Deutsche Rechtsgeschichte: Band 1 Recht und Verfassung [2., sehr verb. und verm. Ausgabe, Reprint 2021 ed.] 9783112601525, 9783112601518


223 11 76MB

German Pages 935 [961] Year 1858

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Deutsche Rechtsgeschichte: Band 1 Recht und Verfassung [2., sehr verb. und verm. Ausgabe, Reprint 2021 ed.]
 9783112601525, 9783112601518

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Deutsche ttechtsgeschichte.

Deutsche

Rechtsgeschichte von

Ferdinand Walter.

Zweite sehr verbesserte und vermehrte Ausgabe.

Erster Sand. Recht und Verfassung.

Als ich im Jahre 1824 die alten Volksrechte, Capitularien und Formelbiicher nach den damals bekannten Hülfsmitteln herausgab, geschah dieses zu einem doppelten Zwecke: einmal wollte ich dadurch einem allgemein gefühlten Bedürfnisse für das Quellenstudium des deutschen Rechts zn Hülfe kommen; dann aber sollte diese Arbeit znr Grundlage eines Werkes über die deutsche Nechtsgeschichte die­ nen, wozu schon damals der Plan entworfen war und womit ich in Verbindung mit meinen Vorlesungen über diesen Gegenstand fast unablässig beschäftigt geblieben bin. Der außerordentliche Fortschritt, den diese Wissenschaft während dieses langen Zeitraumes durch die neue Bearbeitung von Quellen und durch tief gehende Forschungen gemacht hat, hat einerseits die Ausführung meines Vorhabens durch die daraus hervorgchcnden höheren Anforderungen erschwert, ande­ rerseits aber auch dieselbe durch den Reiz gefördert, den eine solche sich gleichsam unter der Feder verjüngende Wissenschaft ausübt. Bei der Ausarbeitung wurde ich insbesondere von drei Ge­ sichtspunkten geleitet. Erstens sollte die Darstellung strenge nur auf die Quellen gestützt und bloßen Vermuthungen kein Raum gegeben sein. Es mag unangenehm berühren, wenn das täuschende und rei­ zende Bild, das nian sich von dem Wesen der alten Germanen ent­ worfen hat, vor der nüchternen Welt, wie sic in den Gesetzen und Urkunden auftritt, verschwinden muß. Allein diese Welt der Wirk­ lichkeit zeigt neben dem Vorzüge der historischen Wahrheit doch auch so viel Gemüth, Kraft und gesunden Verstand, daß man, wenn man

VI sie zu erforschen und zu verstehen sich nur die Muhe geben will,

den allerdings leichteren Weg der Verschönerung durch Dichtung nicht braucht.

Zweitens sollte die Ausführung sich nicht auf das Anti­

quarische beschränken, sondern sich überall bis an den Zeitpunkt fort­ bewegen, wo die Ausbildung der noch vorhandenen Rechtsverhält­

nisse beginnt.

In dieser dnrchgeführten Beziehung auf die Gegen­

wart liegt hauptsächlich der Nutzen, den die Nechtsgeschichte für die juristische Bildung gewährt.

Drittens endlich sollte die Darstellung

dazu beitragen, das noch so schwankende Verhältniß zwischen der

deutschen Nechtsgeschichte und dem deutschen Privatrechte zu fixiren. ES gehört zu den von der älteren Methode ererbten Fehlern, daß in

die Lehrbücher über das heutige deutsche Recht insgemein zu viel NechtsgeschichtlicheS und Veraltetes eingemischt und darüber die prak­

tische Seite mehr oder weniger vernachlässigt wird. Wie ich mir das Verhältniß Beider zu einander denke, ergiebt sich aus meinem 1855 erschienenen Lehrbuche über daS heutige deutsche Privatrecht, welches, strenge auf den praktischen Standpunkt beschränkt, gleichzeitig mit

diesem Buche ausgearbeitet worden ist, und welche Beide zusammen

gleichsain einen Cursus des deutschen Privatrechts ausmachen.

Bei einem Werke, welches sich in Form und Inhalt seine eigene Bahn zu brechen hat, war die genaue Begründung unmittelbar aus

den Quellen unerläßlich, wenn auch vielleicht dadurch der Schein der Ueberfüllnng entstanden ist. Jene Nothwendigkeit versteht sich meines

Erachtens so von selbst, daß ohne die Angabe der Quellen eine hi­ storische Darstellung, sei sie auch noch so glänzend, nicht für Män­ ner der Wissenschaft, sondern nur für Dilettanten Werth hat. Durch diese genaue Berücksichtigung der Quellen erhält dieses Buch auch

den Nutzen einer Sammlung von Urkunden und Beweisstellen, die in zahlreichen und ost schwer zugänglichen Werken zerstreut sind.

Eine große Schwierigkeit in der Behandlung der deutschen Ncchtsgeschichte besteht darin, sich nicht einerseits in das zu Unbestimmte

und Allgemeine, andererseits in das Partienläre und Oertliche zu

verlieren. Als Regel wurde festgehalten, das Partienläre nur so weit anfzunchmen, als es zur Verfassung des Reiches als Ganzes gehört.

VII Ans diesem Grunde wurde bei der Geschichte der Hcrzogthnmcr und

Pfalzgrafschaftcn inS Einzelne gegangen, weil ohne dieses die Reichs­ verfassung unverständlich bleibt.

Eben deshalb ist aber auch der

letzte Zeitraum in der Geschichte der Reichsverfassnng kürzer ausge­ fallen, weil nun die Verfassung des Ganzen wenige Veränderungen mehr erlitt, und die Verfassung der Territorien in den Vordergrund tritt, wovon hier nur die allgemeinen Umrisse zu bezeichnen waren.

Eine andere Schwierigkeit besteht darin, das reichhaltige Ma­

terial so zu ordnen, daß Alles

an seine rechte Stelle kommt, und

daß die Darstellung, indem sie einerseits das, was zu festen Formen gelangt ist, scharf zeichnet, andererseits doch auch der Bewegung und

fortschreitenden Entwicklung in der gehörigen Weise und Ordnung folgt.

Von dieser Schwierigkeit haben allerdings diejenigen keine

Vorstellung, welche diese Materialien, etwa mit einem trockenen Ab­ riß der Reichsgcschichte vermehrt, nach einem im Voraus entworfe­

nen Schematismus unter gewissen Perioden neben einander legen. Ein solches Verfahren ist aber aus dem Standpunkte der historischen

Kunst gar nicht eine Methode, sondern eine Registratur zu nennen. Der wichtigste Punkt unserer Rechtsgeschichte ist unstreitig, wie

schon Möser in seiner bewunderungswürdigen Vorrede bezeichnet hat,

die Reihe der Veränderungen, welche die germanische Freiheit bis zur Ausbildung der Landeshoheit durchmachen

mußte;

wohl die

größte Umwandlung, die je eine Nation erlebt, und die nicht blos

ans die Verfassung, sondern auch ans das Gerichtswesen, die Per­ sonen und das Grundcigcnthum gewirkt hat. Auf die Erklärung die­

ser langsam fortschreitenden Umwandlung und der Ursachen, die da­

bei zusammcngcwirkt, ist daher in den betreffenden Zeitabschnitten eine besondere Sorgfalt verwendet worden. Wo feste Zustände sind,

kommt auf einige Einzclnheitcn mehr oder weniger nichts an.

Die Quellen sind überall nach den neuesten Ausgaben citirt

worden; die langobardischen Gesetze nach der des Baudi a Vesme, jedoch so, daß die alte Citirart in Parenthesen bcigefügt ist.

Eine

Ausnahme macht nur die Lex der Anglicr von Merkel, weil diese wegen des Mangels durchlaufender Ziffern nur in einer sehr schwer-

VIII fälligen Form citirt werden kann. Diese Beobachtung diplomatischer Genauigkeit, die man doch selbst bei den Klassikern nicht festhalten

konnte, scheint mir etwas zu weit zu gehen, und es ist gewiß zu beklagen, daß durch den Mangel an einer bequemen Bezeichnung der

Absätze mit Ziffern die Handhabung von Grimms Weisthümern, von Gäschens Goslarer Statuten und von Frehbergs Augsburger Stadt­ recht und bayerischen Rechtsbüchern so erschwert ist. Auch bei einer

dringend nothwendigen neuen Handausgabe der Capitularicn ist auf

diesen Punkt Rücksicht zu nehmen. Neuere Schriftsteller sind durch­ gängig nur da angeführt, wo auf Streitfragen, oder auf Zusammen­

stellungen von Qucllenzeugnissen, oder auf Ausführungen zu verwei­ sen war, welche die Gränzen dieses Buches überschritten.

Stoff,

nicht Büchertitel, schienen mir die Hauptsache.

Die erste Ausgabe, welche 1852 und 1853 erschien, war in der Hoffnung geschrieben, damit zu einem gewissen Abschluß gekommen

zu sein. Allein erst als der Stoff gedruckt vorlag, wurden mir meh­ rere Mängel der Anordnung bemerklich. Dieses und fortgesetzte For­

schungen haben viele fast über alle Theile sich verbreitende Umän­ derungen und Verbesserungen zur Folge gehabt, worunter namentlich

auf die Lehren vom Bcncficialweseu und der Vasallität, von der Un­ freiheit und anderen Abhängigkeitsvcrhältnissen, von der Freilassung,

von der Schöffenbarfrcihcit, der Umgestaltung der Centgcrichte, von

der Vogtci und der Entwicklung der Landeshoheit aufmerksam ge­ macht werden darf. Bonn, den 25. März 1857.

(Die Ziffern bezeichnen die Paragraphen).

Einleitung. I. II. III. IV. V.

Aufgabe der deutschen Rechtsgeschichte .... 1. Quellen derselben . . . . . . 2. Hülfsmittel.................................................................................... 3. Geschichte der Bearbeitung ..... 4. Anordnung des Stoffes ...... 5.

Erstes Buch.

Recht und Verfassung. I.

Die ältesten Zeiten. A) Ursprung des deutschen Rechts B) Beschaffenheit der Nation. 1) Charakter und Beschäftigung 2) Zustand der Personen. a) Die Freien ..... b) Die edlen Geschlechter c) Die unfreien .... C) Verfassung. 1) Die Landesgemeinde und die Obrigkeiten 2) Das Recht und der Volksfriede 3) Die Familie und die Blutrache 4) Religion und Priesterthum 5) Kriegswesen. Gefolgschaften

6. 7. .

8.

. .

.

9. 10. 11. 12.

. 13. 14. . 15. 16. . 17. 18. . 19. 20. . 2t — 23.

X D) Entwicklung der königlichen Gewalt

.

.

.

.24.

25.

.

.

.

.26.

27.

28

29.

II.

Berührungen mit den Römern

III.

Bildung der germanischen Reiche im südlichen Europa.

A) Das Reich der Burgundier. 1) Art der Ansiedlung 2) Zustand der Rechtsquellen.

a) Die Lex der Burgundier

....

30.

...

31.

b) Die Ler der burgundischen Römer

....

3) Innere Einrichtungen

32.

B) Das Reich der Westgothen. 1) Art der Ansiedlung

33.

.....

2) Verfassung

34. 35.

3) Zustand der Rechtsquellen.

....

a) Das Recht der Westgothen

36.

b) Das römische Recht

....

c) Die gemeinschaftliche Rechtssammlung

...

37.

38.

C) Italien. 1) Das Reich der Heruler

39.

.

2) Das Reich der Oftgothen

.

.

.

3) Die Herrschaft der Oströmer

.

.

40.

....

4) DaS Reich der Langobarden. a) Art der Ansiedlung . .

' .

.

42. 43.

.

b) Verfassung

44.

....

c) Zustand der Rechtsquellen

41.

45.

46.

IV. Das fränkische Reich. A) Geschichte des Reiches. .

.

.

.

.

47.

48.

2) Theilungen und Erweiterungen

.

.

.

.49.

50.

1) Entstehung desselben

.

3) Die Erhöhung der Karolinger

.

4) Erweiterungen des Reiches

....

.

.

5) Die Herstellung des abendländischen Kaiserthums

51.

.

.

52. 53.

.

B) Elemente der Verfassung.

1) Die Bevölkerung

.....

54 -56.

2) Das Königthum. .

57—61.

b) Das Krongut

.....

62.

c) Der unterthanenverband

.

a) Bedeutung desselben.

d) Gefolgen. 3) Die Kirche.

Friede.

.

.

.

.

.

.63.

Antrustionen

....

Klöster.

.

Kirchengut

4) Zustand der Personen. a) Die Germanen b) Die Romer

Bann

.

.

.

.66.

.....

.

.

.

.

.

64. 65. 67.

68—70.

71.

72.

XI .

c) Die Abhängigkeitsverhältnisse

73-76. 77.

d) Verhältniß des Seniorates zum Kriegswesen 5) Die Vasallität und das Beneficialwesen.

79.

a) Entstehung der Vasallität

.

78.

h) Entstehung der Beneficien

.

80 — 83.

c) Verhältniß der Beneficien und der Vasallität zum Kriegs-

wesen

.

.....

»

84*

d) Persönliche Verhältnisse der Vasallität .

85.

6) Neuere Meinungen über die Vasallität und die Beneficien

86.

Cj Von der Reichsregierung.

1) Organe für das ganze Reich. 87.

....

a) Der König

.

88 - 90.

d) Die Reichs- und Hofbeamten

.

92 — 94.

e) Die Reichstage

.

95.

b) Art der Thronfolge

91.

c) Das Kaiserthum .... ....

96.

2) Verwaltung der einzelnen Theile. a) Die fränkische Gauverfassung

.

97—105.

b) Die fränkischen Herzoge und Markgrafen

.

106.

c) Die Immunitäten

.

108—116.

.

117-124.

.

125.

d) Verhältniß besonderer Volksstämme .

e) Die königlichen Sendboten

107.

3) Von den öffentlichen Einkünften und Lasten.

126.

a) Ertrag der Krongüter b) Steuern

127.

.....

c) Brüchten.

Weggelder.

d) Münzwesen

Zölle

128.

.

129.

....

130.

e) Naturalleistungen 4) Das Kriegswesen.

a) Der Heerbann

131 — 135.

.

....

136.

b) Mobilmachung des Reichsheeres . c) Vertheidigung der Gränzen und Küsten.

Landwehr

137.

.

138.

d) Verhältniß der Vasallität zum Kriegswesen e) Umwandlung der alten Einrichtungen

139.

.

140.

5) Leben und Sitten. a) Oeffentliche Sicherheit

141.

142.

b) Disciplin der Sitten

c) Wohllhätigkeitsanftalten

143.

.

144.

0. 8.

— die Grundlagen der früheren Verfassung Deutschlands. Leipzig 1836. 8. Weiße Geschichte der kursächsischen Staaten. Leipzig 1802. 7 Th. 8. Wigand das Femgericht Westphalens. Hamm 1825. 8. — die Dienste, ihre Entstehung, Natur, Arten und Schicksale. Hamm 1828. 8.

— Wetzlar'sche Beiträge. Wetzlar 1840. 3 Th. 8. Wilda das Gildenwesen im Mittelalter. Halle 1831. 8.

— bas Strafrecht der Germanen. Halle 1812. 8. (WöLkern) Historia Norimbergensis diplomalica. Nürnberg 1738. 8.

F. von Woringen Beiträge zur Geschichte des deutschen Strafrechts. Berlin

18'>6. 8.

Hat über wichtige Punkte neue richtige Ansichten begründet.

Witt mann das altgermanische Königthum. München 1854. 8. Zöpfl das alte Bamberger Recht. Heidelberg 1839. 8.

Ein sehr beachteus-

wertheö und lehrreiches Werk.

Ein Beitrag zur Kritik und Erläuterung ihres

— die Euua Chamavorum.

Textes. Heidelberg 1856. 8.

Verbesserungen. Seite

4. Zeile 11. v. u. statt höherer setze sicherer. 1856 — 1854. * „ 5. v. u.

16. 22.

10. v. u.

57.

3. v. u.

74.

14. v. u. 23. v. u.

75. 78. 79.

,,

,,

26. v. u. 20. v. u.

91.

24. v. u.

temporer — tempore.

Nandet — Naudet.

,,

German. Abhandl. — Lex Chamavorum.

56 — 55. vestrae — vestra. 3 — 13, Lehuiwou — Lehutzrou.

110.

11. v. u.

notatas — nolatis.

208.

17. v. o.

Amtes — Abtes.

247.

7. v. u.

281.

9. v. o.

13. - 131. besonderer — besouteres.

336.

22. v. u.

Aderlasses — Aderlassers.

XXIV Waitz Deutsche Verfassungsgeschichte. Kiel 1844. 2 Th. 8. — das alte Recht der Salischen Franken. Kiel 1846. 8.

— ueber die altdeutsche Hufe. Göttingen 1854. 4. — Ueber die Anfänge der Vassallität. Göttingen 1856. 4.

Alle diese Werke sind durch ihre strenge und umfassende Quellenfor­ schung sehr, ausgezeichnet.

Walch Vermischte Beyträge zu dem deutschen Recht. Jena 1771. 8 Th. 8. Wallraf Beiträge zur Geschichte der Stadt Köln. Köln 1818. 8. Warnkönig Französische Staats- und Rechtsgeschichte. Basel 1846. 3 Th. 8. Weiske Abhandlungen aus dem Gebiete des teutschen Rechts. Leipzig 18 >0. 8.

— die Grundlagen der früheren Verfassung Deutschlands. Leipzig 1836. 8. Weiße Geschichte der kursächsischen Staaten. Leipzig 1802. 7 Th. 8. Wigand das Femgericht Westphalens. Hamm 1825. 8. — die Dienste, ihre Entstehung, Natur, Arten und Schicksale. Hamm 1828. 8.

— Wetzlar'sche Beiträge. Wetzlar 1840. 3 Th. 8. Wilda das Gildenwesen im Mittelalter. Halle 1831. 8.

— bas Strafrecht der Germanen. Halle 1812. 8. (WöLkern) Historia Norimbergensis diplomalica. Nürnberg 1738. 8.

F. von Woringen Beiträge zur Geschichte des deutschen Strafrechts. Berlin

18'>6. 8.

Hat über wichtige Punkte neue richtige Ansichten begründet.

Witt mann das altgermanische Königthum. München 1854. 8. Zöpfl das alte Bamberger Recht. Heidelberg 1839. 8.

Ein sehr beachteus-

wertheö und lehrreiches Werk.

Ein Beitrag zur Kritik und Erläuterung ihres

— die Euua Chamavorum.

Textes. Heidelberg 1856. 8.

Verbesserungen. Seite

4. Zeile 11. v. u. statt höherer setze sicherer. 1856 — 1854. * „ 5. v. u.

16. 22.

10. v. u.

57.

3. v. u.

74.

14. v. u. 23. v. u.

75. 78. 79.

,,

,,

26. v. u. 20. v. u.

91.

24. v. u.

temporer — tempore.

Nandet — Naudet.

,,

German. Abhandl. — Lex Chamavorum.

56 — 55. vestrae — vestra. 3 — 13, Lehuiwou — Lehutzrou.

110.

11. v. u.

notatas — nolatis.

208.

17. v. o.

Amtes — Abtes.

247.

7. v. u.

281.

9. v. o.

13. - 131. besonderer — besouteres.

336.

22. v. u.

Aderlasses — Aderlassers.

Einleitung. 1.

Aufgabe der deutschen Rechtsgeschichte.

1. In der Geschichte der Völker haben bis zum neuen Welt­

theil hin zwei Rechte einen dauernden Einfluß ausgeübt: das römische und das germanische.

Ersteres, in einer sehr ausgebil­

deten Form und in geschloffenen Sammlungen überliefert, hat vorzüglich in einigender und ausgleichender Weise gewirkt. Letz­ teres, schon frühe in verschiedenen Zweigen aus einander gehend, hat in jugendlicher Bildungskraft eine reiche Mannichfaltigkeit

von Formen und Einrichtungen hervorgebracht, die sich nicht mehr als eine Einheit zusammenfaffen lassen. Den Ursprung des germanischen Rechts zu betrachten und dessen Entwicklung in dem Lande, welches man das deutsche Reich nannte, zu verfolgen, ist

die Aufgabe einer deutschen Rechtsgeschichte. Für das öffentliche Recht schließt dieselbe mit der Auflösung des deutschen Reiches ab. Für die übrigen Theile ist die Darstellung auf das rein deut­ sche Recht zu beschränken. Die Betrachtung, wie das römische und

kanonische Recht auf deutsche Rechtsinstitute eingewirkt haben, ist, als von der wissenschaftlichen Behandlung des praktischen Rechts unzertrennlich, in die Werke über das noch geltende deut­

sche Privat-, Proceß- und Strafrecht zu verweisen *). 1) unser heutiges Recht ist aus deutschem, römischem und kanonischem Recht zusammengesetzt, um diese merkwürdige Mischung zu verstehen und mit sicherem Tacte in der Anwendung zu beherrschen, ist zweierlei erforderlich: er­ stens muß man jeden Bestandtheil rein für sich kennen; zweitens muß man die­ selben auch in dem Gange ihrer Mischung verfolgen. Ersteres ist hinsichtlich des germanischen Elementes die Aufgabe dieses Werkes, und es ist darin regel­ mäßig jede Lehre bis zu dem Punkte geführt, wo die Einwirkung der anderen Elemente beginnt. Letzteres ist die Aufgabe der Dogmengeschichte, die also al­ lerdings ein schlechthin unentbehrlicher Bestandtheil unserer heutigen juristischen Bildung ist. Diese Dogmengeschichte habe ich für die deutschrechtlichen Institute Walter'- deutsche Rechtsgeschichte I. 2te Auflage. i

L II. 2.

Quellen der deutschen Rechtsgeschichte.

Die Quellen, woraus jene Darstellung zu schöpfen ist,

sind zunächst die alten Gesetze und Rechtsbücher selbst, wovon

im ersten Buche die Rede sein wird 9. Eine wichtige Ergänzung derselben sind die Urkunden, deren es eine fast unübersehbare Zahl

giebt 2*). 1 Zur großen Erleichterung dienen jedoch die Formelsamm­ lungen, worin die Muster, wonach die wirklichen Urkunden ab­ gefaßt wurden, enthalten sind 3). 4 Für die Kaiserurkunden hat man jetzt ein sehr wichtiges Hülfsmittel an den davon edirten

Regesten oder Verzeichnissen mit kurzer Inhaltsangabe3).

Sehr

nützlich wäre es auch, wenn man den juristischen Inhalt der auf

in meinem Deutschen Privatrecht, und in Umrissen für das ganze Gebiet der Jurisprudenz in meiner Juristischen Encyclopädie bargestellt. Wenn man aber die Rechtsgeschichte und die Dogmengeschichte in einem und demselben Werke verbinden will, so führt dieses eineslhetts zu einer zu großen ueberfüllung des Stoffes, anderntheils zu Wiederholungen, indem in den Werken und Vorlesungen über das heurige praktische Recht nothwendig die Dogmengeschichte wieder vor­ kommen muß. llnbegrünbet ist daher der in der dritten Auflage von Phillips Rechtsgeschichte §. 1. Note 1. ausgesprochene Vorwurf, baß durch jene Trennung „diese Disciplin grade einer ihrer wichtigsten Ausgaben beraubt werde." Merk­ würdig ist dabei, daß dasjenige, was mein gelehrter Freund in diesem Werke ta­ delnd vermißt, in dem seinigen noch weit weniger zu finden ist. Man vergleiche zum Beispiel die Lehre von den Erbverträgen, vom gerichtlichen Verfahren, vom Srrafproceß. 1) Sammlungen derselben für die alte Zeit bis ins zehnte Jahrhundert sind: Canciani Barbarorum leges anliquae. Venet. 1781—92. 2 vol. foL, Waller Corpus iuris germanici anliqui. Berol. 1824. 3 vol. 8. Diese von mir edirte Sammlung ist zur Zeit die vollständigste. Der Anfang einer neuen vortrefflichen Ausgabe ist: l’erlz Monumenla Germaniae hislorka. Legum Tom. I. 1835. Tom. 11. 1837. Nach dieser Ausgabe, so weit sie geht, wird hier citirt werden. Eine Sammlung für Rechrsquellen des Mittelalters ist: König de Königslhal Corpus iuris germanici publici ac privali hactenus Ineditum e bibliolheca Senckenbergiana. Francos. 1760. 2 vol. fol. 2) Die Titel der allgemeinen und localen urkunbensammlungen sind in den Werken von Eichhorn, Phillips, Zöpfl und Hillebrand genannt. 3) Von den Sammlungen dieser Art wird im ersten Buch an den ein­ schlagenden Stellen die Rede sein. Die älteren Formelsammlungen findet man am vollständigsten in der von Canciani und in der von mir herausgegebenen Sammlung (Note 1). 4) Es erschienen bis jetzt von 3« Fr. Böhmer folgende sich aneinander anschließende Sammlungen: Die Urkunden der Karolinger 1833; die Urkunde» von Conrad 1. bis Heinrich Vll. (911 —1313) 1831; dann in zweiter Aus­ gabe die Urkunden unter Philipp bis Conrad IV. (1198— 1254) 1849, und die Urkunden unter Heinrich Raspe bis Heinrich Vll. (1246—1313) 1844, mit einem Additamentum 1849; ferner die Urkunden unter Ludwig dem Baiern, Friedrich und Johann (1314—1347) 1839, mit zwei Additamenten 1841 und 1843. Ferner edirte I. Chmel die Regesten vv« Ruprecht (1400—1410) 1834, und von Friedrich 111. (1439—1493) 1838.

3

ein bestimmtes Territorium bezüglichen Urkunden in systematisch

geordneten Auszügen zusammenstellte5 6).

Weniger ergiebig sind

für die deutsche Rechtsgeschichte die Geschichtschreiber6), wovon

es mancherlei Sammlungen giebt7). III.

3.

Hülfsmittel.

Unentbehrlich für die deutsche Rechtsgeschichte ist die

Kenntniß der Sprachen des Mittelalters, sowohl der ausgearte­

ten lateinischen Sprache als der deutschen Sprache in ihren ver­ schiedenen Mundarten. Für erstere dient das Glossarium, welches Dufresne, auch Ducange genannt, 1678 in drei FoliobLnden, dann mit vielen Vermehrungen die Benediktiner 1733 in sechs Foliobänden Herausgaben. Einen Nachtrag lieferte Carpentier 1766 in vier Foliobänden. Alles dieses ist nun in einer neuen bequemen Ausgabe verbundenFür die alte deutsche Sprache und Mundarten giebt es vielerlei Glossarien7).

Die Kenntniß

der Rcichsgeschichte muß bei der Rechtsgeschichte vorausgesetzt werden. Auch steht diese mit der Sittengeschichte in der engsten

Verbindung. Hingegen wird der viel gepriesene Nutzen, den ihr die Vergleichung der fremden Rechte germanischen Ursprungs ge­

währen soll, durch den Nachtheil Überboten, welchen die Zersplit­ terung der Kräfte einem Stoffe gegenüber mit sich führt, wobei eS schwer ist, auch nur die Masse der einheimischen Quellen zu bewältigen und der Darstellung einzuverleiben ’)• 5) Ein nachahmungswerther Versuch dieser Art ist: C. F. W. I. Häberlin Systematische Bearbeitung der in Meichelbeck's Historia FrisingenstS ent­ haltenen Urkundensammlung. Berlin 1842. 6) Verzeichnisse derselben findet man bei Dahlmann Quellenkunde der deutschen Geschichte. Göttingen 1838. 7) Zu einer vollständigen Sammlung derselben bis zum Jahre 1500 ist bestimmt: Perlz Moiiumenla (iermaniae hislorica. Scriplorum lom. I — X11. 1826—56. Nach dieser Ausgabe wirb hier citirt werde». Das Nachschlagen darin wird wesentlich erleichtere durch: Pertz Inhaltsverzeichnisse der zehn ersten Bande der Mouumenla Germaiiiae. Hannover 1818. Auch steht ein solches Verzeichniß vor dem zwölften Baude. 1) Glossarium mediae et infimae laünitali* — digessii G. A. L. Hen­ schel. Parisiis 1840—50. 7 vol. 4. 2) Für das Juristische ist besonders wichtig und brauchbar: Haltaus Glossarium germanicum niedii aevi. l.ipsiae 1758. 2 vol. lol. 3) Das germanische Recht, obschon aus derselben Wurzel hervorgegan­ gen , entwickelte sich bei jedem Volksstamm unter der Einwirkung localer Ver­ hältnisse in so eigenthümlicher Weise, daß von einem Volke auf das andere

4 IV.

4.

Geschichte der Bearbeitung.

Die Rechtswissenschaft wurde im Mittelalter von dem

römischen und kanonischen Rechte so völlig beherrscht, und auch

bei deren Behandlung

fehlte es so sehr an allem historischen

Geiste, daß über die eigene Vorzeit eine völlige Dunkelheit herrschte, in welcher die abenteuerlichsten Vorstellungen

Spiel hatten.

um so freieres

Daß man gegen Jene nicht völlig gleichgültig

war, zeigen die Abschriften, die fortwährend von den alten Ge­ setzen und Geschichtschreibern genommen wurden. Nachdem diese seit dem sechzehnten Jahrhundert durch den Druck allgemeiner

zugänglich gemacht worden waren, regte sich bald der Geist rechts­

historischer Forschung, wovon die von Lehmann 1612 herausge­ gebene Chronik von Speyer ein ehrenvolles Zeugniß giebt.

Auf

diese und andere Hülfsmittel gestützt gelang es Hermann Con­ ring in seinen Origines iuris Germanici 1645 von dem Ursprung

und Fortgang des deutschen Rechts die erste zusammenhängende Darstellung zu entwerfen, welche daher für diese Wissenschaft die Bahn eröffnete und lange das einzige Werk dieser Art war.

Die geschichtliche Forschung wandte sich aber vorzüglich dem

deutschen Staatsrecht zu, weil die eigenthümlichen Verwicklun­ gen der deutschen Verfassung es häufig nöthig machten, auf die Vorzeit zurückzugehen. Die Werke von Pfeffinger (t 1730) und B. G. Struv (t 1738) sind wegen der reichen Excerpte aus den alten Quellen, welche sie in systematischer Form zusammen­

gestellt enthalten, noch jetzt sehr brauchbar.

Dann wurde die

Verfaffungsgeschichte in Verbindung mit der deutschen Reichsge­

schichte dargestellt von Häberlin 1767 und Pütter (t 1807). Durch Bearbeitung einzelner Punkte des Reichsrechts zeichneten sich aus nur dann ein höherer Schluß gezogen werden kann, wenn die Gleichartigkeit der Zustände dargethan ist, woran es aber insgemein fehlt. Durch das Zusammenstellen vereinzelter aus dem Zusammenhang gerissener Notizen wird we­ nig gewonnen. Es wirb nicht leicht ein erheblicher Fall namhaft gemacht wer­ den können, wo eine Dunkelheit auf diesem Wege mit Sicherheit aufgeklärt worden wäre. Durch dieses Urtheil soll übrigens an dem Werth und Interesse der Forschungen nichts geschmälert werden, die auf ein fremdes Recht abgeson­ dert für sich gerichtet sind. Aber erst wenn diese so weit geführt sind, baß ein Recht in seinem ganzen Organismus und Entwicklungsgang vollkommen anschau­ lich dargelegt ist, ist von der vergleichenden Rechtsgeschichte ein wahrer Nutzen zu erwarten.

5 Senckenberg (f 1768), D. G. Strube Ct 1775), Olenschläger (t 1776),

Günderode (t 1786) und Andere.

Die Geschichte

des Privatrechts bearbeitete nach einigen schwachen Vorgängen Heineccius (t 1741), theils in Verbindung mit dem praktischen

deutschen Recht, theils in einem blos den Reichsantiquitäten be­

stimmten unvollendeten Werke,

welches erst nach seinem Tode

erschien. Mittlerweile waren Schilter (t 1705), Grupen (t 1767),

Buri (t 1767), Senckenberg (t 1768), Estor (t 1773), Strube (t 1775), Fischer (t 1797), Dreyer (t 1802), für die Erläu­

terung deutscher Rechtsalterthümer in verschiedenen Formen und Richtungen thätig. Weniger wirkten auf die damaligen Juristen die Werke von Justus Möser (t 1794),

welche noch jetzt ohn-

geachtet mancherlei Irrthümer durch ihren Geist und unnachahm­ lichen Ausdruck für das innere Verständniß der deutschen Zu­

stände nicht genug zn empfehlen sind.

Ein gründliches Werk

über die Geschichte der deutschen Rechtsquellen lieferte C. G. Diener 1787 bis 1795.

Aus allen diesen Vorarbeiten

begann

Eichhorn 1808 seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, welche anfangs fast nur eine Compilation und in einer Form, die zu­

letzt vom Verfasser selbst als fehlerhaft erkannt wurde, im Fort­ gang des Werkes und der neuen Auflagen sich zu gründlichen selbstständigen Forschungen erhob, und durch die Zusammenstel­

lung des ganzen hieher gehörenden Stoffes eine nachhaltige Wir­ kung hervorbrachte.

Ihm sind andere fleißige Forscher gefolgt,

deren Jeder in seiner Weise zur Bereicherung dieser Wissenschaft

beigetragen hat^). Von ihm mehr unabhängig schrieben über einzelne Materien der Abt Montag (t 1811), dessen Werk lange

zu wenig beachtet worden, Kindlinger (f 1819), Bodmann (f 1820), Hüllmann (t 1846).

nahm Jacob Grimm in

Einen ganz eigenthümlichen Weg

seinen Deutschen

Rechtsalterthümern

1828, welche durch die anziehende Verbindung des Rechts mit

der Sprache, Sitte und deutschen Gemüthsart den Reiz dieses 1) Hieher gehören: Phillips Deutsche Geschichte mit besonderer Rücksicht auf Religion, Recht und Verfassung. Berlin 1832. 2 Th., Desselben Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte. München 1845. 3. Ausl. 1856., Zöpfl Deutsche Staats - und Rechtsgeschichte. Heidelberg 1834. 2. Aufl. 1844. 2 Th., Hille­ brand Lehrbuch der deutschen Staats - und Rechtsgeschichte mit Ausschluß der Geschichte der Privatrechtsinstitute. Leipzig 1836.

— 6 Stoffes wesentlich belebt haben, jedoch für das eigentlich Ju­ ristische keineswegs ausreichend). Es herrscht jetzt auf diesem Gebiete in allen Theilen eine große Thätigkeit, welche die er­ freulichsten Erfolge verspricht *). V.

Anordnung des Stoffes.

8. Wenn man auch von einer Darstellung der deutschen Rechts­ geschichte das, was dahin nicht gehört, insbesondere die Volks­ geschichte und das Kirchenrecht ausschließt, so bleibt doch noch ein so reichhaltiger Stoff übrig, daß auf die Anordnung dessel­ ben große Sorgfalt zu verwenden ist. Die steife Eintheilung nach allgemeinen Zeitabschnitten, welche Hugo bei der römischen Rechtsgeschichte versucht und Eichhorn für die deutsche Rechts­ geschichte nachgeahmt hat, nöthigt zu Unterbrechungen und Wie­ derholungen, wodurch die Kraft der Darstellung und die Einsicht in den inneren Entwicklungsgang der RechtSinstitute größtentheils verloren gehtDer Stoff läßt sich, wie auch Grimm und Zöpfl erkannt haben, in vier Hauptthcile zerlegen: Recht und Verfas­ sung, das bürgerliche Recht, die Rechtspflege, das Strafrecht. 2) Eine neue Ausgabe erschien 1854, die jedoch nur ein bis auf die Sei­ ten und Zeilen unveränderter Abdruck ist. Dieses ist zu beklagen; denn bei einer so rasch fortschreitenden Wissenschaft ist jeder Stillstand ein Rückschritt. 3) Die sehr genaue Angabe der Litteratur findet mau in dem leider nicht vollendeten Werke von Gengler Deutsche Rechtsgeschichte im Grundrisse. Erlangen 1853. Das wichtigste Neue findet man auch in dem vorstehenden Verzeichnisse. 1) Sehr richtig sagt Waitz deutsche Verfassungsgeschichte II. 591: Eine Geschichte des deutschen Rechts, welche ohne Staatsgeschichke zu sein mit Rück­ ficht auf die politischen Veränderungen ausführlich Die Umwaiidelungeii in Den Rechtsgrundsätzen darstellte, wäre eine wichtige Aufgabe, die durch Eichhorn in keiner Weise gelöst worden ist.

Erstes Buch.

Recht und Verfassung. I.

Die ältesten Zeiten.

A) Ursprung des deutschen Rechts.

6. Die Geschichte des deutschen Reiches und seiner Einrich­ tungen hebt an bet den Völkern, welche, nachdem die römische

Herrschaft von Julius Cäsar bis an den Rhein, von Augustus

bis an die Donau erweitert worden, im inneren Deutschland durch Tapferkeit und Klugheit ihre Unabhängigkeit zu behaupten ver­ standen.

Die Völkerschaften deutschen Ursprungs, welche, wie

anS Cäsars Berichten hervorgeht, schon geraume Zeit vor ihm auf dem linken Ufer des Rheines Sitze eingenommen hatten oder nach ihm dahin verpflanzt wurden, erlagen dem Uebergewicht der

römischen Bildung und politischen Einrichtungen, und haben auf das Recht und die Verfassung keinen sichtbaren Einfluß ausgeübt. Sie lebten nur fort in den Namen des oberen und unteren, oder

später des ersten und zweiten Germaniens, welche die Römer in ihrer Provinzialverfaffung diesen Landstrichen beilegten. 7. Gegen das Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeit­

rechnung, wo mit Tacitus die genaueren Nachrichten beginnen, war das Land von der Donau und dem Rheine bis zum Ocean

und östlich bis zur Weichsel und den Carpathen von deutschen

Völkerschaften bewohnt1 2).

Hier waren sie schon lange seßhaft

und jede Kunde ihrer Einwanderung verschollen2). Obwohl ohne politische Verbindung neben einander wohnend und durch ihre

Namen unterschieden, bezeugte doch die Verwandtschaft ihrer 1) Tacit. Germ. 1. 2) Tacit. 2. Ipsos Germanos indigenas crediderim.

8 Sprache, Sitten und Religion die Einheit ihrer Abstammung 3),4 und auch ihre Sagen wiesen darauf zurück ').

Eie stellten sich

selbst durch die merkwürdige Uebereinstimmung ihrer Körperbil­ dung als ein eigenthümliches unvermischtcs Völkergeschlecht dar5).6 Zwischen ihnen und den Galliern oder Kelten beobachtete Julius Cäsar in den Sitten und bürgerlichen Einrichtungen große Ver­ schiedenheiten^), was jedoch eine ursprüngliche Stammverwandt­

schaft nicht ausschließt7).8

Ob sie sich mit einem gemeinsamen

Namen bezeichneten, ist ungewiß.

Der Name Germanen rührt

nicht von ihnen selbst, sondern aus dem Munde der Gallier oder

Römer her3). B) Beschaffenheit der Nation.

8.

1) Charakter und Beschäftigung.

Die Deutschen erscheinen schon in den Nachrichten des

Cäsar und Tacitus als Völker von eigenthümlichen Naturanla­ gen, und ihre Gebräuche und Einrichtungen zeigen bei ihrer Ein­

fachheit eine Kraft und Würde und selbst eine kluge Berechnung, welche eine gewisse Bildung und Nachdenken voraussetzt'). Die Charakterzüge, die auch in ihrem Rechte hervortreten, sind ernste

Religiosität7), ein stolzer spröder Freiheitssinn3), Treue gegen 3) Tacit. 43. Marsigni et Burii sermone cultuque Suevos referunt. Gothinos Gallica, Osos Pannonica lingua coarguit non esse Germanos. 4) Tacit. 2. Celebrant carminibus anliquis — Tuisconem (al. Tuistonein), De um terra editum, et filium Mannum, originem gentis conditoresqiie. 5) Tacit. 4. Ipse eorum opinionibus accedo, qui Germaniae populos, nullis aliis aliarum gentium connubiis infectos, propriam et sinceram et tantum sui similem geniern exslilisse arbitrantur, unde Habitus quoque corporum, quanquam in tanto hominum numero, idem: Omnibus truces et caerulei oculi, rulilae comae, magna corpora et tantum ad impetum valida: laboris otque operuin non eadem palientia : minimeque sitiin aeslumque tolerare, frigora atque inediam coelo solove assueverunt. 6) Caesar de bello Gall. VI. 11—23. 7) Dieses ist eine noch schwebende große Streitfrage, die ihre Lösung nur von der Sprachforschung erhalten kann. Für die Stammverwandtschaft streitet mit wichtigen Gründen Holtzmann Kelten und Germanen. Stuttgart 1855. 8) Tacit. 2. Caeterum Germaniae vocabulum recens, et nuper additum: quoniam , qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerint, ac nunc Tungri, tune Germani vocali sink Ila nationis noinen, non gentis evaluisse paulalim , ut omnes primum a Victore ob melum , mox a se ipsis invento nomine Germani vocarentur. — Die Auslegung dieser Stelle macht viel zu schaffen. Auf die Gallier als Urheber des Namens deutet sie Waitz Verfass. 1. S. XII. Auf die Römer deutet sie Holtzmann S. 40—51. 1) Tacit. 30. Mui tum ut inter Germanos rationis ac sollertiae. 2) Tacit. 9. 10. 39. 40.

9

eingegangene Verpflichtungen^), Wahrhaftigkeit, Offenheit, Hei­ terkeit und Gemüthlichkeit5).

Krieg und gefahrvolle Unterneh­

mungen, waren ihre ?uft6); im Frieden Sagt,7) und Gelage^),

wechselnd mit träger Ruhe v). Der hauptsächliche Nahrungszweig

war Viehzucht und Ackerbau, den sie jedoch aus Trägheit lässig betrieben10). Diese Lebensweise und vieles Andere weist auf fe­

sten Grundbesitz hinn).

Zum Anbau des Landes wohnten sie

theils auf einzeln stehenden Höfen theils in Dörfern.

Städte

gab es bei ihnen nichts), höchstens verschanzte Plätze"). Handelsverkehr war unbedeutend ").

Der

Die nöthigen Geräthschaf-

ten, Waffen, Kleidungsstücke wurden ohne Kunst"), größtentheils mit eigener Hand und von den Weibern und Leibeigenen ")

verfertigt.

Einheimisches Geld hatte man nicht; man brauchte

als Tauschmittel rohes Gold und Silber, theilweise auch römi­ sche Münzen 17). 2) Zustand der Personen,

9.

a) Die Freien.

Das Volk bestand aus den freien waffenfähigen Män­

nern, die ihren Höfen als Herren und Eigenthümer vorstanden *). 3) Ta eit. 11. Illud ex libertate vitium. — Hist. V. 25. Sibi non tri. bula sed virtulem et viros indici, proximum id libertati. 4) Tacit. 24. Ipsi fidcm vocant. 5) Tacit. 22. Gens non astuta nec callida aperit adhuc secreta pe­ ctoris licentia ioci: ergo detecla et nuda omnium mens. 6) Tacit. 14. Iners videtur sudore acquirere, quod possis sanguine parare. 7) Caesar de bello Gall. IV. 1. VI. 21. 8) Tacit. 14. 22. 9) Tacit. 15. Dediti somno ciboque — hebent mira diversitate naturae, qunm iidem homines sic ament inertiam et oderint quielem. __ 17. Totos dies iuxta focum atque ignem agunt. — 45. Pro solila Germanorum inertia. 10) Caesar de bello Call. IV. 1. VI. 22., Tacit. 15. 45. 11) So namentlich die ueberlassung von Ländereien an ihre Knechte zur eigenen Bewirthschaftung, Tacit. 25. 12) Tacit, 16. 13) Oppida, castella, Tacit. ann. I 36. 56. 57. XII. 27. 29. 14) Caesar de bello Gall. IV. 2., Tacit. 5. 23. 41. 15) Tacit. 6. 17. 16) Tacit. 25. Frumenti modum dominus aut pecoris aut vestis ut colono iniungit. 17) Tacit. 5. 1) Die Beweise liegen in dem Geiste und Zusammenhang der uns be, kannten Einrichtungen jener Zeiten, WaiH Verfass. 1, 32—39.

10 Diese lebten hier erfüllt von dem Gefühl der Unabhängigkeit, die ihnen ihre Lage gewährte, und die sie eifersüchtig bewachten. In dem Umfange ihrer Hofwehre keinem fremden Willen Unterthan herrschten sie darin über Weib, Kinder und Gesinde mit dxm vollen Ansehen und dem abgemessenen Ernste des Hausvater-2).3 4 5 Freiheit hieß ihnen, nur dm Obrigkeiten zu gehorchen, die sie in der Landesgemeinde gewählt, und nur von ihres Gleichm nach dem Herkommen und den Gesetzen gerichtet zu werden, die sie gemeinschaftlich beschlossen hattm. Der Schmuck dieser Freiheit war da- mit ihr verbmidme Waffenrecht. Zu allm wichtigen Handlungen und Festlichkeiten giengen sie daher bewaffnet H, und durch die Wehrhaftmachung, welche feierlich unter Zustimmung der versammelten Gemeinde geschah, wurde der Jüngling in das öffentliche Leben eingeführt'). Don dieser echten Freiheit hieng der ganze Begriff von Ehre ab. Wer kein Grundeigenthum hatte, konnte zwar im natürlichen Sinne frei heißen; allein er hatte kein bürgerliches Haupt, keine Stimme in der gemeinen Versamm­ lung ; er regierte nicht mit, sondern wurde blos regiert; er war also der Landesgemeinde Unterthan und kein wahrhaft freier Mann mehr&). b) Die edlen Geschlechter.

10. Unter den Freien ragten einzelne edle Geschlechter her­ vor l). Ihr Ansehen ruhte auf dem Glauben, daß edles Blut 2) Tecit. 19. 25. 3) Ta eit 13. Nihii eutcm neqae publicae neque privatae rei nisi arm alt agunL — 22. Ad negotia nec minus saepc ad convivin procedunt artnati. Davon hat sich der Degen bei der Hoftracht bis auf unsere Tage erhalten. 4) TaciL 13. Arma sumere non ante cuiquam moris, quam civitas suffectnrum probavefit. Tum in ipso concilio vel principum aliquis vel pater vel propiuquns sculo frameaque iuvenem ornant, haec apud illos toga, hic primus iuventae bonos: ante hoc domus pars videntur, mox reipublicae. Diese Stelle ist sehr wichtig und folgereich. 5) Auch der wehrhaft erklärte Sohn erhielt dadurch noch nicht Stimme in der Gemeinde, wenn der Vater ihm nicht Land abtrat, Math Verfass.!. 39—42. 1) Tacit. 25. Super ingenuos et super nobiles. — 44. Neque nobilem neque ingenuum. Andere Zeugnisse findet man bei Waip Verfass. I. 65 —69. Dadurch werden diejenigen widerlegt, welche daS Dasein eine- eigent­ lichen GefchlechtsadelS in der ältesten Zeit läugnen: so Wilda in Richter- Jahr­ büchern 1837. S. 335., Sachße Staatöleben 8. 19., Göhrum ssbmbürtigkeit I. $. 4., Landau Territorien S. 332.

11 auch edle Eigenschaften mittheile2).

Sie bildeten daher einen

von den gemeinen Freien im Eherecht3) und durch ein höheres Wehrgeld4)5 6unterschiedenen 78 erblichen Stand; die edlen Jüng­

linge zeichneten sich vor Allem durch Kriegs- und Thatenlust auäö);

und selbst der eben erst wehrhaft Gewordene aus einem besonders

edlen Geschlechte wurde bei der Aufnahme ins Gefolge vom Häupt­ ling einer höheren Stellung gewürdigt unde poalea nulle eaaet intentio, aicut et factum est, et subler leguutnr Capitale. 7) Gut handelt von diesen Stücke« Baudi a Veanie p. XC^CIIL Be­ sonder- cDirt sind dieselben von ihm p. 193—196. 8) Die Natur derselben -eigen folgende Beispiele. L. Llutpr. 139 In nomine Domini notitia qualiter iubit domnus rex ad omnis aclores suoa, qui curtis eins comiasas hab ent. — 140. Hoc autem in diebus nostria el in tempore regni noalri alatuimus, quamquam lex noatra non eil; post autem noatrum deceaaum qui pro tempore princeps fueril facial aicut el Deus inapiraveril, aut. aicut reclum aecundum animam auam providerit. 9) Beispiele sind L. Rach. 13. 14 (10. 11). Diese haben die ueberschrift: lata quae euperius scripta lenenlur, in Edictum scribantur: et isla duaa capilula de aublua in brevi previdimua atatuere. 10) Die beste Ausgabe dieser Sammlung ist nun die von Dandi de De-me

51 ser Sammlung wurde später eine für Salerno bestimmte grie­ chische Uebersetzung veranstaltet IV.

Das Reich der Franken.

A) Geschichte desselben.

1) Entstehung.

47. Unter den Völkervereinen, welche im dritten Jahrhun­ dert die römischen Gränzen am Mittel- und Niederrhein bedräng­

ten , werden im Jahr 241 die Franken erwähnt Bei ihren weiteren Begebenheiten treten sic wie zwei von einander unab­ hängige Stämme auf. Der Eine besetzte unter dem Namen Sa­ lier die batavische Insel und das südlich daran gränzende Toranbrüit2*),1 war jedoch hier im vierten Jahrhundert lange Zeit den Römern Unterthan und kriegspflichtig 3). Im fünften Jahrhundert aber hatten sie nicht nur jenen Landstrich von der römischen Herr­ schaft frei gemacht^), sondern sie erweiterten auch durch Erobe­ rung das Gebiet ihrer Ansiedlungen, zuerst wie es scheint bis zur Leye und Silva Carbonaria, dann 445 bis zur Somme3).5 Der andere Stamm gründete im fünften Jahrhundert unter dem Na­ men der Ripuarier 6) ein Reich, dessen König in Cöln residirte und welches sich längs der Ufer des Rheines bis an die Maas und Mosel erstreckte. Unstreitig standen mit demselben auch die Franken tut inneren Deutschland in Verbindung, deren Sitze nörd­ lich an die Friesen und Sachseiy östlich an die Thüringer, süd­ lich am Main und Neckar an die Alamannen gränzten. 48. Von dem Gebiete der Salier aus geschahen die Ero­ berungen, wodurch das große fränkische Reich gegründet wurde.

(Note 1). Em Abdruck dieses Tertes erschien von Nelgedaur ju München 1855. Zn der Vorrede des Vesme ist genau von den Handschriften und früheren Aus­ gaben gehandelt. Eine gute Uebersicht giebt davdtr Anschuß in der (Münchener) Kritischen ueberschau IV. 248—28*. 11) Zachariae sragmenla versionis Graecae kgum Rolharis. Heidelb. 1835. 1) Vopisc. Aurelian. 7. 2) Amni. Mare. XVII. 8,3. Quibus paralis (lulianus) pclit piimos omni uni Francos, eos videlicet, auus consueludo Salios adpellavit , ausos olim in Romano solo apud Toxandtiain locum habitacula sibi fingere praelicenler. 3) Amm. Marc. XVII. 8,4. Liban. epilaph. in lulian. I. 546. Reisk., Zosimus 111. o. Die näheren Bedingungen lassen ftd) daraus nicht erkennen. 4) Dieses zeigen die Namen der römischen Gränzftationen in deb nolilia dignilalum Occid. cap. 40. §. 4. 5) Gregor. Turon. II. 9. 6) lordanis c. 36.

51 ser Sammlung wurde später eine für Salerno bestimmte grie­ chische Uebersetzung veranstaltet IV.

Das Reich der Franken.

A) Geschichte desselben.

1) Entstehung.

47. Unter den Völkervereinen, welche im dritten Jahrhun­ dert die römischen Gränzen am Mittel- und Niederrhein bedräng­

ten , werden im Jahr 241 die Franken erwähnt Bei ihren weiteren Begebenheiten treten sic wie zwei von einander unab­ hängige Stämme auf. Der Eine besetzte unter dem Namen Sa­ lier die batavische Insel und das südlich daran gränzende Toranbrüit2*),1 war jedoch hier im vierten Jahrhundert lange Zeit den Römern Unterthan und kriegspflichtig 3). Im fünften Jahrhundert aber hatten sie nicht nur jenen Landstrich von der römischen Herr­ schaft frei gemacht^), sondern sie erweiterten auch durch Erobe­ rung das Gebiet ihrer Ansiedlungen, zuerst wie es scheint bis zur Leye und Silva Carbonaria, dann 445 bis zur Somme3).5 Der andere Stamm gründete im fünften Jahrhundert unter dem Na­ men der Ripuarier 6) ein Reich, dessen König in Cöln residirte und welches sich längs der Ufer des Rheines bis an die Maas und Mosel erstreckte. Unstreitig standen mit demselben auch die Franken tut inneren Deutschland in Verbindung, deren Sitze nörd­ lich an die Friesen und Sachseiy östlich an die Thüringer, süd­ lich am Main und Neckar an die Alamannen gränzten. 48. Von dem Gebiete der Salier aus geschahen die Ero­ berungen, wodurch das große fränkische Reich gegründet wurde.

(Note 1). Em Abdruck dieses Tertes erschien von Nelgedaur ju München 1855. Zn der Vorrede des Vesme ist genau von den Handschriften und früheren Aus­ gaben gehandelt. Eine gute Uebersicht giebt davdtr Anschuß in der (Münchener) Kritischen ueberschau IV. 248—28*. 11) Zachariae sragmenla versionis Graecae kgum Rolharis. Heidelb. 1835. 1) Vopisc. Aurelian. 7. 2) Amni. Mare. XVII. 8,3. Quibus paralis (lulianus) pclit piimos omni uni Francos, eos videlicet, auus consueludo Salios adpellavit , ausos olim in Romano solo apud Toxandtiain locum habitacula sibi fingere praelicenler. 3) Amm. Marc. XVII. 8,4. Liban. epilaph. in lulian. I. 546. Reisk., Zosimus 111. o. Die näheren Bedingungen lassen ftd) daraus nicht erkennen. 4) Dieses zeigen die Namen der römischen Gränzftationen in deb nolilia dignilalum Occid. cap. 40. §. 4. 5) Gregor. Turon. II. 9. 6) lordanis c. 36.

62 $m Jahr 480 erweiterte Chlodevich die fränkische Herrschaft durch die Unterwerfung des Reiches des Syagrius bis an die

Seine, in den folgenden Jahrm über die letzten Reste der römi­

schen Herrschaft in Armorica biS an die Loire, und verlegte da­ her seinen Sitz erst nach Soiffons, dann nach Paris. Im Jahr

496 besiegte er die Alamannen, welche seit dem fünften Jahr­

hundert von Helvetien an längs der Ufer des Oberrheins bis

über den Schwarjwald hinaus ihre Sitze hatten, und zog de­ ren Landschaft auf dem linken Rheinufer, vielleicht auch Einiges

davon auf dem rechten Ufer, zum fränkischen Gebiet.

Don den

nicht dem Kriegsrecht heimgefalleaen Alamannen erhielt ein Theil von dem ostgothischen Könige Wohnsitze in Rhätien; der andere

Theil unterwarf sich um das Jahr 505 mit Beibehaltung seiner

eigenen Rechte der Herrschaft Chlodevichs; mit ihnen ihre öst­

lichen Nachbaren und alten Verbündeten, die Sueven oder Sua-

venl) 2, deren Name nunmehr mit auf das Volk und das Land übergieng-). Durch einen Sieg über die Westgothen (507) ero­ berte er fast das ganze südliche Gallien, welches denselben ge­

hört hatte.

Im Jahr 510 vereinigte er unter sich auch die an­

deren salfränkischen Reiche durch Vertilgung ihrer Könige; des­

gleichen das Reich der Ripuarier. Wahrscheinlich kam auch daS

Gebiet der Franken im innern Deutschland unter feine. Herr­ schaft , und mit diesem die Landstriche am untern Main und Neckar, welche, früher von den Alamannen besetzt, wohl schon vor

deren Besiegung durch Chlodevich an die dortigen Franken gekommen waren, und nachmals zum östlichen Francien gerechnet wurden 3). 2) Theilungen und Erweiterungen des Reiches.

49.

Nach Chlodevichs Tode (511) wurde sein Reich unter

seine vier Söhne Theoderich I., Childebert I., Chlodemir und

Chlotar L getheilt'), jedoch so, daß der Antheil Chlodemirs 533 1) Merkel Alamann. $. 5. 6.» Müller deutsche Stämme II. 42—57. 2) Gregor. Turon. 11. 2. llos secuti Suevi, id est, Alamanni. — Paul. Diacon. II. 15. Sucvia hoc est Alemannia. III. 18. Suevorum hoc est Alemannorum gens.

3) Waid Verfass. 11. 57., Müller deutsche Stämme 1. 340. 350. 403. II. 42-46. 1) ueber das Princip dieser und der felgenden Theilungen handelt gut Roth Beneficialwesen S. 55—63.

63 wieder unter die drei Anderen vertheklt wurde. Dazu kamen bald neue Erwerbungen.

Im Jahr 534 wurde das Reich der Bur-

gundier von den fränkischen Königen in Gemeinschaft erobert, und ihnen 535 von den Ostgothen auch deren südlich davon ge­

legenen letzten Besitzungen in Gallien, die Provence, abgetreten. Auf dem rechten Rheinufer unterwarf sich Theoderich, welchem außer einem Theile des Reiches des Syagrius als Hauptland Ripuarien mit Allem was dazn gehörte ’) zugefallen war, 531

das schon zu Artila's Zeit im Herzen Deutschlands seßhafte mäch­ tige Volk der Thüringer und zog den südlichen Theil ihres Lan­

des zum östlichen Franken.

Sein Nachfolger Theudebert unter­

warf sich, die Schwäche des vstgothischen Reiches benutzend, 536 das bis dahin noch ostgothisch gewesene Rhätken, in welchem die

496 aufgenommenen Alamannen') , im westlichen Theile oder Churrätkcn aber noch viele Römer'') saßen.

Oestlich von den

Alamannen und Sueven waren die Bajoarier, die um die Mitte

des sechsten Jahrhunderts zuerst genannt werdm, unter ihren eige­ nen Königen oder Herzogen in einem Bündniß- oder Abhängkgkeitsverhältniß, dessen Natur sich nicht bestimmen läßt.

50. Alle Theile des Reiches wurden 558 wieder in der Hand

Chlotars vereinigt, jedoch nach dessen Tode 562 abermals unter dessen vier Söhne getheilt, bis daß nach des Einen Tode 567

die drei Anderen dessen Besitzungen unter sich vertheilten.

Das

Reich zerfiel nun in drei Hauptmassen: Austrasien wozu Ripua­

rien gehörte mit der Residenz zu Rheims, Neustrien mit dem Salierland und der Residenz zu Soissons, und das Königreich

Burgund'). Aquitanien ohne germanische Stammeseigenthümlich­

keit blos von Römern bewohne, wurde getheilt. Don 613 bis 622 waren alle Theile wieder unter Chlotar II. vereinigt, von da an

aber bis 670 insgemein so getheilt, daß Austrasien in der einen, Neustrien und Burgund in der anderen Hand waren.

Es folg­

ten noch mehrere Vereinigungen und Theilungen, die aber durch

2) Man sehe oben §. 49. 3) Man sehe oben §. 48. 4) llaenel lex Romana Visigotb

p. XXXVII.

1) Die Zeugnisse über die Namen giebt WaiK Verfass. II. 67. 63.

54 innere Bewegungen veranlaßt, und die gegen die nun sich bilden­ den Verhältnisse von untergeordneter Bedeutung waren. 3) Die Erhöhung der Karolinger.

51.

In jedem Reiche war ein Major Domus, welcher in

der Reichsvcrwaltung die erste Stelle einnahm, und dessen Macht,

wie die der Großen überhaupt, seit Chlotar II. durch die Strei­ tigkeiten und Schwäche der Könige in fortwährendem Steigen begriffen war.

Sie gcriethen aber selbst gegeneinander oder mit

ihren Großen in Kampf, was endlich den Erfolg hatte, daß nach­ dem die Hausmeier von Neustrien und Austrasien eine Zeitlang die Besetzung des Thrones ausgeübt, die Austrasier nach der 678

geschehenen Ermordung ihres Königs Dagobert II. sich dem Her­ zoge Pippin von Heristall einem mächtigen Herrn ihres Landes zywandten, welcher dann nach Besiegung des Major Domus in

Neustrien 687 nicht nur selbst zum Major Domus daselbst ge­

mocht, sondern unter dem Titel dux et princcps Francorum die Herrschaft über alle drei Reiche in seine Hand nahm und dem Könige nur den Namen übrig ließ l). Jene Herrschaft wurde

von seinem Sohne Karl Martell durch die Unterdrückung der auf­ rührerischen Großen und durch glückliche Kriege so befestigt, daß

er bei seinem Tode 741 das Reich wie ein König unter seine

Söhne theilte, und endlich Einer derselben, Pippin der Kurze, nach Absetzung des letzten mcrovingischen Königs 752 sich selbst

zum Könige krönen und salben ließ 2).

Sein Sohn, der große

Karl, wurde der Erbe seines Geistes und seiner Macht, zuerst

768 mit Karlmann, dann 771 allein. 4) Erweiterungen des Reiches.

52. Schon unter Chlotar I. waren die südlichen Landstriche der Friesen an den Mündungen des Rheins von den Franken abhängig.

Sie machten sich aber wieder frei und wurden erst

von Pippin von Heristall theilweise, von Karl Martell 734 voll1) Am genauesten sind diese Verhältnisse dargeftellt bei Waitz Verfass. 623-651. 2) Die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieses Schrittes ist untersucht von Gosselin Pouvoir du pape au moyen agc 1. §. 92 — 95. Pikees juslificatives no. VH. II

SS ständig besiegt, und von Karl dem Großen nach und nach an die neue Herrschaft gewöhnt.

Derselbe unterwarf sich in wiederhol­

ten mehr als dreißigjährigen Kämpfen (772—804) die Sachsen,

die von der Lippe bis an die Elbe hinauf ihre Sitze hatten, und in die drei Stämme der Ostphalen, Westphalen und Engern ein­

getheilt waren. In Italien hatte schon Pippin 754 auf Anrufen

des Papstes Rom gegen die Ansprüche der Langobarden in Schutz genommen.

Als neue Gefahr drohte, zog Karl der Große über

die Alpen und machte 774 der Herrschaft der langvbardischen

Könige ein Ende, indem er sich selbst die Eigenschaft und dm Namen eines Königs der Langobarden beilegte. Nach dm Siegm

über die Avarm(791—796) wurde die stänkische Herrschaft auch über das südliche Mähren bis in Slavonien, dann auch über Liburnien und Croatien ausgedehnt.

5) Die Herstellung de- abendländischen ^aiscrthmui. 53. Durch Odoaker war das abmdländische Kaiserthum an sich nicht aufgehoben, sondern nur an dm ostrümifchm Kakser­ stuhl übergegangm *). Don hier aus wurden die daraus fließen­

den Ansprüche so gut als möglich, wenn auch nur durch die dm germanischen Königen gemachte Verleihung der Würde des PatrieiuS oder Consuls, in Erinnerung erhalten. Doch verblich diese immer mehr gegenüber den thatsächlichen Zuständen. Zu­

letzt war das ostrümische Kaiserthum im Abmdlande nur noch in zwei Punkten sichtbar: in der Herrschaft über das Erarchat,

und in der Schutzhoheit oft aber auch lästigen Einmischung in

die Verhältnisse der römischen Kirche. Aber auch ^dieses schwand, als bei der Schwäche der oströmischm Kaiser gegenüber den von

den Langobarden immer näher rückenden Gefahren die respublica Romanorum, auf sich selbst angewiesen, in dem Papste ihrm Vertheidiger und Vertreter gefunden, und dieser thatsächlich Herr von Nom geworden war. Es hörte ganz auf, nachdem der Papst,

da der Kaiser gar nicht mehr helfen konnte, dm fränkifchm Pip­

pin und dessen Söhne 754 zn Patriziern der Römer ernannt.

1) Man sehe j. 39.

66 wobei eben eine Schutzhoheit gemeint war, und nachdem Pippin 755 und Karl der Große 774 der römischen Kirche das ihnen «ach dem Recht der Eroberung zugefallene Ravenna mit dem

Exarchate geschenkt'), und den Papst zum Patrizius oder Für­ sten darüber gemacht hatten 2 3). 4 Es war daher nur der Ausdruck der wirklichen Machtverhältnisse,

als Karl der Große in der

alten Kaiserstadt 800 vom Papste zum Kaiser ausgerufen und

gekrönt"), also das römische Kaiserthum wieder auf das Abend­ land transferirt wurde. Der vom Orient aus dawider erhobene

Dorwurf der Usurpation wurde durch die Verweisung auf die zu der Macht der Thatsachen hinzugrkommene Weihe der Kirche widerlegt5). B) Elemente der Verfassung.

54.

1) Die Bevölkerung.

Hinsichtlich der Bevölkerung sind zunächst die Franken

und die Provinzialen zu unterscheiden. Erstere waren hauptsäch­ lich in der nördlichen Hälfte von Gallien bis zur Loire, in den

Städten wie auf dem Lande, seßhaft; doch gab es auch Nieder­

lassungen der Franken bis in das südlichste Gallien und in Bur­ gund *).

Ob sie zum Behufe ihrer Ansiedlung eine Landtheilung

2) Diese Verhältnisse discutirt genau Gosselin Pouvoir du pape T. II. cbap. 1. 2. Davon handeln auch Savigny Rom. Recht im Mittelalt. I. §. 109. 110., Hegel Jtal. Städteverf. I. 269—240., Phillip- Kirchenrecht III. §. 1(9. 3) Cod. Carol, n. 85. p. 251. cd. Mural. Quia ul sali eslis honor Patricia tus vestri a nobis irrefragabiliter conservalur — simili modo ipso Palricialus B. Petri fautoris vestri, tarn a sanctae recordalionis Domno Pipino magno rege genitore vestro in scriplis in integro concessus et a Vo­ bis amplius confirmalus, irresragabili iure permanent. Gegen die Annahme eine- doppelten Patriziate- erklärt sich Phillip- Kirchenrecht III. 50. 4) Annal. Lauresh. a. 801. Visum est et ipso aposlolico Leoni et universis sanctis palribus qui in ipso concilio aderant seu reliquo cliristiano populo, ul ipsum Carolum regem Francorum imperatorem nominarc debuissenl, qui ipsam Bomarn tencbal, ubi semper eaesares sederc solili eranl, seu reliquas sedes quas ipso per Italiam seu Galliani nec non et Germaniam tencbal; quia Deus omnipotens bas omnes sedes in potestate eins concessit. — Einhard, ann. a. 801. Leo Papa coronam capiti eius imposuit, cuncto Romanorum populo acclamante. — Post quas laudes a Pontifice more anliquorum principum adoralus cst, ac deindc omisso Patricii nomine Imperator et Augustus salulatus. 5) Ludov. II. epist. ad Basil, imper. a. 871 (Baron, ann. a. 871. n. 59). Romani principatus Imperium, quo superno natu potimur , — iam ab avo noslro, non nsurpante, ul perbibes, sed Dii nulu et ecclesiae iudicio snmmique pontificis per impositioucm et unctionem manus obtinuit. 1) Beweise gielt Roth Bcnefieialwesen S. 68. 69.

57 vorgenommen haben, darüber feblt eS an Nachrichten. Man muß die Landstriche,

welche von den Frankm vor Chlodevich besetzt

wurden, von den später eroberten unterscheiden.

Der Umstand, und

daß in den Ersteren die römische Sprache untergieng ’),

daß das Land zum Theil wieder heidnisch wurde ’), deutet dar­

auf hin, daß daselbst die römische Bevölkerung sehr dünne ge­

worden war oder mit wenig Schonung behandelt wurde, so daß man vom Grund und Boden, so viel man brauchte, wegnahm.

Daß solches Land unter die Franken in regelmäßigen Loosen ver-

theilt worden, laßt sich weder aus der terra salica und aviatica

im salischen und rkpuarischen Recht"), noch aus den in frän­

kischen Rechtsmonumenten vorkommenden Ausdrücken sors und consortes entnehmen s). Dagegen in den von Chlodevich erober­

ten Gebieten gieng man nicht so gewaltsam zu Werke. Es wur­

den blos die Krongütcr, die verlassenen herrenlosen Grundstücke,

und was durch die allerdings zahlreichen Confiscationen hinzu­

kam an den Fiscus gezogen und zum Theil zur Ansiedlung von

Franken verwendet. Eben so verfuhr man in den den Westgothen entrissenen Provinzen und in Burgund6).

Hienach sind die ver­

schiedenen über diesen Gegenstand aufgestellten Meinungen zu be­

urtheilen 7).

2) Sidon. Apollin. (f c. 481) epist. IV. 17. Sermonia pompa romani bclgicis olim sive rhenanis aboliln terris. 3) Die Beweise sind bei Roth S. 65. 4) Darauf beruft sich Eichhorn I. §. 25 a. Allein Beides bezeichnet daS ererbte im Gegensatz deS selbst erworbenen Grundeigenthum-, Roth S. 65. 5) Darauf stützt sich ebenfalls Eichhorn. Allein sors bezeichnet insgemein ein gewöhnliches Erbtheil, consorles die Miterben, Waitz Verfass. II. 1(>4. , Roth Beneficialwefen S. 61. ES ist ein arges von Waitz und Roth nicht bemerktes Versehen, wenn Eichhorn nach Feuerbach sich noch auf einige Stellen hinter der >ex salica in dem von Feuerbach edirten Münchener Coder beruft, die er für merovingische Constitutionen hält. Diese Stellen sind nichts AndereS alS die L. Burg. tit. 78. 42. 75., die sich durch die Land eines Ab­ schreibers an jenen Platz verirrt haben. 6) Die Beweise giebt Roth S. 67—75. 7) Eichhorn unterscheidet drei Massen. In dem vor Chlodevich besetzten Gebiete sei nach Bedürfniß Land weggenommen und dieses nach Loosen vertheilt werden. In dem unter Chlodevich eroberten Gebiete brS zur Loire hin habe der König willtührlich Land eingezogen und an Frauken verliehen. In Aqui­ tanien und Burgund sei solches nur mit dem Krongut und mit verlassenen Grundstücken geschehen. Dieselbe Meinung haben Randet und Fauriel. Andere nehmen eine geordnete Landtheilung sowohl mit den Römern als unter den Franken selbst an; so Gaupp Ansiedl. §.58., Loebell Gregor von Teurö S. 128.

58 to»

Die Provinzialen bestanden auS den Nachkommen der

keltischen Bevölkerung, die in Verbindung mit den unter ihnen,

besonders in den Colonien, angesiedeltm Römern in Sitte, Sprache und Recht ganz Römer geworden waren. Sie wurden mit glei«

cher Milde wie die übrigen Unterthanen behandelt» und ihnm bei ihren Streitigkeiten unter einander der Gebrauch des rümi«

schm Rechts gelassen *).

Auch ihr Grundbesitz blieb ihnm, da

keine Landtheilung geschah, ungestört.

Die Verschmelzung der

Romanen mit dm Franken wurde aber hauptsächlich durch die

Religion und Kirche gefördert, da die Franken sich alsbald zum

katholischen Glauben bekehrt hatten;

und dadurch

unter beiden Nationen Wechselehen ungehindert2*). 1

waren auch

Außer den

Provinzial«» fanden die Frankm in Gallien die Laeten, Barba­ renstämme, die freiwillig aufgenommen und gegm die Verpflicht tung zu Kriegsdiensten auf Land angesiedelt worben waren 3).4

Diese wnrdm der großen Masse der Provinzialen beigezählt *).

Die anderen nach und nach unterworfmen germanischen Völker­

schaften aber wnrdm bei ihrem nationalen Rechte gelassm 5D.

Andere dagegen iLxgnerr sede Lavdcheilung, weil genug verlassenes Land vor­ handen gewesen; so DüboS, Laferriere, Lehuerou, Pardessus, Guerard. Pütigny, Savigny und Waitz Verfass. !1. 15. Noch Andere lassen die Franken an Grundstucken nehmen, waS ihnen anstand; so Montesquieu, Mably, Lezardiöre, Gui-or, Pertz. Man. sehe Roth Beneiicialwesen S 6 L 1) Cbteihacb. l. consL 560. c. 1. 4. 13. 2) WaS die L. ttip. LVIII. 11. sagt, bezieht sich nur auf Freigelassene römischer Art. 3) Gut handelt von ihnen Roth Beuefieialwefen S- 46—51. Zn eini­ gen Punkten abweichend ist Böckiog nolilia dtgniiaitim üccid. p 1044*— 1080*. Eine eigenthümliche Anstcht har auch Mone Urgeschichte des Badischen Lande- II. 247 — 250. Dieser halt, auf keltische Wortableitung gestützt, die Laten für Granzsoldaten, welche gemischte Regimenter, halb Germanen halb Römer, bildeten, und als Ansiedler Haibbauern waren. 4) Eine interessante biS jetzt unbenutzte Stelle dafür ist CNadov. ei. pil. c. a. 500. XI. 9 (Pertz 11. 5-, wo bei dem Wergeld der Weiber den Romanae, mililuniae nud leiae daS halbe Wergeld der Anderen bei-elegt wird. Eine genaue Parallele dazu ist Capik I. SaL add. e. a. 561. c. 1., wo dem llomanus ingenuus, tnbularius und miles da- Wergeld von 100 Solidi, die Hälfte von dem eines Frauken, zugefvrochen wird. Der kibutariua kann hier nur der laeius fein, nicht der tributäre Provinziale, weil dessen Wergeld ge­ ringer war, L Sal. XLL l. Merkel. Der oailes bezieht sich auf römische Kriegseinrichtungen, die man beibehielt. Zn Cblod&v. tapil. VII. 2 (Purtz II. 4) ist daher auch Iotas nicht titae zu lesen. So erhalte» diese Stellen, wo­ mit selbst Waitz Verfass. U. 162. nicht- zu mache» weiß, ihren bestimmte» Sinn. 5) Chlolhach. coisl. 560. epil, MarcuU. 1. 8.» L. Rip. XXXI. 3.4., Rippin, capit. 768. o. 10. (Perlz Leg. 11. 14).

59 Noch weniger wurde in dem Verhältniß der in diesen uttfettMt#

fenen Reichen ansäßigen Römer etwas geändert; sie hehieltM ihr eigenes Recht und wechselten nur dm Herrn«

56.

Der Grund und Boden war in einer der Bevölkerung

und einem kräftigen Landbau angemessenen Weise parcellirt Darauf hatten in den dm Westgothm entrissenen Landstrichen

und in Burgund schon die Landtheiluugm geführt.

Daneben

hatten jedoch vomehme römische Familien, wie in Gallien unter

den Römem vorherrschend gewesen, ungeheuere Besitzungen mit den dazu gehörenden Colonen bewahrt1 2).

Auch gelangtm die

Stifte und Klöster zu einem sehr ansehnlichen Grundbesitz. Die­ ses Beispiel reizte auch die vomrhmen Franken durch Schenkun­ gen aus dem Krongut und auf anderen Wegm großen Grund­

besitz zu erwerben 3).

So entstanden schon früh jene grvßm

Grundherrschaften, welche durch die Masse der dazu gehörendm Grundholdm und durch die Erlangung einer rigrnm Gerichts­ barkeit auf den Zustand der Personen und auf die Verfassung

wesmtlich verändernd einwirkten. 2) Dar Königthum,

57.

a) Bedeutung desselben.

Friede.

Bann.

Das Königthum bei den Franken, gegründet in einer

Zeit, wovon man wenig weiß'), erhielt von Chlodevich durch

das Zusammenwirken verschirdener Thatsachen die Kraft, welche

den Charakter seiner Herrschaft und dadurch der europäischen Geschichte bestimmt hat. Die Grundlage bildete jene eigenthüm­

lich gemäßigte und doch eindringliche Gewalt, die das germa­ nische Königthum in sich schloß').

Diese wurde geschärft durch

die Folgen, welche die Eroberung und Unterwerfung der Römer,

Alamannen, Westgothen und der anderen fränkischen Stämme

1) Beweise giebt Wah Verfass. >1.188., Roth Brnefirialweseu S. 103.104. 2) Beispiele giebt Roth S. 81. 82. 3) Man sehe darüber Waiß II. 189. 190., Roth S. 161. 165.

1) Gregor. Turoa. II. 9 De Francoron vcro regibus , qui« fuerit prima«, • mullie ignoralur. — Tradunt — Iransaeto Rheno — iuxla pagoa vel civilstes reges crinilos super se ereavisse, do prima et ul ila dicam nobilieri luoruni familia. Quod poslea probalum t'hlodoverhi vicloriao tradidrre. 2) Man sehe $. 24. Ein Beispiel giebt da» laugobartische Königthum, da» sich au» rein germanischer Wurzel entwickelt hat ($. 44).

60

Nothwendig mit sich führten. Sie wurde erhöht, als seine Bekehrung zum Christenthum die Augen und Herzen der unter arianischen Königen stehenden romanischen Bevölkerung auf ihn richtete^), die Bischöfe mit ihrem mächtigen Einfluß an ihn fes­ selte'), und selbst den Papst in ihm, dem Ersten, der sich von den germanischen Königen zum wahren Glauben bekehrt hatte, eine neue Stütze der Kirche erkennen ließ-'). Auch der Gedanke der Succession in die Stelle der römischen Kaiser war diesem Königthum vortheilhaft63),4 5weshalb es deren Titel auf sich übertrug 7), und die vom Kaiser Anastasius (509) übersandten konsularischen Insignien als Zeichen der Anerkennung mit großer Feierlichkeit in Empfang nahm 8). So verfolgte Chlodcvich mit Kraft und Klugheit die Bahn, welche die neuen großartigen Verhältnisse vorzeichneten. Das gcheimnißvolle Ansehen einer nicht verliehenen sondern erblich angestammten Würde, die Ver­ ehrung womit das Christenthum darauf als auf eine göttliche 3) Gregor. Turon. 11. 36. Multi iam tune ex Galliis Franco» domino8 Buuimo desiderio cupiebant. Diele Thatsachen darüber sind zusammenge­ stellt von P6ligny Etudes Älerovingiennes 11. 416—438. 450—500. 647—661. 4) Avili epist. 41. Vectra fides nostra victoria esL — Dum vobis eligilis, omnibus iudicalis; invenit tempori nostro arbitrum quemdam divina provisio. — Gaudeat quidem Graecia habere principem legis noslrae, »cd non iam quae tanti muneris dono sola mereatur illuslrari, quod non desil et reliquo orbi claritas sua. 5) Anaslas. Papac epist. (Bouquet IV. 51). Sis corona nostra, gaudeatque mater ecclesia de tanti regis quem nuper Deo peperit profeclu. 6) Der Antheil des römischen Elementes im fränkischen Königthum wird jedoch häufig, besonders von französischen Schriftstellern, überschätzt. Dieses widerlegen Waitz Verfass. II. 51. 52. 144., Roth Beneficialwesen S. 79—81. 108. Am wertesten geht darin Petigny II 351 —374. III. 1—6. Er leitet die Macht Eblodevichs hauptsächlich aus dem römischen Kaiserthum her. indem derselbe erblicher magisier militum gewesen, in dieser Eigenschaft die Provin­ zialen und Läten unter sich gehabt, und mit Diesen die fränkischen Stämme be­ siegt habe. Allein dazu fehlen die Beweise. Die Stelle des Procop. de bello Goth. 111.33., worauf sich Petigny III. 63.64. beruft, bezieht sich nur auf die Provence, welche die Ostgothen den Franken abgetreten hatten (§. 50). So bemerken auch Gaupp Ansiedl S. 190., Waitz II. 52. 7) Namentlich den Titel Augustus. Beweisstellen giebt ÜBaip Verfass. II. 128. 129. 8) Gregor. Turon. 11. 38. Igilur Cblodovechus ab Anastasio imperalore codicillos de consulalu accepit, et in basilica beali Martini tunica blalca indulus est et chlamyde, imponens verlici diadema. Tum ascenso equite aurum argentumque in itinere illo, quod inter portam atrii basilicae Martini et ecclesiam civitatis est, praesentibus populis manu propria spargens, voluntate benignissima erogavit, et ab ea die lamquam consul aut augustus est vocilalus.

61 Fügung hinwies 9J10 , 11 das 12 in jenen Gemüthern mächtige Gefühl der Hingebung und Treue, der Glanz der Heerzüge und Erobe­

rungen, der Eindruck einer gewaltigen über Leben und Tod ge­ bietenden Persönlichkeit'"), alles Dieses vereinigte sich zu einer

Machtfülle, vor welcher man sich in Unterwürfigkeit beugte "). Doch blieb daneben Manches von der gemeinen Freiheit beste­

hen, und die königliche Gewalt wurde durch die Macht der Gro­ ßen , durch den Geist des Volkes, und durch die Achtung vor dem Herkommen gemildert und beschränkt"). 58. Aus der dem Könige zustehenden Machtvollkommenheit erhob sich als der wohlthätigste Bestandtheil des germanischen Königthums der Begriff und die Bedeutung des königlichen Schutzes').

In diesem trafen zwei Begriffe zusammen: erstens

der allgemeine Schutz, womit das Gemeinwesen dem Volksrecht und jedem Genossen desselben zur Aufrechthaltung der ihm dadurch zugesicherten Friedens- und Freiheitsrechte zur Seite gestanden');

zweitens der besondere Schutz, den die Familiengenossenschaft ih­ ren wehrhaften wie wehrlosen Mitgliedern zu leisten hatte 3).

In der ersten Beziehung war also der Hauptgedanke der Ver­ fassung noch immer die Verbürgung des Rechts und des Frie­ dens ; allein diese ruhte nun in der schützenden Hand des Kö­

nigs “);

der Volksfriede hatte sich in einen Königsfrieden ver-

9) Gunlchramni edicl. 585. Nos quibus faculiatem regnandi superni rcgi9 commisit auctorilas. Andere Stellen der Art giebt Waitz Verfass. 11.143. 10) Gregor. Turon. 11. 27. Rex — securim suam capiti eius defixit. __ Quu mortuo reliquos abscedere iubet, magnum sibi per baue causam timorem statuens. 11) Gregor. Turon. 11. 27. Nos ipsi luo sutnus dominio subiugalij — nullus enim potestati tuae resistere valet. 12) Gregor. Turon. IX. 30. Similiter et ille (Chariberlus) cum iuramenlo promisit, ut leges consuctudinesque novas populo non infligeret. 1) Gut handelt davon Kraut Vormundschaft 1. §. 8. 9. Doch halt er den allgemeinen Fnrdensschutz und die Vertretung des Familienschutzes nicht scharf genug auS einander. 2) Man sehe oben §. 15. 3) Man sehe oben §. 17. 4j Ghloiach. 11. a. 614. c. lt. Friedlos sein und außer deS KönigSchutz gesetzt sein, war daher dasselbe, L. Sal. LV1. Merkel. Si — ille qui admailatur ad nullum placitum venire voluerit, tune rex — eum extra sermonem suum ponat. — Et quicumque eum aut paveril aut hospilalem dederil, si uxor sua propria, 6ü0 dinar. — culpabilis iudicetur. — Eben so spricht Childeberl. capitul. c. a. 550. c. 6. (Perlz II. 8), Chilper. edict. p. a. 561. o. 9. (Perlz 11. II).

62 — wandelt. Daher fiel nun der eine Theil der Buße, daS Fredmch

an den FiScus5). Damit hieng auch der Königsfriede und Ki» uigSschutz zusammen, der solchen Personen zukam, die gar nicht (n der Genossenschaft deS Dvlksrechts standen, und daher an sich fried- und rechtlos gewesen wären, den Fremden und den Ju­

den^).

Wo anS gemeinnützigen oder anderen Rücksichten, wie

schon in der alten Zeit vorkam7), ein besonderer Friede nöthig schien, wurde dieser nun durch den besonderen KöttigSschutz 8) bezeichnet

Die Wirkung desselben zeigte sich in den höheren

Bußen, womit die Verletzung bedroht war,0).

Einen solchen

Königsstieden erhielten insbesondere die Kirchen, Wittwen, Wai­

sen und anderen hülfsbedürftigen Personen

Eben so entstand

im örtlichen Sinne ein Kirchenfriede'7), Heerfriede 1$j, Ding­ friede "); ein Wegfriede für den Hin- und Herweg zur Kirche,

zum Heere, zur Volksversammlung, zum Gericht,d); ein Haus­ friede ,6D und MühlenfricdeI?). Diese und andere Anwendungen

lebten bis inS späte Mittelalter fort *8).

Neben diesem durch,

die Gesetze angeordneten Königsschutz konnte es aber Vorkom­ men, daß einzelne Personen und Anstalten in Folge ihrer Eom-

Mendation, die in denselben Formen wie die Eommendation zum Vasallen geschah, in die mundeburdis rcgis besonders ausgenom­

men wurden.

Die Wirkung davon war die, daß ihnen dann in

5) Man sehe §. 24. Note 4. DaS Nähere im Strafrecht. 6) DaS Nähere im -weiten Buche. 7) Man sehe $. 1d.

8) Diese- hieß sab tuitione, scrmone vel mundeburdio Regis , cCcr in vcrbo regia esse, Waiy Verfass. 11. 142., Noth Beneficiatwesen S. 124. 9) Capit. excerpia bÜJ. e. öl. Ul n qui in lnundeiiurde domini imperatoris sunt, pacem et desensionem ab ominbus habeant. 10) L. Sal. AUL 3. Merkel. , Hip. XXXV. 3. LVlll, 12., Chlodov. capit. XI. 7 (Peru 11. Ö). 11) Capit de banuo 772. c. 1—4., Capit. missis data 802. c. 19(18).. Capit. L Üaiöar. add. 803. c. 2., Aquisgr. ol3. c. 2. 12) L. Hip. LX. 8., L. Alain. Hlothar. 111—X., L. Bai uv. VIII. 2 L. Fris. XVII. 2., Capit. Paderbr. 7bö. c. 1. 2. 13) L. Alam. Hlothar. XXVI. XXVll. , L. Baiuv. II. 4. 6.. L. Fris XVII. I. 14) L. Alam. Hlothar. XXlX. 1. 2.. L. Fri». XVII. 2. 15) L. Alam. Hlothar. XXlX. 1., L. Fris. add. 1. 1.2., L. Sax. II. 10. V. i , Capit. Francos. 779. Franc, c. 17. 16) L. Fris. add. I. L, L. Sax. II. 10. V. 1., L. Angl. V. 5. 17) L. Baiuv. Vlll. 2. 18) Besonders im Friesischen Recht, Richthofen Wörterbuch v. fretho.

- 63 —

Rechtssachen nötigenfalls der Recurs an den König selbst ge, stattet warl9). 59. Der zweite Begriff, nämlich die Beziehung des Kö­ nigsschutzes zum Familienschntz, zeigte sich zunächst darin, daß derselbe denjenigen Freien, die keine Blutsfreunde hatten, den Familienschutz ersetzte, wofür aber auch der königliche Fiscus in die Rechte der Blutsfreunde eintrat und daS Wergeld und die Erbschaft bezog Daraus folgte ftruer, daß Freigelassene, wenn sie vom Herrn schlechthin ohne Vorbehalt seines Schutzes frei­ gelassen worden waren, unter den Königsschutz kamen, weil sie zwar den Genuß des VolksrechtS erhalten, aber keine Blutssreunde nach Volksrecht hatten2*).1 Endlich, da die Vormundschaft ein Ausfluß deS Familienschutzes war, so folgte, daß der König über alle diejenigen, die in Ermanglung von Blutsfteunden un­ ter seinen Schutz kamen, auch die Vormundschaft hatte. Selbst aber bei denjenigen, welche einen Familienvormund hatten, die aber wie die Wittwen und Waisen unter dem besonderen Schutze des Königs standen, konnte dieser denselben neben dem Familien, schütze geltend machen, und daraus gieng daS Institut der kö» niglichen Obervormundschaft hervor 3). 60. Die Bestimmung des Königsthumes, insbesondere die Handhabung deS Königsfriedens und des Königsschuyes, erfor« derte nothwendig daS Recht des BanneSdas heißt die Befug« niß zur Erhaltung der Ordnung und zur Ausführung der Ge, setze Machtbefehle und Verordnungen zu erlassen, deren Nicht­ befolgung eine Buße nach sich zog 2). In der früheren Zeit hat, 19) Dieser zeigen die Formeln, Marculf. 1. 24., Lindeabr, 38. 177. Urkunden kommen unten vor ($. 109. Note 3). Beispiele giebt auch Wai» Vassafiität S. 53—ob. 60., Verfass. 11. 142. 171.

1) L. Baiuv. III. 13. $. I. 81 quie liberum hoininem occideril, toi« vat parentibus «ui», «i habet, «1 auleni non habet, solvat Duei, vel cni coinmendalus fuit. — L. Sal. nov. 351 Merkel. 81 aulem ille occidiluf aut morialuf (qui se de parentilla lullt), conpoiilio aut hereditae eius non ad beredet eiu» ted ad ütcum pertineat aut cui fiten» dare volueril. 2) Das Nähere iui zweiten Buche. 3) Das Nähere tut zweiten Buche bei der Vormundschaft. 1) Davon handeln: Woringen Beiträge S. 124—170., Wilda Straf­ recht S. 469 — 483 Sie geben levoch dem Bann eine zu beschränkte Grundlagr, indem sie denselben aus dem Krieg-recht und der Gericht-gewalt de- Set «lig- herttitea. 2) ßannut bezeichnet Befehl, Gebot oder Verbot, Capit. Aqaitgr. 802,

64 ten die Priester solche Banne gehandhabt3)* Das Maß jenes Bannbuße war jedoch nicht willkührlich, sondern wahrscheinlich durch ein eigenes Gesetz auf sechzig Solidi beschränkt*). Auch die Anwendung jener Befugniß war keine willkührliche, sondern an Gesetze und Herkommen und an die Rücksichten auf das ge­ meine Wohl gebunden 5). In diesem Geiste wurden von Karl dem Großen (772) insbesondere acht Fälle unter Königsbann verpönt °), und diese acht Banne auch bei den Sachsen ^), Lan­ gobarden b) und Bayerns mit Nachdruck publicirt. Doch konnte auch noch in anderen Fällen mit dem KönigSbann Friede ge­ wirkt 10) oder etwas verboten werden “). Es wurde selbst auf c. 34. 40., Ducange V. bannus n. 1.; dann auch die Geldbuße im Fall des Ungehorsams (Note 4). 3j Man sehe $. 15. Note 4. 5. §. 19. Note 3*. 4) Childeb. 11. 596. c. 8. 9., Capit. exc. 802. c. 57., Capit. Aquisgr. 817. capil. leg. add. c. 17., Pisl. 804. c. 33. Sie hieß daher francilia bannus, Edict. Caris. 861. 5) DteseS -eigen die Beispiele die davon vorkommen. Erstlich ai quis legibus in utiliUlem regia bannilus fuerit, L. Hip. LXV. 1. 3. Zweitens beim Aufgebot -um Kriege, L. Hip. LXV. 1., Gregor. Turon. V. 27. Drittens -um Schutz der mundeburdis regia, L. Hip. XXXV. 3. LV1I1. 12. Viertens wegen Befreiung eines gefesselten Diebes, L. Kip. LXX111. 1. 2. 4. Fünftens wenn Emer einem geächteten Manne Obdach giebt, L. Kip. LXXXV11. Sech­ stens wenn Einer -ur Verfolgung emeS Missethäters nicht Hülfe leistet, Chil­ deb. 11. 596. c. 8. 9. Siebentens -um Schutz des Haus- und HoffriedenS, L. Angl. VIII., und des Wegfriedenö, L. bax. 11. 10. Mit der Einwirkung deS KönigSbanneS hangt eS wohl auch -ufammen, wenn in mehreren Fällen das Fredum auf fech-ig Solidi erhöht ist, L. Alum. Hloihar. IV. V. XXXI. 1. XXXIV., L. Haiuv. 1. 0. §. 2. 1. 10. §. 5., L. Angl. 11. 7. 111. 6) Capit de banno 772. De illos octo bannus unde doinnus noslcr vull quod exeant 60 sol. 1. Cap. Disnonoralio ecclesiarum. 2. Qui iniuste agil contra viduas. 3. De orfanis. 4. Contra pauperinus qui se ipsus dclendere non possunl, qui dicunlur ur ver magon. 5. Qui raptum facil, hoc eßt qui feminam ingenuam trahit contra voluntalem parentum suoruni. 6. Qui incendium facil infra patriam hoc est qui incendit allerius casam aut scuriam. 7. Qui harishut iacit, hoc est qui frangit alterius scpem aut porlam aut casam cum virlute. 8. Qui in hoste non vadit. — lsli sunt octo banni domino regi? unde cxire debent de unoquisque solide 60. Auf diese acht Banne beziehen sich auch Capit. missis data 802. c. 19 (18)., Capit. a miss, edila 803. c. 1. 7) Capit. Saxon. 797. praes. c. 1. 2. Es waren aber bei ihnen schon andere Banne eingeführt, Capit. Paderbr. 785. c. 24. 25. 26. 28. 31. 8) Capit. Ticin. 801. c. 2. ES waren auch bei ihnen schon andere Bannfälle verordnet, Capit. Alant. 781. c. 7. 8.9.11., Papiens. 769. c. 4.5. 14. 9) Capit. 1. Baioar. add. 803. praef. c. 1—3. 10) Capit. Aquisgr. 813. c. 3. Ut iumenta pacem habeant simililer per bannuni rrgis. 11) Capit. I. Baioar. add. 803. c. 3. Solche andere Fälle erwähnen Capil. de exercit. 811. c. 4 , Langob, 613. c. 10. 12., Aquisgr. 617, ca-

6S einem großen Reichstage zn Aachen dem Könige das Recht de-» cretirt, zur Stärkung des Friedens, zur Unterdrückung der Feh­

den und wegen schwerer Vergehen einen noch höhere» Dann biS zu tausend Solidi zu verhängen"). So konnte der König durch

Verordnungen und Bann in die Verwaltung und das Strafrecht

tief eingreifen.

61.

Durch Karl den Großen und dessen Verkehr mit dm

ausgezeichneten Päpsten jener Zeit wurde das Königthum mit der Religion in eine noch engere Verbindung gebracht und darauf die Ordnung und Wohlfahrt des Reiches gegründet *). Die Be­

deutung des Königthums wurde nun auf drei Punkte zurückge­ führt: die Beschirmung aller Schutzbedürftigen insbesondere der

Kirche, die Bewahrung des Friedens, und die Handhabung der Gerechtigkeit3*). 4 1 2Auch die Bischöfe stellten in emstcr Sprache vor, daß die Herrschaft nicht als von den Vorfahren gegeben, sondem in Demuth als von Gott verliehen 3), und daß das Amt der

Könige nicht wie eine willkührliche Macht, sondern als ein In­ begriff schwerer Pflichten anzusehen sei, über deren Erfüllung sie Gott Rechenschaft abzulegen haben **).

Auf diesen Gedanken be­

ruhte daS öffentliche Recht, so lange es ein Reich gab. b) DaS Krongut.

62.

Die Macht des Königs beruhte zum Theil auch auf

pit. leg. add. c. 4. 5. 9. 18. 19., Responsa misso data 813. c. 4.» Capit. Aquisgr. 820. c. 1. 2., ad Theodon. vill. 821. c. 1. 7., Olonn. 823. c. 4. Olonn. 825. capit. eccl. c. 1. capit. gener. c. 11., Wormat. 829. capit. gener. c. 1., Papiens. 832. c. 9.» Pist. 861. c. 21. 22. 12) Capit. Saxon. 797. c. 9. 1) Capit. 769. c. 1., Capit. eccles. 789. praef., Carol. N. epiaL ad Leon. III. (Waller 11. 123). 2) Capit. 772. c. 1—4., Pippin. 782. c. 10., Aquiagr. 810. c. 9. Zusammengefaßt ist es im Capit. Aquiagr. 825. c. 2. Tria epecialiter capitula et a nobis et a vobis, Deo opem ferente, in huius regni administratione Bpecialiter conaervenlur; id eat, ul desensio vel exaltatio vel bonor aanctae Dei ecclesiae et servorum illius congruua maneat, et pax et iuSlilia in omni generalitate populi nostri conaervetur. 3) Conc. Paris. VI. 829. lib. 1. c. 5. Nemo regum a progeniloribus regn um sibi administrari, sed a Deo veraciter et humiliter credere debet dari. 4) Ibid. c. 2. Loire etiam debel, quod causa , quam iaxta Ministe­ rium sibi commissum adminislrat, non hominum sed Dei causa exislit, cui pro ministerio, qnod suscepit, in examinis tremendi die rationem redditurus eil. Dalter'S deptsche Recht-geschichte I. 2tc Auslage.

5

— SS — die Kronländerrien, deren e- in Folge der Eroberung in allen Theilen deS Reiches viele gab. Zunächst dienten sie zu seinem Unterhalt und Hofstaat. Daneben machte aber die große Masse derselben, wie die Urkunden der merovingischen wie der karolin« gischen Zeit zeigen, häufige Schenkungen an Unterthanen möglich. Solche Schenkungen gewährten das volle und freie Eigenthum *), mit der Befugniß der Weiterveräußerung1 2)3, 4der Vererbung selbst auf Weiber und Töchter '*). Eine besondere Klasse von Leu­ ten bildeten daher die Beschenkten nicht. Eben so wenig war zum Fortbestand solcher Schenkungen die Bestätigung des Nach­ folgers wesentlich5), wenn diese auch thatsächlich zum Schutze gegen Willkühr-, oder wegen Abnutzung der ersten Urkunde häu­ fig nachgesucht wurde6). Bei Confiscationen wurden sie aller­ dings eingezogen; jedoch geschah dieses auch dem angestammten Vermögen, und war daher nichts Eigenthümliches7). Durch die­ ses Alles wird die Meinung widerlegt, als ob solche Schenkun­ gen nur wegen einer gewissen Verbindung mit dem Könige und nur auf deren Dauer geschehen sei 8j. c) Der Unterthanenverband.

63. Der so stark gewordenen königlichen Herrschaft gegen­ über standen nunmehr die Freien, als Beherrschte, als Unterthantrt. In so weit war jetzt der Begriff der Freiheit wesentlich vermindert. Die Pflichten der Unterthanen giengen auf Treue und Gehorsam, und darauf hatten alle Freie, auch die Römer, hem König den FidelitLtseid, den Leudesamio, zu leistens. Die

1) Dieses zeigen die Formeln bei Marculf. I. 14. 15. Noch viele an­ dere Beweise giebt Roth Beoeficialwesen S. 206—203. 436. 2) Beispiele nennt Roth S. 208. Note 19. 3) Dieses zeigen die Formeln bei Marculf. I. 14. 33. Diele andere Beweise giebt Roth S. 223-233. 4) Marculf. 11. 17., ßrcquigny 1. n. 328 (137). 5) Dieses zeigt Roth S. 206. 207, 218—223. 437. 6) Formeln dafür giebt Marculf. I. 16. 17. 7) Dieses zeigt Roth S. 216—218. 8) So meint Waip Verfass. II. 209—221. Ihn widerlegt Roth S. 204 —208. Was dagegen Waix Dassallität S. 67. 68. 71. 72. zur Aufrechthal­ tung seiner Ansicht geltend macht, ist sehr unbestimmter Art. 1) Marculf. I. 40. Ui leudesamio promiltantur regi, lubemus ui bmnei pagenses veslros, (am Francos, Romanos vcl reliqua nalione de-

67 so vereideten Freien hießen fideles*2),3 leudes»).

Doch bezeichnet

Letzteres zuweilen auch nur die Vornehmern unter ihnen, die in der Nähe des Königs waren4).5 6Durch jenen Eid übernahm man die Pflicht jede Art von Untreue oder Verrath wider den König bei schwerer Strafe zu meidenund jeder Aufforderung dessel­ ben zum gemeinen Wohle, insbesondere zum Heerbanne, Folge zu leisten9). Der Eid wurde ursprünglich wohl nur bei einem Thron­

wechsel geschworen.

Karl der Große führte aber auch die nach­

trägliche Vereidung derjenigen ein, die erst im Laufe einer Regie­

rung daS eidesmündige Alter erreichten7). Die Eidesformel war einfach 8). Nach der Aufrichtung des Kaisrrthums ließ Karl der

Große abermals einen Fidelitätseid, unter Belehrung über deffm

Bedeutung, durchs ganze Reich abnehmen 9).

Allein die Formel

desselben war von der bisherigen nicht wesentlich verschiedenl0).

gentibus bannire et locis congrais per civitates vicoa et caatella congregare facialis; quälenus praesente Misso nostro — fidelitatem praecelso fllio nostro vel nostro et leode et samio — dcbeanl promiltere et coniarare. Beisviele auS dem sechste» Jahrhundert erwähnt Gregor. Turon. IV. 30. 46. VI. 12. 31. VII. 7. 12. 13. 24. 26. IX. 30. 31. Daß diese Stellen sich auf bas ganze Volk beziehen, zeigt Roth Beneficialwesen S. 108—112. Die Bedeutung von leudesamium a!S Fidelitätseid hat Zopfl Euua Chamavor. S. 88. gegen Grimm dargethan. 2) Fidelis in der Bedeutung eines Vasallen kommt in der Zeit deGregors von TourS nicht vor, sondern bezeichnet den Unterthan, Loebell Gregor von TourS S. 192., Roth S. 29 L 3) Die Gleichheit der leudes und fideles zeigt Guntchramni et Childeb. pact. 587., Chlothach. II. edict. 614. o. 17. Diese und ankere Stellen sind genau diScutirt von Roth S. 114. 283 — 308. 4) So bei Gregor. Turon. II. 42. III. 23. VIII. 9., Cbildeb. II. 596. c. 2., Fredeg. c. 27. 41. 56. 79. 5) L. Rip. LXIX. 1. Si quis homo regi insidelis exliterit, de vita compooat. Mehr darüber im Strafrecht. 6) L. Rip. LXV. 1. ($• 60. Note 5). 7) Capit. in Theodon. Villa 805. II. c. 9 Et infantes qui anlea non potuernni proptcr iuvenalem aetetem iurare, modo fidelitatem nobis roprcmittanl. Dasselbe wurde von ihm und seinen Nachfolgern mehrmals, wiederholt. 8) Capit. gener. 789. c. 2. Dc sacrarnentis fidelitalis causa, quod nobis et siliis nostris iurare debent, quod his verbis conlestari debet: Sic promitto ego ille partibus domini mei Caroli regit, et filiorum eins, quia fidelis sum et ero diebus vitae meac, sine fraude et malo ingenio. 9) Capit. Aquisgr. 802. c. 2—9., Capit. pro miss. 802. c. 1. 10) Capit. pro miss. 802. c. 19. Sacramenlale qua liier promitto ego, quod ab isto die inantea fidelis sum Domno Ksrolo piissiino imperatori, fllio Pippini regis et Berlhanae reginae, pure mente absque fraude et malo ingenio de mea parte ad suam pariern, et ad honorem regel sui, ilcut per drictum debet esse homo domino suo. Si(c) me adiuvet Deus et isla sanctorum patrocinia quae in hoc loco sunt, quia diebus vitae

68 64. Uebrigms giebt es über dm Unterthanmverband und die Leudes sehr abweichende Ansichtm. Nach der vorgefaßten Meinung in den Franken blos Kriegsgefolgm, kein Volk zu er­ blicken ’), sollen die Leudes diejenigen gewesen sein, die vom Könige gegm einen besonderm Eid der Treue in das Gefolge aus­ genommen und mit Krongütern begabt warm; erst später sei all« mählig der Leudeseid und die Heerbannspflicht auf alle Unter­ thanen übertragen worden2*).1 Allein dieses wird dadurch wider­ legt, daß sich ein besonderer Leudeseid und ein Unterschied zwischm den Leudes und den anderm vereideten Unterthanen nicht nachweisen läßt, und daß der Fidelitätseid schon im sechsten Jahr­ hundert von allen Unterthanen verlangt wurde3).4 5 Eine andere Meinung unterscheidet wie die vorige die Leudes durch den Besitz von Krongut, Eid und Kriegspflicht; nur ein Gefolge sollen sie nicht gebildet und die Kriegspflicht ihnen nicht ausschließlich ob­ gelegen haben''). Dawider sprechen aber ebenfalls die angeführ­ ten Gründes). Daß nicht alle Franken zum kriegspflichtigen Dienstgefolge des Königs zu rechnen seien, hatte Loebell gegen Eichhorn richtig erkannt. Allein die Leudes hält er doch auch für die Leute, die das Gefolge des Königs gebildet hätten6). d) Erfolgen.

Aatrnstionea.

65. Neben den Freien, die dem Könige durch den allgemei­ nen Fidelitätseid verbunden waren, gab es Personen, die Antrustionen, welche durch die Aufnahme in das königliche Gefolge (truslis dominica) *) zum Könige in einem engerm Verhältnisse meae per meam voluntatem , iu quantum mihi Deas iotelleclam dederit, sie attendam et consenliam. Kürzer noch lautet das Sacram. Romanor. 824. Dadurch wird Eichhorn 1. $. 136. widerlegt. Die richtige Ansicht hat Roth S. 414. 1) Man sehe §. 27. Note 3. 2) So Eichhorn 1. §. 2j a. 26. 27. 119. Derselben Ansicht im Wesent­ lichen sind Guizot, PardeffuS, GuSrard, Phillips. 3) Mau sehe §. 63. Note 1. 2. 3. Genau handelt davon Noth Beneficialwesen S. 75—79. 107-115. 144—146. 276—281. 4) Waitz Verfass. II. 222—227. 5) Roth S. 281—283. 6j Loebell Gregor von TourS S. 181—183. 189—192. 1) Grrmm leitet das Wort von truslis goth. trausti, fides, her. Rich­ tiger ist wohl die Ableitung vom althochdeutschen irust, Schaar, Troß, wie Phil­ lips Reichs- und Rechtsgesch. $. 53. Note 8. gegen Grimm bemerkt.

69 der Treue und Ergebenheit standen. Dieses drückte man dadurch aus, daß sie den Fidelitätseid in die Hände des Königs selbst ablegten ’). Sie bildeten dessen Haus- und Tischgenossen, seine ausgewählte Dienerschaft2 3),* 5sein Gefolge auf den Reichstagen *). Die Ehre ihrer erhöhten Stellung zeigte sich in ihrem dreifachen Wcrgeld s). Es konnten jedoch nicht blos vornehme oder freie Franken, sondern auch Römer, Liten, und selbst unfreie könig­ liche Hausgenossen (pucri rcgis) in jenes Verhältniß ausgenom­ men werden6), und erhielten dann auch die dreifache Erhöhung ihres Wcrgcldes. Es ist daher irrig, wenn man mit Eichhorn das Unterscheidende der Antrustionen in die ausschließliche Be­ rechtigung setzt ein freies Dienstgefolge zu führen 7)8 und 9 für ihre Güter Jmmunitätsrechte zu haben"). Eben so irrig ist es, wenn man in der falschen Voraussetzung, daß die Leudes beson­ dere Getreue gewesen, die Antrustionen mit Faune! für gleich­ bedeutend mit den Leudes, oder mit Eichhorn und Loebell für eine höhere Klasse der Leudes hält ’). Dem Namen nach kommen die Antrustionen in der karolingischen Zeit nicht mehr vor; doch aber noch das dreifache Wergeld für das was sich in der truslis dominica befand10). Der zum Antrustio erhöhte Freie wurde nun bei den chamavischen Franken homo Francus genannt"). 2) Marculf. I. 18. Rectum est ut qui noble fideni pollicentar illaesam, noslro tueanlur auxilio. El quia ille fidelis Deo propilio noster veniens ibi in palalio noslro una cum arma (al. arimannia) sua in manu nostra truslem et fidelitatem nobis visus eat coniurasse , propterea per praesenlem praeceplum deccrnimus ac iubemus, ut deinceps memoralus ille in numero antruslionnm compulelur. Et ii quis fortasse cum inlerficere praesumpscrit, noverit so virgildo suc solides sexcentis esse cnlpabilem iudiceiur. Dem Inhalt nach war der Eid der gewöhnliche FidelitätSei-, Roth Deneficialwesen S. 122—124. 3) Diele Beispiele giebt Roth S. 125—127. 4, Cbilpcric. edict. 561. pro!. (Pertz IV. 10). Pertractantcs in Dei nomen cum viris magnificentissimis obtimatibus vel anlrustionibns et omni populo. 5) L. Sal. XLL2. XLll. 1. LXIIL 1. 2. Merkel, L Rip. XL L, Childeb. Capital, c. a. 550. c. 5, 1. 2. 3. (Pertz 11. 7), Marculf. 1. 18. 6) stecapiL leg. Sal. c. 30. (Merkel p. 99). Inde ad solides 900, ut si quisRomanum vel lidum in trusle dominica occiderit.— c. 33. (Mer­ kel p. 97). Solides 900 ut si quis antruscionem quo puer regis esl occiserit. 7) Dieses gründet sich blos auf die sehr zweifelhafte Lesart cum ari­ mannia sua in der Note 2. citirten Formel. 8) Dieses widerlegt Roth S. 116—119. 9) Die Widerlegung ergiebt sich auS §. 63. 64. 10) Dieses erwähnt noch Karol. II. capit. Caris. 877, c, 20.

70 3) Sie Sirche. Sieder.

Si'rchmgul.

66. Nachdem Chlodevich mit seinen Franken 496 den christe lichen Glauben angenommen, erhielt die Kirche sehr bald im Staat-recht eine sehr hohe Stelle und einen Alles erfüllenden Einfluß. Die Kirche hatte auch während der Einwanderung der Germanen durch die Verbindung der Bischöfe mit dem römischen Stuhle ihre Einheit und Ordnung unverändert bewahrt. Na­ türlich gab es aber einem neubekehrten Volke gegenüber und un­ ter einer neum Herrschaft ueue Aufgaben. Chlodevich berief daher 511 eine Kirchenversammlung nach Orleans, welche über die vom Könige bezeichneten Gegenstände der Kirchenzucht, welche nach den Verhältnissen einer Feststellung bedurften, die nöthigen Beschlüsse faßte und dem Könige zur Bestätigung vorlegte Die Beobachtung der kirchlichen Festtage wurde geboten2*)1, die heidnischen Gebräuche bekämpft und allmählig verdrängt3)4, 5der Kirche und was zu ihr gehörte der besondere königliche Schutz zugesichert *), und ihr daher auch ein dreifaches Wergeld beige, legts). Was aber das Ansehen der Kirche vorzüglich erhöhte, war, daß der König zur Handhabung der kirchlichen Disciplin auf das Kräftigste mitwirktr. Wer wider die Erccmmunication halsstarrig blieb, verfiel in die Reichsacht und sein Vermögen wvrde mit Beschlag belegt6). 67. Schon von Chlodevich an erhielten die bischöflichen Kirchen von den Königen auch große Schenkungen von Reichs­ gütern und mancherlei Freiheiten •). Eben so gelangten die Klö­ ster, nachdem die Regel Benedicts im sechsten Jahrhundert auch 11) Diese- zeigt die L. Cbamav. c. 3. 4. So versteht jenen Ausdruck mit Pertz auch Gaupp German. Abharrdl. S. 37. 52—62.

1) Epiatola synodi ad Chlodoveom regem. 2) Guntcbramn. edicl. 585., Childeb.il. dorret. 596. c. 14., L. Alant. Hlolhar. XXXV11L, L. Baiuv. VI. 2. 3) Cbildeb. I. comlil. 554. 4) Man sehe 5. 58. Note 12.

5) L. Bip. LX 8., L. Alant. Hlolhar. VII. 1. VIII. IX. X. XI. 1. XII. 1. XXL, L. Baimr. VIII. 2. 6) Cbildeb. II. decrot. 596. c. 2., Pippin, capit. Vernens. 755. c. 9., Capil. Ticin. 801. c. 18., Coosl. Olonp. 825. c. 1. 1) Conc. Aurel. 1. 51L c. 5, Oe oMalitmibus vel agria, quoa do« mnui noster rex ecclesiis aua nuinere conferre digital« rat — ipsorum agrorum vel clericorum immuniUtc coacessa. — Cblolhacb. I. const. 560. c. 11. 12., Gregor. Turom V. 35.

71 in Gallien eingeführt worden, durch die Freigebigkeit der Könige, durch Stiftungen von Privatpersonen und durch die fleißige Ur#

barmachung öder Ländereien bald zu einem sehr großen Güter#

besitz ’). Die Bischöfe waren schon in den verworrenen Zeiten bei zerfallenden römischen Reiches durch das Ansehen ihrer Persön­

lichkeit und ihres Amtes die Zuflucht der Bedrängten und that, sächlich die Vorsteher ihrer Städte geworden.

Dieses Ansehm

wurde nun durch ihre Thätigkeit und Verdienste, durch das Ueber# gewicht der Bildung und Kenntnisse, und durch den großen Gü­ terbesitz in den Augen der Neubekehrten gesteigert3).

Uebrigeus

wurden sie aber, eben wegen der Rücksicht auf geistige Bildung,

bis inS achte Jahrhundert vorzüglich aus den Römern, nicht aus den Germanen genommen"). Selbst in bürgerlichen Verhältnissen

blieb der Kirche und dem Clerus der Gebrauch des römischm

Recht-, da sie eine einheitliche Ordnung auömachte, die in Rv« ihren Mittelpunkt hatte4). 5 4) Zustand der Personen,

68.

a) Die Germanen.

Die Mannichfaltigkeit dieser Verhüstnisse spiegelte sich

auch im Zustande der Personen ab,

die nach verschiedenen Ge­

sichtspunkten eingetheilt wurden. Ursprünglich machten die ©al# franken zwischen sich und den

aufgenommenen Barbaren keium

Unterschied, und legten diesen das gleiche Wergeld von 200 So­

lidi bei'). Später aber unterschied man in Folge der Eroberung

nach der Nationalität die beiden Stämme der Franken, die an­ deren Stämme germanischer Abkunft, und die Römer. DaS Wer­

geld

eines salischen wie ripuarifchen Franken betrug 200 So­

lidi 2D.

Das der anderen Stämme ist nur aus der ripuarifchen

Ler bekannt;

unstreitig stimmte sie aber mit dem salischm Recht

2) Diele Beispiele giebt Rath Beuestcialwese« S. 248*-256. 3) Beispiele giebt Waiy Verfass. II. 347—350. 4) Dieses zeigen die Namen in den Unterschriften der Coueilienacteo, 5) Davon unten bei den Rechtsquellen. 1) Diese- zeigt die Gleichstellung ve- Francas und de- Barbaras qui legem Salicam vivil , L. Sal. XLI. 1. Merkel. So verstehe« diese Stelle Savigny Röm. Recht im Mittelalt. I. §. 32., Waih Sal. Recht S. 97^99. Andere Ansichten haben Eichhorn I. §. 46., Zöpfl Buna Chamavor. S. 24. 2) L. Sal. XLI. 1. Merkel., L. Rip. VII. XXXVI. 1. 6p war Cd auch bei een chmnavlschen Franken, L. Chamav. c. 4.

72 überein.

Demnach «ar zu der Zeit, woraus diese Ler herrührt,

daS Wergeld eines zugewanderten Alamannen und Bayern 160

Solidi*), eben so hoch als es in ihrer Heimath war oder wur­ de").

DaS eines zugewanderten Burgundiers betrug ebenfalls

160 Solidi"), während es zur Zeit der Selbstständigkeit des burgundischen Reiches 150 Solidi gewesen war °).

Das eines

zugewanderten Friesm oder Sachsen war gleichfalls 160 So­

lidi ’).

In ihrer heimathlichen Ler dagegen wird das Wergeld

deS Friesen zu 53’/s, das des Sachsen zu 240 Solidi angege­

ben"). Doch ist es wahrscheinlich, daß das Wergeld des Friesen

schon damals eine dreifache Erhöhung erhalten hatte"), und daß bei den Sachsen nach leichten Solidi, die ein Drittel weniger

als der schwere Solidus galten, gerechnet wurde *°), so daß die

Sätze denen der ripuarischen Ler doch gleich sind.

Es ist also

hier augenscheinlich eine absichtliche Uebereinstimmung bewirkt worden.

Merkwürdig ist, daß das Wergeld der Anglier 200

Solidi betrug *ll). Das Wergeld der Römer war aber nur 100 Solidi "), die Hälfte von dem der Franken. Letztere traten also

in so fern gegen die anderen Stämme wie ein höherer Stand hervor. Zur Vergleichung mag bemerkt werden, daß bei den Lan­

gobarden das regelmäßige Wergeld

150 Solidi"),

bei den

Westgothen 500, ursprünglich aber vielleicht auch nur 150")

betrug.

3) L. Kip. XXXVI. 4. 4) L. Ahm. Hlothar. LXIX. 1., L. Baiuv. III. 13. §. 1. 5) L. Kip. XXXVI. 2. 6) So wird dort daS Wergeld der minoren personae angegeben, L. Barg. II. 2. LH. Daß diese minores personae die gemeinen Freien, Sicht, wie Savigny und Petigny meinen, Liten waren, wird im -weiten Buche bei den Standesverhältnissen gezeigt werben. 7) L. Rip. XXXVI. 4. 8) L. Fris. 1. 3. 6. 9. XV. 2., L. Sax. Jl. 1. 3. 9) Dieses zeigt Gauvv German. Abhanbl. S. 4—27. 10) So bemerken Gaupp Thüringer S. 162., Sachsen S. 102—104., Wilda Strafrecht S. 432. 11) L. Angl. I. 2. 12) L. Sal. XLI. 3. XIJI. 3. Merkel., L. Rip. XXXVI. 3., Chlo-dov. capit. c. a, 500. XL 9. (Pertz 11. 5), Capit. pacto 1. Sal. add. c. a. 570. c. 1. (Peru 11. 12). 13) L. Rothar. 74., Liatpr. 62 (VI. 9)., Wilda S. 424—426. 14) L. Visig. VI. 5. c. 14. VII. 3. c. 3. VIII. 4. c. 26., Wilda S. 427—429.

73 69.

Ferner gab es bei jedem Dolksstamme Unterscheidun­

gen nach dem Geburtsstande. Den Kem des Volkes bildetm die Freigebormm, die liberi oder ingenui.

Unter diesen hatten aber

die Grundeigenthümer besondere Freiheitsrechte; sie allein waren

fähig im Dolksgericht Urtheiter und Schöffen über Freie'), und in den wichtigeren Rechtssachen Zeugen zu fein1 2).

Sie hatten

daher eine besondere Ehre und wurden davon bei den Franken

rachinburgi3) 4, boni virP), genannt. Was der Begriff der ger­ manischen Freiheit Eigenthümliches hatte, ist vorzüglich in ihnen

zu suchen5). Ueber den Freien standen bei den meisten Stämmen

einzelne edle Geschlechter, nobiles, ausgezeichnet durch ein höhe­ res Wergeld und durch großen Grundbesitz.

Durch diesen er­

langten sie auch in der Verfassung eine die gemeinen Freim weit

überragmde Stellung 6).

Liten, abhängige Leute,

Don den Freim abwärts kämm die

wovon gleich näher zu reden ist.

Die

Unfreien, servi, bildeten keinen bürgerlichen Stand, da sie kein

Volksrecht hatten. 1) Daß nur die freien Grundeigenthümer urtheiter im DolkSgericht sein konnten, ergiebt sich daraus, daß hier über Freiheit und echtes Eigenthum ge­ richtet wurde, und daß in solchen Sachen selbst alS Zeugen nur echte Grundergenthümer zugelassen waren (Note 2). 2) Const. Olonn. 825. capit. gener. c. 7. Ut in testimonium non recipiantur de bis capitulis, id est de libertate, vel de hereditate vel de proprietate in mancipii» et terris, »ive de homicidio et incendio, illi qni non habent, si convicti fuerint falsum dixisse testimonium, unde secundum legem conposilionem plenam reddere possint. — Capit. Wormat. 829. capit. pro lege habenda c. 6. De liberis hominibus qui proprium von ha­ bent , »ed in terra dominica resident, ul propter re» alterius ad testimo­ nium non recipiantur. Cumiuratores tarnen alidrum dominum esse possunt, quia liberi sunt. Illi vero qni et proprium habent et tarnen in terra do­ minica resident, propter hoc non abiieiantur quia in terra dominica resi­ dent; sed propter hoc ad testimonium recipiantur quia proprium habent. 3) L. Sal. L. 2. LVI. LVII. Merkel., L. Rip. XXXII. 3. LV., Marculf. append. 1.4. 6. Alles Nöthige darüber findet man bei Savigny Röm. Recht im Mittelalter I. §. 61. 62. Das Wort rührt her von rek, groß, treff­ lich, so daß rachinburgi und boni viri dasselbe bedeuten. Müllenhoff in Waitz Sal. Recht S. 291. leitet jedoch mit Grimm von ragin, ragan, Rath, Urtheil, ab. Daß sie aber die echten Grundeigenthümer sind, ergiebt sich daran-, daß sie als Urtheiter und Zeugen über Grundeigenthum erwähnt werden, wa- ohne Besitz von echtem Eigenthum nicht möglich war (Note 1. 2). Dieser Punkt, der selbst zur Erklärung deS NamenS so wichtig ist, ist von Savigny nicht ge­ nug hervorgehoben. Die richtige Ansicht hat Waitz Verfass. 1L 182—185. 284. 285. 421. 4) Man sehe Savigny I. §. 62. 5) Man sehe darüber oben §. 9. 6) Die Beweise folgen im zweiten Buche.

74 70. Endlich hatten auf den politischen Werth eine- ^Man­ nes auch künstliche Verhältnisse Einfluß. Erstlich bewirkte daS Amt eine- Grafen, wozu nicht blos Franken, sondern auch Rö­ mer , Lite«, selbst servi des Königsl) gelangen konnten, die dreifache Erhöhung des angeborenen WergeldeS2); eben so das des MissuS3).4 5Noch höher stand bei den Bayern der Herzog *). Zweitens hatte die Aufnahme in die königliche Trustis ebenfalls die dreifache Erhöhung zur Folge $). Die Antrustionen mit den übrigen hohen Reichs - und Hausbeamten sind unter den fränki­ schen nobiles, proceres und optimales jener Zeit verstanden6).7 Drittens hatte man während der Dienstzeit im Heere (in hoste) das Dreifache des angeborenen Wergeldes 9, also wenn man zugleich Antrustio war das Neunfache 8). Viertens endlich war auch an die geistlichen Weihen eine verhältnißmäßige Erhöhung deS Wergeldes geknüpft9). b) Die Romer.

71. Hinsichtlich der Provinzialen entstand vor Allem das Bedürfniß, die rechtliche Stellung derselben den germanischen Begriffen gemäß durch die Zuerkennung eines Wergeldes zu bei 1) Ein Beispiel giebt Leudastes, der auS einem königlichen Hauskoch cotnes stabuli und Graf von Tours wurde, Gregor. Turon. V. 49. 2) L. Sal. LIV. 1. 2. Merkel., Recap. I. Sal. c. 30. (Merkel p. 97), L, Rip. Llll. 1. 2., L, Chamav. c. 7. 3) L. Chamav. c. 8., Capit. Saxon. 797. c. 7. 4) L. Baiav. II. 20. g- 4. 5. 5) Ma» sehe oben §. 65. Note 5. 6. 6) Davon im zweiten Buche. 7) L. Sal. LXIII. I. nov. 177. 353. Merkel., Recapit. 1 Sal. c. 27. 28. (Merkel p. 99), L. Rip. LXIII. t., L. Sax. V. i. Ob der wargengui in der L. Chamav. c. 9. hi eher gehöre, wie mit Pertz Gaupp German. Äbhanvl. S. 60. meint, ist doch sehr zweifelhaft. 8) L. Sal. LXIII. 1. 2. nov. 353. Merkel., Recap. 1. Sal. c. 30. t§. 65. Note 6). Diese Stellen reden zwar so, als ob die Trustis schon allein die neunfache Erhöhung bewirkt habe. Die ueberschrift des Titels zeigt jedoch, da- darin nur de homlne in hoste occiso die Rede ist. Dadurch widerlegt sich die Darstellung bei Grimm Rechtsalt. S. 272. 275., Gaupp Thüringer S. 163. 166. 171 Ansiedl. S. 121. Gegen Grimm und Gauvp erklären sich auch Dilda Strafrecht S. 419., Eichhorn I. §. 26. Note I , Roth Beneficialwesen S. 116. Irrig ist auch die Auffassung von Savigny Adel S. 19(Derm. Schrift. IV. 35). Man sehe dagegen Warp Verfass. 1. 115., Roth S. 119. 9) L. Sal. nov. 259. 342. Merkel., L. Rip. XXX VI. 5-9., L. Alam. Illotbar. XI. 2. XII. 2. XIII. XIV. XV. XVI., L, Baiav I. 8-11., Capit. pd 1. Sal, 803. c. 1., Epist. ad Pippin. 807.

75 zeichnen und zu sichern. Als Grundlage nahm man, analog wie

bei dm Franken, den freien Römer, den man nun im Allgemei­ nen als Romanus possessor bezeichnete, und legte demselben ein

Wergeld von 100 Solidi bei *).

Ein Gleiches geschah dem Lä-

tcn1 2). 3 4 Durch die Aufnahme in die königliche TrustiS, die auch bei dem Römer möglich war, den man dann Romanus conviva regis nannte, erhielt derselbe wie jeder Antrustio die dreifache

Erhöhung seines Wergeldcs •’). Dem römischen Colonen, Roma­ nus tribularius, der dem fränkischen Liken entsprach, wurde ein

Wergeld von 75 Solidi^), dann nur von 70 5), 62% 6), 45 7) beigelegt, ein Wechsel, der schwer zu erklären ist.

Reben dieser

Eintheilung bestanden thatsächlich die reichen und vornehmen römischen Familien und senatorischen Geschlechter fort8). 9 10Allein

sie hattm nur das gemeine Wergeld des Romanus possessor, wenn sie nicht in die königliche Trustis ausgenommen waren,

was doch immer nur vereinzelt und nicht erblich war»).

Ob

jmer Maasstab nach der Unterwerfung des burgundischen Rei­ ches auch auf die dortigen Römer, die ein höheres Wergeld ge­

habt hatten»°), angewcndet wurde, läßt sich nicht gewiß sagen, ist aber wahrscheinlich.

1) Ma» sehe $. 68. Note 12. 2) Man sehe $. 56. Note 4. 3) L. Sal. XLI. 3. Merkel., Recap. leg. Lalle, e. 30. ($. 65. Note 6). 4) L. Sal. XLI. 3. Merkel. 5) L. Sal. nov. 229. Merkel. 6) L. Sal. XLI. 7. cd. Waitz. Diese Variante fehlt bei Merkel. 7) L. Sal. nov. 119. Merkel., L. Sal. XLIV. 7. Herold. 8) Man sehe oben §. 56. Note 2. 9) Ueber diese Verhältnisse hat SavignyRöm. Struerverfass. (Vermischte Schriften II. 119—122) eine etwas andere Ansicht. Er denkt unter Romanus conviva regis die vornehmen Römer, was gewiß falsch iss, da aoch ganz ge­ ringe Leute Antrussionen werden können. Unter Romanus possessor versteht er nur de» römischen Grundbesttzer nicht jeden freien Römer; unter Romanus tribularius den Kopfsseuerpstichtigen als solchen, sowohl die Plebejer in den Städten wie die Colonen auf dem Lande. Man sehe aber dagegen Roth Beneflcialwesen S. 83 —96. Man muß diesem darin Recht geben, «aß die Aus­ drücke possessor, tribularius nun einen etwas anderen Sinn hatten, wie in der römischen Zeit. Irrig iss es aber, wenn er S. 84. behauptet, „daß sich in den römischen RechtSquellen tribularius in der Bedeutung «inet Kopfsseuerpflichtigen, nicht nachweisen lasse", indem er es blos auf die Abgaben an den Grundherrn bezieht. Denn in der c. un. C. de colon. Thrac. (11. 51) , c. un. C. de colon. lllyric. (11.52t wird der hnmanae Capitalien!« censns, int« der tributariae sorlis nexus gleichbedeutend genannt. 10) Man sehe oben j. 3.'. Note II.

76 72. In anderen Beziehungen standen die Romanen den Ger­

manen gleich. Sie hatten wie diese den FidelitLtseid z« leisten *), wurden mit zum Kriegsdienst aufgeboten ’), und konnten wie sie

zu hohen Kirchen- und Reichsämtern gelangen, was auch nicht

selten geschaht).

Es trat daher allmählig eine Verschmelzung

ein *). Die Romanen hatten zwar für sich das römische Rechts,

allein sie hatten keine besonderen Gerichte, sondern holten beim Grafen Recht, der seine

Beisitzer auch aus Römern nahm").

Sie wurden also hier wie die germanischen Freien angesehen,

und der Name Rachinburgen auch auf sie angewcndet7).

Eben

dadurch mußten sie sich auch den Formen der germanischen Pro­

cedur, selbst dem Eid mit Eideshelfern und Gotteöurtheilcn un­

terwerfen 8).

Vergehen wurden aber an ihnen nach dem römi­

schen Recht gestraft"), und dieses wirkte auch auf die germani­ sche Strafgesetzgebung ein t0). Für den Todschlag eines Germa­ nen mußte jedoch der Römer nach germanischem Recht die Com-

position zahlen"), und die Sitte der Blutsrache gieng selbst auf die Römer unter einander über "). So bildete sich im Laufe

der Jahrhunderte eine Mischung, und in den Capitularken Karls des Großen ist im fränkischen Reich von Römern als einer be­ sondern Nation nicht mehr die Rede li). Das römische Recht hörte dadurch auf persönliches Recht zu sein; es wurde das

Landrecht der südlichen Hälfte von Frankreich ").

1) Marculf. I. 40. (§. 63. Note 1), Gregor. Turon. IV. 30. 46. IX 30., Roth Deneficialwesen S. 108—111. 2) Gregor. Turon. V. 27. VI. 3t. IX. 31. Man sehe auch §. 56. Note 4. Eichhorn ist wegen seiner Ansicht von den Leudes anderer Meinung. Ihn widerlegt vollständig Roth S. 171—186. 3) Beispiele giebt Gregor. Turon. IV. 45. 49. VI. 4. Man sehe auch Loebell Gregor von TourS S. 140—146., Roth S. 82. 17 J. 4) Eine gute Nachweisung giebt Roth S. 96—103. 5) Man sehe §. 55. Note 1. 6) Man sehe unten §. 101. 7) Placitum in Castro Ausona a. 918. (Vaisselle T. II. preuves p. 56). Regimburgos tarn Gotos quam Romanos seu etiam Salicos. 8) Beispiele giebt Roth S. 97. Note 212. 213. 9) L. Hip. LXI. 2. 10) Davon unten im Strafrecht. 11) Gregor. Turon. IX. 19. 12) Gregor. Turon. 111. 33. 35. V. 5. 37. VIII. 41. X. 8. 13) Das Capit. gener. 789. c. 1. bezieht sich auf die Lombardei. 14) So ist es wohl schon in den Capit. miss, data 803. c. 2., gewiß

77 c) Die Abhängigkeit-verhältnisse. 73. Eine sehr wichtige Gattung von persönlichen Zuständen,

die auch auf die Verfassung vielfach eingewirkt haben, waren die AbhängigkeitsverhälmisseDiese kann man auf drei Klassen

zurückführen, je nachdem sich die Abhängigkeit auf ein wahres

Eigenthum an der Person,

oder auf eine Gewalt jedoch ohne

Eigenthum, oder auf ein Schutz- und ähnliches Verhältniß ohne

Gewalt und Eigenthum gründete2*). 1 3 4 Die erste Klaffe bildeten

die Unfreien, servi.

Diese waren dem Gemeinwesen

gegenüber

keine Personen, sondern Sachen,

und hatten daher kein Volks­

recht, sondern nur Hofrecht *).

Ihre Beschäftigungen waren

mannichfaltig. Sie dienten als Gesinde, ttieben Handwerke, stan­ den auf den größeren Gütern in Haus- und Hofämtern, oder

waren auch auf kleinen Kathstellcn oder selbst auf Höfen angesiedclt.

Sie bewegten sich

daher im Leben mit einer gewissen

Freiheit; nur waren sie immer vom Herrn abhängig,

an wel­

chen sie, wenn sie auch von ihm kein Gut hatten, einen Kopf­

zins entrichteten.

Lite«.

Zu der zweiten Klaffe gehörten besonders die

Als Personen hatten diese den Genuß des Dolksrechts,

nur waren sie der Gewalt des Herrn untergeordnet, und wenn sie von demselben ein Gut hatten, so standen sie in so weit auch

unter dem Hofrecht.

Ihre Beschäftigungen waren wie die der

Unfreien; und sie mußten ebenfalls einen persönlichen Zins, ein Litemonium, entrichten. Sie entstanden vorzüglich aus der Frei­

lassung niederer Art *). In einen ganz ähnlichen Zustand kamen

die, welche sich aus Noth in die Gewalt und den Dienst eines Andern mit Vorbehalt der Jngenuität ergaben5).

aber im Edicl. Fist. 864. c. 13. 16. 20. 23. 28. 31. 34. Sin etwas früheres lehrreiches Zeugniß giebt Roth S. 96. Note 208. Gut behanvelt diese Frage Wenck Frank. Reich S. 500-506. Etwas abweichend ist hinsichtlich deS Edicium Pislense Savigny Röm. Recht im Mittelalter 1. §. 49. 1) WaS Savigny Röm. Recht im Mittelalter I. §. 49. 67. nach den Mittheilungen von Eichhorn über diese Verhältnisse und deren Einwirkung auf die Verfassung sagt, ist theils ungenügend, theils gradezu falsch, und zeigt, wie ihm die sichere Anschauung der germanischen Zustände fehlt. 2) Durch diese bisher übersehene juristische Unterscheidung erhält diese verwickelte Lehre eine große Einfachheit und Klarheit. 3) Man sehe oben §. 12. 4) Dre nähere Ausführung und die Beweise folgen im -weiten Buche. 5) Dieses zeigt sehr anschaulich die Horm, Sirmond. 41. Dum et omnU

78 74.

Die Abhängigkcitsverhältniffe der dritten Klaffe wa­

ren mannichfaltiger Art. Zunächst gehören dahin die Schutzver-

HLltnisse.

Diese hatten verschiedme Stvfen.

Die höchste war,

wo man sich in das Mundeburdium des Königs'), die niederste, wo man sich aus

Noth mit dem Schutz auch in die Gewalt

eines Privaten commeudirt hattea).

Es gab aber auch ein rei­

nes durch Commendation begründetes Schutzverhältniß (obsequium, patrocinium), welches wie die römische Clientel sehr in­

niger Art war, und dem Patron die Pflicht der Vertretung, aber

auch das Recht, das Wergeld zu beziehen,

beilegte^).

Ferner

entstand ein SchutzverhLltmß durch die Freilassung höherer Art").

Zu den Schutzhörigen gehörten namentlich die munborali, mun-

diales5), Mundmannen °), Mundlinge7), die durch freie Wahl °),

bus habetur percognilum, qualiter ego minime habeo, unde me pascere vel veslire debeam, ideo petii pietali vestrae, et mihi decrevit voluntaa, ut me in veslrum mundeburdum tradere vel commendare deberem. Quod ita cl feci. Eo videlicet modo ut me tarn de viclu quam et de vcstimento, iuxta quod Vobis aervire et promereri poluero, adiuvaie vel consolare debeaa, et dum ego in capud advixero, ingenuili ordine tibi servilium vel öbseqniunr impendere debeam, et me de vestra poteatate vel mundoburdo tempore vilae meae potestatem non habeam aubtrahendi, nisi sub vestrae potestate vel defensione diebus vilae meae debeam permanere. 1) Man sehe §. 58. Note 19. 2) Man sehe $. 73. Note 5. 3) L. Kip. XXXI. 1. 2., L. Baiuv. HI. 13. §. 1., L. Rolhar. 225 (228). Andere Zeugnisse giebt Waiß Verfass. II. 172. Bei den Westgothen hieß der Client buccellarius, Ducaoge v. buccellarius. Ein Freigeborener konnte sich einen Patron nach Belieben wählen und wechseln; Iragm. 1. Viaig. c. 310., L. Visig. V. 3. c. l.; er zog mit ihm in den Krieg, IX. 2. c. 9., maß er von ihm geschenkt erhielt, darauf hatten seine Eltern keinen Anspruch, IV. 5. c. 5 ; er mußte eS aber dem Patron, wenn er ihn verließ, wiederge­ ben; und von dem, waS er unter ihm erworben hatte, fiel bei seinem Tcde die Hälfte dem Patrone zu, V. 3. c. 1. Was Waiy Vassalität S. 61—64. über dieses Verhältniß gegen Roth sagt, ist sehr wohl begründet. 4) Davon im zweiten Buche. 5) Zeugnisse für diese Namen sind bei Guerard Irminon 694., Waip Verfass. 11. 171.

I. 219. 480.

6) Karoli M. dipl. pro eccles. Osnabr. a. 804 (Böhmer regesla n. 176). Super aervoa et liddones et liberos malman cl mundmann. 7) Olton. 1. dipl. a. 937 (Böhmer regesla n. 78). Si vero aliquia ex liberlis voluerit lammundling vel litua fieri aut eliam colonua ad inonaaleria super addicla. Man sehe dazu Grimm Rechrsalt. S. 311. 8) Ohren. S. Benigni (Bouquet 111. 469). Homines hberi ibidem commanenles ae et aua cominiserunt patrocinio huius sancli Benigni aonisque aingulia pcraolvebant ad eiua altare censum a se constitutum. Ein Beispiel giebt auch das Dipl, a, 794 (Lacomblet 1, n, 15).

79

ober in Folge ihrer Freilassung9)10unter 11 12dem 13 Schutze 14 eines Stif­ tes ober Klosters waren, und dafür einen Zins entrichteten,0). Gewöhnlich bestand dieser in Wachs"), und davon wurden sie auch cerarii *’), cerae censuales, WachSzinsige, genannt"). Eben so gab es auf den Krongütern Freie, die unter dem Schutz und der Gerichtsbarkeit des Königs waren "). Dasselbe Ver­ hältniß kam unter einem Schutzherrn aus dem Adel vorxi). 75. Andere Abhäigigkeitsverhältnisse jener Art hiengen mit dem dauernden Ansitz auf dem Boden einer Grundherrschaft zu­ sammen. Diese entstanden hauptsächlich bei den Besitzungen der Stifte und Klöster, zu welchen Frömmigkeit, der Vortheil ihres .mächtigen Schutzes und ihr geordneter Haushalt hinzog, und welche dadurch die Zahl ihrer Grundholden aus den Freien sehr vermehrten. Dieses geschah in verschiedenen Formen. Die Eine war, wo der Besitzer einen festen jährlichen Zins zu zahlen hatte, wovon er Malmaun hieß •)♦ Dieses Verhältniß entstand theils bei denen, die sich mit ihrer Nachkommenschaft und ihrem Gute dem Stiftsheiligen tradirt, aber im Besitz ihres Gutes gegen einen Census gelassen worden 2), theils bei denen, welche vom Stift ein Gut als terra oder mansus censilis auf ein oder zwei Leiber verliehen erhalten hatten ’). Auch gehört dahin bei den

9) L. Rip. LVIII. 1. 3. Das Nähere im zweiten Buche. 10) Man sehe Note 8. Andere Nachweisungen giebt Guörard I. 219. 11) Irminon polypt. XII. 27. p. 126. Tenet eum (rnaosam) nunc Rotveus manboralus. Donal pro sua monboraUone de cera valentem denarinm I. — Ein Beispiel giebt auch bas Dipl. a. 794 (Note 8). Beispiele von wachszinsigen Freigelassenen kommen bei der Freilassung vor. 12) Capit. 779. Francic. c. 15. 13) Zeugnisse giebt Guerard I. p. 368. 429., Grimm Rechtsalt. S. 315. Ihre näheren Rechtsverhältnisse kommen im zweiten Buche bei den Standesver­ hältnissen vor. 14) Capit. de villis 812. c. 52. 13) L. Sax. XVII. Liber homo, qui sub lutela nobilia cuiusdam erat. 1) Karoli M. dipl. a. 804 (§. 75. Note6). Liberos malmann. — Henrici III. dipl. a. 1051 (Böhmer regesla n. 1616). Liberos homines mahcU mann nominatos. — Ducange v. maalmann, mal. — Eine andere Ansicht von den Malmannen hat Unger Gerichtsverfass. S. 286—288. 2) L. Alam. Hlolhar. 1. 1., Const. Olonn. 825. capit. gener. c. 2., Guerard Irminon 1. 4.*7—429., Waiy Verfass. II. 174.

3) Capit. Aquisgr. 817. alia capit. c. 4. 500-502. 588.

Mehr giebt Guerard L 480.

80 Langobarden die Verleihung nach dem Rechte der libellarii

und bei bett Franken die Verleihung als terra manu firmata")

gegen Zins auf Lebenszeit oder auf ein oder mehrere Leiber mit dem Recht der Veräußerung 6). Gut ausgeliehen oder ein

Eine andere Form, worin ein

hingegebencs Gut zurückempfangcn

wurde, war als Precarie oder Prästarie7) iure beneficiario et usufrucluario unentgeltlich oder gegen einen Zins, ursprünglich von fünf zu fünf Jahren8), dann aber auf Lebenszeit^; oder auch darüber hinaus für einen Sohn'°), oder für alle Nach­

kommen").

Die lebenslänglichen Precarien wurden auch nach

dem kirchlichen Sprachgebrauch Beneficien genannt").

Einen

wesentlichen Unterschied zwischen Beiden gab es nicht ").

76. Durch diese Schutz- und Abhängigkcitsverhältnisse wur­ den die freien und unfreien Grundholden einer Grundherrschaft

einander in mehreren Stücken ähnlich ').

Ter Herr wurde ihr

senior2), sie Alle seine homines 3) genannt.

Es bildete sich zwi­

schen Beiden auö Bedürfniß und gegenseitigem Interesse ein Ver-

4) L. Liulpr. 92 (VI. 38), Capit. Papicns. 789. c. 6., Lang. 803. e. 16., Form. Lang. 14., Boson, praecept. a. 879 (Baluz. 11. 1505), WU don. praecept. a. 892 (Baluz. 11. 1521), Ducange v. libellarii. 5) Conv. Piit. 8o9. c. 13. 6) Davon handelt Guerard Saint-Pere I. §. 229. 230. 7) Guerard lrminon 1. 507—577., Waiy Derf. 11. 196—200., Roth Beneficialwesen S. 358—363. 433—435. 8) Karol. 11. a. 846. c. 22., Marculf. II. 5. Append. 41. 9) L. Alam. Hlothar. II. 1. 2., Marculf. II. 5. 39. 40. 41. Append. 27. 28. 41. 42., Form. Bignon. 20., Lindenbr. 20. 22. 23. 25. 26. 27. — Const. Olonn. 825. capit. eccles. c. 3. — 3» den Urkunoensammlungen fin­ den sich zahlreiche Beispiele. 10) Form. Lindenbr. 19., Form. Alam. 1., Cod. Lauresham. I. n. 20. 34. 35. Ein Beispiel einer Tradition mit Vorbehalt der Rückgabe alS Pre­ carie gegen einen ablösbaren ZinS, wenn der Schenker auö dem Kriege gesund zurückkehren würde, sonst aber als Precarie für die Mutter, Ehefrau und Kinder, haben die Form. Alam. Bbenaug. 25. 11) Form. Alam. Alsal. 1. 2. 12) Beispiele geben L. Alam. Hlothar. II. 1., Form. Andeg. 7., Bignon. 20., Marculf. 1. 13., Capit. 779. Lang. c. 14. — Man sehe auch §. 82. Note 1. 13) Genag handelt davon Daitz Verfass. II. 195—205. 221., Vassallität S. 37—41. 47., der einige Angaben von Oloth mit Recht bestreitet. 1) Daher werden sie in den 3mmunitätöbriefen in dem stehenden Aus­ druck zusammengefaßt: tarn super aervos quam ingenuos, liberos ettr francos. 2) So im Capit. pro pago Cenoman. 800., Karol. 11. Synod. Sueslion. 853. capit. missor. c. 9.

3) Dieses zeigt GuSrard lrminon I. 421—426.

81 hältniß der innigsten Art.

Die homines galten als auf Treu

und Glauben lebenslänglich an ihren Senior gebunden*), durften von einem andern Herrn nicht ausgenommen 5), und mußten im

Falle der Flucht an ihren Senior zurückgcschafft werden6). Der

Herr hatte sie bei Klagen vor Gericht zu stellen oder für sie zu zahlen7), weshalb die Vorladung durch seine Hand gehen mußte,

und er war für ihr Betragen verantwortlich gemacht, weshalb er auch eine Zuchtgewalt über sie hatte"). Ihm stand sogar die Blutrache für dieselbe zu ’).

Dieses Verhältniß der Vertretung

und Hülfe hieß das legitimum mitium, was aber auch den Be­ griff von Herrschaft, Bann, erhielt"). Hieran schloß sich der Begriff von einem Territorium "). Die unter dem Mitium eines

Herrn stehenden Personen bezeichnete man als die homines, qui per ipsum reclamare se et sperare noscuntur "); auch als des­

sen amici, gasindi, suscepti ").

Diese Ausdrücke deuten an, wie

enge das Verhältniß war. Dasselbe wurde sowohl bei denLiten") wie bei den freien Grundholden '*) noch durch einen Eid der

4) Pippini Capit. Vernense 753. c. 9. 5) Pippini Capit. Papiense 789. c. 5., Divisio imperii a. 806. c. 8. a. 830. c. 4., Conv. apud Maranam 847. adnuut. Karoli c. 3., Conv. Ticin. 855. lege» c. 6. 6) Capit. Ingelh. 807. c. 5., Noviomag. 803. II. c. 6. 7) Conv. Silvac. 853. c. 4., Hludow. 11. conv. Ticin. 855. c. 3., Karlom. capit. 883. c. 3. — L. Liutpr. 92 (VI. 38). 8) L. Baiuv. 11. 5. §. 1 — 4., Capit. Aqnisgr. 825. c. 17., Conv. Silvac. 853. c. 13. 9) Capit. de exercit. 811., Capit. Lang. c. 6., Conv. Ticin. 850. lege» c. 3 10) Marculf. 1. 23. 24. Andere Stellen sind auch gesammelt bei Waitz Verfass. 11. 292. Ueber den Begriff handelt am Genauesten Roth Benesicialwesen S. 163—165.; über daS Sprachliche Grimm in der Vorrede zu Merkel lex Salica p. XI. 11) Territorium aancli illius, Form. Andeg. 4. 8. 21. 22. 39. 53. 12) Marculf. I. 23. 24., Form. Baluz. 5. 13) Marculf. I. 23. 24. 32. Andere Stellen hat Math II. 175. 292. Don dem Sinne dieser Worte handelt Roth S. 157—163. 367—369. 14) Dieses zeigt das Dipl. a. 1049 (Möser OSn. Gesch. II. Urk. 22). Qualiler quidam liberlus Wcrinbrabl vocalus — so ipsutn ad eandem tradidit ecclesiam, et cum sacramenlo , sicut proprius liddo tnerilo debuit, ei dem ecclesiae et episcopo Bdelitalem fecit. 15) Dieses zeigt wohl Capit. in Theodon. villa 805. II. c. 9. De iuramento, ut nulli aller! per sacramenlum sidelitas promittatur, nisi nobia et unicuique proprio senior! ad nostram utilitalem et su! eenioris. — Man kann allerdings mit Waih Dassallitat S. 36. zweifeln, ob diese Stelle auf alle Grundhelden oder nur auf Vasallen zu beziehen sei. Für die Sache selbst spricht

öoltrr’l deutsche Recht-geschichte I. 2tt Auflage.

ß

-

32

-

Treue verstärkt, so daß dasselbe in der That eine Art von litt* terthaneuverhältniß darstellte. d) Verhältniß deß Srm'orate» zum Lriegiwesen.

77. Die Kriegspflicht tyar seit den ersten Zeiten des frän­ kischen Reiche- eine allgemeine Unterthanenpflicht, welche jedem freien Manne persönlich oblag Sie traf also die Germanen wie die Römer , auch die armen und geringen Leute , die Freigelassenen Litens) und Aldionen *0 , weil diese doch das Volk-recht hatten. Darin machte auch das Verhältniß des Seniorates keinen Unterschied, die freien Grundholden bliebm dem Reiche unmittelbar kriegspflichtig. Rur die Aenderung bildete sich, daß um die Aushebung zum Reichsheer zu erleichtern, die Se­ nioren selbst ihre homines aufbicten und mit ihnen zum Heere ziehen oder dieselben dahin schicken sollten. Dieses ergab sich von selbst aus dem engen Verhältniß des Herrn zu seinen Gruudholdm und insbesondere aus den Immunitätsprivilegien, kraft deren die öffentlichen Beamten das befreite Gebiet nicht betreten

aber der Geist der Zustände, die Analogie mit dem Litus, und die Thatsache, daß in der Hofverfassung allgemein ein Huldigungseid verkommt. Als Beispiel dient daS Hofrecht -u Eikel Art. 21 (Grimm Weisth. 111.61). Nur zur Halske richtig ist daher die Darstellung von Waip S. 34—37. 1) Dieses -eigen erschöpfend Waih Verfass. II. 471—474., Roth Beneficialwesen S. 170 — 187. 199 — 202. Eichhorn weicht in drei Punkten ab. Erstens betrachtet er in der merovingischen Zeit alS Grund der Dienstpflicht blos den Gefolges erbau d der fränkischen Leudeö in feinem irrigen Sinne (§.64). Zweitens behauptet er einen Unterschied zwischen Neuster und Auster, weil in Auster viele Franken nicht LeudeS gewesen wären, die nur freiwilligen Zuzug geleistet hätten. Dritten- nimmt er mit Anderen an, daß schon damals die Kirche wegen deS DesipeS von Krougut eins Mannschaft zu stellen gehabt hätte. Seine willtührlichen und gezwungenen Combinationen sind aber von Roth S. 73 —77. 83. 187—199. 403—407. 412—416. für immer abgethan. 2) Man sehe §. 72. Note 2. 3) Gregor Turon. V. 27. Chilpericus de pauperibns et iunioribus ecclesiae vel basilicae (S. Martini) bannos iuasit exigi, pro eo qaod in exercitu non ambulassent. Die richtige Auslegung dieser Stelle giebt Roth S. 183—185. 4) Diese- zeigt die L. Rip. LXV. 1. 2. Den den charlulali eines Klo­ ster- in Italien sagt es ein Freibrief von 867, Böhmer regesta n. 653. Auch bei den Langobarden war eS so gewesen, Paul. Üiac. 1. 13. 5) Dieses beweist die L. Sal. XXVllJ. Lind. nov. 69. Merkel, Recapit. 1. Sal. c. 27. Merkel. 6) Inalrnm. inquisit. (Guörard Irminon 11. 343). Sunt aldianes duo, qui propler boflem, ad ipsam villam so tradiderunt.

83 durften. Wegen des großen Güterbesitzes der Stifte und Klöster

bildete sich dieses der kirchlichen Freiheit zusagende Verhältniß hier besonders und wohl zuerst aus'), und dadurch erlangten

die Bischöfe und Aebte auch zum Heerbann eine wichtige Stel­ lung 8).

Bei der im achten Jahrhundert einreißenden Verwelt­

lichung geschah es dann häufig, baß dieselben sogar in Person

an der Spitze ihrer Leute mit zogen, was zwar verboten wurdet, aber ohne daß es viel fruchtete.

Jedenfalls war das Seniorat-

wesen für das Kriegswesen von Wichtigkeit, weil dadurch das Aufgebot rascher bewerkstelligt wurde. 5) Die Vasallität und das Beneficialwesen ').

78.

a) Entstehung der Vasallität.

Ein sehr wichtiges und eigenthümliches Abhängigkeits­

verhältniß wurde die Vasallität. Aus oder neben dem Gebrauch der Könige, Personen ihrer Gunst durch Commcndation in ihren besondern Schutz aufzunehmen 2*) 3 1,4 entstand auch der, sich dem Könige durch den in dessen Hände abgelegten Eid der Treue in das Vassaticum zu empfehlen8).

Die Form war also dieselbe,

wie bei den Antrustionen"); die Handlung wurde aber wie bei der Hingebung in den königlichen Schutz sc commendare ge­

nannt 5). Die dem Könige so verbundenen Personen hießen dessev

7) Dieses zeigt schon Pippini capit. 744. c. 3. Et abbates legitimi ostem non faciant , nisi tantum homines eorum trausmiltant. Vorausgesetzt ist diese Einrichtung auch im Capit, de exerc. projnov. 803 (811). c. 1. 5. Sie ist nicht erst von Karl dem Großen erfunden. 8) So erklärt sich diese ganze Erscheinung sehr natürlich. Roth S. 354 —358. bringt dieselbe mit künstlichen Absichten, selbst der Staatsgewalt, in Verbindung. Dieses ist der schwächste Theil seines gelehrten Werkes. Hhn wi­ derlegt Waitz Vaffallität S. 75. 76. 9) Dieses zeigen Pippini capit. 744. c. 3. (Note 7), Karlomanni ca­ pit. 742. c. 2., Kaioli M. capit. 769. c. 1. 1) Eine neue sehr tief gehende Untersuchung darüber ist: Roth Geschichte des Beneficialwesens. Erlangen 1850. Einzelne Ansichten desselben bestreitet Waitz über die Anfänge der Vassaüität. Göttingen 1856. 4. Seine Einwürfe sind theilweise begründet; doch fehlt es seiner Darstellung an bestimmter klarer Bezeichnung dessen, worin er mit seinem Gegner übereinstimmt, und worin er ihn bestreitet. 2) Man sehe oben §. 58. Note 19. 3) Einhard, annal. a. 757. Tassilo — more Francico in manus regis in vassaticum manibus suis semet ipsum commendavit, fidelitatemque — iureiurando — promisit. 4) Man sehe §. 65. Note 1. 5) Man sehe Note 3. ES entsteht die Frage, ob das Vassaticum von

84 Dassen oder Vasallen

Sie befandm sich theils in der unmit­

telbaren Umgebung und in Hausämtern des Königs7), theils wurdm sie auswärts in öffentlichw Aemtern

oder zu vor­

übergehenden Geschäften höherer und niederer SIrf9), oder zur Gränzvertheidigung verwendet,0),

tern ”)♦ 79.

oder blieben auf ihren Gü­

Das Beispiel der Könige fand Nachahmung.

Schon

früher war es Gebrauch, daß reiche Grundherren aus ihren

Unfreien ein Gefolge zu ihrer Bedienung, Begleitung oder Ver­ theidigung unterhieltenFerner kam eS vielfach vor, daß Freie sich in den Schutz von Privaten commendirten 2).

Beide Um­

stände wirkten bei der steigenden Macht der Großen dahin, daß auch Freie3) sich durch Commendation *) und Eid der Treue6) in deren Dienst ergaben^). Diese wurden als eine höhere Klasse

ihrer homines7) angesehen, und ebenfalls Dassen oder Vasallen °), denAutrustiouen, oder von dem Commeudireu in den königlichen Schutz herrühre. Ersteres behauptet mit überwiegenden Gründen Roth S. 382—385.; letzteres Waitz S. 52—64., indem er S. 49 — 52. Roth bestreitet. Da aber die An, trustionen entschieden doch auch, wir Narculf. 1. 18. zeigt, in den besonderen königlichen Schutz traten, so fließt augenscheinlich Beides in einander. Selbst Waiy muß S. 52. zugeben, „daß die Dassallität die alte Gefvlgeschaft in ge­ wissem Sinne in sich ausgenommen, absorbier hat." 6) Vassu* in jenem Smue findet sich zuerst in der L. Baiuv. II. 15. $. 1. ursprünglich bezeichnet eS den unfreien Dausgenossen, wie im zweiten Buche bei den servi gezeigt werden wird. 7) Capil. Bonoo. 811. c. 7. l)e vaaallia dominicia qui adhuc intra caaam aerviunt. — Capil. ad Theodon. vill. 821. c. 4. De vasais noalris qoi — nobia asaldoe in palalio aerviunt. 8) Ediclnm de eiped. Coraicana 825. c. 2. Dominici vassalli qui auelaldi (gaasaldi) sunl. 9) Stellen giebt Waitz S. 13. 14. 10) Capil. ad Theodon. vill. 821. c.4. De vaaaia nostria qui ad marcatn noatram constiluli sunl cualodiendam. 11) Ein Beispiel giebt Baluz. 11. 1400. 1405. 1) Diele Beispiele giebt Roth S. 152—156. 2) Man sehe oben §. 174. Man muß Waitz S. 60—65. darin Recht geben, daß Roth dieses Element zu wenig beachtet hat. 3) Capil. Aquiagr. 809. c. 5. Fiullua aliua de libcris hominibus — exceplia — vasais comiium. Man sehe auch Waitz S. 7. 4) Diese erwähnen Capil. Lang. 786. c. 7., Const. de liberia el vasallia 816. c. 2., Praecept. pro Uiapan. a. 815. c. 6. a. 816 (Waller 11. 291. 298). 5) Capil. in Theodon. vill. 805. II. c. 9 (§. 76. Note 15). 6) Die erste sichere Nachricht von einem freien Gefolge ist auS der Zeit deS Karl Martell, Roth S. 156. 7) Homines ist in vielen Stellen gleichbedeutend mit Vasallen, Waitz S. 6.

8) Eichhorn I. $, 167. behauptet, Bassen seien nur diejenigen genannt

88 der Herr ihr Senior genannt.

Später unterschied man die Da-

fallen des Königs von den Anderen als die maiores homines’). Möglich war, daß ein Vasall selbst wieder Freie als Vasallen

unter sich hatte'").

Uebrigens wurden Benesicien auch noch an

Colonen, Freigelassene und selbst an Unfreie zu Reiterdienst ver­ liehen , und diese dadurch in ein geehrtes vasallenähnliches Ver­

hältniß gebracht *'). b) Entstehung der Benefirie».

80. Während der Kriege gegen die Araber im achten Jahr­ hundert zeigte sich für den König die Nothwendigkeit, die über­

mächtigen Großen zu gewinnen, um durch deren Beispiel, beson­

ders im Heerdienst, aus die Anderen zn wirken. Da das Kron­ gut durch Schenkungen erschöpft war, so sah man sich gedrängt,

das Eigenthum der Kirche in der Form einer Anleihe anzugreifen *). Zu diesem Zweck wurden unter Karl Martells Söhnen 0 die Kirchengüter verzeichnet und ein großer Theil davon »er­ theilt 3*). 4 1 2 Dieses geschah so, daß der König die bei den Kirchen­

gütern allgemein übliche Form der Verleihung als Precarie") beibehielt,

aber statt der bisherigen Besitzer Andere mit Preca-

rien gegen einen Census an das Stift oder Kloster auf Lebens­

worden, welche mit einem freie» Gefolge, Vasallen diejenigen, welche nur mit ihrer Person gedient hätten. Allein diese Unterscheidung ist nicht begründet. Roth S. 384. 385. 9) Conv. ConQuent. 860. Karoli capiL c. 3. 10) Dieses zeigt schon daS Capit. Compend. 757. c. 9. DaS Praecepium Ludov. Pii pro Hispania (Walter II. 308) spricht von denen, qui ad VHBSO8 comitnm ao commendaverunt. Ganz auSgebildet erscheint eS tut Ca­ piL Olono. 823. c. 13. 1!) CapiL Lang. 786. c. 7. Fiacilini qnoque et coloni, et eccleaiaalici adqne aervi, qui honorati beneficia et minialeria tenent, vel in baaaallalico honorati aunt cum domini(s) sui(a), et caballoa, arma, et acuto, et lancea, apata ct aeifespaaio habere poasunt. 1) Die Ansicht neuerer Schriftsteller, dieses auS einem königlichen Ober­ eigenthum oder Schuhrecht herzuleiten, ist irrig; eS war ein Act der bloßen Gewalt. Dieses zeigt Roth S. 314 —325. 359. 36n Unzureichend sind die Einwendungen von Waiy S. 69. Nicht ganz richtig ist eS aber, wenn Roth die Operation eine Säkularisation nennt. 2) Die gewöhnliche Nachricht, daß die große Einziehung des Kirchen­ gutes schon von Karl Martell selbst geschehen sek, ist schon von Lecointe, Men­ schen und Pagi widerlegt; -uleyt von Roth S. 325—334. 466*-470. 3) Annal. Alam. a. 751. Rea eccleaiarum deacriptas atque divisas. 4) Man sehe j. 75. Nöte 7-11.

86 zeit belehnte, bei deren Tode aber da- Gut an die Kirche zvrückfallen, und wenn der König es von Neuem austhan wollte,

ein neuer Precariebricf ausgeschrieben werben sollte.

Sv war

das Verfahren sowohl in Australien unter Karlomann7435 6), wie

in Nensirien unter Pippin; nur wurde hier so viel Weggenom» tttn, daß den Klöstern kaum zu leben bliebt.

Auch blieb hier

manches eingezogene Stück Land in den Händen von Laien ohne die Rechtsform der Precarie, weshalb diese allgemein eingeschärft

würbe7). 8 9 Neben diesen

aus den Kirchengütern geschaffenen kö­

niglichen Precarien waren aber auch noch kirchliche Precarien

möglich ’).

Die Einen wie die Anderen wurden nach dem kirch­

lichen Sprachgebrauch auch Deneficien genannt"). Bald ahmten die Könige dieses für die Erhaltung der Krongüter vortheilhafte Rechtsform auch bei der Verleihung derselben nach, und es wur-

5) Karlomanni capil. Liftin. 743. c. 2. Slalaimna qnoque cum Con­ silia scrvorom Dei et popuii christiani, propter imminentia della et persecutiones celerarum gentium -qnae in -circuitu noslro sunt, nt sub precario et censu pariern ecclesialis pecuniae in adiutorium exercitus noslri cum indnlgcnlia Dei aliquante tempore relineamus, ea condilione, ut annis singulis do unaqnaque casala solides >d est duodecim denarii, ad ecclesiam vel ad monasterium reddatur, eo modo, ut si morialur ille, cui peennia commodata fuil, ccclesia cum propria pecunia revestila sit. Et iterum, si nccessilas cogat ut princeps iubeat, prccarium renovetur, et scribatur novum. Et omnino observelur, ut ecclesia vel monasteria penuriam et paupertatem non palianlur, quorum pecunia in precario praestita sit. Sed si paupertas cogat, eeclesiae et domini Dei reddatur integre possessio. Man sehe dazu Roth S. 358—363. 6) Pippini capil. Suesson. 744. c. 3. Et de rebus ecclesiasticis subtraditis monachi vel ancillas Det consolentur, usque ad illorum necessitati salisfaciant ; et quod superoveril, Census levelur. — Capil. Vernens. 755. c. 20. In alio synodo nobis perdonastis, ut illa monasteria ubi regulariter monachi aut monaebas vixerant, ut hoc quod eis de illas res demillebalis, unde vivere potuissent, ut exinde, si regalis erat, ad domnum regem fecisset rationis abbas vel abbalissas; et si episcopalis ad illum episcopum. — Die Nachweisung für einzelne Kirchen giebt Roth S. 337—341. Mehr alö das im Terte Gesagte folgt aber auS allen diesen Stellen nicht, und eS ist irrig, wenn Noth S. 336. 337. für Gallien em anderes System anzu­ nehmen scheint. 7) Pippini capil. Aquitan. 768. c. 11. (Perlz II. 14). Ut omnes leici et seoulares qui res eeclesiae tenent, precarias inde accipiant. 8) Capil. 779. Franc, c. 13. Et sit discrelio inter precarias de verbo noslro faclas, ct inler eas quae spontanes voluntate de ipsis rcbui ecclesiarum faciunt. — Ibid. Leng. c. 14. 9) Hinsichtlich der kirchlichen Precarien zeigt dieses §. 75. Note 12. Hinsichtlich der auS der Anleihe cherrühre,den Precarien sehe mau Capil. 779. Laug. c. 14., Capil. Francos. 794. c. 25. ., Edict. pro episc. 800., Capil. exccrpta 802. c 56., Capil. Lang. 802. c. 6.

87

den nun zwischen königlichen Veneficicn, die aus dem Kirchen­

gut, und solchen, die von anderswo herrührten, unterschiedm,0).

Auf diese Weise ist das Bcneficialwesen der Sache wie dem

Namen nach aufgekommen"). Tie aus dem Kirchengut herrührenden Beneficien trugen aber mehrere eigenthümliche Lasten: einmal den gewöhnlichen Zehnten; dann die auf dem Kirchengut

überhaupt haftende kirchliche Baulast; dann dm erwähnten Cen­

sus ; endlich wurde ihnen noch ein zweiter Zehnte auferlegt, so daß sie eine Decima und Nona an die Kirche zu entrichten hat­

ten ,z). 81.

Die königlichen Beneficien, sowohl die welche aus dem

Kirchengut, wie die welche anderswo herrührten,

wurdm an

Bischöfe, Aebte, Aebtissinnen, Optimaten, Grafen lutb andere Getreuen verliehen *)♦

Dabei gieng eine Commendation vorher,

wenn man nicht schon commendirt war2*). 3 1 4 Umgekehrt war aber nicht mit jeder Commendation die Verleihung eines Beneficivms verbunden, sondern es konnte königliche Vasallen geben die keine

Benefickm hatten').

Das Gewöhnliche war und wurde aller­

dings, daß sie solche hatten"). Die Bischöfe, Aebte, Grafen und

andere Reichsbeamten wurden von den königlichen Vasallen kn

10) Capit. Niumag. 806. II. c. 6. üt omnea episcopi, abbates, abbatissae, oblimates, comiles, seu domeslici, et cuncti fideles, qui heneßcia regalia, tarn de rebus ecclesiae quamque et do reliquis, habere vide(n)lur, etc. 11) Durch diese eben so sehr durch die Thatsache« der Geschichte wie durch die Ausdrücke der Quellen unterstützte Darstellung ist die Entstehung deSBeneficialwefeus sehr einfach erklärt. Roth weicht weit ab. Ganz oahe war auf dem richtigen Wege Waitz Verfass. 11. 220., Dassallität S. 39. 65—71. Allem er kommt auS der Unbestimmtheit nicht heraus. Nach seiner Angabe «ar auch Guizot auf der richtig« Spur. 12) Pippini capit. 768. c. 1. (Perle II. 13), Capit. 779. Francic. c. 13. Lang. c. 14., Fraacof. 794. c. 25., Aquisgr. 801. c. 22., Capit. excerpta 802. c. 56., Lang. 802. c. 6., Capit. de presbyt. 809. c. 18., Aquisgr. 817. capit. per se scribenda c. 5., Coost. Olonn. 823. memoria c. 15., Aqnisgr. 825. c. 23,, Wormat. 829. capit. gener. c. 5. 9., Conv. Sparnac. 846. c. 63., Synodua Suession. 853. c. 8. capit. missor. c. 6. — Davon handelt Roth S. 363—366., Waitz S. 46. 1) Man sehe §. 80. Note 10. 2) DüseS zeigt Gu6rard Irminon I. 530. 563. Anderer Meinung ist Roth S. 429. 3) Dieses zeigt klar daS Capit. 779. Francic. c. 9. Lang. c. 9., Ca­ pit. Aqueose 807. c. 6. 7. 4) Dieses zeig« Divis, imper. a. 806. c. 9 a. 817. c. 9., Capit. Aquisgr. 807. o. 8.

88 Rücksicht auf ihre besondere Würde unterschiede«5 6), 7 8in9 Rücksicht 10 11 12 auf die Commendation und die Beneficien aber ihnen beigezählt'').

Dem Gegenstände nach bestand ein Beneficium insgemein in einem

oder mehreren Haupthöfen sammt dm dazu gehörmdm freien und unfreien Nebmhöfen, Wiesen, Weinbergen, Waldungen,

Fischereim und Anderem').

Zur Uebersicht und Erhaltung der

königlichen Beneficien wurdm dieselben genau verzeichnctb), was auch nöthig war, weil deren Inhaber fie durch mancherlei Künste in Allod umzuwandeln ’),

oder aus ihnen durch unwirthschaft-

liche Bmutzung ihre Erbgüter zu bereichern suchten'").

Daher

wurde dieses mit der Einziehung bedroht"), und den königlichen

Sendboten aufgegeben,

darauf bei ihren Rundreisen genau zu

achten ").

82.

Die Verleihung von Grundstücken zum Beneficium kam

auch von Privaten vor, sowohl an Unfreie als an Vasallen,

und bezeichnete nach Art der Precarie das Recht der lebensläng­

lichen Benutzung').

Diese Rechtsform wurde dann häufig ge­

braucht, und zwar in einer doppelten Richtung: einmal an ge5) Capit. Fiinmag. 806. II. c. 6. (§. 80. Note 10), Capii. Aquense 807. c. 6., Aquisgr. 812. c. 7., Pactum Tusiac. 865. 6) Annal. Laurish. a. 799 (Pertz Scriptor. I. 38). Inter fideles suos, id cst episcopos presbyteros comites et alias vassos suos. Man sehe auch Waitz S. 24. 25., welcher Roth S. 385. 430. mit Recht bestreitet. 7) Karoli N. beneficior. describend. formuia 812. Beneficium — in villa VV. cum casa dominicala mansos veslitos serviles 6, ingenuiles veslilos 2, absos 4, de prata ad carradas 20, de vineis picturam 6, et silvam communem. Mau sehe auch Waitz S. 41. 8) Capit. Aquense 807. c. 7., Aqnisgr. 812. c. 5. 7. Darauf be­ zieht sich die in der Note 7. erwähnte Deskription. 9) Capit. Niumag. 806. I. c. 7. Audivimus quod aliqui redduot be­ neficium nostrum ad aiiös homines in proprietatem, et in ipso placito dato precio conparant ipsas res herum in alode sibi. 10) Pippini capit. Aquitan. 768. c. 5. (Pertz II. 14), Capit. Aquisgr. 802. c. 6., Niumag. 806. I. c. 6. 11) Capit. Lang. 803. c. 24., Aquisgr. 817. alia capit. c. 3. 12) Capit. miss. 802. c. 9. 10.» Aquense 807. c. 7. , Aquisgr. 812. c. 6.» Aquisgr. 813. c. 4. 1) Dipl. Eberhard! a. 728 (Brtiquigny 11. n. 544). Quod Amalo in beneficialum habuimus, seu quod servus nosler Bcrtoinus per beneficium no­ strum visus est habere, — seu quod Haimerico in Hillone Vilier beneficialum babui, — vel ad vassos noslros bentficialum habui. — Dipl. Hildradi a. 735 (Brdquigny II. n. 557). Ego llildradus preco — ut michi in usum beneficii rem ecclesie vcslre — concedero dcberetis, — ut, dum advivo, una cum gracia veslra ad usum fructuarium ordine lenere debeam. — Man sehe dazu §. 75. Nöte 12. 13.

89

wöhnliche Grundholden, Freie oder auch Colonen und Unfreies, die dann auch den Huldigungseid zu leisten hatten3) 4; zweitens

in Nachahmung der königlichen Bcneficien an Vasallen, wobei natürlich die Commendation vorausgegangen sein mußte"). Re­

gelmäßig hatten die Privatvasallen, wie die des Königs, Beneficicn, allein unbedingt nothwendig war dieses auch bei ihnen

nicht 5).

Unstreitig trug die Operation unter den Söhnen Karl

MartellS dazu bei, daß die Untervasallen der königlichen Dasallm mit Beneficien versehen wurden.

83. Die Verleihung der Beneficien verstand sich dem Grund­

sätze nach nur auf die Lebenszeit des Verleihers ').

Doch ge­

schah nicht nur die Einziehung durch den Nachfolger selten, son­ dern es wurde auch im neunten Jahrhundert häufig dem Inhaber

der lebenslängliche Genuß ausdrücklich zugesichert, entweder in­ dem ihm das Beneficium auf Lebenszeit verliehen2* ), 1 oder indem

Krongut zu lebenslänglicher Proprietät übertragen3),

oder in­

dem Beneficien in lebenslängliche Proprietät umgewandelt wur­ den "). Häufig wurde sogar theils aus Nachgiebigkeit theils aus

Berücksichtigung einer wohlverdienten Familie das Beneficium dem Nachfolger wieder verliehen, so daß sich von selbst ein Uebergang von Sohn auf Enkel vorbereitetes). c) Verhältniß der Beneficien und der Dasallitiit zum Kriegswesen.

84.

Die Verleihung und Vermehrung der Beneficien än­

derte an dem Kriegswesen an sich nichts. Diejenige, welche der König an die Großen vornahm, verstärkte bei diesen nur den Antrieb und die Verpflichtung, sich mit den von ihnen als Se­ nioren aufzubietenden Heerbannpflichtigen homines beim Reichs-

2) Davon giebt eS viele Beispiele, Gnerard Irminon I. 565 — 567., Waih Daffallität S. 42. 3) Man sehe §. 76. Note 10. 11. 4) So sagt ausdrücklich bas Praecept. proHispan. a. 815. c. 6. a. 814. e. 10. (Waller II. 291. 111. 21). 5) Dieses zeigen die Stellen in der Note 4. 1) Die Beweise dafür giebt Roth S. 417-422. 436. 2) Beispiele nennt Roth S. 419. Note 8. 3) Beispiele nennt Roth S. 419. Note 6. 4) Berspiele giebt Roth S. 419. Note 7. 5) Beispiele nennt Roth S. 422. 423.

90

Heere zu stellen. Eben so wenig änderte die Verleihung eines Leneficiums von Seitm eines Privaten bei dem Empfänger, wenn er ein freier Mar» war, etwas an dessen Verhältniß zum Heer­ bann, außer daß er mit dem Verleiher als seinem Senior dahin zog. Ueberhaupt schloß die Verleihung eines Beneficiums eine Beziehung zum Kriegsdienst gar nicht wesentlich in sichÄhn­ lich war es mit der Dasallität. Sowohl die Dassen des Königs als die der Privaten Mieten in der gewöhnlichen Weise heer­ bannpflichtig 1 2), nur daß Letztere mit ihrem Senior dahin zogen. Das Eigenthümliche war nur, daß fie neben dem Heerbanndienste besondere Pflichten trugen. d) persönliche Verhältnisse

bet

vasallitat.

85. Die persönlichen Verhältnisse der Vasallen beruhten im Ganzen auf dem der bomines *); .die Gesetze bildeten aber die­ selben noch in höherer Weise aus. Der Vasall mußte dem Se­ nior auf die ganze Lebenszeit2) treu, hold und gewärtig sein; ihm wohin er entboten wurde folgen3), sein Haus treu bestel­ len helfen4),5 ihm in der Noth beistehen >), und durste ihm nicht ohne die vom Gesetze bestimmten Gründe den Dienst aufkündi­ gen 6). Umgekehrt mußte aber auch der Senior zum Schutze fei# 1) Ma» seh« darüber Roth