1 A . H E L L B E R G , S . 4 5 , 4 2 ; 4 2 2 . B R E D T M A N N , S . 1 7 , 1 9 ; 4 2 4 . MAURMAKN, S . 2 0 , 2 1 f .
213
4 1 5 . LOBBES, S. 2 7 .
214
Nach Beispielen bei
4 1 7 . LEIHENEB.
4 2 4 . MAUBMANN, S . 2 0 , 2 1 f .
264
Die Entwicklung der Reihe mhd. é — 6 — ö
e) Um Duisburg — Mörs und getrennt davon nochmals um Werden/Ruhr begegnet man den alten geschlossenen und geschärften Monophthongen ê: -
6: -
ο: ζ".
Beispiele aus Werden/Ruhr 2 1 7 twê — tvê: — zwei stôten — stô:td — stoßen blöde — blö:t — blöde f) Die südwestlichen moselfränkisch-siegerländischen Verhältnisse mit erhaltenen Monophthongen' ë — δ — o im Auslaut und vor mhd. ch und fallenden Diphthongen êd — öd — oa vor Konsonanten außer ch setzen sich in den Bereich des Biggehochlandes nach Westen fort (vgl. §44k) 2 1 8 . Im anschließenden Raum der Wiehl, der obersten Bröl und der oberen Agger ab Ründeroth finden sich dann die nicht geschärften, fallenden Diphthonge auch im Auslaut. I m folgenden Gebiet der Agger um Engelskirchen und der Sülz um Lindlar begegnet wieder eine Trennung der Entwicklung, indem im Auslaut geschärfte Extremmonophthonge l: — û: — u: und vor Konsonanten nicht geschärfte, fallende Diphthonge v» — üd — wa gelten 2 1 9 . Beispiele aus dem Gebiet der obersten Bröl 2 1 9 sêle — zíil — Seele brôt — brödt — Brot wê — VPJ3 — weh
v r ô — vröd — f r o h
nödich — η09ά\χ — nötig *strôwe — strSd — Stroh Beispiele aus dem Gebiet der Agger um Engelskirchen 219 sêle — zldl — Seele lôt — lüdt — Lot klê — klî: — Klee hoch — hû: — hoch lösen — lüdzdri — lösen höhe — hu: — Höhe g) Westlich der Linien Monschau bis M.-Gladbach und in Fortsetzung bis Ürdingen/Rhein (vgl. § 15f), doch diesmal ohne den äußersten Nordoststreifen, ist wie immer inlautendes d geschwunden. Unabhängig von der Art der Endung erscheinen in Verbindung mit jener stets die Diphthonge u'3. — ü'9., z. B. n r a . ,rote', blü'9. ,blöde'220.
ZIE 4 1 4 . M E Y N E N , S . 2 1 ; 4 2 1 a . HELLBERG, S . 4 5 , 4 2 ; 4 2 3 . KOCH, S . 1 2 , 1 4 f . 4 2 3 . KOCH, S . 1 2 , 1 4 f . 218 4 0 7 a . SCHULTE, S . 4 7 , 4 5 , 4 6 ; 4 0 7 b . A R E N S , S . 5 4 , 8 3 , 8 6 . 21» 4 0 6 . MACKENBACH, S . 1 3 8 . 220
4 0 9 . W E L T E R , S . 1 0 ; 4 1 0 . GREFERATH, S . 1 8 ; 4 1 1 . FRINGS, S . 2 0 .
§ 46 bie § 49 Der thüringische Großraum § 46 bis § 49 D e r t h ü r i n g i s c h e
265
Großraum
Übersicht: § 46 Übersicht der Lautentwicklung. § 47 Das Hermebergische, a) Übersicht der Reihengestaltung, b) Reihenauflösung mit EA für mhd. ê und UE — ÜE für mhd. ô — mhd. Ò im südlichen und nordöstlichen Hennebergischen — Die phonologisch relevante Spaltung durch das Quantitätengesetz. c) Reihenauflösung mit offenem E für mhd. ê und geschlossenem O — ö für mhd. ô — mhd. o im nordwestlichen Hennebergischen und anschließenden Osthessischen — Kürzungen durch dasQuantitätengesetz. — Lautkombinatorische Erscheinungen: d) Bewahrung von 0 für mhd. ô vor Gutturalen, e) Bildung eines Gleitlautes I nach mhd. ô vor Dentalen. § 48 Das Ost- und Nordhessische, a) Übersicht der Reihengestaltung, b) Die gekoppelte Monophthongreihe E — O (— ö) — Gelegentlich steigende Diphthongierung zu EI — OU. c) Reihenauflösung durch Palatalisierung von mhd. ô zu 3 um Battenberg/Eder im Nordhessischen und im nordhessisch-thüringischen Übergangsgebiet. d) Die gekoppelte Extremlautreihe / — U zwischen O Sontra und Allendorf/ Werra und zwischen O Berka — O Vacha — W Eisenach. e) Kürzungen durch das Quantitätengesetz im Oathessischen. — Lautkombinatorische Erscheinungen: f) Bildung eines Gleitlautes I nach mhd. ô vor Dentalen im osthessischen Gebiet W Soden, g) Schließung von mhd. ê zu 1 durch progressive und regressive Nasaleinwirkung im nördlichen Osthessischen und im Nordhessischen — Analogiebildungen im Auslaut. § 49 Das Thüringische, a) Übersicht der Reihengestaltung, b) Pallende Diphthongierung der Extremlaute zu IE — UE, U6 im Zentralthüringischen, c) Unterschiedliche Entwicklung je nach der Stellung zwischen Ilmenau und Plaue: Diphthonge IE — UE im Auslaut, Monophthonge 1 — U vor Konsonanten, d) Steigende Diphthongierung zu EI — DU im zentralthüringisch-nordthüringischen Übergangsgebiet der Helbe. e) Offene Extremlaute / — U im südlichen Nordthüringischen, f) Überoffene Monophthonge E — O im westlichen Nordthüringischen — Pallende Diphthongierung zu EA — OA SO Dingelstedt. g) Geschlossene Monophthonge E — O im östlichen Nordthüringischen — Reihenauflösung mit überoffenem E für mhd. ê + ö gegenüber geschlossenem Ö für mhd. ô in Stiege am Unterharz, h) Die durch Palatovelarität gestörte Extremlautreihe I — Ö im Ostthüringischen. — Lautkombinatorische Erscheinung: j) Kürzungen.
§46 Die räumlichen Lagerungen der Entwicklungsergebnisse der Reihe mhd. ê — ô — 6 entsprechen etwa der Dreiteilung des Gesamtbereiches. I m Hennebergischen wurde die Reihe bei erhaltener Quantität aufgelöst, indem mhd. ê als fallender Diphthong EA i m Süden bzw. als offener Monophthong Ë i m Norden erhalten blieb, während mhd. ô und in entsprechender Weise sein Umlaut mhd. ô i m Süden zu UE — ÜE und im Norden zu O — ö geschlossen wurden. Diese Reihenauflösung vollzog sich jedoch erst nach dem Eintritt des Quantitätengesetzes, da bei Kürzung im Süden die gekoppelte Kurzdiphthongreihe EA — OA — ÖA bewahrt blieb. I m Ost- und Nordhessischen außer in einem kleinen Gebiet u m Berka — Vacha — Eisenach und westlich der Werra zwischen 0 Sontra und Allendorf mit Extremlauten I — U blieb die ursprüngliche E — O (— Ö)-Stufe
266
Die Entwicklung der Beihe mhd. ê — 6 — ö
geschlossener Aussprache bewahrt. Um Grebenau und um Vacha kam es zur steigenden Diphthongierung zu EI — OU. Mit der Bewahrung der ursprünglichen Lautwerte schiebt sich das Ost- und Nordhessische quasi vermittelnd zwischen den west- und ostmitteldeutschen Extremlautbereich. Das Thüringische ist durch die Schließung zu Extremlauten gekennzeichnet. Monophthongisch blieben sie jedoch nur um Mühlhausen im Westen und dann im Südosten des Nordthüringischen sowie im Ostthüringischen erhalten. Während im Zentralthüringischen fallende Diphthongierung zu IE — UE, U€ eintrat, kam es im zentralthüringisch-nordthüringischen Bereich der Helbe zu steigender Diphthongierung zu EI — DU. Eine unterschiedliche Entwicklung je nach der Stellung ist in einem kleinen zentralthüringischen Gebiet zwischen Ilmenau und Plaue zu beobachten, wo vor Konsonanten die Monophthonge I — U, im Auslaut aber die fallenden Diphthonge IE — UE gelten. Das nördliche Nordthüringische zeigt im Westen unter niederdeutsch-ostfälischen Einflüssen überoffene und im Osten geschlossene Monophthonge E — 0 , die SO Dingelstedt zu EA — OA fallend diphthongiert wurden. I m Hennebergischen und Osthessischen unterliegt auch die Reihe mhd. ê — ô — δ der kürzenden Wirkung des Quantitätengesetzes, das aber nur im Südhennebergischen im Diphthongsystem phonologisch relevant wird. Ansonsten führte es zu kurzen Monophthongen, so daß es, synchron gesehen, auf das Langvokalsystem ohne Einfluß bleibt. J e nach erhaltener Umlautrundung oder Umlautentrundung finden sich wie immer drei- bzw. zweigliedrige Reihen. Die gleichsinnige Entwicklung ist durch Palatovelarität von mhd. ô als 5 um Battenberg im Nordhessischen sowie im nordhessisch-thüringischen Übergangsgebiet, als U€ im größten Teil des Zentralthüringischen, als DU im Raum der Helbe und als 0 im Ostthüringischen gestört.
§ 47 D a s Hennebergische a) I m Hennebergischen wurde die Reihe mhd. ê — ô — δ nach der Einwirkung des Quantitätengesetzes aufgelöst, indem sich bei erhaltener Quantität mhd. ê von der gleichsinnigen Weiterentwicklung von mhd. ô und seinem Umlaut mhd. δ trennte. Mhd. ê zeigt im südlichen und nordöstlichen Hennebergischen ähnlich dem Ostfränkischen des Würzburger Raumes den geschlossenen fallenden Diphthong EA, der mit dem lautkombinatorisch vor Dentalen aus mhd. â entstandenen Diphthong OA und dessen Analogieumlaut ÖA eine neue Reihe bildet, welcher sich mhd. se1 anschließt. I m mittleren und nordwestlichen Hennebergischen kommt es zu keiner Reihenbildung, sondern zur phonologischen Zwischenstellung, da mhd. â und sein Analogieumlaut als sehr offenes Ö — Ö zwischen offenem Ë für mhd. ê + mhd. se1 und nach überoffenem E geneigten Ä für mhd. ae2 + mhd. ê
§ 46 bis § 49 Der thüringische
267
Großraum
bei Einsilberdehnung steht. Die ursprüngliche Normalvertretung von mhd. ô und mhd. o liegt eigentlich nur im Auslaut vor, weil vor Gutturalen einerseits und vor Dentalen, η und 1 andererseits früher spezifische Entwicklungen vorhanden waren. Doch wurden die Sonderentwicklungen vor Dentalen weitgehend rückgängig gemacht, so daß besonders im Süden und teilweise auch im Norden vor Dentalen und damit wieder vor Konsonanten der normale Lautstand auftritt. So zeigen mhd. ô und mhd. 6 im südlichen, mittleren und nordöstlichen Hennebergischen die fallenden Diphthonge UE — ÜE, die sich im mittleren Hennebergischen der Reihe mhd. ie — uo — üe einordnen, im südlichen und nordöstlichen Hennebergischen aber kein reguläres erstes Glied zu einer neuen dreigliedrigen Reihe finden. Die geschlossenen Monophthonge 0 — ô im Nordwesten ordnen sich in die Reihe mhd. Dehnungs-ë — ö — ö ein. Die durch das Quantitätengesetz hervorgerufene Spaltung der Reihe mhd. ê — ô — o ist, synchron gesehen, nur im Süden und Nordosten phonologisch relevant, wo den Langdiphthongen die gekoppelte Kurzdiphthongreihe EA — OA — ÖA gegenübertritt. Erst jüngst wurde sie durch den weitverbreiteten Ersatz von EA mit dem offenen Monophthong E und ÖA mit dem geschlossenen Monophthong ö aufgelöst, während OA, soweit nicht spezifische Entwicklungen vor Dentalen gelten, bewahrt blieb. b) Die fallende Diphthongierung von mhd. ê im Anschluß an das Ostfränkische des Würzburger Raumes (vgl. § 40b) erfüllt den Süden und Osten bis zur Linie Bischofsheim — W Fladungen — Kalten-Nordheim — Wasungen — S und O Schmalkalden — Thüringer Wald. Als Lautung ist allgemein geschlossenes ea üblich, das im Süden allmählich in ostfränkisches offenes fa übergeht. I m selben Raum zeigen jedoch mhd. ô und mhd. ô außer vor Gutturalen die geschlossenen fallenden Extremdiphthonge wa — wa 221 . Beispiele aus Suhl 2 2 2 Pêter — ôëadar — Peter lôt — lûdd — Lot ê — ëa — Ehe strô — zdrûd — Stroh trösten — druœzdd — trösten roter — rwaçfor — röter Wegen der geringen Anzahl an Beispielen und der noch zusätzlichen gebietsweisen Sonderentwicklungen vor Dentalen (vgl. e) ist das Quantitätengesetz nur schwer faßbar. Ursprünglich galt dabei die gekoppelte fallende Diphthongreihe ga —
a hervorgegangen ist 95 . Der lange Diphthong für mhd. â wurde in denselben Gebieten wie mhd. ô wieder sekundär zu sehr offenem bis überoffenem à monophthongiert (vgl. § 40 b), wobei um Hofheim die ursprüngliche Phonemdifferenzierung bewahrt bleibt 9 6 . Zum Diphthong OA wurde ein Analogieumlaut gebildet, der je nach erhaltener Umlautrundung oder Umlautentrundung bei unverminderter Quantität als dr, ëipsr — schneefrei
a n + lœge — iïlêg, üleic/ — ansteigend
d) Im Anschluß an das Schwäbische tritt im unteren Tiroler Lechtal ab Weißenbach mit dem Außerfern um Ehrwald und am anschließenden oberbayrischen Lechrain bis Augsburg offenes f auf. Vor dem velaren Reibelaut χ bildete sich der fallende Gleitlaut » 4 1 . Beispiele aus Böbing SO Schongau/Lech 42 kaese — kxçz — Käse nsehe — nçvx — Nähe e) Im Nürnberger Raum des Nordbairischen sowie an der nordbairischostfränkischen Grenze W Kemnat, Ν Wunsiedel und S Adorf begegnet unter ostfränkischem Einfluß der geschlossene Monophthong ë. Durch die Aufgabe der nordbairischen Konsonantenschwächung zugunsten der mitteldeutschen im Nürnberger Raum ist die erhaltene Kürze phonologisch relevant geworden. Im Gegensatz zur Länge gilt aber wie im Ostfränkischen offenes ç 4 3 . Beispiele aus dem Nürnberger Raum spsete — zbêd — spät spsehe — zbë — ekelerregend
3. sg. zu lâzen — Içzd — läßt rsetich — rçd\ — Rettich
§ 85 Die bairischen Sprachinseln a) Von den s ü d b a i r i s c h e n S p r a c h i n s e l n zeigt nur das F e r s e n t a l die bairische Normalentwicklung, indem mhd. se mit mhd. Dehnungs-ä und mhd. ou als isolierter Monophthong ä zusammenfällt 44 . Obwohl auch in
39 2 55. KRAUS, S. 53. 40 p. PFEIFFER, Die mittelhochdeutschen Umlauts-e der südbairischen Mundart des Reggelberges. In: ZfdMa. 1923, S. 9 - 1 8 und PBB 52 (1928), S. 7 2 - 9 2 . 41 143. RUDOLF, S. 204; 171. FREUDENBERG, S. 40. 42 171. FREUDEMERG, S. 40. 43 249. BRENDEL, S. 43; 251. EBERL, S. 150. Die Angabe von 250. GEBHARDT, S. 46, für mhd. ae gälte offenes g, ist falsch. 44 165. BAUER, S. 28.
,§ 84 und § 85 Das Bairische
371
der Sprachinsel G o t t s c h e e für mhd. se der Monophthong ä begegnet 45 , stellt dieser wie im Osttiroler Lesachtal als einziger Binnenmundart wegen des zusätzlichen Zusammenfalls mit mhd. Dehnungs-ë eine spätere Entwicklung über die gemeinsame Vorstufe g dar, die die Sprachinseln Zarz und Deutschruth noch widerspiegeln. Einen Sonderweg schlug die Entwicklung auch in P l a d e n und Z a h r e ein, wo nur mhd. se zu β geöffnet wurde, das mit der aufgelösten Reihe mhd. ei — ou — öü zusammenfiel 46 . Beispiele aus Pladen 4 6 hsele — häh — glatt
leere — lärd — leer
Die z i m b r i s c h e n S p r a c h i n s e l n haben den offenen mhd. Lautwert ξ bewahrt, der außer in den Sieben Gemeinden mit mhd. Dehnungs-a und mhd. Dehnungs-e zusammenfällt 47 . I n den 13 Gemeinden formt er mit mhd. ou und mhd. öü eine neue dreigliedrig gekoppelte Reihe. I n den Sieben Gemeinden schließt sich ihm das in bestimmten Stellungen monophthongierte mhd. ê an, so daß mit dem teilweise monophthongierten mhd. ô eine zweigliedrige Reihe ohne drittes Glied zustande kommt. I n Folgaria, Lavarone und Luserna bleibt er ein isoliertes Phonem. Beispiele aus Roana in den Sieben Gemeinden 48 vselen — υξIn — fehlen trsege — trçge — träge I n Z a r z und D e u t s c h r u t h blieb ebenfalls die allerdings durch steigende Diphthongierung weiterentwickelte offene i?-Stufe erhalten. Während der offene Diphthong çi in Zarz nur mit mhd. Dehnungs-e und Dehnungs-a zusammenfiel und mit mhd. â + Dehnungs-ä eine neue gekoppelte Reihe bildete, kam es in Deutschruth durch Schließung der neuen Reihe zu ei — ou zum Zusammenfall mit der Reihe mhd. Dehnungs-ê — δ — δ und damit zur Phonemreduzierung 49 . Beispiele aus Zarz 4 9 Straelen — strçiln — kämmen
aeperen — çiparn — schmelzen
49
Beispiele aus Deutschruth vernaeten — mrneitn — einsäumen
tsete — teit — täte
b) Von den mittelbairischen Sprachinseln weisen W i s c h a u , B r ü n n und B u d w e i s die mittelbairische Normalentwicklung mit dem Mono1 6 8 . Τ SCHINKEL, S . 1 7 9 . 1 6 6 . HORNXWG, S . 7 . « 1 6 1 . KRANZMAYER, S. 2 7 ; 1 6 2 . SCHWEIZER, S . 1 1 7 ; 1 6 3 . SCHWEIZER, S . 1 0 8 ; 1 6 4 . BACHER, S . 1 6 5 . 48 1 6 1 . KRANZMAYER, S . 2 7 . « 1 6 7 . LESSIAX, S . 9 1 . 45
46
24*
Die Entwicklung von rrihd. œ
372
phthong ä auf, der mit mhd. Dehnungs-ä, mhd. ou und mhd. öü zusammenfällt 50 . Beispiele aus Brünn50 staete — stät - ruhig
rseze — räs — ranzig
In Deutsch-Pilsen begegnet mhd. se mit Bewahrung der JJ-Stufe als geschlossener Monophthong l, der mit mhd. Dehnungs-ä und mhd. Dehnungs-ë zusammenfällt und mit mhd. â eine neue gekoppelte Reihe bildet51. Beispiéle aus Deutsch-Pilsen51 rsetich — rëtox — Rettich
ksese — këz — Käse
c) In der nordbairischen Sprachinsel I g l a u bleibt mhd. se als offenes bis leicht offenes § erhalten, das mit mhd. Dehnungs-ä und mhd. Dehnungs-e zusammenfällt und mit mhd. Dehnungs-ä eine neue Reihe formt 52 . Beispiele aus Schlappenz53 rsetsel — rçtsl — Rätsel
gsebe — jrfbat — es gäbe
§ 86 D a s O s t f r ä n k i s c h e Übersicht: a) Übersicht der Lautentwicklung und phonologische Einordnung. b) Der fallende Diphthong EA im Ansbacher und nordwestlichen Würzburger Baum — Sekundäre Monophthongierung zu überoffenem E im Norden des Ansbacher Raumes. c) Der Monophthong Ä im Würzburger und Coburger Baum — Das Quantitätengesetz. d) Der isolierte offene Monophthong E im unteren Taubertal sowie im nordwestlichen Regnitzraum, e) Der offene Monophthong E im Süden des hohenlohischen Raumes und seine Zurückdrängung durch nördliches geschlossenes E. f ) Der geschlossene Monophthong E im übrigen hohenlohischen Raum, g) Der geschlossene Monophthong E im Regnitzraum außer dem Nordwesten, im Hof-Bayreuther und im vogtländischen Raum, h) Der steigende Diphthong EI im Obermainraum. — Lautkombinatorische Erscheinung : j) Erhaltenes offenes E vor ursprünglich folgendem, heute geschwundenem ch aus germ, h im nördlichen Regnitz-, im Obermain-, Hof-Bayreuther und vogtländischen Raum.
a) Im Ostfränkischen entspricht die Entwicklung von mhd. se mit Ausnahme des Würzburger Raumes ohne den äußersten Nordwesten, des Coburger Raumes sowie zweier kleiner westlich im unteren Taubertal und östlich im nordwestlichen Regnitzraum anschließender Gebiete der Entwicklung von mhd. â. So wurde mhd. se im Ansbacher Raum zu offenem E A fallend diphthongiert und gebietsweise wieder sekundär zu überoffenem E monophthongiert. Als geschlossener Diphthong EA, der gewissermaßen 5» 225. BBHAHEK, S . 56. 51
238. H U T T E R E R , S . 213.
SA 258. STOLLE, S . 9 6 ; 260. N E U P Ä R T L , S . 51. 53
260. N E I T P I B T L , . S. 51.
§ 86 Das Ostfränkische
373
einen vermittelnden Übergang zu den anschließenden Gebieten schafft, tritt mhd. sb im äußersten Nordwesten des Würzburger Raumes auf. I m Süden des hohenlohischen Raumes entspricht mhd. se noch als offener Monophthong E, wobei für die Herkunft wie bei mhd. â die Möglichkeit einer sekundären Monophthongierung eines ehemals fallenden Diphthonges besteht. Die offene Aussprache wird aber immer stärker durch die geschlossene des nördlichen hohenlohischen Raumes nach Süden zurückgedrängt, so daß nur mehr Restbeispiele im Grenzverlauf mit mhd. & übereinstimmen. Eine ähnliche Verdrängung des fallenden Diphthonges EA beobachtet man auch im Westen des Ansbacher Raumes. Geschlossene Aussprache ist dem ostfränkischen Osten eigen, die als monophthongisches E den Regnitzraum außer den Nordwesten, den Hof-Bayreuther und vogtländischen Raum und als steigender Diphthong EI den Obermainraum erfüllt. I m Würzburger und Coburger Raum wurde mhd. se zu hellem Ä geöffnet. Als vermittelnder Übergang zu den westlich und östlich anschließenden Gebieten begegnet im unteren Taubertal und im nordwestlichen Regnitzraum der offene Monophthong Ë. Mhd. se bildet also mit Ausnahme des Würzburger Raumes ohne den äußersten Nordwesten, des Coburger Raumes und der beiden anschließenden kleinen Gebiete mit dem verdumpften mhd. â (und seinem gerundeten Analogieumlaut) eine neue Reihe. Sie fiel als EA — OA (— ÖA) bzw. E — 0 (— ö) im Ansbacher Raum sowie nochmals im äußersten Nordwesten des Würzburger Raumes mit der Reihe mhd. ê — ô — ô zusammen. Derselbe Zusammenfall gilt mit offenem E — Ö auch im Süden des hohenlohischen Raumes. Soweit sich dort und im ansbachischen Westen geschlossenes E des Nordens festgesetzt hat, ordnet sich dieses in die neue Reihe mhd. Dehnungs-ê + Dehnungs-a — Dehnungs-ä (— Analogieumlaut von Dehnungs-ä) ein. Diese Reihe schließt sich auch der geschlossenen Monophthongreihe E — Ö (— ö) im Osten des hohenlohischen Raumes an, während sich im Westen nur mhd. Dehnungs-e + Dehnungs-ä der Reihe einfügen, wozu im Südwesten noch mhd. ei + öü hinzukommt. Im Regnitz-, Obermain-, Hof-Bayreuther und vogtländischen Raum fällt mit der Monophthong- bzw. Diphthongreihe die neue Reihe mhd. Dehnungs-e + Dehnungs-a. — Dehnungs-ä zusammen. Gegenüber dieser neuen Reihenbindung mit dem verdumpften mhd. â bleibt das zu Ä geöffnete mhd. ae im Würzburger und Coburger Raum ein isoliertes Phonem. Während es bei der älteren Generation in abgelegenen Gegenden noch als helles Ä von normalem Ä für mhd. ou unterschieden wird, fällt es bei der jüngeren Generation und in verkehrsoffenen Gegenden mit diesem zusammen und nimmt die isolierte Spitzenstellung im System ein. Ebenso verkörpert der offene Monophthong E im unteren Taubertal sowie im nordwestlichen Regnitzraunv ein isoliertes Phonem, wenn man von offenem Ö als kombinatorisches Ergebnis verschiedener Herkunft vor r absieht. Das im Würzburger und westlichen Coburger Raum gültige Quantitätengesetz bleibt mit der Ver-
374
Die Entwicklung von mhd. œ
kürzung zu A bzw. E im unteren Taubertal, synchron gesehen, ohne phonologische Folgen. Auch im äußersten Nordwesten des Würzburger Raumes mit dem fallenden Diphthong EA äußert sich das Quantitätengesetz wegen der weitverbreiteten Kürzling zu E synchron nicht ; nur teilweise wird dort mit kurzem EA die Spaltung phonologisch relevant. Nicht näher eingegangen werden kann auf Kürzungen in Einzelwörtern, insbesondere im Osten, deren Lautqualität g dort den als Vorstufe anzusetzenden offenen Monophthong bestätigt. b)'Im Ansbacher Kaum tritt mhd. se entsprechend mhd. â wie mhd. ê ( + ô) als offener bis sehr offener fallender Diphthong ça auf 5 4 , der im Norden ab etwa der Linie S Uffenheim — S Windsheim — Heilsbronn zu sehr offenem bis überoffenem â monophthongiert wird 5 5 . Während die Südgrenze von Ν Gunzenhausen/Altmühl bis Gaildorf/Kocher mit der Grenze von mhd. â übereinstimmt (vgl. § 63 b), verläuft die durchschnittliche Westgrenze östlicher etwa über 0 Hall — Langenburg — Bartenstein — Weikersheim/Tauber; in einzelnen Beispielen wie ,Käse' und ,stätig' ist der Diphthong vom geschlossenen Monophthong ê des nördlichen Hohenlohischen (vgl. e und f) noch weiter nach Osten zurückgedrängt worden. Die Nordgrenze ergibt sich aus Abschnitt c. Die Ostgrenze ist wieder nur in einem südlichen Teilstück von Ν Heilsbronn bis O Ornbau genau bekannt, wo sie der Grenze von mhd. â und mhd. ê + ô entspricht. Im Norden um Ebern ergibt sich keine Grenze, da der sekundäre Monophthong in den östlichen primären des nordwestlichen Regnitzraumes übergeht (vgl. d). Beispiele aus Klein-Allmerspami 0 Ilshofen 56 stsete — zdçdd — langsam r setsei — rçadzal — Rätsel Beispiele aus Neustadt/Aisch 57 kaese — lcäz — Käse
spsete — zbäd — spät
Abermals tritt mhd. se wie mhd. ê und entsprechend mhd. â als fallender Diphthong, diesmal mit geschlossener Aussprache ea, im äußersten Nordwesten des Würzburger Raumes im Bereich des Mains und der unteren Sinn von Ν Dertingen bis Ν Rieneck auf. Durch das hier gültige Quantitätengesetz wäre Kürzung zum Kurzdiphthong ea zu erwarten, der nur im umgelauteten Wort ,lassen' als lesz in einigen Dörfern Ν Rieneck begegnet.
54
107. BOHNENBERGER, S. 136 u n d A n m . 3, S. 1 3 7 ; 114. BOHNENBERGER, S . 2 5 ; 115. NÜBLING, S. 2 0 5 ; 2 4 7 . SCHÖDEL, S. 4 0 ; 2 6 7 . BLUMENSTOCK, S. 3 5 ; 2 6 8 . ECKARDT, S. 2 9 ; 2 9 1 . KAUSSLER, S. 1 3 9 . SS 2 4 7 . SCHÖDEL, S. 4 0 ; 2 4 8 . HAIN, S . 9 ; 2 9 2 . GEUSS, S. 3 9 ; 2 8 2 . Koss, S. 31. 5Β 2 6 7 . BLUMENSTOCK, S. 35. 5' 2 9 2 . GEUSS, S. 3 9 .
§ 86 Das
Ostfränkische
375
Dagegen zeigt das hier sonst noch in Betracht kommende Wort .Schäfer' Monophthong : älter vereinzelt noch zçvar, jünger allgemein zgwr, das sein ρ wohl aus dem mit Analogieumlaut gebildeten Plural und Diminutiv von ,Schaf' bezogen haben wird, wenngleich kombinatorische Rundung nicht ausgeschlossen ist 5 8 . Ob in diesem Gebiet mhd. se im jüngeren Auslaut, ζ. B. in ,zähe', wie mhd. ê als steigender Diphthong Si auftritt, kann wegen Materialmangels nicht gesagt werden. Beispiele aus Burgsinn Ν Rieneck 59 ksese — kêaz — Käse
*lsezen — fea? — lassen
c) Im Würzburger Raum mit Ausnahme des äußersten Nordwestens und im Coburger Raum tritt mhd. se als ursprünglich als heller, nach überoffenem ä geneigter Monophthong ä auf, der von der älteren Generation in abgelegenen Gegenden noch allgemein von normalem ä für mhd. ou unterschieden wird. Die jüngere Generation und in verkehrsoffenen Gegenden auch schon die ältere gibt diese Differenzierung auf und läßt beide Phoneme in normales ä zusammenfallen. Entsprechende Lautungen a und a gelten im Würzburger und westlichen Coburger Raum auch bei Kürzung nach dem Quantitätengesetz, welches sich, synchron gesehen, auf das Langvokalsystem nicht auswirkt60. Die Monophthonggrenze setzt sich von Teuschnitz fort über O Sonneberg — W Kronach — Lichtenfels — Ebern — Eltmann/Main — der Steigerwald — W Scheinfeld — O und S Uffenheim — Ν Creglingen/Tauber — Ν Weikersheim/Tauber — Grünsfeld — W Dertingen — östlich des Mains und der unteren Sinn — S und O Brückenau — Bischofsheim — W Fladungen. Da die .4-Aussprache auch das Hennebergische erfüllt, gibt es keine Nordgrenze (vgl. § 101b). Beispiele aus Poppenhausen O Grünsfeld61 ζ sehe — dzä — zähe schsefer — zapar — Schäfer schsere — zara — Schere Beispiele aus Neustadt 62 gensedig — gnädij — gnädig trsege — dräy — träge
gespraeche — gzbräy — Gespräch
58 2 7 8 . HIRSCH, S. 2 3 ; 4 3 5 . DIETZ, S. 6 8 . 59 60
4 3 5 . DIETZ, S. 6 8 . Differenzierung n e n n e n : 2 7 7 . HEILIG, S . 9 6 ; 2 8 3 . H E R T E L , S . 1 0 1 , u n d 2 8 9 . LÖSCH,
S. 20. Zusammenfall geben a n : 435. DIETZ, S. 6 8 ; 436. GLÖCKNER, S. 3 8 ; 279. SCHMIDT, S. 3 3 2 ; 2 8 0 . KEMMETER, S . 2 9 ; 2 8 2 . K o s s , S. 3 1 ; 2 8 4 . NIEDERLÖHNER, S . 1 0 7 ; 2 8 5 . FÖRSTER, S. 3 4 ; 2 8 6 . HERMANN, S . 1 2 0 ; 2 8 7 . SCHLEICHER, S. 5 ; 2 8 8 . LTJTHARDT, S. 5 1 1 ; 2 4 7 . W E R N E R , S. 9 6 ; 2 9 0 . BOCK, S. 2 3 ; 4 2 9 . BRACKE, S . 1 1 2 . EI 2 7 7 . HEILIG, S . 3 6 . 62
2 8 4 . NIEDERLÖHNER, S . 1 0 7 .
376
Die Entwicklung von trihd. œ
d) An das .¿Ï-Gebiet schließt sich im Westen im unteren Taubertal von Grünsfeld bis Wertheim — Dertingen 6 3 und im Osten im nordwestlichen Regnitzraum bis zur Linie O und S Lichtenfels — Staffelstein — der Main bis O Baunach — Ν und S Schesslitz — Ν Bamberg — SO Eltmann — O Schlüsselfeld 64 jeweils ein Gebiet mit dem offenen bis sehr offenen Monophthong ç an. Dieser unterliegt im Taubertal noch der Kürzung durch das Quantitätengesetz zu g. Beispiele aus Tauberbischofsheim 6 3 vselen — yçb — fehlen bsere — fifra — Traggestell
schsefer — zçwr — Schäfer
e) I m Süden des hohenlohischen Raumes gilt im Anschluß an das Schwäbische der offene bis sehr offene Monophthong g, der vielleicht aus einem fallenden Diphthong hervorgegangen ist. Wegen des völlig unterschiedlichen Verhaltens der einzelnen Beispiele läßt sich nur schwer eine Grenze gegen das nördliche geschlossene ë ziehen. Sieht man von Beispielen wie ,mäßig', ,Geäder', ,Nähterin' und dem Plural ,Aale' ab, da sie des Analogieumlautes verdächtig sind, so entsprechen der räumlichen Verteilung von ρ/ö für mhd. â (vgl. § 63 c) nur die Wörter ,zähe' und .fehlen' als dzç und υçh; im Osten weisen auch noch die Konjunktive ,täte' und .hätte' als φξφ und hçd offenes f auf. Dagegen gilt in den übrigen Beispielen wie ,Käse', ,stäte' ( = .langsam'), .Gespräch', ,Gefräße' ( = ,schlechtes Essen') usw. der offene Monophthong g nur bis zur Linie Necbarsulm/ Neckar — Weinsberg — S Öhringen — S Waldenburg — Ν Hall gegenüber nördlichem geschlossenen è 6 5 . Dieses unterschiedliche Verhalten zeigt deutlich eine Zurückdrängung des offenen Monophthonges durch den nördlichen geschlossenen, was noch das erhaltene offene g im Hiatus und das jetzt inselhaft auftretende offene g in Künzelsau 66 zusätzlich bestätigen. Ein ähnliches Vordringen des geschlossenen Monophthonges konnte schon im Osten beobachtet werden (vgl. b). f) Im übrigen hohenlohischen Raum tritt mhd. se als geschlossener Monophthong ë auf, der sich ins Rheinfränkische nach Westen fortsetzt (vgl. §87)β7.
« 2 7 7 . HEILIG, S . 3 5 , 8 3 . 84
282. Koss, S. 31 ; 284. NIEDERLÖHUER, S. 107 ; 295. TRUXENBROD, S. 49.
65
1 0 7 . BOHNENBERGER, S . 1 3 6 u n d A n m . 3 , S . 1 3 7 ; 2 6 4 . BRAUK, S . 2 5 ; 2 6 6 . K N U P F E R , S . 2 0 ; 2 6 9 . EBERLE, S . 1 5 ; 2 7 0 . S A N D E R , S . 2 0 ; 2 7 2 . HOHNERLEIN, S . 5 1 . «β 2 7 0 . SANDER, S . 2 0 ; 2 7 1 . B A U E R , S . 3 7 8 . 67 2 6 5 . MEISINGER, S . 1 1 3 ; 2 7 2 . HOHNERLEIN, S . 5 1 ; 2 7 3 . R O E D D E R , S . 5 6 ; 2 7 4 . MANGOLD, S . 2 8 ; 2 7 5 . BREUNIG, S . 1 8 ; 2 7 6 . DIETZEL, S . 2 8 .
§ 86 Das Oetfränkiaehe
377
Beispiele aus Oberschefflenz W Adelsheim 88 genaedig — gnëli — gnädig
schsefer — zëvar — Schäfer
g) Ein geschlossener Monophthong δ gilt auch im Osten im Regnitzraum ohne den Nordwesten und im Hof-Bayreuther und vogtländischen Raum 6 9 . Er stößt im Westen an den fallenden Diphthong bzw. offenen Monophthong des Ansbacher und nordwestlichen Regnitzraumes (vgl. b und d). I m Süden setzt er sich in einem schmalen Ausläufer über das Gebiet um Wassertrüdingen in das östliche Ries fort (vgl. § 83 f) 7 0 . I m Osten hat er auf den Nürnberger Raum und einige andere Kleingebiete des Nordbairischen übergegriffen (vgl. § 84e). Während im Nordosten die Linie O Schöneck — 0 Auerbach — Lengenfeld — S Elsterberg — Mühltroff die Grenze gegen obersächsisches Ä bildet, ergibt sich die Grenze gegen EI im Nordwesten aus dem folgenden Abschnitt. Beispiele aus Trieb S Elsterberg 7 1 lsege — lej — abhängend
dsesig — çadëz — kleinlaut
h) I m Obermainraum wurde der geschlossene Monophthong steigend diphthongiert. Entsprechend mhd. â hört man im Süden langes geschlossenes ëi neben kurzem geschlossenem ei, dessen erste Komponente ab dem Frankenwald nach Norden zunehmend geöffnet wird und schließlich offenes çi ergibt 7 2 . Während wegen des allmählichen Überganges vom Monophthong zum Diphthong die Südgrenze von Staffelstein über O Schesslitz — S Weismain — Kulmbach — Kupferberg bis W Münchberg nur eine ungefähre ist, stellt sich die nordöstliche Fortsetzung über O Naila — O Hirschberg — O Tanna bis Mühltroff als feste Grenze dar. Im Norden stößt der Diphthong ab Ν Tanna — Saalburg — Lobenstein — Teuschnitz auf den obersächsischen und im Westen auf den coburgischen Monophthong Ä (vgl. § 102 b und hier c). Eine Tendenz zur steigenden Diphthongierung zu ëi beobachtet man auch im Vogtländischen um Schöneck 73 .
ES 2 7 3 . R O E D D E B , S . 5 6 . 69
2 4 7 . SCHÖDEL, S . 4 0 ; 2 9 3 . K O P P , S . 7 0 ; 2 9 4 . BATZ, S . 2 6 ; 2 9 5 . TRUKENBROD, S . 4 9 ;
70
Für das Gebiet um Wassertrüdingen gibt 247. SCHÖDEL, S . 40, geschlossenes ë an, das mit mhd. ê + o zusammenfällt, während 115. NUBLINO, auf seiner Karte halboffenes ç und offenes g nennt, das jeweils von geschlossenem è für mhd. ê + ö unterschieden sein soll.
2 9 6 . W A G N E B , S . 5 2 ; 2 9 7 . F I N K , S . 1 5 ; 3 0 1 . M E I N E L , S . 5 6 ; 3 0 2 . GERBET, S . 1 4 1 .
7
1 3 0 2 . GEBBET, S . 141. 2 8 2 . K o s s , S . 3 1 ; 2 8 4 . N I E D E B L Ö H N E R , S . 1 0 8 ; 2 8 8 . LUTHABDT, S . 5 1 1 ; 2 9 8 . W E B NER, S . 9 6 ; 2 9 9 . SCHÜBEL, S . 3 6 ; 4 9 3 . ROSENKRANZ, S . 4 8 ; 4 9 4 . PETZOLD, S . 2 2 .
« V g l . 3 0 3 . HEDRICH, S. 18.
378
Die Entwicklung von mhd. m
Beispiele aus Stadt Steinach 74 gevseze — 3 2 7 8 . HIRSCH, S . 2 8 . 2 8 4 . NIEDEKLÖHMER, S . 1 3 5 , 1 5 1 , 1 5 2 ; 2 8 8 . LUTHABDT, S . 1 6 2 , 1 6 4 , 1 6 5 ; 2 9 4 . BATZ, S . 3 0 f . ; 2 9 5 . TKUKEKBROD, S . 7 7 ; 2 9 6 . WAGNER, S . 9 2 ; 2 9 7 . FINK, S . 2 5 f . ; 2 9 8 . WERNER, S . 1 3 6 , 1 4 1 , 1 4 5 ; 2 9 9 . SCHÜBEL, S . 5 6 , 5 7 . 5 9 ; 3 0 2 . GERBET, S . 2 3 4 f f . 3
Wiesinger, B a n d I I
34
Die Entwicklung der Reihe mhd. ie — uo — üe
Reihe mhd. ie — uo — üe an. Die E — 0-Reihe Ν Neuenbürg fiel mit der Reihe mhd. Dehnungs-ë — ö — o zusammen. b) Die Monophthonge setzen bereits im nördlichen Elsaß und Baden ein und erstrecken sich bis zum hessischen Diphthongierungsgebiet nach Norden (vgl. § 110e und § 117a). Ihre ursprünglich offene Qualität f — % ist linksrheinisch im östlichen Lothringen und im nördlichen Elsaß bewahrt geblieben 105 . Auch rechtsrheinisch müssen einstens im Grenzgebiet gegen die oberdeutschen Diphthonge offene Monophthonge gegolten haben, die in einer kleinen Insel Ν Neuenbürg sogar als geschlossenes ê — ô erhalten sind 106 . In Lothringen sichert die offene Qualität die phonologische Unterscheidung von den geschlossenen Monophthongen für mhd. î — û — û. Da in der Diphthongierungsinsel SW Bitsch (vgl. § 11c) eine solche Unterscheidung nicht notwendig ist, haben die Monophthonge außer vor mhd. ch geschlossene Qualität angenommen107. Beispiele aus Wolfskirchen Ν Finstingen/Saar 108 vliegen — vl\jd — fliegen buoch — b%x — Buch brief — br\f — Brief bluot — bl%t — Blut büezen — bfza — büßen prüefen — br\v3 — prüfen Beispiele aus Gräfenhausen Ν Neuenbürg106 liet — lêd — Lied guot — göd - gut vrüeje — vre — früh Beispiele aus Sucht SW Bitsch 107 nieden — nldd — nieten ruoder — rüdvr — Ruder wieche — v\p — Docht suochen — ζ%γ3 — suchen wüeste — v\zd — wüst dim. zu tuoch — d\jl — Tüchlein c) Die offenen Laute gehen linksrheinisch im Bereich der Monophthong/ Diphthonggrenze für mhd. î — ü — u im Westen und südlich der Laster im Osten rasch in geschlossene über. Während im Vorderpfälzischen und Südrheinfränkischen die Koppelung der Reihe teilweise durch sehr schw&che Palatovelarität von mhd. uo als ö gestört ist — oftmals hört man auch
54. BEYER, S. 8 2 f f . ; 113. BOHNENBERGER, S. 1 5 3 ; 332. BACH, S. 71, 75, 7 8 ; 340 ALTENHOFER, S. 127, llOf. " β 110. BALL, S. 57, 6 0 f . ! schweiz und getrennt davon im Rebland des südbadischen Markgräfle:landes und nochmals im Niederelsaß mit dem anschließenden Nordbaden die ursprüngliche Aussprache. Im Kanton Freiburg außer in Jaun und i n Saanetal und im Südwesten des Kantons Bern im Hochalemannischen tr¿t Monophthongierung zu geschlossenem E — Ö — ö und teilweise noch Schließung bis zu sehr offenem I — TI — Ü und in einem kleinen niede:elsässischen Gebiet von Ν Straßburg bis S Seltz mit anschließenden Teilea
§ 132 bis § 135 Das Alemannische
99
Badens um Kehl und W Baden zu offenem E — 5, 0 ein. In der Ost-, Mittel- und Nordwestsehweiz, in Südbaden und im Oberelsaß erfolgte die Öffnung zu Extremdiphthongen, der sich aber der gerundete Umlaut außer in der südlichen Ostschweiz entzogen hat, so daß die phonetische Koppelung der Reihe gestört ist. Im südbadischen Gebiet mit erhaltener Umlautrundung verlor, insbesondere im Osten, der zum Extremdiphthong geöffnete Umlaut A Ü weitgehend die Rundung der zweiten Komponente, so daß er mit dem ersten Glied der Reihe zusammenfiel und diese im Gegensatz zu den anderen Reihen nur mehr über zwei Glieder verfügt. Die Öffnung von mhd. ei 1 + ei 2 zum Extremdiphthong bei unverändertem Fortbestehen von mhd. ou und mhd. öü erlaubte in der Nordostschweiz und im südlichen und westlichen südbadischen Hegau spezifische Weiterentwicklungen von AI zu Ä, überoffenem E und über Ol, OA durch Monophthongierung zu offenem Ö, so d a ß die Reihe aufgelöst wurde. In den Umlautentrundungsgebieten des Höchstalemannischen und des Niederalemannisch-Oberrheinischen wurde die Koppelung der Reihe weitgehend durch Palatalisierung von mhd. ou gestört, wobei ursprünglich starke Palatalisierung die Öffnung zu Extremdiphthongen verhinderte und als spezifische Weiterentwicklungsmöglichkeit die Entpalatalisierung zu O l im Lötschental und in Simplón im Wallis und im Kanton Unterwaiden mit den Urner Orten am Vierwaldstättersee im Höchstalemannischen und im Oberelsaß mit anschließenden Teilen Badens im Niederalemannischen einräumte und dadurch zur Reihenauflösung führte. Reihenauflösung verursachte auch der Schwund der Palatalisierung bei gleichzeitiger Öffnung zu A U gegenüber unverändertem EI für mhd. ei + öü im oberen badischen Elztal. I n den einst umlautentrundenden Kantonen Solothurn und Basel mit dem badischen Markgräflerland kam es bei der Wiederaufnahme gerundeter Umlaute unter Beibehaltung der ursprünglich palatovelaren Aussprache von mhd. ou im Süden zu einer dreigliedrig gestörten Reihe, während im Norden die synchrone Drei- oder Zweigliedrigkeit der Reihe von der Lautgestalt des neuen, mit dem Hiatusdiphthong für mhd. û zusammenfallenden gerundeten Umlauts als ÖÜ, Ol7 oder AÜ abhängt. Nicht wesentlich anders gestalten sich die Verhältnisse der Reihe mhd. ei 2 — ou — öü im Osten, die im nördlichen Vorarlberg und im vor schwäbischen Raum die ursprüngliche Lautstufe bewahrt hat und dort nur um Bonndorf zu Extremdiphthongen geöffnet wurde. Während im südlichen Vorarlberg mit Liechtenstein und dem St. Gallner Rheintal, um Lindau/ Bodensee, auf der Bodaner Landzunge zwischen Überlingen und Untersee mit der Reichenau und Konstanz und im östlichen Allgäu die geschlossenen Diphthonge zu geschlossenem E — Ö (— ö) monophthongiert wurden, vollzog sich im nördlichen Ostschwäbischen mit dem unteren Lechgebiet und dem Ries die Monophthongierung zu offenem E — Ö aus einer sehr offenen Diphthongstufe, die mit Extremwerten AI — A U den übrigen schwäbischen Raum erfüllt. I m Vorschwäbischen ist wie bei der Hiatusdiphthongreihe 7·
100
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
und der Monophthongreihe für mhd. î — û — u die Koppelung weitgehend durch Palatalisierung des Diphthonges OU gestört. Der isolierte Diphthong für mhd. ei1 wurde überall zum Extremdiphthong AI geöffnet, der aber nur in einem schmalen Streifen an der Spaltungsgrenze im Westen und im Allgäu im Osten unverändert erhalten blieb. Im südlichen Liechtenstein und Vorarlberg kam es zur Dehnungsmonophthongierung zu  bzw. zur Assi m i I ationsdehnungsmonophthongierung zu überoffenem Ë. Im nördlichen Liechtenstein und Vorarlberg mit dem St. Gallner Rheintal und im Vorschwäbischen und Schwäbischen erfolgte hingegen Verdumpfung zu Ol, das im größten Teil des nördlichen Vorarlberg mit dem St. Gallner Rheintal und im Vorschwäbischen und Schwäbischen durch Akzentwandlung in den fallenden Diphthong OA überging. Der Diphthong OA wurde im nördlichen Liechtenstein, an der Mündung des Rheins in den Bodensee und im Bregenzer Innerwald im nördlichen Vorarlberg zu offenem Ö monophthongiert und im Raum Spaichingen — Ebingen — Schömberg im Schwäbischen zu offenem UE geschlossen. Zu den umlautungsfähigen Lautungen Ä, OA, UE und Ö bildeten sich weitgehend die Analogieumlaute Ë, ÖA — EA, IE, ö — E, die in Gebieten mit erhaltener Umlautrundung, soweit sie zu OA und 0 gehören, mit einem ersten Glied anderer Provenienz eine neue dreigliedrige und in Gebieten mit Umlautentrundung schon selbst eine neue zweigliedrige Reihe formen. Der Analogieumlaut E für Α fiel mit anderen ^-Lauten zusammen und fügte sich so in eine bereits bestehende Reihe ein. Auffällig ist der zum Diphthong Ol im Vorderwald in Vorarlberg und im anschließenden Allgäu lim Lindenberg und zum Diphthong AI im obersten Illertal im Allgäu und im Tannheimertal in Tirol gebildete Analogieumlaut EI. § 133 Das höchstalemannische Gebiet mit Umlautentrundung und die Walserkolonien a) Im gesamten Höchstalemannischen wurde der Umlaut entrundet und trat auf der ursprünglichen Lautstufe EI — OU Störung der Koppelung durch Palatalisierung ein, deren lautliche Varianten in ihrer räumlichen Lagerung eine ähnliche Staffelung wie die von mhd. û und mhd. uo zeigen, indem der Stärkegrad der Palatalisierung von Norden mit leicht palatovelarem DU über stark palatovelares 5Ü bis zu voll palatalem ÖÜ im Süden zunimmt. Während im Wallis und in den Lütschinentälern und um den Brienzersee im Kanton Bern diese Lautstufen erhalten blieben, wurde m Norden mit dem Haslital des Kantons Bern und den Kantonen Unterwaiden und Uri der Diphthong EI zum Extremdiphthong AI geöffnet. Der palato velare Diphthong 5Ü behielt dagegen im größten Teil des Nordens seine ursprüngliche Gestalt bei, so daß zwischen beiden Gliedern der gestörten Reihe eine starke Divergenz im Öffnungsgrad besteht. Nur im Urserental des Kantons Uri und im Kanton Nidwaiden mit den unteren
§ 132 bis § 135 Das Alemannische
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Orten des Kantons Obwalden vollzog auch er die Öffnung zum Extremlaut : i m Urserental unter Aufgabe der Palatovelarität zum Extremdiphthong AU, so daß man heute eine gekoppelte Reihe findet; und in Nidwaiden und Obwalden unter Entpalatalisierung zu einem stark zum Extremwert AI neigenden überoffenen Diphthong O l , so daß sich die Reihe aufgelöst h a t und beide Glieder isoliert sind. Auch im Lötschental und in Simplón im Wallis wurde die Reihe durch Entpalatalisierung von ÖI zu O l aufgelöst. Eine mit der Entwicklung der Reihe mhd. î — û — û vergleichbare Sonderstellung nimmt der Obwaldner Ort Engelberg ein, wo mhd. ei und mhd. ou eine durch Palatovelarität gestörte zweigliedrige Reihe AI — OcU bilden, während mhd. öü zu O l entpalatalisiert und, vom System aus gesehen, in die Isolierung gedrängt wurde. Ein Zusammenfall mit anderen Reihen erfolgte nirgends ; lediglich mhd. iu hat sich überall mhd. öü angeschlossen. b) I m Wallis außer dem Lötschental und Simplón findet sich allgemein die geschlossene, teilweise auch leicht offene, durch volle Palatalisierung gestörte Reihe ei — öü, öi. Der palatalisierte Diphthong zeigt aber gelegentlich auch palatovelare Werte öü, ου, ου, die seine Herkunft verdeutlichen. Zum Teil hat er auch gegenüber ei offeneren Charakter. Beispiele aus Visperterminen S Visp 7 beiten — beitty. — warten toufen — töiffy, — taufen sleipfen — zleippfy — schleifen soumen — zöim% — saunen stöüpen — steippy, — ausstäupen pl. zu boum — beim — Bäume c) Im Lötschental und in Simplón wurde die Reihe durch Entpalatalisierung von öi zu oi aufgelöst, wobei noch Zwischenwerte mit einer zwischen ö und o gelegenen ersten Komponente feststellbar sind. Beispiele aus dem Lötschental geiz — ç/eis — Geiß
ougen — oiçn — Augen beröüchen — berréikhn — beräuchern
d) Im Norden vollzog sich außer in den Lütschinentälern (Lauterbrunnen, Grindelwald) und am Brienzersee im Kanton Bern mit geschlossenem bis leicht offenem ei und schwach palatovelarem ou im Lauterbrunnental und am Brienzersee und stark palatovelarem öy in Grindelwald die Öffnung von EI zum Extremdiphthong ai mit einer hellen, stark nach über offenem ä geneigten ersten Komponente. Der palatovelare Diphthong für mhd. ou behielt im Haslital des Kantons Bern, in den obersten Orten des Kantons Obwalden ab dem Sarner See und im Kanton Uri außer i m ? 5. Wirr, S. 38 f.
102
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
Urserental die offenen Lautungen py bei, so d a ß sich zwischen beiden Gliedern der Reihe eine starke Divergenz im Öffnungsgrad einstellte. N u r im Urserental des Kantons Uri und im K a n t o n Nidwaiden mit den u n t e r e n Orten des Kantons Obwalden erfolgte eine parallele Entwicklung, die i m Urserental unter Aufgabe der Palatovelarität zu atf, führte, in Nidwaiden und Obwalden aber unter Entpalatalisierung qy, ä\ mit einer dunklen, nach überoffenem à geneigten ersten und einer meist noch zwischen % und f stehenden zweiten Komponente, die wir mit y umschreiben, ergab. A n diesem Vorgang nehmen auch die Orte a m Westufer des Urner Sees i m K a n t o n Uri teil, welche die Zwischenstufe qü und damit eine gestörte Reihe bewahrt haben. Beispiele aus Brienz am Brienzersee 8 veiz — veis — feist louge — lougän — Lauge zu schoup — pseifrän — mit Stroh verstopfen Beispiele aus dem Reußtal im K a n t o n U r i 9 geifer — gaiffdr — Speichel ertouben — zrtpijbä — erzürnen jöüken — ia\kxä — vertreiben Beispiele aus dem Urserental im K a n t o n U r i 1 0 heischen — haysh — heischen loup — Ιψψρ — Laub vröüde — yra\t — Freude Beispiele aus dem K a n t o n Nidwaiden heiz — hais — heiß boum — bqym — Baum röüchen — ra\kxd — räuchern e) I m Obwaldner Ort Engelberg h a t sich ähnlich der diphthongischen Reihe für mhd. î — û — û der zu oj entpalatalisierte Umlaut von der durch Palatovelarität gestörten zweigliedrigen Reihe a\ — αγ, die sich nur leicht in der zweiten Diphthongkomponente auswirkt, getrennt. Beispiele meitlîn — ma\tl\ — Mädchen touben — iayfea — zürnen röüchen — ro\lcxd — räuchern f) D i e W a l s e r k o l o n i e n . I n den Walserkolonien blieb teils die ursprüngliche Lautstufe EI — OU (— ÖÜ) erhalten, teils erfolgte Öffnung zu Extremlauten AI — AU (-AÜ).
8 6. Schild, S. 76ff. » 9. Clattss, S. 62F. 8. Abbog, S. 28f.
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In den südlichen Walserkolonien begegnet wie immer in Issime mit erhaltener Umlautrundung eine dreigliedrig gekoppelte Reihe, während sonst Umlautentrundling zu zweigliedrigen Reihen führte, deren Koppelung teilweise durch Palatalisierung von mhd. ou gestört ist. Die gekoppelten Reihen treten in Gressoney, Macugnaga und Saley als leicht offenes çi — çu und in Issime als offenes çi — çu — çi, die sich von den geschlossenen Diphthongen für mhd. î — û — û deutlich unterscheiden, auf. Alagna und Rima haben die Öffnung der ersten Komponenten zu Extremdiphthongen aj — ay, durchgeführt·. Beispiele aus Issime geseit — gzçit — gesagt höü —
kgi
Beispiele aus Rima meist — ma\et — meist höü —
χα\ —
rouch — rçux — Rauch — Heu stoup — stay¡p — Staub Heu
Für die durch Palatalisierung gestörten Reihen finden sich im Pomat und in Bosco-Gurin wie im Wallis leicht offene Lautungen çi — çi. In Rimella verhinderte die starke Palatalisierung die Öffnung zum Extremdiphthong, so daß einem ai voll palatales, leicht offenes çi gegenübersteht. Beispiele aus Rimella kleit — χία\ά — Kleid
höü —
χα\
glouben — çlçiby, — glauben — Heu
In den östlichen Walserkolonien tritt wie immer in Obersaxen, Versam, Valendas, Mutten und Schmitten eine durch Umlautentrundung zweigliedrige Reihe auf, die in Obersaxen und Mutten durch leichte Palatovelarität gestört ist. Entrundung von mhd. öü zu offenem EI, das sich deutlich von überoffenem EI oder AI für mhd. ei unterscheidet, herrscht im Gegensatz zu allen anderen Reihen in sämtlichen Vorarlberger Kolonien. Während mhd. ei und mhd. ou als überoffenes EI — OU oder als Extremdiphthonge AI — AU eine zweigliedrige Reihe formen, schließt sich das offene EI für mhd. öü der Hiatusdiphthongreihe mhd. î — û — u an. In Laterns kann die zweigliedrige Reihe individuell durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung von überoffenem EI zu E aufgelöst werden. In Schmitten hat sich der Umlaut durch Entrundung des in der zweiten Komponente entpalatalisierten Diphthonges ÖU zu EU von der Reihe abgelöst und nimmt eine isolierte Stellung im System ein. An Lautwerten begegnen im Rheinwald und in Vals allgemein noch leicht offenes çi — çu — çii, während alle übrigen graubündischen Kolonien und das liechtensteinische Triesenberg die Öffnung zu Extremdiphthongen a{ — aii (— ail) mit jeweils einer hellen, öfters auch gelängten ^4-Kom-
104
Die Enhoieìdung der Reihe mhd. ei — ou — öü
ponente durchgeführt haben. Der Umlaut aii neigt in Safien gerne zur E n t rundung der zweiten Komponente, so daß das erste und dritte Glied der Reihe in a\ zusammenfallen können. Beispiele aus Hinterrhein im Rheinwald 1 1 leist — Içist — du legst troupfe — trçupf — Dachtraufe böüggen — pçiikL· — biegen I n Obersaxen und Mutten ist die Koppelung der Reihe durch leichte, bloß die zweite Diphthongkomponente ergreifende Palatovelarität von A U gestört. An Lautwerten hört man in Obersaxen sehr helles ai — ay und in Mutten normales a\ — ay. Beispiele aus Obersaxen 12 leip — laip — Brotlaib louch — laijx — Lauch söüggen — za\klc3 — säugen I n Schmitten wurde der in der zweiten Komponente zu ÖU entpalatalisierte Umlaut zu çu entrundet, so daß sich die Reihe nur mehr aus dem ersten und zweiten Glied zusammensetzt. Beispiele geiz — gais — Geiß
ouge — ayga — Auge röüchern — rçuxara — räuchern
I n den Vorarlberger Kolonien wurden zunächst nur mhd. ei und rnhd. ou zu überoffenem ä\ — &%, im Kleinen Walsertal sogar zu a\ — ay¡ geöffnet, während der gerundete Umlaut çii unverändert auf der ursprünglichen Stufe verharrte. Die allgemein nachlassende Spannung, die besonders in Laterns und im Großen Walsertal zur Dehnung der ersten Komponenten führte, und in Laterns individuell sogar Assimilationsdehnungsmonophthongierung von âç zu überoffenem â verursachte, bewirkte die Entrundung von qü zu offenem gì, das sich dadurch von der Reihe ablöste 13 . Beispiele aus dem Großen Walsertal 1 4 breit — brâ\t — breit loufen — là%ffd — laufen löüfic — Içiffig — läufig I n allen Walserkolonien mit erhaltener Umlautrundung wurde mhd. ei in Umgebung von mit Lippenrundung gebildeten Konsonanten zu ÖÜ, AÜ gerundet, so daß die betreffenden Beispiele vom ersten zum dritten Glied
" 11. LOUEZ, S . 2 6 0 , 2 6 1 .
ι 2 12. BRUN, S. 49ff. is Nach freundlicher Auskunft von Dr. Eugen GABRIEL, Wien, und 42. WIRTHENSOHN, S. 85, 93, 95. Die Angaben von 143. RUDOLF, S. 214f., sind größtenteils falsch. 1 4 4 2 . WIRTHENSOHN, S . 85, 9 3 , 9 5 .
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der Reihe übertraten, ζ. B. khqissyi .geheischt' (Issime), zaiiffä,Seife' bünden).
105 (Grau-
§ 134 Das hochalemannische Gebiet mit erhaltener Umlautrundung und Vorarlberg a) Nach der Entwicklung von mhd. ei 1 und mhd. ei 2 zerfällt das Hochalemannische in den Westen mit der Reihe mhd. ei 1 + ei2 — ou — öü und in den Osten mit der Reihe mhd. ei 2 — ou — öü und spezifischen Entwicklungen des Extremdiphthonges für mhd. ei 1 . Räumlich getrennt tauchen die östlichen Verhältnisse nochmals im graubündischen Rheintal von Felsberg bis Tamins auf. Wie immer tritt die Reihe in Gurmels mit Umlautentrundung zweigliedrig auf. Im graubündischen Rheintal von Felsberg bis Tamins ergab der in der zweiten Komponente zu ÖU entpalatalisierte Umlaut beim Eintritt der Umlautentrundung den isolierten Diphthong EU. Spezifische Entwicklungen von mhd. ei 1 + mhd. ei2 haben in der Nordostschweiz und im südlichen südbadischen Hegau zur Auflösung der Reihe geführt. Die Koppelung der dreigliedrigen Reihe ist nicht mehr überall gewährleistet. So entstand in der Mittel- und Nordschweiz mit den Kantonen Zug, Zürich und Aargau durch die Öffnung von mhd. ei und mhd. ou zu Extremdiphthongen bei unverändertem Verharren des Umlauts mhd. öü die dreigliedrig gestörte Reihe AI — AU — ÖÜ. In Südbaden verursacht die nachlassende Lippenrundung oftmals Umlautentrundung und den Zusammenfall von mhd. öü und mhd. ei in AI, so daß dann im Gegensatz zu den anderen Reihen des Systems nur mehr eine zweigliedrige Reihe AI — AU vorhegt. In der Westschweiz mit den Kantonen Solothum und Basel einschließlich des badischen Markgräflerlandes blieb die ursprüngliche Palatalisierung von mhd. ou erhalten. Durch die Wiederaufnahme eines gerundeten Umlauts entsteht so im Kanton Solothurn ohne den äußersten Norden eine dreigliedrig gestörte Reihe EI — DU — ÖÜ. Da im übrigen Bereich der wiedereingeführte gerundete Umlaut stets mit mhd. Hiatus-u eine Einheit bildet, hängt dort das synchrone Auftreten einer dreigliedrig gestörten Reihe AI — ocU — A Ü, ÖÜ oder einer nur zweigliedrig gestörten Reihe AI — , lgj>, Içp, 15p, l5p — Laub töüfe — dçf, dçf — Taufe
e) In einem schmalen nordelsässischen Streifen zwischen der obgenannten Xiinie von Hagenau bis Dachsburg (vgl. c) und der Linie nördlich des Bibers a b W Seltz — Ν Wörth — Ν und W Reichshofen — N W Ingweiler — W Lützelstein — Lixheim — Saarburg findet sich die gekoppelte Reihe a,\ — a% mit normalen bis hellen .¿4-Komponenten 67 . Gekoppelt ist die Reihe auch noch im Nordwesten des Schwäbischen m i t dem oberen badischen Murgtal bis zur Linie Baden — Gernsbach — I Ï W Neuenbürg — Pforzheim — O Knittlingen — Bönnigheim — Lauffen / Neckar — Beilstein — W Murrhardt erhalten. Allgemeine Lautungen sind hier äe — äo mit gelängten yl-Komponenten 68 . Nur in der im 18. Jahri u n d e r t von der Rheintalseite her gegründeten Siedlung Herrenwies O Achern findet sich die durch Palatovelarität gestörte Reihe äe — oto, -wobei vor primärem und sekundärem w die Palatovelarität verlorengeht, ζ . B. gläif,u9 ,glauben' 69 . Um Pforzheim kommt die Diphthongreihe nur 65
6 0 . LIENHART, S . 1 2 .
«6 54. BEYER, S.
120f.; 6 4 .
K I L I A N , S . 2 5 f f . ; 6 9 . SCHLAGER, S .
•«' 5 4 . B E Y E R , S . 1 1 5 . •«8 69. SCHLAGER, S . 48ff.; 7 0 . H E I L I G , S .
22, 23; 93. B A U R ,
S.
48ff. 124ff.; 110. RALL,
6 0 f . ; 1 1 1 . BOGER, S . 1 3 f . ; 1 1 2 . S E X A Ü E R , S . 1 0 , 1 1 ; 2 6 4 . B R A U N , S . 2 6 .
«» 93. B A U R , S. 124ff.
S.
56,
119
§ 132 bis § 135 Das Alemannische
mehr veraltet vor, während jünger bereits allgemein wie im anschließenden Südrheinfränkischen Reihenauflösung mit äe. ä üblich ist (vgl. § 141b). Beispiele aus Gräfenhausen Ν Neuenbürg 70 Scheitel — zäedl — Scheitel glouben — gläovd — glauben vröüde — vräed — Freude f) Im niederalemannischen Osten schlug mhd. ei 1 spezifische Entwicklungen ein, während mhd. ei2 an seine Stelle trat und mit mhd. ou und mhd. öü eine neue Reihe bildete, der wir uns zunächst zuwenden. Im Anschluß an das Hochalemannische gelten im Vorschwäbischen bis zur Linie O Oppenau — Schiltach — Ν Villingen — Spaichingen — Mühlheim/Donau — S Messkirch — Pfullendorf — Waldsee — Wurzach — S Leutkirch — X Isny — X Immenstadt — Staatsgrenze Deutschland/ Österreich geschlossene, leicht offene oder offene Diphthonge, die mit der Hiatusdiphthongreihe für mhd. î — û (— u) und östlich der oberen Donau auch mit der Diphthongreihe für mhd. i — û — u vor Konsonanten zusammengefallen sind, westlich aber durch offenere Aussprache von jener getrennt bleiben. Während die Reihe im Westen als ei, ei, çi — ou, pu, çu gekoppelt ist 7 1 , ist sie im oberen Wolftal im äußersten Norden und im Süden vom oberen Donaugebiet über den Bodensee bis in den obersten Allgäu durch Palatalisierung von mhd. ou gestört·. Hört man im obersten Illertal stark palatovelares geschlossenes öü, öy bis voll palatales öi, so nimmt der Stärkegrad der Palatalisierung nach Westen rasch ab. Bereits um Lindenberg gilt nur mehr leicht palatovelares geschlossenes ou, das sich dann, zum Teil mit noch stärkerer Abschwächung zu ou, bis ins obere Donaugebiet nach Westen zieht 7 2 . In der Baarmundart um Spaichingen ist palatovelares leicht offenes bis offenes gu und im oberen Wolftal stärker palatovelares offenes gu üblich 7 3 . Um Bonndorf wurde die gekoppelte Reihe zu hellen Extremdiphthongen a\ — a% geöffnet, so daß sich der Extremdiphthong für mhd. ei 1 anschließen konnte 7 4 . Beispiele aus Weiler SO Wangen im Allgäu 75 treit — (reit — trägt seist — zeist — sagst
loube — loub — Laube ouge — oug — Auge
™ 110. RALL, S. 56, 6 0 f . ™ 6 4 . KILIAN,
S. 2 5 f f . ;
7 2 . BESCH,
S. 4 2 f . ;
8 8 . SCHNEIDER,
S. 2 2 3 f f . ;
93. BAUS,
S . 1 2 4 ff. ™ 7 3 . HAAG, S . 6 4 ; 7 5 . LANG, S . 4 4 f . ; 7 6 . M Ü L L E R , S . 4 7 f . ; 7 7 . D R E H E R , S . 4 6 , 4 8 f . ; 7 8 . BINGESER,
S. 11,
8 1 . SCHÖLLER,
S. 1 1 ;
30;
7 9 . RAICHLE,
82. REISER,
S. 5 3 ,
S. 4 9 3 f . ;
55;
8 0 . BOHNENBERGER,
83. LAU,
S. 4 9 f . ;
S. 4 5 9 ;
8 4 . WEISHAUPT,
S . 2 2 f . ; 8 6 . BOHNENBERGER, S . 1 3 8 ; 8 7 . BOHNENBERGER, S . 1 7 8 f . 73
6 4 . K I L I A N , S . 2 5 f f . ; 9 3 . BAUR, S . 1 2 4 f f . ; 7 7 . D R E H E R , S . 1 4 2 , 1 4 9 f f .
74
6 1 . E C K E R L E , S . 2 3 , 3 2 , 4 0 ; 8 7 . BOHNENBERGER, S . 1 7 8 f .
75
8 3 . LAU, S. 4 9 f .
120
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
snöüggen — zneikL· — naschen vröüde — meid — Freude g) Am Südrand dieses Bereiches wurden auf der Bodaner Landzunge zwischen dem Überlinger- und dem Untersee mit der Reichenau und Konstanz sowie nochmals um Lindau/Bodensee die Diphthonge zu geschlossenem è — δ monophthongiert, so daß sie von der Hiatusdiphthongreihe für mhd. î — û — û getrennt sind. Beispiele aus Dingelsdorf N W Konstanz geleit — Jçlët — gelegt koufen — khöffa — kaufen stöüben — stêb? — stauben h) Im Schwäbischen erfolgte die Öffnung zu mittelmäßig gespannten Extremdiphthongen ae — ao mit kurzen bis halblangen und oftmals leicht angeglichenen ersten Komponenten 7 6 . Im Süden vollziehen sich die Übergänge allmählich. Im Norden erstrecken sich die diphthongischen Lautungen bis zur Linie Großbottwar — Murrhardt — Gaildorf/Kocher — S Vellberg — Ν Ellwangen/Jagst und im Osten ursprünglich bis etwa zur Linie Aalen — NO Heidenheim — Giengen — Gundelfingen — östlich der unteren Mindel — östlich der oberen Schutter — SO Mindelheim — die oberste Günz — westlich der obersten Wertach bis zur deutsch/österreichischen Staatsgrenze. Beispiele aus Horb 7 7 *eidähse — aedçks — Eidechse sloufe — zlaof — Schleife geseit — gzaet — gesagt tougen — daoga — taugen röüber — raebdr — Räuber töüfen — daevd — taufen j) Im Ostschwäbischen östlich der obgenannten Linie von Ν Ellwangen bis zur deutsch/österreichischen Staatsgrenze fand Monophthongierung zu E — Ö statt. Im Ries bis zur Linie 0 Giengen — S Donauwörth fehlt, wie schon mehrmals erwähnt wurde, die Verbalkontraktion. Die Monophthonge für mhd. ou und mhd. öü reichen dort bis Dinkelsbühl — Ν öttingen — 0 Monheim — W Neuburg/Donau ins schwäbisch-bairisch-ostfränkische 76
7 2 . B E S C H , S . 4 2 f f . ; 7 3 . H A A G , S . 6 4 ; 7 8 . B H Ï G E S E R , S . 1 1 , 3 0 ; 7 9 . RAICHLE, S . 5 3 ,
55; 84. W E I S H A U P T , S. 22.1.·, 85. W I E S T , S . 147, 149ff.; 86. B O H N E N B E R G E R , S . 139: 8 7 . BOHNENBERGER,
S. 1 7 8 f . ;
8 8 . SCHNEIDER,
S. 223ff.;
8 9 . LAUCHERT, S . 1 2 f . ;
9 0 . BROBEIL, S . 5 7 ; 9 1 . K E I N A T H , S . 1 8 ; 9 2 . H E I S S E L , S . 1 1 ; 9 3 . B A H R , S . 1 2 4 f f . ; 9 4 . HOFMANN, S . 5 4 f . ; 9 5 . K A U F M A N N , S . 2 8 f f . ; 9 6 . H Ö V E M E Y E B , S . 1 1 9 ; 9 7 . A R M BRÜSTER, S . 6 1 , 6 3 f . ; 9 8 . W A N D E L , S . 1 8 ; 9 9 . W A G N E R , S . 1 7 ; 1 0 0 . B O F P , S . 5 7 , 5 0 ; 1 0 1 . FISCHER,
S. 156;
1 0 2 . STROHMAIER,
S. 6 1 f f . ;
103. FRIKER,
S. 7 1 f . ;
104.
OECHSNER, S . 4 8 f f . ; 1 0 5 . VOGT, S . 1 2 ; 1 0 6 . ZINSER, S . 1 2 f . ; 1 0 7 . B O H N E N B E R G E R ,
S. 4 4 8 ; 108. FREY, S . 1 1 8 f f . 77
9 5 . KAUFFMANN, S . 2 8 ff.
121
§ 132 bis § 135 Das Alemannische
Mischgebiet nach Norden (vgl. § 138f) und setzen sich östlich des Lechs ins Bairische fort (vgl. § 137a). Im Raum von Heidenheim bis Mindelheim wurden die offenen Monophthonge ë — ö für mhd. öü und mhd. ou unter schwäbisch-umgangssprachlichem Einfluß fast bis an den Lech nahezu gäjizlich durch die Diphthonge AI — AU ersetzt, während sich das der Hochsprache ferne f für die Kontraktion ei 2 diesem Lautersatz entzogen hat. Nördlich davon um Aalen wurde nur der Monophthong E durch AI ersetzt, während der Monophthong ö unverändert fortbesteht 78 . An Lautwerten gelten im Norden ab etwa Ν Landsberg offene bis sehr offene Monophthonge f — ρ 7 9 und im Süden geschlossene bis leicht offene è — ö 8 0 , wobei sich der Übergang allmählich vollzieht. Besonders im Süden stellt man öfters die Tendenz fest, die Monophthonge enger zu schließen als sie einsetzen, so daß leicht diphthongische Aussprachen ei — öu entstehen. Ungespannte offene Diphthonge ξι — Qu (genauer fe — go), die sich durch die Quantität und die geringe Spannung von jenen für die Reihe mhd. î — û — u deutlich unterscheiden, hört man im Tannheimertal in Tirol 8 1 . Beispiele aus dem Norden treist — drçzd — trägst schoup — zçb — Strohbund tröüfelen — drçyln — triefen Beispiele aus dem Süden geseit — ksêt — gesagt
stoup — stob — Staub löügenen — lëgrjn — leugnen
k) Für mhd. ei 1 finden sich drei Entsprechungen in vier großräumigen Lagerungen. Im östlichen Allgäu tritt bis zur Linie Oberstaufen — W Immenstadt — W Kempten — Ν Mindelheim — Ν Landsberg — westlich des Lechs — einschließlich des Tannheimertals in Tirol der mittelmäßig gespannte Extremdiphthong ae, ai auf 8 2 . Im obersten Illertal und im Tannheimertal wird dazu sonderbarerweise in Komparativen ein Analogieumlaut ei bzw. gt gebildet, ζ. B . veistdr, yçistzr ,feister' 83 .
78
Vgl. die DSA-Karten „gesagt", „verkaufen", „glaube" und „Augenblickchen" u n d 1 0 9 . FKTTTT,, S . 3 5 f . ; 1 1 9 . MOSES, S . 5 3 , 5 5 , 5 6 .
79
1 1 4 . BOHNBNBERGER,
S. 2 6 f . ;
1 1 5 . NÜBLINQ,
S. 2 1 1 f . ;
1 1 6 . SCHMIDT,
S. 4 3 f f . ;
1 1 7 . E I C H , S . 3 9 ; 1 1 9 . MOSER, S . 5 3 , 5 5 , 5 6 ; 1 2 0 . BIRLIUGER, S . 1 1 . 80
8 2 . R E I S E R , S . 4 9 3 f . ; 8 6 . BOHNENBERGER, S . 1 3 9 ; 1 1 9 . MOSER, S . 5 3 , 5 5 , 5 6 .
81
143. RUDOLF, S. 2 0 2 , 2 1 5 .
82
8 2 . R E I S E R , S . 4 9 1 ; 8 6 . BOHNENBERGER, S . 1 3 8 ; 1 4 3 . R U D O L F , S . 2 1 4 .
83
82. REISER, S. 492.
122
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
Beispiele aus Tannheim in Tirol 84 vleisch — ylaez — Fleisch
seil — zael — Seil
Den Großteil des Schwäbischen erfüllt der mittelmäßig gespannte steigende verdampfte Diphthong ge mit einer kurzen bis halblangen offenen ersten Komponente 8 5 . Er gilt bis zur obgenannten Linie von Oberstaufen bis Ν Landsberg/Lech und in Fortsetzung des Lechs bis zur Mündung in die Donau — Monheim — S öttingen — Dinkelsbühl — S Vellberg — Gaildorf/Kocher — Murrhardt — Großbottwar — Marbach — Ludwigsburg — Stuttgart — W Esslingen — Grötzingen — S Pfullendorf — Waldsee — W Wangen — Hörbranz und setzt sich nach Süden in den Bregenzcr Vorderwald in Vorarlberg fort (vgl. § 134k). Wie schon im Vorderwald begegnet auch im anschließenden Allgäu um Lindenberg der merkwürdige Analogieumlaut ei (vgl. § 134k). Beispiele aus Münsingen 86 geist — ggezd — Gespenst
weich — vgej — weich
Im Westen des Schwäbischen und im Vorschwäbischen bewirkte der Übergang der steigenden Akzentuierung in eine fallende den Wandel zum fallenden Diphthong, der bis zur Linie NO Stühlingen — W Löffingen — O Freudenstadt — östlich der Murg — S Wildbad — Zavelstein — Calw — Weil die Stadt — Heimsheim — Oberrixingen — Sachsenheim — 0 Bietigheim/ Enz — Besigheim — Großbottwar reicht. Allgemein gilt die offene Aussprache q» mit halblanger bis langer erster Komponente 8 7 . Nur im Raum Spaichingen — Ebingen — Schömberg hört man die geschlossene Lautung öd, die bis zu offenem verengt werden kann 8 8 . Wie schon im Hochalemannischen wurde dazu ein Analogieumlaut fa bzw. ea, fa gebildet. In Einzelbeispielen trifft man in diesem Bereich, besonders in der Umgebung von Städten, den steigenden Diphthong O l der Umgangssprache an. 84
143. RUDOLF, S. 2 1 4 . 73. HAAG, S. 7 6 ; 7 8 . BINGESER, S. 3 3 ; 7 9 . RAICHLE, S . 5 1 ; 8 2 . REISER, S . 4 9 1 ; 83. LAU, S. 4 9 ; 84. WEISHAUPT, S. 2 2 ; 85. WIEST, S. 1 4 4 ; 8 6 . BOHNENBERGER, S. 1 4 0 ; 9 2 . HEISSEL, S. 1 1 ; 9 6 . HÖVEMEYER, S. 1 1 4 ; 9 8 . WANDEL, S. 1 7 ; 9 9 . WAGNER, S. 1 1 7 ; 100. BOPP, S. 5 7 ; 101. FISCHER, S. 1 5 6 ; 102. STROHMAIER, S . 61; 103. FREKER, S. 7 0 ; 108. FREY, S. 1 1 3 ; 109. FEIHL, S. 3 4 ; 114. BOHNENBERGER, S. 2 6 ; 115. XÜBLIXG, S. 2 1 0 ; 116. SCHMIDT, S. 4 3 ; 117. EICH, S. 3 8 ; 119. MOSER, S. 51 ; 120. BIRLINGER, S. 10. 86 100. BOPP, S . 5 7 . 87 72. BESCH, S. 4 2 ; 73. HAAG, S. 7 6 ; 74. DREHER, S. 1 3 7 ; 75. LANG, S . 4 2 ; 7 6 . M t x LER, S. 4 5 ; 77. DREHER, S. 4 4 ; 7 9 . RAICHLE, S. 5 1 ; 8 1 . SCHÖLLER, S. 1 1 ; 8 7 . B o a NENBERGER, S. 1 7 8 ; 8 8 . SCHNEIDER, S. 2 1 7 ; 89. LAUCHERT, S. 1 2 ; 9 0 . BROBEIL, S. 5 4 ; 9 1 . KEINATH, S . 8 ; 9 3 . BATIR, S . 1 2 4 ; 9 4 . HOFMANN, S. 5 2 ; 9 5 . KAUFFMANN, S. 2 6 ; 96. HÖVEMEYER, S. 1 1 4 ; 97. ARMBRUSTER, S. 6 0 ; 104. OECHSNER, S . 4 3 ; 105. VOGT, S. 1 2 ; 106. ZINSER, S. 1 2 ; 107. BOHNENBERG ER, S . 4 4 8 ; 108. FREY, S. 113. 85
88
78. BINGESER, S. 34.
123
§ 136 bis § 139 Das Bairieche
Beispiele aus Onstmettingen O Balingen 89 sleipfe — zlgdbw — Schleife pl. zu streich — zdrçz — Streich heizen — hçdzd — heißen komp. zu breit — òrgadar — breiter I m Westen von Stühlingen bis ins Wolftal stößt man dann wie im anschließenden Baden auf den Extremdiphthong helles q\ oder normales α} 90 . Beispiele aus Bonndorf leip — la\b — Laib
bleich — Μα\χ — bleich
1) Im Raum nördlich des Bodensees wurde der lange Diphthong pa für mhd. ei 1 vor mhd. z, s. t und teilweise auch vor mhd. pf und f fakultativ zu Qd gekürzt. Um Tettnang, um Meersburg — Markdorf und zwischen Pfullendorf — Stockach — O Tuttlingen/Donau — NO Friedingen und der O A/Ol-Grenze für mhd. ei 1 trat Monophthongierung des Kurzdiphthonges z u Q ein, so d a ß d o r t sonstigen hçds, vgdst, hçazdr, hpdthr,
zgdpf die L a u -
tungen hçs, vQst, hçzdr, Içdddr, zçpf ,heiß', ,feist', .heiser', .Leiter', ,Seife' gegenüberstehen 91 . m) Die s c h w ä b i s c h e K o l o n i e in Westpreußen weist für die Reihe mhd. ei 1 + ei 2 — ou — öü die gekoppelte Extremdiphthongreihe äe — äo mit gelängten ersten Komponenten auf, die sich durch die Quantität von der Extremdiphthongreihe für mhd. î — û — û unterscheidet 92 . Beispiele kleider — gläeddr — Kleider verkoufen — mrkäom — verkaufen geseit — gzäed — gesagt geröüchert — gräej9rd — geräuchert
§ 136 b i s § 139 D a s B a i r i s c h e Übereicht: § 136 Übersicht, a) Zur Kontraktion der Lautfolge ahd. egi zu mhd. ei 2 — Die Beispiele und ihre Verbreitung, b) Zur Geschichte der Reihe mhd. ei2 — ou — öü und die phonologische Einordnung ihrer heutigen Lautwerte, c) Der Umlaut mhd. öü vor Verschluß- und Reibelauten, d) Die Entwicklung von mhd. ei1, e) Zur Bildung eines Analogieumlautes zu mhd. ei1, f) Die phonologische Einordnung der Lautungen für mhd. ei 1 und seines Analogieumlautes, g) Die Lautungen für mhd. ou vor Gutturalen im Gesamtbairischen. 8» 91. KEINATH, S. 8. 61. ECKERLE, S. 3 2 ; 87. BOHNENBEBGER, S . 1 7 8 ; 8 8 . SCHNEIDER, S . 2 1 7 ; 93. BAUB, S . 1 2 4 ; 64. KILIAN, S. 2 5 . 91 76. MÜLLER, S. 4 5 ; 77. DREHER, S. 4 5 ; 78. BINGESER, S. 3 4 ; 80. BOHNENBERGER, S. 4 5 6 ; 81. SCHÖLLER, S. 11. 90
92
121. EHRHARDT, S. 61, 65 (Belege für mhd. öü fehlen bei EHRHARDT, .geräuchert' entnehme ich einer Tonbandaufnahme).
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Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
§ 137 Das Südbairische und seine Sprachinseln. — Die Entwicklung der Reihe mhd. ei2 — ou — öü: a) Monophthonge E — 0, 5 oder Diphthonge EI — OU, DU in Westtirol und im westlichen mittelbairischen Oberbayern, b) Ä für mhd. ei2 + öü gegenüber Ö für mhd. ou als Spiegelung der ursprünglichen Entwicklung im oberen Lechtal. c) Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä im übrigen Südbairischen. — Die Entwicklung von mhd. ei 1 : d) Der Diphthong OA und sein Analogieumlaut, e) Monophthongierung zu Ö im Defereggental in Osttirol, f) Der Monophthong Ä im Paznaun und Stanzertal, am Reggelberg, im Pustertal und in Kärnten. — g) Die südbairischen Sprachinseln. § 138 Das Mittelbairische und seine Sprachinseln, a) Die Entwicklung der Reihe mhd. ei2 — ou — öü. — Die Entwicklung von mhd. ei1 : b) Der steigende Diphthong O l in der Xeuhauser Gegend in Südböhmen und sein Analogieumlaut, c) Der heute durchbrochene Wechsel von Ol in mehrsilbigen und OA in einsilbigen Wörtern im Bayrischen Wald, in Südböhmen und im oberösterreichischen Mühl-, Inn- und Hausruckviertel — Restbeispiele in anderen mittelbairischen Landschaften, d) Der fallende Diphthong OA und sein Analogieumlaut, e) Der Monophthong Ä um Wien, in der Sprachinsel Bösing und in Südmähren — Der Analogieumlaut in Südmähren, f) Die Lautverhältnisse im bairisch-schwäbisch-ostfränkischen Mischgebiet an der obersten Wörnitz und unteren Altmühl. — g) Die mittelbairischen Sprachinseln. § 139 Das Nordbairische und die Sprachinsel Iglau. a) Die Entwicklung der Reihe mhd. ei2 — ou — öü. — Die Entwicklung von mhd. ei 1 : b) Der Diphthong Ol im Raum um Eichstädt, c) Der Wechsel von Ol in mehrsilbigen und OA in einsilbigen Wörtern im übrigen Nordbairischen — Die Monophthongierung von OA zu Ö am Nordrand, d) Der Monophthong Ä in einigen Bergwerkssiedlungen und in ostfränkischer Weise im Nürnberger Raum. — e) Die Sprachinsel Iglau.
§ 136 a) Ähnlich dem östlichen Alemannischen beschritt im gesamten Bairischen 9 3 mhd. ei 1 , nachdem es zum Extremdiphthong AI geöffnet worden war, spezifische Entwicklungen, während mhd. ou und sein Umlaut mhd. öü weiterhin als Reihe gekoppelt blieben. Die ahd. Lautfolge egi wurde auch i m größten Teil des Bairischen seit d e m Beginn des 12. Jahrhunderts zu mhd. ei 2 kontrahiert und n a h m die Stelle des ersten Gliedes der Reihe ein. D o c h gab es im Gegensatz zum Alemannischen nur wenige Beispiele, die diese Möglichkeiten einräumten. D e m Alemannischen gleich verhält sich nur Westtirol und das westliche Oberbayern, wo die umgelauteten Flexionsformen v o n .sagen', ,tragen', .legen' und teilweise auch ,jagen' zu mhd. ei 2 kontrahiert wurden, was mit der starken Alemannisierung dieser Gebiete i m 12. und 13. Jahrhundert zusammenhängt. Für .sagen' und .tragen' dürften umgelautete und zu ei 2 kontrahierte Formen nach Ausweis alter Belege der Wischauer Sprachinsel und einer Erinnerungsform aus der Gegend südlich des Chiemsees früher auch als autochthone Entwicklungen wenigstens gebietsweise i m Bairischen vorhanden gewesen sein 9 4 . I m Sellrain-, Stubai-, Sill- und Zillertal in Nordtirol, i m Kalsertal in Osttirol, im
83 Vgl. 122. KRAUZMAYER, S. 58ff. 94
V g l . 2 2 5 . BERANEK, S . 8 6 , u n d 174. SCHÖNBERGER, S . 55.
§ 136 bis § 139 Das Bairische
125
südlichen Oberbayern, im östlichen Niederbayern, im westlichen OberÖsterreich und in Südböhmen ist zwar ebenfalls Kontraktion vorhanden, doch bildete dabei die nichtumgelautete Lautfolge age die Ausgangsbasis, so daß nach Schwund des g der Diphthong A I entstand, der mit dem schon sehr früh zum Extremdiphthong geöffneten mhd. ei 1 zusammenfiel und dessen weitere Entwicklung teilte ; er erscheint daher heute als Diphthong OA. Eine diesbezügliche Ausnahme machen die Wörter ,legen' und ,tragen' im oberen Zillertal und dazu noch ,sagen' im Scllrain-, Stubai- und Silltal außer dem Schmirnertal, einem östlichen Seitental des Silltales, das sich ganz wie das untere Zillertal verhält. Sie zeigen dort den für mhd. Dehnungs-ë (Primärumlaut) und mhd. Dehnungs-ë üblichen Lautwert Ë, mit dem ja mhd. ei 2 in Westtirol zusammengefallen ist, so daß man mit einer früher weiteren Verbreitung der Westtiroler Kontraktion alemannischer Art, allerdings unabhängig von mhd. ou und allgemein auch von mhd. öü — nur Ιξη9 ,Lawine' (mhd. löüne) und zfmar .Säumer' kommen auch noch im Sellrain, Stubai- und Silltal vor 9 5 —, im Zillertal sogar noch von sonstigem ei 2 ( = Ä), rechnen darf 9 6 . Wenn in den übrigen Gebieten auch die Formen von ,legen' mit mhd. ei 1 als Içwd ,legt' usw. auftreten, so handelt es sich nach Ausweis der Sprachinsel Gottschee, die den ursprünglichen Lautwert Ä I für mhd. ei 2 bewahrt hat, um eine Analogiebildung nach der verhältnismäßig großen Anzahl der Beispiele mit der Kontraktion von age (.sagen', ,jagen', ,klagen', .schlagen' und sogar ,plagen', ,fragen'). Jüngere Kontraktionen, die erst nach dem Übergang von Ol für mhd. ei 1 in OA und nach der Verdumpfung von mhd. Dehnungs-ä zu Ö entstanden sind, sind die zu Ol, veraltet im Defereggental in Osttirol und vereinzelt in Südböhmen 97 , und zu Ö im östlichen Puster-, Villgraten- und Lesachtal in Osttirol 98 . So bleibt daher die Möglichkeit der Bildimg von mhd. ei 2 nur auf wenige Einzelwörter beschränkt. Es sind dies, abgesehen von Personennamen wie ,Meinhard', ,Reinhard' (ahd. Meginhard, Reginhard) und ähnlichen Bildungen in Ortsnamen, die Wörter ,Egge' (ahd. egida, mhd. eide), .Eidechse' (bair.-ahd. *egidahsa, bair.-mhd. *eidähse"), .Sense' (ahd. seginsa, mhd. seinse), die ma. Bezeichnimg des Holzbohrers (ahd. nabiger, das neben der regelrechten Weiterentwicklung zu mhd. neiger oftmals Konsonantenmetathese zu negiber — neiber erfuhr) und die ma. Bezeichnung für die Wilde Jagd (ahd. *gajegidi — mhd. gejeide). I m Nordbairischen tritt das »5 V g l . 129. EGGEH, S . 39. 96
V g l . 125. SCHATZ, S . 4 0 ; 129. EGGER, S. 3 8 ; 131. LARCHER, S . 2 4 ; 132. BIDNER,
S. 460, und die DSA-Karte „gesagt", O? V g l . 138. MELLITZER, S. 81, u n d 199. MICKO, S. 8 8 . 88 V g l . 135. KÜHEBACHER, S. 165. 99
Zum ahd./mhd. Ansatz von .Eidechse' im Bairischen vgl. W. STEINHAUSES, „Eidechse" und die Schreibimg des Sekundärumlautes. In: ZfMaf. 30 (1963), S. 331-334.
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Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
sonst unkontrahierte ,Kegel' (ahd. kegil, mhd. ebenfalls unkontrahiert kegel) hinzu. Das heute außer in Tirol ausgestorbene Wort ahd. tagading .Verhandlung am Gerichtstag' setzt nur im Zillertal, wo tädirj den alten Bauernzinstag am Zeller Markt bezeichnet 10 °, eine zu mhd. ei 2 kontrahierte Lautung teidinc voraus. Sonst gilt in Tirol in anderer Bedeutung u n d in Ortsnamen im übrigen Bairischen eine zu mhd. ei 1 kontrahierte Lautung, ζ. B. tçvdigr),Eigenheiten' im Ahrntal in Südtirol und töderjgd .Benehmen' im Defereggental in Osttirol 1 0 1 und der Ortsname Taiskirchen (ma. tçnsklmw — urkundlich Tagedingeschirchen) in Oberösterreich 1 0 2 . Das hier einzuordnende .Getreide' (ahd. gitregidi) kam wohl als mitteldeutsches Lehnwort ins Bairische und wurde mit ei 1 aufgenommen. Die genannten Wörter entbehren im westlichen Südbairischen mit Oberkärnten, fast ganz Tirol einschließlich Westtirols, aber ohne das Zillertal und Unterinngebiet mit dem Achen- und Brixental und der Kitzbühler Gegend, und im westlichen Oberbayern die Kontraktion, so daß dort an die Stelle von mhd. ei 1 kein neues erstes Glied t r a t und wir von Reihenauflösung durch spezifische Entwicklungen von mhd. ei 1 sprechen müssen. I m übrigen Süd-, Mittel- und Nordbairischen wechseln die Verhältnisse stark, doch stößt man immer mindestens auf ein Wort mit Kontraktion. I n .Egge' ist die Kontraktion in einem geschlossenen mittelbairischen Bereich mit dem Flach- und Tennengau Salzburgs, ganz Oberösterreich und dem anschließenden Südböhmen unterblieben. I n .Eidechse' fehlt sie vor allem in Teilen des Salzkammergutes sowie des nördlichen Mühlviertels in Oberösterreich mit dem anschließenden Südböhmen im Mittelbairischen und im Kärntner Lavanttal im Südbairischen. Volksetymologische Umdeutungen und Umgestaltungen sowie regelwidriger OA - Vokalismus wie f ü r mhd. ei 1 besonders in Teilen von Nieder- und Oberösterreich und in der West- und Nordsteiermark beeinträchtigen allerdings seine Auswertung sehr. ,Sense' wurde nur in den obengenannten Ausnahmegebieten Nordtirols (wohl als Lehnwort kommt es kontrahiert auch im Ahrntal in Südtirol vor 1 0 3 ), im Pinzgau und Pongau in Salzburg, im steirischen Oberennstal, im Salzkammergut und im westlichen I n nviertel in Ober Österreich, im östlichen Oberbayern, in Niederbayern und im Nordbairischen kontrahiert. Innerhalb dieses Gebietes dürfte die Lautung sçsn im südlichen Flachgau und im Tennengau in Salzburg mit dem Bereich um den Mondsee in OberÖsterreich 103 entweder auf eine unkontrahierte Lautung zurückgehen, wie sie in den weiter östlich anschließenden Gebieten zu finden ist, die ihr g sekundär eingebüßt hat, oder es handelt sich u m Lautersatz mit ç, wie er gelegentlich in Familiennamen, etwa Menhart f ü r Meinhart, auftritt. Die
!00 132. 101 134. 102 192. 103 Vgl.
BIDNER, S. 2 3 0 . COSTISELLA, S. 1 1 ; 137. BLASSNIO, S . 1 7 2 ; 1 3 8 . MEIXITZEB, S . 89. WEITZENBÖCK, S . 5 6 . 176. REEFFENSTEIN, S . 16.
§ 136 bis § 139 Das Bairieche
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zwar weitgehend vorhandene ma. Bezeichnung für den Holzbohrer ist in den Grammatiken so selten belegt, daß für den möglichen Kontraktionsbereich kein Überblick gewonnen werden kann. Die Bezeichnung für die Wilde Jagd ist mit der Lautung für ei 2 nur im ötz- und Zillertal in Nordtirol sowie im mittelbairisch/nordbairischen Westen zwischen X Augsburg/ Lech — Ingolstadt/Donau — S Heideck — SO Pappenheim — Monheim und dem Lech erhalten 1 0 4 . Sonst findet sich zwar allgemein Kontraktion, doch mit der Lautung für mhd. ei1, was wohl mit der nicht bairisch ma. geprägten Jägersprache in Verbindung zu bringen sein dürfte. b) Zur Übersicht der Geschichte und der lautlichen Entwicklung der Reihe mhd. ei 2 — ou — öü, die durch Umlautentrundung zweigliedrig geworden ist, kann folgendes gesagt werden. Westtirol außer dem oberen Lechtal und das westliche mittelbairische Oberbayern zeigen im Anschluß an das Alemannische Monophthongierung zu E — Ö oder wieder sekundäre Diphthongierung zu EI — OU, wobei die Koppelung der Reihe im Tiroler ötztal und im oberbayrischen Loisachtal durch Palatalisierung von mlid. ou gestört ist. Der im Süden bis Ν Landsberg/Lech, jedoch ohne das Gebiet an der oberen Ammer, geschlossenen Monophthong- bzw. Diphthongreihe hat sich die Reihe mhd. Dehnungsë — ö — 5 angeschlossen, zu der noch mhd. Dehnungs-ê hinzukommt. Bei offener Qualität im Bereich der oberen Ammer schließen sich mhd. â und mhd. Dehnungs-ä an. Im mittelbairischen Gebiet ab Ν Landsberg/Lech besaß die Monophthongreihe ursprünglich offene Aussprache, wie sie bei Kürzung nach dem Quantitätengesetz noch unvermindert fortbesteht, während sich bei erhaltener Länge eine junge, bis zu geschlossenen Werten führende Schließungstendenz bemerkbar macht. Die Reihe mhd. ei 2 — ou — öü bildet zwischen Ν Landsberg und Augsburg mit der neuen Reihe mhd. ae -f Dehnungs-ä — mhd. â und ab Augsburg mit der neuen Reihe mhd. Dehnungs-ê — mhd. â + Dehnungs-ä eine Einheit. Im oberen Lechtal findet sich für mhd. ei 2 + öü der Monophthong Ä, mit dem mhd. Dehnungsa und mhd. ae zusammengefallen sind, gegenüber dem offenen Monophthong Ö für mhd. ou, der sich mhd. â und mhd. Dehnungs-ä angeschlossen hat; beide Phoneme stehen im System isoliert. Diese Ë — Ö-Lautungen Westtirols und Oberbayerns erweisen sich bei näherer Betrachtung als Übernahmen aus dem Alemannischen. So findet sich in den Wörtern ,leugnen', ,räuchern' und .Säumer' gegenüber dem sonstigen Bairischen Umlaut. Die Verbalkontraktionen zu ei2 statt zu ei 1 ( = OA) in ,sagen', .tragen' usw. reichen, wie bereits oben gesagt wurde, über den Bereich der OLautungen für mhd. ou nach Osten. Wenn im oberen Lechtal für mhd. ei 2 + öü statt zu erwartendem Ë der echt bairische Monophtong Ä auftritt, so kann dies nur eine Spiegelung ursprünglicher Verhältnisse sein, 104
Nach einer Karte von B.
SCHWEIZER ZU
einem Bairischen Sprachatlas.
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Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
wozu der Monophthong Ö für mhd. ou in keinerlei Beziehung steht. Fehl am Platz sind heute auch die zu Ä kontrahierte Form gdiädd ,Wilde J a g d ' und die Lautungen gäkJo oder gälckr) (ahd. gouggo) für den männlichen Kinderschreck des Sagengutes und päm oder pämdn ,Baum', tram, .Traum', zäm ,Saum' im ötztal, letztere auch im obersten Inntal ab Tösens mit dem Samnaun, die auf flexivische Formen *göüggin. *böümin usw. zurückzuführen sein dürften 1 0 5 . Ebenso wenig fügt sich das im Oberinn tal übliche pägx> .ringförmiges Gebäck', welches auf eine Verallgemeinerung des umgelauteten Plurals mhd. böüge zurückgehen wird, bruchlos in die heutigen Verhältnisse. Alle diese Relikte verdeutlichen den ursprünglich bairischen Entwicklungszustand jener Gebiete. I m übrigen Bairischen erfolgte zunächst die Öffnung zur Extremdiphthongreihe AI — AU. Sie blieb aber im ganzen Südbairischen von der Reihe mhd. î — û — û bis heute scharf getrennt und zeigt Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä und damit Reihenauflösung. Daß sich die Extremdiphthonge für mhd. î — û — u auf der einen und mhd. ei 2 — ou — öü auf der anderen Seite so reibungslos aneinander vorbeientwickeln konnten, war nach Ausweis der Sprachinseln Gottschee durch einen Quantitätsunterschied gewährleistet, indem den Kurzdiphthongen AI — AU für mhd. î — û — û die Langdiphthonge ÄI — ÄU für mhd. ei 2 — ou — öü gegenübertraten, wozu noch bei AU für mhd. û Palatovelarität verdeutlichend hinzukam. Für das Mittelbairische und das Xordbairische muß bei der Behandlung der heutigen Verhältnisse der Reihe mhd. ei 2 — ou — öü die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einsetzende Dehnungsmonophthongierung der Extremdiphthongreihe AI — AU für mhd. î — û — û zu Ä, die, später größtenteils wieder rückgängig gemacht, nur mehr in Reliktbeispielen zu beobachten ist, mitberücksichtigt werden. I n dem so stark zu steigtonigen Entwicklungen neigenden Nordbairischen fiel mit dem Diphthong AI für mhd. ei 2 + öü sehr bald AI für mhd. î + û zusammen, da es weder möglich war, mehr als drei steigende Diphthongphoneme qualitativ auseinanderzuhalten, noch die Quantitätsverhältnisse wie im Südbairischen eine quantitative Unterscheidung erlaubten. Während die Extremdiphthonge für mhd. ei 2 + öü und mhd. î + û im 14. Jahrhundert gemeinsam zu Ä monophthongiert wurden, erfolgte erst zu dieser Zeit der Zusammenfall des schon im 13. Jahrhundert zu Ä monophthongierten Extremdiphthonges für mhd. ou mit dem erst jetzt monophthongierten für mhd. û, da die Reihe mhd. ei 2 — ou — öü auf der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung ÄI, Ä aufgelöst worden war. Als später wieder sekundär Extremdiphthonge eingeführt wurden, behandelte man selbstverständlich beide Reihen gleichwertig, so daß heute auch kein Unterschied
"5 Vgl. 122. Kbaszmayer, S. 69; 125. Schatz, S. 41; 141. Gröger, S. 114.
§ 136 bis § 139 Dae Bairische
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zu finden ist und regellos neben dem ursprünglichen Monophthong Ä die Diphthonge AI bzw. AU stehen. Nicht wesentlich anders liegen die Verhältnisse im Mittelbairischen. Auch hier mußten bei der Entstehung der heutigen Quantitätsverhältnisse die Extremdiphthonge für mhd. ei 2 + öü und mhd. î + û zusammenfallen, nachdem vorher schon die Auflösung der Reihe mhd. ei 2 — ou — öü zu ÄI, Ä auf der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung vollzogen worden war. So war es daher den in mittelbairisch-wienerischer Art reimenden Dichtern Heinrich und Ulrich von dem Türlin, Jans Enikel, dem Pleier und anderen bereits im 13. Jahrhundert möglich, mhd. î und mhd. ei 2 miteinander zu binden. Wie im Nordbairischen kam es auch im Mittelbairischen beim Eintritt der Monophthongierung der Extremdiphthongreihe AI — AU für mhd. î + û -f- ei 2 -f- öü — û zu Ä zum Zusammenfall mit dem schon früher zu Ä monophthongierten Extremdiphthong für mhd. ou. Als später wieder sekundär die Extremdiphthonge AI — AU eingeführt wurden, wird dies wahrscheinlich genauso wahllos geschehen sein wie im Nordbairischen, worauf das stets konservative Oberösterreich mit dem niederbayrischen Rottal und dem salzburgischen Flachgau und das nicht minder konservative Gebiet um Neuhaus in Südböhmen mit dem regellosen Nebeneinander von AI, AU und Ä hinweisen. Ebenso werden eine Anzahl von Ortsnamen mit ,Mein-' und ,Rein-' im Waldviertel in Niederösterreich zu beurteilen sein, die teils Ä und teils AI aufweisen. Wenn heute die älteste Generation im Burgenland und in Niederösterreich im Osten und in Ober- und Niederbayern im Westen beide Reihen als AI — AU bzw. einheitliche Reihenauflösung zu Ä voneinander trennt, so wird man diese scheidende Kraft in der sprachneuernden Einwirkung Wiens und der Donau-Isarstraße mit ihren Nebenstraßen zu suchen haben. Von dieser früheren Bewegung muß aber der genau umgekehrte Vorgang, nämlich die seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts einsetzende Wiedereinführung des Diphthonges A U hauptsächlich für langes  vor b, weniger für kurzes A vor f, wovon schriftferne Wörter wie die ma. Bezeichnung für Strohbündel (mhd. schoup) oder das ebenfalls mundartliche mhd. goufe in der Bedeutung ,eine (oder zwei) Handvoll' oder ,Nadel' allgemein unberührt bleiben, getrennt werden, die bei der jüngeren Generation für mhd. ou wieder ein regelloses Nebeneinander von älterem Ä und jüngerem AU schafft. Zu den phonologischen Verhältnissen der heutigen Lautungen ist folgendes zu sagen. Dem isolierten Monophthong Ä Schloß sich außer im Nürnberger Raum mhd. ae und mhd. Dehnungs-a, teilweise auch mhd. ei 1 an, wobei am Westrand des Nordbairischen die ursprünglich kombinatorisch bedingte Verteilung von langem Ä und kurzem A durch das Eindringen der mitteldeutschen Konsonantenschwächung phonemisiert wurde. Die Diphthonge AI — AU bilden eine gekoppelte Reihe, die weitgehend für mhd. î — û — û und teilweise für Beispiele mit mhd. ei 2 — ou — öü gilt. β Wiesinger, Band II
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Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
c) Ein weiteres Problem stellt die Entwicklung des Umlauts mhd. öü dar. Wie aus der obigen Darstellung bereits zu entnehmen ist, werden mhd. ou und mhd. öü nur in Westtirol und im westlichen Oberbayern sowie in den zimbrisehen Sprachinseln als O — E, Ö bzw. OU - EI, ÖÜ voneinander getrennt. Im übrigen Bairischen hat die Dehnungsmonophthongierung beider Diphthonge zu Ä die ursprüngliche Trennung beseitigt. Eine Ausnahme besteht nur im Südbairischen vor Gutturalen: während der velare Konsonant den Bestand des Diphthonges AU garantierte, wurde AI auch vor Gutturalen zu Ä monophthongiert. Dieser Unterschied AU — Ä vor Gutturalen galt ursprünglich auch im Mittel- und Nordbairischen. Als dort die Reihe AI — AU für mhd. î — ü — u und ei2 + öü, in die AU für mhd. ou vor Gutturalen eingetreten war, im 13./14. Jahrhundert durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä aufgelöst wurde, kam es schließlich auch vor Gutturalen zum Zusammenfall von mhd. ou und mhd. öü in Ä. Daher ist es nur im Südbairischen möglich, reichere Beispiele für den Umlaut zu gewinnen. Da im Mittelbairischen beim späteren Ersatz von Ä für mhd. ou und mhd. öü nur einige Beispiele erfaßt wurden, können Beispiele mit Ä vor Gutturalen als Relikte ursprünglicher Umlaute gewertet werden, wenn diese im Südbairischen als solche gesichert sind. Im Nordbairischen versagt dieses Mittel, weil dort Ä für mhd. öü zur Gänze durch AI ersetzt wurde. Als umgelautete Bildungen vor Gutturalen erweisen sich folgende Wörter: Nur mehr in Tirol gilt zägy ,säugen' (mhd. söügen), das sonst durch zaegr) ersetzt wurde. Das im Tiroler ötztal für den männlichen Kinderschreck vorkommende Wort gäkL· oder gäkkrj und das im Salzburger Pongau übliche Wort gägw für Spielzeug (dazu gägxrn .spielen')106 ist, wie schon oben bemerkt wurde, auf flexivisches *göüggin zurückzuführen. In der Steiermark und im angrenzenden Kärnten sowie im Salzburger Pongau setzt die ma. Bezeichnung tsäg, tsalc, tsakx für eingespannte Zugtiere, wovon im Pongau das Verbum tsäyr) .ziehen' abgeleitet wurde 106 , mhd. *zöügge voraus. Dagegen weist das südböhmische tsaog den unumgelauteten Ersatzlaut auf 107 . Die alten Wörter -ak, -ak(k)vt (mhd. -öügge) ,-äugig' in Komposita und -ak(k)ln ,-äugeln' in Komposita in Tirol, Oberbayern, Salzburg 108 . Kärnten und Steiermark weichen weitgehend den verkehrssprachlichec Neubildungen -aogvd (-augecht) und -aegln. Die im nordwestlichen und südwestlichen Niederösterreich und in Niederbayern mit der südlichen Oberpfalz vorkommenden Lautungen -aok, -aokvd zeigen dagegen den unumgelauteten Ersatzlaut. Wohl auf den plural tantum *löüge zu mhd. loue wird läkx, lag in den Bedeutungen .Flamme', ,Feuer', ,Rauch' oder
106 1(
1 7 8 . GAPPMAYER, S . 1 7 0 .
" 1 9 9 . MICRO, S . 9 0 f .
108
1 7 6 . R E I F F E N S T E I N , S . 1 3 f . ; 1 7 7 . HASLINGER, S . 1 5 .
§ 136 bis § 139 Das Bairische
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,Herd' zurückgehen, das im Zillertal in Tirol 109 , im südlichen Niederösterreich, im mittleren Burgenland und in der südlichen Mittelsteiermark gilt. Während läg im nördlichen oberösterreichischen Mühlviertel und in Südböhmen den aus AI hervorgegangenen Monophthong Ä bewahrt, zeigt das dazugehörige Verbum läogdtsn ,flackern' den Ersatzlaut 107 . In Oberösterreich südlich der Donau gilt nicht nur im Verbum, sondern auch im Substantiv der Ersatzlaut: läog. Den alten mhd. Singular loue setzen nur die zimbrischen Sprachinseln als lölex fort. Ahnlich ist mhd. bouc als gesamtbairische Bezeichnung für etwas Rundes (Gebäck, Ring zum Befestigen der Deichsel, eine bestimmte Ackerfurche usw.) mit den Lautungen pätγα, päg, pä oder als Diminutiv pägl zu deuten, dessen alter Singular päogd nur mehr in der Sprachinsel Gottschee fortlebt. In Niederösterreich und Südmähren wurde weitgehend wieder der Diphthong AU — päoy, päog — und im Diminutiv der Diphthong AI — päegl (,rundes Gebäck') eingeführt. Endlich sind hier auch anzuschließen die Wörter ,Rauch' und .rauchen' in intransitiver und, soweit nicht durch das verkehrssprachliche, junge, mit inlautendem r gebildete .räuchern' verdrängt, in transitiver Bedeutung. Als räx, räy bzw. räxy, rälcxr/, räky, rakky, raxxr), rahn, rare» k o m m e n sie im gesamten
Südbairischen außer der Kärntner Verkehrslandschaft, in Oberbayern, im südlichen Salzburg, in der Oststeiermark, im mittleren Burgenland und im südlichen Niederösterreich vor. Während in der Sprachinsel Gottschee nicht umgelautete Formen räox, räoxy ursprünglich sind, stellen raox, raoxr), raoky, raohn in der Kärntner Verkehrslandschaft wohl umgangssprachliche Eindringlinge dar. Diphthonge sind ferner auch im übrigen Mittelbairischen und weitgehend im Nordbairischen als Ersatzlaute üblich ; in der Oberpfalz gilt teilweise noch Monophthong: räy, raxr) oder räyy110. Der ältere monophthongische Lautstand hat sich dagegen in weiten Teilen des Mittelbairischen in Komposita wie râfàr) .Rauchfang' und rängxt .Rauchnacht' erhalten. Das Wort .beugen' (mhd. böügen) ist im Gesamtbairischen nur verkehrssprachlich üblich (päegy), während dafür ma. ,bücken' gilt. Vor Labialen läßt sich der Umlaut nicht nachweisen und dürfte weitgehendst auch unterblieben sein. Die alte monophthongische Lautung für .Käufer' wird heute allgemein durch die hochsprachliche Bildung mit AI verdrängt. Wohl kaum mundartlich dürfte das Wort .Läufer' sein, das stets den Diphthong AI aufweist. .Läufig' ( = .brünstig') verliert im Mittelbairischen immer mehr die monophthongische Aussprache, während das seltene ,Läufel' ( = ,Nußschale') ausstirbt. Auch .gläubig' hört man schon weitgehend mit Diphthong, der in .Gläubiger' überall gilt. Ein Wort der Schriftsprache ist .betäuben' mit AI. Die angestammte monophthongische Aussprache rävar .Räuber' wird entweder durch umgangssprachliches io» 132. Bidner, S. 233. no Vgl. die DWA-Karte „rauchen" und 247. Schödel, S. 45; 249. B r e n d e l , S. 59; 252. Häger, S. 38. 9·
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Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
raovar oder durch hochsprachliches raevsr verdrängt. Das Nordbairische zeigt auch vor Labial in sämtlichen Beispielen den Diphthong AI. d) Der aus mhd. ei 1 entwickelte Extremdiphthong AI wurde im Bairischen zunächst zu O l verdumpft, das im südwestlichen Nordbairischen von der Donau über Eichstätt bis Hilpoltstein und in der Neuhauser Gegend in Südböhmen erhalten blieb. Im übrigen Nordbairischen außer der Nürnberger Gegend, die sich dem Ostfränkischen angeschlossen hat, tritt der steigende Diphthong O l nur mehr in ursprünglich mehrsilbigen Wörtern auf, während der fallende Akzent in ursprünglich einsilbigen Wörtern den Übergang zum fallenden Diphthong OA bewirkt hat. Dieses früher streng geregelte Nebeneinander von Ol und OA erstreckt sich, heute allerdings stark durchbrochen, über den östlichen Bayrischen Wald bis Südböhmen nach Osten und über das Mühlviertel bis ins Inn- und Hausruckviertel in Oberösterreich nach Süden. 0/-Relikte tauchen auch sonst noch vereinzelt im Mittelbairischen auf, so daß dieser Zustand ursprünglich auch gemeinmittelbairisch war. Von den noch zu nennenden Kleinräumen, die heute den Monophthong Ä zeigen, abgesehen, gilt im Mittel- und Südbairischen der durch Akzentwandel aus Ol entstandene fallende Diphthong OA. Der Diphthong OA wurde im Bayrischen Wald zu UA geschlossen und am Nordrand des Nordbairischen von Velden bis Graslitz zu offenem Ö monophthongiert. Mhd. ei 1 erscheint heute in folgenden Gebieten als Monophthong Ä, dessen Zustandekommen nach Kraîïzmayer jeweils verschieden i s t i n , der aber kaum autochthon durch Dehnungsmonophthongierung aus AI hervorgegangen ist. Im Südbairischen findet sich der Monophthong im Paznaun und Stanzertal in Westtirol, am Reggelberg SO Bozen in Südtirol, im östlichen Pustertal in Süd- bzw. Osttirol und in ganz Südkärnten. Im Mittelbairischen begegnet er in der Umgebung Wiens, in der Sprachinsel Bösing und in Südmähren. Kennzeichnend ist er neuerdings auch für die Stadtmundarten in der niederösterreichischen, steirischen und oberösterreichischen Provinz und jüngst auch in München. So hat sich ζ. B. seit dem ersten Weltkrieg eine junge .4-Insel um St. Pölten gebildet. Im Nordbairischen trifft man ihn in den Bergwerkssiedlungen Mies, Schlackenwald Schönfeld, Schlackenwerth und Manetin - Netschetin mit starkem obersächsischen Bevölkerungseinschlag als eine verhältnismäßig junge obersächsisch-erzgebirgische Überlagerung der bairischen Verhältnisse sowie im Anschluß an das Ostfränkische im Nürnberger Raum.
111 Vgl. 122. Krakzmayer, S. 60f., und ders., Der a-Laut für altes ei in der Kärntner Mundart. In: Festschrift für Gotbert Moro = Carinthial, Beigabe zu Band 152, Klagenfurt 1962, S. 197—226. Allerdings sind einige dieser Theorien problematisch.
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e) Zum Diphthong OA wurde ein Analogieumlaut gebildet, dessen Hauptlautung das entsprechende EA ist. Da im Mittelbairischen der Diphthong OA gebietsweise mit dem durch die Vokalisierung des r in der Lautfolge mhd. ar entstandenen gleichartigen Diphthong zusammengefallen ist, kommt es vor, daß sich der Analogieumlaut zu mhd. ei1 dem lautgesetzlichen Umlaut mhd. er (Primärumlaut) zu mhd. ar anschließt. So findet sich im nördlichen Weinviertel in Niederösterreich mit dem anschließenden südlichen Znaimer Ländchen in Südmähren der Diphthong IA und im nördlichen Flachgau in Salzburg mit dem anschließenden Salzachgau in Oberbayern der Diphthong IU. Zum Monophthong Ä fehlt jeglicher Umlaut im Paznaun und Stanzertal in Tirol, in der Umgebung von Wien und in den nordbairischen Inseln. In Kärnten blieb der zum ursprünglichen Diphthong OA gebildete Analogieumlaut EA auch nach dem Ersatz von OA durch den Monophthong Ä erhalten und wurde, da er mit mhd. ê + o zusammenfiel, im Klagenfurter Raum wie dieses durch den nach Wiener Vorbild eingeführten offenen Monophthong Ë ersetzt. Ahnlich verhält es sich in Südmähren, das im Westen bis etwa Znaim zwar den nach mhd. er gebildeten Analogieumlaut IA, im Osten aber den Diphthong EA aufweist. Nach Keanzmayeb soll ein Analogieumlaut EA auch in den ^-Gebieten am Reggelberg in Südtirol und resthaft im Pustertal in Süd- und Osttirol vorkommen. In der Neuhauser Gegend in Südböhmen, wo mhd. ei1 mit mhd. ô als Diphthong Ol zusammenfällt, findet sich ein nach mhd. 6 gebildeter Analogieumlaut E. f) Der Diphthong OA und sein Analogieumlaut EA fielen im Südbairischen, soweit der aus mhd. ô entstandene selbe Diphthong nicht palatalisiert wurde bzw. nach Schwund der Palatalisierung eine geschlossene Lautung aufweist, mit der Reihe mhd. ê — ô — ô zusammen. In Gebieten mit Palatalisierung von mhd. ô trat mhd. ei1 weitgehend an die Stelle von mhd. ô und bildete mit mhd. ê + o + Analogieumlaut von mhd. ei1 eine neue Reihe. In Kärnten fiel der Analogieumlautdiphthong EA im ^-Gebiet mit ruhd. ê + ô zusammen und fügte sich im Klagenfurter Raum, wo er durch den offenen Monophthong E ersetzt wurde, der neuen Reihe mhd. ê + δ — mhd. â + Dehnungs-ä ein. Im Mittelbairischen formen beide Diphthonge eine eigene Reihe. Im nördlichen Weinviertel in Niederösterreich mit dem südlichen Znaimer Ländchen und im oberbayrischen Salzachgau mit dem nördlichen salzburgischen Flachgau, wo mhd. ei1 mit dem durch die r-Vokalisierung aus der Lautfolge mhd. ar entstandenen Diphthong OA zusammenfiel, wechselte es in die neue Reihe EA — OA für die mhd. Lautfolgen er + ör — ar über. Sein Analogieumlaut IA im nördlichen Niederösterreich und in Südmähren trat in die durch die r-Vokalisierung aus den mhd. Lautfolgen er (Primärlaut) + ür — ur entstandene neue Diphthongreihe IA — VA über, der
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sich auch mhd. ie -f- üe angeschlossen hat, während der Diphthong IV im Salzachgau und nördlichen Flachgau isoliert blieb. Im südmährischen .¿-Gebiet schlossen sich die Analogieumlaute E A bzw. ΙΑ wie in den südlich davon gelegenen Gebieten den durch die r-Vokalisierung entstandenen neuen Diphthongreihen an. Im Nordbairischen fügt sich der Diphthong OA weitgehend in die durch r-Vokalisierung aus den Lautfolgen mhd. er (Primärumlaut) — mhd. ar hervorgegangene neue Reihe E A — OA ein. Im Norden hat er ebenso wie der daraus entstandene offene Monophthong Ö keine palatale Entsprechung gefunden. Isoliert bleibt auch der offene Diphthong UA im Bayrischen Wald. Der Diphthong Ol, mit dem im oberösterreichischen Mühlviertel und in Südböhmen mhd. ô zusammenfiel, und der Monophthong Ä, dem sich außer im Paznaun und Stanzertal in Tirol die Reihe mhd. ei2 — ou — öü und außer im Nürnberger Raum mhd. se und mhd. Dehnungs-ä anschlossen, blieben selbstverständlich überall isoliert. Im Nürnberger Raum ist wie bei mhd. ou die ursprünglich kombinatorisch bedingte Verteilung von langem  und kurzem A durch das Eindringen der mitteldeutschen Konsonantenschwächung phonemisiert worden. Der in der Neuhauser Gegend in Südböhmen nach dem Vorbild von mhd. o gebildete Analogieumlaut Ë teilte dessen Geschicke und ordnete sich in die Reihe mhd. ê + ô — mhd. â + mhd. Dehnungs-ä ein. g) Ehe wir uns den einzelnen Lautentwicklungen als solchen zuwenden, nehmen wir die Entwicklung von mhd. ou vor Gutturalen vorweg. Wie schon bei der Geschichte des Umlauts mhd. öü zu ersehen war, behielt mhd. ou vor Gutturalen zunächst überall seine diphthongische Gestalt A U. Im Südbairischen ist dies bis heute unverändert der Fall, so daß dort wegen des Zusammenfalls mit mhd. û die Lautwerte ay¡, ao, αγ, gelten, z. B. aog(io) ,Auge\ laogrjm ,leugnen' (mhd. lougenen), Ιαοη ,Lauge', iaoicT) , i agen' (mhd. jouggen). Wenn in den Wörtern ,Rauch' und ,rauchen' und in den ma. Bezeichnungen für die Flamme (mhd. loue), den Kinderschreck (ahd. gouggo) und etwas Rundes (mhd. bouc) der Monophthong Ä gilt, so glaubten wir, Umlaut voraussetzen zu müssen. Im Mittel- und Nordbairischen, wo zunächst der bewahrte Diphthong A L für mhd. ou vor Gutturalen in die Reihe AI — AU für mhd. î — û — u eintrat, kam es bei der Dehnungsmonophthongierung dieser Reihe zu Ä zum Gleichklang von mhd. ou in allen Stellungen. Der spätere Ersatz des Monophthongs durch Diphthonge führte zum Nebeneinander von ursprünglichem  und neuem AU, wie es das Nordbairische der Oberpfalz noch teilweise bewahrt. Den älteren Lautungen äy ,Auge', tärj .taugen', lär ,Lauge' stehen die jüngeren άογ, täoy, läorj gegenüber. Für ,leugnen' wechseln gebietsweise ältestes lägqv, jüngeres läogyn und jüngstes läegyv112. Im Mittelbairischen finden sich heute nur Diphthonge, deren Lautwerte ao, do,
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âç, & wieder mhd. û entsprechen. Nur das Wort ,auch' zeigt als ä überall den Monophthong. In Westtirol und im westlichsten Oberbayern wurde selbstverständlich auch mhd. ou vor Gutturalen wie im Alemannischen zu Ö monophthongiert. § 137 Das Südbairische und seine Sprachinseln a) Für die Reihe mhd. ei 2 — ou — öü gilt in Westtirol und im westlichsten mittelbairischen Oberbayern im Anschluß an das Alemannische der E — Ö-Vokalismus allgemein bis zur Linie Staatsgrenze Italien/Österreich — Stubaier Alpen — Telfs/Inn — W Seefeld — Mittenwald — Walchensee — O Weilheim — Westufer des Ammersees — W Pfaffenhofen — O Aichach — W Schrobenhausen — W Neuburg/Donau. In Tirol reichen in einzelnen Beispielen, wie schon oben erwähnt, die ¿/-Lautungen für mhd. ei 2 über diese Linie weiter nach Osten. In Oberbayern fehlen ab Pfaffenhofen die zu ei 2 kontrahierten Verbalformen, die erst wieder jenseits des Lechs einsetzen. Die Monophthonge blieben nur in Oberbayern als gekoppelte Reihe erhalten. Im mittelbairischen Norden bis etwa Ν Landsberg/Lech gelten wie im anschließenden Alemannischen offene Lautungen ξ — ρ. Eine junge Schließungstendenz der bewahrten Längen kann hier bis zu geschlossenem ë — ö führen, während bei Kürzung nach dem Quantitätengesetz unverändert die offenen Aussprachen ç — ç fortbestehn 113 . Der Süden einschließlich des unteren Tiroler Lechtales bei Stanzach, doch ohne das Gebiet der oberen Ammer und Loisach, weist geschlossene Monophthonge ë — ö auf, die teilweise zu leicht steigender Diphthongierung zu ëi — öu neigen. Inmitten dieses Bereiches hört man im Gebiet der oberen Ammer offene Aussprachen ç — ρ. In Tirol ohne das Lech- und ötztal und im oberbayrischen Loisachtal finden sich geschlossene steigende Diphthonge ei — ou mit kurzen bis halblangen, selten langen ersten Komponenten. Die Koppelung dieser Reihe ist im Loisachtal mit leicht palatovelarem ou gestört. Monophthongisch blieb die Reihe im ötztal, wo sie ebenfalls als geschlossenes ë — 5 durch Palatovelarität gestört ist. Wenn in all diesen Gebieten immer wieder die Aussprachen raffη ,raufen', tsävdrn oder tsa%mrn ,zaubern', rabm oder ταιφτη ,rauben' begegnen, so handelt es sich dabei um östliche verkehrssprachliche Eindringlinge. Beispiele aus Kissing S Friedberg 113a treit — (rçd — trägt
112
Vgl. die DSA-Karte „Augenblickchen" und 247. SCHÖDEL, S . 45; 249. B R E N D E L , 59; 252. HAGER, S . 38. Auch J. A. SCHMELLEB, Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt, München 1821, S. 42f., nennt für die Oberpfalz vor Gutturalen ö. Nach freundlicher Mitteilung von cand. phil. Ernst IBROM, Marburg — Augsburg.
S. 113
rouch — τργ — Rauch löügenen — Içgyw — leugnen
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Beispiele aus Böbing SO Schongau/Lech 1 1 4 seit — zll — sagt
stoup — stop — Staub einöüge — ôhëçvt — einäugig
Beispiele aus I m s t 1 1 5 sieist — zleist — schlägst troufe — trouf — Traufe göüggelen — geilcdh — sich zwecklos beschäftigen Beispiele aus dem ö t z t a l treit — trêt — t r ä g t
toufen — töfn — taufen löüfic — lêfig — brünstig
b) Den alten Entwicklungszustand spiegelt auch noch lebendig das obere Lechtal ab Stanzach mit dem Hornbachtal. Während mhd. ei 2 + öü den Monophthong ä bewahrt hat, erscheint mhd. ou als offener Monophthong q. Beispiele aus dem oberen Lechtal 1 1 6 geseit — ksat — gesagt
loup — Içp — Laub röüchen — räxv — rauchen
c) I n ganz Süd- und Osttirol und im anschließenden Oberkärnten unterblieb, wie schon eingangs erwähnt wurde, die Kontraktion der ahd. Lautfolge egi, so d a ß nach der Abspaltung von mhd. ei 1 die beiden anderen Diphthonge, nämlich mhd. ou und mhd. öü, allein die Reihe bildeten. I m übrigen Südbairischen nimmt τη Viri, ei 2 die Stelle des ersten Gliedes der Reihe ein. Überall erfolgte die Auflösung der Reihe durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu ä. I n Nordtirol drang im Inntal bis Innsbruck mit den Orten um Seefeld und dem Zillertal die mittelbairisch lautgesetzliche Kürzung von langem ä f ü r mhd. ou vor f zu kurzem a ein, so daß es dort überall kxaffm .kaufen', taffm .taufen' usw. h e i ß t 1 1 7 . Beispiele aus Pernegg Ν Velden/Wörthersee 1 1 8 eide — ädn — Egge neiber — nävar — Bohrer
roufen — râyn — raufen zoubern — tsämrn — zaubern
d) Mhd. ei 1 zeigt außer in den noch auszugrenzenden vier Gebieten mit dem Monophthong Ä den fallenden Diphthong ρ» mit kurzer, halblanger 113a
119. MOSER, S. 53, 55, 56. 171. Feeudenbero, S. 46. "s 142. Schatz, S. 41, 62. "6 143. Rudolf, S. 228f., 215. !"Vgl. 129. Eggeb, S. 38; 131. Lascher, S.25; 132. Bidner, S. 232; 144. StrakzrnGEB, S. 106; 145. Moser, S. 20. "Β 152. Lessiak, S. 77, 81 f. 114
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oder langer erster Komponente, der in der Steiermark und in Kärnten offener gesprochen wird als in Tirol. In den konservativen Tiroler Hochtalmundarten des ötz-, Stubai-, Sill- und oberen Zillertals in Nordtirol und des Passeier-, Sarn-, Eisack-, westlichen Puster-, Tauferer- und Ahxntals in Südtirol herrscht sogar die leicht offene bis geschlossene Aussprache öd, od119. In der Steiermark bewirkt der steigend-fallende Akzent die leicht triphthongische Aussprache QOK. Entsprechend verhält sich der dazu gebildete Analogieumlaut §», ea, gew. Mit der Monophthongierung zu Ä darf keinesfalls die noch vor der Verdumpfung zu O l eingetretene Kürzung des Diphthonges AI zu a vor inlautenden Fortes im Virgental in Osttirol, z. B . hattsn .heizen', vattsn ,Weizen', in Zusammenhang gebracht werden 120 . Beispiele aus Imst 1 2 1 sweif — zvQvf — Schweif scheiden — zqodt) — scheiden
sub. zu heiz — hçns — Hitze sub. zu breit — prçt)t — Breite
Beispiele aus Hintertux im Zillertal 122 sleizen — zlössn — kleine Äste abhauen spreiten — sprödtn — ausbreiten dim. zu geiz — gëdsl — Zicklein sub. zu bleich — ρΙ&χ3 — Blässe e) Im Defereggental in Osttirol wurden der Diphthong OA und sein Analogieumlaut E A zu halboffenem bis offenem ρ — g monophthongiert. Beispiele aus Hopfgarten im Defereggental 123 leise — Igzd — Wagenspur
sub. zu breit — prçtn — Breite
f ) Für mhd. ei 1 tritt der Monophthong ä auf im Paznaun und Stanzertal ab Pians in Nordtirol, am Reggelberg SO Bozen in Südtirol, im Süd- und Osttiroler Pustertal von Olang bis Anras mit seinen Seitentälern, doch ohne das oberste Antholzertal ab Bad Antholz und das oberste Villgratental ab Innervillgraten und selbstverständlich ohne das Osttiroler Lesachtal, und in Kärnten bis zur Linie Luggau im Lesachtal — Nikolsdorf im Oberdrautal — Flattach im Mölltal — Lieserhofen im unteren Liesertal —
Ausdrücklich geben geschlossene Aussprache an : 129. Eqobb, S. 37 ; 131. Labchsb, S. 22, und 132. Bidnxb, S. 224. Ältere geschlossene neben jüngerer offener Auesprache nennt 130. Stau dacher, S. 79. Ohne räumliche Abgrenzung gibt auoh 125. Schatz, S. 40, geschlossene Aussprache an. 120 139. LESSIAK, S. 314; 136. HORNTOG, S. 59. 121 142. Schatz, S. 60. 122 132. Bidneb, S. 224, 231. 123 137. Blassniq, S. 168, 174. 119
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Millstättersee — Gegend- und Arriachertal — Feldkirchen — St. Veit/Glan — Klein St. Paul im Görtschitztal — Griffen — St. Paul im L a v a n t t a l 1 2 4 . I n Kärnten taucht als Umlaut der Diphthong g» auf, der noch an die ursprüngliche Lautung gv für mhd. ei 1 erinnert. E r fiel mit der Lautung f ü r mhd. ê + o zusammen und teilte deren weitere Schicksale, so daß er im Oberdrautal und u m den Weißensee, in Rattendorf im Gailtal und im Kanaltal in Italien als leicht offener Monophthong ç und in Mittel- und Unterkärnten von Hermagor im Gailtal bis Lavamünd als offener Monophthong Ç auftritt. Nach K R J L N Z M A Y E R soll der Umlautdiphthong G » auch am Reggelberg und resthaft im Pustertal vorkommen, während im Paznaun und Stanzertal jegliche Umlaute fehlen 1 2 5 . Beispiele aus Pernegg NO Velden/Wörthersee 1 2 6 scheit — zätn — Holzspäne neige — näg — Neige
pl. zu kreiz — khrçs — Kreis dim. zu meise — τηξζΐ — Meise
g) D i e s ü d b a i r i s c h e n S p r a c h i n s e l n . Die z i m b r i s c h e n S p r a c h i n s e l n verhalten sich ähnlich Westtirol. Da mhd. ei 1 durch seine Verdumpfung zu O l , das resthaft noch in Foza in den Sieben Gemeinden nachweisbar ist, und dessen Wandel zu OA aus dem Reihenzusammenhang ausschied und die ahd. Lautfolge egi unkontrahiert blieb, bilden mhd. ou und sein Umlaut mhd. öü eine zweigliedrige Reihe der Grundstufe Ö — ö ohne erstes Glied, die sich weitgehend, wie nicht anders zu erwarten, entweder einer schon bestehenden Reihe anschloß oder mit einem ersten Glied anderer Provenienz zu einer normalen dreigliedrigen Reihe vervollständigt wurde. Zum Diphthong OA f ü r mhd. ei bildete sich ein Analogieumlaut ÖA ; beide Phoneme fügten sich ebenfalls in andere Reihen ein. I n den 13 Gemeinden finden sich f ü r mhd. ou und mhd. öü die offenen Monophthonge ρ — ρ, die mit mhd. se, mhd. Dehnungs-ä und mhd. Dehnungs-ë als erstes Glied eine neue Reihe formen. Mhd. ei und sein Analogieumlaut schlossen sich als halboffene bis offene Diphthonge ρ» — ρ» der Reihe mhd. ê — ô — o an 1 2 7 .
124
125
Genaue Grenzangaben gibt für das Pustertal 135. KÜHEBACHER, S. 131, und für Oberkärnten 139. LESSIAK, S. 314. LESSIAKS Angaben, die auch mit dem DSA übereinstimmen, entsprechen der gängigen Mundart. Dagegen basiert der südlichere Grenzverlauf von E. KRANZMAYER, Der a-Laut für altes ei in der Kärntner Mundart (Anm. Ill), S. 201f., auf einer bereits nicht mehr lebendigen Sprechweise. YGI. 1 2 2 . KRANZMAYER, S . 6 4 . Nach 1 2 5 . SCHATZ, S . 4 0 , und 1 3 5 . KÜHEBACHER. S . 1 3 1 , soll es im Gegensatz zu den Angaben KRANZMAYERS am Reggelberg bzw. im Pustertal keine Analogieumlaute geben.
" Β 1 5 2 . LESSIAK, S . 7 7 f f . 1 6 2 . SCHWEIZER, S . 6 1 , 7 1 , 1 3 4 , 1 4 1 ; 1 6 3 . SCHWEIZER, S .
llOf.
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Beispiele a u s G i a z z a 1 2 8 glouben — gigvan — glauben zu loup — l&vie — L a u b e
beide — pgvde — beide zu sweigen — zygwgan — zum Schweigen bringen
I n den Sieben Gemeinden begegnet man für mhd. ou und mhd. öü den geschlossenen Monophthongen ö — o, die weiterhin eine gekoppelte Reihe ohne erstes Glied bilden. F ü r mhd. ei konnte K R A N Z M A Y E R um 1 9 2 0 in der Gemeinde F o z a noch resthaft den steigenden Diphthong gi feststellen 1 2 9 , der später zur Gänze durch den fallenden, leicht offenen Diphthong çn in allen Stellungen verdrängt wurde. I m Gegensatz zu den übrigen Orten der Sieben Gemeinden fehlt· in F o z a der Analogieumlaut, was den jungen Zustand ebenfalls verd e u t l i c h t 1 3 0 . In den übrigen Orten der Sprachinsel hat sich mhd. ei und sein Analogieumlaut der Reihe mhd. ê — ô — ô angeschlossen. Für mhd. ei gilt daher in geschlossener Silbe der leicht offene Diphthong ça und in offener der offene Monophthong g. Der Analogieumlaut erscheint in allen Stellungen als halboffener Monophthong o 1 3 1 . Beispiele a u s R o a n a 1 3 2 louch
— löx
— Lauch
röüchern —
pfeit — pfçat — Hemd bereiten — porgten — bereiten
TOXBTTI
sub. zu breit — prote vb. zu reif — rofen
— räuchern — Breite — Reifen machen
I n L a v a r o n e und Luserna erscheinen für mhd. ou und mhd. öü fallende halboffene bis offene Diphthonge gv — ρ», die sich der Reihe mhd. ê — ô — o angeschlossen haben, wozu noch mhd. ei und sein Analogieumlaut, ebenfalls als fallende halboffene bis offene Diphthonge ça — ça, hinzutreten133. Beispiele aus L u s e r n a 1 3 4 louge — Içvge — L a u g e kröüle — kxrgvl — Kralle
geisei — ggiazl — Geißel dim. zu eize — gvzle — kleines Geschwür
I n Folgaria finden sich für mhd. ou und mhd. öü die steigenden Diphthonge du und oü, die sich der Reihe mhd. Dehnungs-ê — δ — o angeschlossen WE 163. SCHWEIZER, S. llOf. " β 1 6 1 . KBANZMAYEH, S . 3 6 . " 0 1 6 2 . SCHWEIZEB, S . 61, 1 4 1 . «Ι 132 133 IM
Z u m G e s a m t e n 1 6 1 . KBANZMAYER, S . 3 5 f . ; 1 6 2 . SCHWEIZER, S . 6 1 , 71, 1 3 4 , 1 4 1 . 1 6 1 . KRAMZMAYEB, S . 3 5 f . 1 6 2 . SCHWEIZER, S . 6 1 , 7 1 , 1 3 4 , 1 4 1 ; 164. BACHER, S . 1 6 9 . 1 6 4 . BACHER, S . 169.
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Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
haben. Die Diphthonge für mhd. ei und seinen Analogieumlaut fügten sich der Reihe mhd. ê — ô — ô ein und wurden zu ut> — üt> geschlossen 135 . Beispiele aus Folgaria 1 3 5 koufen — lcxöufen — kaufen pl. zu boum — p&iime — Bäume
weize — vuwts — Weizen dim. zu seil — züvla — kleines Seil
I n den 13 Gemeinden und in den Sieben Gemeinden außer Foza kann m a n öfters vor Reibelautgeminaten und Konsonantenhäufungen sowie in mehrsilbigen Wörtern Kürzung von mhd. ei und seinem Analogieumlaut zu halboffenem ç — φ beobachten, ζ. Β. (aus Giazza) rçf .Reifen', zçft .Seife', gçzala .Geißel', rçffe .Reifen' (pl.)" 0 . I m F e r s e n t a l sowie in den Sprachinseln Z a r z und D e u t s c h r u t h schlug mhd. ei ebenfalls eigene Entwicklungswege ein. Mit seinem Analogieumlaut ordnete es sich im Fersental als kurzes offenes gn — çt> und in Zarz und Deutschruth als langes leichtoffenes pa — ça der Reihe mhd. ê — ô — ô ein. Da die Kontraktion der ahd. Lautfolge egi unterblieb, wurden mhd. ou und mhd. öü zunächst als zweigliedrige Reihe ohne erstes Glied behandelt und in allen Stellungen, also mhd. ou auch vor Gutturalen, zu ä monophthongiert 1 3 6 , dem sich im Fersental mhd. ae und mhd. Dehnungs-a anschlossen. Beispiele aus dem Fersental 1 3 7 glouben — gläbm - glauben lougenen — lägrfm — leugnen weiz — bgns — weiß
löüne — län — Lawine pl. zu geiz
— gçvs — Geißen
Die Sprachinseln P l a d e n u n d Z a h r e verhalten sich wie das östliche Pustertal. Mhd. ou und sein Umlaut unterlagen der Dehnungsmonophthongierung zu ä ; nur vor Gutturalen blieb mhd. ou als Diphthong ai¿ erhalten. Auch mhd. ei erscheint als Monophthong ä. Damit setzt sich das Phonem aus mhd. ou, mhd. öü, mhd. ei und mhd. ae zusammen 1 3 8 . Beispiele aus Pladen loube — labd — Laube ouge — oygra — Auge
höü — hä — Heu heide — hädd — Heide
Die Sprachinsel G o t t s c h e e 1 3 9 hat mit ihrer Reihe mhd. ei 2 — ou — öü und der isolierten Entwicklung von mhd. ei 1 den ältesten für das östliche Südbairische vorauszusetzenden Zustand bewahrt. Die Reihe mhd. ei 2 — Ι»5 162. Schweizeb, S. 61, 71, 134, 141.
"Β 165. Bauer, S. 43, 47F.; 167. Lessiak, S. 106ff. 137 167. Lessiak, S. 106ff.
"Β 166. Hornung, S. 8. WO 168. Tscktnilel, S. 198,
202F.
§ 136 bie § 139 Das Bairieche
141
ou — öü wurde auf der Vorstufe der Dehnungsmonphthonogierung aufgelöst. Mhd. ei2 + öü erscheint daher als Diphthong äe mit langer erster Komponente, der sich deutlich vom kurzen Extremdiphthong ae für mhd. î -}- û unterscheidet ; ihm tritt der Monophthong ä für mhd. ou gegenüber. Vor Gutturalen blieb in der Moschnitze und in Waiden im Nordosten und in der Suchen im Südwesten und vereinzelt auch im Unterland der Diphthong äo für mhd. ou erhalten, der sich mit dem sonst isolierten Diphthong äe für mhd. ei2 + öü zu einer Reihe verbindet. Im übrigen Bereich trat auch vor Gutturalen die Monophthongierung zu ä ein. Beispiele aus Lichtenbach139 gejeide — gsiäe — Jagd vröüde — vräeds — Freude
rouben — räbm — rauben louge — lägv — Lauge louch — läx — Lauch
Beispiele aus der Moschnitze139 geleit — giläet — gelegt
höü
— häe — Heu
troufe — träf — Traufe bouc — päogy — Ring am Wagenseil rouch — räox — Rauch
Der Extremdiphthong AI für mhd. ei1 wurde zu pe mit leicht offener erster Komponente verdumpft, welches in Waiden, im Oberland und im nördlichen Unterland erhalten blieb, z. B. Içep ,Laib'. Im übrigen Bereich begegnet man der leicht triphthongischen Übergangslautung ççe, çne, bei welcher der O-Laut unter fallender Tonbewegung offener schließt als er einsetzt ; auf ihn folgt dann unter wieder etwas ansteigender Tonbewegung der /-Laut, z. B. itrççex .Streich'. Von den Sprechern wird dieser Triphthong stets als Ol aufgefaßt. Im Hinterland ist vor dentalen Reibelauten die steigende Komponente geschwunden, so daß der deutlich fallende Diphthong çt> auftritt, z. B. vçvst,feist', vlçws .Fleisch'. Wegen der gelegentlichen Vermischung von p» aus mhd. ô mit çne aus mhd. ei1 war es möglich, daß vereinzelt der Diphthong çv für mhd. o als Analogieumlaut auf mhd. ei1 übertragen werden konnte, z. B. prçvt .Breite', Içvstdr .Leisten' (vgl. § 37h). § 138 Das Mittelbairische und seine Sprachinseln a) Im Mittelbairischen wurde die Reihe mhd. ei2 — ou — öü zunächst auf der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung zu ÄI, Ä aufgelöst. Die Veränderung der Quantitätsverhältnisse brachte dann den Zusammenfall von ursprünglich langem ÄI für mhd. ei2 + öü mit kurzem AI für mhd. î + û mit sich. Als im weiteren Verlauf der Entwicklung die neue, aus mhd. î + û -f mhd. ei2 + öü — mhd. ü bestehende Reihe AI — AU zu Ä monophthongiert wurde, fielen auch mhd. ou und mhd. û zusammen. Später
142
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
wurden dann wieder Diphthonge AI und Al7 eingeführt. Während im Burgenland und in Niederösterreich im Osten und in Ober- und Niederbayern im Westen unter dem sprachgestaltenden Einfluß Wiens und der Donau-Isarstraße die Trennung der beiden Reihen mhd. î — û — û mit neuem AI — AU und mhd. ei 2 — ou — öü mit einheitlichem Ä im Laufe der Zeit gut gelang, blieb in den konservativen Gebieten vom salzburgischen Flachgau über das steirische und oberösterreichische Salzkammergut, das oberösterreichische Innviertel mit dem unteren niederbayrischen Rottal, das Hausruck- und Mühlviertel und das niederösterreichische Waldviertel bis nach Südmähren mit der Neuhauser Gegend in Südböhmen das Nebeneinander von Ä und AI bzw. Ä und A U bis heute bestehen. In den Neuerungsgebieten heißt es daher bei der älteren Generation heute allgemein ädn ,Egge', ädaksl ,Eidechse' (mit sehr vielen Varianten), nägn ,Bohrer', rannstçxw ,Rannersdorf' ( = ,Reinhardsdorf'), mannstQiov ,Mannersdorf' ( = ,Meinhartsdorf'), mânvtspçioy ,Mannhartsberg' ( = ,Meinhartsberg'); sab ,Strohbund' (mhd. schoup), kafm ,kaufen'. Anders im konservativen Bereich. Wenden wir uns zunächst mhd. ei 2 zu. Im Flachgau, Salzkammergut, südlichen Hausruckviertel und Innviertel haben saez ,Sense' und, soweit nicht volksetymologische Umdeutungen vorhegen, äedaksl ,Eidechse' und Ortsnamen wie plaefçidn ,Plainfelden' ( 0 Salzburg), kaépçri ,Geinberg' (NO Altheim) und maegasyr) .Meingaß' (SW Haag) den Diphthong AI gegenüber näg-a .Bohrer' mit Monophthong bewahrt 140 . Nachdem im nördlichen Inn- und Hausruckviertel keine Kontraktionen außer dem unbrauchbaren Qndäksl .Eidechse' vorliegen, wechseln im Mühlviertel und Waldviertel wieder Ä und AI·, nägn um Aigen im nordwestlichen Mühlviertel, sonst überall näegn .Bohrer', an ,Egge' im Waldviertel (gegenüber unkontrahiertem eky im Mühlviertel), râirwstçov .Ramersdorf' (N Linz) ( = ,Reinmarsdorf'), raéprçjdz ,Reinprecht' (bei Weitersfelden) 141 . In der Neuhauser Gegend sagt man überall näegzr .Bohrer' und gebietsweise wechselnd âedçicsl, âdçksl ,Eidechse' und äer), ä y ,Egge' 142 . Vielfältiger sind die Erscheinungsformen von mhd. ou. Im Flachgau und im Hausruckviertel kommen sowohl vor b als auch vor ί AU und Ä nebeneinander vor. Überall heißt es läob oder läovw ,Laub', stäob ,Staub', täob .taub', Jcläobm .glauben', kaofrn .Handvoll' (mhd. goufe), kaofm .kaufen', taofm .taufen', raofm ,raufen', laofm .laufen' mit AU gegenüber sab ,Strohbündel' und häufigem tâpsçdl,Dummkopf' (zu mhd. toup ,taub'), tgtrapfm .Dachtraufe', hapmpoestv .Kopfpolster', pwi hapm ,beim Kopfende des Bettes' (mhd. bî den houbeten) und -hap in Komposita wie pçwhaps ,bar-
141
176. REHTENSTEIN, S. 1 6 ; 189. HOFMANN, S. 2 5 ; 190. EBNER, S. 1 1 6 ; 192. WEITZENBÖCK, S. 56. 195. STEINBRUCKNER, S. 1 7 5 ; 197. PREE, S. 1 7 6 ; H. BOHRN, Die M u n d a r t von
Ottensohlag und Umgebung. Diss, (masch.), Wien 1962, S. 253, 161. I « 224. SIMSCHITZ, S. 197, 2 5 8 ; 225. BERANEK, S. 87.
§ 136 bis § 139 Das Bairüche
143
häuptig' 1 4 3 . Einen ähnlichen Zustand weist das östliche Salzkammergut vom Traunsee bis zum Ausseersee auf, wo ebenfalls weitgehendst der Diphthong A U anzutreffen ist und nur vereinzelt der Monophthong Ä vorkommt, so in sab neben saob und in hap, ζ. Β. pa dn hap ,beim Kopfende des Bettes', ivwhaps .oberflächlich' 144 . Dagegen trifft man im dazwischenliegenden westlichen Salzkammergut vom Wolfgangsee bis zum Attersee mit dem anschließenden südlichen Hausruckviertel vor b allgemein den Diphthong A U, ζ. B. säob .Strohbündel', läovn ,Laub', und vor f den kurzen Monophthong A an, ζ. B. kafm .kaufen', rafrn .raufen' ; nur kaofm, .hohle Hand' zeigt überall den Diphthong 1 4 5 . Vom nördlichen Inn- und Hausruckviertel über das Mühl- und im Waldviertel bis nach Südböhmen außer der Neuhauser Gegend gilt allgemein der Monophthong Ä, wenn man von dem noch zu besprechenden, generationsmäßig gestuften jungen Nebeneinander von älterem Monophthong und jüngerem Diphthong absieht 1 4 6 ; nur kaofm, kaofv ,eine Handvoll' neben vereinzeltem kafn scheint einen älteren Diphthong zu bewahren 147 . Dagegen verkörpert das regellose Nebeneinander von Monophthong und Diphthong in der Neuhauser Gegend wie im nördlichen Salzburg und südlichen Oberösterreich wieder einen älteren Zustand 1 4 8 . Von diesem älteren Ersatz von Α für mhd. ou mit AU muß der jüngere, wie er seit der Jahrhundertwende unter verkehrssprachlichem Einfluß in Niederösterreich, im östlichen und nördlichen Oberösterreich mit Südböhmen und im Burgenland und in Ober- und Niederbayern beobachtet werden kann, scharf getrennt werden. Dieser jüngere Ersatz ist generationsmäßig nach Laut- und Wortgruppen etwa folgendermaßen gestuft: Die älteste und ältere Generation bewahrt allgemein sowohl vor b als auch vor f den Monophthong. Die mittlere Generation behält durchwegs kurzes a vor f außer in .taufen' und .Taufe' und vor ρ in ,-haupt' in Komposita bei. Langes ä bleibt vor f in käv .Kauf' und vor b allgemein im schriftfernen Wort sab ,Strohbund', seltener in .Staub', .stauben', .Laub' und .Laube', kaum mehr in .erlauben', .Urlaub', .rauben', .glauben', .Glaube', .zaubern' und .Zauberer' erhalten. Die jüngere Generation bedient sich bereits fast in allen Fällen des Diphthonges. In Wien und seiner näheren Umgebung gilt dies bereits für die älteste Generation. Nur das unverstandene ivwhaps .oberflächlich' ( = .überhaupt'), hape .Gemüsekopf' (mhd. houbetlîn) und rafm .raufen' zeigen hier noch den Monophthong.
144 145 146
148
1 7 6 . REIFFENSTEIN, S. 1 1 ; 179. WEVOIER, S. 1 5 8 ; 1 8 7 . HAASBAUER, S . 9 6 ; 1 9 1 . GLECHNER, S . 7 5 ; 192. WEITZENBÖCK, S . 5 7 . 154. REIFFENSTEIN, S. 1 1 ; 189. HOFMANN, S. 165. 154. REIFFENSTEIN, S. 1 1 ; 190. EBNER, S. 1 1 8 ; 193. ROITINOER, S. 1 2 8 . 194. ROITNER, S. 7 2 ; 195. STEINBRUCKNER, S. 3 6 ; 196. NEMETZKAY, S. 1 0 7 ; 197. PBEE, S. 1 8 3 . 197. PREE, S . 1 8 3 ; 199. MICKO, S. 9 0 ; 2 2 4 . SIMSCHITZ, S . 2 1 0 . 2 2 4 . SIMSCHITZ, S. 2 1 ; 2 2 5 . BERANEK, S. 8 8 .
144
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
b) Der zu Ol verdumpfte Extremdiphthong AI für mhd. ei 1 ist als halboffenes çe in allen Stellungen nur mehr in der nördlichen Neuhauser Gegend ab Ν Neubistritz in Südböhmen erhalten. Da in der Neuhauser Gegend mhd. ei 1 mit mhd. ô zusammenfiel, wurde zu mhd. ei 1 nach der lautgesetzlichen Entwicklung von mhd. o ein Analogieumlaut leichtoffenes ç gebildet 1 4 9 . Beispiele aus der Neuhauser Gegend 149 sweif — svçev — Schweif heizen — hçetsn — heizen
breiter — prçdn — breiter sub. zu breit — prçdn — Breite
c) Der für das Nordbairische charakteristische Wechsel von steigendem Ol in mehrsilbigen und fallendem OA in einsilbigen Wörtern (vgl. § 139 c) erstreckt sich über den Bayrischen Wald mit dem unteren Isargebiet südlich der Donau bis an die niederösterreichisch /tschechische Grenze nach Osten und über das Mühlviertel bis ins Innviertel mit dem unteren niederbayrischen Rottal und ins Hausruck viertel in Oberösterreich nach Süden. Als südlichste und östlichste Reichweite dieser Erscheinimg kann die Linie S Straubing/ Donau — etwa nördlich der Donau von Osterhofen bis Passau — westlich des Inns bis Braunau — SO Braunau — Mattighofen — S St. Georgen — S Attnang-Puchheim — 0 Lambach — Wels — Eferding — Pregarten — Königswiesen — Sprachgrenze bei Gratzen gelten. Getrennt davon begegnet dieser Wechsel nochmals im obersten Almtal 1 5 0 . Die strenge Regelhaftigkeit ist aber bereits sehr stark durchbrochen, besonders im östlichen Mühlviertel, so daß der steigende Diphthong çe, gi hauptsächlich auf Namen und Einzelwörter beschränkt ist, z. B . (aus dem Innviertel) gexèyn ,Eichinger' (Familienname), vgetsnklrv ,Weizenkirchen' (Ortsname), vçets ,Weizen', Urger) .peinigen' (mhd. schreien), tgek .überreif' (mhd. *teige), sgivn ,harnen' (mhd. seichen), peí»,Eiter', kgezl .Geißel', strgefm ,rechen' ( = .streifen'). Es heißt aber bereits hgnkl .heikel', rgwtn ,rechen' (mhd. reiten), hgndw .heiter', sgnf .Seife' 1 5 1 . Obwohl hier in Formen mit sonstigem Analogieumlaut f » lautgesetzlich der Diphthong ge zu erwarten wäre, wie er ja teilweise noch erhalten ist, ζ. B . kgvz ,Geiß' gegenüber kges .Geißen', findet man daneben durchaus schon den Analogieumlaut, ζ. B . Strgwo .der Streifen' sing., èirçvf ,die Streifen' plur. 1 5 1 . Verschiedene Restwörter in anderen mittelbairischen Landschaften erinnern daran, daß der Wechsel von steigendem O l in mehrsilbigen und
149
2 2 5 . B E R A N E K , S . 8 1 ff.
150 Zur Grenze in Oberösterreich vgl. 188. GRAU, S. 116, und 197. PREE, S. 168. 151
Vgl.
1 8 4 . SCHIESSL I I ,
WEITZENBÖCK, S . 5 4 ;
S. 2 9 ;
1 8 8 . GRAU,
S. 1 1 6 ;
1 9 3 . ROITCNQER, S . 1 2 3 ;
P R E E , S . 1 6 8 ; 1 9 9 . MICKO, S . 7 6 .
1 9 1 . GLECHNER,
S. 8 0 ;
1 9 5 . STEINBRUCKNER, S . 2 9 ;
192. 197.
§ 136 bis § 139 Das Bairische
145
fallendem OA in einsilbigen Wörtern früher gemeinmittelbairisch war 1 5 2 . So heißt der Buchweizen im bayrischen Inngebiet zwischen Mühldorf u n d Braunau noch hçem (mhd. heiden). I m oberbayrischen Chiemgau und im salzburgischen Flachgau sowie im niederbayrischen Gebiet der oberen R o t t und der Vils trifft man noch die Lautungen sçevvn oder kgevtm ,geifern' an. Das in ganz Niederbayern und im östlichen Oberbayern übliche hçezwri .heiser' hat gewiß in hçez ,Hals' eine Stütze gefunden, während vereinzeltes kçezl .Geißel' im selben Bereich eine echte Reliktlautung verkörpert 1 5 3 . Der warme Frühlingswind wird im südwestlichen Niederösterreich vom oberen Pielachtal an über das Erlaf- und Ybbstal bis ins oberösterreichische obere Ennstal vçevmd oder vQÜvvnd (mhd. weichwind) genannt; vereinzelt gelten dort auch noch sçevn und kçevw .Geifer' 1 δ 4 . I m Waldviertel wird der Wallfahrtsort Maria-Dreieichen NO Horn in seiner Umgebung trâeçeyw ausgesprochen; gelegentlich begegnen auch noch die Aussprachen çeyv .Eiche' und geyl .Eichel' 1 5 5 . I m östlichsten Wienerwald sind noch relikthaft anzutreffen: kçezl .Geißel', sgeftm .geifern', prçedn .Breite', Slçesn ,Waldschneise' und plçetn .einen Hochzeits- oder Trauerzug begleiten' (mhd. beleiten) 1 5 6 . Letzteres Wort ist in der Bedeutung ,eine hohe Persönlichkeit oder den Geistlichen beim Umgang begleiten ' auch im oststeirischen Jogelland beka n n t . d) Von Südmähren und der Umgebung Wiens abgesehen, gilt sonst der halboffene bis offene fallende Diphthong ρ», der im südöstlichen Niederösterreich, in der Oststeiermark und im Burgenland durch steigend-fallenden Akzent leicht triphthongisch als gov ausgesprochen wird. Da er im nördlichen niederösterreichischen Weinviertel mit dem Znaimer Ländchen in Südmähren und im nördlichen salzburgischen Flachgau und im anschließenden oberbayrischen Salzachgau durch die Vokalisierung des r mit der Lautfolge mhd. ar zusammengefallen ist, wurde dort nach der lautgesetzlichen Entwicklung des Umlauts zu mhd. ar = mhd. er ein Analogieumlaut in im Weinviertel bzw. iu im Flach- und Salzachgau gebildet. Sonst begegnet allgemein der entsprechende Diphthong §». Nur Komparative machen besonders in Niederösterreich und in Südmähren eine Ausnahme, indem sie in Analogie zur Lautfolge mhd. ar umgelautet werden, ζ. B. vitxcn , weicher' 1 5 7 .
152 Vgl. 122. Kkanzmayer, S. 61. 163
Vgl. die DWA-Karten „heiser" und Band 12. „Peitsche" ( = .Geißel').
IM 204. Gbunwald, S. 26. 155 215. Weigl, S. 166; vgl. auch vereinzelte oi-Schreibungen auf der DWA-Karte Band 15, „Eichelhäher",
iss 211. PAUSCH, S. 35. l « Vgl. 215. Weigl, S. 166; 225. Beranek, S. 88. 10 Wiesinger, Band Π
146
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — z — heiß komp. zu weich — vivxa — weicher Beispiele aus dem nördlichen Flachgau heifte — hçvft — schnell komp. zu heiz — hiusv — heißer e) In-Wien und seiner nächsten Umgebung findet sich für mhd. ei1 der Monophthong ä. Er reichte früher nicht weiter als bis Purkersdorf — Mödling — Baden — Ebreichsdorf — Ebergassing — Schwechat — Großenzersdorf — Klo.sterneuburg. Als elegant und vornehm angesehen, wird er ähnlich den Monophthongen für mhd. i — û — u von der mittleren und jüngeren Generation weit nach Niederösterreich und ins nördliche Burgenland hinausgetragen. So hat sich seit dem ersten Weltkrieg um St. Pölten eine junge ö-Insel gebildet.^Älter scheint der Monophthong dagegen in der Sprachinsel Bösing zu sein. Nochmals begegnet er in Südmähren von der Sprachgrenze W Frain über Znaim — Grusbach — Nikolsburg bis zur Sprachgrenze bei Lundenburg. Während um Wien jeglicher Analogieumlaut fehlt, tritt ein solcher im westlichen Südmähren wie für die mhd. Lautfolge er als Diphthong in und im östlichen als Diphthong g» auf, die beide die ursprüngliche Vertretung von mhd. ei1 als Diphthong OA voraussetzen160. Beispiele aus Voitelsbniïin SO Nikolsburg160 reise — räz — Reise komp. zu breit — prëndv — breiter heide — had — Heide " f) Besondere Verhältnisse herrschen im bairisch-schwäbisch-ostfränkischen Übergangsgebiet an der oberen Wörnitz und unteren Altmühl um Wassertrüdingen — öttingen — Monheim, die man am günstigsten hier anschließt161. Während für mhd. ei der mittelbairische Diphthong OA auftritt bzw. für kleinräumige Weiterentwicklungen die Voraussetzung bildet, gilt für mhd. ou und mhd. öü im Westen noch in Fortsetzung schwäbischer Verhältnisse die offene Monophthongreihe E — Ö und im Osten in bairischer Weise der länge oder kurze Monophthong A, wobei die ursprünglich kombinatorische Verteilung durch das Vorhandensein der mitteldeutschen Kon« 8 206. STADELMANN, S. 41 ff. 217. KOBKISCH, S. 122. 1 6 0 225. BERANTÏK, S. 81 ff. lei Vgl. zum Gesamten 247. SCHÖDEL, S. 48, 45f., der auch die Beispiele entnommen sind, und die leider ungenauen Angaben von 115. NTTBLING, S. 210, 211 f.
§ 136 bis § 139 Das Bairüche
147
sonantenschwächung phonemisiert ist. Der fallende offene Diphthong ρ» für mhd. ei lagert sich zwischen dem schwäbischen O/-Gebiet im Westen (vgl. § 135k) und dem nordbairischen im Osten (vgl. § 139 b) und ist nur über einen schmalen Streifen mit dem Mittelbairischen verbunden. Seine Nordgrenze gegen ostfränkisches A (vgl. § 140 d) findet er an der Linie 0 Dinkelsbühl — S Gunzenhausen/Altmühl — W Ellingen — Spalt. Während er in Gnotzheim und Spielberg SW Günzenhausen durch steigendfallenden Akzent zu sehr offenem pua triphthongiert wurde, unterlag er im Osten von Weißenburg bis Spalt der Monophthongierung zu sehr offenem g. Für mhd. ou und mhd. öü gelten im Anschluß an das Schwäbische (vgl. § 135 j) noch bis Ν öttingen — Monheim — W Neuburg/Donau allgemein die offenen Monophthonge ç — ξ, gelegentlich auch geschlossene ô — ê. Daß diese Monophthonge früher weiter nach Norden und Osten gereicht haben, beweist einerseits ihr resthaftes Auftreten zwischen Wassertrüdingen und Günzenhausen und andererseits die bis Günzenhausen — Weißenburg reichende, wohl durch den Satzzusammenhang geschlossene Aussprache in ö ,auch'. Ansonsten gilt für mhd. ou und mhd. öü der Monophthong A, der in bairischer Weise in langes ä und kurzes a aufgespalten ist. Beispiele aus Windsfeld S Günzenhausen weich — νρνγ — weich rouch — räy — Rauch loufen — lavm — laufen Beispiele aus Gnotzheim SW Günzenhausen sleife — zlçudvm — Schleife glouben — qlöm — glauben röüchern — rêjtm — räuchern Beispiele aus Pfofeld O Günzenhausen leib — Içb — Laib
glouben — gläm — glauben toufe — dap — Taufe
g) Die m i t t e l b a i r i s c h e n Sprachinseln. Die mittelbairischen SprachinselnDeutsch-Pilsen, W i s c h a u , B r ü n n und B u d weis verhalten sich bezüglich der Reihe mhd. ei2 — ou — öü wie das Binnenland, indem sie diese durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu ä, das in Deutsch-Pilsen unter magyarischem Einfluß nachträglich zu überoffenem à verdumpft wurde, aufgelöst haben. In Wischau dürfte allerdings im vorigen Jahrhundert für mhd. ei2 noch der Diphthong AI wie für mhd. î -f- û bestanden und somit ursprünglichere mittelbairische Verhältnisse geherrscht haben (vgl. § 136a). Für kurzes a für mhd. ou vor f wurde in Wischau und Brünn weitgehend wieder der Diphthong AU eingeführt, während langes ä vor b erhalten blieb. Vor Gutturalen gilt wie für mhd. û in Wischau, Brünn und Budweis der Diphthong AU, in Deutsch-Pilsen aber 10·
148
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
der offene Monophthong g, ζ. B. çk ,Auge' 1 6 2 . Mit dem Monophthong Ä fielen in Wischau, Brünn und Budweis mhd. se und mhd. Dehnungs-a zusammen. Mhd. ei 1 tritt in Wischau noch als steigender halboffener Diphthong çe auf. I n Budweis gilt zwar allgemein der fallende Diphthong p», doch erinnern mehrsilbige Restformen mit çe an den früheren lautgesetzlichen Wechsel, wie er ja in Südböhmen noch anzutreffen ist. Deutsch-Pilsen und Brünn weisen dagegen in allen Stellungen den fallenden Diphthong pw auf 1 6 3 . Als Analogieumlaut findet sich in Deutsch-Pilsen und Brünn und neuerdings auch in Budweis der dem p» entsprechende Diphthong ç». Sonderbarerweise t r i t t auch in Wischau ein Analogieumlaut auf, dessen velopalataler Lautwert çy wie für mhd. Dehnungs-ê (Primärumlaut) in keinem Bezugsverhältnis zum Grundwert steht 1 6 3 . Beispiele aus Wischau 1 6 4 eide — än — Egge stouben — stäm — stauben
kleider — klçedv — Kleider sub. zu breit — prçytn — Breite
Beispiele aus B r ü n n 1 6 4 •eidähse — äraksl — Eidechse schoup — sab — Strohbund
meisch — mçios — Meische pl. zu reif — rç#/ — Reifen
§ 139 D a s Nordbairische u n d die Sprachinsel I g l a u a) I m ganzen Nordbairischen teilt die Reihe mhd. ei 2 — ou — öü die Entwicklung mit der Reihe mhd. î — û — û. F ü r mhd. ei 2 findet sich daher ein Nebeneinander vom Monophthong Ä und vom Diphthong AI. Neben (n)ävv ,Bohrer' mit Ä gelten äen, äey ,Egge', âedçks ¡Eidechse' und soez ,Sense' mit AI. I m sonst ungewohnten hai .Kegel' steht der Monophthong auf jeden Fall lautgesetzlich. Für mhd. ou stößt man allgemein auf den Monophthong Ä, z. B. tab ,taub', räbm .rauben', lafm .laufen'. Die einst kombinatorische Verteilung von Länge und Kürze ist am Westrand durch das Eindringen der mitteldeutschen Konsonantenschwächung phonemisiert worden 1 6 5 . I n den Wörtern ,Laub' und ,zaubern' sickert langsam, vor allem bei der mittleren und jüngeren Generation, der Diphthong ein: läowo (pi. tantum), tsäomn. Für ursprünglichen Umlaut lassen sich vor Verschlußund Reibelauten keinerlei gesicherte Beispiele beibringen. Alle heute vorhandenen Beispiele zeigen den Diphthong AI.
i«2 163 ι«4 165
225. BERANEK, S. 225. BERANEK, S. 225. BERANEK, S. V g l . 245. WOLT, S. 112.
8 7 f f . ; 238. HUTTERBB, S. 191, 224. 81 f f . ; 238. HUTTERER, S. 184, 230. 81ff., 87ff. S. 105; 247. SCHÖDEL, S. 4 5 ; 2 4 9 . BRENDEL, S. 5 9 ; 293. K o p p
§ 136 bis § 139 Dae Bairieche
149
b) Der Extremdiphthong für mhd. ei 1 wurde zu offenem çe, çi verdumpft und blieb in allen Stellungen nur im Raum zwischen Ingolstadt — Neuburg — W Eichstädt — 0 Ellingen — 0 Spalt — Heideck — Hilpoltstein — Freystadt — Berching — Beilngries — 0 Eichstädt und nochmals in einer heute losgetrennten kleinen Insel SW Neuburg südlich der Donau erhalten. Beispiele aus Irgertsheim NO Neuburg/Donau 1 6 6 leip — löeh — Laib bleichen — ρ^βχτ) — bleichen c) Ansonsten gilt im Nordbairischen ein geregelter Wechsel von steigendem çe, çi in ursprünglich mehrsilbigen und fallendem ça in einsilbigen Wörtern. Obwohl sich dieser Wechsel ja bis ins oberösterreichische Mühl-, Innund Hausruckviertel nach Osten und Süden hinzieht, beginnt die Grenze strenger Regelmäßigkeit erst an der Sprachgrenze bei Eisenstein, setzt sich fort über O Viechtach, reicht zwischen Ν Straubing und O Regensburg bis an die Große Laber nach Süden, umgeht Regensburg und Hemau in westlichem Bogen und verläuft dann unmittelbar nördlich der Donau bis Ingolstadt, von wo bis Freystadt die Ostgrenze des Diphthonges O l (vgl. b) den weiteren Verlauf bestimmt. Freilich finden sich auch im Raum um Regensburg — Hemau und südlich der Donau noch zahlreiche Einzelbeispiele mit dem steigenden Diphthong, die einen ursprünglichen südlicheren Grenzverlauf, ähnlich dem von mhd. ie — uo — üe (vgl. § 144 a), sichern. Die Fortsetzung der Westgrenze säumen dann die Städte Allersberg — Altdorf — Hersbruck — Velden — Regnitz — Neustadt — Kemnat — O Goldkronach — Weissenstadt — O Adorf — Graslitz — Frühbuß — Neudeck — St. Joachimsthal — Duppau — Chiesch — Sprachgrenze bei Rabenstein. Im Raum Falkenstein — Cham — Viechtach — Straubing/ Donau wurde der fallende Diphthong zu geschlossenem ö» bis offenem y,v geschlossen 167 . Am Nordrand von Velden bis Graslitz und einer südlichen Linie Velden — Auerbach — Grafenwöhr — O Kemnat — S und W Eger — Franzensbad — O Schönbach — Grasütz unterlag er der Monophthongierung zu offenem bis sehr offenem ç. Beispiele aus Tepl 1 6 8 sweif — SVÇKV — Schweif teic — tçvg — Teig
geiferen — kçeftm — geifern leiter — Igetv — Leiter
Beispiele aus dem Klinglbachtal SO Cham 1 6 7 pfeit — pfönd, pfand — Hemd scheide — sçed — Scheide
« β 244. FUNK, S. 41. 187 2 4 0 . KOLLMER, S . 1 1 3 . 1«8 2 5 5 . KRAUS, S . 6 4 .
150
Die Entwicklung der Reihe mhd. et — ou — öü
Beispiele aus dem nördlichen Egerland 1 6 9 weich — νογ — weich eischen — gesn — heischen d) In den Bergwerkssiedlungen Mies, Schlackenwald - Schönfeld, Schlackenwerth und Manetin - Netschetin tritt mhd. ei 1 durch erzgebirgischen Einfluß als Monophthong ä auf 1 7 0 . I n ostfränkischer Weise zeigt auch der Nürnberger Raum den Monophthong, der nach dem ehemaligen Quantitätengesetz als phonemisiertes langes ä vor ehemaligen Lenes und als kurzes a vor ehemaligen Fortes auftritt 1 7 1 . Beispiele aus Nürnberg 1 7 2 heiz — häz — heiß
speiche — zbayrj — Speiche
e) In der Sprachinsel I g l a u 1 7 3 fehlt im konservativen Norden jegliche Kontraktion der ahd. Lautfolge egi zu ei 2 . I m modernen Süden sind dagegen die Wörter äer) ,Egge' und âedçksl .Eidechse' mit Kontraktion anzutreffen, wobei durchaus die Möglichkeit einer späteren Neuerung besteht. Dadurch formten zumindest im Norden nur mhd. ou und mhd. öü die Reihe, welche gänzlich mit der Reihe mhd. î — û — û zusammengefallen ist (vgl. § 9d). Gleich jener Reihe gilt für mhd. ou heute vor Labialen der Monophthong ö, ζ. B. latri ,Laub' (pi. tantum), raf(n) ,raufen', und vor Gutturalen der Diphthong ao, z. B. läor) ,leugnen' ; mhd. öü tritt immer als Diphthong ae auf, z. B. laefe .läufig'. Dieser Zustand ist ursprünglich auch für den Süden vorauszusetzen. Während mhd. ou vor b noch teilweise als langer Monophthong ä bewahrt ist, z. B. Stäb ,Staub', wurde das kurze a vor f gänzlich durch den Diphthong ao der Verkehrssprache ersetzt, z. B. kaojm .kaufen' ; vor Gutturalen findet sich überall der Diphthong, z. B. äox ,Auge'. Mhd. ei 1 wurde im Langendörferischen und am nördlichen Ostrand in allen Stellungen als steigender leicht offener Diphthong pf bzw. offener Diphthong çi bewahrt, z. B. ho\s .heiß', zç\f ,Seife'. Ansonsten herrscht im Norden der gesetzmäßige Wechsel von steigendem Q{ in ursprünglich mehrsilbigen und fallendem ρ» in einsilbigen Wörtern, ζ. B. ZQ\YR¡ ,harnen', SVQWS .Schweiß'. Im Süden bis nördlich der Stadt Iglau wurden die ursprünglichen Verhältnisse, die der Analogieumlaut noch widerspiegelt, zugunsten des verkehrssprachlichen Monophthonges ä, ζ. B. kräs ,Kreis', hasn ,heißen', aufgegeben. Wegen der klanglichen Verwandtschaft von ρ» für mhd. ei 1 mit der Lautfolge ov(r) für mhd. ar wurde in Analogie zum dazugehörigen gesetzmäßigen
« » 257. 170 253. 171 Vgl. « 2 250. 173 258.
GUTTER, S . 142. GRADL, S . 2 0 f . ; 2 5 4 . EICHHORN, S . 5 3 . 2 4 9 . BRENDEL, S . 7 2 ; 2 5 0 . GEBHARDT, S . 5 1 ; 2 5 1 . EBERL, S . 162. GEBHARDT, S . 5 1 . STOLLE, S . 1 3 7 ; 2 6 0 . NEUPÄBTL, S . 8 4 f f .
§ 140 Das Ostfränkiiche
151
Primärumlaut iv(r) für mhd. er ein Analogieumlaut iv mit geschlossener erster Komponente in der gesamten Sprachinsel gebildet, z. B. prïvtv ,breiter', priwtn ,Breite', gitosi ,Geißlein'. Damit läßt sich der ursprüngliche Diphthong OA für mhd. ei auch für den Süden der Sprachinsel nachweisen.
§ 140 D a s O s t f r ä n k i s c h e übersieht: a) Übersicht der Lautentwicklung und phonologische Einordnung, b) Reihenauflösung durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung zu E, Ä im Würzburger und Coburger Baum — Diphthongierung von E zu E A um Sonneberg — Das Quantitätengeeetz. c) Reihenauflösung durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung zu Ë, Ä im hohenlohischen Raum, d) Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä im übrigen Ostfränkischen — Der Analogieumlaut. — Lautkombinatorische Erscheinungen: Die Diphthonge ÀI — ÂU vor Gutturalen im hohenlohischen Raum, f) Kürzungen.
a) Das Ostfränkische hat die Reihe mhd. ei — ou — öü schon sehr früh zu kaum gespannten Extremdiphthongen geöffnet, so daß wie auch im anschließenden Hennebergischen (vgl. § 148 a) im Gegensatz zu allen übrigen Reihen Umlautentrundung eintreten konnte und das erste und dritte Glied der Reihe im Gesamtbereich zusammenfielen. Alle weiteren Entwicklungen der nunmehr zweigliedrigen Reihe AI — AU hatten ihre Auflösung zur Folge. Während im Würzburger und Coburger Raum mit Fortsetzung ins südliche Ostthüringische und Obersächsische Reihenauflösung durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung zu überoffenem E und Ä und im hohenlohischen Raum zu weniger offenem E und Ä eintrat, wobei dann im Süden des hohenlohischen Raumes das E sogar geschlossen und um Sonneberg im Coburger Raum zu EA fallend diphthongiert wurde, erfolgte im übrigen Bereich Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Â. Auch mhd. ou vor Gutturalen unterlag außer im hohenlohischen Raum, wo es gleich mhd. ei + öü als Diphthong erhalten blieb, der Dehnungsmonophthongierung. Besondere Entwicklungsverhältnisse herrschten einst im Spessart, wovon sich nur mehr spärliche Relikte im Lohrtal erhalten haben, die die südlichsten Ausläufer eines einst bis in den Vogelsberg und die Rhön verbreiteten Zustandes darstellen (vgl. § 142 d und § 148 d). Auch die auf Reihe mhd. ei — ou — öü wirkt im Würzburger und westlichen Coburger Raum und in anschließenden Gebieten wieder das Quantitätengesetz, das sich entsprechend den monophthongischen Lautwerten als Kürzimg äußert und, synchron betrachtet, das Langvokalsystem nicht beeinflußt. Mit der Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä verbindet sich wieder die Frage, inwieweit in einzelnen Beispielen Umlaut vorauszusetzen ist. Da sich bezüglich der allgemeinen Umlautung beide Hälften des Ostfränkischen verschieden verhalten, indem der Westen auf mitteldeutscher und der Osten auf oberdeutscher Seite steht, können die zahlreichen um-
152
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
gelauteten Beispiele des Westens nicht für den Osten vorausgesetzt werden. Dieses unterschiedliche Verhalten bestätigt auch die aus dem ostfränkischen Osten hervorgegangene Schönhengster Sprachinsel mit einem eindeutigen Umlautsphonem für mhd. öü (vgl. § 154d), welche Umlaut vor Verschlußund Reibelauten nur in den Beispielen ,Freude', ,-äugig', ,räuchern' (wohl analog dazu auch in ,Rauch') und gebietsweise in .leugnen' kennt. Eindeutig kann der Umlaut nur im Hiatus und Auslaut festgestellt werden, wo er als entrundeter Diphthong A I fortbesteht. Im Bereich der Dehnungsmonophthongierung wurde im Regnitz- und Obermainraum sowie im westlichen Ansbacher und südlichen hohenlohischen Raum zu Ä für mhd. ei und mhd. ou ein Analogieumlaut gebildet. Während er im Regnitz- und Obermainraum auf Grund seiner Stellung als kurzes E auftritt, zeigt er im westlichen Ansbacher und im südlichen hohenlohischen Raum, soweit er zu mhd. ei gehört, als offenes bzw. geschlossenes E Länge. Dagegen gilt dort in den von mhd. ou sich ableitenden flexivischen Formen kurzes E. Der Monophthong Ä für mhd. ou ist im Würzburger und Coburger Raum neuerdings mit mhd. se, mhd. Dehnungs-a und mhd. Dehnungs-ë zusammengefallen, doch werden von älteren Sprechern teilweise noch beide Gruppen als normales und helles Ä auseinandergehalten. I m hohenlohischen Raum erfolgte Zusammenfall mit mhd. Dehnungs-ä. Der überoffene Monophthong E für mhd. ei + öü bleibt, wenn man von überoffenem O vor Nasalen für mhd. â und einigen aus der Hochsprache entlehnten, mundartfremden Wörtern mit mhd. â absieht, ebenfalls isoliert. Er ist im Würzburger Raum neuerdings weitgehend mit dem gebietsweise zu überoffenem E monophthongierten Diphthong EA für mhd. ê zusammengefallen und so teilweise in eine schon bestehende Reihe eingetreten, so daß die ursprüngliche Isolierung wieder beseitigt wurde. Isoliert bleibt auch der fallende Diphthong EA um Sonneberg, wenn man von irregulären Einzelbeispielen mit OA — ÖA absieht. Der geschlossene Monophthong E im Süden des hohenlohischen Raumes fügte sich in die neue Reihe mhd. se -f- mhd. Dehnungs-ê — mhd. â ein. b) Der Würzburger und Coburger Bereich mit Reihenauflösung durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung zu überoffenem ä, seltener sehr offenem oder offenem f für mhd. ei + öü und normalem ä für mhd. ou 1 7 4 wird von folgender Linie umgrenzt : 0 Schleusingen — Eisfeld — Ν Schalkau — Ν Steinach — W Gräfenthal — O Sonneberg — Lichtenfels —
2 7 7 . HEILIG, S . 4 4 f . ; 2 7 8 . HIRSCH, S . 2 6 f . ; 4 3 5 . DIETZ, S . 7 6 , 8 0 f . ; 2 7 9 . SCHMIDT,
S. 346, 351 f f . ; 280. KEMMETER, S. 47, 4 5 f . ; 2 8 1 . KÜBLER, S. 2 ; 2 8 2 . K o s s , S . 8 2 f f . ; 2 8 3 . HERTEL,
S. 1 0 4 ; 2 8 4 . NIEDERLÖHNER,
S. 137,
154ff.;
2 8 5 . FÖRSTER,
S. 32;
2 8 6 . HERMANN, S . 101, 1 0 5 ; 2 8 8 . LUTHABDT, S . 1 6 6 f f . , 5 1 8 , 5 2 3 f . ; 4 2 9 . BRACKE, S . 1 2 3 f f . ; 2 9 0 . BOCK, S . 2 6 f . ; 2 9 2 . G E U S S , S . 2 8 , 3 1 , 4 2 .
§ 140 Das Ostfränkische
153
Ebern — 0 Königsberg — Zeil — Steigerwald — Scheinfeld — 0 Uffenheim — Creglingen/Tauber — Weikersheim/Tauber — Grünsfeld — W Dertingen — westlich des Mains bis S Lohr mit einem Ausläufer in den Spessart bis SO Gelnhausen/Kinzig — W Rieneck — Brückenau — SO Bischofsheim, von wo sich die Erscheinung ins Südhennebergische nach Norden fortsetzt (vgl. § 148c). Innerhalb dieses Bereiches wurde der Monophthong Ë um Sonneberg geschlossen und zu êd fallend diphthongiert 1 7 5 . Soweit in diesem Bereich das Quantitätengesetz gilt, hat es überall Kürzung von mhd. ei + öü zu sehr offenem ç bis überoffenem ä und von mhd. ou zu normalem a hervorgerufen 1 7 6 . In Teilen des Würzburger Raumes, besonders zwischen W e m und Saale, und um Heldburg und Schleusingen im Coburger Raum wurde § in Umgebung von mit Lippenrundung gebildeten Konsonanten zu ö gerundet, ζ. B . zçy ,Seife', kçv ,kaufen' 1 7 7 . Beispiele aus Bonnland S Hammelburg 1 7 8 geleise bleich pl. zu geiz Speiche
— — — —
gdlaz — Geleise bläj — bleich gäz — Geißen zbäj — Speiche erlöüben — ddrlä höübet — häd töüfen — gddäv köüfen — gdkäv
ouge — äy louch — Ιάγ loufen — galav rouchen — gvray — erlauben — Gemüsekopf — taufen — kaufen
— — — —
Auge Lauch laufen rauchen
Beispiele aus Neustadt 1 7 9 deisem — däzn — Sauerteig louge — Ιάγτ) — Lauge heizen — häzn — heißen loufen — lävm — laufen verlöügenen — ywl&jrw — verleugnen köüfen — kävm — kaufen Beispiele aus Sonneberg 1 8 0 seichen — zêsyan — harnen tougen — däym röüfe — rêdv — Raufe
— taufen
c) Abermals begegnet Reihenauflösimg durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung außer vor Gutturalen im hohenlohischen Raum inner2 8 4 . NIEDEBLÖHNER, S . 1 3 8 , 1 5 6 ; 2 8 7 . SCHLEICHER, S . 1 0 , 6 ; 2 8 8 . LUTHABDT, S. 518, 524. 17« 2 7 7 . HEILIG, S . 8 6 ; 2 7 9 . SCHMIDT, S . 3 4 7 , 3 5 2 , 3 5 3 ; 4 3 5 . DIETZ, S . 7 7 , 8 0 ; 2 8 2 . Koss, S . 8 7 , 9 7 ; 2 8 3 . HERTEL, S . 1 0 4 ; 2 8 4 . NIEDERLÖHNER, S . 137, 1 5 6 ; 4 2 9 . BRACKE, S . 1 2 5 ; 2 9 0 . BOCK, S . 26F. 1 7 7 2 8 4 . NIEDERLÖHNER, S . 1 4 0 , 157, 1 5 9 ; 4 2 9 . BRACKE, S . 125, 128. 1 7 8 2 7 9 . SCHMIDT, S . 3 4 6 , 3 5 1 f f .
175
179
284. NIEDERLÖHNER, S. 137, 154ff.
1 8 0 2 8 7 . SCHLEICHER, S . 10, 6 .
154
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — im
halb der Linie Klingenberg/Main — Miltenberg/Main — Walldürn — Osterburken — Bieringen/Jagst — die Jagst bis Neudenau — Gundelsheim — Mosbach — S und W Eberbach/Neckar — der Odenwald. Während f ü r mhd. ei + öü im Norden offenes bis sehr offenes ξ üblich ist 1 8 1 , nimmt gegen Süden der Öffnungsgrad ab und erreicht sogar die geschlossene Qualität ë 1 8 2 . Mhd. ou t r i t t allgemein als normales ä und gelegentlich als leicht dunkles q, a u f 1 8 1 . Beispiele aus Buchen 1 8 3 vleisch — νίξζ — Fleisch toup — dab — t a u b töüfen — dçv3 — taufen Beispiele aus Roigheim Ν Widdern 1 8 3 a breit — brêd — breit loufen — läm — laufen glöüben — glëvd — glauben Zu Ä für mhd. ou wurde besonders in der Konjugation ein Analogieumlaut Ë gebildet, der wegen des Zusammenfalls von mhd. ou und mhd. Dehnungs-ä entsprechend dem Umlaut für mhd. Dehnungs-ä als geschlossenes ë auftritt, ζ. B. kêyd ,kauft', lèv ,Läufe', lëv\ ,läufig' 184 . d) Im gesamten übrigen Ostfränkischen trat bis zur Linie W und Ν Gräfenthal — Probstzella — Lehesten — S Lobenstein — Hirschberg — Tanna — Mühltroff — Netschkau — Ν Reichenbach als Nordgrenze Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä ein. Der Monophthong wird allgemein als normales ä gesprochen 185 . Nur im nördlichen Hofer und im vogtländischen Raum spricht man stark nach überoffenem ä geneigtes helles ä, das oftmals einen leichten Anfing von Velopal atalität als ä zeigt 1 8 6 . Diese Erscheinung setzt sich ins Obersäch-
181
2 7 2 . H O H N E R L E I N , S . 6 1 , 6 3 f . ; 2 7 3 . R O E D D E R , S . 6 3 f . ; 2 7 4 . MANGOLD, S . 3 2 ,
33;
2 7 5 . BREUNIG, S . 18, 1 6 ; 3 1 7 . WENZ, S. 2 8 , 29. 182
2 7 2 . HOHNERLEIN, S. 6 1 ; 3 1 3 . BAUER, S. 3 6 ; 3 1 6 . KILIAN, S. 2 5 0 . 2 7 5 . BREUNIG, S. 18, 16.
I83A 2 7 2 . H O H N E R L E I N , S . 6 1 , 6 3 f . 184
2 72. HOHNERLEIN,
S. 1 2 8 ;
273. ROEDDER,
S. 64;
2 7 4 . MANGOLD,
S. 3 3 ;
316.
KILIAN, S. 250 (die Beispiele mit f sind umgangssprachlich beeinflußt). 185
2 6 3 . BOHNENBERGER,
S. 1 6 6 ; 2 6 4 . BRAUN, S. 2 6 f . ; 2 6 6 . KNUPFER,
S. 2 2 f f . ;
267.
BLUMENSTOCK, S . 3 9 f f . ; 2 6 8 . E C X A R D T , S . 3 4 f f . ; 2 6 9 . E B E R L E , S . 1 7 ; 2 7 0 . S A N D E R , S . 2 6 f . ; 2 7 1 . BAUER,
S. 381,
386;
2 7 2 . HOHNERLEIN,
S. 61,
6 3 f . ; 2 7 6 . DIETZEL,
S. 34f.; 277. HEILIG, S. 43ff.; 282. Koss, S. 82ff.; 284. NIEDERLÖHNER, S. 137, 1 5 4 f f . ; 2 8 8 . LUTHARDT, S . 5 1 8 , 5 2 3 ; S. 28,
31,
42;
2 9 3 . KOPP,
S . 8 0 f f . ; 2 9 6 . WAGNER, 2 9 9 . SCHÜBEL, S. 5 9 f f . 186
3 0 1 . MEINEL,
S. 5 3 ;
S. 99,
S. 7 6 f f . ;
3 0 2 . GERBET,
KRANZ, S . 4 3 , 4 7 , 4 8 , 5 2 .
2 9 1 . KAUSSLER, S . 1 5 3 ,
112f.;
2 9 4 . BATZ,
297. FINK, S. 152ff.;
S. 3 1 f f . ;
S. 1 7 f . ;
1 6 4 f . ; 2 9 2 . GEUSS, 2 9 5 . TRUKENBROD,
298. WERNER,
3 0 3 . HEDRICH,
S. 15;
S. 1 4 6 f f . ;
4 9 3 . ROSEN-
155
§ 140 Das Ostfränkische
sische fort (vgl. § 151b). I m unteren Taubertal gilt noch die Kürzung nach dem Quantitätengesetz zu α 1 8 7 . Beispiele aus Stadtsteinach 1 8 8 reise — räz — Reise stoup — zdab — Staub röüchern — τάγυη — räuchern Beispiele aus Trieb S Elsterberg 1 8 9 seiger — zäyBr — Uhr roup — râb — Raub vröüde — yräd — Freude Im Regnitz- und Obermainraum sowie im westlichen Ansbacher und südlichen hohenlohischen Raum wurde zu Ä ein Analogieinnlaut E gebildet, der im Regnitz- und Obermainraum stets als Kürze auftritt (vgl. f). Während sich im westlichen Ansbacher Raum geschlossenes ê findet, z. B. hezdr ,heißer' 190 , gilt im südlichen hohenlohischen Raum offenes ξ, ζ. Β. br^dirj .Breite', νξρτ .weicher' (vgl. auch f) 1 9 1 . e) Vor Gutturalen blieben im hohenlohischen Raum etwa innerhalb der Linie Brackenheim — Eppingen — Hilsbach — Sinsheim — Neckarbischofsheim — Eberbach/Neckar — Miltenberg/Main — O Walldürn — O Osterburken — Bieringen/Jagst — O Neuenstadt — O Weinsberg — Beilstein die Diphthonge de und äo mit gelängten, oftmals leicht dunklen ersten Komponenten, die sich dadurch deutlich von den Extremdiphthongen für mhd. î — û — û unterscheiden, bewahrt, ζ. B. däej ,Teig', zdräej .Streich', αογ .Auge', räoyd .rauchen' 1 9 2 . Dagegen stellt der besonders im Ansbacher Raum, teilweise aber auch im Regnitz-, Obermain-, Hof-Bayreuther und vogtländischen Raum vor Gutturalen auftretende Diphthong A U für mhd. ou, gelegentlich auch der Diphthong AI für mhd. ei, gegenüber dem älteren Monophthong ä eine junge, hochsprachlich beeinflußte Neuerung dar 1 9 3 . f) I m Regnitz-, Obermain-, Coburger, Hof-Bayreuther und vogtländischen Raum wurde die Reihe mhd. ei — ou — öü vor durch Synkope entstandenen Konsonantenhäufungen und meist vor -er und -el gekürzt. Entsprechend der Lautverteilung bei bewahrter Länge gilt im Regnitz-, Obermain- und Hof-Bayreuther Raum einheitlich normales α, ζ. B. ladt) 18' 2 7 7 . HEILIG, S. 8 6 . SCHÜBEL, S . 59ff. 18» 3 0 2 . GERBET, S . 1 5 2 f f . 1»° 2 6 7 . BLUMENSTOCK, S . 4 1 ; 2 7 6 . DIETZEL, S . 3 5 . i » i 2 6 9 . EBEBLE, S . 1 7 ; 2 7 0 . SANDER, S. 2 7 ; 2 7 7 . HEILIG, S . 2 7 . 1M 2 7 2 . HOHNERLEIN, S . 6 2 , 6 4 ; 2 7 3 . ROEDDEB, S . 6 3 , 6 4 ; 2 7 4 . MANGOLD, S . 3 3 ; 2 7 5 . BRETTNIG, S. 2 2 ; 3 1 6 . KILIAN, S. 250.
188 299.
193 Vgl. die DSA-Karte „Augenblickchen" und die DWA-Karte „rauchen" und 2 4 7 . SCHÖDEL, S . 4 5 ; 2 4 8 . HAIN, S . 2 0 ; 2 9 6 . WAGNER. S . 8 2 ; 2 9 7 . FINK, S . 18.
2 9 2 . GKUSS,
S. 31;
282. K o s s ,
S. 90;
Die Erdwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
156
.Leiter', gaglabd .geglaubt' 1 9 4 , im Vogtländischen einheitlich helles α, ζ. Β. dlad .kleidet', kavzd .kaufst 1 9 5 , und im Coburger Baum ä und α, ζ. Β. häzd .heißt', gidabd ,gestaubt' 1 9 6 . Im Regnitz- und Obermainraum unterliegt der Stellung nach auch der Analogieumlaut zu Ä für mhd. ei und mhd. ou dieser Kürzung, welcher als offenes ç auftritt, ζ. B. brçdn .Breite', hçzn ,heißer', Içyd .läuft' 1 9 4 . In Umgebung von mit Lippenrundung gebildeten Konsonanten wird dieses ç gebietsweise zu ρ gerundet, ζ. B. Igvd .läuft' 1 9 7 ; eine derartige Rundung begegnet teilweise auch bei regulärem ä im Coburger Raum 1 9 8 . Im Südwesten des Ansbacher und im Süden des hohenlohischen Raumes findet sich zu Ä für mhd. ou in flexivischen Formen der junge Analogieumlaut geschlossenes e, ζ. B. kevd .kauft', levid .läufst' 1 9 9 .
§ 141 D a s R h e i n f r ä n k i s c h e Übereicht: a) Übersicht und phonologische Einordnung, b) Reihenauflösung auf der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung AI, A im Südrheinfränkischen — Spätere Verdumpfung von ÄI zu Öl im Raum um Karlsruhe und von Ä zu überoffenem O S Wiesloch — Bildung eines Analogieumlautea E zu Α in der Verbalflexion, c) Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu  im Starkenburgischen und Nordpfälzischen — Teilweise Verdumpfung des .¿-Lautes — Zum Analogieumlaut E . d) Reihenauflösung durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung zu E, À im Ostlothringischen, Saarbrückischen und Pfälzischen, e) È für mhd. ou in der Vorderpfalz und zwischen W Rockenhausen und S Kreuznach. — Lautkombinatorische Erscheinungen: f) Die Entwicklung von mhd. ei -f öü vor Gutturalen im Starkenburgischen, Nordpfälzischen, Westpfälzischen und Saarbrückischen — Zum Diphthong AI, EI im Lothringischen und Saarbrückischen in einer Anzahl von Beispielen. g) Die Entwicklung von mhd. ou vor Gutturalen im Süden des Südrheinfränkischen. — h) Die pfälzischen Kolonien am Niederrhein und in Pommern.
a) Im Rheinfränkischen bewirkte die Öffnung der Reihe mhd. ei — ou — öü zu Extremdiphthongen beim Eintritt weiterer Entwicklungen ihre Auflösung. Dabei kam es im Südrheinfränkischen im Anschluß an das niederalemannisch-nordwestschwäbische Gebiet mit Langdiphthongen zur Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung mit gedehntem ÄI für mhd. ei + öü gegenüber Ä für mhd. ou. Später wurde im Raum um Karlsruhe der Extremdiphthong zu O l verdumpft und ging teilweise auch in falltoniges OA über oder wurde zu Ö monophthongiert. Abermals begegnet 2 9 3 . KOPP, S . 1 2 8 ; 2 9 4 . BATZ, S . 3 2 f . ; 298. WERNER, S . 154, 157, 1 6 0 ; 2 9 9 . SCHÜ-
BEL, S. 60, 63, 66; 282. K o s s , S. 98. 302. 284. 175. 1 9 7 282. 1 9 8 284. 1 " 266. 195
196
GERBET, S . 2 3 6 f f . ; 3 0 3 . HEDRICH, S . 15. NIEDERLÖHNER, S . 137, 1 5 6 ; 2 8 7 . SCHLEICHER, S . 8 ; 288. LUTHARDT, S . 169, K o s s , S . 9 8 ; 2 9 5 . TRUKENBROD, S . 8 4 ; 298. WERNER, S . 161. NIEDERLÖHNER, S . 157, 1 5 9 ; 288. LUTHABDT, S . 524. K N Ü P F E R , S . 2 4 ; 2 6 8 . ECKARDT, S . 3 6 ; 270. SANDER, S . 28.
§ 141 Das KkeinjränkUche
157
eine solche Reihenauflösung in einem kleinen Gebiet SW Bitsch in Lothringen. In drei Inseln im elsässisch-rheinfränkischen Übergangsgebiet W Saarburg, SW Lützelstein und südlich der Lauter sowie im Starkenburgischen und Nordpfälzischen gelangte die Dehnungsmonophthongierung zu Ä zur vollständigen Durchführung. Nachträglich wurde dann der Monophthong Ä im Raum W Saarburg, im Raum um Heidelberg und im Nordpfälzischen zu sehr dunklem Ä bis überoffenem Ö verdumpft. Nur südlich Mainz stellt man bei der ältesten Generation eine lautliche Differenzierung zwischen hellem, nach überoffenem Ë geneigtem Ä für mhd. ei -f öü und dunklem, nach überoffenem 0 geneigtem  für mhd. ou fest, so daß man von einer gekoppelten Reihe sprechen kann. Mit der Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä verbindet sich wieder die Frage nach dem Umlaut, der wegen der Bewahrung des Extremdiphthonges Ä vor Gutturalen nur in den Wörtern ,leugnen' (mhd. löügenen) und .beugen' (mhd. böügen) sowie der Etymologie wegen im Wort .Freude' sicher nachweisbar ist. Im linksrheinischen Bereich der Pfalz und getrennt davon in Mainz und um Aschaffenburg trat Assimilationsdehnungsmonophthongienrng zu E und Ä ein, wobei die Qualität des ^-Lautes gebietsweise zwischen überoffen und geschlossen wechselt und Ä in Lothringen, im elsässisch-rheinfränkischen Übergangsgebiet am Rhein und im Raum der Glan und Nahe zum O-Klang neigt. Der Monophthong Ë wird im Westpfälzischen gelegentlich zu EA fallend diphthongiert·. Wie mhd. ei + öü tritt in der Vorderpfalz und nochmals zwischen W Rockenhausen und S Kreuznach auch mhd. ou, von zwei Ausnahmen mit Ä abgesehen, als Monophthong E auf. Es ist wenig wahrscheinlich, daß es sich dabei um einen analog durchgeführten Umlaut handelt; vielmehr wird man mit Entvelarisierung eines aus einem ursprünglichen Palatovelardiphthong einer gestörten Reihe hervorgegangenen Monophthonges rechnen müssen. Zum Monophthong  für mhd. ei wurde wieder ein Analogieumlaut offenes E gebildet. Während derselbe Laut auch als Analogieumlaut für mhd. öü in Substantiva wie .Läufer', .Käufe' usw. auftritt, findet sich in der Verbalflexion neben älteren umlautslosen Bildungen geschlossenes E in Analogie zur Flexion der Verba mit mhd. Dehnungs-ä und mhd. â wie ,baden', .braten'. Zur Stellung der einzelnen Laute im phonologischen System ist folgendes zu sagen. Stets isoliert bleibt der Monophthong Ä reiner Klangfarbe. Auch der verdumpfte ^Î-Laut hat im allgemeinen keine palatale Entsprechung gefunden. So ist z. B. im Nordpfälzischen seine Differenz im Öffnungsgrad zu offenem E für mhd. Dehnungs-ë zu groß, um schon von einer neuen Reihe sprechen zu können, worauf auch noch die Auffassung beider Laute als Ä und E durch die Mundartsprecher hinweist. Auch im Bereich der Assimilationsdehnungsmonophthongierung kommt es trotz einer durch die Verdumpfung von Ä öfters feststellbaren starken Annäherung der öffnungs-
158
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
grade von Ä und E im allgemeinen zu keiner neuen Reihenbildung. Wenn gelegentlich die völlige Entsprechung erreicht wird und damit tatsächlich eine Reihenbindung entsteht, so handelt es sich um räumlich äußerst beschränkte Übergangserscheinungen. Immerhin ist dabei noch zu bedenken, daß die Mundartsprecher dann nach wie vor beide Laute als E und Ä und nicht als E und O auffassen, so daß die phonetische Reihenbindung nicht in ihr phonologisches Bewußtsein tritt. Der Monophthong Ä für mhd. ou ist im Lothringischen und teilweise im Saarbrückischen und Westpfälzischen sowie im Südrheinfränkischen mit mhd. Dehnungs-ä zusammengefallen; auch im Nordpfälzischen mit Ä für die gesamte Reihe gilt dieser Zusammenfall. Der gedehnte Diphthong AI im Südrheinfränkischen, der sich durch die Quantität deutlich von kurzem AI für mhd. î + û unterscheidet, hat nur im Süden im gedehnten Diphthong ÄU vor Gutturalen eine Entsprechung gefunden und bleibt im Norden isoliert. Auch der Monophthong E und der gelegentlich daraus entwickelte Diphthong EA für mhd. ei -f- öü bleibt im größten Teil des Raumes isoliert. Nur teilweise fällt er mit £-Lauten anderer Provenienz zusammen und schließt sich auf diese Weise schon bestehenden Reihen an, Vorgänge, die sich bei näherer Betrachtung als sehr jung erweisen. So fügt er sich als offener Laut im Saarbrückischen und teilweise im Gebiet der mittleren Nahe zwischen Kirn und Kreuznach der neuen Reihe mhd. ae + mhd. Dehnungs-ä + mhd. Dehnungs-ê — mhd. â ein. W Bingen schließt er sich als geschlossener Laut sogar den zusammengefallenen Reihen mhd. ê — ô — ö, mhd. se — mhd. â und mhd. Dehnungs-ê — δ — o an. In der südlichen und mittleren Vorderpfalz fällt er als offener oder überoffener Laut mit mhd. Dehnungs-ê zusammen und findet teilweise in verdumpftem mhd. Dehnungs-ä eine velare Entsprechung. Eine zufällige Übergangserscheinung ist hingegen die neue Reihenbindung mit verdumpftem Dehnungs-ä in Teilen der Westpfalz. Der Analogieumlaut offenes E zu Ä im Starkenburgischen und Nordpfälzischen fällt mit mhd. Dehnungs-ë zusammen, das im Starkenburgischen weitgehend mit verdumpftem mhd. Dehnungs-ä eine neue Reihe bildet. Hinzuweisen ist hier auch auf das völlig isoliert stehende Diphthongphonem EI oder AI für einen Teil der Beispiele mit mhd. ei im Lothringischen und Saarbrückischen, worauf wir in Abschnitt h noch näher zu sprechen kommen. b) Das südrheinfränkische Gebiet mit der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung Ä I , Ä schließt sich an das niederalemannisch-nordwestschwäbische Gebiet mit Langdiphthongen an (vgl. § 135 e) und reicht im Westen bis an den Rhein — nur das linksrheinische Neuburg Ν Lauterburg wird miteingeschlossen 200 — und im Norden und Osten bis zur Linie S Philippsburg — Wiesloch — W Waibstadt — S Eberbach/Neckar — etwa V g l . 3 2 5 . HEEGEB, S . 3 4 .
§ 141 Das Rheinfränkische
159
der Neckar bis Lauifen. Die ursprünglichen Lautwerte innerhalb dieses Bereiches sind der ungespannte Diphthong äe mit einer sehr hellen, nach überoffenem ä geneigten langen ^-Komponente für mhd. ei + öü und der ebenfalls sehr helle, nach überoffenem ä geneigte Monophthong ä für mhd. ou 2 0 1 . Nach Südosten und nach Norden gehen die sehr hellen Lautwerte allmählich in normale über, wobei es beim Monophthong Ä im Raum S Wiesloch sogar zur Verdumpfung zu sehr dunklem q, bis überoffenem & und beim Diphthong zu normalem äe kommt 2 0 2 . Abermals beobachtet man die Verdumpfung des Monophthonges zu überoffenem & in einigen Dörfern NW Pforzheim 203 . Gelegentlich, wie ζ. B. in Baden-Oos, kann der Langdiphthong zu ä monophthongiert werden, so daß dann vollständige Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung herrscht 204 . Beispiele aus Zaisenhausen SW Eppingen 205 spreiten — zbräedd — spreiten toup — dab — taub reif — räey — Reif glouben — yläm — glauben töüfen — däeyd — taufen dim. zu houbet — häebh — Gemüsekopf Im Raum zwischen Karlsruhe — Bretten — O Gochsheim — Unteröwisheim — Bruchsal — S Philippsburg und nochmals in einigen Orten beiderseits des Rheins zwischen Rastatt und Karlsruhe wurde der Diphthong ÄI weitgehend über qe, äe bis zu sehr offenem çe, ç\ verdumpft, das gelegentlich in falltoniges öx> überging oder zu ç monophthongiert wurde 206 . Beispiele heiz — hç\z, hçnz, hçz — heiß koufen — Icäm — kaufen löüfel — Içiyl, Içxwl, Içvl — Nußschale Zum Monophthong Ä für mhd. ou wurde in der Verbalflexion in Analogie zu Verben mit mhd. Dehnungs-ä durch Systemzwang ein Umlaut 5 gebildet, z. B . levi ,du läufst' 2 0 7 . Abermals findet sich Reihenauflösung mit der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung im Anschluß an das niederelsässische Diphthonggebiet in den südlichen Dörfern der Diphthongierungsinsel für mhd. î — û — û SW Bitsch (vgl. § 11c). Hellem kurzem bis halblangem a\ für mhd. ei + öü steht dunkles q, für mhd. ou gegenüber ; nur vor Gutturalen bleibt mhd. ou 201 6 9 . SCHLAGER, S. 4 8 f f . ; 1 1 1 . BOGEB, S. 1 3 f . ; 3 0 4 . LAUINGER, S . 2 4 , 2 5 ; 3 0 5 . W A I BEL, S. 7 5 , 7 6 , 8 3 ; 3 0 6 . STANFORTH, S. 2 9 f f . ; 3 0 7 . WANNER, S . 2 7 5 ; 2 6 4 . BRAUN, S . 2 6 f . ; 2 6 5 . MEISINGER, S. 1 1 6 f . 202 203 204 205 20Β 20?
3 0 5 . W A I B E L , S. 7 6 . 6 9 . SCHLAGER, S. 4 9 ; 1 1 0 . RALL, S. 5 9 ; 1 1 1 . BOGER, S. 1 3 . 6 9 . SCHLAGER, S . 5 0 . 3 0 7 . WANNER, S. 2 7 5 . 6 9 . SCHLAGER, S. 4 8 ; 3 0 5 . WAIBEL, S . 7 6 . 3 0 5 . W A I B E L , S. 8 4 .
160
Die Enttoicldung der Reihe mhd. ei — ou — öü
a b kurzer halblanger Extremdiphthong ay¿ erhalten, z. B. la%x .Lauch', gaygh ,gaukeln' 2 0 8 . c) I m Starkenburgischen und Nordpfälzischen erfolgte Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä. Nach Westen bildet zunächst etwa der Rhein von S Philippsburg bis 0 Frankental die Grenze, die dann über Grünstadt — S Rockenhausen — S und W Wolfstein — W Rockenhausen — Alsenz — 0 Kreuznach bei Bingen wieder den Rhein erreicht. Im Norden setzt sich die Dehnungsmonophthongierung ins Hessische fort (vgl. § 142b). Die Lautwerte des Monophthonges wechseln. Rechtsrheinisch begegnet der bereits S Wiesloch im Bereich der Vorstufe der Dehnungsmonophthongierung einsetzende dunkle ^4-Laut q, der oftmals bis zu überoffenem à, selten bis zu sehr offenem Q, weiter verdumpft wird 2 0 9 . Im Westen reicht er bis zum Rhein, im Süden gilt er ab der Linie Ν Philippsburg — W und Ν Wiesloch — Heidelberg — Brombach — UnterSchönmattenweg — Rittenweier — Neckarshausen/Neckar 2 1 0 . Dann nimmt der Laut wieder die normale Gestalt ä an, die den übrigen rechtsrheinischen Raum erfüllt 2 1 1 . Linksrheinisch t r i t t nur im Südwesten S Wolfstein normales ä a u f 2 1 2 . Sonst gilt wieder der schon südlich der Grenzlinie einsetzende sehr dunkle Laut q, der wieder bis zu überoffenem á, seltener bis zu sehr offenem ρ verdumpft werden kann 2 1 3 . E r überschreitet im Osten nur bei Oppenheim den Rhein und ist dort in Geinsheim und Wallerstädten zu hören 2 1 4 . I m Norden geht er etwa vom Rhein an wieder in normales ä über 2 1 5 . Inmitten dieses Bereiches sprechen die Städte Philippsburg, Schwetzingen, Heidelberg, Mannheim, Ladenburg, Worms und Kirchheimbolanden für mhd. ei -j- öü heute den Monophthong ξ der pfälzischen Umgangssprache (vgl. d). Eine Differenzierung zwischen den Lautungen f ü r mhd. ei + öü und mhd. ou ist bei der ältesten Bauernbevölkerung im R a u m S Mainz festzustellen, die für mhd. ei + öü sehr helles stark nach überoffenem ä geneigtes ä oder schon überoffenes à wie für mhd. î + u und dunkles q bis überoffenes à für mhd. ou spricht, so daß eine gekoppelte Reihe vorliegt. Die mittlere Generation bedient sich in beiden Fällen einheitlich des dunklen
208 3 3 3 . FEISTHAUER, S . 1 1 7 , 1 2 9 , 1 2 5 . 2
° 9 3 0 5 . WAIBEL, S . 7 5 , 7 6 , 8 3 ; 3 0 8 . RAUPP, S . 4 2 f f . ; 3 1 0 . TREIBER, S . 6 0 , 6 5 ;
311.
BRÄUTIGAM, S . 5 8 , 6 0 ; 3 1 3 . B A U E R , S . 3 6 , 3 9 f . 210
Eine genaue Grenzangabe enthalten die Karten bei
211
3 0 9 . REICHERT, S . 5 8 ,
314.
SEIBT,
S.
305. WAIBEL
6 1 ; 3 1 1 . BRÄUTIGAM, S . 5 8 , 6 0 ;
31 ff.; 315.
WEBER,
ZfdJVIa. 1909,
S.
und
3 1 3 . BAUER.
313. BAUER, S. 36,
344ff.;
318.
39f.;
BERTALOTH,
S . 8 8 f f . ; 3 1 9 . FREILING, S . 1 2 9 , 1 5 4 , 1 5 6 ; 3 2 0 . G R U N D , S . 2 9 f . ; 3 2 1 . B O R N , S . 8 8 , 9 1 . 212 21
3 3 8 . CHRISTMANN, S . 2 3 f . ; 3 3 9 . MANG, S . 1 2 9 f f .
3 3 2 8 . H E L D , S . 1 4 9 , 1 5 2 ; 3 2 9 . E R D M A N N , S . 2 3 1 f f . ; 3 3 0 . VALENTIN, S . 4 2 , 4 7 .
214
V g l . 3 2 1 . BORN, S . 8 8 , 9 1 .
« S 3 3 1 . MUENCH, S . 1 3 6 , 1 4 3 .
§ 141 Das
161
Rheinfränkische
Lautes q, die jüngere richtet sich nach der Stadt Mainz und spricht für mhd. ei offenes ξ und für mhd. ou normales bis leicht dunkles α 2 1 6 . Getrennt vom nördlichen Bereich der Reihenauflösung durch Dehnungsmonophthongierung aller Glieder zu Ä, stößt man nochmals auf diese in drei Inseln am Rand des elsässisch-rheinfränkischen Übergangsgebietes, und zwar mit dunklem q bis à W Saarburg, und mit normalem ä bis hellem ä W Lützelstein und südlich der Lauter zwischen Seltz — Lauterburg — Weißenburg und westlich davon mit den pfälzischen Orten an der Lauter auf deutschem Staatsgebiet. Im letztgenannten Gebiet zeigt mhd. ou vor mhd. ch bis W Weißenburg dunkles q bis überoffenes â, ζ. Β. râyd .rauchen'. Beispiele aus Plankstadt NO Schwetzingen217 heiser — hq$v — heiser roufen — leit — Iqd — Leid rouchen — vröüde — vrqd — Freude
rqm rqyv
— raufen — rauchen
Beispiele aus Pfungstadt 218 weide — väd — Weide urloup — uvläb — Urlaub eigen — äid — eigen ouge — äg — Auge böügen — bäid — beugen weg + löügenen — vççlàidna — ableugnen Beispiele in der Mundart der ältesten Bauerngeneration S Mainz216 breit — brqd — breit tougen — d&ya — taugen Im gesamten Bereich wurde zum Monophthong Ä ein Analogieumlaut Ë gebildet, der als offenes ξ in Diminutiven, Komparativen und Substantiven wie ζ. B. in ççzl, ççzja .Zicklein', Afz» .heißer', Ιξρκ .Läufer' und lautlich nicht gerechtfertigt als geschlossenes ë in der Verbalflexion in Analogie zu Verba mit mhd. â und Dehnungs-ä, z. B. kêpd .kauft' (neben noch umlautslosem, ursprünglichem kävd), auftritt 219 . Gelegentlich stellt man in Komparativen auch einen lautlich nicht gerechtfertigten Analogieumlaut fa durch Systemzwang nach der mhd. Lautfolge er (Primärumlaut) zu mhd. ar ( = àd) fest, z. B. Afa?» .heißer' nach dem Muster äam, f9mn ,arm', .ärmer' 22 °. d) Im Ostlothringischen, Saarbrückischen und Pfälzischen trat Reihenauflösung durch Assimilationsdehnungsmonophthongierung von mhd. ei -föü zu Ë und mhd. ou zu Ä ein, deren nördliche und südliche Reichweite a i e
217
3 3 0 . VALENTIN, S . 4 2 , 4 7 .
310. TREIBER, S. 60, 65.
218 3 2 0 . GBTJND, S . 2 9 f . 3 0 9 . REICHERT, S . 6 1 ; 3 1 0 . T R E I B E R , S . 6 1 , 6 5 ; 3 1 4 . S E I B T , S . 3 2 , 3 4 ; 3 1 8 . BERTALOTH, S . 3 1 , 3 2 ; 3 1 9 . F R E I L I N G , S . 3 3 , 3 6 ; 3 2 0 . G R U N D , S . 3 0 , 3 1 ; 3 2 1 . B O R N , S . 2 3 ; 328. HELD, S . 41, 45.
315. W E B E R , ZfdMa. 1909, S. 347 ; 318. BERTALOTH, S. 31. 11 Wiesinger, Band II
162
Die Entwicklung der Reihe mhd. ei — ou — öü
sich aus Abschnitt c und § 135e ergibt; im Westen setzt sich die Erscheinung ins Moselfränkische fort (vgl. § 144d). Räumlich getrennt tritt dieselbe Erscheinung mit hohem Alter nochmals in Mainz und um Aschaffenburg und wesentlich jünger als pfälzische Umgangssprache in einigen schon erwähnten rechts- und linksrheinischen Städten im ^[-Gebiet auf (vgl. c). Die Lautwerte der Monophthonge wechseln gebietsweise und gehen von einer Stufe kontinuierlich in die andere über. Folgende ungefähre Übersicht läßt sich geben: I m Ostlothringischen tritt für mhd. ei + öü überoffenes, nach hellem ä geneigtes ä auf, das sich bis etwa Hornbach — S Saarbrücken nach Norden und weiter ins Moselfränkische nach Westen hinzieht 221 . Um Saarbrücken und St. Ingibert schließt sich ein etwas geschlossenerer Laut sehr offenes bis normaloffenes f an, der saarabwärts gegen das Moselfränkische noch an Geschlossenheit zunimmt 2 2 2 . Im Westen von etwa Ν St. Ingibert bis Kreuznach mit Fortsetzung ins Moselfränkische wird er wieder zu überoffenem â geöffnet, das öfters sogar in sehr helles ä übergeht 2 2 3 . I m Raum nördlich der Nahe schließt es sich über sehr offenes und normal offenes ξ und erreicht um Stromberg — Bingen sogar die geschlossene Qualität ê 2 2 4 . Im Osten spricht man in der Westpfalz ein sehr offenes f 2 2 5 , in der Vorderpfalz geht überoffenes â unmittelbar nördlich der Lauter kontinuierlich in normaloffenes ξ. über 2 2 6 . Besonders im Westpfälzischen besteht teilweise die Neigung, den Monophthong Ë zu E A fallend zu diphthongieren 227 . Nicht so vielfältig sind die Abstufungen des Monophthongs Ä für mhd. ou. Am Rhein von S Seltz bis Ν Lauterburg und im östlichen Ostlothringischen vom Bereich der obersten Saar bis O Saargemünd spricht man dunkles q bis überoffenes â 2 2 8 . Im westlichen Ostlothringischen und im Saarbrückischen und Westpfälzischen hört man bis etwa in die Höhe von St. Wendel — S Wolfstein — Otterberg normales ä229. Im Raum der Glan setzt wieder langsam eine leicht dunkle Aussprache q, ein, wobei dann im Bereich der Nahe und nördlich davon bis zu überoffenem â, seltener bis zu sehr offenem q weiter verdumpft wird 230 . In der nördlichen Vorderpfalz 221
3 3 2 . BACH, S . 6 7 , 7 7 ; 3 4 0 . ALTENHOFEN S . 1 1 7 .
222
3 4 0 . ALTENHOFER, S . 1 1 7 ; 3 4 1 . SCHÖN, S . 2 0 1 ; 3 4 2 . KÜNTZE, S . 5 5 ; 3 6 8 . FRISCH, S. 22. 223 3 6 8 . FRISCH, S . 2 2 ; 3 4 3 . MÜLLER, S . 4 0 ; 3 4 4 . KIRCHBERG, S . 1 6 ; 3 4 5 . MARTIN, S . 7 7 . 224 3 2 8 . H E L D , S . 1 4 9 ; 3 4 5 . MARTIN, S . 7 7 . 225
3 3 4 . OTTERSTETTER, S . 6 7 , 7 1 ; 3 3 5 . HÖH, S . 6 1 , 6 3 ; 3 3 6 . SCHNECKENBURGER, S . 3 0 , 3 1 ; 3 3 7 . MULLER, S . 9 0 ; 3 4 3 . MÜLLER, S . 4 0 . 226 3 2 4 . SIEGFRIED, S . 2 6 2 ; 3 2 5 . HEEGER, S . 1 2 ; 3 2 7 . BERTRAM, S . 8 7 .
»27 Vgl. 343. MÜLLER, S. 4 0 f f . 228 3 3 2 . BACH, S . 7 3 ; 3 4 0 . ALTENHOFER, S . 1 2 5 . 229 3 3 4 . OTTERSTETTER, S . 7 0 ; 3 3 5 . HÖH, S . 6 2 ; 3 3 6 . SCHNECKENBÜRGER, S . 3 1 ; 3 3 7 . MÜLLER, S . 9 1 ; 3 4 0 . ALTENHOFER, S . 1 2 5 ; 3 4 1 . SCHÖN, S . 2 0 0 ; 3 4 2 . KUNTZE, S . 5 8 ; 3 4 3 . MÜLLER, S . 4 5 . » O 3 4 3 . MÜLLER, S . 4 5 ; 3 4 4 . KIRCHBERG, S . 1 6 ; 3 4 5 . MARTIN, S . 7 7 .
§ 141 Das Rheinfränkische
163
schließt sich an das ¿?-Gebiet für mhd. ou zunächst helles ä an, das über normales ä rasch in dunkles q, übergeht 2 3 1 , welches sich ins Nordpfälzische fortsetzt (vgl. c). Es sei nochmals betont, daß man trotz einer teilweise zu beobachtenden starken Annäherung des Öffnungsgrades beider Monophthonge im allgemeinen nicht von einer gekoppelten Reihe sprechen kann. Wenn es gelegentlich zu einer völligen Entsprechung und damit zu einer neuen Reihenbildung kommt, so handelt es sich dabei nur um äußerst kleinräumige Übergangserscheinungen, die bemerkenswerterweise den Mundartsprechern nicht bewußt sind. Beispiele aus Wolfskirchen Ν Finstingen/Saar 2 3 2 meise — más — Meise roup — rqp — Raub stöüben — zdäw — stauben Beispiele aus Sulzbach NO Saarbrücken 2 3 3 leiter — Içdw — Leiter rouch — räx — Rauch löüfer — Ιξνκ — Läufer Beispiele aus Warmsroth Ν Stromberg 234 deisem — dêzdrn — Sauerteig rouben — râvd — rauben höübet — hëpt — Gemüsekopf e) In der Vorderpfalz innerhalb der Linie Germersheim/Rhein — S Deidesheim — Neustadt — Haardtgebirge — etwa die Lauter bis O Weißenburg — Ν Lauterburg — der Rhein und getrennt davon nochmals zwischen 0 Rockenhausen über Obermoschel und Alsenz bis S Kreuznach zeigt auch mhd. ou in nahezu allen Beispielen denselben offenen bis sehr offenen Monophthong ξ wie mhd. ei + öü, der wohl einen entvelarisierten, aus einem ursprünglichen Palatovelardiphthong hervorgegangenen Monophthong verkörpert. Nur die Wörter lq-γ ,Lauch' (im Gegensatz zu Içj .Lauge') und teilweise ", Leopold, Lautlehre und Wortkundliches der Mundart von Kautzen im nordwestlichen Xiederösterreich. Diss, (masch.), Wien 1956. 224. SIMSCHITZ, Erika, Ein mundartlicher Vergleich von Reingers im nordwestlichen Waldviertel und der ehemaligen Xeuhauser Sprachzunge in Südböhmen. Diss, (masch.), Wien 1964. 225. BERANEK, Franz J., Die Mundart von Südmähren (Lautlehre). ( = B K S M 7 ) , Reichenberg 1936 (OG Voitelsbrunn). 226. GEIGER, Brunhilde, Lautstand und Volksleben in der Mundart von Puchberg am Schneeberg (südöstliches Niederösterreich). Diss, (masch.), Wien 1956. 227. GIEITNG, Antonia, Die Bauernmundart von Hochwolkersdorf im Bezirk Wiener Neustadt. Diss, (masch.), Wien 1955. 228. EISELT, Franz, Die Mundart des Jokellandes (Lautgeschichte). Dias, (masch.), Graz 1950 (LG). 229. RAUCHBAUEB, Paul, Die deutschen Mundarten im nördlichen Burgenlande. Dise, (hand.), Wien 1932 (OG Klein-Höflein). 230. SEIDELMAH"N, Erich, Lautlehre der Mundart von Mörbisch am Neusiedlersee. Diss, (masch.), Wien 1957. 231. GRÄFTNEB, Peter, Lautlehre der Ortsmundarten von Apetlon, Gols und Weiden im burgenländischen Seewinkel — Vom Leben und Sterben der alten Formen. Diss, (masch.), Wien 1966. 232. GRABNER, Maria Emilia, Die Mundart von St. Johann am Heideboden (Westungarn) — Lautliches und Wortkundliches. Diss, (masch.), Wien 1959. 233. BE DL, Rezsö, A soproni hienc-nyelvjárás hangtana [Die hienzische Mundart von ödenburg]. Sopron 1912 28 . 234. BIRÓ, Ludwig Anian, Lautlehre der heanzischen Mundart von Neckenmarkt. Leipzig 191028. 235. KARNEB, Hans, Lautlehre der hienzischen Mundart von Rechnitz und Umgebung. Diss, (masch.), Wien 1930 (LG). 236. LAKY, Alexander, Lautlehre der Mundart des Pinkatales. Diss, (masch.), Wien 1937 ( L G ) .
Die mittelbairischen
Sprachinseln
Auch für die mittelbairische u n d z u m Teil für die gesamtbairische Sprachgeschichte leisten wieder konservative Bauernsprachinseln i n Böhmen, Mähren und Ungarn gute Dienste. N a c h ScirWARZ sind die beiden in Mähren gelegenen echten mittelbairischen Sprachinseln W i s c h a u u n d B r ü n n Rückzugsgebiete des i m Anfang des 13. Jahrhunderts bis hierher reichenden geschlossenen deutschen ae
Vgl. Anmerkung 15.
Das'' Bairische
315
Sprachraums, die durch das Überhandnehmen des nie ganz verdrängten tschechischen Elements erst später zu echten Inseln wurden29. Die Sprachinsel Wischau besteht aus acht, südlich der Stadt gelegenen Bauerndörfern. Während sich nach B E P . A X E K die Orte Kutscherau, Lissowitz, Hobitschau und Tereschau zu einer östlichen und Rosternitz und Swonowitz zu einer westlichen Gruppe zusammenschließen, bilden die im Südwesten gelegenen Dörfer Gundrum und Tschechen jeweils eine eigene Gruppe, doch sind die Abweichungen zwischen den einzelnen Gruppen nur geringfügig30. Von der Sprachinsel Brünn kommen nach B E R A N E K als Sprachinselorte nur Mödritz, Priesenitz, Unter- und Obergespitz, Kumrowitz, Tschernowitz und Nennowitz als größere östliche und Schöllschitz und Morbes als je eine westliche Gruppe in Betracht 3 1 . Die Sprachinsel Wischau ist mit Beispielen aus Swonowitz und die Sprachinsel Brünn mit Beispielen aus Schöllschitz bei 225. B E R A N E K vertreten. Eine dürftige tabellarische Übersicht des Vokalismus der Brünner Sprachinsel gibt : 237. HILLER, Franz, Die Mundart der Deutschinsel vor Brünn, ihr Bau und die wichtigsten Lautgesetze. Brünn 1926 (T).
In Südböhmen liegt die früher aus 18 Dörfern bestehende Sprachinsel Bud weis, die sich nach S C H W A R Z um die 1265 deutsch begründete Stadt bildete und einstens ebenfalls mit dem Binnenland verbunden war 32 . Ihre Mundart, die dem südlich davon gelegenen Binnenland entspricht, findet nur bei 122. K R A N Z M A Y E R die gebührende Berücksichtigung. Alle drei genannten Inseln wurden 1945 ausgesiedelt und sind dadurch erloschen. Für die bairische Sprachgeschichte nicht unbedeutend ist die heute noch bestehende, im magyarischen Sprachgebiet Ν Gran/Donau gelegene Sprachinsel D e u t s c h - P i l s e n (mag. Börszöny). Nach S C H W A R Z reicht ihr Deutschtum ins 13. Jahrhundert zurück und ist bairisch mit einer „leichten ostmitteldeutschen Tünche" 3 3 . Ihre Lautlehre berücksichtigt: 238. HUTTERER, Claus Jürgen, Das ungarische Mittelgebirge als Sprachraum — Historische Lautgeographie der deutschen Mundarten in Mittelungarn. ( = MDS 24), Halle 1963.
Zum Mittelbairischen gehört auch die in der Slowakei NO Preßburg am Osthang der Kleinen Karpaten gelegene Sprachinsel Bösing mit den M 4 7 7 . SCHWARZ, S . 5 1 f . 3° 2 2 5 . B E R A N E K , S . 1 1 . 31
2 2 5 . BERANEK, S. 10.
3 2
4 7 7 . SCHWARZ, S . 6 2 f .
33 4 7 7 . SnHWARZ, S . 3 4 9 f f .
316
Anhang: Zur Dialektgliederung
¿Íes hochdeutschen
Sprachraumes
sechs Orten Ratzendorf, St. Georgen, Grünau, Limbach, Bösing rnd Modern 34 . Nach B E R A N E K handelt es sich um ein Restgebiet des vor allem durch die Türkenkriege zerstörten, bis an die Waag nach Osten reichenden mittelalterlichen Deutschtums um 1200 3 5 . Im Gegensatz zu den anderen mittelbairischen Sprachinseln verfügt diese über keinen altertümlichen Lautstand, sondern entspricht weitgehendst der Mundart des westlich davon gelegenen Binnenlandes, wobei freilich zu berücksichtigen ist, diß die binnenländischen Neuerungen der letzten Jahrzehnte hier nicht engedrungen sind. Wir schließen daher die Sprachinsel Bösing, die nur lei 1 2 2 . K R A N Z M A Y E R berücksichtigt ist, in die Darstellung des Binnenlances ein. c) Das Nordbairische Das Nordbairische erfüllt die Oberpfalz und das Egerland in Böhmm. Seine äußerste südliche Reichweite markiert die Südgrenze der steigenden Diphthongreihe 6 Y — DU für mhd. ie — uo — üe und im äußersten Sülwesten für mhd. ê — ô — o von der Sprachgrenze bei Bergreichenstein üler Eisenstein — Regen — Ν Deggendorf/Donau — östlich der Kleinen Laber — Ν Rottenburg/Großen Laber — Neustadt/Donau — Ingolstadt/Donau — südlich der Donau bis zur Lechmündung. Im Südosten ergibt sich durch eie Zurückdrängung nordbairischer Erscheinungen durch mittelbairische tin Übergangsbereich, der sich etwa bis zur Südgrenze des offenen steigenden Diphthongs DU für mhd. â von der Sprachgrenze bei Taus über Roetz — W Cham — Regensburg bis zur Donau bei Neustadt erstreckt. Von dem nordbairisch-ostfränkischen Mischgebiet des Nürnberger Raumes im Westen und dem nordbairisch-obersächsischen im Norden abgesehen, bildet das Nordbairische eine geschlossene Großraumeinheit, die aus mehreren kleineren Mundartgebieten besteht. 239. SCHÖNBERGER, Wilhelm, Die Verbreitung der nordbairischen Mundart südlbh der Donau. In: Verhandlungen des Historischen Vereins von Oberpfalz uid Regensburg 87, Regensburg 1937, S. 1—8 (T). 240. KOLLMER, Michael, Die Bairischen Laute, dargestellt durch Vergleich der Murdart des Klinglbachtales im Bayrischen Wald mit anderen bairischen Mundarten. Diss, (masch.), München 1949 (G). 241. BRUNNER, Johann, Die Mundart im Bezirksamtes Cham. In: J . BRUNNIR, Heimatbuch des Bezirksamtes Cham. ( = Heimatstudien der Bayerischen Herte für Volkskunde 2), München 1922, S. 133—164 (T). 242. STEINHÄUSER, Walter, Mundartgeographie Vokalismus. E x . (masch.), Erlangen 1965.
M 35
im Landkreis Burglengenfeld —
122. KBANZMAYER schreibt fälschlich statt Modern konstant Modern. F. J . BERANEK, Die deutsche Besiedlung des Preßburger Großgaus. ( = Veröffentlichungen des Südostinstituts München 24), München 1941, S. 64f.
Das Bairieche
317
243. ANGRÜNER, Fritz, Die Mundartsgrenzen des Landkreises Kelheim. ( = Schulamt Kelheim, Herausgabe „Bausteine 1 '), Kelheim 1964 (T). 244. FUNK, Petronilla, Irgertsheim (Oberbayern) — Geschichtlich-volkskundlicher Überblick und Untersuchung mundartlichen Lautbestandes. Diss, (masch.), München 1957. 245. WOLF, Alfred Peter, Mundartgeographie des Vokalismus der Stammsilben im Landkreis Eichstätt. Ex. (masch.), Erlangen 1961. 246. STENGEL, Α., Beitrag zur Kenntnis der Mundart an der sclnväbischen Retzat und mittleren Altmühl. In: Die deutschen Mundarten 7, Hg. G. K. FROMMANN, H a l l e 1877, S. 3 8 9 - 4 1 0 (G).
247. SCHÖDEL, Jutta, Die Mundart des Rezat-Altmühl-Raumes — Eine lautgeographisch-historische Untersuchung. ( = Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 29), Nürnberg 1967 (LG). 248. HAIN, Heinrich, Mundartgeographie des oberen Rednitzgebietes. Nürnberg 1936 (OG Unterreichenbach). 249. BRENDEL, Paul, Mundartgeographie im Räume östlich von Nürnberg — Vokalismus. Ex. (masch.), Erlangen 1962. 250. GEBHARDT, August, Grammatik der Nürnberger Mundart. ( = SKG 7), Leipzig 1907. 251. EBERL, Hildegard, Sprachschichten und Sprachbewegungen im Nürnberger Raum vom Hochmittelalter bis zur Gegenwart. Diss, (masch.), Graz 1944 (OG Nürnberg). 252. HAGER, Alfred, Lautlehre der Mundart von Sulzbach in der Oberpfalz. Diss, (maech.), Tübingen 1922. 253. GKADL, Heinrich, Die Mundarten Westböhmens — Lautlehre des nordgauiachen Dialektes in Böhmen. München 1895 (LG). 254. EICHHORN, Otto, Die südegerländische Mundart (Lautlehre). ( = B K S M 4 ) , Reichenberg 1928 (G). 255. KRAUS, Maximilian, Die Tepler Mundart — Mit besonderer Berücksichtigung der Stadt und des Landes (Lautlehre). Diss, (hand.), Wien 1914. 256. ROTH, Wilibald, Die Mundart des engeren Egerlandes (Lautlehre). ( = BKSM 9), Reichenberg 1940 (G). 257. GUTTER, Adolf, Die Ascher Mundart. Diss, (masch.), Freiburg i. B. 1959 (G). A u c h d a s Nordbairische b e s i t z t i n der teils auf mährischem u n d teils auf b ö h m i s c h e m B o d e n gelegenen Sprachinsel I g l a u eine A u ß e n m u n d a r t . Sie bestand u m 1880 auf 73 Dörfern. N a c h SCHWARZ erfolgte ihre Besiedlung seit d e m E n d e d e s 12. J a h r h u n d e r t s durch m i t t e l d e u t s c h e Bergleute u n d nordbairische B a u e r n aus der m i t t l e r e n u n d südlichen Oberpfalz, was w e g e n d e s bairischen Ü b e r g e w i c h t s die B i l d u n g einer nordbairischen Mundart m i t m i t t e l d e u t s c h e n E i n s c h l ä g e n zur F o l g e h a t t e 3 6 . D i e Sprachinsel gliedert sich in drei M u n d a r t l a n d s c h a f t e n : d a s modernisierungsfreudige „Bäurische" i m mährischen S ü d e n bis Ν I g l a u ; d a s konservative „Pachterische" i m böhmischen N o r d e n bis L a n g e n d o r f ; und d a s „Langendörferische" in
36
477. SCHWARZ, S. 91 ff. Vgl. auch E. SCHWARZ, Die volksgeschichtlichen Grundlagen der Iglauer Volksinsel. ( = Abhandlungen der dt. Akademie d. W. in Prag, phil. hist. Kl., Heft 3), Prag 1942.
318
Anhang: Zur Dialektgliederuru) des hochdeutschen Sprachraumes
Langendorf und Sehrlenz im äußersten Norden 37 , das SCHWAKZ für den letzten Rest der einst im Norden anschließenden Sprachinsel Deutsch-Brod hält 3 8 . 258. STOLLE, Wilfried, Der Vokalismue der Iglauer Sprachinsel. Diss. (masch.), Marburg 1966 (LG). 259. BÜDIN, Richard, Iglau — Eine bairiache Sprach- und Volksinsel im ostdeutschen Raum. Diss, (masch.), Wien 1941 (T). 260. NEUPÄRTL, Josef, Die Mundart von Schlappenz — Vokalismus. Diss, (hand.), Wien 1912.
C. D a s O s t f r ä n k i s c h e Das Ostfränkische schließt sich an das Schwäbische im Süden und an das Nordbairische im Osten an, wobei, wie schon oben erwähnt, der ursprünglich nordbairische Nürnberger Raum eine starke ostfränkische Überlagerung erfahren hat. Im Westen stößt es an das Rheinfränkische und Hessische, im Norden an das Hennebergische, Ostthüringische und Obersächsische. Gegen das Rheinfränkische bildete sich im Südwesten ein Übergangsraum, wobei östliche Erscheinungen wie das Diminutivsuffix -le westlich des Neckars bis etwa Eppingen — Neckarbischofsheim — und bis zum Odenwald vor Eberbach/Neckar bis Klingenberg/Main und westliche Erscheinungen wie die steigende Diphthongierung von mhd. ê — ô — Ô zu EI — OU (-ÖÜ) bis etwa O Neuenstadt/Kocher — Krautheim/Jagst — Boxberg — Kühlsheim — Stadtprozelten/Main reichen. Im Nordwesten ergibt sich trotz übergreifender Erscheinungen an Spessart und Rhön ein deutliches Linienbündel über Stadtprozelten/Main — westlich des Mains und der Sinn — Brückenau — Bischofsheim, das u. a. von der pf/p-Grenze und der Grenze der fallenden Diphthongierung der offenen Längen mhd. ê — ô — ô, mhd. â und mhd. se zu EA — OA — ÖA gebildet wird. Das Hennebergische stellt eine ostfränkisch-osthessisch-thüringische Übergangslandschaft dar, die wir, wie noch zu erläutern sein wird, aus praktischen Gründen in thüringische Zusammenhänge einordnen, so daß etwa die Linie Bischofsheim — Ν Neustadt — Römhild — Schleusingen — S Ilmenau die Nordgrenze formt, an der die südliche Zusammengehörigkeit von mhd. ê — ô — o als Reihe und die nördlichen r-losen Personalpronomina enden. Gegen das Ostthüringische und Obersächsische bildet ein über 0 Schleusingen — Ν Eisfeld — S Ludwigstadt — S Lehesten — Lobenstein — Tanna — Mühltroff — Elsterberg — Reichenbach — 0 Falkenstein — 0 Schöneck verlaufendes dichtes Linienbündel, welches gegen das Ostthüringische von 37
Zu diesen in der Mundart üblichen Bezeichnungen vgl. 258. STOLLE, S. 6ff.
38 4 7 7 . SCHWARZ, S . 1 0 5 f .
Das
Ostfränkische
319
0 Schleusingen bis W Ludwigstadt u. a. von der südlichen Auflösung gegenüber der nördlichen Erhaltung der Reihe mhd. ei — ou — öü und gegen das Obersächsische von der südlichen Bewahrung von mhd. ë und mhd. ä als offenes E gebildet wird, eine deutliche Grenze, obwohl eine Anzahl von Gemeinsamkeiten die Räume diesseits und jenseits dieser Linie verbindet. Das Ostfränkische besteht aus einer westlichen und einer östlichen Hälfte mit je vier großen L'ntermundarten : dem hohenlohischen, Ansbacher-, Würzburger- und Coburger Raum im Westen und dem Regnitz-, Obermain-, Hof-Bayreuther- und vogtländischen Raum im Osten. Der hohenlohische und Ansbacher Raum weisen verschiedene Zusammenhänge mit dem Südrheinfränkischen und Schwäbischen auf. Zwischen der Westund Osthälfte nehmen der Ansbacher Raum im Süden durch seine starken Beziehungen zum Regnitzraum und der Coburger Raum in Norden durch seine Zusammenhänge mit dem Obermainraum eine vermittelnde Stellung ein 39 . Die einzelnen Räume umfassen wieder zahlreiche Untermundarten. Gesamtdarstellungen : 261.
Friedrich, Neue Wege fränkischer Landesforschung. I n : Zeitschrift f ü r bayrische Landesgeschichte 7, München 1934, S. 449 —480 (T). 262. M A U B E B , Friedrich, Übersicht über die Mundarten von Spessart und Rhön bis zum Böhmerwald. I n : Gau Bayerische Ostmark. Hg. H . S C H E R Z E S , München 1941, S. 3 4 1 - 3 5 0 (T). MAUBEB,
Einzeldarstellungen : Karl, Zur Fränkischen Mundart in Württemberg. In : Württembergische Jahrbücher f ü r Statistik und Landeskunde 1 9 2 3 / 2 4 , Stuttgart 1 9 2 6 ,
263. BOHNENBEBGEB, S. 1 5 8 - 1 6 9
(T).
Karl, Vergleichende Darstellung der Mundarten in der Umgebung von Heilbronn a. N. (Schwäbisch-fränkisches Grenzgebiet). ( = Jahresbericht der Oberrealschule und des Oberrealgymnasiums Heilbronn 1 9 0 6 ) , Heilbronn 1 9 0 6 (LG). 265. M E I S I N G E B , Othmar, Die Rappenauer Mundart — I . T e i l : Lautlehre. I n : ZfhdMa. 2 (1901), S. 9 7 - 1 3 7 " ° . 266. K N T J P F E B , Karl, Die Mundart des Rot-Tales (OA Gaildorf). Diss. Tübingen, Tübingen 1912 (LG). 2 6 7 . B L U M E N S T O C K , Friedrich, Die Mundart von Klein-Allmerspann O A Gerabronn. Diss. Tübingen, Tübingen 1911. 264. BRAUN,
39
40
Eine Gliederungskarte des Ostfränkischen hat in anderem Zusammenhang und ohne Erläuterung und Rechtfertigung vorgelegt: H. S T E G E B , Franken und die mittelalterliche Ostsiedlung im Lichte der Mundarten — Versuch einer vorläufigen Zusammenschau. I n : Jahrbuch f ü r fränkische Landesforschung 22, 1962, S. 313 — 355, S . 346. Daran schließt sich a n : Othmar M E I S I N G E B , Die Rappenauer Mundart — I I . Teil: Flexionslehre. I n : ZfhdMa. 2 (1901), S. 2 4 6 - 2 7 7 .
320
Anhang: Zur Dialektglieclemng des hochdeutschen Sprachraumes
268.
E C K A R D T , Karl, Der Lautstand der Mundart von Erzberg. Diss, (masch.), Würzburg 1924. 2 6 9 . E B E R L E , Julius, Die Mundart um die Kupfer nach Lauten und Flexion. Diss. Tübingen, Stuttgart 1938 (LG). 270. S A N D E R , Hermann, Die Mundart von Gaisbach OA. Öhringen. Diss. Erlangen, Tübingen 1916. 2 7 1 . B A U E R , H . , Der ostfränkische Dialekt, wie er zu Künzelsau und in dessen nächster Umgebung gesprochen wird. In: Zeitschrift des historischen Vereins für wirtembergisch Franken VI, 3 , 1 8 6 4 , S . 3 6 9 - 4 1 9 . 2 7 2 . H O H N E R L E I N , Benno, Die Mundart um den unteren Kocher und die untere Jagst — Laute und Flexion, Gliederung und Wandlungen. Diss, (masch.), Tübingen 1954 (LG). 273. ROEDDER, Edwin, Volkssprache und Wortschatz des badischen Frankenlandes, dargestellt auf Grund der Mundart von Oberschefflenz. New York 1936. 2 7 4 . M A N G O L D , Hans, Die Mundart von Adelsheim. Diss. Heidelberg, Walldorf 1 9 3 0 . 275. B R E U N I O , H., Die Laute der Mundart von Buchen und seiner Umgebung. ( = Jahresbericht des Großherzoglichen Gymnasiums zu Tauberbischofsheim 1891), Tauberbischofsheim 1891. 276. D I E T Z E L , Franz, Die Mundart des Dorfes Wachbach im Oberamt Mergentheim — I. Lautlehre. Diss. Würzburg, Freiburg i. B. 1908. 2 7 7 . H E I L I G , Otto, Grammatik der ostfränkischen Mundart des Taubergrundes und der Nachbarmundarten — Lautlehre. ( = SKG 5), Leipzig 1898 (OG Tauberbischofsheim). 2 7 8 . H I R S C H , Anton, Dialektgeographische Studien über die Mundarten im Spessart — Der Aufbau einer Mundartbarriere. Diss, (maech.), Würzburg 1958 (LG). 279. S C H M I D T , Otto, Der kurze Vokalismus der Bonnländer Mundart auf frühalthochdeutscher Grundlage. Diss. Gießen, Darmstadt 1905. Ders., Zum Vokalstand der Bonnländer Mundart. I n : ZfhdMa. 6 (1905), S. 319—361 (Langvokalismus und Diphthonge) 41 . 2 8 0 . K E M M E T E R , Emst, Lautlehre der Mundart von Schweinfurt. Diss, (masch.), Würzburg 1924. 281. K Ü B L E R , Α., Die Mundart der Kissinger Gegend — Ein Beitrag zur Kenntnis des Lautstandes der Dialekte Unterfrankens. Kissingen 1896 (OG Garitz). 282. Koss, Gerhard, Mundartmischung und Mundartausgleich am westlichen Obermain — Studien zur Dialektgeographie des Coburg-Obermain-Gebietes. ( = Coburger Heimatkunde und Heimatgeschichte II, 21), Coburg 1967 (LG). 283. H E R T E L , Oskar, und H E R T E L , Ludwig, Die Pfersdorfer Mundart. I n : ZfhdMa. 3 (1902), S. 9 6 - 1 2 0 . 284. N I E D E R L Ö H N E R , Wilhelm, Untersuchungen zur Sprachgeographie des Coburger Landes (Auf Grund des Vokalismus). ( = F F 10), Erlangen 1937 (OG Neustadt). 2 8 5 . F Ö R S T E R , Alfred, Phonetik und Vokalismus der ostfränkischen Mundart der Stadt Neustadt (S. Coburg). Diss. Jena, Teildruck Borna-Leipzig 1913. 286. H E R M A N N , Eduard, Die Coburger Mundart. ( = Coburger Heimatkunde und Heimatgeschichte II, 20), Coburg 1957.
41
Zitate in Band 1 und Band 2 beziehen sich stets auf die 2. Abhandlung. Die Fortsetzung der Lautlehre bietet: Martin S C H M I D T , Der Konsonantismus der Bonnländer Mundart auf frühalthochdeutscher Grundlage. Diss. Gießen, Bonn 1912.
Das Ostfränkische
321
287. SCHLEICHER, August, Volkstümliches aus Sonneberg im Meininger Oberlande. Weimar 1858 (OG Sonneberg). 288. LUTHAKDT, Emil, Mundart und Volkstümliches aus Steinach, Thüringerwald, und dialektgeographische Untersuchungen im Landkreis Sonneberg, im Amtsgerichtsbezirk Eisfeld, Landkreis Hildburghausen und in Scheibe, Amtsgerichtsbezirk Oberweißbach, Landkreis Rudolstadt. Diss, (masch.), Hamburg 1962. 289. LÖSCH, Wolfgang, Grammatische und sprachsoziologische Untersuchungen zur Mundart von Biberschlag bei Eisfeld. Ex. (masch.), Jena 1967. 290. BOCK, Gudrun, Die Mundart von Waldau bei Schleusingen. ( = M F 3 5 ) , Köln—Graz 1965. 291. KATJSSLER, Hans, Die Mundart der Stadt Ansbach und ihrer näheren Umgebung (Lautlehre). Diss. München, Ansbach 1962. 292. GEÜSS, Otmar, Mundartgeographie des nordwestlichen Mittelfranken — Vokalismus. Ex. (masch.), Erlangen 1958. 293. KOPP, Christian Friedrich, Mundartgeographie des Gebietes nördlich und südlioh der Erlanger Schwabach — Vokalismus. Ex. (masch.), Erlangen 1959. 294. BATZ, Hans, Lautlehre der Bamberger Mundart. I n : ZfdMa. 1912, S. 3—53 und S. 1 9 3 - 2 2 5 . 295. TBUXENBROD, Klaus, Mundartgeographie des Vokalismus der Stammsilben im Bereich der Fränkischen Schweiz. Ex. (masch.), Erlangen 1963. 296. WAGNEB, Eberhard, Mundartgeographie des südlichen Bayreuther-Raumes und seiner Nebenlandschaften. Diss. Erlangen, Erlangen 1964 (LG). 297. FINK, Hermann, Die Laute der Mundart von Bayreuth (Vokalismus und Konsonantismus). Diss. München, Nürnberg 1930. 298. WERNER, Otmar, Die Mundarten des Frankenwaldes (Eine lautgeographische Untersuchung). ( = Schriften des Instituts für fränkische Landeeforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg 10), Kallmünz 1961. 299. SCHÜBEL, Georg, Die Ostfränkisch-Bambergische Mundart von Stadtsteinach im ehemaligen Fürstbistum Bamberg — Lautlehre und Beugungslehre. ( = Beiträge zur deutschen Philologie 3), Gießen 1955. 300. KAISER, Heribert, Die Mundart von Hof a. Saale — Vokalismus und Konsonantismus der Haupttonsilben und der wichtigsten nichthaupttonigen Silben. Diss. Erlangen, Hof 1924 4 2 . 301. MEINEL, Hans, Vogtländisch und Nordbayrisch. ( = MDS 3), Halle 1932 (T). 302. GERBET, Emil, Grammatik der Mundart des Vogtlandes. ( = SKG 8), Leipzig 1908 (OG Trieb). 303. HEDRICH, Richard, Die Laute der Mundart von Schöneck im Vogtlande. ( = 1 7 . Programm der Realschule mit Progymnasium zu Leisnig), Leisnig 1891.
D. D a s R h e i n f r ä n k i s c h e Das Rheinfränkische erstreckt sich von der Sprachgrenze und dem schon behandelten Übergangsgebiet zum Alemannischen im Süden bis zur noch zu besprechenden Übergangszone zum Hessischen an der Rhein-Main42
21
Dieser Untersuchung liegt die städtische Umgangssprache zugrunde, die sich in mehrfacher Hinsicht von der ländlichen Mundart der Umgebung unterscheidet. Wieainger, Band I I
322
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
Kinzig-Linie im Norden. I m Osten geht es, wie bereits dargelegt, ins Ostfränkische und im Westen ins Moselfränkische über. Das westliche Übergangsgebiet zum Moselfränkischen erfüllt eine breite Fläche. Sie reicht etwa von der Grenze der geschlossenen gegenüber der offenen Reihe E — 0 für mhd. se und mhd. â ab O Bitsch — W Pirmasens — W Landstuhl — Kusel — W Lauterecken — W Meisenheim - Sobernheim — W Stromberg — W Bingen/Rhein im Osten bis zur Grenze der unterschiedlichen Wurzelvokale in ,gehn' und ,stehn' als gên, stên gegenüber gân, stân ab der Sprachgrenze SW Busendorf — W Merzig/Saar — Hochwald — Bernkastel/Mosel — etwa die Mosel bis Koblenz/Rhein im Westen. Als Durchschnittsgrenze kann die dazwischen verlaufende dasjdat-Linie von der Sprachgrenze SO Falkenberg über W St. Avoid — W Saarbrücken — W Ottweiler — St. Wendel — Baumholder — W Lauterecken — O Kirn/ Nahe — O Gemünden — Simmern — St. Goar/Rhein angesehen werden, in deren Bereich auch die so wichtige phonologische Relevanz der „rheinischen Akzentuierung" einsetzt, weshalb wir auch hier unsere Darstellung enden lassen. Vom Norden sei hier nur der Westen mit dem Taunus besprochen. Es läßt sich unschwer zeigen, daß dieser Raum einst ein mosclfränkisch-hessisches Übergangsgebiet war, wofür u. a. die etwa an Rhein und Main verlaufende Grenze von nördlichem I — U für mhd. ê — ô — ò ein gutes Beispiel bietet. Südliche, der Hoch- u n d Umgangssprache näher stehende Lautungen haben nun viele Erscheinungen bis etwTa zur Linie Frankfurt/Main — Homberg — Ν Camburg — etwa die Lahn ab Diez als äußerste Reichweite zurückgedrängt, wie sie etwa die neuen umgelauteten Aussprachen AI, Ol gegenüber der ursprünglich umlautslosen AU für mhd. iu in ,Feuer', ,heute', ,neu' usw. a m besten veranschaulichen. Das Rheinfränkische zerfällt in sieben größere Mundartbereiche mit vielen Einzelmundarten. Gewisse Zusammenhänge mit dem Alemannischen weisen noch das rechtsrheinische Südrheinfränkische bis etwa zum unteren Neckar und das linksrheinische Ost- oder Vorderpfälzische auf. I m Norden schließen das Starkenburgische in Rheinhessen und das Nordpfälzische ab etwa Wolfstein — Frankental an, die einige Erscheinungen mit dem Hessischen teilen. I m Westen gilt ab dem Haardtgebirge das West- oder Hinterpfälzische. I h m folgen bereits im Übergangsbereich zum Moselfränkischen das Saarbrückische und das konservative Ostlothringische.
304. LAUINGER, Emil, Lautlehre der Mundart des Dorfes Spessart. Diss. Heidelberg, Borna-Leipzig 1929. 305. WAIBEL, Paul, Die Mundarten im rechtsrheinischen Bereich des ehemaligen Fürstbistums Speyer. Diss. Heidelberg, Walldorf 1932 (LG). 306. STANFORTH, Anthony, The Phonology of the Town Dialect of Bruchsal. Diss, (masch.), Manchester 1962. 307. WANNER, Emma, Lautlehre der Mundart von Zaisenhausen. In: ZfdMa. 1907. S. 2 6 4 - 2 7 9 u n d ZfdMa. 1908, S . 6 6 - 8 3 « .
Dae
Rheinfränkische
323
308. RAUPP, Traugott, Die Mundart von Wiesloch — Laut- und Formenlehre. Dies. (hand.), Heidelberg 1921. 309. REICHERT, Heinrich, Lautlehre der Mundart von Mönchzell. Diss. Freiburg i. B., Freiburg i. Β . 1914. 310. TREIBER, Gottlieb, Die Mundart von Plankstadt. Diss. Heidelberg, Walldorf 1931. 311. BRÄUTIGAM, Kurt, Die Mannheimer Mundart. Diss. Heidelberg, Walldorf 1934. 312. KRELL, Leo, Die Stadtmundart von Ludwigshafen am Rhein — Versuch einer Darstellung ihrer Laut- und Formenlehre (mit Einschluß der wichtigsten syntaktischen Erscheinungen) auf grammatischer Grundlage. ( = Beiträge zur Landeskunde der Rheinpfalz 5), Kaiserslautern 1927 (T). 313. BAUER, Erika, Dialektgeographie im südlichen Odenwald und Ried. ( = DDG 43), Marburg 1957 (LG). 314. SEIBT, Walter, Zur Dialektgeographie der hessischen Bergstraße. ( = GBPH 27), Gießen 1930 (OG Heppenheim). 315. WEBER, Heinrich, Der Vokalismus der Mundarten des Oberen Weschnitztales. In: ZfdMa. 1908, S. 2 5 8 - 2 7 6 und S. 3 4 8 - 3 6 0 und ZfdMa. 1909, S. 2 3 9 - 2 6 4 und S. 3 3 5 - 3 5 1 (G). 316. KILIAN, Oskar, Die Mundart von Eberbach am Neckar. In: Beiträge zur Sprachwissenschaft und Volkskunde — Festschrift für Ernst Ochs zum 60. Geburtstag. H g . Κ . F . MÜLLER. L a h r i. B . 1 9 5 1 , S . 2 4 8 - 2 5 4 .
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43
21·
Zitate beziehen sich stets auf ZfdMa. 1907. Es schließen sich an: Emma WANNEK Die Flexion des Verbums in der Zaisenhäuser Mundart. In: ZfdMa. 1908, S. 173 — 180. Dies., Deklination und Komparation in der Zaisenhäuser Mundart, das. S. 245—248; dies. Wortbildung und Syntax in der Zaisenhäuser Mundart, das. S. 345—348; dies. Lexikalisches aus Zaisenhausen. In: ZfdMa. 1909, S. 173—178; dies., Sprachprobe in der Mundart von Zaisenhausen. In: ZfdMa. 1910, S. 155/156.
324
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen
Sprachraumes
327. BERTRAM, Otto, Die Mundart der mittleren Vorderpfalz. ( = F F 7), Erlangen 1937 (LG). 328. HELD, Karl, Studien zur Dialektgeographie der hessischen Pfalz. Diss, (hand.), Marburg 1915 (OG Wendersheim). 329. ERDMANN, Jakob, Beiträge zur Kenntnis der Mundart von Bingen-Stadt und Bingen-Land. In: ZfdMa. 1 9 0 6 , S. 1 4 6 - 1 7 7 und S. 2 3 1 - 2 5 8 . 330. VALENTIN, Franz, Geschichtlich-geographische Untersuchungen zu den Mundarten rings um Mainz. ( = F F 2), Erlangen 1934 (LG). 331. MUENCH, Wilhelm, Untersuchungen zur mittelrheinischen Dialektgeographie (Kreise Rheingau und St. Goarshausen). Diss, (masch.), Marburg 1923 (OG Geisenheim). 332. BACH, Karl, Lautlehre der rheinfränkischen Mundart des Dorfes Wolfskirchen im Krummen Elsaß. Diss, (masch.), Straßburg 1944. 333. FEISTHAUER, Armand, Le Parier Francique de Soucht (Arrondissement de Sarreguemines) — Etude Phonetique et Lexicale. Diss, (masch.), Straßburg 1963. 334. OTTERSTETTER, Hans, Die Mundart von Pirmasens — Studien zur Soziologie einer pfälzischen Stadtmundart. Diss, (masch.), Mainz 1952. 335. HÖH, Richard, Studien zur Sprachsoziologie einer pfälzischen Ortsmundart (Linden). Diss, (masch.), Mainz 1951. 336. SCHNECKENBURGER, Theodor, Die Mundart von Kaiserslautern (Lautlehre). Diss, (masch.), Würzburg 1923. 337. MÜLLER, Josef, Die Mundart von Dietschweiler — Ihr Wort- und Lautbestand auf der Gundlage des Mittelhochdeutschen. Diss. München, Kaiserslautern 1932. 338. CHRISTMANN, Ernst, Der Lautbestand des Rheinfränkischen und sein Wandel in der Mundart von Kaulbach (Pfalz). ( = Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 2), Speyer 1927. 339. MANO, Ludwig, Die Mundart von Rothselberg. Diss, (masch.), Würzburg 1923. 340. ALTENHOFER, Eduard, Untersuchungen zur Dialektgeographie der Westpfalz und der angrenzenden Teile des Kreises Saarbrücken und Lothringens. Diss., Marburg 1929. Teildruck Marburg 1932 (S. 1 - 3 3 : OG Sulzbach). Handschr. Manuskript (S. 52—218: Fortsetzung der OG, Dialektgeographischer und Historischer Teil). 341. SCHÖN, Friedrich, Wörterbuch der Mundart des Saarbrücker Landes nebst einer Grammatik der Mundart. ( = Mitteilungen des Historischen Vereins für die Saargegend 15), Saarbrücken 1922 (T). 342. KUNTZE, Erich, Studien zur Mundart der Stadt Saarbrücken (Lautlehre). ( = DDG 31), Marburg 1932. 343. MÜLLER, Johannes, Untersuchungen zur rhein-moselfränkischen Dialektgrenze. ( = RA 17), Bonn 1931 (OG Dörrenbach) 44 . 344. KIRCHBERG, Carl, Laut- und Flexionslehre der Mundart Kirn a. d. Nahe, mit Berücksichtigung der näheren Umgebung. Diss. Straßburg, Straßburg 1906. 345. MARTIN, Roland, Untersuchungen zur rhein-moselfränkischen Dialektgrenze. ( = DDG IIa), Marburg 1922 (OG Warmsroth).
44
Das Originalmanuskript der vollständigen Laut- und Formenlehre der Mundart von Dörrenbach (148 S.) befindet sich im Forschungsinstitut für deutsche Sprache — Deutscher Sprachatlas in Marburg/Lahn.
Das
Rheinfränkische
325
Die p f ä l z i s c h e n K o l o n i e n Das Rheinfränkische besitzt einige im nieder- bzw. hochdeutschen Raum gelegene Kolonien, die auf die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts durch wirtschaftliche und religiöse Schwierigkeiten ausgelösten pfälzischen Maesenauswanderungen zurückgehen. 19 Familien, die 1741 aus den Ämtern Kreuznach und Simmern zur Ausreise nach Amerika aufgebrochen waren und an der niederländischen Grenze keine Durchreiseerlaubnis erhielten, begründeten zwei Jahre später mit Pfalzdorf die sogenannte K o l o n i e am N i e d e r r h e i n , welche im Laufe des 19. Jahrhunderts durch die von Pfalzdorf erfolgte Xougründung von Luisendorf und Neuluisendorf auf insgesamt drei Dörfer zwischen Goch und Kalkar erweitert wurde. Überall ist die pfälzische Mundart bis heute voll lebendig geblieben. Von den zahlreichen zwischen 1747 und 1749 auf Aufruf Friedrichs des Großen angelegten pfälzischen Kolonien in Pommern und Brandenburg haben sich nur drei pommersche Niederlassungen bis in die Gegenwart erhalten. In der im Wipperknie Ν Schlawe gelegenen Doppelkolonie W i l h e l m i n e - C o c c e j e n d o r f des Kreises Schlawe in Hinterpommern, die von 16 bzw. 12 Familien unbekannter Herkunft besiedelt wurde, blieb das Pfälzische unterschiedlich lebendig: während Wilhelmine als selbständige Gemeinde es unvermindert bewahrte, erfolgte in Cocce jendorf als Vorwerk der Stadt Schlawe durch späteren niederdeutschen Zuzug eine starke Zurückdrängung des Pfälzischen. Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse in den Kolonien V i e r e c k Ν Pasewalk und H o p p e n w a l d e SO Uckermünde des Kreises Uckermünde in Vorpommern, die ebenfalls von 10 bzw. 8 Familien unbekannter Herkunft angelegt wurden. Während das katholische Viereck inmitten seiner evangelischen Umgebung bis heute nur seine „Vierecksch" genannte pfälzische Mundart spricht, ist diese im evangelischen Hoppenwalde nur mehr auf wenige Familien beschränkt, die gleichzeitig auch das pommersche Platt der Mehrzahl der heutigen Dorfbevölkerung beherrschen 45 . Über die Kolonie am Niederrhein hat 346. BÖHMER eine sprachlich allerdings knappe Monographie verfaßt. Dagegen sind die pommerschen Kolonien der Forschung fast gänzlich entgangen. Auf Wilhelmine-Coccejendorf machte Georg M A H N K E mit ein paar allgemeinen und sprachlichen Bemerkungen aufmerksam 4 6 . Die Lebendigkeit von Viereck und Hoppen45
46
Zur Entstehungsgeschichte der niederrheinischen Kolonie vgl. 346. BÖHMER, S. 6—58, und zur Besiedlung der pommerschen Kolonien die Angaben und Statistiken bei H. BERGER, Friedrich der Große als Kolonisator. ( = Gießener Studien auf dem Gebiete der Geschichte 8), Gießen 1896, S. 49f., S. 93 und 96. Georg ΜΑΗΪΓΚΕ, Die Schlawer Mundart — Sprachgeschichtliche und dialektgeographische Untersuchung. ( = Vorarbeiten zum Pommerschen Wörterbuch 3), Greifswald 1931, S. 105-107.
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Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
walde hat jetzt auf meine Anfrage Frau Dr. Renate W I N T E R , Greifswald, festgestellt, von der wir eine nähere Untersuchung erwarten dürfen. Meine ersten kurzen Angaben beruhen für Wilhelmine auf dem DSA-Fragebogen unter nicht erwähnter Berücksichtigung von M A H N K E und für Viereck und Hoppenwalde neben den DSA-Fragebögen auf nicht näher erwähnten ersten, von Frau Dr. W I N T E R freundlich zur Verfügung gestellten Aufzeichnungen. 346.
BÖHMER, Emil, Sprach- und Gründungsgeschichte der pfälzischen Colonie am Niederrhein. ( = DDG 3), Marburg 1909.
Nicht berücksichtigt werden die zwischen 1790 und 1802 in Bayern angelegten Kolonien im Donaumoos bei Neuburg (21 Ansiedlungen), Kemmoden SW Pfaffenhofen und Groß-Karolinenfeld N W Rosenheim, die ihre pfälzischen Mundarten bis zum ersten Weltkrieg bewahrten, dann aber immer stärker zur bairischen Mundart ihrer Umgebung übergingen und so ihr Pfälzisch ganz oder teilweise aufgegeben haben 4 7 . E. D a s H e s s i s c h e Als eigener Dialektraum muß das Hessische zwischen Main und Lahn in der Süd-Nord-Erstreckung und zwischen Vogelsberg — Neustädter Forst und Taunus — Westerwald in der Ost-Westausdehnung angesehen werden. Es stimmt sowohl in seinen ältesten Grundlagen als auch in späteren Entwicklungen in mehrfacher Hinsicht mit dem Moselfränkischen überein, wofür u. a. bis ins Hochmittelalter unverschobenes rp und Ip, dit für ,dies', hë für ,er', mit mhd. û zusammenfallendes mhd. iu in ,heute', ,Feuer', ,Scheuer' und ,teuer', diphthongiertes ,ich', ,mich' und ,dich' und die am Beginn der regionalen Dialektentwicklung stehende steigende Diphthongierung von mhd. î — û — û, die nachfolgende steigende Diphthongierung der Monophthonge für mhd. ie — uo — üe und endlich die Schließung von mhd. ê — ô — ô zu Extremlauten als wichtigste Erscheinungen zu nennen wären. Freilich gibt es auch zahlreiche Gemeinsamkeiten mit dem Rheinfränkischen, zu dem das Hessische vor allem wegen des Lautverschiebungsstandes bis jetzt immer gerechnet worden ist. Genauere Untersuchungen werden erst seine Grundlagen und Beziehungen und seine Entwicklungsgeschichte unter solchen Aspekten zu klären haben. Das Hessische schließt im Süden an das Rheinfränkische an, grenzt sich im Osten und Norden trotz übergreifender, noch zu erläuternder Erscheinungen vom Ost- und Nordhessischen ab und geht im Westen ins 47
Vgl. zu diesen Niederlassungen die kurzen Angaben bei D . HABERLE, Auswanderung und Koloniegründungen der Pfälzer im 18. Jahrhundert. Kaiserslautern 1909, S. 183-191.
Das Hessisshe
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Moselfränkische über. Seine charakteristischen Erscheinungen wie die steigenden Diphthonge für mhd. ie — uo — üe, die Extremlaute für mhd. ê — ô — ô und die Entpalatalisierung der steigenden Umlautdiphthonge für mhd. û zu offenem und für mhd. üe zu geschlossenem Ol beginnen im Süden an der Linie Hochheim/Main — Dreieichenhain — Seligenstadt/Main, wurden aber seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts durch die Aufnahme hoch- und umgangssprachlicher Lautungen, die mit dem Rheinfränkischen übereinstimmen, von den Städten Höchst, Frankfurt, Offenbach, Hanau ausgehend, nach Norden zurückgedrängt. Im Südosten enden hessische Kennzeichen allgemein östlich der Kinzig bis vor Soden. Früher hatte jedoch auch der Spessart an hessischen Erscheinungen teil, wovon u. a. noch diphthongiertes ,ich', ,mich', ,dich' NO Klingenberg/Main und im Bereich des Lohrtales bis in die Gegenwart erhalten ist. Historisch belegt sind die steigenden Diphthonge für mhd. ie — uo — üe und die mit mhd. û zusammenfallende Entwicklung von mhd. iu in ,heute', ,Feuer' usw. Dennoch wird der Spessart nie ein rein hessisches Gebiet, sondern wie auch heute noch ein rheinfränkisch-ostfränkisch-osthessisch-hessisches Mischgebiet gewesen sein. Obwohl sich das Linienbündel der hessischen Merkmale von W Soden/Kinzig über W Herbstein — W Lauterbach — Kirtorf — S RauBchenberg — S Wetter — S Biedenkopf/Lahn — S Laasphe/Lahn fortsetzt, reichen einzelne andere Erscheinungen darüber hinaus in die anschließenden ost- und nordhessischen Gebiete und umgekehrt östliche Erscheinungen bis Wächtersbach/Kinzig — 0 Büdingen — 0 Ortenberg — Nidda — S Laubach — Schotten — W Lauterbach und nördliche bis Kirtorf — Schweinsberg — S Marburg/Lahn — Gladenbach — Scheider Wald — SW Biedenkopf/Lahn nach Westen bzw. Süden, die jedoch nirgends die eindeutige Zugehörigkeit der betreffenden Gebiete in Frage stellen. Im Westen ergibt sich in Fortsetzung der rechtsrheinischen Verhältnisse ein breites hessisch-moselfränkisches Übergangsgebiet. Es beginnt mit der am östlichsten verlaufenden Grenze der fallenden Diphthongierung von mhd. ë zu offenem und mhd. i in bestimmten Stellungen zu geschlossenem EA an der Linie W Frankfurt/Main — Homberg — Usingen — Braunfels — 0 Herborn — O Dillenburg — Lahnquelle und endet an der Grenze der Entpalatalisierung der steigenden Diphthonge für mhd. û und mhd. üe zu 0 1 an der Linie Wiesbaden — Langenschwalbach — Diez/Lahn — Westerburg — W Haiger — Lahnquelle, wobei über das dreifache Mischgebiet des Taunus schon die Rede war und die das/dat-Linie ab W Runkel/Lahn — W Weilburg — W Driedorf — W Dillenburg — Lahnquelle mitten hindurchläuft.
Gesamtdarstellungen : 347. REIS, Hans, Die Mundarten des Großherzogtums Hessen. In: ZfdMa. 1908, S . 3 0 2 - 3 1 6 u n d Z f d M a . 1909, S . 9 7 - 1 1 7 , S . 1 9 3 - 2 3 9 u n d S . 2 8 9 - 3 3 4 .
328
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen
Sprachraumes
348. MITZKA, Walther, Beiträge zur hessischen Mundartforschung. (— G B P H 87), Gießen 1946 (T).
Einzeldarstellungen : 349. SCHNELLBACHER, Edeltraut, Mundart und Landschaft des östlichen Taunus. In: Marburger Universitätsbund — Jahrbuch 1963, Band 2, Marburg 1963, S. 375 — 499 (OG Mammolshain). 350. WAGNEB, Walter, Nassauische Lautlehre der Mundart von Langenhain (Kreis Höchst/Main). Diss, (hand.), Marburg 1917. 351. RAUH, Hans Ludwig, Die Frankfurter Mundart in ihren Grundzügen dargestellt. Frankfurt 1921 (T). 352. SIEMON, Karl, Die Mundart von Langenselbold (Kreis Hanau) und die Dialektgrenzen seiner weiteren Umgebung. Diss, (hand.), Marburg 1921. 353. SCHREYEB, Karl, Der Sprachschatz der Mundart von Gelnhausen. Diss. Marburg, Teildruck Marburg 1928 (OG Gelnhausen). 354. ALLES, Heinz, Mundart und Landesgeschichte der Wetterau. Diss, (maech.), Marburg 1953 (OG Ostheim). 355. ALFFEN*, Robert, Das Verhältnis der Gießener Mundart zu den Nachbarmundarten nach dem hochtonigen Vokalismus. Diss. Gießen, Teildruck Gießen 1922 (Zusammenfassung der Lautunterschiede). 356. KNACSS, Otto, Vergleichung des vokalischen Lautstandes in den Mundarten von Atzenhain und Grünberg. Diss. Gießen, Darmstadt 1906. 357. LEIDOLF, Julius, Die Naunheimer Mundart — Eine lautliche Untersuchung. Diss. Jena, Darmstadt 1891. 358. SCHWING, Heinrich, Beiträge zur Dialektgeographie der mittleren Lahn. Diss, (hand.), Marburg 1921 (OG Selters). 359. FRIEBEBTSHÄUSER, Hans, Sprache und Geschichte des nordwestlichen Althessen. ( = DDG 46), Marburg 1961 (OG Weidenhausen). 360. SCHAEFER, Ludwig, Die Schlierbacher Mundart — Beiträge zur hessischen Mundartforschung. Diss. Halle, Halle 1907. 361. RROH, Wilhelm, Beiträge zur Nassauischen Dialektgeographie, I n : DDG 4, Marburg 1915, S. 6 5 - 3 8 1 (OG Wissenbach). 362. BENDER, Heinrich, Die Gliederung der Mundarten um Marburg a. d. Lahn. ( = DDG 29), Marburg 1938 (OG Ebsdorf). 363. SPENTER, Arne, Sprachbewegung in der Landschaft um Marburg an der Lahn 1880-1960. ( = DDG 49), Marburg 1964 (T).
F. D a s M i t t e l f r ä n k i s c h e Im Nordwesten des hochdeutschen Raumes folgt auf das Rheinfränkische und Hessische das Mittelfränkische. Während es im Nordosten an das Niederdeutsche stößt und im Norden und Nordwesten in das Niederfränkische übergeht, wovon noch zu sprechen sein wird, grenzt es im Südwesten an das Romanische. Sein allmählicher südlicher Einsatz wurde bereits oben erläutert. Hinzuzufügen wäre lediglich noch, daß sich im unteren Lahntal zahlreiche, der Hochsprache nahestehende umgangssprachliche
Das Mittdfränkische
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Erscheinungen durchgesetzt haben, die wieder scheinbar mit dem Rheinfränkischen übereinstimmen, und daß im äußersten Nordosten die natürliche Ostgrenze des Siegerlandes gleichzeitig eine scharfe Dialektscheide gegen das Nordhessische bildet. Das über eine einheitliche, zum Teil mit dem Niederfränkischen und Niederdeutschen übereinstimmende Grundlage verfügende Mittelfränkische hat sich in das südliche Moselfränkische und das nördliche Ripuarische gespalten. Ihre Trennung vollzieht sich an einem Linienbündel, dessen markanteste Erscheinung die ripuarische Bewahrung von unverschobenem rp und Ip ab Sprachgrenze bei St. Vith — Blankenheim — S Ahrweiler — Unkel/Rhein — Herchen/Sieg — W Morsbach — Ν Freudenberg darstellt. Gesamtdarstellungen : 364. FRINGS, Theodor, Rheinische Sprachgeschichte. Essen 1924 (T). 365. AUBIN, Hermann, und FRINGS, Theodor, und MÜLLER, Josef, Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden — Geschichte, Sprache, Volkskunde. Bonn 1926 (T).
a) D a s Moselfränkische Innerhalb des Moselfränkischen lassen sich neun größere Mundarträume unterscheiden, die sich ihrerseits wieder aus zahlreichen Einzelmundarten zusammensetzen: linksrheinisch das rheinfränkisch-moselfränkische Übergangsgebiet; das untere Saar- und obere Moselgebiet mit dem westlichen Lothringen und das südliche und mittlere Luxemburg mit dem Areler und Tintinger Gebiet in Belgien; die südliche Eifel mit dem ösling und der Echternacher Gegend im nördlichen Luxemburg; die mittlere Eifel; der untere Moselraum mit der östlichen Eifel; rechtsrheinisch das hessischmoselfränkische Übergangsgebiet ; der Westerwald ; das mittlere Sieggebiet ; das Siegerland. Von diesen Einzelräumen schließen sich die mittlere Eifel und das mittlere Sieggebiet durch ihre Lage bereits stärker dem Ripuarischen an. Als recht eigenständig erweist sich das Siegerländische, das im Süden einige hessische Eigenschaften aufweist. 366. WILL, Wilhelm, Saarländische Sprachgeschichte. Saarbrücken 1932 (T). 367. TARRAL, Nikolaus, Laut- und Formenlehre der Mundart des Kantons Falkenberg in Lothringen. Diss. Straßburg, Straßburg 1903 (OG Lübeln). 368. FRISCH, Peter, Studien zur Grenze des Mosel- und Rheinfränkischen im Süden des Regierungsbezirks Trier. Diss. Bonn, Bonn 1911 (T). 369. SCHOLL, Klaus, Die Mundarten des Kreises Ottweiler — Untersuchungen auf lautphysiologischer und sprachgeschichtlicher Grundlage. Diss. Straßburg, Bonn 1912 (OG Hasborn). 370. BALDES, Heinrich, Die Birkenfelder Mundart — Ein Beitrag zur Kenntnis des Südmittelfränkischen. I.Lautlehre: A. Vokalismus. ( = Osterprogramm des
330
Anhang: Zur IHalektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
Gymnasiums zu Birkenfeld 1895), Birkenfeld 1895. B. Konsonantismus. ( = Osterprogramm des Gymnasiums Birkenfeld 1896), Birkenfeld 1896 48 . 3 7 1 . TCT.AU, Rudolf Hugo, Formen- und Wortbildungslehre der Mundart von Idar a. d. Nahe (nebst einem Abriß der Lautlehre). Diss, (masch.), Bonn 1924 4®. 372. M&LLEB, Friedrich, Die Mundart von Lebach (Saar) und seiner weiteren Umgebung. Diss, (masch.), Freiburg i. B. 1939. 373. LEHNERT, Aloys, Studien zur Dialektgeographie des Kreises Saarlouis. ( = Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde 12), Bonn 1926 (OG Diefflen). 374. MULLER-WEHINGEN, Josef, Studien zur Dialektgeographie des Saargaues. ( = RA 13), Bonn 1930 (OG Wehingen). 375. FUCHS, Ernst, Die Merziger Mundart — I. Teil : Vokalismus. Diss. Heidelberg, Darmstadt 1903. 376. THIES, Hans, Versuch einer Lautlehre der Mundart von Saarhölzbach. Diss. Greifswald, Greifswald 1912. 377. HOFFMANN, Karl, Laut- und Flexionslehre der Mundart der Moselgegend von Oberham bis zur Rheinprovinz. Dise. Straßburg, Metz 1900 (G). 378. FOLLMANN, Michael Ferdinand, Die Mundart der Deutsch-Lothringer und Luxemburger. Teil I : Konsonantismus. ( = Programm der Realschule Metz 1885/86), Metz 1886. Teil Π : Vocalismus. ( = Programm der Realschule Metz 1889/90), Metz 1890 50 . 379. BRUCH, Robert, Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen. ( = Publications littéraires et scientifiques du Ministère de l'Éducation Nationale 1), Luxemburg 1953 (T). 380. BRUCH, Robert, Das Luxemburgische im westfränkischen Kreis. ( = Publications littéraires et scientifiques du Ministère de l'Éducation Nationale 2), Luxemburg 1954 (T). 381. PALGEN, Helene, Studien zur Lautgeographie Luxemburgs. ( = Beiträge zur Luxemburgischen Sprach- und Volkskunde 6), Luxemburg 1948 (OG EschAlzette). 382. PETES, G., Abhandlung über die Mundart von Diedenburg. Ex. (hand.), Löwen 1943 (mit LG des Areler und Tintinger Gebietes). 383. BERTRANO, Alfred, Grammatik der Areler Mundart. Brüssel 1921. 384. THOMÉ, Aloys, Untersuchungen zum Vokalismus der moselfränkischen Mundart von Kenn. Diss. Bonn, Bonn 1908. 385. LUDWIG, Johannes, Lautlehre der moselfränkischen Mundart von Sehlem (Reg.Bez. Trier). Diss. Freiburg i. B., Bonn 1906. 386. PALGEN, Helene, Kurze Lautlehre der Mundart von Echternach. ( = Beiträge zur Luxemburgischen Sprach- und Volkskunde 4), Luxemburg 1931. 387. ENOELMANN, René, Der Vokalismus der Viandener Mundart. Diekirch 1910. 388. BÜSCH, Theodor, Über den Eifeldialekt — Ein Beitrag zur Kenntnis des Mittel-
48 49
50
Zitate beziehen sich stets auf Teil A. Leichter zugänglich und reicher an Beispielen ist Georg SCHÜBEL, Eine Studie über die Mundart von Idar. ( = Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld 5), Birkenfeld 1961, doch ist die knappe Darstellung von K L A R wegen der Bezeichnung der rheinischen Akzentuierung vorzuziehen. Zitate beziehen sich stets auf Teil Π .
Das
Mittdjränkische
331
fränkischen. ( = Programm des Progymnasiums zu Malmedy 1888), Malmedy 1888 (T).
389. PALGEN, Helene, Vokalismus der Mundart von Knaphoscheid (Kanton Wiltz). In: Luxemburgische Sprachgesellschaft — Jahrbuch 1933, Luxemburg 1933, S. 3 - 1 8 . 390. BEUCH, Robert , Die Mundart des Nordöslings. In : Institut Grand-Ducal, Section de Linguistique, de Folklore et de Toponymie — Extrait de l'Annuaire 1952, Luxemburg 1952, S. 1—50 (YOG Binsfeld, Weiswampach). 391. HEIDERSCHEID, Jean, Abhandlung über die Deiffelter Mundart. Ex. (hand.), Löwen 1966. 392. THEISSEN, Eduard, Abhandlung über die Mundart von Wallerode. Ex. (hand.), Löwen 1937 (mit LG des Gebietes um St. Vith). 393. SCHWATZ, Helmut, Studien zur Mundart des Vorderhunsrücks. Diss, (masch.), Bonn 1958 (LG). 394. BACH, Adolf, Die Nassauische Sprachlandschaft. ( = RA 15), Bonn 1930 (T). 395. BACH, Adolf, Die Schärfung in der moselfränkischen Mundart von Arzbach ( U n t e r w e s t e r w a l d k r e i s ) . IN: Ρ Β Β 4 5 (1921), S. 2 6 6 - 2 9 0 (T).
396. BLEYER, Friedrich Wilhelm, Beiträge zur Dialektgeographie des südwestlichen Westerwaldes. Dies. Bonn, Bonn 1936 (OG Neuwied). 397. HOMMEB, Emil, Studien zur Dialektgeographie des Westerwaldes. In: DDG 4, Marburg 1915, S. 1 - 6 3 (OG Sörth). 398. WEIERSHAUSEN, Adolf Albert, Die innere Struktur der Siegerländer Mundart. In: Siegerland 12, Siegen 1930, S. 120-130 (T). 399. REUTER, Hermann, Beiträge zur Lautlehre der Siegerländer Mundart. Dise. Freiburg i. B., Halle 1903 (T). 400. SCHMIDT, Bernhard, Der Vocalismus der Siegerländer Mundart. Diss. Berlin, Halle 1894 (OG Eisern). 401. HEINZERLING, Jakob, Über den Vocalismus und Consonantismus der Siegerländer Mundart — Eine sprachgeschichtliche Untersuchung. Dies. Marburg, Marburg 1871 (OG Siegen).
b) D a s R i p u a r i s c h e Das Ripuarische, das im Süden relativ deutlich einsetzt, geht im Norden in einer breiten Zone allmählich in das Niederfränkische über, wobei die v o n uns nicht behandelten Gebiete Belgiens und der Niederlande mitzuberücksichtigen wären. D a s ripuarisch-niederfränkische Übergangsgebiet beginnt an der allgemeinen Lautverschiebungsgrenze, der sogenannten machen¡makenoder Benrather-Linie ab O Eupen — W Aachen (auf niederländischem Gebiet) — S Geilenkirchen — Ν Linnich — S Erkelenz — S Odenkirchen — N e u ß / R h e i n — Benrath/Rhein — Ν Leichlingen — Burg — Wermelskirchen — S Wipperfürth. Ihr k o m m t weder i m sprachlichen Bewußtsein der Mundartsprecher noch in der innersprachlichen Struktur jene B e d e u t u n g zu, die m a n ihr außerhalb der rheinischen Sprach· forschung leider noch immer beimißt. Dieses mehrfach gestaffelte Übergangsgebiet endet erst an der v o n der phonologisch relevanten rheinischen
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Anhing: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
Akzentuierung bestimmten Linie Ν Geldern — Issum — Rheinberg — Orsoy/Rhein — Duisburg/Rhein — Oberhausen — O Mülheim/Ruhr, doch wird linksrheinisch von vielen bereits die von Straelen über X Kempen — Ν Krefeld — Ν Ürdingen/Rhein verlaufende öch/ou-Grenze für ,euch' als nördlichste Begrenzung angesehen, weil an ihr die lautlichen Unterschiede allgemein enden. Dagegen muß die etwas südlicher verlaufende ickjik· oder Ürdinger-Linie beiderseits des Rheins an Bedeutung zurücktreten, die wieder besonders außerhalb der rheinischen Forschung überbewertet wird. Innerhalb des Ripuarischen lassen sich sechs größere Mundarträume unterscheiden, die wieder aus zahlreichen Einzelmundarten bestehen: die nördliche Eifel; das mittlere Erft- und Rurgebiet ; das Aachener Land, das in mancherlei Hinsicht bereits zum Niederfränkischen überzuleiten beginnt ; das Bergische Land, dessen Osten von Ν Freudenberg bis Wermelskirchen in gewisser Weise altertümlich geblieben ist; und das ripuarisch-niederfränkische Übergangsgebiet, in dem der Nordoststreifen ab Wermelskirchen — Mettmann — Oberhausen eine besondere Stellung einnimmt.
402. MÜLLER, Joseph, Untersuchungen zur Lautlehre der Mundart von Aegidienberg. Bonn 1900 (T). 403. MÜNCH, Ferdinand, Grammatik der ripuarisch-fränkischen Mundart. Bonn 1904 (G des Erftgebietes). 404. GEHLEN, Hubert, Abhandlung über die Elsenborner Mundart. Ex. (hand.), Löwen 1959. 405. MÜLLER, Wilhelm, Untersuchungen zum Vokalismus der Stadt- und landkölnischen Mundart. Köln 1912 (LG). 406. MACKENBACH, Wilhelm, Dialektgeographie des Siegkreises zwischen Agger und Bröl und der angrenzenden Orte des Kreises Mülheim/Rhein, Wipperfürth und Gummersbach. Diss, (hand.), Marburg 1924 (OG Oberstezeit). 407. BUBNER, Rudolf Helmut, Untersuchungen zur Dialektgeographie des Bergischen Landes zwischen Agger und Dhünn. ( = DDG 24), Marburg 1935 (OG Schlebusch). 407 a. SCHULTE, Werner, Gliederung der Mundarten im südöstlichen Sauerland. ( = D D G 3 8 ) , Marburg 1941 (LG des Biggehochlandes und der südlich anschließenden hd. Grenzgebiete). 407 b. ARENS, Josef, Der Vokalismus der Mundarten im Kreise Olpe unter Zugrundelegung der Mundart von Elspe. Diss. Münster, Borna-Leipzig 1908 (LG des Biggehochlandes). 408. WELTER, Wilhelm, Studien zur Dialektgeographie des Kreises Eupen. ( = RA 8), Bonn 1929 (OG Eupen). 409. WELTER, Wilhelm, Die Mundarten des Aachener Landes als Mittler zwischen Rhein und Maas. Bonn 1938 (OG Aachen). 410. GREFERATH, Theodor, Studien zu den Mundarten zwischen Köln, Jülich, M.Gladbach und Neuß. ( = DGG I I b ) , Marburg 1922 (OG Schelsen). 411. FRINGS, Theodor, Studien zur Dialektgeographie des Niederrheins zwischen Düsseldorf und Aachen. ( = DDG 5), Marburg 1913 (OG Dülken). 412. RAMISCH, Jacob, Studien zur niederrheinischen Dialektgeographie. ( = DDG 1), Marburg 1908 (T).
Das Nieder fränkische
333
413. RÖTTSCHES, H., Die Rrefelder Mundart und ihre Verwandtschaft mit dem Altsächsischen, Angelsächsischen und Althochdeutschen. I n : Die deutschen Mundarten 7, Hg. G. K. FROMMANX, Halle 1877, S. 3 6 - 9 1 . 414. MEYNEX, Paul F. \Y., Über die Mundart von Homberg-Xiederrhein. Diss. Leipzig, Leipzig 1911. 415. LOBBES, Otto, Xordbergische Dialektgeographie. I n : DDG 8, Marburg 1915, S. 1 - 8 0 (T). 416. ZECK, Karl, Laut- und Formenlehre der Mundart von Düsseldorf-Stadt und -Land. Diss, (masch.), Münster 1921. 417. LEIHENER, Erich, Cronenberger Wörterbuch (mit ortsgeschichtlicher, grammatischer und dialektgeographischer Einleitung). ( = DDG 2), Marburg 1908 (VOG Kronenberg, Remscheid, Ronsdorf, Wermelskirchen). 418. HASENCLEVER, Mas, Der Dialekt der Gemeinde Wermelskirchen. Diss. Marburg, Marburg 1904. 4 1 9 . HOLTHAUSEN, F e r d i n a n d , D i e S. 4 0 3 - 4 2 5 u n d 5 4 6 - 5 7 6 .
Remscheider
Mundart.
In:
PBB10
(1885),
420. HOLTHAUS, E., Die Ronsdorfer Mundart. In : Zeitschrift für deutsche Philologie 19, Halle 1887, S. 3 3 9 - 3 6 8 und S. 4 2 1 - 4 3 9 . 421. BÖHMER, Emil, Die Elberfelder Mundart und ihre Nachbarmundarten. I n : Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 44, Elberfeld 1911, S. 133—161 (T). 421a. HELLBERO, Helmut, Studien zur Dialektgeographie im Ruhrgebiet und im Vest Recklinghausen. ( = DDG 37), Marburg 1936 (LG des nördlichen Nordoststreifens). 422. BREDTMANN, Hermann, Die Velberter Mundart — Ein kurzer Abriß der Lautund Formenlehre nebst einem Wörterverzeichnis. ( = Velberter Heimatbücher 1), Wuppertal-Elberfeld 1938. 423. KOCH, Franz, Die Laute der Werdener Mundart in ihrem Verhältnis zum Altniederfränkischen, Altsächsischen, Althochdeutschen. Aachen 1879 51 . 424. MAURMANN, Emil, Grammatik der Mundart von Mülheim a. d. Ruhr. ( = SKG 4), Leipzig 1898.
G. D a s
Niederfränkische
D a s a m d e u t s c h e n Niederrhein gelegene niederfränkische Gebiet stellt nur d e n Ostausläufer eines sich in die Niederlande hinziehenden größeren Gesamtbereiches dar, der außerhalb unserer Darstellung bleibt. D e n n o c h verkörpert es innerhalb des Niederfränkischen einen eigenen Teilbereich, dessen Grenzen größtenteils w e s t ü c h u n d nördlich des deutschen Staatsgebietes verlaufen oder noch teilweise in dieses hereinreichen.
51
Ein text- und seitengleicher Abdruck ist auch erschienen unter dem Titel: Lautund Flexionslehre der Werdener Mundart. I. Theil : Die Laute der Werdener Mundart in ihrem Verhältnisse zum Altniederfränkischen, Altsächsischen, Althochdeutschen. Diss. Münster, Aachen 1879.
334
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
426. FETNOS, Theodor, Mittelfränkisch-Niederfränkische Studien. I. : Das ripuarischniederfränkische Übergangsgebiet. In: PBB41 (1916), S. 193—271 (Τ). Π.: Zur Geschichte des Niederfränkischen. In: PBB 42 (1917), S. 177—248. 426. HARTENBERG, Albert, Studien zur niederrheinischen Dialektgeographie zwischen Nymegen und Ürdingen. In: DDG8, Marburg 1915, S. 177—277 (OG Kalkar). 427. NEUSE, Heinrich, Studien zur niederrheinischen Dialektgeographie in den Kreisen Rees, Dinslaken, Hamborn, Mülheim, Duisburg. In: DDG 8, Marburg 1915, S. 81-176 (OG Aldenrade).
H. D e r t h ü r i n g i s c h e
Großraum
Mit schweren Bedenken fassen wir in unserer Darstellung unter dem Oberbegriff „Thüringischer Großraum" die drei Sprachräume Hennebergisch, Ost- und Nordhessisch u n d Thüringisch zusammen. Damit gehen wir vor allem über die bis jetzt als so entscheidend angesehene pl(p)fGrenze für den Anlaut hinweg, die als Einzelerscheinung zweifellos überbewertet worden ist und deren gesamtem Süd-Nordverlauf sich kaum weitere bedeutsame Grenzen anschließen. Durch diese Zusammenfassung sei versucht, den Süd-Nord- und Ost-Westbeziehungen, die in unterschiedlicher Weise diesen Bereich durch alle Zeiten geprägt haben, etwas Rechnung zu tragen. Er wird heute noch einigermaßen durch die als ältestes Erbe zu betrachtenden, einst allerdings wesentlich weiter verbreiteten r-losen Pronomina ,mir', ,dir', ,wir', ,ihr' umrissen.
a) D a s Hermebergische Das Hennebergische ist in seinen Grundlagen zwar eindeutig ostfränkisch und hat die älteren Entwicklungen wie die fallende Diphthongierung der offenen Längen für mhd. ê — ô — δ u n d mhd. ie — uo — üe auch mit dem Würzburgischen gemeinsam vollzogen. Durch seine nördlichen Beziehungen zum Osthessischen und zum Thüringischen machte es aber die jüngeren ostfränkischen Entwicklungen wie die Diphthongierung von mhd. î — û — û vor Konsonanten und die Monophthongierung von mhd. ei — ou — öü nicht mehr mit und wurde so zum Reliktraum. Dafür teilte es die jüngeren Entwicklungen wie die Spaltung der Reihe mhd. i — u — ü in 7 — U — Ü und E — 0 — ö, den Zusammenfall der drei kurzen mhd. E-Phoneme e, ë, ä in überoffenes E oder A und die Bildung palataler Gleitlaute nach velaren Vokalen vor ursprünglich palatalen Dentalkonsonanten gegen das Ostfränkische mit dem Osthessischen. So hebt sich also, synchron gesehen, das Hennebergische vom Ostfränkisch-Würzburgischen ab und stimmt viel stärker mit dem Osthessischen und dem Thüringischen überein. Es verfügt im Nordosten am Thüringerwald (Rennsteig) gegen das Thüringische über eine ziemlich deutliche Grenze, wenngleich einzelne Erscheinungen wie
Der thüringische Großraum
335
die Kürzung nach dem Quantitätengesetz und die Umlautrundung bis ins Gebiet um Waltershausen — Ohrdruf nach Norden reichen. Im Nordwesten findet sich gegen das Osthessische eine Übergangszone, wobei die einzelnen Erscheinungen etwa zwischen der östlich verlaufenden Diminutivgrenze lein/chen ab W Bischofsheim — W Fladungen — O Kalten-Nordheim — W Wasungen — W Schmalkalden — S Kleinschmalkalden und etwa der ÁjE-Gienze für mhd. ae ab W Fladungen — Kalten-Nordheim — W Dermbach — S Lcngsfeld — S und O Salzungen — Ruhla, der sich ab S Dermbach noch die Grenze der südlichen erhaltenen Umlautrundung anschließt, bewegen. Innerhalb des Hennebergischen beobachtet man als größere Mundarträume das Süd-, Zentral- und Nordhennebergische, die sich wieder aus mehreren Einzelmundarten zusammensetzen. Gesamtdarstellungen : 428. SPIESS, Balthasar, Die Fränkisch-Hennebergische Mundart. Wien 1873 (T). 429. BRACKE, Herbert, Der hennebergische Sprachraum — Untersuchungen zur Lautund Wortgeographie. Dise, (masch.), Jena 1966 (LG).
Einzeldarstellungen : 430. KOBER, Julius, Die Mundart der Stadt Suhl im Thüringer Wald — Lautlehre, Sprichwörter und Redensarten und wortgeographische Grenzen ihrer Umgebung. ( = DDG 63), Marburg 1962. 431. REICHABDT, Edinhard, und KOCH, Ernst, und STORCH, Theodor, Die Wasunger Mundart. I. Teü. ( = Schriften des Vereins für Meiningische Geschichte und Landeskunde 17), Meiningen 1895. Π. Teil. ( = Schriften des Vereins für Meiningische Geschichte und Landeskunde 71), Hüdburghausen 1914 54 . 432. KAÜTERT, Ernst, Die Mundart der Herrschaft Schmalkalden. Diss. Marburg, Teildruck Marburg 1914 (OG Schmalkalden). 433. DELLIT, Otto, Die Mundart von Kleinschmalkalden (Laut- und Formenlehre, Syntax und Wortschatz). Marburg 1913. 434. REGEL, Karl, Die Ruhlaer Mundart. Weimar 1868.
b) D a s Ost- u n d Nordhessische Das Ost- und Nordhessische, dessen Grundlagen und Entwicklungsgeschichte noch einer genauen Untersuchung bedürfen, steht in lautlicher Hinsicht zur Zeit der Dialektbildung im Hochmittelalter auf östlicher Seite und nimmt am Werdegang des westlich orientierten Hessischen nicht teil. Dadurch verfügt es über eine deutliche Westgrenze, wenngleich einzelne seiner Erscheinungen in den Osten und Norden des Hessischen und um·
52
Zitate beziehen sich stets auf Teü I.
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Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
gekehrt einzelne hessische Erscheinungen bis ins Gebiet der oberen Eder und über die Schwalm bis an die untere Fulda reichen, ohne jeweils die eindeutige Zugehörigkeit der betreffenden Gebiete in Frage zu stellen. Auch das kurze Grenzstück gegen das Moselfränkisch-Siegerländische ist scharf. Die östliche Ausrichtung bedingt gleichzeitig das Fehlen einer markanten Ostgrenze gegen das Thüringische. Freilich lassen Gesamt- und Lokalunterschiede das Gebiet zwischen Fulda und Werra als einen Übergangsbereich erkennen, wobei etwa die E/A- bzw. EjÄ-Grenze für mhd. ë + ä bzw. mhd. ae2 + Dehnungs-e + Dehnungs-a im Bereich der Werra von O Salzungen über Eisenach — W Creuzburg — W Wahnfried — O Allendorf — hd./nd. Sprachscheide NW Heiligenstadt durchschnittlich am östlichsten verläuft und einzelne spezifisch nordhessische Erscheinungen wie z. B . die Monophthongierung von mhd. ei — ou — öü zu E — 5 bereits östlich der Fulda zwischen O Rotenburg — O Spangenberg — S Kassel enden. Hier hält die pl(p)f-Grenze über Vacha/Werra — W Berka/Werra — Sontra — Waldkappel — Groß-Almerode — hd./nd. Sprachscheide — S Münden durchaus die Mitte. Über die östlichen Beziehungen und die Eigenständigkeit hinweg zerfällt der Gesamtbereich in das Osthessische im Süden und das Nordhessische im Norden, die sich ihrerseits wieder aus größeren Untermundarten mit zahlreichen Einzelmundarten zusammensetzen. Das Osthessische weist, wie schon oben erläutert, starke Zusammenhänge mit dem Hennebergischen, ja zum Teil auch noch mit dem OstfränkischWürzburgischen auf, wie etwa die Kürzung nach dem Quantitätengesetz. Obwohl im Süden einzelne Erscheinungen bis in das vierfach bestimmte Mischgebiet des Spessarts reichen, ergibt sich doch etwa von S Brückenau über Jossa/Sinn bis Wächtersbach/Kinzig eine deutliche Südgrenze. I m Norden leitet ein breiter Übergangsraum mit der Schwalm und dem mittleren Fuldagebiet zum Nordhessischen über, der etwa mit der Diphthong/ Monophthonggrenze für mhd. ei — ou — öü von S Alsfeld bis Grebenau und in Fortsetzung mit der Grenze der nördlichen Palatalisierung von mhd. û über S Hersfeld/Fulda bis W Vacha/Werra beginnt und bis etwa zur Grenze der südlichen ungespaltenen Entwicklung von mhd. se ab W Neustadt — Ν Treysa — Ν Schwarzenborn, in Fortsetzung bis zur Grenze von offenem gegen geschlossenem Ö für mhd. â von W Rotenburg/Fulda über S Spangenberg bis Sontra und schließlich bis zur Grenze von E — Θ für mhd. ie — uo — üe von Sontra bis Creuzburg/Werra reicht. Das Nordhessische, dessen synchrone Übereinstimmung mit dem Thüringischen im Osten und Nordosten stärker als im Westen ist, verfügt besonders im Nordosten auch über niederdeutsch-westfälische Einflüsse.
435. DIETZ, Gisela, Mitteldeutsch und Oberdeutsch zwischen Vogelsberg, Spessart und Rhön. Diss, (masch.), Marburg 1954 (OG Ahl).
Der thüringische Großraum
337
436. GLÖCKNER, Karl, Die Mundarten der Rhön. Fulda 1913 (LG mit OG Eichenzell — Dipperz — Margretenhaun). 437. NOACK, Fritz, Die Mundart der Landschaft um Fulda. ( = DDG 27), Marburg 1938 (OG Fulda). 438. WEBER, Edelgard, Beiträge zur Dialektgeographie des südlichen Werra-Fuldaraumes. ( = MF 15), Tübingen 1959 (LG). 439. MARTIN, Lothar, Die Mundartlandschaft der mittleren Fulda (Kreis Rotenburg und Hersfeld). ( = DDG 44), Marburg 1957 (LG). 440. SALZMANN, Johannes, Die Hersfelder Mundart — Versuch einer Darstellung derselben nach Laut- und Formenlehre. Marburg 1888. 441. DITTMAB, Eduard, Die Blankenheimer Mundart — Eine lautliche Untersuchung. Diss. Jena, Darmstadt 1891. 442. HOFMANN, Fritz, Niederhessisches Wörterbuch zusammengestellt auf Grund der Mundart von Oberellenbach, Kreis Rotenburg (Fulda). ( = DDG 19), Marburg 1926 (OG Oberellenbach). 443. WITZEL, Leonhard, Historische Grammatik der Mundart von Niederellenbach. Diss, (hand.), Marburg 1918. 444. HEIDT, Heinrich, Die Mundarten des Kreises Alsfeld. ( = GBPH 7), Gießen 1922 (Og Leusel). 445. CORELL, Hans, Studien zur Dialektgeographie der ehemaligen Grafschaft Ziegenhain und benachbarter Gebietsteile. In: DDG 7, Marburg 1936, S. 75—215 (OG Loshausen) 53 . 446. BBOMM, Ernst, Studien zur Dialektgeographie der Kreise Marburg, Kirchhain, Frankenberg. In: DDG 7, Marburg 1936, S. 1 - 7 4 (OG Rauschenberg). 447. WEIERSHAUSEN, Adolf Albert, Dialektgeographie des Kreises Wittgenstein. Diss. Marburg 1927. Teildruck Marburg 1929 (S. 1—36: Kurzvokalismus). Hand. Manuskript (S. 34—265: Langvokalismus, Konsonantismus, Formenlehre, Dialektgeographie, Historischer Teil), (VOG Laasphe, Oberndorf, Erndtebrück, Elsoff, Womelsdorf, Wemlighausen). 448. HOFMANN, Karl, Mundartgliederurig Niederhessens südlich von Kassel. ( = DDG 39), Marburg 1940 (T). 448a. HASSEL, Heinrich, Die Mundartlandschaften des unteren Werratales. Dies. Marburg, Marburg 1942 (LG). 449. SOOST, Heinrich Hermann, Studien zur Dialektgeographie Nordheesens. Dise, (hand.), Marburg 1920 (OG Holzhausen). 449a. MARTIN, Bernhard, Studien zur Dialektgeographie des Fürstentums Waldeck und des nördlichen Teils des Kreises Frankenberg. ( = DDG 15), Marburg 1925 (LG des hd. Gebietes um Frankenau — Waldeck — Züschen). 450. MÖHN, Dieter, Die Struktur der niederdeutsch-mitteldeutschen Sprachgrenze zwischen Siegerland und Eichsfeld. ( = DDG 47), Marburg 1962 (T).
c) Da» Thüringische Das Thüringische, das sich im Süden deutlich vom Hennebergischen und Ostfränkischen abgrenzt, geht im Südosten, Osten und Nordosten in 63 Dadurch ist überholt: Wilhelm SCHOOF, Die Schwälmer Mundart — Ein Beitrag zur hessischen Mundartforschung. In: ZfdMa. 1913, S. 70—83, S. 146—181 und S. 196-210. •22 Wiesinger, Band II
338
Anhang: Zur Diaiektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
breiter Fläche ins Obersächsische über. Die äußerste östliche Reichweite thüringischer Erscheinungen umreißt allergrößtenteils die Grenze der thüringischen Infinitivendung -e gegenüber der obersächsischen -en von Ludwigstadt über Probstzella — Leutenberg — O Ziegenrück — Auma — Weyda — Ν Crimmitschau — Meerane — Ν Waldenburg/Mulde — W Penig/Mulde — W Kohren — Regis — Zwenkau — Lützen — Merseburg/ Saale bis O Querfurt. Von hier ab kann die Grenze der östlichen geschlossenen Monophthongreihe E — Ö für mhd. ei — ou — öü über Salziger See — Gerbstädt — Aisleben bis zur hd./nd. Sprachscheide bei Aschersleben als äußerste Begrenzung gelten. Als westliche Hemmstelle der meisten obersächsichen Vorbrüche darf ein im Süden dichtes, im Norden nur geringes Linienbündel angesehen werden, dessen auffälligste Erscheinung die Monophthong/Diphthonggrenze für mhd. i — û — û von S Amt Gehren über Königsee — Stadt Ilm — Kranichfeld — Berka — Neumark 0 Cölleda — W Wiehe — Artern — Sangerhausen — W Mansfeld bis Aschersleben bildet. Durch ein weiteres, mitten hindurchführendes Linienbündel ab Gräfenthal — Saalfeld — etwa die Saale bis zur Mündung der Ilm — Bibra, welches vor allem durch die westliche Öffnung der Reihe mhd. i — u — ü z u E — D und die östliche Schließung von mhd. o zu U gekennzeichnet ist, erweist sich das Gebiet westlich der Saale noch stärker thüringisch, das Gebiet östlich der Saale hingegen stärker obersächsisch bestimmt. Obwohl gerade das Altenburgische noch manche thüringischen Eigenschaften gegenüber der Umgebung relikthaft bewahrt, behandeln wir das ostsaalische Gebiet wegen der mit dem Obersächsischen übereinstimmenden Vokalentwicklung in dessen Zusammenhang und verstehen unter Ostthüringisch nur den westsaalischen Raum. Innerhalb des noch verbleibenden thüringischen Bereiches lassen sich das Zentralthüringische mit dem östlichen Erfurter und dem westlichen Gothaer Raum und das Nordthüringische, dessen Osten ehemals niederdeutsch war und noch mehrfache niederdeutsche Relikte bewahrt, als größere Untermundarten unterscheiden, die wieder aus zahlreichen Einzelmundarten bestehen. Besonders erwähnt werden sollen zwei kleine Gebiete: Im südlichen zentralthüringisch-ostthüringischen Übergangsgebiet liegt S Königsee das wegen der einstigen Vogeljagd im Volksmund der Umgebung scherzhaft bezeichnete „Stellerland" mit den Dörfern Oberweißbach, Deesbach und Lichtenhain, das durch die Bewahrung älteren Lautstandes und selbständige Weiterentwicklungen von der Umgebung abweicht 5 4 . Noch manche ostthüringische Merkmale bewahrt die sogenannte Kleintettauer Sprachinsel SW Ludwigstadt im ostthüringisch-ostfränkischen Grenzraum,
54
Vgl. dazu die zusätzlichen Angaben auf den DSA-Fragebögen. Mit einer fremdartigen Bevölkerung ist nach den Angaben von A. ELSASSES, Das Kirchspiel Oberweißbaoh im Wandel der Zeiten, o. O. 1929, nicht zu rechnen.
Der thüringische Großraum
330
die 1661 als Glasbläserhütte von Lauscha aus angelegt wurde und 1785 selbst noch Alexanderhütte gründete 55 . Gesamtdarstellung : 451. ROSENKRANZ, Heinz, Der thüringische Sprachraum — Untersuchungen zur dialektgeographischen Struktur und Sprachgeschichte Thüringens. ( = MDS 26), Halle 1964 (T).
Einzeldarstellungen : 452. HERTEL, Ludwig, Die Salzunger Mundart. Meiningen 1888. 453. SPAXOENBERO, Karl, Die Mundartlandschaft zwischen Rhön und Eichsfeld. ( = MDS 25), Halle 1962 (OG Unterellen). 454. FLEX, Rudolf, Beiträge zur Erforschung der Eisenacher Mundart. ( = Jahresbericht des Carl-Friedrich-Gymnasiums in Eisenach 1892/93), Eisenach 1893 (OG Eisenach) 56 . 455. RASCH, Otto, Dialektgeographie des Kreises Eschwege. Diss. Marburg. Marburg 1912 (OG Niddawitzhausen). 456. WINTER, Friedrich, Dialektgeographie des Gebietes der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen. Diss, (hand.), Jena 1921 (OG Horsmar). 457. KIRCHNER, Gustav, Beiträge zur Abgrenzung des Zentralthüringischen. Diss. Jena. Teildruck Borna-Leipzig 1913 (Phonetik, Grenzen und Einteilung der zentralthüringischen Mundart). 458. KÜBSTEN, Otto, Der Vokalismus der südwestthüringischen Mundart, veranschaulicht an dem Dialekte an den Gleichen. I. Die kurzen Vokale. ( = Jahresbericht der städtischen Oberrealschule zu Erfurt 1910), Erfurt 1910. II. Die langen Vokale. ( = Jahresbericht der städtischen Oberrealschule zu Erfurt 1911), Erfurt 1911 (VOG)«. 459. BRANDIS, Eduard, Zur Lautlehre der Erfurter Mundart. I. Vokale. ( = Jahresbericht des königlichen Gymnasiums zu Erfurt 1891/92), Erfurt 1892. Π . Consonanten. ( = Jahresbericht des Königlichen Gymnasiums zu Erfurt 1892/93), Erfurt 1 8 9 3 ) 5 8 . 460. SCHIRM ER, Alfred, Beiträge zur nordthüringischen Dialektgeographie. ( = DDG 26), Marburg 1932 (VOG Sonderehausen und Frankenhausen). 461. FRANK, Julius, Die Frankenhäuser Mundart. Diss. Leipzig, Halle 1898 (T). 462. DORINO, Edmund, Beiträge zu einer Laut- und Wortlehre der Sondershäuser Mundart. ( = Programm des Fürstlichen Gymnasiums mit Realschule zu Sondershausen 1 9 1 2 ) , Sondershausen 1 9 1 2 (T). 463. HENTBICH, Konrad, Dialektgeographie des thüringischen Eichsfeldes und seiner Nachbargebiete. In: ZfdMa. 1920, S. 133-164 (T).
55
Vgl. 493. ROSENKRANZ, S. 88ff. Die Mundart der beiden Orte ist auch, allerdings ohne Kenntnis der besonderen historischen Situation, behandelt bei 298. W E R N E R . 56 Daran schließt sich an: Rudolf FLEX, Beiträge zur Erforschung der Eisenacher Mundart. 2. Theil: Zur Flexion. ( = Jahresbericht des Carl-Friedrich-Gymnasiums in Eisenach 1897/98), Eisenach 1898. 57 Zitate in Band I und Band Q beziehen sich stets auf Teil II. 58 Zitate beziehen sich stets auf Teil I. 90·
340
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
Konrad, Die Vokale der Mundart von Leinefelde. Diss. Greifswald, Halle 1905. 464 a. SCHÜTZE, Monika, Dialektgeographie der Goldenen Mark des Eichsfeldes. ( = MDS 13), Halle 1953 (LG des Nordthüringischen). 4 6 5 . R U D O L P H , Fritz, Dialektgeographie des Honsteinischen. In: Tenth. 1 (1924), S. 193-200 und S. 257-285 (Τ). 4 6 6 . LEHMANN, Oskar, Zur Abgrenzung und Gliederung des Nord thüringischen. Diss, (masch.), Halle 1922 (T). 467. L I E S E N B E R G , Friedrich, Die Stieger Mundart, ein Idiom des Unterharzes, besonders hinsichtlich der Lautlehre dargestellt, nebst einem etymologischen Idiotikon. Göttingen 1890. 4 6 8 . ENGELMANN", Walter, Der Vokalismus der Mundarten im Gebiete um Rudolstadt unter Zugrundelegung der Mundart von Kirchhasel. Diss. Jena, Borna-Leipzig 1915. 469. SCHACHTSCHABEL, Otto, Die Mundart von Rranichfeld in Thüringen. Diss. Straßburg, Straßburg 1910. 470. SCHÄFTLEIN, Rolf, Zur ostthüringischen Sprachgeschichte — Dialektgeographische und sprachhistorische Untersuchungen. Habil. (masch.), Jena 1962 (VOG Röttelmisch, Altengönna, Rodigast, Reichenbach, Klein Helmsdorf). 471. K Ü B S T E N , Otto, und B R E M E R , Otto, Lautlehre der Mundart von Buttelstedt bei Weimar. ( = SKG 9), Leipzig 1910. 472. HANKEL, Carl, Sprachgrenzen im nordöstlichen Thüringen. Diss. Halle, Halle 1913
4 6 4 . HENTBICH,
(T).
Richard, Grenzen und innere Gliederung der Mansfeider Mundart. In: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Alterthum 20, 1887, S. 96—115
473. JECHT,
(T).
Hermann, Die Mundart der sog. Grunddörfer in der Grafschaft Mansfeld. In: ZfhdMa. 2 (1901), S. 176-225 und S. 3 3 2 - 354 (G).
4 7 4 . HENNEMANN,
J. D a s
Obersächsische
Das Obersächsische, mit dem wir den B o d e n der mitteldeutschen Kolonistendialekte betreten, folgt auf das Thüringische im Westen, das Ostfränkische und Bairische im Südwesten und reicht im Südosten bis zur Sprachgrenze und im Osten bis zum Wendischen. Nach der schon in I Β dargestellten verschiedenen Art der Übernahme des Hochdeutschen in dem ursprünglich niederdeutschen Norden empfiehlt es sich, im Nordwesten die ursprüngliche Linie der Trennung der Reihen mhd. ê — ô — o und mhd. ei — ou — öü als Grenze zu wählen, welche westlich der Mulde bis Eilenburg verlaufen ist. Dort setzt dann ein dichtes, über Schildau — Belgern/Elbe — Liebenwerda bis Ruhland West-Ost verlaufendes Linienbündel ein, das eine deutliche Nordgrenze schafft. I m Osten geht das Obersächsische in breiter Fläche ins Schlesische über. Das Westlausitzische, das unmittelbar westlich der wendischen Neulausitz anschließt, zeigt bereits östlich dei Linie Ruhland — Königsbrück — Radeberg einige nach dem Osten weisende Kennzeichen. Stärker treten diese erst im Oberlausitzischen und Nordost-
Das Obersächsische
341
böhmischen hervor, die wir als obersächsisch-schlesische Übergangsmundarten zum Schlesischen stellen. Man hat sie etwa ab der Linie Bischofswerda — Radeberg — NO Pirna/Elbe — Böhmisch-Leipa — W Dauba zurechnen, die besonders in Böhmen durch ein deutliches Linienbündel gekennzeichnet ist. Das Obersächsische ist eine uneinheitliche Sprachlandschaft, die im Süden neben mitteldeutschen deutlich erkennbare ostfränkische Grundlagen zeigt. Als größere Untermundarten gehören in den stark ostfränkisch bestimmten Bereich das Westerzgebirgische um Zwickau — Schwarzenberg — Annaberg; das Osterzgebirgische um Marienburg — Sayda; das am stärksten ostfränkisch geprägte Xordwestböhmische um Saaz — Kaaden — Komotau — Brüx; und das Nordböhmische um Teplitz — Aussig — Tetschen — Leitmeritz. Im Westen liegen auf thüringischem Boden das Reußische um Lobenstein — Schleiz — Zeulenroda; das Holzländische um Greiz — Gera ; und das einst thüringische Altenburgische um Altenburg. Den Hauptbereich des Obersächsischen nimmt das Meißnische ein, das sich etwa von der Mulde bis östlich der Röder erstreckt und in Süd-, Nord- und Ostmeißnisch untergliedert. Im Osten schließt sich bis zum Wendischen das Westlausitzische an. Durch umgangssprachliche Elemente stark aufgelöst ist das Osterländische um Leipzig. Auf niederdeutschem Substrat lagert das Anhaltische um Halle — Kothen. Gesamtdarstellungen : Horst, Sächsische Mundartenkunde — Entstehung, Geschichte und Lautstand der Mundarten Sachsens und Nordböhmens. Dresden o. J. (T). 4 7 6 . EBERT, Wolfgang, FRINGS, Theodor, GLEISSNER, Käthe, KÖTZSCHKE, Rudolf, und STREITBERG, Gerhart, Kulturräume und Kulturströmungen im mitteldeutschen Osten. Halle 1936 (T). 477. SCHWARZ, Ernst, Sudetendeutsche Sprachräume. 2. Auflage. ( = Handbuch der Sudetendeutschen Kulturgeschichte 2), München 1962 (T). 4 7 5 . BECKER,
Einzeldarstellungen : 478.
GERBET, Emil, Westerzgebirgisch und Südostthiiringisch — Mundartstudie aus dem Herzen des deutschen Sprachgebietes. In: ZfhdMa. 1 (1900), S. 113—132 (T). 4 7 9 . BARTHEL, Friedrich, Der Vogtländisch-Westerzgebirgische Sprachraum. ( = MDS 5), Halle 1933 (T). 480. CLATTSS, Herbert, Geschichte und Sprache des sächsisch-böhmischen Westerzgebirges — Eine dialektgeographische Untersuchung. ( = MDS 7), Halle 1934 (T).
Alfred, Grenzen, Unterschiede und Herkunft des Westerzgebirgischen. In: ZfdMa. 1907, S. 1 9 - 2 9 und ZfdMa. 1908, S. 3 - 2 2 (T)M. PHILIPP, Oskar, Die Zwickauer Mundart. Diss. Leipzig, Leipzig-Reudnitz 1 8 9 7
4 8 1 . LAUO, 482.
(T). 49
Zitate beziehen sich auf ZfdMa. 1907.
342
Anhang: Zur DialeJdgliedervng des hochdeutschen Sprachraumes
483. LAND, Alfred, Die Zschorlauer Mundart. Diss. Leipzig, Borna-Leipzig 1906. 484. GOEPFERT, Ernst, Die Mundart dee sächsischen Erzgebirges nach den Lautverhältnissen, der Wortbildung nnd Flexion. Leipzig 1878 (G des Osterzgebirgischen). 485. BECKER, Horst, Mundart und Geschichte im Osterzgebirge. ( = MDS 4), Halle 1933 (T). 486. THEISSIO, K., überblick über die Mundart des östlichsten Erzgebirges. In: Mitteilungen des Vereins für sächsische Volkskunde 3, Dresden 1903—1905, S . 2 7 1 - 2 7 8 (T).
487. GRIMM, Hans, Die Mundart des Döbratales — Lautlehre. Diss, (masch.), Halle 1921. 488. HAUSENBLAS, Adolf, Ostfränkische Lauterscheinungen in der nordwestböhmischen Mundart. ( = Programm des K . K . Staats-Ober-Gymnasiums in Mies 1905/06), Mies 1906 (G des Gebietes von Saaz — Kaaden). 489. HAUSENBLAS, Adolf, Grammatik der nordwestböhmischen Mundart (Laut- und Formenlehre mit Textproben). ( = Beiträge zur Kenntnis deutsch-böhmischer Mundarten 2), Prag 1914 (OG Brüx). 490. FABINI, Herman, Die Mundart des Aussiger Bezirkes. In: Heimatkunde des Bezirkes Aussig 2, Aussig 1929, S. 216-229 (LG). 491. POMPÉ, Franz, Die Laut- und Akzentverhältnisse der Sthokauer Mundart. Diss. Leipzig, Borna-Leipzig 1907. 492. KNOTHE, Franz, Die Markersdorfer Mundart — Ein Beitrag zur Dialectkunde Nordböhmens. Böhmisch-Leipa o. J . 493. ROSENKRANZ, Heinz, Mundart und Siedlung im Gebiet der obern Saale und des nördlichen Frankenwalds. ( = Arbeiten zur Landes- und Volksforschung 1). Jena 1938 (T). 494. PETZOLD, Rainer, Mundart und Flumamengut von Tanna/Krs. Schleiz. Ex. (masch.), Jena 1967. 495. GLÜCK, Gerda, Der Thüringisch-Vogtländische Sprachraum. (=Arbeiten zur Landes- und Volksforschung 2), Jena 1938 (T). 496. HERTEL, Ludwig, Die Greizer Mundart. I n : Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft zu Jena 5, Jena 1886, S. 132—165. 497. ULBRICHT, Elfriede, Beobachtungen zur Mundart von Weida/Thüringen. Ex. (hand.), Leipzig 1948 (OG). 498. DIETRICH, Gerhard, Über die Geraer Mundart. IN: Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft 10, Berlin 1957, S. 49—65 (T). 499. POLENZ, Peter von, Die altenburgische Sprachlandschaft — Untersuchungen zur ostthüringischen Sprach- und Siedlungsgeschichte. ( = MF 1), Tübingen 1954 (LG). 500. TREBS, Emil, Beiträge zur osterländischen Mundart. ( = Programm des Gymnasiums zu Fürstenwalde a. Spr. 1899), Fürstenwalde 1899 (OG Oberschwöditz). 501. SCHÖPFE, Karl, Naumburgs Mundart im Umrisse dargestellt. Naumburg 1893 (Τ). 502. ALBRECHT, Karl, Die Leipziger Mundart — Grammatik und Wörterbuch der Leipziger Volkssprache. Leipzig 1881 (T). 503. SCHÖNFELD, Helmut, Abriß einer Lautlehre der Mundart von Halle (Saale). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 13, Halle 1964, S. 585-602. 504. SCHÖNTELD, Helmut, Die Mundarten im Fuhnegebiet. ( = MDS 21), Halle 1958 (OG Salzfurtkapelle).
Da» Südmärlcischt
343
505. BERGMANN, Gunter, Das Vorerzgebirgische — Mundart und Umgangssprache im Industriegebiet um Karl-Marx-Stadt — Zwickau. ( = MDS 27), Halle 1965 (LG). 50(5. TETZNER, Emil, Die Mundart von Leubsdorf in gemeinverständlicher Darstellung — Eine Handreiche besondere für Lehrer, die sich die Mundart ihres Ortes erarbeiten wollen. Hohenfichte 1928. 507. GROSSE, Rudolf, Die meissnische Sprachlandschaft — Dialektgeographische Untersuchungen zur obersächsischen Sprach- und Siedlungsgeschichte. ( = MDS 15), Halle 1955 (T). 508. GROSSE, Rudolf, Dialektgeographie des West-Nordmeißnischen. Ex. (masch.), Leipzig 1951 (G). 509. FLEISCHER, Wolfgang, Namen und Mundart im Raum von Dresden — Toponymie und Dialektologie der Kreise Dresden-Altstadt und Freital als Beitrag zur Sprachund Siedlungsgeschichte I. ( = Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte 11), Berlin 1961 (T). 510. RAWOLLE, Erich, Mundart und Kolonisation in der sächsisch-böhmischen Schweiz. ( = MDS 8), Halle 1934 (T). 511. PROTZE, Helmut, Das Westlausitzische und Ostmeisenische — Dialektgeographische Untersuchungen zur lausitzisch-obersächsischen Sprach- und Siedlungsgeechichtc. ( = MDS 20), Halle 1957 (VOG Geredorf, Niedereteina).
Das Erzgebirgische besitzt in der sogenannten „ E r z g e b i r g i s c h e n K o l o n i e " im Oberharz eine Außengründung, die im Westen, Norden und Osten vom Niederdeutsch-Ostfälischen umgeben ist und im Süden an das Mitteldeutsch-Nordthüringische anschließt, zu dem sie aber wegen des dazwischenliegenden unbesiedelten Waldes fast keine Beziehungen hat. Sie besteht aus den Bergstädten Clausthal, Zellerfeld, Wildemann, Lautenthal, Andreasberg und Altenau und den kleinen Ortschaften Bockswiese, Hahnenklee und Ober- und Unterschulenberg. Die Gründung der Kolonie erfolgte um 1520 durch Bergleute aus dem Erzgebirge, doch endete der gruppenweise Zuzug neuer, vor allem aus dem Westerzgebirge stammender Arbeiter erst 100 Jahre später. Geschichte und Mundart untersucht : 512. BORCHERS, Erich, Sprach- und Gründungsgeschichte der erzgebirgischen Kolonie im Oberharz. ( = DDG 22), Marburg 1927.
K. Das Südmärkische Unter Südmärkisch verstehen wir jenen heute hochdeutschen Dialektraum, der sich auf einst niederdeutschem oder wendischem Sprachgebiet von der Mulde bis zur Netze nördlich des Obersächsischen und Schlesischen hinzieht und noch deutlich erkennbare Substrate der ursprünglichen Sprachen aufweist. Das Südmärkische zerfällt in drei Abschnitte: einen westlichen, ehemals niederdeutsch-ostfälisch-brandenburgischen von der Mulde bis zum einst wendischen Gebiet ; einen ehemals wendischen zwischen der Linie Ruhland — Finsterwalde — Luckau — Buchholz im Westen und etwa der Neiße im Osten ; und einen östlichen früher niederdeutsch-branden-
344
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
burgischen im Oder-Warthegebiet. Wie schon in I Β festgestellt wurde, übernahm man in diesem Raum nicht mehr das Hochdeutsche in Gestalt einer noch stärker von der obersächsichen Mundart abhängigen höheren Sprachschicht wie im westlich anschließenden Anhaltischen, sondern zu späterer Zeit in der von der Mundart bereits ziemlich entfeinten jüngeren obersächsischen Verkehrssprache. Auch in der wendischen Neulausitz zwischen Bautzen und Kottbus wird die obersächsische Verkehrssprache übernommen, deren Züge noch stärker slawisch bestimmt sind, als dies schon im Norden der Fall ist. Wir haben daher den um 1880 noch wendischen Raum aus unserer Darstellung ausgeschlossen 60 . Zum Südmärkischen gehört auch die hochdeutsche Insel um B e r l i n , wo seit dem 16. Jahrhundert das Niederdeutsche aufgegeben wurde. Sie war um 1880 bezüglich des Vokalismus noch vom geschlossenen hd. Sprachraum getrennt und erstreckte sicli von den Spreeseen bei Köpenick im Osten bis Spandau im Westen. Ihre Süd-Nordausdehnung war sehr schmal; so wurde ζ. B. in Tempelhof und Steglitz damals noch brandenburgisches Platt gesprochen. 513. BISCHOFF, Karl, Studien zur Dialektgeographie des Elbe-Saale-Gebietes in den Kreisen Calbe und Zerbst, ( = DDG 36), Marburg 1935 (OG Aken). 514. LAÌÌQNEK, Helmut, Die Lautung der Mundart und der Umgangssprache von Wittenberg. Ex. (masch.), Potsdam 1959. 515. KRUG, Walter, Laut- und wortgeographische Untersuchungen zwischen Mulde und Elbe nördlich vom Meissnischen. Diss, (masch.), Leipzig 1959 (OG Weidenham). 516. STELLMACHER, Ernst Dieter, Dialektgeographische Untersuchungen in den Kreisen Herzberg/Elster und Jessen/Elster. Ex. (masch.), Leipzig 1964 (OG Naundorf). 517. SEEBICKE, Wilfried, Beiträge zur Mundartkunde des Nordobersächsischen (östlich der Elbe). ( = MT 53), Köln - Graz 1967 (OG Friedersdorf). 518. GANSLEWEIT, Klaus, Die Mundart von Breslack, Kreis Eisenhüttenstadt (Land) als Spiegel der Dorfgeschichte. Ex. (masch.), Potsdam 1966. 519. LASCH, Agathe, „Berlinisch" — Eine berlinische Sprachgeschichte. ( = Berlinische Forschungen 2), Berlin o. J. (OG Berlin).
L. D a s S c h l e s i s c h e u n d d i e m i t t e l d e u t s c h e n
Sprachinseln
Das Schlesische schließt mit dem Nordostböhmischen und dem Oberlausitzischen als Übergangsmundarten an den obersächsischen Dialektraum an, reicht im Süden bis zur deutsch-tschechischen Sprachgrenze und verliert 80
Ein Beispiel für eine solche junge deutsche Mundart auf wendischem Substrat bietet: Waldetnar GOESSGEN, Die Mundart von Dubraucke — Ein Beitrag zur Volkskunde der Lausitz. A. Grammatischer Teil. ( = 2. Beiheft zu den MSV), Breslau 1902.
Das Schlesische und die mitteldeutschen
Sprachinseln
346
sich im Osten im polnisch durchsetzten Gebiet. Gegen das Neulausitzische und das Südmärkische bildet ein Linienbündel von Muskau/Neiße über Pforten — O Guben — W Krossen/Oder — O Sternberg — Schermeissel — O Königswalde — Schwerin/Warthe die Grenze. Das engere Schlesische reicht allerdings nur bis zur Nordgrenze von O l für mhd. u von Schermeissel über Meseritz — Betschc — Neustadt — Buk bis Stenschewo nach Norden. Die Streumundarten des Warthegebictes enthalten zwar eine Anzahl schlesischer Eigentümlichkeiten, sind aber diesbezüglich von der schlesischen Verkehrssprache abhängig. Das Schlesische besteht aus zwei Großbereichen, deren Unterschiede zum Teil schon in die Besiedlungszeit zurückreichen : das stärker mitteldeutsch geprägte Reichsschlesische und das an ostfränkisch-oberdeutschen Eigenheiten reichere Sudetenschlesische mit dem Glätzischen. Im Reichsschlesischen sind sechs größere Mundartlandschaften mit zahlreichen Einzelmundarten zu unterscheiden : das Nordschlesische mit einigen niederdeutschen Elementen; das durch seine Diphthongierungen und Monophthongierungen auffallende Neiderländische innerhalb der Linie Schmiegel — Kiebel — Trebschen — Rothenburg — etwa der Bober von Ν Naumburg bis SO Sprottau — südlich des Schwarzwassers — Liegnitz — Kanth — S Breslau, wo schlesische Verkehrssprache gesprochen wird — etwa die Weide — Bernstadt — Neumittelwalde — W Adelnau; das Lausitzisch-Schlesische mit dem Nordostböhmischen um Böhmisch-Leipa und Reichenberg und der nordostböhmisch-lausitzisch-schlesischen Übergangsmundart um Friedland, dem Oberlausitzischen und dem engeren Lausitzisch-Schlesischen bis etwa in den Bereich des Bobers, zu dem auch das Gebiet um Rochlitz westlich der obersten Elbe in Böhmen gehört; das Gebirgsschlesische, zu welchem auch das Gebiet um Parschnitz — Wekelsdorf in Böhmen zu rechnen ist ; und das Oderschlesische im Gebiet der oberen Oder und ihrer Nebenflüsse Ohle, Neisse und Stober bis etwa Neisse/ Neisse — Oberglogau. Das Sudetenschlesische setzt sich aus zwei voneinander getrennten Bereichen zusammen : das obere Elbe- und Aupagebiet im Westen und den durch das gebirgsschlesische Parschnitz—Wekelsdorfer Gebiet davon getrennten Osten, der das Glätzische und das Gebiet nördlich der deutsch/ tschechischen Staatsgrenze etwa bis zur Linie Silberberg — die Neisse von Warthe bis Neisse — Zülz — Oberglogau mitumfaßt. Das Glätzische mit dem Braunauer Ländchen in Böhmen und als abweichende Untermundarten dem sogenannten „Oberdörfischen" um Rokitnitz in Böhmen und um Mittelwalde und dem sogenannten „Niederdörfischen" um Grulich und um Schildberg im Friesetal in Mähren sowie das beiderseits der Staatsgrenze gelegene Mundartgebiet von Reichenstein bis Leobschütz nehmen eine Mittelstellung zwischen dem engeren Sudetenschlesischen des mährischen Raumes und dem Gebirgsschlesischen ein. Ganz zum Sudetenschlesischen gehört dagegen der Raum um Katscher. Im Gegen-
346
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
satz zum Reichsschlesischen besteht das Sudetenschlesische aus einer Anzahl verhältnismäßig kleinräumiger Untermundarten mit sehr vielen Einzelmundarten. Gesamtdarstellung : 520. U N W E B T H , Wolf von, Die Schlesische Mundart in ihren Lautverhältnissen grammatisch und geographisch dargestellt. ( = Wort und Brauch 3), Breslau 1908.
Einzeldarstellungen : Erhard, Untersuchungen zur Gablonzor Mundart. Diss, (masch.), München 1953 (G). 5 2 2 . K Ä M P F , Robert, Lautlehre der Reichenberger Mundart. Reichenberg 1 9 2 0 . 523. D I T T R I C H , Hans, Die Mundart des Bezirkes Friedland. ( = Heimatkunde des Bezirkes Friedland in Böhmen, Allgemeiner Teil I I : Die Friedländer Volkskunde, Heft 1), Friedland 1926 (T). 524. W E N Z E L , Fritz, Studien zur Dialektgeographie der südlichen Oberlausitz und Nordböhmens. In: DDG 6, Marburg 1920, S. 1 - 1 0 6 (OG Oroß-Schönau). 525. M I C H E L , Reinhart, Die Mundart von Seifhenneredorf. In: PBB 15 (1891), S. 1 - 6 9 . 526. M E I C H E , Alfred, Der Dialect der Kirchfahrt Sebnitz. T e i l l : Lautlehre. Diss. Leipzig, Halle 1898. 527. B E L L M A N N , Günter, Mundart und Umgangssprache in der Oberlausitz — Sprachgeographische und sprachgeschichtliche Untersuchungen zwischen Schwarzwasser und Lausitzer Neiße. ( = DDG 62), Marburg 1961 (T). 5 2 8 . K I E S S L I N G , Eberhard, Die Mundart von Schirgiswalde nach dem System des Mittelhochdeutschen geordnet und als Ortegrammatik dargestellt. Ex. (masch.), Leipzig 1958. 529. B E L L M A N N , Günter, Mundart und Umgangssprache der Oberlausitz dargestellt am Beispiel einer Ortsgrammatik von Zentendorf, Kreis Görlitz. Ex. (masch.), Leipzig 1955. 530. M E S S O W , Theodor, Zur Dialektgeographie des schleeisch-brandenburgischen Grenzgebietes bei Züllichau. Für den Druck bearbeitet von Günter B E L L M A N N . In: DDG 56, Marburg 1965, S. 1 - 3 4 (OG Kay). 531. G B A E B I S C H , Friedrich, Zur neiderländisch-schlesischen und nordschlesischen Mundartenkunde. In: MSV 30 (1929), S. 267-298 (T). 532. G B A E B I S C H , Friedrich, Nordschlesisch und Neiderländisch-Schlesisch mit vergleichenden Mundartproben. In : Schlesisches Jahrbuch für deutsche Kulturarbeit im gesamtschlesischen Räume 8, Breslau 1935/36, S. 61 — 74 (T). 5 3 3 . G B A E B I S C H , Friedrich, Vergleichende Proben schlesischer Mundarten — Mit besonderer Berücksichtigung der Diphthongierungsmundarten. In: MSV 18 5 2 1 . BEBGMANN,
(1916), S. 1 0 5 - 1 3 7
(T).
Johannes, Die Mundart des Kreises Jauer. ( = Deutschkundliche Arbeiten — B. Schlesische Reihe 6), Breslau 1938 (OG Bremberg). 535. H O F F M A N N , Hugo, Die Lautverhältnisse der Mundart von Lehmwasser, Kreis Waldenburg in Schlesien. In: ZfdMa. 1906, S. 316—344. 5 3 6 . G B A E B I S C H , Friedrich, Uber die schlesische Mundart des Eulengebirges im Kreise Reichenbaoh. In: ZfdMa. 1 9 1 3 , S . 2 3 9 - 2 4 3 ( T ) .
5 3 4 . HALBSGUTH,
Das Schlesische und die mitteldeutschen Sprachinseln
347
537. GRAEBISCH, Friedrich, Zur Mundart des Kreises Brieg — Nebst Bemerkungen über ihre literarische Verwendung. In: MSV 17 (1915), S. 188-212 (T). 538. FRTKMEL, Wilhelm, Die Mundart von Oberglogau. In: Schlesische Geschichtsblätter 1937, Breslau 1937, S. 104-108 (T). 539. GRAEBISCH, Friedrich, Verbreitung und Kennzeichen der glätzischen Mundart und ihre •nichtigsten Unterschiede. In: MSV 16 (1914), S. 197 - 2 4 4 (T). 540. XEXTWIG, Heinrich, Untersuchungen zur Dialektgeographie der Grafschaft Glatz. Diss, (masch.), Greifswald 1924 (T). 541. PRAÜSE, Alban Julius, Die Laute der Braunauer Mundart. Reichenberg 1927 (OG Hermsdorf). 542. BUSCHKE, Gerhard, Lautgeographie der südlichen Grafschaft Glatz. ( = DDG 69), Marburg 1966. 543. PAUTSCH. Oswald, Grammatik der Mundart von Kieslingswalde, Kr. Habelschwerdt — Ein Beitrag zur Kenntnis des glätzischen Dialektes. I. Teil : Lautlehre. ( = 1. Beiheft zu den MSV), Breslau 1901. 544. FESTA, Friedrich, Die schlesische Mundart Ostböhmens. I. Die Lautlehre. ( = BKSM3), Prag 1926 (LG). 545. WEISER, Franz, Lautgeographie der schlesischen Mundart des nördlichen Nordmähren und des Adlergebirges. ( = Arbeiten zur sprachlichen Volksforschung in den Sudetenländern 1), Brünn — Prag — Leipzig — Wien 1937 (VOG Marschendorf, Kunzendorf, Schildberg, Nieder-UUersdorf, Rokitnitz). 546. RIEGER, Alfred, Die Mundart der Bezirke Römerstadt und Sternberg (Lautlehre). ( = BKSM 8), Reichenberg 1935 (OG Groß-Mohrau). 547. GRANDE, Paul, Die Mundart von Liebenthal in ehemals Österreich-Schlesien. Diss, (masch.), Wien 1966. 548. LANGER, Kurt, Lautgeographie in den Landkreisen Freudenthal und Jägerndorf. Diss, (masch.), Prag 1944 (LG). 549. TAENZEB, Hans, Die Mundart des mährischen Kuhländchens — Lautlehre. Diss, (masch.), Wien 1931 (OG Klantendorf). 550. GIERNOTH, Josef, Die Sprache des Kuhländchens nach der Mundart von Kunewald. I n : M S V 19 (1917), S. 1 5 7 - 2 1 4 .
Die mitteldeutschen
Sprachinseln
Von den sechs mitteldeutschen bis 1918 in Oberschlesien, Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien und Galizien und dann in Oberschlesien, der Tschechoslowakei und Polen gelegenen Sprachinseln gehören nur Kostenthal, Schönwald u n d Bielitz mit Wihnesau als Außengründungen zum Schlesischen. V o m Polnischen umgeben und mit nur geringen Beziehungen zum Binnenland, haben sie älteste, einst auch in weiten Gebieten des Binnenlandes gültige schlesische Sprachzustände bewahrt oder teilweise selbständig weiterentwickelt. E s ist deshalb nicht möglich, auf Grund der gegenwärtigen Sprachübereinstimmungen zwischen den Insel- und Binnenmundarten die einstige Zwischenheimat feststellen zu wollen, wie dies Ernst 61 SCHWARZ in methodisch unzulässiger Weise versucht h a t . Die drei weiteren 61
4 7 7 . SCHWARZ.
348
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
Sprachinseln Schönhengst, Deutsch-Brodek —Wachtl und Olmiitz mit Nebotein sind zwar ebenfalls mitteldeutsch bestimmt, können aber aus verschiedenen noch zu erläuternden Gründen nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schlesischen gestellt werden. Älit Ausnahme von Wilmesau wurden alle diese Sprachinseln 1945 ausgesiedelt . Die älteste schlesische Sprachinsel ist K o s t e n t h a l , ein Bauerndorf zwischen Leobschütz und Cosel. Urkundliche Erwähnungen ihres Deutschtums reichen in das Jahr 1225 zurück, doch dürfte schon 1221 mit deutscher Besiedlung zu rechnen sein. Die heute stärksten sprachlichen Übereinstimmungen mit dem Binnenland findet S C H W A R Z in der oberschlesischen Gegend von Zülz 62 . 551. WETNELT, Herbert, Sprache und Siedlung in der oberschlesischen Sprachinsel Kostenthal. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 2, Leipzig 1938, S. 3 8 6 - 4 0 3 .
Die Sprachinsel S c h ö n w a l d SO Gleiwitz wurde 1269 von Rodern gegründet. Obwohl ein Bauerndorf, betätigten sich die Schönwälder jahrhundertelang als Fuhrleute, die nicht nur ständig nach Österreich, Ungarn, Sachsen und Polen, sondern bis an die Adria und Ostsee kamen, was besonders ihren Wortschatz beeinflußte. Erst nach 1850 brachte die Eisenbahn das Fuhrwesen zum Erliegen. I m Binnenland weist nach SCHWARZ heute die oberschlesische Gegend von Neustadt die stärkste sprachliche Verwandtschaft mit Schönwald auf 6 3 . 552. GUSINDE, Konrad, Eine vergessne deutsche Sprachinsel im polnischen Oberschlesien (Die Mundart von Schönwald bei Gleiwitz). ( = Wort und Brauch 7), Breslau 1911 m.
Die größte der schlesischen Sprachinseln ist das ursprünglich aus 26 Dörfern bestehende Bauernland um B i e l i t z an der ehemaligen Grenze von Österreichisch-Schlesien und Galizien. Obwohl die erste urkundliche Erwähnung von deutschen Dörfern in das J a h r 1305 fällt, deuten andere Gegebenheiten bereits auf deutsche Besiedlung um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Dem Ansturm des Polnischen in späterer Zeit konnten nur 15 Dörfer standhalten, wobei der Markt W i l m e s a u aus dem räumlichen Zusammenhang gerissen wurde. I m Jahre 1770 wanderten die Bewohner von Seibersdorf (pol. Kozy) wegen Religionsschwierigkeiten nach Preußen (Oberschlesien) aus und ließen sich in dem von ihnen gegründeten Ort 82 477. SCHWARZ, S. 253ff. « 477. SCHWABZ, S. 258ff.
M
Es schließt sich an: K. GUSINDE, Schönwald — Beiträge zur Volkskunde und Geschichte eines deutschen Dorfes im polnischen Oberschlesien. ( = Wort und Brauch 10), Breslau 1912.
Das Schlesische und die mitteldeutschen Sprachinseln
349
Anhalt NO Pless nieder und legten später das Dorf Gatsch als Tochtersiedlung an. Die Mundart dieser Sprachinsel, die nach SCHWARZ heute die engste Verwandtschaft mit der Binnenmundart der oberschlesischen Gegend Ν Katscher aufweist63, ist nicht ganz einheitlich und zeigt ältere und jüngere Unterschiede. Während \ Y E I S E R Ansätze zu einer Lautgeographie versuchte, lieferte W A N I E K nur eine an sich ausgezeichnete Darstellung dea Vokalismus von Kunzendorf mit Berücksichtigung von vier weiteren Dörfern, auf die wir uns beziehen müssen. Die Einbeziehung von Wilmesau ermöglicht die Darstellung von K L E C Z K O W S K Y , während für Anhalt-Gatsch kein ausreichendes Material vorliegt 66 . Von der bäuerlichen Dorfmundart weicht die städtische Umgangssprache von Bielitz und Biala erheblich ab, die teilweise in die benachbarten Dörfer einzudringen begann und die wir, obwohl von W A N I E K aufgenommen, nicht berücksichtigen. 553. WANIEK, Gustav, Zum Vocalismus der schlesischen Mundart. Bielitz 1880 (OG Kunzendorf mit Berücksichtigung von Alzen, Kurzwald, Altbielitz und DeutschBistrau). 554. WEISEB, Franz, Zur Mundart der Bielitzer Sprachinsel. IN: Schlesisches Jahrbuch für deutsche Kulturarbeit im gesamtschlesischen Räume 9, Breslau 1937, S. 1 2 1 - 1 2 8 (T). 555. KLECZKOWSKI, Adam, Dialekt Wilamowic w zachodniej Galicji — Fonetyka i fleksja [Die Mundart von Wilmesau in Westgalizien — Laut- und Flexionslehre]. ( = Prace komisji jçzykowej polskiej akademji umiejçtnoéci 7), Krakau 1920.
Der 125 Ortschaften umfassende S c h ö n h e n g s t ist seiner Lage nach zwar eine Sprachinsel, historisch gesehen jedoch uspriingliches Kolonistenland. Die Urbarmachung des Gebietes begann in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts um Müglitz und nördlich der heute tschechischen Stadt Gewitsch. Noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts war die Eindeutschung der gesamten Insel abgeschlossen87. Die verschiedene Herkunft der Siedler bestimmt auch den eine eigene Stellung einnehmenden Dialekt stark oberdeutsch-ostfränkischen Gepräges mit bairischen Einschlägen. Nach dem Dialekt zerfällt der Schönhengst in zwei, aus je drei größeren Mundartlandschaften bestehende Hälften: das Landskroner, Zwittauer und Rothmühler Gebiet im Westen und das Altstädter, Trübauer und Müglitzer Gebiet im Osten, wobei das Altstädter Gebiet in mehrfacher Hinsicht eine Mittlerstellung zwischen dem Westen und Osten einnimmt, im Landskroner Gebiet schlesische Einflüsse auftreten und in Trübau eine von der Umgebung in Einzelheiten abweichende Stadtmundart gesprochen wird. Eine sprach« 477. SCHWARZ, S . 288ff. Entstehung und Geschichte von Anhalt-Gatsch behandelt Δ. WACKWITZ, Die deutsche Sprachinsel Anhalt-Gatsch in Oberschlesien in ihrer geschichtlichen Entwicklung. ( = Deutsche Gaue im Osten 6), Plauen 1932. 6 7 Vgl. 477. SCHWARZ, S. 296ff.
66
350
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
liehe Sonderstellung beziehen die im äußersten Südosten der Insel gelegenen Ortschaften Kornitz und Dörfles, wofür man bis jetzt noch keine Erklärung gefunden hat. Die Schönhengster Mundart des Müglitzer Gebietes wurde bis in den Anfang unseres Jahrhunderts auch in dem erst durch den Übergang der Dörfer Tritschen und Steinmetz zum Tschechischen im 19. Jahrhundert vom Schönhengst losgetrennten Kirchspiel Meedl W Mährisch-Neustadt gesprochen. Die dann einsetzenden Beziehungen zu Mährisch-Neustadt haben die angestammte Mundart des Kirchspiels zum Aussterben gebracht. Um 1930 konnten 480. R I E G E R und 489. B E N E S C H noch bei den ältesten Leuten ihre letzten Reste aufzeichnen und ein geschlossenes Bild des Lautetandes vermitteln. 556. BENESCH, Irmfried, Lautgeographie der Schönhengster Mundarten. ( = Arbeiten zur sprachlichen Volksforschung in den Sudetenländern 3), Brünn 1938 (VOG Michelsdorf, Rothmühl, Mährisch-Hermersdorf, Rehßdorf, Vorder-Ehrnsdorf, Augezd, Körnitz). 657. MATZKE, Josef, Die Mundart von Rathsdorf im Schönhengstgau. I. Vokalismus haupttoniger Silben. ( = Programm der Landes-Oberrealschule in Znaim 1910/11), Znaim 1911. Π. Lautlehre unbetonter Silben und Konsonantismus. ( = Programm der Landes-Oberrealschule in Znaim 1911/12), Znaim 1912 e 8 . 558. JANICZEK, Julius, Der Vokalismus der Mundarten in der Schönhengster Sprachinsel. Freiburg i. Ü. 1911 (OG Langenlutsch).
Die Doppelsprachinsel D e u t s c h - B r o d e k — W a c h t l S Gewitsch setzt sich aus zwei völlig verschiedenen Dialekten zusammen, deren einer in den 5 Dörfern Deutsch-Brodek, Döschna, Schwanenberg, ölhütten und Runarz des Südostens und deren anderer nur im Dorf Wachtl des Nordwestens gesprochen wird. Die deutsche Kolonisierung dieses Gebietes erfolgte schon in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, doch verödeten in den folgenden Jahrhunderten die Niederlassungen, so daß nach 1550 eine Nachbesiedlung von Deutsch-Brodek, Döschna und Wachtl durchgeführt werden mußte; Runarz und ölhütten wurden erst nach 1680 wohl von Deutsch-Brodek und Döschna aus wieder eingedeutscht. Während nach S C H W A R Z für die Herkunft der Zweitsiedler der Deutsch-Brodeker Gruppe das Gebiet östlich von Mährisch-Neustadt in Frage kommen dürfte, scheint Wachtl im Nordschönhengst südlich von Landskron verankert zu sein 69 . Während für Zitate beziehen sich stets auf den I. Teil. ββ Wegen der relativ späten Besiedlung ist das Herleitungsverfahren von 477. SCHWARZ, S . 3 2 2 ff. methodisch gerechtfertigter als bei den schleeischen Sprachinseln. Da aber auch hier die Unveränderlichkeit der Sprache vorausgesetzt wird, bleibt eine punktuelle Fixierung im Binnenland nach wie vor problematisch. Zu welchen diesbezüglichen Fehlschlüssen ein derartiges Vorgehen führen kann, haben die erheblichen Diskrepanzen zwischen den historisch bekannten Herkunftegebieten und den durch Sprachvergleichung ermittelten bei anderen späten Koloniegründungen gezeigt (vgl. u. a. 3 4 6 . B Ö H M E S , und 1 2 1 . EHRHARDT).
88
Das Hochpreußische
351
Deutsch-Brodek die Darstellung von BLÖSL vorliegt, stützen sich unsere lückenhaften Angaben für Wachtl auf den DSA und 477. SCHWARZ. 559. BLÖSL, Joachim, Die Mundart der Orte: Deutsch-Brodek, Döachna, Schwanenberg. Disa. (hand.), Wien 1909. Als letzte Gruppe schließt sich die ehemalige mährische Bauernsprachinsel O l m ü t z mit N e b o t e i n an, zu der die jetzt in die Stadt eingemeindeten Vororte Altolmütz, Paulowitz, Neugasse, Powel, Neustift u n d Salzergut und die noch selbständigen Ortschaften Schnobolin, Ned weis und Nimlau gehören. Die um 1200 erfolgte Eindeutschung geschah aus dem mittelbairischen R a u m Südmährens. Die Hussitenkriege und der Dreißigjährige Krieg haben das mittelbairische Deutschtum so stark reduziert, daß Zuwanderungen aus dem schlesischen Nordmähren erforderlich wurden. Während das abgelegene Nebotein seine mittelbairische Mundart trotz schlesischer Einflüsse einigermaßen bewahren konnte, drangen in den übrigen Orten die mitteldeutschen Elemente bestimmend d u r c h 7 0 . Als Grundlage der lückenhaften Behandlung dienen die Wenkersätze des DSA aller genannten Orte und 477. SCHWARZ.
M. D a s
Hochpreußische
Da die hochdeutsche Kolonisierung Ostpreußens zwischen 1290 und 1340 mit Schlesien und Sachsen (Lausitz ?) in Zusammenhang steht, zeigt das Hochpreußische auch dem Schlesischen und Obersächsisch-Meißnischen verwandte Sprachgrundlagen. Doch haben selbständige Weiterentwicklungen und Einflüsse aus dem Niederdeutschen einen eigenen, letzlich konservativ gebliebenen Dialekt entstehen lassen. E r zerfällt in zwei große Mundartbereiche, die die Passarge trennt : das Breslauische im Osten u n d das Oberländische im Westen, welches im Rosenbergischen u m die gleichnamige Stadt noch eine besondere Untermundart besitzt. Gesamtdarstellung : 560. ZRESEMEH, Walther, Die ostpreußischen Mundarten — Proben und Darstellung. Breslau 1924 (LG). Einzeldarstellungen : 561. STUHBMANN, Johann, Das Mitteldeutsche in Ostpreußen. 2. Teil: Zur Kenntnis der sogenannten breslauschen Mundart in Ostpreußen. (— Jahresbericht des Königlichen Gymnasiums zu Deutsch-Krone 1895/96), Deutsch-Krone 1896 (G).
70
Vgl. 477. SOHWABZ, S. 2 9 3 f f .
352
Anhang: Zur Dialektgliederung des hochdeutschen Sprachraumes
562. KUCK, Walther, und WIESFMGER, Peter, Die nordöstliche Sprachgrenze des Ermlandes — Eine Studie zur Lautlehre dea Hoch- und Niederpreußischen. In: DDG 56, Marburg 1965, S. 107-171 (OG Reimerswalde). 563. STUHBMANÏÏ, Johann, Das Mitteldeutsche in Ostpreußen. 3. Teil: Zur Kenntnis der oberländischen Mundart in Ostpreußen. ( = Jahresbericht des Königlichen Gymnasiums zu Deutsch-Krone 1897/98), Deutsch-Krone 1898 (G). 564. KUCK, Waither, Dialektgeographische Streifzüge im Hochpreußischen des Oberlandes. In: Teuth. 4 (1927/28), S. 2 6 6 - 2 8 1 (OG Rollnau). 566. KUCK, Walther, Dialektgeographisches aus dem Kreise Rosenberg. In: Teuth. 9 (1933), S. 143 — 160 und S. 2 0 8 - 2 2 2 (VOG Klein-Tromnau, Wachsmuth, GroßTroamau).
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23 ! Wiesinder. B a n d I I
354
Anhang
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PFALZ,
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Phonologische Untersuchungen hochdeutscher Mundarten
365
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23·
Erläuterungen zu den Karten 12 bis 18 1. A l l g e m e i n e H i n w e i s e Die Karten 12 bis 18 entsprechen in Anlage, Lautschrift, Lau te intragungen und benutzten Quellen gänzlich den Karten 1 bis 11 zu Band I. Es sind daher die diesbezüglichen Angaben in Band I, S. 413ff. zu vergleichen. 2. Die e i n z e l n e n K a r t e n Karte 12: MM. ie 1. Darstellung Im Gegensatz zu anderen Karten werden hier im oberdeutschen Diphthong und im mitteldeutschen Monophthongbereich die landschaftlichen Aussprachevarianten, entsprechend den Angaben des Textes, ohne gegenseitige Abgrenzungen jeweils im Zentrum des betreffenden Aussprachebereiches eingetragen, um wenigstens ungefähr die lautliche Vielfalt anzudeuten. 2. Quellen DSA:
fliegen (3. sing. ind. praes.), liebes (nom. sing, neut.), wieviel, Brief (nur Oberdeutsch). Deutscher Wortatlas : Brief, Fliege. I, 140 „Chriesi", lieber, nie. SDS: 12 (allgemein). FISCHER: Knie, „Krieche", Licht, Stiege, (Dieb). BSA: 54 nie. TSA: LSA: 149 fliegen, 160 liebes, 151 wie, 152 wie. SchSA: 68 TA fliegen.
3. Lautkombinatorische Erscheinungen Südbairisch: § 112e (Defereggen- und Virgental), f (Sieben Gemeinden, Folgaria). Ostfränkisch: § 115b, c (ta usw. nach dem Quantitätengesetz). Rheinfränkisch: § 116b (Gebiet SW Bitsch), e (Starkenburgisch und Nordpfälzisch ohne Angabe der Grenzen), f (Kolonie am Niederrhein).
Erläuterungen zu den Karten 12 bis 18
Hessisch : Ripuarisch : Hennebergisch : Ost- und Nordhessisch: Thüringisch : Hochpreußisch :
367
§ 117f (ohne Grenzen). § 120f. § 123f. § 124f. § 125b, c (e nach dem Quantitätengesetz um Waltershausen — Ohrdruf). § 130 (Kürzung).
Karte 13: Mhd. wo 1. Darstellung Die Darstellung entspricht gänzlich der von Karte 12 (vgl. oben). 2. Quellen DSA:
SDS:
FISCHER:
BSA TSA LSA SchSA:
Bruder, genug, gut, gute (nom. sing, masc.), Kuchen (nom. pl.), muß (3. sing. ind. praes.), mußt (2. sing. ind. praes.), Mutter, tu (imp.), tut (3. sing. ind. praes.). I, 142 Bruder, Buben, Fuder, Fuß, Futter, gut ,Husten, „Chueche", Kuchen, Kuh, ,,lueg", -mus, Mutter, Pflug, Schuh, Tuch. 12 (allgemein). Blut, Bruder, Bube, gut, Husten, Kufe „.Kuserl", muß. öl Bub. 155 Bruder; 156 gute, genug; 157 Kuchen. -
3. Lautkombinatorische Erscheinungen Südbairisch : § 112e (Defereggen- und Virgental), f (Sieben Gemeinden). Ostfränkisch : § 115b, c («ausw.nach d. Quantitätengee.). Rheinfränkisch : § 116b (Gebiet SW Bitsch), e (Starkenburgisch und Nordpfälzisch ohne Angabe der Grenzen), f (Kolonie am Niederrhein). Hessisch : § 117f (ohne Grenzen). Moselfränkisch : § 119e. Ripuarisch : § 120f. Hennebergisch : § 123f, g. Ost- und Nordhessisch : § 124f. Thüringisch : § 125b, c (o nach dem Quantitätengesetz um Waltershausen — Ohrdruf). Obersächsisch : § 126d. Schlesisch : § 128 d. Mitteldeutsche Sprachinseln : § 129 c. Hochpreußisch : § 130 (Kürzung).
Anhang
358
Karte 14: MM. iie 1. Darstellung Die Darstellung entspricht gänzlich der von Karte 12 (vgl. oben). 2. Quellen DSA: SDS: FISCHER: BSA TSA LSA
SchSA:
Füße, Kühe (acc.pl.), müde (nom. pl.), müßt (2. pl. ind. praes.) I, 144 „büeze", früher, Frühjahr /Frühling, Füße, Gemüse, Küfer, Kühe, Pflüge (Pflüglein), „Trüegle", „Schüeffi". 1 2 (allgemein). müde. 53 bluten. 159 Füße, früh, Kühe; 160 büßen ( = „nähen"); 161 müde. -
3. Lautkombinatorische Erscheinungen Südbairisch : § 112e (Defereggen- und Vigental), f (Sieben Gemeinden, Folgaria). Ostfränkisch : § 115b, c (üd usw. nach dem Quantitätengesetz). Rheinfränkisch : § 116b (Gebiet SW Bitsch), e (Starkenburgisch und Nordpfälzisch ohne Angabe der Grenzen), f (Kolonie am Niederrhein). Hessisch : § 117f (teilweise ohne Grenzen). Ripuarisch : § 120f. Hennebergisch : § 123f. Ost- und Nordhessisch : § 124f. Thüringisch : § 125b, c (ö nach dem Quantitätengesetz um Waltershausen — Ohrdruf). § 130 (Kürzung). Hochpreußisch : Karte 15: Mhd. ei 1. Darstellung Im Alemannischen und Bairischen wird überall die Entwicklung von mhd. ei 1 dargestellt. Im Niederfränkischen wird auch die Entwicklung von mnfr. ei ( = germ, ai mit i-Umlaut) berücksichtigt. 2. Quellen DSA: SDS: FISCHER:
BSA:
TSA: LSA: SchSA :
Fleisch (acc. sing.), heiß, Kleider, Seife (acc. sing.). I, 109/111 Geiss, Geissen; I, 114/115 Teilkarten Nordost. 15 breit, Streich. breit, breiter, Eidam, Eiter, Fleisch, geifern, Geißlein, „Heiden", heiser, heiß, Kleid, Leiter, „Meid", Weide. 138 Kleider; 139 meisten. 50 TA heiß ; 24 TA Leiter.
Erläuterungen zu den Karten 12 bis IS
359
3. Lautkombinatorische Erscheinungen Niederalemannisch : § 1351 (Monophthongierung von gekürztem gd zu g). Südbairisch : § 137g (Sieben Gemeinden, Gottschee). Mittelbairisch : § 138c. Ostfränkisch : § 140b, d (ä usw. nach dem Quantitätengesetz). Hessisch : § 142d (a usw. nach dem Quantitätengesetz). Moselfränkisch : § 144g, m. Ripunrisch : § 145d (mnfr. ei = germ, ai mit i-Umlaut um Straelen). Xiederfränkisch : § 146 (mnfr. ei = germ, ai mit i-Umlaut). Hennebergisch : § 148 b, c, d (äi usw. nach dem Quantitätengesetz). Osthessisch : § 149b, c (çi usw. nach dem Quantitätengesetz). Thüringisch : § 150e (ä nach dem Quantitätengesetz). Mitteldeutsche Sprachinseln: § 154c.
Karte 16: Mhd. ou 1. Darstellung I m Bairischen wird mit phonetischer Schrift nur die Normalentwicklung zu ά eingetragen. Dagegen werden die mhd. û entsprechenden Ausspracheformen des jüngeren Diphthongs als auch des Diphthongs vor Gutturalen als A U typisiert. Die phonetische Auflösung dieser Typisierung ergibt sich aus K a r t e 3 : Mhd. w vor Konsonanten. 2. Quellen DSA:
auch, Augenblickchen, gelaufen, (glaube [1. sing. ind. praes.], verkaufen). Deutscher Wortatlas : rauchen. SDS: I, 121/123 Augen; I, 126 glauben, Glaube. FISCHER: 1 3 glauben. BSA: glauben, Leitkauf, leugnen, rauchen, taufen, Traufe, TSA: 48 taufen. LSA : 144 Augenblickchen ; 145 gekauft ; 146 verkaufen ; 147 gelaufen. SchSA : 55 TA Augenblickchen ; 57 TA gelaufen.
Anhang
360
3. Lautkombinatorische Erscheinungen Bairisch: § 136g (als Al7 typisiert), § 137g (Pladen und Zahre, Gottschee), § 138g (in Brünn, Wischau, Budweis als AU typisiert, in Deutsch-Pilsen phonetisch als ρ). Ostfränkisch: § 140b, d (o nach demQauntitätengesetz). Hessisch: § 142d (a usw. nach dem Quantitätengesetz). Moselfränkisch : § 144g, m. Hennebergisch : § 148b, c, d (a usw. nach dem Quantitätengesetz). Osthessisch: § 149b, c (çe usw. nach dem Quantitätengesetz). Thüringisch : § 150e (â nach dem Quantitätengesetz). Karte 17 : Mhd. öü 1. Darstellung Ähnlich den Verhältnissen bei mhd. ou wird im Bairischen phonetisch nur die Normalentwicklung zu ä eingetragen. Dagegen werden die mhd. i + u entsprechenden Aussprachen des jüngeren Diphthongs als AI typisiert, wobei dieser im Nordbairischen mit der Sprachinsel Iglau ausnahmslos gilt. Die phonetische Auflösung von AI ergibt sich aus Karte 2: Mhd. î vor Konsonanten und aus K a r t e 4: Mhd. u vor Konsonanten. 2. Quellen DSA: SDS:
Bäumchen, (glaube [1. sing. ind. praes.], verkaufen). I, 129/131 räuchern.
FISCHER :
—
BSA: TSA: LSA: SchSA:
-äugig, Freude. 50 Freude. 143 glauben. 53 TA verkaufen.
3. Lautkombinatorische Erscheinungen Ostfränkisch: § 140b, d (ä usw. nach dem Quantitätengesetz). Moselfränkisch: § 144g, m. Hessisch: § 142d (α usw. nach dem Quantitätengesetz). Hennebergisch : § 148b, c, d (ä{ usw. nach dem Quantitätengesetz). Osthessisch: § 149b, c (gj usw. nach dem Qnatitätengesetz). Thüringisch: § 150e (ä nach dem Quantitätengesetz). Karte 18: Mhd. iu im Oberdeutschen 1. Darstellung Zur Darstellung gelangen bloß die oberdeutschen Entwicklungen von mhd. iu vor Konsonanten; nur im Nordwesten des Schwäbischen, wo die Entsprechung von mhd. iu heute auf den Auslaut u n d Hiatus (vor w)
Erläuterungen zu den Karten 12 bis 18
361
beschränkt ist, wird diese berücksichtigt. Die gezähnte Grenzlinie gibt die äußerste heutige Reichweite der oberdeutschen Entsprechungen von mhd. iu vor Konsonanten und damit gleichzeitig den Beginn der „fränkischen Regel" an. Mit derselben gezähnten Linie werden das Westschweizer Gebiet am Bielersee mit der „fränkischen Regel" und die Gebiete um München und Wien, wo heute lautgesetzliche Entsprechungen von mhd. iu gänzlich fehlen, aus der Darstellung ausgeschlossen. Eine gebrochene gezähnte Linie umgrenzt das Südkärntner Gebiet, wo die lautgesetzliche Vertretung von mhd. iu nur noch relikthaft begegnet. 2. Quellen DSA:
die (acc. sing, fem.), drei (neut.), euch (dat. acc.), eure (acc. sing, fem.), eurem (dat. sing, masc.), Feuer, fliegen (3 pi. ind. praes.), heute, neue (acc. sing. fem. und acc. pl. neut.). Deutscher Wortatlas: Fliege. SDS: I, 134 tief; 135 Grieben; I, 136 Fliege; I, 137 fliegen, lügen, kriechen; I, 138/139 Knie. FISCHER: 14 zieht, siedet, Zeug, heute, „Spreuer", Scheuer, euch, neu, Fliege, Knie. BSA: drei (neut.), fliegst, fliegt, gefrieren, „Keue", Knäuel, neu, reuen, Stief-, Tiefe, verlieren, (Dieb).
Wortgeographie und Gesellschaft Herausgegeben von
WALTHER MITZKA F e s t g a b e f ü r LUDWIG ERICH SCHMITT
Groß-Oktav. VIII, 684 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 120 —
Kleine Schriften zur Sprachgeschichte und Sprachgeographie V o n WALTHER
Herausgegeben von
MITZKA
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Mit 1 Frontispiz. Groß-Oktav. X I I , 454 Seiten. 1968. Ganzleinen D M 86 — (Kleinere Schriften zur Literatur- und Geistesgeschichte)
Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen V o n FRANZ DORNSEIFF
7., unveränderte Auflage mit alphabetischem Generalregister Lexikon-Oktav. IV, 922 Seiten. 1970. Ganzleinen D M 38,—
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19. Auflage Groß-Oktav. IX, 494 Seiten. 1969. Ganzleinen D M 32,— (Früher Siebs, Deutsche Hochsprache)
Walter de Gruyter & Co · Berlin 30
Studia Linguistica Germanica H e r a u s g e g e b e n v o n L U D W I G E R I C H S C H M I T T u n d STEFAN SONDEREGGER
Graphematische Untersuchungen zum Frühneuhochdeutschen V o n ILPO TAPANI PIIRAINEN
G r o ß - O k t a v . X I V , 271 Seiten. 1968. Ganzleinen D M 6 4 -
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In Vorbereitung
Texas Studies in Bilingualism V o n GLENN G . GILBERT
(Band 3)
Slavoteutonica Lexikalisdie Untersuchungen zum slawisch-deutschen Kontakt V o n GÜNTER BELLMANN
(Band 4)
Worttopologische Untersuchungen im Sach- und Nennstrukturat der Landfahrzeuge V o n WOLFGANG PUTSCHKE
(Band 5)
Die Orts- und Flurnamen der deutschen Schweiz Ergebnisse und Probleme (Beiträge zur schweizerischen Namenforschung I) V o n STEFAN SONDEREGGER
(Band 6)
Untersuchungen zur Tiefenstruktur des altsächsischen Satzes V o n GISBERT KESELING
(Band 7)
Walter de Gruyter & Co · Berlin 30
Kurzer Grundriß der germanischen Philologie bis 1500 H e r a u s g e g e b e n v o n LUDWIG E R I C H S C H M I T T
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Band 1 Sprachgeschichte O k t a v . V I I I , 440 Seiten. 1970. Ganzleinen D M 32,— Band 2 Literaturgeschichte Im Druck Band 3 Sach- und Kulturgeschichte Theorienbildung und Methodik der Germanistik Namenregister (mit biographischen und ergologischen D a t e n ) f ü r alle Bände Sachregister (mit Terminologie) f ü r alle Bände In Vorbereitung
Inhalt vom ersten B a n d : FRANS VAN COETSEM, Z u r
Entwicklung
der
germanischen
Grundsprache
-
JAMES
W.'.
M A R C H A N D , G o t i s c h - H A N S K U H N , A l t n o r d i s c h - H E R B E R T P I L C H , A l t e n g l i s c h - WILLY γ
KROGMANN, Altfriesisdi, Altsächsisch und Mittelniederdeutsch - A. VAN LOEY, Alt-:niederländisch und Mittelniederländisch - STEFAN SONDEREGGER, Althochdeutsch — GABRIELE SCHIEB, M i t t e l h o d i d e u t s d i - J O H A N N E S E R B E N ,
Frühneuhochdeutsch.
Das dreibändige Werk gibt einen zusammenfassenden Überblidc über die E n t w i c k l u n g und den gegenwärtigen Stand der germanischen Philologie bis 1500. N a m h a f t e Fach-igelehrte des In- und Auslandes stellen die Ergebnisse der sprach- und l i t e r a t u r w i s s e n i sdiaftlidien Forschung sowie die Sadi- und Kulturgeschichte der germanischen Einzel-1sprachen bis zum Beginn der Neuzeit in monographischen Beiträgen dar.
"Walter de Gruyter & Co · Berlin 30