172 100 7MB
German Pages 116 [124] Year 1832
D c8
Leben.
Volkes E i n
Versuch zur
Befreundung der Regierenden und der Regierten
von
D. Karl Gottfried Bauer, Prediger in Leipzig.
Berlin, 1831. B e i
G.
Reimer.
Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Mit-Regenten von Sachsen
Herrn
Herrn Friederich August, dem
Erhabenen Volköfreunde,
unterthänigft und ehrfurchtsvoll zugeeignet
v. Vrfssr.
B o r b e r i ch t. Aer Verfasser, hat über diese Bogen nichts zu
erinnern, als das; ihm die Idee dazu schon vor 15 Jahren bald nach dem völligen Sturze des Kaisers der Franzosen und der wenigstens an scheinenden Rückkehr der politischen Verhältnisse in ihr gewohntes Geleise gekommen ist, aber in einem viel weitern Umfange, als hier geschehen, von ihm hat ausgeführt werden sollen. Die Hauptsache und das Lehrreichste, nicht minder auch Anziehendste wäre nämlich unstreitig gewesen, die vielerlei Arten, wie des Volkes Leben sich äußert, und die*) sehr verschiedenen Einflüsse und Umstände, unter denen das geschieht, zu möglichst lebendiger Anschauung' zu bringen, dann aber die Anwendung der allgemeinen Principien, nach denen es unter Voraussetzung bestimmter, davon festgestellter Begriffe geleitet werden muß, auf jene besondern Erscheinungen desselben nachzuwei*) Namhaft gemacht ist hiervon das Hauptsächlichste am Schluffe dieser Schrift.
VI
sen.
Mit einigen Kenntnissen deö hierher Gehö
rigen, die ihm nicht ganz abgingen,
hat aber
freilich der Verf. schon aus Achtung gegen sich selbst und aus Liebe zu seiner Idee, der Sache
zu genügen, nicht glauben dürfen,
an eine Menge weit aussehender,
sondern sich antiquarischer,
historischer, ethnographischer und anthropologischer Untersuchungen verwiesen gesehen, zu denen ihm
noch nicht genug ununterbrochene Müße geworden ist und auch wohl wahrscheinlich nie werden wird. Kaum würde auch das nun Mitgetheilte,
waö
sich, bloß unter da und dort vorkommender Be
ziehung auf ältere und neuere Zeitereignisse, ganz im Gebiete allgemeiner Begriffe und Grundsätze hält und unter
schrieben,
viel Unterbrechungen
übrigens,
niederge
so weit es erscheint, wohl
über zwei Jahre fertig gewesen ist, je aus deö Vfs.
Pulte gekommen seyn,
wenn ihm nicht seit den
Ereignissen der letzten Juli-Tage deö verflossenen Jahrs und den Aufregungen,
die an so vielen
Orten selbst unsers deutschen Vaterlandes darauf
gefolgt sind,
geschienen hätte,
daß eö für die
Zeit einiges Interesse haben und mit den jetzt vielfältig auf Verbesserung ausgehenden Bestre
bungen
dürste.
aller
Gutdenkenden
zusammenstimmen
Zusammengehalten mit jenen Ereignis
sen der neuesten Epoche möchte auch wohl man«
VII
ches im Gegenwärtigen Enthaltene zum Beispiel
davon dienen, daß ohne große Sehergabe, (die Niemand in der Welt sich weniger als der Vf. zuzueignen im Sinne haben kann,) viel Wesent
so wie eö gekommen ist,
licher,
sehen werden können. mit er sich
hoffentlich,
hat vorauSge-
Die Freimüthigkeit, wo
hierüber ausgesprochen
hat,
wird
statt ihm als Ultra-Liberalität, ge
schweige denn als Aufregungssucht ausgelegt zu vielmehr seiner innigen Liebe zur bür
werden,
gerlichen Ordnung und seinem glühenden Wun
sche, daß die regierenden Autoritäten ihre Zügel fest angespannt halten, aber auch sie so halten zu können, sich nie außer Stand setzen mögen, zur
Beurkundung dienen. „unsern Freunden;
„Gott behüte unö nur vor
gegen unsere Feinde wollen
„wir uns schon selbst helfen"-^- dieß Sprichwort ist während der neuern und neuesten Zeit nirgends
mehr,
als in diesem Gebiete in Erfüllung ge
gangen ;
der
rechtmäßigen
und
nothwendigen
Staatsautorität ist von Niemand mehr als von den Servilen geschadet,
der wahren Volksfrei
heit und dem guten Willen edler Herrscher,
sie
zu fördern, von Niemand schlimmer als von den
excentrisch Liberalen Abbruch gethan worden.
Bei
den Einseitigkeiten hat sich der Vers, hoffentlich
mit gleichem Nachdrucke entgegengesetzt.
Wenn
Ylli
auch nur etwa bei dem Einen und Andern, der
ihn liest,
mit einigem Erfolge:
sein Streben nicht gereuen. von
einem Versuche
zur
so würde ihn
Vielleicht könnte
Befreundung
der Regierenden und der Regierten ein zu tieferer Popularität herabgestimmter Ton ge fordert werden;
aber weit weniger mit denen,
die bloß einen solchen fassen, (der „beiläufig zu
sagen, nicht besser als in Beckers 1790 erschiene
nem Rebellionsfieber, einem Anhänge zum Noth
und Hülfsbüchlein, getroffen seyn kann,) als mit den halb
Gebildeten und Ueberbildeten möchte
seht in Angelegenheiten dieser
Art
zu sprechen
Noth seyn; und ob für diese der rechte Ton ge
troffen sey,
muß der Verf. den Beurtheilern
seiner wenigstens
ehrlich
entscheiden überlassen.
gemeinten Schrift zu
Einleitung. .......... Seite 1 — 11 Erstes Capitel: Erste Elemente des Begriffes Volk und genauere Bestimmungen, die er sich aneignet. . . S. 12 Zweites Capitel: Was ist unter Leben des Vol kes zu verstehen? ........ 17 dritte § Capitel: Das Verhältniß zwischen Staat und Volk im Allgemeinen betrachtet. ....... 28 Viertes Capitel: Die Grundsätze, nach denen dieß Verhältniß festgestellt seyn muß. = 41 Fünftes Capitel: Wie aus des Volkes Jnnerm heraus das Leben desselben sich bilden müsse und könne. ...... ...... ....r 70 §. 1. Des Volks Erzieher. ........ - 74 §. 2. Humanität der Zweck, zu dem es erzogen werden soll. ............ .z 78 3. Principien der Volkserziehung. ...... 89 §. 4. Darstellung des Volkslebens in seiner har monisch abgeschlossenen Idee. ...... s 101
ELnleitun g. ^)roße Contraste stellen sich dem dar, der ein nur etwa fünfzigjähriges Leben nicht völlig gedankenlos durchlebt hat, der die bei ihm vorübergegangenen Erscheinungen auch nur mit der Achtsamkeit prüft und vergleicht, Lie mehr, als zu unserer Väter Tagen, der Zeitgeist fodert und mit sich führt. Sieben Jahre lang, von deren ro mantischen Ereignissen wir einst die Aeltern so gern er zählen hörten, hatten Europa's größte Mächte sich ver gebens zerarbeitet, den kleinen, anscheinend aller Run dung und körperlichen Festigkeit entbehrenden preußischen Staat zu zertrümmern. Hatte das Zweifelhafte des Kampfes ein wahrhaft dramatisches Interesse mit sich geführt: so gewährte der Schluß des Drama nicht min der gewünschte Befriedigung. Der große Geist, der ihn, von geringer, im entscheidenden' Zeitpunkte entzogener Hülfe unterstützt, zuweilen dem Untergange nahe, öfter siegreich, bestanden hatte, sah ihn geendigt, ohne eine Scholle Landes verloren oder eine neue begehrt und er rungen, wohl aber mit der Aussicht, seinen von 1740 —45 erweiterten Landesbesitz auf einige Folgezeit hinaus gesichert zu Haben. Aber wie unter seiner Leitung das verwüstete Land sich erholte, der erschöpfte Staat neue und erhöhte Kräfte gewann, das erregte nicht mindere
1
2 Bewunderung, als wie er gegen erdrückende Uebermacht
vertheidigt worden war.
Eine neue Ordnung der Dinge
begann bei unsers Lebens Morgenröthe, und wer von
uns hätte ihr nicht, da er sie werden und sich befestigen sah, geringe Umbildungen und örtliche Abweichungen ab
gerechnet, eitle unverrücktc Dauer eben so wohl gewünscht als geweiffagt? —
Friedrichs Einrichtungen im Staats
haushalte, in der Rechtspflege, im Kriegsweftn, in der Handhabung der gestimmten Staatsmaschine nach außen
und innen, schienen so wohl berechnet, so durchgreifend zweckmäßig, daß sie bald den meisten übrigen Staaten zum Muster zu dienen anfingcn, daß wenigstens das Prin
cip, was man dort walten sah, allenthalben seine An wendung finden sollte.
Es war dieß, wie es vor Au
gen lag, im Staate und im Felde, kein anderes, als das Princip der vollkommensten Gleichförmigkeit und Re
gelmäßigkeit aller Bewegungen, des reinsten, in sich abge schlossensten Mechanismus, der jedem Individuum, ge
wählt aus dem Stande und der Gesthlechtsabstammung,
welche dazu die tauglichsten schienen, die Stelle, an der es würken, den Impuls, den es zunächst empfangen, den Zweck, zu dem es sich regen sollte, anwies, alle Thätigkeit des Einzelnen mit möglichst leichter Mühe
der Lenkung durch Winke von oben herab fähig machte, alles individuelle Leben im Interesse des Staates auf
gehen, ließ.
diesen seinen einzigen Zweck in sich selbst finden
Und
als man der Gewichte und Gegengewichte
immer mehrere und immer künstlichere in die Maschinen
eingcfügt, as man in einer Unzahl Tabellen und Con-
trolen sich von jedem Federzuge des kleinsten Unterbcamten eine Uebersicht verschafft zu haben das Ansehen gab,
3
als man jeden Staat auf das möglichste in Handel «nb
Verkehr von den übrigen abgesondert hatte; da meinte man den Gipfel der Regierungskunst erreicht zu haben: dagegen für die äußere Festigkeit der Staaten das mehr und
mehr vervollkommnete System ihres körperlichen Gleich
gewichtes die Gewahr leisten sollte.
Daß indessen hier
mit nur was man von der Sache gesehen hatte, er
griffen war, keincswegcs das Wesen derselben, die innern
Bedingungen ihrer Möglichkeit für begriffen gelten konn ten, zeigte sich, (andere theils frühere, theils gleichzei tige , theils spätere Erscheinungen abgerechnet, auf die wir sogleich ein näheres Augenmerk richten werden,) schon an dem sowohl glücklichen als minder günstigen Erfolge,
den jenes System anderwärts fand, wo cs von Selbst herrschern, die wohl nicht mit Unrecht für Friedrichs
Geistesverwandte gelten durften, gehandhabt ward: denn wer weiß nicht, daß Katharina II.*) dabei das glän
zendste Glück in allen ihren Unternehmungen, Joseph II. nichts als Undank und. Abtrünnigkeit an allen Seiten,
Gustav III. den Tod erndtete, den auch früh genug der
freilich kcincsweges geistesverwandte Peter III. und wenn
man will, selbst Paul auf diesem Wege fand.
Doch,
wie gesagt, ganz andere Erscheinungen, unendlich aus
gebreiteter in ihrem Umfange, unendlich folgenreicher in ihren Wirkungen, haben über das hierbei weit weniger
von Friedrich II. als von den meisten seiner Nachahmer *) Wenn man anders sagen kann,
daß ihr Wesen damit
das mindeste gemein gehabt habe, daß es etwas mehr als reiner, der Beschaffenheit des von ihr regierten Volks angemessener, dem Geiste und den Umständen der Zeit und den Launen ihrer Günst linge klüglich angepaßter Despotismus gewesen sey.
4 übersehene, weit weniger in seinem als in ihrem Staats haushalte vermißte Moment ein mehr als hinreichendes Licht verbreitet und uns den schnellen Umsturz eines, frü herm Anscheine nach, für eine Dauer von Jahrtausenden begründeten mechanischen Staats - und Regierungssystems mir allzu begreiflich gemacht. Jenseits des Oceans ward es einer großen, über einen ungeheuern Erdstrich verbrei teten Mcnschenmaffe Helle, daß das Wort Volk auch etwas bedeute, daß die darunter Begriffenen nicht blos des Staates und seiner Machthaber wegen vorhanden seyen, sondern der Satz mit größcrm Anschein von Rich tigkeit sich umkchrcn lasse; und der Ansgang des Strei tes zwischen England und seinen amerikanischen Colonien bewies wenigstens so viel, daß unter einem Volke wider desselben Willen bleibend nichts dnrchgesetzt werden könne, mithin daß es ein Leben und eine Regsamkeit, die ihm eigen seyen, geben müsse. Die den Amerikanern ihren ohne dies nicht zweifelhaften Kampf hatten abkürzen helfen, die Franzosen, waren die ersten, die dieser neuen oder vielmehr seit den niederländischen und englischen Revolu tionen zum erstenmale neu erläuterten Lehre mit aller ihnen eigenen Leidenschaftlichkeit huldigten, und die fran zösische Regierung war die erste, die die Folgen davon empfand, ihre Krieger dorthin in die Schule geschickt, sie mit schweren, in ihren Folgen erst recht empfindlichen Kosten einige Jahre dort unterhalten zu haben. Alles für, nichts durch das Volk — hatte man im be ste» Falle bisher geglaubt. Furchtbar schwankte die Wage über auf die entgegengesetzte Seite, als bei wei tem mehr durch, denn für das Volk die Privilegien vernichtet, die Aristokraten verjagt, der Thron gestürzt,
5 die Freunde der Mäßigung wie die Verdächtigen getödtet und geächtet, die erfahrensten Feldherren der jenes System verfechtenden Mächte an der Spitze der geübtesten Heere geschlagen, des Deiches Gränzen über den Rhein, die Alpen, die Pyrenäen erweitert, auf dem ältesten classtschen Boden der Erde, am Nilstrome, die französischen
Adler gepflanzt wurden. Und bis an die Weichsel, bis an den Riemen wurden sie siegreich getragen, als Volks kraft und Volkswille von dem kühnsten und kräftigsten Selbstherrscher, den je die Welt gesehen hatte, gezügelt und geleitet und an Extensität gleich sehr, wie an In tensität verstärkt, mit seinen Entwürfen sich zu harmo nischer Wirksamkeit vereinigten. Das Princip, das eine so furchtbare Kraft entwickelt und aller Reactionen des Staatsmechanismus, die ihm von irgend einer Seite her entgegengetreten waren, gespottet hatte, konnte nur durch sich selbst bekämpft werden; und das um so sieg reicher, je mehr es unter dem Frankenvolke durch Ver mischung mit dem der Autokratie in sich selbst entzweiet worden, je mehr diese sich seiner zu entledigen, und in einer rein militärischen Staatshaushaltung nur den Schat ten davon übrig zu lassen, bedacht gewesen war; und das um so kraftvoller und mit so ungezweifelterm Er folge, je reiner und freier und naturgemäßer es irgend wo waltete. Daher die an ihrer Stelle und für ihr Interesse während der ganzen Dauer dieses Kampfes von den Engländern erfochtenen Vortheile. Daher die über raschenden Großthaten der wehrlos unterjochten Spanier. Daher die unsägliche Mühe, welche die Ueberwältignng der von Oesterreich, an dem sie so festhieltcn, verlassenen Tyroler gekostet. Daher der fürchterliche Ausgang des
6 russischen Krieges.
Daher auf deutschem und späterhin
selbst auf französischem Boden keine Kraftäußerung bewundernswerther, als die der Preußen, weil keiner unter
allen deutschen Volksstämmen vom Zwingherrn und sei
nen Kriegern und Staatsgchülfen im Innersten seines Lebens tiefer verwundet und schmählicher beeinträchtigt worden war, als eben dieser, an dessen Spitze sich
auch sein Friedrich, seit dem
ohne den
früher
schon
großen Churfürsten darin einhei
mischen und aufgeregten, für einen solchen
Führer und Regenten befeuerten Volksgeist nicht würde haben behaupten können.
Daher
die feurige Theilnahme der Baiern und Würtemberger an dem weiterhin verallgemeinerten Freiheitskampfe, (die,
hätte man nicht ihr Volksintcrcffe und das damit ein
stimmige ihres Regenten so unerwartet unterdrückt, auch
in de» Sachsen sich nicht minder lebendig würde gezeigt haben), weil sie alle sich über den schnöden Mißbrauch, den die gallische Willkühr bisher gewaltsam mit ihren Kräften getrieben hatte, so tief empört fühlten.
Daher
der laue, nur durch Massen wirksame Antheil Oesterreichs an dieser Angelegenheit, weil nur die äußerste Zudring lichkeit des Gegners ihn hier von dem Cabinette erpreßt
hatte.
Beigclcgt hat nun für den Moment der aus
jenem Antagonismus
der Herrscher-Willkühr und des
Volksgcistes entsprungene Streit der Völker unter ein
ander selbst geschienen; die Kraft auf dieser Seite hat
die
ihr
gleichartige
auf der
entgegengesetzten
in ihre
Schranken zurückgewiesen und zugleich sich selbst als durch jene beschränkt bekannt; auch ist nach einem so vielfa chen und anhaltenden Kampfe die Erschöpfung an allen
7 Seiten so groß gewesen, daß sie wohl den zurückgeblie benen Empfindungen gegenseitiger Erbitterung auf eine Zeitlang hinaus das Gleichgewicht hat halten können. Desto überraschender, obwohl nichts weniger als uner klärlich ist dagegen der Zwiespalt, der seitdem an so vie len Orten nur um so stärker zwischen den Regierenden und den Regierten eingctreten zu seyn scheint; desto auf fallender das so häufig ganz entgegengesetzte Interesse des Volkes und des Staates, (abgesehen von allen an der Spitze des letztem stehenden Individuen), innerhalb derselbigen Gränzen, desto beklagenswerther die Klage, daß jenes durch diesen Gewalt leide; da doch dieser bei so großen erlittenen Gefährdungen nur durch die Anstren gungen jenes, dessen Existenz und Wohlseyn überhaupt die alleinige Bedingung und den einzig gcdenklichen Zweck der seinigen ausmacht, erhalten werden konnte. Einen eigenthümlichen Charakter, das ist unbczweifclt, hat die Zeit angenommen, der man aber weniger mit Hamlet uachsagen darf: sie ist aus ihren Fugen gekommen, als vielmehr: sie scheint dahin wieder zurücklenken zu wollen. Nicht spreche man nur von unverdauten chimärischen Ideen der Freiheit und Gleichheit, die, mit allgemeiner Verwirrung drohend, in menschlichen Köpfen spuken. Ein weit reichhaltigerer, mehr umfassender Inbegriff von Vorstellungen ist in der civilisirte» Menschheit rege ge worden. Das Volk ist allenthalben zum Gefühl eines ihm eigenthümlichen Lebens, das freilich nie ganz ver nichtet, doch hier und da unterdrückt werden und ciuschlummern konnte, znrückgekchrt; und so wirksam, so verbreitet ist dies Gefühl geworden, daß cs nicht nur aller Orten die Vorstellung des gegenwärtigen Zustandes
8 und der künftigen Aussichten der Völker durchdringt, son dern daß es sich auch durchgängig an die Beurtheilung der Vergangenheit anschließt, ja daß alle Ansicht der Ge schichte kahl und dürftig erscheint, in welcher nicht des Volkes Leben betrachtet und gewürdiget wird, in welcher es sich nicht als der vornehmste Gegenstand der Auf merksamkeit darkegt. Bei dem Allen hat mehr die Sache selbst faktisch ihre Rechte geltend gemacht, als daß der Begriff von der so benannten Sache, wie er es verdient, die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, geschweige denn alle die Verdeutlichung und genauere Bestimmung ge funden hätte, die ihm Noth thut, wenn sein Gegenstand richtig beurtheilt und den dafür tauglichen Gesetzen unter worfen werden soll. Nicht daß der Ausdruck, Volkslcbm, (obwohl nur seit Kurzem in der Menschen Munde) neu und unbekannt wäre. Aber noch scheint der Ge brauch desselben ziemlich schwankend; noch scheint man die Resultate davon mehr geahnct, als bestimmt und umfassend genug eingesehcn, als auf so viel wichtige Be ziehungen, dergleichen hier berücksichtigt werden müßten, die ihnen gebührende Aufmerksamkeit gerichtet zu haben. Vielleicht ist es indessen nur meine sehr geringe Belesen heit, die mich hier vermissen läßt, woran es in der That nicht fehlet: dennoch fürchte ich keinen Vorwurf, wenn ich über einen schon besprochenen Gegenstand von neuem nnd selbst ohne mich sonderlich um das, was Andere vor mir darüber gesagt haben, zu bekümmern, spreche» Seine Wichtigkeit ist so groß und neuerlich so sehr ver größert, — gewiß unter den Zeichen unserer Zeit nicht das schlechteste — daß Jedem, der die theuersten Ange legenheiten der- Menschheit redlich im Herzen trägt, der
9 ihnen so viel Blut und Thränen nicht umsonst geopfert zu wissen wünscht, sein Wort darüber mit zu sprechen,
nicht nur frei steht, sondern für heilige Pflicht gilt und daß der Gehalt dieses Wortes weniger auf der darin zur Schau gestellten Gelehrsvinkeit oder Neuheit der Form und selbst des Stoffes, dann aber auf der dabei zum
Grunde liegenden Reife der
Sachkenntniß, Richtigkeit
der Principien und Gediegenheit der Gesinnungen, wie
nicht minder auf der dem Gesagten zuständigen^ prakti schen
Brauchbarkeit
beruht.
Freilich
ist
die
letztere
sehr gesunken und sind die erstem sehr verdächtig gewor den, seit die lebendige Rede (ezrsa txtsqÖsvto) sich so
selten gemacht, so allgemein zur Schrift-Sprache verstcinet, diese aber sich so gewaltig vervielfältigt hat*),
daß ihr Inhalt von den Gewaltigen im Lande gar we
nig beachtet zu werden pflegt, noch viel beachtet werden kann.
ja in Wahrheit kaum Doch ermangelt die
Schrift, um das lebendige Wort und seinen Quell, den
lebendigen Gedanken, an einzelner Stelle hervorzurufen,
nicht aller gedeihlichen Wirksamkeit; gar sehr scheint cs an dem, daß sie diese erweitere: und wie nun die Zeit
die Art und die Wege unsres Wirkens vorschreibt, uns aber nichts übrig bleibt, als ihrem Rufe zu folgen: so
muß auch, daß des Volkes Leben entbunden, gelautert, gekräftigt, veredelt, beglückt, daß so manches feindselige, ihm
entgcgcnwirkende
Princip
gebannt
werde,
durch
*) Sollte man dem zu Folge nicht mit großem Rechte behaupten dürfen, daß das Volksleben selbst durch Erfindung der Buchdrucker kunst und durch immer merklicher erweiterte Verbreitung ihrer Er zeugnisse eine merklich veränderte Richtung und Beschaffenheit er
halten hat?
10 schriftliche Untersuchung vorbereitet werden. Liebe zum Volke und wie ihm dünken will, auch einige in man cherlei Verhältnissen mit dem Volke, seinen Ansprüchen und Bedürfnissen gemachte Bekanntschaft, dann aber vor nehmlich die Ueberzeugung, dass alles unter unserm Ge schlechte nach gerade zu Tage geförderte Wahre, Gute und Schöne, dann erst seine Bewährung, Beglaubigung und Befestigung gewonnen habe und zur gebührenden Entwickelung hindurchgedrungen sey, wenn es ins Volks leben über und gleichsam neu aus demselben hervorge gangen ist, hat dem Verfasser zu seinen Mittheilungen die Feder in die Hand gegeben, denen er eine wohlwol lende Aufnahme nicht blos wünscht, sondern auch mit einiger Zuversicht weissagt. Um Partheiungen veranlas sen oder an irgend eine Parthei sich leidenschaftlich an schließen zu wollen, ist er zu weit ins Leben hinein, ja dem Ziele desselben bereits zu nahe gerückt. Freiheit und Ordnung haben sich ihm von jeher, und namentlich seit den letzten Zeiten, als so innig verschwistert dargcstellt, daß die eine wechselseitig nur durch die andere Werth und Bestand erhalten kann; und wenn er nächst der Verstän digung seiner selbst über den von ihm besprochenen Ge genstand sich eines Hauptzweckes bei seiner Arbeit be wußt ist, so ist es der, mit dem ganzen Maaße seiner geringen Kraft den Werth und Bcstaird beider durch gegenwärtige Darstellungen anerkennen und sichern zu helfen. Welches ist ursprünglich und in seinen ersten Ele menten die Bedeutung des Begriffes Volk ? — Was heißt das Lehen des Volkes? In welchem Verhältnisse steht der Begriff Volk zu dem des Staates? Wie und in welchem Maaße werden beides Volk und Staat durch
einander beschränkt? —
In welcher Rücksicht machen
sie wechselseitig die Bedingung der Existenz das eine von Von welcher Seite und in wel chem Maaße ist des Volkes Leben moralisch möglich, ja der des andern aus?
sogar moralisch nothwendig? —
das Verhältniß
Endlich: welches ist
des individuellen und individuell ver
knüpften Menschenlebens zum Volksleben, und welche Mo-
dificationen darf und soll das eine wechselseitig durch das andere erhalten? Das sind die Gesichtspunkte, die wir
vorläufig feststellen, das
die allgemeinen Fragen,
die
wir uns beantworten müssen, um bei der ganzen Be
trachtung unsres Gegenstandes auf festem Boden zu ste hen und seine übrigen Verhältnisse mit einiger Sicher
heit beurtheilen zu können.
Um uns in Ansehung der
letzter» die Uebersicht zu erleichtern, werden wir die gro
ße Menge und Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die sich hier unserer Beachtung darbieten, füglich unter gewisse Haupttitel bringen dürfen, indem wir des Volkes Leben
1) unter örtlichen, 2) unter politischen und 3) unter ei genthümlichen Einflüssen der äußern und innern Cultur
betrachten.
Kann das Alles schon nicht anders als un
ter fortwährender geographischer, ethnographischer und historischer Beleuchtung dargestellt werden: so wird doch ein allgemeiner Ucbcrblick der Geschichte des Volkslebens noch von besonderem Interesse seyn und nicht unangemcs-
sen wird sich der ganze Versuch mit der Betrachtung des
sen, was cs gegenwärtig und namentlich in unserer ei genen Mitte ist, vornehmlich aber, was es werden sollte
und wie es das werden könnte, endigen.
Aufschub zur Sache.
Jetzt ohne
Erstes Kapitel» Erste Elemente des Begriffes Volk und genauere Bestim
mungen, die er sich aneignet.
xlSettrt
ich
von
freien Platz schaue,
meinem Fenster wo
sich
hinaus
entweder
auf
einen
auf besondern
und zufälligen Anlaß oder des gewöhnlichen Verkehrs halber eine große, gemischte
ohne alle Wahl und Verabredung zusammendrängt und
Mcnschenmasse
durch
einander herumtrcibt: so habe ich, was dem Begriffe
Sols —- o/Zog —- in seiner reinen Ursprünglichkeit an
schaulich correspondirt.
Einheit der Geschlcchtsabstam-
mung, des festgesetzten Wohnens in einem Stadt- oder
Landesbezirke f der Sprache, der bürgerlichen Verhältnisse,
des Glaubens und Cultus und was sonst auf irgend einer besondern Vorbereitung, auf einer stillschweigenden oder offenkundigen Verabredung, auf einer durch Na
tur oder Willkühr entsprungenen Art von Gesetz und
Regel und dergleichen beruht, kommt hierbei durchaus noch nicht in Betrachtung.
Es ist schlechterdings nichts
weiter, als die Vorstellung des freiesten, willkührlichste», zufälligsten mit und neben einander Scyns Mehrerer und
verhältnißmäßig Vieler zu derselben Zeit an dersclbigcn
Stelle, und der daraus hervorgehcnden möglichst zwang losen, möglichst wenig Opfer des eigenen Behagens for dernden Befriedigung des geselligen Triebes, was von den
wesentlichen Elementen des Begriffes Volk die Wurzel
13
ausmacht. Sie kommen; sie gehen; sie suchen Sam melplätze nnd verlassen sie wieder; keiner sieht sich an irgend einen Andern oder an Alle zusammen weiter ge bunden, als es seinen Neigungen zusagt, keiner in den letztem durch jene mehr beschrankt, als, um nur nicht selbst von ihnen beeinträchtigt zu werden, unentbehrlich ist. Jeder kann und mag sich für den Moment seine Ge sellschafts-, Unternehmungs-, Genuß-Genoffen aussuchen und entlassen, wie es ihm eben gefallt und diese darein willigen. Es fallt in die Augen, daß dieser Begriff etwas durchaus Unstetes und Fließendes, von keiner Seite in dividuell und persönlich Fixirtes, mit nichts füglicher als mit den Wolken am Abendhimmel, deren Anblick keine Secunde lang derselbige bleibt, Vergleichbares darstellt und daß er, um einiges praktische Interesse zu gewahren, vielfältig nähere Bestimmungen wird erhalten müssen. Doch wird der Verfolg unserer Betrachtung lehren, daß jene ursprünglichen Elemente, um zu befriedigenden Re sultaten zu gelangen, von uns schlechterdings nie ans den Augen verloren werden dürfen. Laßt uns jetzt un verzüglich seine fernere Entwickelung und die mittelst der selben an ihm sich ereignenden Modificationen verfolgen! Sie werden uns nach der Ordnung, in welcher sie hervortreten, ohne große Mühe erklärlich, indem wir theils auf die Persönlichkeit derer, welche nach hi storischen Gründen vor allen übrigen das Substrat des Begriffes Volk bilden, theils auf die Zwecke, die ih nen dazu Anlaß geben, theils endlich auf die Bedin gungen merken, denen sie sich, wenn jener Zweck sich nicht selbst zerstören soll, unterwerfen müssen. Zuerst also: wer sind die, die der Natur der
14 Sache
Zeugnissen der Geschichte zu
den
und
Entstehung
zur
Begriffes
des
Volk
Folge
zunächst Anlaß
geben? — Antwort: so gewiß das willkührliche neben
einander Leben und Gewähren der Menschen, was vor
allem Ucbrigcn bei jenem Begriffe zum Grunde liegt,
meist Sache des Zufalls
für den Augenblick
zufällig
ganz
die
fremdesten
gewiß findet es sich auch
tur
einer
benden,
so
stetem, durch die Na
Zum blei
Gemüthlichkeit und Behaglich
großem
fähigen Bcisammcnscyn werden vor allen übrigen
keit
Familien,
Geschlechts - und
vereinigen
des
in
bestimmten Ursachen begründet»
fester
ist und
Menschen vereinigt:
(öHuos),
Stamm - Genossen
absichtlich
es
sich
auf ein bleiben
Beisammenseyn und Nebeneinanderleben auf dem
kleinern oder größer» Raume, wohin das Schicksal sie
führte, anlegcn, Neigungen, Beschäfftigungen, Unter
mit
nehmungen
einander
gemein haben,
Grund und
Boden mit einander theilen und, je mehr sie sich ver
vielfältigen,
desto
mehr
auf jede
mögliche Art den
letztem nach allen Richtungen hinaus erweitern.
Und
wie nun auf diesem Wege und auf solchen Anlaß sich
unter
ihnen
liches
in Sitten,
det:
so
allmählig
wird
mehr und mehr Gemeinschaft
Einrichtungen und Lebensweise bil
ihrer
nahen
Verbindung,
ihrem Hin
neigen zum bleibenden Verkehr mit einander vor allem
Uebrigcn, legen
Gemeinschaft der Sprache zum Grunde ge
haben.
zuwider
so
Nicht als ob
viel
behauptet
hiermit aller Geschichte
werden sollte,
daß
alle,
welche dieselbe Sprache mit mehr oder weniger DialektsVerschiedenheit reden, in ein Volk vereinigt seyn müßten;
sondern nur, daß nicht
leicht andere Menschen,
als
15
zu
Sprache reden,
von Hause aus dieselbe
welche
in dem so
einem Volke vereinigen werden^
Araber rc.
zu
geben,
erkennen
und Stammes - Verwandtschaft wissen
daß,
wie
schon
allein
mit
Spracheiner ge
entspringenden Zuneigung das bindende
daraus
Principium
ja
Griechen, Italie
die Ausdrücke Volk der Deutschen,
ner,
sich
modificirten und bleibenden fixirten Sinne
für
den
Begriff Volk (e^vog) abgcbcn,
ohne daß dabei immer auch nur
von besonderer bür
gerlicher und politischer Verbindung, geschweige denn von Staatseinheit die Rede seyn müßte.
Gleichwohl treten doch schon hier gewisse Zwecke hervor,
an
welche
bei den ersten rohen Elementen,
aus denen sich der Begriff Volk bildet, nicht gedacht worden sich
war und gedacht zu werden brauchte, ja die
allmählig
zu
einem
stimmtheit entwickeln,
Umfange und z» einer Be
wobei
die
Persönlichkeit derer,
bei deren Gesammtheit sie vorausgesetzt werden müssen, wenig
mehr in Betracht kommt, wodurch aber der
Begriff seine Vollendung und einen solchen Charakter erhalt, wovon sich
in
seinen ersten Elementen nichts
wahrnehmen ließ, obwohl die Keime dazu bereits darin liegen mußten.
Das neben und unter einander
hin Leben für den Augenblick, nach Anlässen des Zu
falls und Eingebungen der Willkühr wird
ein
mit
und für einander Leben nach Neigung und Wahl
mit der deutlich erkannten und fcstgestellten Absicht, ein
abgeschlossenes, (obwohl immer der Erweiterung
und
Vergrößerung fähiges), Ganze für sich seyn zu wollen. Das wird nun nicht anders,
Bedingungen
statt haben können,
als unter gewissen
die
die
Verwirk-
16
nichfaltig beschranken. Anlaß
und
das
Das Ganze,
solchen
zu
machen,
möglich
theils
Elementen
ihm
allen
lidjung des Begriffes Volk mit
gen
Zwecken
angehöri
man-
theils
auf solchen
entstanden ist,
muß
Bestand in sich selbst, durch in einander Fügung sei ner Theile und durch unter denselben erhaltenes Gleich
haben;
gewicht und
muß
es
Anfechtungen
äußere
Angriffe
gegen
kommen;
muß
es
von
aber
in
gegen
Naturgewalt
Menschmmaffen
feindlicher
endlich
Bestand
auch
verderblicher
Ansehung
be
alles dessen,
was zu seiner selbst Entwickelung und Erneuerung, ja
überhaupt
zur
Förderung
sämmtlichen
seiner
in
ge
bührendes Verhältniß unter einander gebrachten Zwecke unentbehrlick) ist, Aufsicht
und
Begriff des
der
Einheit
unterworfen
Staates,
einer
werden.
gleichviel
gewissen
Hier,
Leitung
wo
der
unter welcher von
seinen mannichfaltigen Formen, bestimmter in dem des Volkes (Zoos), um diesem seine Consistenz zu sichern,
hervortritt,
ergeben
sick)
nun im Fortgänge der Zeit
und unter dem Drange der Umstande mehr und mehr
inner? len
Entzweiungen
ursprünglick) ges
und
nach
hinausstrebende Richtungen,
entgegengesetzten
Po
bei denen das,
was
den Volksbegriff bildet,
in mannichfalti-
Gedränge kommt und für welche sick) unser Nach
denken nack) einer möglichen Ausgleichung wird umzu
sehen haben.
Fassen wir das bis jetzt flüchtig Dar
gestellte in einem Ueberblicke zusammen, so finden wir: es sind die drei Principien a. des allgemeinen und auf
möglichste Allgemeinheit seines Objects gerichteten Geselligkeits - Triebes
und Bedürfnisses;
b. der persönli
chen , durch mancherlei Aehnliches und Gemeinschaftli-
17 ches geweckten und genährten Zuneigung; e. des be
stimmte Zwecke fassenden und Zweck und Mittel gegen
einander abwagenden Verstandes, die bei der Erzeugung und Verwirklichung des Begriffes Volk, - a s V o l k,
ei« Volk zusammen wirken.
Vorläufig aber dürfte
schon so viel nicht zu verkennen seyn, daß, wenn jenem
Begriffe feine volle Integrität gerettet und feine Würde im Gebiete der Humanität gefichert werden soll, von
Allem, was aus jeglichem dieser drei Principien fließt,
z>var Manches beschränkt und dem Uebrigeu untergeord net , aber nichts gänzlich aufgegeben werde« darf.
Um
dießfalls der nöthigen Einsicht näher zu kommen, haben wir im
Zweiten Kapitel den Begriff,
zu betrachten.
Leben des Volkes,
Keine fchulmäßige Erklärung, (definitio),
des Begriffes Leben, der «ns durch einen so höchst complicirten Act des Bewußtseyns und der Wahrnehmung
entspringt, sondern nur eine kurze Angabe des Wesent
lichsten, was sich, in diesen Begriff zusammen gedrängt,
unserm Bewußtseyn und unsrer Wahrnehmung darbietet!
Erregbarkeit und Regsamkeit, Gefühl und Wahrnehmung, jenes auf das Subjektive in »ns,
diese auf das Ob
jective außer uns bezogen, Empfänglichkeit und willkührliche Selbstthätigkeit, stellen sich uns als die vor nehmsten und als durchgängig gleich nothwendige Kenn
zeichen dar, wo vom Leben die Rede ist, und einleuch tender Weise werden sie im individuellen oder collectiven Leben
vernünftiger Naturen noch ihre eigenthümlichen
2
17 ches geweckten und genährten Zuneigung; e. des be
stimmte Zwecke fassenden und Zweck und Mittel gegen
einander abwagenden Verstandes, die bei der Erzeugung und Verwirklichung des Begriffes Volk, - a s V o l k,
ei« Volk zusammen wirken.
Vorläufig aber dürfte
schon so viel nicht zu verkennen seyn, daß, wenn jenem
Begriffe feine volle Integrität gerettet und feine Würde im Gebiete der Humanität gefichert werden soll, von
Allem, was aus jeglichem dieser drei Principien fließt,
z>var Manches beschränkt und dem Uebrigeu untergeord net , aber nichts gänzlich aufgegeben werde« darf.
Um
dießfalls der nöthigen Einsicht näher zu kommen, haben wir im
Zweiten Kapitel den Begriff,
zu betrachten.
Leben des Volkes,
Keine fchulmäßige Erklärung, (definitio),
des Begriffes Leben, der «ns durch einen so höchst complicirten Act des Bewußtseyns und der Wahrnehmung
entspringt, sondern nur eine kurze Angabe des Wesent
lichsten, was sich, in diesen Begriff zusammen gedrängt,
unserm Bewußtseyn und unsrer Wahrnehmung darbietet!
Erregbarkeit und Regsamkeit, Gefühl und Wahrnehmung, jenes auf das Subjektive in »ns,
diese auf das Ob
jective außer uns bezogen, Empfänglichkeit und willkührliche Selbstthätigkeit, stellen sich uns als die vor nehmsten und als durchgängig gleich nothwendige Kenn
zeichen dar, wo vom Leben die Rede ist, und einleuch tender Weise werden sie im individuellen oder collectiven Leben
vernünftiger Naturen noch ihre eigenthümlichen
2
18 Modifikationen erhalten.
Um nun mit Fug dem Volke
indem wir
ein eigenthümliches Leben zuzueignen und,
das thun, uns selbst klar zu seyn, werden wir auf alle so eben erwähnte Momente, aus denen uns der Begriff, Volk, entspringt und durch die er seine besondern Be stimmungen erhält, znrücksehen müsse«: denn in allen
diesen-Rücksichten wird dem, was wir Volk nennen, ein Leben zugeschrieben,
das Volksleben in seinem ganzen
Umfange und in seinem wahren Wesen aber nicht anders
als-indem wir dieser sämmtlichen Rücksichten keine aus der Acht lassen, von uns erkannt und gewürdigt werde« können. Eben in seinem Leben und als etwas höchst Le
bensvolles kund.
wird
uns
zuerst,
was wir Volk nennen,
Ihrem eigenthümlichen Bedürfnisse Geschaffte und
Gewerbe nachgehend,
finden Menschen sich erst in klei
nerer, bald in größerer Zahl zusammen; der Trieb einer allgemeinen, fteyen, wechselnden, nach allen Richtungen hinaus sich mitthcilendcn und von allen Seiten her Mit theilung aufnehmenden, möglichst wenig, wie im häus
auf bestimmte Individuen eingeschränkten
liche» Leben,
Geselligkeit, der zuvor dunkel und schlummernd auf der gleichen Zusammentreffen hingewürkt hatte,
telst
desselben
sich darin;
mehr
und
mehr
rege.
wird mit
Man
gefallt
man sucht und findet Sammelplätze, (fora,
ayogds,) Ivo man den einen und andern zu treffen, mit ihm Geschäffte abzumachen, oder auch um alles Geschäfft
unbekümmert und von aller Arbeit fcyernd,
zu jenem sich wenden,
von diesem
einer nicht langweiligen Muße
sich hingebcn zu können und die mannichfaltigste Unter
haltung zu finden, bald mit diesem, bald mit jenem seine
19 Genüsse, sowohl der mehr sinnlichen
als der mehr gei
stigen Art zu theilen,
Bald find es ab
gewärtig ist.
gesonderte Gruppen, die sich in diesem Gewühl« bilden; bald fließt Alles in ein Ganzes zusammen, wenn Neues,
Seltenes/ Wunderbares, Lächerliches, Widriges, Schreck
liches die allgemeine Aufmerksamkeit reizt, oder auf Wich tiges, was sich ereignen soll, ist.
die Erwartung gespannt
sich darüber auszu
Allgemein ist das Verlangen,
sprechen und die durch das Ganze hin sich äußernden Empfindungen und Urtheile zu vernehmm, allgemein der Anspruch,
sich, so wenig man einander sonst angehen
mag, zu solchem Behufe vereinigen zu können,
sich in
solchen gegenseitigen, gemeinschaftlichen Aeußerungen und Mittheilungen nicht gestört zu sehen;
in der noch gänz
lich formlosen Vielheit offenbart sich schon ein Hinstre ben nach Einheit und Ganzheit,
ja bereits ein begin
nendes Gefühl dieser Einheit und Ganzheit.
Das ist
das Leben der durch einander wogenden Masse, die uns als das erste begegnet, was wir Volk zu nennen, ver anlaßt werden,
das ihr Leben in seinen beiden Polen,
der Empfänglichkeit und Selbstthätigkeit, und das zugleich,
wie roh auch fürs erste noch die Elemente des lebenden
Subjects,
das sich uns in dieser Darstellung vergegen
wärtigt, seyn mögen, doch die stehende und unverletzliche
Basis von allem Volksleben.
Sie ist es, wie wir erinnert haben, vor aller Vor aussetzung eigenthümlicher Bindungsmittel,
die ein be
sonderes Interesse des einen an die Uebrigen und umge wie sie der
kehrt erwecken müßten.
Sie sind alle nur,
Zufall zusammenführt,
zur allgemeinsten freiesten Ge
selligkeit und gegenseitigen Mittheilung vereinigt, und der
2 *
20 Begriff des Volks und Volkslebens ist in dieser von al
len besondern factischen Bedingungen abstrahirenden Ur gestalt nichts anders,
als die Idee solcher freien allge
meinen Geselligkeit und gegenseitigen Mittheilung selbst
zwischen Dielen, Allen, die das Ungefähr an einer Stelle znsammenbrmgt.
Aber obwohl die Zdee davon
sprünglich absieht,
oder obwohl vielmehr das Gemein
same,
das
uns
allenthalben,
wo
ur
wir Volksleben
wahmchmen, begegnet, damit an sich nichts zu schaffen
hat, treten doch in der Wirklichkeit solche Bindungsmittel ein, die dem, was man Volksleben zu nennen berechtigt ist,
eine eigene Physiognomie geben.
Wir haben sie oben
(Kap. 1.) durch die Begriffe Persönlichkeit und da
durch erweckte Zuneigung, geflissentlich vorgesetzte oder
doch anerkannte Zweck« der Vereinigung und nach
Regeln des Verstandes festgesetzte Bedingungen
ihrer Möglichkeit und ihres Bestehens namhaft
gemacht. Ohne besondern und auf eigenthümlichen Verhältnissen
(des nachbarlichen oder Gesammtbesitzes, der Nothwen digkeit,
zu gemeinschaftlicher Vertheidigung rc. zusam
menhalten zu müssen,) beruhenden Zweck bringt schon persönliche Zuneigung in Menschen und Menschenmaffen
den Trieb hervor,
gegenseitig verkehren und wo nicht
für, doch mit und neben einander existiren, gemein schaftliche Gegenstände des Interesse ins Auge fassen,
darüber einander ihre Gedanken und Empfindungen frei und nach Willkühr in möglichster Allgemeinheit mitthei
len zu wollen.
Ist hierzu Einerleiheit oder nahe Ver
wandtschaft der Sprache das erste und hauptsächlichste Bildungsmittel:
so weiset sie wieder auf früher von der
21 Natu« selbst hierzu gemachte Einleitungen,
auf gemein
schaftliche oder nahe verwandte Abstammung, auf genaue,
in der Urgeschichte des Volksstammes vorgekommene Be rührungen, gen,
Aehnlichkeit oder Einerleiheit der Volkssa
der, Sitten und Gebräuche,
der Religionsbegriffe
und gottesdienstlichen Uebungen rc. hin.
Und obwohl
eigene Ursachen das Zusammenwachsen zu einem unter
derselben Regierung und in demftlben Staate vereinigten
Volke/ nachdem der Stamm sich bereits in mehrere Aeste vertheilt hat,
für immer verhindern,
obwohl selbst die
verschiedenen ursprünglich aus demselben Stamme her-
vorgcgangenen Völkerschaften sich gegenseitig befehden uttd
bedrücken mögen, wie einst Athener und Spartaner ober” wie Geschwister und Blutsfreunde in derselben Familie: immer bleibt doch Familiengeist,
immer erhält sich die
Neigung zum nähern Anschließen an einander gegen außenhin,
immer ein gewisses Wohlgefühl,
einander als
Stammesgenoffen oder Verwandte zu begegnen,
ein gewisser Drang,
immer
mit einander Verkehr und Verbin
dung zu pflegen, der denn auch wohl, wie bei den Grie
chen in gemeinschaftlichen Volksfesten und Spielen seine Nahrung findet oder dazu Anlaß giebt.
Nicht nur, daß
Dichter und Geschichtschreiber die sämmtlichen Stammes verwandten
durch
geschriebenes oder mündlich
pflanztes Wort unterhalten,
belehren,
hohem Nationalgefühl durchdringen,
flammen:
fortge-
brgeistem,
mit
zum Wetteifer ent
dieselben (von jenen besungenen, von diesen
beschriebenen) Hauptbcgebenheiten der Vergangenheit und wo nicht dieselben doch ähnliche und auf die nämlichen
Ideen bezogene Hauptangelegenheiten der Gegenwart sind cs,
welche die, wenn auch in noch so viele und verschiedene Ver-
22 zwkiguugea ausgehende,
Gesammtheit beschäftigen; unb
wie die Glieder derselbe« sich gegenseitig nie ohne gehei
me Ahndung aller dieser Berührungspunkte begegnen: so wissen sie sich auch
geflissentlich damit zu kreffen und
darüber ausjusprechen: so finden fit sich angezogen durch
eine geheime, chen,
in tausend kleinen und beinahe unmerkli-
aber vereinigt nur desto wirksamer« Anlässen ge
gründete Sympathie,
die
die sämmtlichen Individuen
jede Gelegenheit zum Verkehr mit einander begierig er greifen,
diesem die möglichste Ausdehnung geben,
sich
in ihrer Gesammtheit von allen diesem Nationalverhältniß Fremden, möglichst scharf abgränzen läßt.
In allen
seinen Zügen ist dieses Bild von den Griechen copirt,
deren Zersplitterung unter einander selbst doch den Contrast ihrer Aller zusammengenommen gegen die Barbaren
in seiner ganzen Schärfe hervorzutreten,
hat,
nicht gehindert
und ist gleich der Deutschen und Italiener natio
nales Volksleben nie zu der Freiheit und Lebendigkeit,
hat es gleich bei ihnen
wie bei den Griechen, gelangt, durch
gemeinschaftliche
gesetzliche Anordnung
Verabredung
und
uranfänglich
die Stützen nicht gefunden,
die
es bei jenen in ihren bekannten großen Kampfspielen, gemeinschaftlichen Orakeln rc. fand: so mögen sie sich ih
nen
doch aus
vielen
Gründen
Seitenstück gegenüberstellcn. wohl nicht zu viel behauptet:
nicht mit Unrecht als
Auch ist es in Wahrheit was der Vereinigung ei
ner jeden dieser Nationen zu einem Volke im politischen Sinne im Wege stand,
das hat mit seinen politisch oft
höchst ungünstigen Folgen doch wesentlich dazu beigetra gen, die Sympathie,
welche die Mutter des nationalen
und auf Stammverwandtschaft beruhenden Volkslebens
23 ist, zu wecken und zu nähren.
Aus dem misbehaglichen
Gefühle, getrennt, zersplittert, einander entfremdet, durch gegenseitige Reibungen in allen getrennten Theilen inner lich geschwächt,
dadurch aber erst thcilweise,
dann im
Ganzen der Unterdrückung Preis gegeben zu seyn,
ent
steht wenigstens i» Zeiten der Bedrängniß ein wehmuths-
volles Sehnen,
sich an einander anzuschließen, verbun
den mit dem Bewußtseyn, einander ursprünglich anzugehören,
was in entscheidenden Momenten allerdings bei
dem Gedanken, Griechen, Italiener, Deutsche zu seyn, die Brust höher hebt, als bei der Vorstellung, Argiver,
Korinther, Spartaner oder Mailänder, Florentiner, Nea politaner oder Baiern, Preußen, Hannoveraner zu hei ßen, und was bei Salamis, Mykale, bei Mailand, in
Leipzigs Gefilden großer Wirkungen nicht verfehlt hat.
Ihr klagt,
daß jene Momente nur zu schnell vorüber
eilen, daß dann die Reibungen mit verdoppelter Macht
beginnen und die Zersplitterungen wieder ärger werden. Nicht die Völker find es, die ihr darüber anzuklagen, nicht das nationale Volksleben ist es,
Grund davon zu suchen habt.
in dem ihr den
In des Volkes Führern,
in den — zum Theil freilich schier unvermeidlichen —
Collisionen zwischen Staatsleben und Volksleben, (die wir bald näher zum Augenmerk nehmen,)
werdet ihr
diesen Grund finden, und selbst wo ihr, wie in Sparta,
Athen, Preußen, Oestreich, Baiern, den Dolksgeist der
gleichen Richtung nehmen sehet, vornehmlich diese Richtung giebt,
über das,
was ihm
nicht in Ungewißheit
bleiben.
Seine genauere Bcgränzung empfängt endlich, wie wir gesehen haben, der Begriff Volk durch das Zufirm-
24 menleben einer größer» oder kleinern Volksmaffe ans ei
nem gewissen Bezirke mit dem bestimmt erkannten und erklärten Zweck«, einander angehören, ein zu Schutz und
Trutz gegen Anfechtungen von außen verbundenes und
gegen innere Zerrüttungen durch tüchtige Zusammenfügung gesichertes Ganze zu seyn,
wovon ein höchstes über der
Gesamnttheit stehendes Regiment, mit jeder von demsel ben unzertrennlichen Zubehör, kurz, Vereinigung Aller in
einem Staate,
die Grundbedingung ausmacht.
Wo
dieses Einigungsprincip vorwaltet, wird cs sich mit Bei
seitesetzung aller übrigen geltend, ja diese nicht nur über
flüssig machen, sondern guten Theils sogar unterdrücken. Nicht Einheit der Muttersprache,
nicht Stammesver
wandtschaft, nicht Nationalsympathie ist es, die die Bas ken, di« Deutschen, die Flamänder, die vielmehr sämmtlich
in der auswärtigen Nachbarschaft ihre eigentlichen Ver
wandten zu suchen haben, und gegen diese ihre Sympa thie mußten verläugnen lernen, einem Volke
verbindet,
mit den Franzosen zu
sondern lediglich Einheit des
Scepters, dem sie gehorchen, des Staates, dem sie an
gehören.
So die russische, so die östreichische Monarchie,
deren jegliche,
wenn ihre Zubehörigen an einem Orte
versammelt seyn sollten, ein Schauspiel von Sprachver
wirrung wie zur Zeit darstellen würde;
des babylonischen Thurmbaucs
wobei übrigens die gewöhnliche Folge
die ist, daß Dolkszuneigung und Volksleben sich in eben so viel Theile zersplittern, als der Völkerschaften sind,
die einem Staate angehören.
Ganz wird gleichwohl ein
gemeinschaftliches Volksleben auch unter solchen Voraus
setzungen nicht fehlen und eine hohe Regsamkeit, eine ausuehmende Kraft und Fülle desselben läßt sich,
vermöge
der durch Staatsvsrband bewirkten Bolksvereinigung al
lerdings dann denken,
wenn die sämmtlichen Volksge
nossen ihr Daseyn und Wohlseyn eben in diesem Staate vorzüglich gesichert und gefördert finden,
insbesondere nächst
einem
wenn ihnen
Gedeihen ihres
erwünschten
häuslichen Glückes und ihrer alltäglichen Lebensbehag lichkeit noch die Freiheit zu Statten kommt,
sich über
ihre öffentlichen sowohl als Privatangelegenheiten unverholen gegenseitig auszusprcchen und mitzutheilcn; wenn
überdem etwa noch der Staat, dem sie angehören, we gen erfahrener Kränkung seiner Rechte, wegen über ihn
hereingebrochener schweren Bedrängnisse,
wegen harter
Gefährdungen seiner innern Ordnung und Ruhe, jedes Opfer Würdiges
als etwas Heiliges,
ihnen
erscheint;
wenn endlich große Menschen einen solchen Staat ver herrlichen und durch jede Art bürgerlichen Verdienstes,
das sie zu erringen bemüht waren, Gemeingeist und Pa
triotismus mit unwiderstehlicher Kraft ins Gesammtle-
ben rinführen.
In ihrer ganzen Stärke werden Volks
gefühl und Volkskraft nur in diesem Verhältnisse und unter diesen Bedingungen erwachen:
denn ein gewisser
maßen tastbarer und in der Wirklichkeit vor Augen ge
stellter,
auch
erfahrungsmäßig
schon
öfters
erreichter
Zweck und zu dessen Verwirklichung die Mittel in der Nähe bereit liegen,
barer zusammen,
bindet stärker,und hält unzertrenn als ein bloß idealischer und darum
meist schon minder bestimmt gedachter, oder als ein noch sehr entfernt liegender,
durch schwere Hindernisse ent
fernt gehaltener und zu dessen Erfüllung die Mittel erst
gesucht werden müssen,
vielleicht wohl nie mit völliger
Sicherheit aufzufinden sind.
Schauet nach
Athen
und Cimon, nach Sparta,
unter Miltkades,
Aristides
nach Theben unter Epami-
nondas, nach dem Hebräerlande unter Zudas dem Mak
kabäer, nach den noch ächt republikanischen Römern, nach der Schweiz, nach den *) Niederlanden, nach den ver
einigten Nordamerikanern, wenn ihr euch von der Blü the des so mvdificirten und aus solchem Princip hervor
gehende« Volkslebens einen Begriff machen wollet.
Da
ist nichts, was den Staat, seine äußere und innere Si
cherheit, feines Gebietes Umfang, seiner Verfassung Un sei» .Ansehen und seine
verletzlichkeit und Ausbildung,
Geltung unter den übrigen angeht,
was nicht zugleich
Sache des Volkes wäre, und nichts, was beide berührt, das nicht von Allen,
die sich auf höhere und niedere
Stufen des Staates Bürger, des Volkes Genossen nen
nen, bis ins Innerste hinein empfunden würde und nicht Alle zum Austausch ihrer Ansichten, Gefühle und Entschlüsse
in Bewegung setzte, und nicht in Aller eigenthümlichem Zustande, Privatleben und Maßregeln seinen Einfluß äu
ßerte. Vielleicht, daß das Alles nach sehr verschiedenen, nach
ganz entgegengesetzten Richtungen hinausgeht;
vielleicht,
daß sich Partheien bilden, die einander mit entschiedener
Feindseligkeit gegenüber treten;
auf allen Seiten wird
doch mit wenigen Ausnahmen die Voraussetzung obwal ten,
im Namen des Volks und Staates eine Meinung
*) Daß es Föderativstaaten sind,
die wir aus der neuem
Zeit von dieser Seite namhaft machen und etwa blos mit Aus
nahme von Venedig und Schweden unter Gustav Wasa — die doch beiderseits nicht völlig hierher gehören — auch nur namhaft ma
chen können,
zur Sache.
thut für die hier bemerkbar gemachte Ansicht nichts
27 — wenn auch nicht die löblichste und sittlich beste, doch die den Umständen angemessenste und nützlichste, zu ha ben. Und ist es hiermit im mindesten redlich gemeint: so werden solche Partheien dem Volksleben erst seinen rechten Schwung geben; so wird es seiner Regsamkeit halber unentbehrlich seyn, daß es im Staate Partheien gebe. Einer für Alle und Alle für Einen—so gilt's durchgängig und dieß ist das Princip des politischen Volkslebens, mag auch der Gesichtspunkt, aus welchem von verschiedenen Standorten aus, der Staat und sein Heil betrachtet wird, ein noch so verschiedener seyn, mö gen sie zu noch so verschiedenen Zwecken und mit noch so verschiedenen Maßregeln Einer für Alle und Alle für
Einen stehen. Sey es übrigens auch, daß von den Voraussetzun gen, das Volk und den Staat in so innige Verschmelzung zu bringen, die den Volksgenossen, obgleich wohl nach verschiedenen Rücksichten, ihren Staat so eigenthümlich theuer zu machen und dem politischen Volksleben einen so mächtigen Schwung mit einem zugleich so gemüthli chen Charakter zu geben geeignet sind, viele fehlen: die Idee des Staates selbst, wäre sein Wesen auch ein min der populäres, hat, je nachdem es das Schicksal will, bis zu gewissen Gränzen etwas Exaltircndes, das unter Roms Cäsaren, unter Ludwig dem XIV., Friederich II., Maria Theresia *), Napoleon Buonaparte, Peter I., Katharina der 2ten, Alexander Paulowitsch, Staatsznbehörige der verschiedensten Zungen, Abstammung und *) Ruf der Ungarn, moriamur pro rege nostro Maria Theresia ! —
28 Sitten zum Enthusiasmus der gewaltigsten Bolksan-
strengnngen in Bewegung zu setzen, im Stande gewesen ist»
Um uns aber theils in dem Gebiete der hier vor
kommenden Erfahrungen und Thatsachen gebührend zu
orientiren, theils die praktischen Resultate, die wir durch unsere Betrachtung zu gewinnen wünschen,
zweckmäßig
vorzubereiten, muffen wir die Begriffe Staat und Volk von Seiten ihres Inhaltes und
ihrer Wechselwirkung
näher ins Auge fassen.
Drittes Kapitel. Das Verhältniß zwischen Staat und Volk im Allgemeinen
betrachtet.
Verstehen wir unter Volk »ach der dritten von uns
festgesetzten Bedeutung eine Vielheit gewisser in größerm oder kleinerm Bezirke vereinigten Individuen,
die durch
Schicksal und Umstände vermocht werden, einander wech selseitig angehören,
bleiben und
sich
in genauern Verkehr mit einander
zusammen genommen als nun hierzu
abgeschlossen betrachten und
behaupten zu wollen;
so
ist der Staat das Band, das sie vereinigt, zu erhalten, ihrer Verbindung eine gewisse Form zu geben und zu sichern,
den Zweck derselben zur Erfüllung zu bringen
bestimmt ist,
und bei welcher allgemeinen Vorstellung
wir uns fürs erste beruhigen können, ohne vor der Hand von dem noch immer nicht geschlichteten Streit über den
eigentlichen Staatszweck Kenntniß nehmen zu dürfen, doch mit der Aussicht, denselben auf unserm Wege vielleicht am
ersten beigelegt zu sehen.
Sy viel bleibt ausgemacht:
in dem genauer fixirtcn Sinne,
in dem wir uns das
28 Sitten zum Enthusiasmus der gewaltigsten Bolksan-
strengnngen in Bewegung zu setzen, im Stande gewesen ist»
Um uns aber theils in dem Gebiete der hier vor
kommenden Erfahrungen und Thatsachen gebührend zu
orientiren, theils die praktischen Resultate, die wir durch unsere Betrachtung zu gewinnen wünschen,
zweckmäßig
vorzubereiten, muffen wir die Begriffe Staat und Volk von Seiten ihres Inhaltes und
ihrer Wechselwirkung
näher ins Auge fassen.
Drittes Kapitel. Das Verhältniß zwischen Staat und Volk im Allgemeinen
betrachtet.
Verstehen wir unter Volk »ach der dritten von uns
festgesetzten Bedeutung eine Vielheit gewisser in größerm oder kleinerm Bezirke vereinigten Individuen,
die durch
Schicksal und Umstände vermocht werden, einander wech selseitig angehören,
bleiben und
sich
in genauern Verkehr mit einander
zusammen genommen als nun hierzu
abgeschlossen betrachten und
behaupten zu wollen;
so
ist der Staat das Band, das sie vereinigt, zu erhalten, ihrer Verbindung eine gewisse Form zu geben und zu sichern,
den Zweck derselben zur Erfüllung zu bringen
bestimmt ist,
und bei welcher allgemeinen Vorstellung
wir uns fürs erste beruhigen können, ohne vor der Hand von dem noch immer nicht geschlichteten Streit über den
eigentlichen Staatszweck Kenntniß nehmen zu dürfen, doch mit der Aussicht, denselben auf unserm Wege vielleicht am
ersten beigelegt zu sehen.
Sy viel bleibt ausgemacht:
in dem genauer fixirtcn Sinne,
in dem wir uns das
29 Volk nun denken, ja denken mässe«, wenn es für uns ein individuelles Etwas seyn soll, dessen Leben uns interesstrt, ist es, ohne einem Staate anzugehören, oder ohne daß ein Staat ihm angehöre, nicht denkbar. In dem wir dieß festhalten, kommt nichts darauf a«j, was bekannten Geschichtsdenkmalen zu Folge früher da gewesen ist, ob in dem Volke, das wir vor uns haben, der Staat, der ihm angehört, sich gebildet, oder ob der Staat, den wir meinen, die jetzt demselben angehörige Menschenmaffe, Volk genannt, in dieser Zahl, auf die ser Bodenfläche vereinigt habe; genug: der Idee nach, und zwar nicht bloß in ihrer reinen Allgemeinheit, son dern bereits in bestimmter Anwendung gefaßt, ist das Volk mit seinem beweglichen und unbeweglichem Eigen thum das Materielle, worauf sich der Staat als ein formelles, jenes der Zweck, worauf sich dieser als Mit tel unh Bedingung bezieht, zwischen beiden also ein so nothwendiges Wechselverhältniß, daß von einem zeit lich Ersten und Andern nicht die Rede seyn kann, bei des aber doch als wesentlich verschieden und einander wechselseitig sowohl erhaltend als beschrankend gedacht werden muß. 1) Vereinigt will und soll das Volk sich selbst, (in seiner Gesammtheit und Unzertrennlichkeit,) und seinen Landesbesitz gegen seines Gleichen behaupten. Auf immer aber würde die Offenbarung und Ausführung dieses Willens dem Zu falle, der augenblicklichen Veranlassung und hundert Ein flüssen, die sich wechselseitig selbst hemmten und zerstör ten, überlassen bleiben, wenn sie nicht in bestimmter Form und durch das Organ gewisser, solchen Willen zu fassen, zu erklären und zu vollbringen, bestallter, einan-
30 der über und untergeordneter Behörden hervorträte, wenn nicht der Staat das Wort und das Schwert nähme, dem Dolkswillen Einheit gäbe und die Volkskraft auf einen bestimmten Punkt lenkte, wenn nicht Staaten int Verkehr mit einander die Persönlichkeit und mit ihr die Ehre, das Ansehen, die Ansprüche der Völker verträten. Schon hier tritt nun nicht nur das Volksleben in eine gewisse Mittelbarkeit, die ihm einen guten Theil selbst von seiner Substantialität entzieht; (denn ob im vor waltenden Falle das Schwert ergriffen oder unterhan delt, ob der Sicherheit halber angegriffen oder der An griff abgewartet und welche Art und Masse von Mitteln dazu aufgcbotcn werden soll, ist Sache der Staatsent scheidung und Wirksamkeit); sondern es erfährt auch die Willkühr und Behaglichkeit des individuellen Lebens, welches die Einheiten hergiebt, aus denen das Volksle ben als Summe resultirt, durch die Maßregeln des Staates vielfache Beschränkung. Denn auch der popu lärste Krieg und die unausweichlichsten Sicherheitsanstalten gegen feindliche Unterdrückung werden einen Druck auf das Volk äußern, von welchem nicht vor auszusetzen ist, daß ihn alle Angehörigen desselben, de ren viele den Grund davon weder einsehen können noch wollen, genehmigen dürften; und das um so weniger, je unvermeidlicher es ist, daß sowohl Einzelne als ganze Classen im Volke davon harter, als die übrigen, betrofftn werden. Schon aus der ganz allgemeinen Ansicht der Sache, die uns jetzt nur beschäfftigt und das aus der Natur der Sache mit Nothwendigkeit Folgende zei gen soll, geht das hervor; ein weit anderes Bild wer den wir dann erblicken, wenn wir den Einfluß der
31 Staaten-Verhältnisse auf das Volksleben, wie ihn uns
die Wirklichkeit der vergangenen und unserer eigenen Tage zeigt, ins Auge fassen.
2) Eine weitere
Bedingung
von der Dauer und
Unversehrtheit des Volkes und seines Lebens ist die Er haltung eines
nem Innern.
rechtlichen Zustandes in sei
Die vereinigt sich als ein Ganzes be
haupten und gegen äußere Anfechtungen ihre Kraft zu-
sammenhalten,
auch unter einander
ihres Beisammen-
seyns und Geivährens froh werden sollen,
dürfen sich
durch die ungebundene Willkühr und Anmgßung Ein zelner nicht feder für sich beeinträchtigt und unter ein
ander entzweit sehen;
und es ist nicht genug,
daß sich
das factisch auf zufälligen Anlaß dann und wann so
verhalte; es muß beharrliche Maxime seyn,
daß es sich
nie anders verhalten könne und dürfe, und für die Ver
wirklichung dieser Maxime muß durch angemessene In stitute gesorgt
seyn.
Daher die Nothwendigkeit von
Criminal- und Civilgesetzen, von einer richterlichen, die
Anwendung dieser Gesetze in besondern Fällen erklären den und solche Erklärung durch Gründe unterstützenden
Behörde, endlich von einer aufsehenden Macht, die auch wo kein Kläger vorhanden ist,
das Gesetzwidrige der
richterlichen Entscheidung unterwirft,
rung bringt.
diese zur Ausfüh
Dann aber auch, so weit es das allge
meine Recht gestattet und fordert,
sem Falle auf eins hinaus,)
(beides läuft in die
der Uebertretung der Ge
setze vorbeugt.
Gesetze — sagt sehr
richtig Montesquieu — sind
überflüssig, wo es noch Sitten giebt.
Diese können aber
unter der Gesammtheit des Volkes nicht, als so ohne
32 Ausnahme vorwaltend vorausgesetzt worden, daß es an
Mitteln, jene gegen die freche Willkühr,
den schnöden
Leichtsinn, den empörten Affect und die gereizte Leiden
schaft geltend zu.machen, fehlen dürfte, und wenn auch den schlechtesten Menschen im Volke die Forderung, sich am Leben,
der Freiheit,
jemand nicht zu vergreifen,
dem Eigenthume von irgend
von Hause aus wohl eben
so einleuchtend als bekannt ist:
so doch nicht ohne be
sondere Promulgation, ob und in welchem Umfange der
allgemeine Volkswille diesen Forderungen seine Sanction gegeben und was er, um sie bei Kraft zu erhalten, um den Reiz zu ihrer Uebertretung zu überwältigen und den
durch
diese verletzten Rechtszustand
wieder herzustellen,
für Strafen denselben zuerkennen werde; was doch, um
sich desfalls an Verantwortlichkeit gebunden zu achten, einem jeden, zu wissen, unumgänglich Noth ist.
Und
noch unentbehrlicher wird auch für die rechtlichsten Glie
der des Volksvereins, und die Art,
die den Civilbesitzstand sichernde
sein Recht geltend zu machen oder,
förmliche Recht,
ordnende Gesetzgebung seyn.
Gesammtwillen zu erklären,
das
Solchen
wird aber das Volk selbst,
in welchem nie eine durchgängige Einmüthigkeit dersel ben anders als in der Idee vorhanden ist, nicht geeig net seyn, mithin eine öffentliche Autorität,
um ihn ge
setzgebend zu vertreten, anerkennen müssen, die wir eben,
auch in dieser Beziehung, unter dem Namen des Staa tes kennen.
So wird auch das Ansehen und das Amt
der Richter, obgleich zuletzt in jenem Gesammtwillen des
Volkes,
der Idee nach gegründet,
doch factisch nicht
anders als vom Staate ausgehcn und fcstgestellt werden können.
Und vollends die Vollstreckung der richterlichen
33 Entscheidungen, sowohl wo es Vergehungen oder Verbrechen, (wir begreifen beides unter dem Titel des Criminalrechtes,) als Civilansprüche gilt, dann aber die Fürsorge, allen öffentlichen Unordnungen vorzvbeugen,— mit einem Worte, was man unter dem Namen der Si cherheitspolizei begreift, wie könnte sie mit gehöriger Einheit, Kraft rind Ordnung anders als unter der Ar»torität des Staates bestehen; so gewiß es auch ist, daß sie, um ihrem Zwecke angemessen zu seyn und ihn zu erreichen, republikanisch seyn, d. h. dem Volkswilleu in der Idee entsprechen und seine Mitwirkung faktisch in Anspruch nehmen muß, worüber wir uns an anderer Stelle weitere Erklärung vorbehalten. Braucht es aber umständliche Nachweisung, daß auch in diesem Falle, was dem Volksleben zur Erhal tung dient, zugleich unvermeidlich desselben Beschrän kung mit sich führt, theils schon wiefern es sich auch hier in dieselbe Mittelbarkeit, die wir in Rücksicht der äußern Nolksverhältniffe bemerkten, hingiebt, d.h. was für rechtliche Ordnung geschehen soll, ausschließend von der Verfügung des Staates ,ausgehen läßt, und im besten Falle der rechtlichen, Thätigkeit seiner Behörden bloß zum Antriebe und zum Hülfsmittel dient theils namentlich wiefern durch die vom Staate sanctionirtcn Rechtsgesetze nicht nur ausgelassene Individuen ihre rohe Willkühr gezügelt, sondern auch die loyalsten, um ihr eigenes gutes Recht geltend zu machen und gegen das Fremde nicht zu verstoßen, sich an Formen, die nicht allgemein bekannt seyn können, vielmehr eine eigene Wissenschaft fordern und deren unwissentliche Verletzung ihnen vielfältige Belästigung juzieht, gebunden sehen. 3
34 So,
wie gesagt,
im besten Falle und unter gänzlich
normalen Bedingungen, wie uns die römische Rcchtsge-
schichte aus den blühendsten Zeiten des römischen Volks und Staatslebens lehrt.
Von Ausartungen, die auch
hier bevorrechtete Stande, Verdrehungen des wirklichen
durch das sörmliche Recht, Anmaaßungen der Beamten, Bedrückungen der geheimen Polizei rc. mit sich führen, und die eben so gewiß vom Staate ausgehen als sie schon ein ausgemachtes Mißverhältniß zwischen Staats
und Volksleben voraussetzen, an anderer Stelle! 3) Seine
und
der Seinigen
Wohlfahrt
sucht ferner jeder einzelne Volksangchörige zu erhalten und zu erhöhen;
und wie das vermöge des dem Men
schen cinwohncnden,
von seinem Wohlseyn so gut als
von seiner Entwickelung zur Humanität unzertrennlichen
Geselligkeitstriebes schon nicht anders als gemeinschaft lich geschehen kann: so wird auch, damit nur der Zweck
des individuellen Wohls nicht von allen Seiten gestört werde, Einer dem Andern in die Hände arbeiten müssen.
Auch giebt es, wo sich einmal mit bestimmterm Gefühl seiner vereinigten eigenthümlichen Existenz ein Volk zu
sammengethan hat, eine Volkswohlfahrt, die nicht nur die Summe des individuellen Wohls aller Einzel nen,
(wo auch,
was dem Einen abgeht,
als ersetzt
durch das, was der Andere voraus hat, gedacht werden
könnte,) sondern theils das Resultat dessen ist, was je der Einzelne durch die Verbindung mit allen Uebrigen zu-
sammengenomme» an Sicherheit, Werth und Fülle des Ge
nusses und der Ecnußmittel, an Behaglichkeit des Daseyns gewinnt, theils in der Gemeinschaft des Wohlbefindens Aller mit und durch einander, vermöge ihrer Gesammtheit,
35
und selbst als Gesammtheit, besteht.
Wer erblickt nicht
eben hierin die volle Blüthe des Volkslebens; wer sieht
aber auch nicht die zahllosen Hemmungen,
die sich ihm
sowohl in seinem Innern als von außen her entgegen
Ihr sagt, und in vielem Betracht nicht mit
setzen? Unrecht:
„seine Glückseligkeit zu
befördern und
ihre
Beeinträchtigungen abzuwehren, muß jedem selbst, also dem Volke in seiner Gesammtheit nicht minder als deq
Individuen desselben überlassen bleiben." —
Aber wer
det ihr auch Feuer« und Wafferverwüstungen, Pest und
Seuchen, Mäuse-, Raupen- und Heuschreckenverheerung, wüthender Thiere Tod drohenden
Grimm,
Theurung
durch Mißwachs oder durch auswärtige Kornsperre, Ueberfüllung des Ganzen mit gewissen Gewerbsarten,
Unter
drückung und Elend der einen Volksklaffe durch
unver-
hältnißmäßigen Wohlstand einer andern rc. entfernt, mit dem Gefammtvermögcn gehörig hausgehalten sehen rc.,
wenn ihr die Sorge für das Alles wie der Willkühr Einzelner, so dem regellosen Volkswillen überlasset, der sich auch hier ohne Einheit der Aufsicht und Leitung
schwerlich zu zweckmäßigen Vorkehrungen für das Zu trägliche vereinigt? fahrt,
Summa: auch des Volkes Wohl
und namentlich das Gleichgewicht dieser Wohl
fahrt fällt der Obhut des Staates anheim, daß er ihre Beschädigungen abwende,
daß er die individuellen und
gemeinsamen Bestrebungen,
sie zu erweitern und zu be
festigen, schütze und fördere, dann auch wohl, wo solch
Streben vom Volke unmittelbar nicht ausgeht,
durch
die ihm bei diesem aufzubieten freigelaffenen Hülfsmittel
das unternehme und ausführe, was des Volkes Wohl
seyn zu befördern geeignet ist: wie ihm denn wohl außer 3 *
36 der Befugniß über den
allgemeinen Gesundheitszustand
zu wachen, für hinlänglichen Vorrath und gehörige Güte der Lebensmittel zu sorgen, öffentliche Gebäude mit Blitz ableitern zu versehen, zweckmäßige Fcueranstalten zu organisiren, Deiche zu unterhalten und Sümpfe auszutrocknen,
Häfen und Schleusen zu bauen, Brunnen und Landstraßen anzulegen, ja selbst öffentliche Plätze mit Gartcnanlagen
und Kunstwerken zu schmücken, solches Alles aber mit
telbar oder unmittelbar auf des Volkes Kosten zu thun, noch
das
niemand
Recht
abgesprochcn
hat.
Keine
Thätigkeit des letzter» für besondere und allgemeine Wohl fahrt, als unter dem Schirme und unter der Autorität
des Staates und nicht selten auch kein anderer Central punkt der Volksthätigkeit für diesen Zweck, als eben der
Staat.---------So gewiß nun aber diese Thätigkeit in nerhalb ihrer rechtmäßigen Schranken nicht anders als
dem Volkswillen in der Idee entsprechen kann,
mithin
zur Erhaltung des Volkslebens für unentbehrlich geach tet werden muß:
ner,
so gewiß wird sie den Wille» Einzel
ja nicht selten Vieler im Volke der
Wirklichkeit
nach Gewalt anthun, folglich Beschränkung des Volks
lebens mit sich führen.
vante kommt,
Oder wird,
in Triest gefragt,
wer aus der Le
ob er sich den Qua-
rantaineanstalten unterwerfen will oder nicht? Trifft von
den «Aaatslasten, die zur Unterhaltung der Dämme und des Uferbaucs an Flüssen aufgcwendet werden müssen, ihr Theil nicht auch die,
Interesse haben?
der die Kornpreise
seyn?—
die daran unmittelbar kein
Wird der freigegebene Getreidehaudel, herabdrückt,
den Kornjuden
recht
Nur auf das ganz Rechtmäßige in der Für
sorge des Staates für allgemeines Wohl,
oder in den
37 — Maaßregeln der sogenannten Wohlfahrtspolizei schränkt
sich übrigens auch dießmal unsere Voraussetzung ein; in dem wir an die
Beschränkungen des
unvermeidlichen
Volkslebens durch den für sein Bestehen doch unentbehr
lichen Staat erinnern.
Von der offenbaren Gewalt, die
er demselben durch wirkliche Zerstörung der Volkswvhl-
fahrt oder, was nicht viel besser ist, durch eine die rech ten Gränzen überschreitende und Alles unter seine Vor
mundschaft nehmende Sorge für die letztere anthat, wer
den wir anderwärts zu sprechen, Gelegenheit finden. 4) Endlich kann auch was das höchste eigenthüm lich menschlichste Ziel des Menschen, einzeln und in der
Verbindung
mit
seines
Gleichen ausmacht,
seiner Intelligenz, seines
Cultur
ästhetischen Ver
mögens, seiner moralisch-religiösen Anlagen,
von den Volksbestrebungen und von der Regsamkeit des Volkslebens,
die darin vielmehr ihren Gipfel erreichen
soll, nicht, ausgeschlossen werden.
Je tiefer aber nun
hinein ins eigenthümliche Gebiet der Humanität unddet
innern Freiheit:
desto weniger kann der Mensch, einzeln
oder gemeinschaftlich,
von irgend einer Instanz neben
ihm vertreten werden, desto weniger, in diesem rein ab geschlossenen Gebiete sich bewegend,
irgend eine mensch
liche Autorität über sich erkennen.
In unbeschränkter
Freiheit waltet das Volks- wie das individuelle Leben, wo es Aufklärung der Vorstellungen, Verdeutlichung der
Begriffe,
Berichtigung
der
Urtheile,
Bündigkeit der
Schlüsse in irgend einem Fache der Erkenntniß,
wo es
Leistungen der Kunst oder Beurtheilung derselben, wo es Feststellung praktisch allgemein giltiger Grundsätze,
Bil
dung zu rechtschaffenem Sinne und sittlich gediegenem
38 Handeln,
endlich wo es Heiligenden
und beseligenden
Glauben an Gott und eine unter seiner Aufsicht stehende Ja fty auch der letztere, wie es da,
Weltordnung gilt.
wo er Volkssache seyn und ein gemeinschaftlicher Aus
druck dafür gefunden werden soll,
beinahe nicht anders
seyn kann, auf die Voraussetzung einer schriftlich beur kundeten göttlichen Offenbarung und einer positiven Re ligionslehre gegründet: so wird doch Verständniß, Aus
legung
und Anwendung desselben lediglich
auf freiem
von aller fremden Autorität entfesselten Nernunftgebrauche beruhen.
Kurz:
die aus einer Wurzel stammenden
Ideen des Wahren, Schönen, Guten und Heiligen, von welchen nur das auf jeder besondern Stelle die Mensch
heit repräsentirende Volk in seiner Gesammtheit, keine
coustituirte Behörde in der Welt, als höchster Depositär betrachtet werden kann,
sind es, die für Art, Maaß,
Richtung und Ergebniß dieser sämmtlichen Strebungen als alleiniger Kanon betrachtet werden müssen.
So ganz
unstreitig nach rein idealer und ganz gewiß auch an den
wichtigsten praktischen Resultaten nicht unfruchtbarer An
sicht!
Aber wir fragen
wiederum in die Wirklichkeit
um uns her zurückschaueud:
soll es der Staat dem Zu
fall oder der Willkühr des Volkes überlassen, ob in seinem Gebiete Schulen für die unmündige Jugend vorhanden seyen oder nicht?
Ist es ihm gleichgiltig, was und wie
und von wem auf denselben gelehrt wird? geschehen lassen,
Unterricht aufwachsen,
oder daß rohe Aeltern selbst den
ihrigen dieß Bedürfniß entziehen? schließend,
dem
Darf er es
daß älternlose Kinder ohne Zucht und Ist er es nicht aus-
man die Anlegung von Universitäten
und andern Hähern Culturanstalten zumuthet?
Söller
39 schriftstellerische Produkte, Kunstwerke rc.,
Sitten verderben oder die
dulden?
die die guten
öffentliche Ordnung stören,
Darf er um die Grundsätze, die unter den ver
schiedenen innerhalb seiner Gränzen gewährenden Reli gionsgemeinen herrsche», um die Art des Cultus, der
darin Statt findet, um das Verhältniß, das darin zwi schen Geistlichen und Laien, Gemeindegliedern obwaltet,
kirchlichen Behörden und darf er überhaupt darum,
ob es eine Kirche, ob es einen öffentlichen Cultus und Religionsunterweisung in seinem Gebiete giebt, und wie
unbekümmert bleiben?
es sich damit verhält,
Nur die
roheste Hartnäckigkeit in gewissen an sich nicht «mvahren, doch einseitig aufgefaßten Begriffen vom Staate und Principien vom Staatsrechte, nur die Vermessen
heit,
auch in der Wirklichkeit trennen zu wollen, was
blos in der Idee geschieden ist,
da verkennt,
nur die Blindheit, die
wie in der erstem das Gebiet der innern
und äußern Freiheit in einander läuft, wird die Absur
dität, auf alle obigen Fragen mit Nein zu antworten,
auf sich nehmen mögen,
die wir doch ohne im minde
sten unsere Geistesthätigkeit, unsern Glauben und Ge
wissen an den Staat zu verhandeln und unserer innern Freiheit von ihm Fesseln anlegen zu lassen,
denklich bejahen dürfen.
ganz unbe
Ist der Staat das schir
mende Princip für alle Volksthätigkeit zu irgend
für
die
Menschheit
nothwendigen
Zwecken, ist er die unausweichliche Bedingung, caussa
sine qua non,
von der Erhaltung alles Volkslebens;
bestimmt er die Form, in der es hervortreten muß, wenn
es sich nicht selbst zerstören soll:
wie wird denn, auch
was für Cultur der Humanität im höchsten Sinne vom
40
Volke geschehen soll, sich der Kenntniß und Aufsicht des Staates entziehen dürfen? Hat er allenthalben z« wa chen, daß dem allgemeinen Volkswillen in der Idee, der nicht anders als ein einiger und mit sich selbst einig styn kann, durch den so sehr vereinzelten, zersplitterte« und mit sich selbst uneinigen Jndividualwillen in der Wirklichkeit nicht zu nahe getreten werde, daß derselbe vielmehr zur möglichst vollkommenen Ausführung gedeihe: wie wird er denn nicht auch in diesem heiligsten Gebiete der Aeußerung des Volkswtllens selbst anregend und, wo sie schlummert, die Thätigkeit weckend, zuletzt aber alles von derselben Ausgehende durch seine Autorität sanctionirend, wirken müssen? — bei dem Allen aber auch, wie schon eben hieraus erhellt, des Volkes Leben und Willen vielfach beschränkend, selbst da wo er die Grän zen seiner Befugniß keinesweges überschreitet, dergleichen ihm allerdings vielfältig begegnen kann und leider nur allzu oft begegnet ist. Neuerungssucht und Verketze rungseifer, Frömmelei und Ausgelassenheit, Schwärme rei und Profanitat, Trägheit und Vielthuerei und wie solche Excentricitäten alle heißen, sie werden sich ohne Ausnahme durch die Maaßregeln, die der Staat schützend, leitend und anregend in diesen Angelegenheiten nimmt, gehemmt und beeinträchtigt fühlen, und es zeigt sich hier, wie bei allen übrigen von uns betrachteten Momen ten, daß die Ungebundenheit und regellose Willkühr des Volkslebens, daß die minder ein gemeinschaftliches In teresse vereinigt aussprechende als jedes individuelle Ver langen zugleich neben einander laut machende Regsam keit desselben durch den Staat vielfache für einzelne Volksglieder lästige Beschränkungen erfährt, die aber zur
41 Erhaltung nicht nur seiner Gesundheit, sondern selbst seiner Existenz so unentbehrlich ist, als eine gewisse Ein heit der Disciplin und eine von da ausgehende unver brüchliche Lebensordnung für jegliches animalische Leben, ja daß überhaupt, wie wir vom Anfänge erklären, als sich selbst angehörend, als ein besonderes Ganze für sich ein Volk nichts ist, es sey denn, daß es einem Staate angehöre und daß ein Staat ihm angehöre. Je unbe stimmter und formloser, je mehr nur noch dem bloßen Bedürfnisse des Augenblicks dienend, je weniger das Ganze des Volkslebens und Strebens umfassend das, was man unter einem Volke den Staat nennt: desto gewisser nach dem Zeugniß aller Geschichte und Völker kunde, daß es noch gänzlich im Zustande der Barbarei oder der Wildheit selbst vergraben liegt.
Viertes Kapitel. Stellung des Staates gegen das Volk.
Er ist ohne das
Volk als ein Lebendiges nichts — beide müssen etwas Lebendes für sich seyn — aber in der innigsten Ver
bindung und
zu
einem
und das Gewahren des
Zwecke — diese Verbindung einen und 'andern darf nicht
der einseitigen Willkühr oder
dem Zufall überlassen,
sie muß durch eine Constitution fixict,
diese muß der
Zielpunkt seyn, auf deren Erhaltung und Entwickelung zu dem beiden gedeihlichen Berufe beide von entgegen gesetzten Polen aus hinarbeiten.
8- 1.
Kein Volk von irgend einiger Entwickelung seiner selbst, wie wir erkannt haben, ohne Staat; und noch
41 Erhaltung nicht nur seiner Gesundheit, sondern selbst seiner Existenz so unentbehrlich ist, als eine gewisse Ein heit der Disciplin und eine von da ausgehende unver brüchliche Lebensordnung für jegliches animalische Leben, ja daß überhaupt, wie wir vom Anfänge erklären, als sich selbst angehörend, als ein besonderes Ganze für sich ein Volk nichts ist, es sey denn, daß es einem Staate angehöre und daß ein Staat ihm angehöre. Je unbe stimmter und formloser, je mehr nur noch dem bloßen Bedürfnisse des Augenblicks dienend, je weniger das Ganze des Volkslebens und Strebens umfassend das, was man unter einem Volke den Staat nennt: desto gewisser nach dem Zeugniß aller Geschichte und Völker kunde, daß es noch gänzlich im Zustande der Barbarei oder der Wildheit selbst vergraben liegt.
Viertes Kapitel. Stellung des Staates gegen das Volk.
Er ist ohne das
Volk als ein Lebendiges nichts — beide müssen etwas Lebendes für sich seyn — aber in der innigsten Ver
bindung und
zu
einem
und das Gewahren des
Zwecke — diese Verbindung einen und 'andern darf nicht
der einseitigen Willkühr oder
dem Zufall überlassen,
sie muß durch eine Constitution fixict,
diese muß der
Zielpunkt seyn, auf deren Erhaltung und Entwickelung zu dem beiden gedeihlichen Berufe beide von entgegen gesetzten Polen aus hinarbeiten.
8- 1.
Kein Volk von irgend einiger Entwickelung seiner selbst, wie wir erkannt haben, ohne Staat; und noch
42 einleuchtender umgekehrt, kein Staat ohne Volk; da ein Formgebendes sich ohne Form empfangende Masse nicht denken laßt. Aber genügt es nicht, das Volk als bloße Masse zu denken, in der sich nur vereinzeltes, durchaus aber kein collectives, tmrch irgend ein gemeinschaftliches Prin cip verbundenes und in Bewegung gesetztes, kein im ei gentlichen Sinne öffentliches Leben findet, haben wir nicht das letztere vielmehr ausschließend in dem Staate und Behufs desselben: zu suchen? Vielfältig hat dieser Glaube von jeher geherrscht, und rin großer Theil wie der Staatsregenten selbst so namentlich ihrer höchsten Beamten sicht in der Kunst, ihn zu verwirklichen, den höchsten Gipfel der Staatsweisheit. Ob mit Recht — und zwar zunächst selbst schon des Staates wegen? Nicht genug sogar, daß dieser, der nur bei ganz ent schiedener Volks- und Menschenverachtung sich als al leinigen Selbstzweck setzen kann, die sämmtlichen, die er verfolgt, als Zwecke des Volkes geltend macht: sie müs sen zugleich, um sich rechtfertigen zu lassen und gnügend erreicht zu werden, vom Volke selbst als die seinigen erkannt werden können und wirklich begriffen werden, was ungezweifelt ein Leben des Volkes für gemein schaftliche Angelegenheiten in Gefühlen, Vorstellungen, Ur theilen, Gesinnungen und Strebungen, die der Mehr zahl seiner Angehörigen gemein sind, voraussetzt. Ist zuvörderst von der Stellung der Staats macht gegen andere neben ihr im Kriege, bei Bünd nissen oder im Zeitpunkte friedlicher Unterhandlungen die Rede: wo ist ihr Halt, wenn sie nicht durch des Volkes lebendige Billigung und Thcilnehmung gestützt wird? Ein Unding ist schon nach außen zu auf der ausgedehn-
43 testen Bodenfläche der Staat, der nicht die Persönüchkeit des ihm angehörenden Volks vertritt und darstellt, dessen Bewegungen und Maaßregeln, motivirt entweder durch Despotenlaune und Familien-Interesse oder durch Ansichten, die vom Volke absehend, nur den Staat im Auge haben, mit dem wahren Interesse, wofür sich das Volk erklären müßte, in Widersprüche stehen. Gilt es Krieg, mit welchem Erfolge wird, er geführt, wo nicht Volks-Intelligenz und Volkswille beim Heere und sei nen Anführern, bei den Unterthanen, die des Krieges La sten tragen, Hülfsmittel gewahren, Unternehmungen för dern sollen, zur Hand ist?— wenn gegen eine Macht, welcher diese Unterstützungen zu Gebote stehen, gekämpft werden soll, was jeder einräumen wird, der an Christicrns Krieg mit den Schweden, an den französischen Revolutionskrieg, an den furchtbaren Feldzug Napoleons nach Rußland denkt. Gilt es Bündnisse: was fruchten und wie lange bestehen sie, wenn sich der Geist des Volkes, in dessen Namen man sie knüpft, oder desjeni gen, mit dem sie geknüpft werden, dagegen auflehnt, wie Choiseul Gouffiers Traktat von Versailles, die Pillnitzcr Convention und der Rheinbund in seiner letzten Epoche gnügend zu Tage legen? Sind es Traktate oder einseitige Verfügungen über Handlung, Gcwerbsverkehr, Eränznachbarschaft, die eigentlich nichts mehr ausspre chen können, als was sich zwischen den Nationen von selbst verstehen würde, wenn der Geist ächter Humani tät und Civilisation im mindesten in die Politik einge drungen wäre, nicht selten jedoch weit Anderes wirklich aussprechen: wo ist ihr Bestand, wo der davon erwar tete Gewinn, wo irgend einiger damit verknüpfte Segen,
44 wenn es nicht" im ersten Falle die Völker selbst find, für welche und von welchen der Vertrag geschloffen wird,
wenn im zweiten Falle nicht des Volkes Sache und Zu stimmung die getroffene Einrichtung fordert;
Wesfalls
wir nur des vor dem Ausbruche der französischen Revo lution zwischen England und Frankreich durch Sir Mor
ton Eden geschloffenen Handelstractats,
des napoleon-
schen Douanen- und Continentalsystems und mehr denn
einer
der
murrn Zolleiurichtungrn eingedenk zrr
brauchen. Natürlich, tung,
es mit der
daß
seyn
Verwal
innern
welchen Zwecken sie auch gewidmet seyn mag,
noch einleuchtender dieselbe Bcwaudtniß hat.
Die Ver
hütung und Bestrafung von Verbrechen und Rechts verletzungen,
die Auseinandersetzung rechtlicher
Ansprüche, die Form, in welcher rechtliche Streitig
keiten geschlichtet werden sollen,
ist an sich selbst des
Volkes Sache,
Heil
d. h. eine vom
trennliche Angelegenheit, und Sicherheit im
die jedoch,
desselben unzer
damit
Ordnung
Volke gebührend berathen werden,
wie wir uns überzeugt haben, dem Staate zur Aufsicht und Leitung anheim fallen muß.
Lasset aber die vom
letztcrn dießfalls sanctionirten und von Zeit zu Zeit neu hinzugefügten Gesetze dem Geiste,
den Sitten und Be
dürfnissen des Volkes fremd seyn;
lasset von den dabei
angestelltcn Behörden die Vollstreckung dieser Gesetze der Theilnchmung des Volkes entfremdet,
vielleicht zur of
fenbaren, jedoch vom Staate unbeachteten Mißbilligung des Volkes verwaltet,
lasset sie nur
als
Sache des
Staats und seiner Behörden, ja wohl nur als Privat sache gewisser vom Staate begünstigten Casten und Ei-
geltet behandelt werden: wird es euch befremden dürfen,
wenn Gesetz und Recht und die Handhabung von beiden ein immerwährender Gegenstand des Hassest), des Wi derstrebens oder mindestens des Mißtrauens, eine Schran
ke,
die jedermann zu durchbrechen trachtet,
im Volke
bleiben, wenn ein wahrhaft rechtlicher Geist unter dem selben
nie einheimisch wird? —
Polizei — sie ist
selbst in ihren mildesten Functionen beim Volke in bösem
Leumund und noch mehr,
wo sie unsanft berühren und
hart durchgreifen muß.—
Aber warum? da sie für ge
wöhnlich doch nur des Volkes Sicherheit und Wohl
fahrt zum Zwecke hat?
Weil sie, statt dasselbe selbst
thätig für ihre Handhabung in Anspruch zu nehmen und
seinen Ehrtrieb für Aufrechthaltung der Ordnung und Förderung des Guten zu wecken,
sich nur als Staats
angelegenheit ankündigt, und weil ihre Vertreter weniger
den einzelnen Ordnungs- und Wohlfahrtsstörern,
als
der Gesammtheit des Volkes, wie wenn eben bei diesem
der meiste Hang zu solcher Störniß vorauszusetzen wäre, sich mit feindseliger
Rohheit
auch nicht weniger,
weil man namentlich im Gebiete
gegenüber
stellen;
dann
der sogenannten Wohlfahrtspolizei bei weitem zu viel thut und nicht nur der eigentlichen Volksbedürfniffe unkundig, vieles verkehrt thut, sondern vermöge dieser Maaßregeln,
auch beim Volke auf eine für dasselbe beleidigende Weise eine gänzliche Unmündigkeit voraussetzt,
diese Unmündigkeit
geflissentlich
dadurch
unterhält.
aber
Dagegen
*) Wie in England, wenn die Landgerichte gehegt werden, sich' das Gegentheil an den Tag lege, s. bei Betau, sur la jurisdiction
criminelle en Angleterre.
46 würde selbst die geheime oder eigentliche Staatspolizei, die in stürmischen Zeiten freilich kaum entbehrt werden
kann, dem Volke lange nicht so verhaßt*) seyn;
wenn
die Sache des Staates, über welche sie wacht, zugleich
für Sache des Volks erkannt und das Volk selbst da für in Bewegung gesetzt würde.
Sonnenklar müssen
uns endlich die nämlichen Resultate da einleuchten, wo die Aufsicht des Staates über
die Geistes- und
Ge
müthscultur des Volkes und seiner verschiedenen Classen in Betracht kommt.
Waltet er fördernd und mit
redlichem Sinne zur wahren Aufklärung und Veredlung des Volkes, also recht wesentlich für desselben eigene und
höchste Zwecke:
nur unter der, Bedingung wird gleich
wohl sein Wirken glücklich von Statten gehen,
im Volke selbst für das,
wenn
was gefördert werden soll,
schon lebendiges Interesse vorhanden,
wenn wenigstens
die Art, wie man es für dasselbe zu fördern unternimmt, mit den Vorstellungen,
die da herrschen,
dürfnissen, die da gefühlt werden,
mit den Be
mit der Culturstufe,
worauf eben jetzt der Zeitgeist das Volk stellt, und von wo aus es weiter geführt werden
stimmt.
kann,
zusammen
Was durch Maaßregeln und Zurüstungen,
die
hiermit in Widerspruch stehen **) und sich ausschließend
*) Wo man nicht gar behaupten darf, daß sie ihm unter sol chen Bedingungen kaum vonnöthen seyn würde, wenn das gesammte Volk für den Gedanken erwärmt ist, Gefahr, Meuterei und Verrath von sich entfernt zu halten und denen, die dergleichen anzustiften im Sinne haben, auf den Dienst zu passen. **) Alexander Severus und Julia Mammäa konnten eben so wenig die Herrschaft des Christenthums einführen, als Julian sie zu unterdrücken vermochte — und das Mißverhältniß der Aufklä-
47 auf individuelle Einsichten und Strebungen gründen, er
zielt wird,
ist Treibhausfrucht,
die
nur einzeln und
meist mit nutzloser Aufopferung der Wenigen, von und an
denen sie gefördert wird, benden Gewinn vermöge
der
selten zum wahren «nd blei
des Ganzen gedeiht,
dagegen
sich
ja nicht selten
hervorthuenden
die mißlichsten Rückschritte zur Folge hat.
aber auch,
Antipathie
Oft genug
daß dem Staate das Entgegengesetzte belie
ben kann, nämlich hemmend in den Gang der Cultur
oder mindestens in die Aeußerungen
der Geistes- und
Gemüthsthätigkeit unter dem Volke einzugreifen.
Bei
weitem nicht immer wird man das mißbilligen dürfen. Es können so excentrische und zugleich so unmittelbar
das Leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse anfech tende, die allgemeine Ordnung gefährdende Meinungen in Umlauf gebracht werden; es können auf dem Gebiete
der Kunst, der Wissenschaft, der Religion, des geselligen Umganges sich so. abentheuerliche,
so sittenverderbliche,
so ruhestörende Erscheinungen hervorthun,
daß eine ge
wissenhafte Regierung selbst um des Volkes willen da von Kenntniß zu nehmen und ihnen entgegenzuwirken, sich nicht entbrechen darf;
und wer mag ihr auch die
Besorgnisse wegen der Verletzungen, die der Staatsma schine von daher, nicht ohne zuletzt vom Volke selbst schmerzlich gefühlt zu werden,
drohen,
verübeln? —
rung einiger gebildeter und erleuchteter Männer zu der Dunkelheit,
die noch in den Köpfen der großen Masse des spanischen Volks herrscht,
wird eine
durchaus
populäre Regierungsform
schwerlich sobald aufkommen lassen.
daselbst
Auf die bedeutendsten Hem
mungen ist bei solchem Bestreben Joseph II. und noch neuerlichst der König von Holland in Belgien gestoßen.
48 Nur daß es nicht bloße sogenannte Staatsraison und noch weniger persönliches Mißfallen einzelner Staatsbe
amten sey,
was sich als Grund der Gegenwirkung wi
Opinionum commen-
der solche Uli befug nisse ankündigt!
ta deiet dies,
das bleibt so lange geltend,
als es der
Wahrheit überlassen ist, sich selbst frei zu vertreten, und den Antagonismus
widersprechender Meinungen,
das
Gleichgewicht, worin sich die Wahrheit offenbaret, her-
vorzubringen.
Thut ihr aber mehr, als über das Ver
kehrte und Verderbliche,
was sich auf dem genannten
Gebiete hervorthut, dem Volke die Augen zu öffnen und ordnungswidrige Aeußerungen, die von daher drohen, zu
beschränken; wollt ihr eure Ansichten, und wenn sie die lauterste Wahrheit enthielten, dem Publicum aufnöthigen:
weil sie die eurigen sind,
so sehet zu, daß ihr nicht
der Tollheit eine Burg bauet,
hinter der sich ihre Par
tisane nun desto unbezwinglicher verschanzen, oder eine
Menge Schlupfwinkel
bereitet,
in
denen der Wider
spruchsgeist die Uebelgesinnten, um insgeheim über Ver derben zu brüten,
vereinigt.
Und meint ihr vollends,
weil beim Ringen des Volksgcistes nach Licht und Selbst thätigkeit,
Verirrungen nicht außenbleibcn können ;
meint ihr namentlich,
ja
weil bei freien Aeußerungen der
geistigen Kraft im Volke despotische Willkühr sich un umgänglich beschränkt sehen muß, individuelles und all gemeines Votkswohl nicht ferner roh und rauh dem aus
persönlichem Gesichtspunkte sixirten Staatsintcrcsse auf geopfert werden
vor
dem
kann;
Volke ewig
freier Geistesaufschwung
so müsse Licht und Wahrheit
hinter dem
Scheffel
gehalten,
ihm immerwährend verweigert
werden: o mit den Fesseln, die ihr dem Volke schmiedet,
49 bereitet ihr eben die furchtbarsten Ausbrüche einer alle
Schranken durchbrechenden
Ausgelassenheit,
eines vor
nichts Scheu tragenden Freiheitsschivindels und Neue rungstriebes vor; und indem ihr euch, unter dem heuch
lerischen Vorwande, des Staates Heil zu sichern, nicht
entblödet,
die heiligsten Rechte der Menschheit und des
Volkes mit Füßen zu treten, legt ihr es wie auf euern
so auf des
eigenen und euren Verbündeten Untergang,
Staates Zerrüttung und Verderben an;
sey es,
daß
unter periodischem Wechsel der Personen Fürsten - Will-
kühr, Maitreffen-und Günstlingslaune, Ministerdespotis mus, Büreaukratie, Staatsdienerarroganz,
Militärin
solenz, Psaffen- und Junkerthum, das Land fortdauernd
belasten und den Staat um alle Kraft, die ihm in des Volkes unverkümmertcm,
namentlich geistigem Leben bereit sein
sollte, betrügen, oder daß in dem Gährungsproceffe, Revo lution genannt, das zum Fieberparoxismus hinaufgetrie
bene Volksleben statt der verbrauchten, vielleicht nur gemißbrauchten und an sich wohl noch keinesweges unbrauch
baren Staatsform auf gut Glück mit einer neuen das Experiment macht,
dessen Kosten Staat und Volk zu
weilen mit ihrer Existenz bezahlen müssen. Summa: ihr könnt dem Volke nichts erhalten,
nichts geben,
nichts
nehmen, ohne sein Interesse, sein Heil, und also zuletzt
seinen Willen, (der ein,
und zwar gesundes, kräftiges,
mithin freies Leben in ihm voraussetzt,)
jur Basis eu
rer Unternehmungen und Veranstaltungen zu machen.
8. 2. In der genauesten Verbindung,
in dem innigsten
Wechsclvcrhaltniffe müssen den so eben aufgestellten und
4
50
rote der Verfasser glauben darf, aus Erfahrung und Geschichte sowohl als aus der Natur der Sache bekräf tigten Ansichten zu Folge Staat und Volk gegen einan der stehen. Aber eben deswegen können sie nicht eins seyn, ob sie sich wohl zu einem Ganzen, das nicht leicht treffender, als mit dem Namen, gemeines Wesen— res publica —- bezeichnet werden kann, vereinigen müs sen. Denn wie schon logisch eine Verbindung nicht an ders denkbar ist, als zwischen zwei wesentlich unterschie denen und unterscheidbaren Subjecten: so ist sie factisch hier nicht statthaft, wenn Staat und Volk auf die Weise eins sind, daß sie in einander aufgehen, daß sie jedes etwas Eigenes für sich zu seyn aufhören; als womit es ganz unstreitig um Alles, wozu sie einander unentbehr lich sind, geschehen seyn würde. Nur in dem Zustande der Wildheit oder höchstens der Barbarei, der keine Re genten, sondern bloß für den Moment erwählte Häupt linge kennt, oder in demjenigen, wo hoch entwickelte Kräfte sich ohne Zaum und Regel neben einander gel tend machen, um sich unter einander aufzureiben — ein Wesen, das in die Dauer unausbleiblich zur Barbarei zurückführt — kann der Staat im Volke aufge hen. Möglich wohl, in dem einen wie in dem andern Falle, daß bei Reactionen gegen äußere Anfechtungen eine solche der reinen Ochlokratie hingegebene Menschen masse sich nicht nur, wie eine Zeit lang die Athenienser nach Perikles, unbesiegt, sondern sogar, rote die Neufran ken unter Danton, Robespierre rc. siegreich erobernd, zertrümmernd behauptet: möglich, daß auch im Innern aus dem da und dort her aufgeregte« Volkswillen man ches an sich Gedeihliche und dem bürgerlichen Leben För-
51
derliche, ja selbst manche kraftvolle Hervorbringung hö herer und edlerer Humanität im Gebiete der Intelligenz, der Kunst rc. (doch meistens nur, wo die bisherigen Fortschritte der Cultur den Stoff dazu schon vorbereitet haben,) geboren, gepflegt und gestaltet wird! Aber nicht möglich, daß ein zusammenhängendes Ganze gemein schaftlicher Ordnung, Tugend und Wohlfahrt, wovon zwar das Volk den Zweck ausmacht, wozu es den Stoff und die Mittel darreichen muß, anders, als unter Auf sicht und Leitung des Staates, der eben das Einigungs-, das Form gebende Princip ist, gedeihe. Auch ist, was wir in solchen Zeiten der vorherrschenden Ochlokratie von dem Allen noch gedeihen sehen, gleichwohl das Werk des Staates, dessen sich die, die während längerer oder kürzerer Zeit das Volk beherrschen, oder mittelst deren in diesen Zeitpunkten das Volk herrschet, als Organs bedienen") müssen, und immer, wiewohl nie dauernd und ohne desselben innere Zerrüttung, zu bedienen gewußt haben. Umgekehrt aber ist es, wie §. 1. aus den vornehm sten hier in Betracht kommenden Gesichtspunkten darge legt worden, eben so wenig statthaft, daß das Volk im Staat aufgehe, d. h. ein für sich bestehendes und sich geltend machendes Princip zu seyn aufhöre, oder was es in seinen so höchst mannichfaltigen Bestandtheilen ist, bezielt, wirkt, genießt und erträgt, bloß um des Staa tes willen und alle seine eigenthümlichen, zunächst dem Staate fremden Zwecke verläugnend, sey, wirke, genieße *) Man denke an das comitd de swrete' und de salut unter dem neufränkischen National - Conyent. 4*
52 und trage, oder endlich bei völlig passiver Hingebung an
des Staates ihm vielleicht völlig fremde Zwecke,
von
einigen wenigen ihm, (dem Volke,) eigenthümlich über lassenen Angelegenheiten den Staat durchaus gar keine
Kenntniß nehmen sehe.
Wollten wir behaupten, daß es
unter solcher Voraussetzung um die Existenz des Volkes und das Bestehen des Staates geschehen sey, so würde
man uns nicht mit Unrecht die Beispiele von Sparta
und von Venedig entgegen halten, deren ersteres 700, und deren letzteres sogar an 1000 Jahre lang
gewiß
keine unmerkwürdige Analogie —) bestanden hat und zu
letzt, wenigstens nicht unmittelbar wegen der Colliston zwischen Staat und Volk,
sondern durch Erschütterun
gen von außen her zu Grunde gegangen ist.
Zweierlei
aber ist in diesem Falle gedenklich und Beides von der Beschaffenheit, daß uns wohl Niemand zumuthrn wird,
einem solchen Wesen angehören zu wollen.
Entweder
der Volksgeist nimmt, wie in Sparta, oder wir einiger maßen zuletzt unter Napoleon in Frankreich, auch guten
Theils bei den Römern, eine solche Richtung,
daß ihm
der Staat mit Verlaugnung jeder andern Rücksicht als
letzter,
höchster,
alleiniger Zweck gilt und das Volk
selbst keinen andern Enthusiasmus kennt,
als sich ihm
zu opfern. Dann gute Nacht jedem Aufstreben zum Hö-
hern, Edler», rein Menschlichen;
dann weg selbst mit
dem, was dem Leben Reiz und Anmuth giebt, der sinnvollern Empfänglichkeit dafür,
mit je
mit aller vielsei
tigen Regsamkeit und Entwickelung menschlicher Kräfte. Les Francois sont agriculteurs et soldats, sprach Napo
leon, da man ihm einwandte, daß bei der Durchführung seines Systems Kunstfleiß und Handel zu Grunde gehen
müßten: und weiter auf her von ihm beschrittenen Bahn
fortgeführt ,
mehr und mehr in die Gewohnheit einge
weiht, sich an fremden Tischen zu sättigen und sich von fremdem Raube zu mästen, dürften seine Franjosen, ob gleich ursprünglich zu etwas ganz anderm organistrt, es den Spartanern in der Entfremdung von aller Cultur und von
allen friedlichen Geschäfften des bürgerlichen Lebens wohl noch haben gleich thun lernen.
Krieg und Unterdrückung
aller Widerstrebenden bleibt das alleinige Element derer, die sich für das System,
was das Volk im Staate aufge
hen läßt, aufrichtig interessirt fühlen und wie die Schrift von Ismael sagt, seine Hand werde gegen jedermanns
und jedermanns Hand gegen ihn stehen*), so wird es — daure das Spiel auch,
so lange es wolle—zuletzt
nicht fehlen, daß es sich mit der Unterdrückung der Un terdrücker cpbigU:
Der entgegengesetzte Fall ist der, von
dem uns Venedig das Beispiel aufstellt, daß die Staats
maschinerie,
yom Volke blinde Abhängigkeit fordernd,
den Geist desselben,
für sich zu erwärmen und zu ge
winnen, nicht geeignet ist, ja vielleicht nicht einmal her
Mühe werth findet.
Unausbleiblich würden sich die Un
tergebenen nach gerade hier zum Aufruhr und zur Zer
trümmerung des alle Existenz des Volks ignorircnden
Regiments gereizt finden,
wenn letzteres nicht auch in
anderer Absicht von jenem ignorirt,
d. h. der höchsten
Zügellosigkeit her Sitten im Privatleben überlassen und
von jeder Aufsicht in allen für den Menschen an sich
wichtigen Angelegenheiten so gut als gänzlich entbunden würde.
Ja man will wissen,
*) 1 Mose 16, 12.
daß ein recht systemati-
54 scher Despotismus, der jedes freie, den Staat bezielende Wort mit Verbannung, Kerker, Martern und Tod zu ahnden bereit ist, die schmutzigsten Ausschweifungen nicht nur zu dulden, sondern selbst zu begünstigen, kein Be denken trägt, um desto gemächlicher alle Anwandlungen des politischen Volkslebens darin zu ersäufen, um von erschlafften Weichlingen, Pie er befehligt, keine Reaxtionen befürchten zu dürfen. Wer muß aber nicht die erste dieser Voraussetzungen für so bedenklich, die zweite für so scheußlich erkennen, daß daraus das Ergebniß her vorgeht: so soll das Verhältniß zwischen Staat und Volk nicht seyn; es soll weder dieses in jenem, noch je ner in diesem aufgehen.
§. 3. Mer wo ist nun das zu finden, was die Verbin dung zwischen Staat und Volk so vermittelt, daß keines dem andern aufgeopfert wird, beide in ihrer Wesenheit geschützt werden, beide einander energisch doch nicht feind selig das Gleichgewicht haltend, ein wohl verbundenes Ganze bilden? Wo anders als in gewissen Grund sätzen des Wirkens und Gegenwirkens, über die Staat und Volk einverstanden und zu deren Auf rechthaltung von beiden Stellvertreter bevollmächtigt sind, die sich in seinen verschiedenen Behörden bis zum Re genten Hinauf beim Staate von selbst verstehen, dem Volke aber, frei, jedoch ebenfalls nach festgestellten Re geln aus seiner Mitte zu wählen, überlassen werden *) *) Rec. hat den Grund des konstitutionellen Regierens nie darin gesucht, „daß die Staatsbürger ihre Regierung hareeliren" —
55 müssen. Sträubt euch nun, wie ihr wollt: ihr habt hier
keinen
andern Stützpunkt,
als eine beiderseitig
anerkannte, gebilligte und billigungswerthe
worin der Mechanismus festgestellt ist,
Verfassung,
der die beiden Correiata Staat und Volk dergestalt im
Gleichgewichte hält, daß daraus das Eine und Ganze, beide gleich innig und
beiden gleich nahe Angehörende,
wesentlich in sich Fassende und mit sich selbst Einigende
— gemeines Wesen, res publica genannt — resultiren kann; und ihr habt für die Verfassung,
von
welcher Art sie auch seyn und an dieser oder jener Stelle paffend gefunden werden möge, keine andere Sicherstel
lung, als indem ihr dem Volke sowohl als dem Staate
Vertreter gönnet,
die über die
Handhabung dessen,
Aufrechthaltung
und
was beiden gleich wichtig und un
entbehrlich ist, wachen und ohne deren einstimmigen Wil
len in der einmal, schreitender
wiewohl nicht ohne Vorbehalt fort
angenommenen
Verbesserung,
nichts geändert werden darf,
dieser Verfassung die
ja
Verfassung
die beiderseits von
ersten Bestandtheile,
die Träger
und Grundpfeiler ausmachen.
So ist es: und alle Ausflüchte gegen beide Maaß regeln sind so lange für nichts zu achten, als man nicht
(Worte Benzenbergs —) sondern „ in der Mitwirkung der Gilt: „sichtsvollern
nicht
Ofstcianten
seyenden
Staatsbürger
bei der
„Gesetzgebung, in der Sicherstellung aller Staatsbürger unter dem
„Gesetze und in der alleinigen Verpflichtung der öffentlichen Be„amten zum Gesetze," — Duplik des Recensenten in der I. A. L. Z. auf eine Antikritik Benzenbergs wegen seines Buchs über Preußens
1821.
Geldhaushalt und
neues Steuersystem,
Int. Bl. 8.
56 den Zweck selbst,
zu welchem hier das einzige Mittel
Gleichgewicht zwischen Staat und Volk
bereitet ist,
durch, wohl
organistrtes,
gesundes und
mithin freies
Leben beider —> frevelhafter Weise für nichts zu erklären wagt. Hiergegen wird nun eingewendet:
„der Buchstabe
tödtet; der Geist allein macht lebendig.
Was helfen alle
noch so künstlich geformten Verfassungen, wenn nicht
Einsicht und guter Wille der darüber Waltenden sie zum allgemeinen Besten handhabt? Setzt ihr aber solche Ein sicht und solchen guten Willen voraus:
warum sollte
nicht ein geistvoller und redlich gesinnter Regent zusammt seinem dirigirendcn Minister oder letzterer qn der Stelle
von jenem ohne
alles in einer Constitutions-Urkunde
enthaltene Formular so gut,
ja weit besser der Mann
des Volkes seyn, die Bedürfnisse desselben berathen, dem wahren Volkswillen gemäß regieren und ein gedeihliches
Volksleben fördern können,
als alle Parlamente und
Volksabgeordncte, dem Staatsrathe gegenüber, die in
ihrer Opposition gegen die Regierung, wo es ihnen ge lingt, das Uebergewicht zu erhalten, nichts anders, als
entschiedene Zerrüttung der Staatsmaschine herbeiführen; und,
sind sie von der Regierung der Mehrzahl nach ge
wonnen, unter dem Schutze von einigen Formalitäten, ohne Scheu das Volksintereffe an jene verrathen wer
den
Und wie viele Hemmungen, welche allenthal
ben, wo man sich auf Constitution und Volksrepräsen
tation etwas zu Gute thut,
in den Gang der öffentli
chen Angelegenheiten gebracht werden! sonderheit die Kräfte des Staates
Wie werden in
nach außenhin da
durch gelähmet, wie auch im Innern an ihrer Entwicke-
57 lung, die doch am Ende nichts Anders als Entwickelung der Volkskraft selbst ist, gehindert I Wo wäre die Geschichte eines Cyrus, Peter des ersten, Friederich des zweiten, Katha rina der zweiten, wenn ihnen Verfassungen, wie man sie der malen fodert, und Volksvertretungen gegenüber gestanden, wo die der Hohenstauffen, Ludwig des Heiligen, Richelieus, Heinrich des IV., Karl des V. rc., wenn sie sich solcher Fesseln nicht zu entledigen gewußt hätten? Was soll jede Staatsform anders, als dem Momente, den Zeit- und Ortsbedürfniffen dienen; und wie kann sie das, wenn sie in den Schnürleib der Charte, des Buch stabens, eingezwängt ist, wenn sie sich nicht unablässig mach dem Betriebe der Einsichtigsten, was nur die Re gierenden selbst seyn können, jenen Zwecken gemäß, modificirt? Oder wollt ihr, das Letztere soll nicht anders, als unter Genehmigung und Mitwirkung von Volksver tretern geschehen: so wißt ihr in jedem Augenblicke we niger als je, was ihr für eine Verfassung habt, und kommt, wie euch Athen, Rom von Marius, bis auf August und Frankreich von 1789 bis auf den heutigen Tag lehren, nie aus dem stündlichen Wechsel der Ver fassungen, d. h. nie ans dem erfreulichen Zustande der Revolution heraus."------- Antwort: Zugegeben von dem Allen Vieles; hinzugefügt übcrdem: es hat noch nie ein? fehlerfreie Staatsconstitution gegeben und wich dergleichen niemals geben — und selbst eine absolut voll kommene wird nie vor der Gefahr sicher seyn, untren oder ungeschickt gehandhabt zn werden: dennoch ist da mit gegen wahrhaft gute Constitutione», gegen den we sentlichen Vorzug wohlconstituirter Staate» vor nicht coustituirtcn, gegen die unabweisliche Aufgabe der zu
58 —
höherer Cultur aufstrebenden Menschheit, ihre Staats vereine auf tüchtige, dem Volkes- wie dem Staatsle ben zusagende Verfassungen zu gründen, dem gemäß aber uns allerdings für's erste sich immer besser über die Er fordernisse ihrer Tüchtigkeit zu verständigen, nichts Gül tiges gesagt. Im Grunde kommt die ganze Frage, ob es Staats constitutionen und Vertreter derselben von Seiten des Volks sowohl als des Staates geben solle, mit der, ob man, wo Menschen vereinigt leben, eine Rechtsgesetzgebung, positi ves Recht, und für Aufrechthaltung und Auslegung desselben verantwortliche Richter brauche, auf eins hin aus. Niemand wird längnen, daß die Bescheide eines aus dem Stegreife Recht sprechenden Richters vom un tersten Dorfschulzen an bis zum Könige selbst, wenn der wie vormals ip letzter Instanz zu Gericht säße, der Grundidee des Rechts und dem Bedürfnisse des Augen blickes zuweilen angemessener seyn können, als ei» recht liches Erkenntniß von Gesctzgelehrten aus einem öffent lich promulgirten, niedergeschriebenen und in eine Art systematischer Ordnung gebrachten Landrechte. Wollen wir es aber deswegen darauf ankommen lassen, in tau send andern Fällen, der Untyiffenheit, der verkehrten An sicht, der Willkühr und der Leidenschaften derer, die uns Recht sprechen, ausgesetzt, nie vor Widersprüchen früherer und späterer Bescheide sicher, nie der Form, in welcher wir unser Recht zu suchen haben, nie der Regel, nach welcher wir es entschieden sehen, gewiß zu seyn, nie auf Vervollkommnung der Gesetze mit Zuverlässigkeit rechnen, höchstens dießfqlls Einiges von zufälliger Ge wohnheit und allmähtig sich bildendem Gerichtsgebrauche
59
erwarten zu dürfen? Don selbst ergiebt sich die Anwen dung hiervon auf die Normen, an die das Volks - und Staatsleben gewiesen und durch welche das Verhältniß zwischen beiden geregelt werden muß, d. h. auf bestimmt festzusetzende Staats- und Volksverfaffungen. Dankt es der Vorsehung, wenn sie je zuweilen große und gute Menschen hervorrief, welche so gut und besser als es irgend eine Verfassung, hie doch immer nur durch den Geist, der sie handhabt, in Wirksamkeit treten und nie im voraus allen vorkommenden Bedürf nissen angemessen seyn wird, vorschreiben kann, regierten, selbst unter der Idee, zu handeln, wie man es allge mein verfassungsmäßig wünschen müsse, regierten! Aber verkennet auch ihren Wink nicht, daß die Ausführung jener Idee, weit entfernt, ein Geschenk zu bleiben, was besondere Länder und Zeiten zufällig dem guten Willen Einzelner verdanken, vielmehr als ein Recht, das der gesammten, in mehrere Volks- und Staatsverbindungen gegliederten Menschheit gebührt, zu betrachte» seyn und ein Gemeingut für alle Zeiten werde» soll. Verkennet ihre Weisheit nicht, die, indem sie solche Auserwählte in der Fülle derjenigen Macht, welche einem große» Ge danken und einem edeln Willen für bestimmte Momente Wirklichkeit zu geben vermochte, nur als seltene Erschei nungen hervortreten ließ, das Bedürfniß fühlbar gemacht hat, daß die bestimmt apsgesprochene, aus subjektive» Gränzen in das objective Gebiet hinübergeführte, zur allgemeine» Geltung erhobene Idee einer angemessenen und dem Volksleben zusagenden Staatsverfaffung auch für Machthaber von beschränkterem Geiste leitend und von minder reinem Willen hier nöthigend, dort be-
60 schränkend weichen möchte. Verkennt demnach die Ver dienste derjenigen nicht, die, gleichviel, ob ans dem Schauplatze politischer Thätigkeit selbst mitwirkend, oder nur entfernte, darum aber desto ruhigere und unbefange nere Zuschauer derselben, die allgemeinen Erfordernisse guter Landesverfassungen klarer ins Licht gesetzt und auf die dabei zum Grunde liegenden Principien mit edelm Ernst hingewieftn.haben / damit gegen die Obliegenheit, sich danach zu richten, keine Ausflucht bleiben möchte. Verkennet endlich die Gefahr nicht, welcher so Regenten als Völker bloßgestellt bleiben, so lange durch kein Grunde gcsetz des Staates mit einiger Bestimmtheit fcstgestellt ist, wessen sie gegenseitig sich zu versehen und in welcher Form sie ihre Ansprüche an einander geltend zu machen haben! Denn wer schützt die Völker gegen die gröbsten Unbilden, gegen die verderblichsten Verkehrtheiten, welche bösartige oder schwachsinnige, von schlimmen Führern berathene Herrscher ihnen anthun, wenn diese durch kein Gesetz an Rücksichten auf ihre Ansprüche und Bedürfnisse gebunden sind und nicht durch gesetzlich Bevollmächtigte daran er innert werden dürfen? Und umgekehrt; wer kann auch den weisestem und besten Regenten einen Augenblick, für ihre persönliche Sicherheit gut seyn, wenn das Volk sich an keine gesetzliche und gesetzlich verbürgte Norm, wie es seine Ansprüche und Bedürfnisse geltend machen darf und soll, gewiesen sieht, und Rottenhäupter ohne andere Aufforderung und Bcfugniß, als die des augenblicklichen Anlasses und des Privateigennutzcs, vielleicht an der ^itze des von der Regierung ausschließend als Organ ihrer Willkühr betrachteten Heeres selbst sich zu Aus legern davon aufwerfeu? wie denn eben im Schooße
61 deS entschiedenste« Despotismus dergleichen gewaltsamer Regeütenwechsel zu den alltäglichen, kaum «och einiger Aufm«ksamkeit gewürdigten Vorkommnissen gehört. Er kläre man sich nun die Gewähr, die Beydes, Staat und Volk, unter solchen Umständen für ihre Wohlfahrt und selbst für ihre Existenz finden! Wahr unstreitig, daß ihr schnelles Emporkommen und ihre rasche Ver größerung in dem Maaße, wie da, wo ein kräftig be sonnener Wille ohne constitutionelle Schranken oder mit Niedettretung derselben despotisch waltet, in constitionell organistrten und unter Mitwirkung von Volksvertretern verwalteten Staaten nie von Statten gehen kann. Wahr aber auch eben so unfehlbar, daß alles dem Staate wie dem Volke Zuträgliche Und Staat und Volk zu einem Gemeinwesen Einigende hier weit sicherer reift und weit unverletzter dauert, dort schnell hervorgetrieben, eben so schneller Zerstörung, ja überhaupt dem Wechsel der schnei dendsten Widersprüche bloßgestellt ist. Ihr sprecht von Cyrus Großthaten und was ihm das Perservolk, das er zur eigenthümlichen Existenz hervorgerufen, verdanke! Habt ihr sein Ende und des Volkes durch seinen letzten unbesonnenen Heereszug herbeigeführte Bedrangniß, habt ihr den Verfall und Umsturz jenes gesammtcn Staates nach einer nicht gar langen Rcgentcnreihe, habt ihr die kein Menschenalter lange Dauer des vom Macedonicr Alexander aus aller Art Trümmern gleich einem Sand berge vom Samum zusammengewehten Weltreiches, habt ihr die schnelle Zerstörung dessen, was die Weisheit von vier trefflichen Regenten aufgebauet hatte, nach Marcus Aurelius Hintritte, habt ihr die tollen, obwohl zum Theil aus guter Absicht verübten Gewaltthätigkeiten des
62 russischen Paul vergessen, und würde von dem Allen wohl,
wo eine tüchtige Verfassung obgewaltet und für ihre Dauer einige Gewahr gehabt hatte, etwas zu vernehmen gewesen seyn? würde des Guten und Trefflichen,
Preußens Friedrich
geordnet
und zu Stande
was
gebracht
hat, so viel zu Grunde gegangen, würde der Geist, der
von ihm aufgeregt war, so schnell verdunstet seyn, wenn eine umfassendere, in das Volksleben tiefer eingreifende
Constitution das Antheil des von ihm regierten Staa tes, der unter ihm selbst dann auch wohl manche Ver kehrtheit in seiner äußern sowohl als innern Verwaltung
nicht erfahren hätte, gewesen wäre? Verderblichste,
schlimmer — in ist das,
In der That: das
wo Constitutionen fehlen oder — noch ihrer Würde beeinträchtigt
werden,
daß sich der Volksgeist da nimmer in dem
Maaße reinigen, veredeln, einigen kann, um dem Leben
des Volkes den Schwung und dem Willen des Volkes die Richtung zu geben,
die es der regierenden Behörde
des Staates auch nur möglich machte,
Beides mit ei
niger Bestimmtheit und mit einigem Erfolge zu berück
sichtigen;
daß vielmehr jener Geist in dergleichen Ver
hältnissen dem äußersten Widersprüche mit sich selbst, der
größten Ausartung und Derderbniß Preis gegeben ist, Beides, Staat und Volk, wechselseitig an ihrer Zerrüttung
und ihrem Untergange
arbeiten.
Reihe von Herrschern allerdings,
Eine
nichtswürdige
die im Wechsel mit
wenigen bessern von Commodus bis Romulus Augustulus das weströmische und bis zu Mahommed dem lf.
das oströmische Reich zu Grunde richteten.
Aber laßt
es uns nicht Hehl haben: das Volk, was sie beherrsch ten , das wenigstens zunächst um ihren Thron den Volks-
kern bildete, war noch schlechter. Prätorianer und ähn liche Rotten waren es, die wir als seine Stimmführer vernehmen; sie, die die wahre Volksstimme nicht laut werden ließen; sie, aus deren Schooße die Verworfensten, die ihnen zusagten, zum Throne befördert wurden, um ihn sofort wieder mit dem Kerker, der Blendung, dem Tode zu vertauschen; sie, die, wo eine heilig geachtete und unter Beitritt des Volkes vertretene Verfassung vor handen gewesen wäre, des Volkes Sinn und Leben nim mer in dem Maaße würden haben verderben und läh men können, das sich uns bis zum zweiten Punischen Kriege unter entgegengesetzten Bedingungen in einem völlig entgegengesetzten Lichte zeigt. Daß es Umstände geben kann, die eine volksmäßige und dem Volksleben zusagende Constituirung eines Staa tes bedeutend erschweren; daß die Aufgabe da am schwie rigsten wird, wo viele vielleicht zerstückelt belegene Lan destheile und Volksstämme unter demselben Scepter ver einigt einen Staat bilden sollen, wird Niemand läugnen und eines solchen Staates mißliche Lage Niemand ver kennen. Was ist aber, das eben ihn dringender, auf die Weise, wie es ihm möglich ist, sich zu constituircn auf fordern kann, als das Bedenkliche seiner Lage, in der ihm nichts anders, denn die Anhänglichkeit seiner Zubehörigen, denn die Einheit und Kraft des in ihm wal tenden Volksgeisteö für die Sicherheit seiner Existenz ei nige Gewähr leisten kann, auch gewiß für sich allein weit kräftiger leisten wird, als alle den Namen der Hei ligkeit an der Stirn tragende Bündnisse? Und gesetzt, Herkommen, Landesart, Verträge, Ungleichheit der Volksbildung machten für die verschiedenen Provinzen
eines dergleichen Staates besondere Verfassungen und Arten der Verwaltung unter Beitritte ihrer Volksreprä sentanten nothwendig: warum sollte nicht ein Ausschuß aus diesen sämmtlichen, in ihren verschiedenen Wirkungs kreisen thätigen Repräsentanten den Kern der Volksver tretung der obersten Staatsbehörde gegenüber bilden, der die Gesetzgebung und Amvendung den Rechten und Be dürfnissen der besondern Staatstheile gemäß leitete, dann aber auch, nicht minder das Ganze der Staatsverwal tung volksmäßig berathen hülfe? Ja wie ist es mög lich, sich die hierbei eintretenden Schwierigkeiten so unübersteiglich vorzustellen; da es im Grunde keinen mit Umsicht und gutem Willen constituirten Staat von ei nigem Umfange und einiger Ungleichheit seiner Bestand theile geben kann, in dem sie nicht hätten überstiegen werden müssen, in dem nicht täglich für besondere Orte, Bezirke und Volksclaffen sehr verschiedene Bedürfnisse, über welche Niemand bessere Auskunft geben kann, als die von daher zur Volksvertretung Abgeordneten, zu berathen vorkämen.
§. 4.
So viel über die Unentbehrlichkeit fester unverletz licher, obwohl nicht für unverbesserlich geachteter Consti tutionen ♦), wo dem Volke ein freies, gesundes und ge*) Wer auch nur diesem Begriffe und dem Worte,
zur Bezeichnung dient,
so gram ist,
von seinem Arzte zu hören, den möchte man fragen,
bas ihm
daß es ihn sogar verdrießt,
er selbst habe eine gute Constitution,
ob es überhaupt irgend einen, allenfalls
auch gar schlecht eingerichteten Staat ohne alle Constitution geben
könne und ob, wenn es einen solchen gäbe', derselbige nicht der Uhr
deihliches Leben in seinem Verhältnisse zum Staate ge sichert seyn und wo der letztere unter seinen regierenden Behörden,
von Volksbewegungen unbeeinträchtigt, die
Schirm - und
Förderungsanstalt
Statten kommenden,
alles
dem Volke zu
seinem Willen vernünftiger Weise
angemessenen Guten bleiben soll.
Auf die Hauptfrage,
wie und nach welchen Principien dergleichen Verfassun
gen festgestellt,
erhalten und der Vollkommenheit näher
gebracht werden sollen, antworten wir ohne Umschweif:
Geschichte,
Erfahrung und Herkommen auf der einen
und allgemeine Vernunftbegriffe auf der andern Seite,
Realismus und Idealismus müssen sich gleichmäßig in
dieß Geschäfft theilen und es ist wirklich einmal Zeit, daß der widersinnige Antagonismus zwischen beiden, wie
in jeder Art menschlicher Veranstaltungen und Maaßre geln, so namentlich in dieser wichtigen und hochheiligen
Angelegenheit, aufhöre.
benen,
Auf die Verfassung eines gege
im Fortgänge der Zeit zu diesem Umfange und
Kraftmaaße gediehenen Staates,
von dieser Landesbe-
schaffenhcit, in dieser Stellung zu andern Staaten und
auf die Zusammenstimmung derselben zu den Bedürfnis sen und Ansprüchen eines eben
durch diese Schicksale
gegangenen, aus diesen Stämmen bestehenden, auf die ser Stufe der Bildung und des Wohlstandes befindlichen
Volkes ist es allenthalben abgesehen: wie kann die Idee anders als unter Berücksichtigung alles dessen ins Leben treten?
Wie kann es eine vernunftmäßige, nicht phan-
eines Knaben, sonder alles Triebwerk gleichen würde, deren Be sitzer die Zeit daran nicht lesen, sondern sie bloß nach Gutdünken selbst machen kann?
66 tastische Idee von Staatsverfaffung für Menschen geben,
die nicht auf Angemessenheit zu dem Allen abzielt? Wie wird, da nicht ein Menschen-Individuum dem andern völlig gleicht, ob sie wohl mit wenigen Ausnahmen dem
allgemeinen Menschentypus sämmtlich entsprechen,
eine
einzige in allen ihren Bestandtheilen und Modificationcn
sich allenthalben gleiche Form und Verfassung für alle
Staaten-Individuen Statt haben können?
Andererseits
aber wird sich eben so wenig läugnen lassen,
gewisse
allgemeine
Verwirklichung
Voraussetzungen gebe,
überhaupt gar nicht
daß es
ohne deren
von der Existenz
eines Staates, geschweige denn von dem Gedanken, der Verfassung desselben die
möglichste Vollkommenheit zu
ertheilen, die Rede seyn kann, daß wir also, wenn unsere Staaten nicht reines Produkt des Zufalls seyn, wenn sie nicht allen gemeinschaftlichen Charakter und allen ver
nünftigen Zweck verläugnen sollen, von dem Antheile der Idee an ihrer Gründung, Gestaltung, Befestigung und
Vervollkommnung unmöglich loskommen?
Ja wie an
ders, als unter der Herrschaft der Idee, d. h. der Vor stellung dessen, was an und für sich und für den gege benen Fall vernünftiger Weise als das Beste zu betrach
ten ist, wird von den Materialien,
welche Geschichte,
Erfahrung und Herkommen zur Construction und Erhal tung eines Staates darbieten,
den können?
Gebrauch gemacht wer
Und wenn allenthalben der Fortgang un
sres Geschlechtes zu höherer intcllectueller und morali scher Vollkommenheit nach
dem
Maaße,
in welchem
Vernunft das Acußere, Zufällige, Gegebene ihren Zwek-
ken zu unterwerfe» und angemessen zu ordnen weiß, ge schätzt werden darf:
wie sollte cs sich denn, wenn von
67 Gründung neuer und von bestimmterer verbesserter Ge
staltung alter Staatsycrfassungen die Rede ist,
anders
verhalten; wie nicht auch hier das Gegebene, das Her kömmliche sich allmählig mehr und mehr— (sprungweise
wäre offenbar selbst vernunftwidrig —) allgemein gülti
gen Vernunftbegriffen und unwandelbaren Vernunftzwekken fügen müssen? Za wie gewiß ist nicht allen Erschei nungen des Weltlaufcs zu Folge abzusehen, daß es im
Fortgänge der Dinge alles Sträubens von Egoismus, Eigensinn und Willkühr dagegen ungeachtet, unumgäng
lich mehr und mehr so kommen muß!
Mag demnach
die jähe Zertrümmerung eines alten und der eben so jähe Aufbau eines neuen Staatsgebäudes bei allem rationel len Vorwande baarer Unsinn gewesen seyn: nicht gerin
gerer Unsinn würde es doch nun seyn, das alte irratio nale Herkommen, das ein volles Menschenalter hindurch
Herkommen zu seyn aufgehört hat, zur abermaligen Ba sis
von
Aenderungen
und
neuen
Staatsverfaffung zu machen,
Gestaltungen
einer
d. h. d5ese nach dem ge
genwärtigen Standpunkte der Dinge in eine völlige Un
verfassung umzuwandeln! §.
5.
Eine mißliche Frage ist endlich noch die, Wem bei
Gründung neuer oder Umgestaltung,
Verbesserung und
Sicherstellung alter Verfassungen die Initiative gebühre
und auch vorzüglich zusage?
An sich,
— wird man wohl einräumen
Behörde,
oder a priori
müssen — derjenigen
von welcher die erste Anregung,
die oberste
Leitung und Beaufsichtigung aller das gemeine Wesen angehenden Angelegenheiten von Rechtswegen ausgehen
5 *
68 sollte, dem Staate und seinem Beherrscher.
Und Heil
den Ländern, wo man das begriffen, wo man den Zeit
geist und die Volksansprüche von Seiten der Regierun
gen in dem Maaße verstanden hat, um, wie es jawohl nicht anders seyn kann und seyn darf,
gewissenhafter
und einsichtsvoller
mit Zuziehung
Volksvertreter,
Staate eine solche Verfassung zu geben,
welche,
dem den
Volksbedürfnissen entsprechend und das Gedeihen eines durch weise Gesetze geregelten Volkslebens fördernd, der regierenden Gewalt zugleich Kraft, Ansehen und Wirksam
keit sichert!
Nur daß es sich leider der Erfahrung zu
Folge mit wenigen Ausnahmen,
wo Verfassungen zu
Stande kamen und noch kommen, gerade umgekehrt ver hält,
diese vom Volksgeiste und dessen Organen
Regenten
abgedrungen,
aufgenöthigt
den
werden mußten.
Schlimm genug, wo es so gekommen ist, und freilich nicht zu verkennen,
daß Regierungen,
die es dahin kommen
ließen, ihren Egoismus, ihre herrschsüchtige Leidenschaft oder ihre Passivität und Unentschlossenheit mit Lähmung ihrer der allgemeinen Ordnung und
dem Staatswohl
so unentbehrlichen Kraft büßen müssen;
indem nun der
nicht löblichere Volksegoismus und die Herrschsucht der Partheienhäupter ihre überwiegende Kraft gegen sie gel tend machen,
auch wohl aus höchst gegründetem Miß
trauen, obschon eben so zweckwidrig, selbst von den bes
ser denkenden
Urhebern solcher
mittelst Revolution
zu
Stande kommender Verfassungen die Schranken um die Staatsbehörden deshalb so enge gezogen werden, damit aller Versuch um sich greifender Anmaaßungen unmöglich gemacht werde.
schlimm,
Schlimm genug das;
doch nicht so
daß es nicht allmählig in ein besseres Gleis
69 kommen könnte und der Natur der Sache nach, wie Englands
uns
Beispiel
bekräftigt,
— und bei weitem nicht so schlimm,
kommen
müßte
als wenn die
Regenten ihr abgenöthigtes Wort entweder mit offen
barer,
vielleicht von fremder Macht unterstützter Ge
walt,
oder durch geheimes Anspinnen von Gegenrevo
lution brechen.
Denn wie? darf das Volk vom Herr
scher für Eid und Verbindlichkeit, auch wo sie beschrän
kend und lästig sind, nicht dieselbe Achtung fodcrn, wo
zu es von ihm in Anspruch genommen wird? oder ist der Besitz einer Krone einen Meineid
nicht beim Fürsten,
werth?
Stand
sie unter Bedingungen,
es
die ihre
Würde unausbleiblich untergraben und ihren heilsamen
Gebrauch unmöglich machen, ist nicht,
gefehlt hat, das,
von sich zu weisen,
und
wenn hierzu die erforderliche Entschlossenheit
das einzige noch zulässige Auskunftmittel
den Weg der ganz geraden Ehrlichkeit zu gehen
und es bei der nun einmal erzwungenen konstitutionellen
Passivität darauf ankommen zu lassen,
daß die Noth
des Staates und mittelbar zuverlässig auch des Volks selbst die ungeschickten Staatskünstler von ihrem Rech-
nungsfehlcr belehre und diese nun selbst die Regierung, ihre Zügel straffer zu fassen,
berechtigen?
dagegen bei
offenbaren oder geheimen Machinationen des Fürsten ge gen die eingegangene Verbindlichkeit ein Bruch des ge
genseitigen Zutrauens, ein mehr oder weniger offenbarer
und blutiger Krieg*) der regierenden Gewalt mit den Volksvertretern unvermeidlich ist,
*) Das Alles
und bevor Alles zu
ist mehrere Jahre vor dem letzten Sturze der
Bourbons in Frankreich geschrieben.
70 Ordnung und Gleichgewicht zurückkehrt, Zerstörung des
gemeine» Wesens
vollendet
meisten Regenten
Kaum ist übrigens den trauen,
nicht selten die
schon
selbst
ist.
zuzu
daß ihnen das Einleuchtende dieses Zusammen
hanges entgehen oder daß er von ihnen so unbeachtet
bleiben würde, wenn fie die Bedürfnisse, die Ansprüche, das Leben des Volkes mehr aus eigener Anschauung,
als durch die von Günstlingen, Ministern, Priestern und dem
Adel
hohen
ihnen
vorgehaltenen
Brillen
kennen
lernten, und wenn nicht für diese der Reiz unterdrücken der Privilegien
so
anziehend,
das Glück
despotischer
Willkühr so groß,
die Seligkeit des Alleinregierens so
unentbehrlich wäre,
daß das wahre Interesse des Re
genten dagegen in keinen Betracht gezogen, nicht selten dieser
wird;
allen
Gefahren
empörter Volkswuch
bloßgestellt
wogegen er um seiner Rettung willen auch nicht
selten sie der ochlokratischen Erbitterung zum Opfer oder einem Ausschuß von Richtern,
im voraus entschieden ist,
muß.
bei denen ihr Schicksal
zur Derurtheilung überlasse»
Was ist die Fabel der Alten von der Caffandra
doch anders,
als eine Allegorie auf die Geschichte und
auf das, was ihre Belehrungen zu allen Zeiten zu wir
ken pflegen?
Fünftes Kapitel. Wie aus des Volkes Jnnermheraus düs Leben
desselben sich bilden müsse und könne. Sofort als wir den Begriff Volk in schärfcrn Um rissen und bestimmterer Abgeschlossenheit faßten und ihm
in letzterer den eines eigenthümlichen Lebens beigeselltcn,
70 Ordnung und Gleichgewicht zurückkehrt, Zerstörung des
gemeine» Wesens
vollendet
meisten Regenten
Kaum ist übrigens den trauen,
nicht selten die
schon
selbst
ist.
zuzu
daß ihnen das Einleuchtende dieses Zusammen
hanges entgehen oder daß er von ihnen so unbeachtet
bleiben würde, wenn fie die Bedürfnisse, die Ansprüche, das Leben des Volkes mehr aus eigener Anschauung,
als durch die von Günstlingen, Ministern, Priestern und dem
Adel
hohen
ihnen
vorgehaltenen
Brillen
kennen
lernten, und wenn nicht für diese der Reiz unterdrücken der Privilegien
so
anziehend,
das Glück
despotischer
Willkühr so groß,
die Seligkeit des Alleinregierens so
unentbehrlich wäre,
daß das wahre Interesse des Re
genten dagegen in keinen Betracht gezogen, nicht selten dieser
wird;
allen
Gefahren
empörter Volkswuch
bloßgestellt
wogegen er um seiner Rettung willen auch nicht
selten sie der ochlokratischen Erbitterung zum Opfer oder einem Ausschuß von Richtern,
im voraus entschieden ist,
muß.
bei denen ihr Schicksal
zur Derurtheilung überlasse»
Was ist die Fabel der Alten von der Caffandra
doch anders,
als eine Allegorie auf die Geschichte und
auf das, was ihre Belehrungen zu allen Zeiten zu wir
ken pflegen?
Fünftes Kapitel. Wie aus des Volkes Jnnermheraus düs Leben
desselben sich bilden müsse und könne. Sofort als wir den Begriff Volk in schärfcrn Um rissen und bestimmterer Abgeschlossenheit faßten und ihm
in letzterer den eines eigenthümlichen Lebens beigeselltcn,
71 bat er mit dem Begriffe Staat, durch welchen eben feine Abgeschlossenheit sein für sich Bestehen, als eines Individuellen und Ganzen bewirkt und begränzt ward, in Verbindung, in Gegensatz, ja sogar in unausbleiblichen Conflict treten müssen, der nicht anders ausgeglichen und wobei die Regsamkeit des Volkslebens nicht anders gerettet werden konnte, als wiefern eine gewisse, beiden dem Volke wie dem Staate, gleichmäßig zusagende Verfassung des letzter» als Grundlage des zwischen beiden bestehen den Verhältnisses festgestellt und durch Volksvertreter so gut wie durch Staatsbehörden aufrecht erhalten ward. Wollen wir nun aber die fortdauernde und der Idee entsprechende Existenz des Volkslebens eben unter diesen Bedingungen und auf dieser Grundlage begreifen und für gesichert achten können: so müssen wir zu den ur sprünglich am Volk und dessen Leben sich offenbarenden Erscheinungen, jedoch unter steter Beziehung auf die in unsern bisherigen Betrachtungen festgestellten Gesichts punkte zurückgehen. Das Volk als ein Ganzes, wie fern es einem Staate angehört und wiefern ein Staat ihm angehört, soll seiner selbst wahrnehmen, d. h. zuse hen und schaffen, daß sein Gesammtintereffe und das Interesse der vereinigt ihm angehörigen Individuen, wie beides rechtlichen Bedingungen gemäß ist, immer der Zweck sowohl der innern als der äußern Staatsverwal tung bleibe, die letztere durch jenes in ihren Maaßregeln bedingt werde. Das mit allen hier in Betracht kom menden und oben wiederholt dargelegten Rücksichten ist die höchste Stufe, de,r eigentliche Mittelpunkt seines Le bens. In gebührender Ordnung und so, daß es nicht theils sich selbst zerrütte, theils auf die Zerstörung des
72 Staates hinarbeite, kann indessen, wie wir gesehen ha ben, auf dieser Stufe das Volksleben zunächst und un mittelbar sich nicht anders als mittelst verfassungsmä
ßiger Vertretung äußern.
Wird es nun aber,
dahin
sublimert und dazu concentrirt, seinen Namen behaupten, wird es etwas mehr als bloß Scheinbares (fabulaeque
manee) seyn,
wenn nicht die Masse des Volkes der
Heerd und der Brennstoff bleibt, von woraus die in jene
Spitze auslavfende und nach jenem Ziele hinwirkende Flamme fortwährend ohne Bilder: selbst,
ihre Nahrung
wird das Volk,
empfängt?
oder
unbekümmert um sich
die Sorge für seine Rechte
und Angelegenhei
ten nur seinen verfassungsmäßigen Vertretern überlasse« können und dürfen?
Nein! diese sind nur etwas, wie
fern sie Männer des Volkes sind und in dem sich selbst und seine Zwecke und seine Schranken richtig erkennen
den und beachtenden Volksgeiste handeln; und das Volk selbst ist nur etwas, wiefern in ihm Gefühl seiner eigen
thümlichen Existenz, Sinn für seine Rechte, seine Ehre,
seine Bedürfnisse sowohl seinen Regierungsbehörden,
ja
seinen eigenen Vertretern als auswärtigen Völkern und Staaten gegenüber,
mit einem Worte politischer Sinn
vorhanden ist, der diesen Vertretern und Bevollmächtig
ten zur Triebfeder und Richtschnur ihres Wirkens und Gegenwirkens dienen kann.
Das setzt aber voraus, daß
das Volksleben nach seiner primitiven Bedeutung sich in möglichst ungestörter Regsamkeit befinde, das heißt, daß
abgesehen von allen politischen, ja überhaupt von allen ir gend bestimmten Zwecken,
eine möglichst ungezwungene
und ungehemmte Willkühr gegenseitiger öffentlicher Mit theilung zwischen den sämmtlichen Dolksangehörigen Statt
73 habe. Also nicht aller Orten sogleich der Schnürleib der Polizei zusammt den ihr vorangehenden Verboten und den ihr nachhinkcnden Strafen bei der Hand, wo das vielköpfige Wesen, Volk genannt, fich geltend und, wie es nun einmal nicht anders kann, sich auch laut macht! So wenig um des Staates, ja um des Vol kes selbst willen alle Ausgelassenheiten, die hier vorkom men, geduldet werden müssen: so wenig wird die Sorge, Verletzungen des individuellen Rechts, Störniffe der öf fentlichen Ordnung und Sicherheit, ja wie billig auch grobe Anstöße gegen die Sittlichkeit vom öffentlichen Le ben entfernt zu halten, bis zu einem solchen Zwange, der allen dergleichen Unfug physisch unmöglich macht, dagegen aber die moralische Unmöglichkeit desselben ganz unbeachtet läßt, also bis zur Unterdrückung des öffent lichen Lebens selbst gehen dürfen. Behaupten wir in dessen, daß aus dem Innern des Volkes selbst, sein Le ben sich bilden solle, so nehmen wir das begreiflicher Weise in keinem andern Sinne, als da Statt hat, wo von Erziehung des einzelnen Menschen die Rede ist. Es leidet keinen Zweifel, daß sie dann am besten von Stat ten geht, wann der Zögling sich selbst zieht, daß eben nichts anders als das für ihre höchste Vollkommenheit zeugt, daß, wo sich hiervon durchaus gar nichts spüren laßt, ihr Zweck für gänzlich verfehle zu achten ist. Eben so ausgemacht bleibt aber auch das, daß Trieb und Leitung, sich aus sich selbst gcsetz- und zweckmäßig zu entwickeln, da wo diese Entwickelung noch erst erfolgen soll, und wo überdem manuichfaltige Störnisse und An fechtungen derselben zu befürchten sind, von außen her nicht fehlen darf. Sein eigener Erzieher zum gesunden,
74 kernhaften, dabei aber geordneten und gegen die Gefahr der Selbstzerstörung gesicherten Leben,
genthümlich wünschen,
das wir ihm ei
wird also das Volk,
ihm Erziehung Noth thut,
während
für sich allein nicht werden
können, und da ihm diese wegen so viel roher Bestand
theile, die ihm auch,
nachdem es zu einer merklichen
Bildungsstufe fortgeschritten bleiben,
ist,
unablässig zugemischt
immerfort Noth thun wird,
der Führer und
Aufseher, die sich, um in ihm ein gedeihliches Leben zu
gestalten, seiner annehmen,
nimmer entrathen können.
Hier treten wir nun den Fragen entgegen:
1) Wer
soll die Erziehung des Volkes anregen,
be
aufsichtigen und bis zu dem Punkte, wo sie sich aus ihm selbst fördert, leiten? 2) zu wel chem Endzwecke und 3) nach welchen Princi
pien —? — Fragen, nach deren Beantwortung wir dann mit sicherem Schritte zur Darstellung eines Volks
lebens in seiner harmonisch abgeschlossenen Idee — endlich aber zur Erforschung des Wesent lichsten,
was auf das Volksleben eine nähere oder
entferntere Beziehung hat, worin es sich offenbaret, was
seine Regsamkeit hemmt oder fördert, und thue es dieß
oder jenes, dasselbe seiner Idee näher bringt oder davon entfernt, fortgehen können.
§. Des
1.
Volks Erzieher.
Sie sind nicht, wie die des Individuums, der Zeit
nach früher, als dieses, dagewescn; sie gehören mittel
bar und unmittelbar dem Volke selbst an und sind mit wenigen,
keiner besondern Berücksichtigung bedürftigen
75 Ausnahmen aus ihm selbst hervorgegangen.
Sie aber
sind es, in denen, der Voraussetzung nach, die Idee ei ner Erziehung des Volkes zum normalen und gesunden Leben zuerst und früher als sich von diesem denken läßt,
hervorgekeimt ist und die man demnach vor irgend An dern für berufen und geschickt, chen, wird achten dürfen.
jene Idee zu verwirkli
Wo sonst als unter denen,
die den Staat regieren und unter den Gebildeten des Volks, seyen es nun solche,
die einst auf Staatsämter
Anspruch machen oder eigenthümlich des Volks Angele
genheiten vorgesetzt sind und dasselbe gegen die Staats behörden vertreten, wird man sie zu suchen haben? Dort:
um durch Disciplin,
so weit es für den Staatszweck
nöthig ist oder ihnen nöthig scheint, das Volk zu zügeln — hier:
um ihm zur fortschreitenden Bildung und zu
nehmendem Wohlstände gegen die Anmaaßungen einer ihre Gränzen
überschreitenden Disciplin
seine
freie Beweg
lichkeit zu erhalten, dann aber auch durch sie, diese Zucht
selbst, es vor innern Aufreibungen zu sichern» wir uns freilich einen solchen
Ursprung des
Denken gemeinen
Wesens oder einen solchen Uebergang desselben in einen
geordneten Zustand,
wie ihn uns Mythus oder histori
sche Tradition bei den Griechen von Autochthonen,
die
nicht länger rechtlos und unsicher in ungezügelter Wild
heit neben einander hinleben wollten, oder von neu aus gesandten Colonien schildern: so wird begreiflicher Weise,
weil Volk und Staat so eben erst entstehen und noch so gut als völlig eins sind, hier alles seinem Ursprünge
und seiner Grundlage nach, gänzlich ungeschicden seyn
und fürs erste ohne die Idee einer nöthigen und mögli chen Trennung auch vielleicht auf längere Frist hinaus-
76 bleiben.
Minos, Theseus,
Solon,
Zalenkus,
Lykurg,
Moses, Drakon,
Charoudas und welche Gesetzgeber
das frühe Alterthum uns nennt — für Volk und Staat und in des Volkes sowohl als in des Staates Namen
haben sie zugleich gewirkt und an des Volkes Entwil-
derung,
an seiner Bildung zum geordneten Leben und
Erhaltung in demselben gearbeitet.
Hiermit stimmt auch
der Charakter jener Gesetzgebungen selbst überein.
Sie
beschränkend sich durchaus nicht auf das, was der Bür
ger dem Staate oder was er seines Gleichen als Staats angehörigen um des Staates willen negativ und positiv schuldig ist, beziehen sich vielfältig auf Gegenstände, die
den Staat wenig oder gar nicht, wohl aber das eigen
thümliche Leben des Volkes und des Individuums un ter dem Volke angehen und enthalten bei weitem mehr
einen Sittencodex, als was man etwa gegenwärtig von
dergleichen erwarten dürfte, Rechtsgesetzen.
eine bloße Sammlung von
Deutlich genug zeigen sich hiervon die
Spuren selbst in dem noch heutiges Tages wenigstens subsidiarisch gültigen römischen, deutschen und sogenann ten gemeinen Rechte, vornehmlich was Gerichtsgebrauch
und förmliches Recht anlangt.
Wie hätte es auch zur
Zeit des Entstehens jener frühesten Gesetzgebungen,
wo
Staat und Volk noch so gänzlich in einander aufgingen
anders
und gemeinschaftlich ihre Existenz begründeten, seyn können,
ja Behufs beider anders seyn dürfen?
Wie laßt sich selbst noch heutiges Tages da, wie unlängst in Südamerika,
wo sich,
durch Losreißen der Co
lonien von der Regierung und de» äußerlichen Dcrhält-
niffen ihres Mutterlandes neue Staaten bilden,
näm
lich wo Klugheit und Tapferkeit eines Einzelnen dazu
77 den Anstoß giebt und dabei das Beste thut, etwas An deres, als dem Analoges erwarten? Der Unternehmer und Vollfiihrer des Werkes ist wenigstens auf der ersten Strecke seiner Laufbahn in gleichem Grade der Mann des Volkes, wie des Staates, der sich so eben unter jenem und für jenes bildet; und eine Menge von Insti tutionen, mit denen er das Werk einer neuen Gesetzgebnng beginnt oder unter seinen Augen beginnen laßt, werden nicht minder die Aufregung und Erziehung des Volks zum eigenthümlichen kräftigen Leben, als die äu ßere Sicherheit und innere Ordnung des Staates zum Zielpunkte nehmen müssen. Anders verhält es sich in dem größten Theile un serer so eben jetzt bestehenden und an der allgemeinen Civilisation des Zeitalters irgend einigen Antheil neh menden Staaten, sey es nun in ihnen bereits zu einer bestimmten Constitution gediehen, oder werde diese noch erst erwartet und sey sie bis jetzt nur dunkel im Her kommen und einer Art gebräuchlichem Mechanismus vor ausgesetzt. Wie viel oder wie wenig auch die Staats behörde sich für das Volk interessirt; aus wie hohem oder niedrigem Gesichtspunkte sie das ihm eigenthümli che Leben, das sie auf keinen Fall ganz unterdrücken kann, betrachtet; wie weite oder wie enge Gränzen, sie ihm einräumt; wie großes oder geringes Interesse sie ihm an ihren eigenthümlichen Angelegenheiten zu nehmen und zu offenbaren gestattet: für sich selbst und durch von ihr angestellte Beamte wird sie mit dem Geschaffte, des Volkes Leben zu leiten und zu ordnen, geschweige, denn es zu erziehen, und zu veredeln nimmer zu Stande kommen, sondern die Werkzeuge, die Tonangeber dazu
78 flch unter dem Volke selbst,
in der Mitte des eigentli
chen Bürgerthums suchen und diesen dabei das Hauptge-
schäfft überlassen müssen, was diese freilich auch nur un ter dem Schutze des Staates und im Einverständnisse mit ihm ohne desselben Gefährde zu treiben im Stande
Hat nun namentlich eine vernünftige der Zeit und
sind.
Oertlichkeit
angemessene
die
Constitution
zwischen Staat und Volk gebührend geregelt
Verhältnisse und beide
in eine ihnen gegenseitig gedeihliche Berührung gebracht: so werden Staatsbehörden und Volksvertreter nicht nur
kein wichtigeres, sondern auch kein erfreulicheres und in
Wahrheit gemüthlicheres Geschäfft kennen, als sich über
der
alles
möglichst besten Verfassung des Volkslebens
Förderliche zu verständigen und in der Mitwirkung dazu,
vornehmlich aber in dem Zwecke, wozu das Volk erzogen
und in ihm ein eigenthümliches Leben erregt und erhal zu vereinigen, und so haben wir denn
te» werden soll,
vor allen Dingen 2.
8.
nach dem Endzwecke, wozu das Volk erzogen werden soll, zu fragen.
Worte
Humanität
nennen
dürfen,
wird man ihn mit
ein
Gehalt und weitem Umfange,
am
sichersten
und
dem wir auf die
keit
und
Begriff
einem
wichtigem
den wir uns vielleicht
fruchtbarsten
hauptsächlichsten
Abgeschlossenheit
von
davon
verdeutlichen, in
in
ihrer Einseitig
abweichenden
Ten
denzen nicht nur des Geistes der Regierungen, sondern
des Volksgcistes selbst Panem
von
et
jeher
Häupter,
unsere
circenses —
nicht
nur
Aufmerksamkeit
mit dieser Maaßregel
Demokraten -
richten.
haben
und Aristokraten -
sondern auch Alleinherrscher sinnlich reizbare,
79 mehr dem Genusse und der Schaulust ergebene, als zur Industrie geneigte Völker nach ihren Zwecken zu leiten gesucht. — Hat das nun und sowohl bei den erstem als meistentheils bei den letztem die Haupttendenz, daß das Volk um jene Zwecke sich gar nicht bekümmern und von Staatsangelegenheiten und Verwaltung keine Kenntniß nehmen soll, und gelingt es damit in dem Maaße, daß, sich gut und wohlfeil, ja wo es seyn kann, umsonst satt zu essen und zu trinken und von einem Spectakel und Sinnenkitzel zum andern zu rennen, für männiglich die Hauptsorge, den eigentlichen Charakter des Volkslebens ausmacht: so ist bei alle« übrigen schönen Eigenschaften eines so geleiteten und in eine solche Weise eingewohnten Volkes für die Fortschritte seiner Intelli genz und höhern Cultur, so wie für die Stufe der Ach tung, die es auswärts finden wird, etwas Vorzügliches wohl nicht zu hoffen. Nicht verkümmern soll man ihm eine frohe Lebensbehaglichkeit, wohl aber daß sie ihm nicht das Höchste, was es kennt und anstrebt, bleibe, wünschen. Zu bemerken ist übrigens hierbei noch das, daß sich hier Alles in steter Wechselwirkung dreht. Ist im Volke wenig Beweglichkeit und Rührbarkeit für die Angelegenheiten des gemeinen Wesens, bei desto mehr materieller Genußlust und Bedürftigkeit: so nimmt seine Regierung, wie sie fast nicht anders kann, den so eben bezeichneten Charakter an — und — hat sie denselben, ist sie darin eingewohnt: so wird ihr wahrscheinlich nichts mehr am Herzen liegen, als ihrer eigenen Bequemlichkeit halber das Volk in dieser behaglich passiven Verfassung zu erhalten. Mit dem Namen der großen Nation wollte sich vor
80 einigen Jahrzchcndcn das fränkische Volk im Ransche sei ner Siege ausschließend bezeichnet wissen: und dieses Volkes Leben schien eine Zeitlang in dem alleinigen Stre ben immer iveiter um sich greifender und Alles unterjo chender Vergrößerung aufzugehen. So, materiell, durch rastloses Vorrücken seiner Gränzen; so, geistiger Weise, durch Aufnöthigen seiner Gesetze, seiner Einrichtungen, seines Geschmackes, seiner Sitten allenthalben, wo mit ihm die mindeste Berührung, was eben so viel hieß, als die lästigste Abhängigkeit von ihm Statt fand. Vom Volksgeiste hatte Napoleon dieß Princip geerbt und durch ihn war es fortdauernd Volksgeist, Princip des Volks lebens, worin sich ein neues und schlimmeres Römerthum, als man je eins gekannt hatte, angekündigt fand, geworden und geblieben. Heil dem ohnedies schon hin reichend mächtigen und reich begabten Volke, daß es zur Nüchternheit zurückgekehrt und von einer Verirrung zu rückgekommen ist, wobei es Alles außer sich hätte zer trümmern und zuletzt unausbleiblich sich selbst unter die sen Trümmern hätte begraben sehen müssen! Unmöglich kann Volkscrziehung den Zweck haben, dem Volksleben diese Richtung zu geben. Unmöglich kann das Volk sich für diese Richtung dem Staate zu opfern und dieser es so zur eigenen Zerstörung zu mißbrauchen bestimmt seyn. Nicht besser, vielmehr für das Ganze des Charak ters noch verderblicher finden wir's, wo das Uebcrgewicht der Nation, nicht sowohl an Landesumfang, Volks masse und gesetzgebendem Ansehen, als vielmehr an Reich thum, der sich durch erzwungenes Monopol die ganze Welt zinsbar zu machen und zu erhalten weiß, den Geist des Volkes und seines Lebens aufregt, modificirt und
81 sich unterthäuig macht.
Denn wie groß auch immer die
durch alle Volksclaffen und Individuen verbreitete Rührig keit, Betriebsamkeit und Thatkraft seyn mag—wovon schon
früher Holland und noch früher Genua, Venedig und die
Hansa und im Alterthume Phönicien und Karthago zum Belege dienen können — und mit welchem Eifer, mit
welcher Consequenz und für das gemeine Wesen sich auf
opfernden Beharrlichkeit auch Staatsmänner da das an genommene System durchsetzen und wie brauchbare Werk
zeuge sie auch ohne Mühe für ihre Maaßregeln finden
mögen: virtus post nummos, wird doch immer das Grund princip bleiben, von dem Alles ausgrht und dem jeder,
wenn nicht im eigenen, doch in des gemeinen Wesens ver
meintlichem Interesse zustrebt. wird Alles
gewogen,
nach
Nach seinem Geldpreise mercantilischen Rücksichten
jeder Schritt, wie in der Politik, so im Privatleben ge
schätzt werden;
und wenn sich der Charakter eines er
oberungssüchtigen Volkes, so sehr man seine gewaltthä-
tige Zudringlichkeit haßt und fürchtet, denen,
die ihn Haffen,
dem nichts lieb ist,
doch selbst von
durch Züge eines Heroismus,
als was er mit Gewalt durchsetzt,
nicht selten Bewunderung erzwingt: so nimmt das poli
tische System des Kramer- und Monopolistengeistes da
gegen in der Regel bei seinen Reactionen zu einer oft an wirkliche Infamie gränzenden") Hinterlist,welche nur tiefe Verachtung und, weil sie dem nachbarlichen Wohl
stände insgeheim alle Wurzeln abzugraben trachtet, zu-
*) Dabei
wird
übrigens nicht geläugnet,
daß auch unter
Völkern, die ein solcher Geist bezeichnet, in Zeitpunkten der Gefahr ein hohes Maaß kriegerischen Heldenmuthes vorkommen kann.
82 gleich den allcrbittersten Groll der Beeinträchtigten er zeugt,
gegen
Auch ist es rin gehäßiger und
seine Zuflucht.
fremde Wohlfahrt scheelsüchtiger Charakter,
der
sich den reichen und unternehmenden, und ein verschmitz
ter, niederträchtiger,
zu jeder Schlechtheit feilstehender,
der sich den geringen und dürftigen Volksklaffcn von dort
aus und auf diesem Wege mittheilt.
Wie sehr hätte
man doch dem englischen Volke Glück wünschen dürfen, wenn seinem Canning ei«, längeres Leben und dessen Hel fer« eine
längere Wirksamkeit
vergönnt gewesen wäre,
um es von jenem bösen Geiste,
der seinem ursprüngli
chen Charakter vielleicht fremd,
doch nur allzu sehr bei
ihm einheimisch geworden ist,
zu erlösen*)!
Unter
die Früchte, die wir diesem Geiste auch da,
wo er ur
sprünglich nicht einheimisch ist, verdanken,
gehört auch
das jetzt m den meisten nicht ganz unbedeutende» Staa
ten so hoch beliebte und treu geflegte Prohibitivsystem, dem man, eingedenk der Smuggel- und Defraudations künste, der Bestechlichkeit und des immerwährenden Kriegs der Regierung mit der Contrcbande,
wozu es in einem
furchtbaren Umfange Anlaß gegeben hat, lich wird »achsagen mögen,
wohl schwer
daß es auf Veredlung des
Volksgeistes und Volkslebens vortheilhaft wirke. *) Viel NM dazu des Landes
insularische Lage und, wie bei
so vielen Küstenvölkern, die Verweisung der Nation auf den Welt handel, noch mehr vielleicht die ungleiche Vertheilung des Grund
eigenthums beigetragen haben;
indem der Conflict einer exorbitant
reichen Aristokratie mit einer geistvollen und lebenskräftigen Volks masse ,
die letztere ihr Gegengewicht in pecuniärem Reichthum zu
suchen veranlaßt,
mithin Gelderwerb
als das wichtigste Geschäfft,
dem menschliche Kraft gewidmet werden könne, wöhnt hat.
zu betrachten ge
83
Gewiß indessen doch nicht schlimmer, als nicht fei« fett schon in Absicht auf beides von der Religion ge schehen ist «ad noch geschieht, je nachdem sie auf des Volkes Sitten und Gewähren wirkt und theils Hebel theils Zielpunkt seiner Erziehung wird. Daß wir sie uns hier, wo wir von Verkehrtheiten und Einseitigkeiten der letztem handeln, nicht nach ihrer reinen Idee und in der dieser zustrebenden Vollendung durch das ächte Chri stenthum denken, versteht sich von selbst. Nur von dem rein Statutarischen, was wir in den verschiedensten For men unter diesem Namen erblicken, ist hier ^die-Rede— und da liegt leider, doch in sehr ungleichem Grade und von gar verschiedenen Seiten, das Geständniß nicht weit: Quantum relligio potuit suadere malorum I — Noch ist ihr Einfluß kaum so schlimm, wo wir sie der Poli tik dienend finden, als wo die Politik ihr dienen muß; am allererträglichsten wohl noch und sogar da und dort manches Gute mit sich führend, wo sich für eine gewisse Form ihres Bekenntnisses und ihrer Uebung — mögen beiden auch manche Verkehrtheiten beigemischt seyn — freie, mit irgend einem Sectennamen bezeichnete Vereine bilden. Wie es um des Volkes Charakter, um die Würde seines Lebens, um die Fortschritte seiner In telligenz, um die Befestigung und Zunahme seines Wohl standes und seiner behaglichen Existenz, um die immit« ten desselben herrschende rechtliche und sittliche Ordnung, endlich selbst um ein erwünschtes Verhältniß desselben im Ganzen und von Seiten seiner einzelnen Zubehorigen zum Staate und dessen Machthabern da stehe, wo die Haupttendenz der Politik die ist, der Religion zu dienen, d. h. eine gewisse äußerliche Form derselben unerschüt6 *
84 terlich zu erhalten,
ihren Dienern und namentlich ihren
höher« Beamten mit der größten Fülle des Reichthums
und des Wohllebens zugleich die entscheidende Stimme bei allen wenigstens das Innere der Staatsverwaltung und das Volksleben angehenden Anordnungen zu sichern. Alles also dem Aristokratismus oder vielmehr Despo
tismus der Hierarchie zu unterwerfen: darüber bedarf es statt alles Raisonnements nur der ganz schlichten Ver weisung auf die neueste Geschichte Spaniens und Por
tugals und der bis ins Unglaubliche rückgängigen Be wegung,
worin
sich jene bejammernswürdigen Völker
dermalen befinden, nachdem sie sich während einer nicht ganz kurzen Epoche des 18ten Jahrhunderts unter ih
rem Karl III. und Joseph Emanuel ein wenig von der Selbstvernichtung und Landesverödung, zu der sie die
Inquisition und der Jesuitismus seit Jahrhunderten ge
führt hatten,
zu erholen im Begriff gewesen
Auch ist wohl kein Zweifel,
seiner Gesammtheit sich
waren.
daß das englische Volk in
auf einer
bei
weitem höher»
Stufe der allgemeinen und insbesondere der achten re ligiösen Cultur befinden würde,
wenn seine Episcopal-
kirche nicht ein so gar verfaultes und doch im Staate so hoch autorisirtes Wesen wäre, daß nicht selten mini
sterielle Operationen
und
Parlamentsbeschlüffe
darauf
hingearbeitet haben, ihr Ansehen als das der eigentlichen
Landeskirche zu stützen und die in ihr sanctionirten Miß
bräuche zu verewigen.
Allgemein bekannt aber ist es,
wie elend es eben in ihrem Gebiete um gewissenhafte Seelsorge und Verwaltung des Prcdigtamts, um Unter
weisung und Erziehung der Jugend in den ärmer» Volks
klaffen, um Bändigung der eben da so sehr einheimischen
85 Roheit und Sittenlosigkeit, um Bildung und Anstellung
geschickter Geistlichen zu untergeordneten Aemtern bestellt ist, und wie tief diese Gebrechen durch die Begünstigung,
die sie vom Staate genießt und durch die unter ihren Gliedern, vornehmlich den Geistlichen selbst, so sehr ge
hemmten Fortschritte zu Hellern theologischen Einsichten
Wurzel geschlagen haben.
Unglaublich sind auch auf
Anlaß ihrer Zudringlichkeit bis in ziemlich späte Zeiten hinab die Dissenters gedrückt und von aller Theilnahme
an Staatsämtern zurückgedrängt worden.
Und doch
haben eben sie «och am wesentlichsten für höhere Volks
bildung
gewirkt und würden noch bedeutend mehr ge
wirkt haben,
wenn sich nicht vermöge der von dort
ihnen entgegenstehenden Reaction unter
ihnen so
viel
Hang zur Schwärmerei hervorgethan und sie in so viel
heterogene Secten zerspalten hätte *).
Im Bezirk einer
jeden der letzter» giebt nun freilich das starre Festhalten
am Buchstaben gewisser Dogmen und Gebräuche als dem Abzeichen der Parthei nicht mehr als Alles;
was
denn unausbleiblich dem individuellen Leben sowohl als
der gestimmten Volkssitte einen Charakter von Einför
migkeit und Einseitigkeit ertheilt,
welcher der wahren
Humanität schwerlich entsprechend seyn
wird;
in dem
Falle aber, wo Fanatismus, Excentricität und eine zu letzt wohl allem gesunden Verstände
Hohn sprechende
Verkehrtheit das Ganze durchdringt,
nicht nur einen
*) Welche Zerrüttungen der Staat der vereinigten Niederlande
durch den Kampf der Gomaristen und Arminianer und durch das Anschlüßen jener an das oramsche Haus, um diese zu unterdrükken, erfahren hat, und wie der Volksgeist dadurch verderbt worden ist, darf gleichfalls als bekannt vorausgesetzt werden.
66 durchaus inhumanen, sondern auch völlig antisocialen
und der Staatsautorität verderblichen Charakter mit sich Unvergeßlich sind die Denkmale,
führt.
die sich der
letztere in den Tollheiten der Wiedertäufer und in dem
Verfahren der Puritaner gegen Karl Stuart den ersten gestiftet hat.
Kaum aber ist ebenfalls wohl zu glau
daß die Wirkungen einer das buchstäbliche Fest
ben,
halten an gewissen Formeln und die strmge Gebundenheit an gewisse Aeußerlichkeiten zur Hauptsache
Religionsgemeinschaft sätze
und
auf
Glauben,
Sitten ihrer Zugehörigen,
machende«
Leben,
Grund
dergleichen uns
von den Brüdergemeinden und aus Gembergs Nachrich-, ten über die schottische Nationalkirche von den Presby
terianern rücksichtlich ihrer Anhänglichkeit an athanasianische,
augustinifche,
nungen bekannt ist,
calvinische und
anselmische Mei
wie mancherlei auch darin Beifall
verdienen mag, irgend jemand andern, als der für jene
Dogmatik und jenes Ritual in voraus eingenommen ist, allgemein ansprechcn werden.
Zweierlei ist übrigens in
Ansehung dieser auf ein demokratisches Princip gegrün
deten religiösen Vereine, (in denen sich jedoch,
wie in
jeder andern Demokratie, ein höchst drückender Despotis
mus nicht selten fühlbar genug macht,) hauptsächlich zu bemerken.
Zuerst: daß sie das streng Ausfchließende und
nicht selten Ruhe Störende,
aber auch mit überwiegen
der Kraft auf Geist ihrer Angehörigen Einwirkende, was
man ihnen *)
beimißt,
vornehmlich im Kampfe mit
*) Auf die von der katholischen durch die Reformation ausge
schiedene evangelische Kirchenpartei im Allgemeinen leiden diese Be merkungen in sofern keine Anwendung,
als sie sich unter frühem
irgend einer herrschenden Kirche, die fle nicht aufkom men lassen will und im Streben sich unter ihrem Drucke empor zu ringen annehmen — und eben so zweitens: daß von jenem Allen das Meiste verschwindet in dem
Maaße, als jener Druck nachläßt, als man sie frei ge
währen läßt und sie sich offenkundiger, mithin auch un
gehinderter ausbreiten.
Eine laxere Observanz
bildet
sich da nach gerade der striktem gegenüber; inan begnügt sich, symbolisch zu deuten,
was vorher streng objectiv
genommen ward, und nähert, wie jetzt eine nicht gerin
ge Zahl von Presbyterianern beweiset,
sich mehr und
mehr der allgemeinen minder statutarischen Denkart der ganzen vernünftigen Welt, wobei es freilich an Reibun gen mit der strengern Gegenparthei, die dann auch wohl nicht immer mit Ungrund laxe Observanz in löblichen,
Sitten und Leben inniger berührenden Maximen vorwirft,
nicht fehlen wird. Noch wird man mich an ein Volksleben, das in
Schöpfungen der schönen Kunst und im Gennsse ihrer Werke den Mittelpunkt seines Interesse findet und vor
nehmlich durch einheimische Religions-Mythen seine An regung empfängt, erinnern und fragen, ob nicht eben zu
einem solchen das Volk hauptsächlich erzogen werden solle, damit für Humanität auf ihrer höchsten Stufe als er zogen betrachtet werden dürfe.
leuchtend genug,
Es ist aber wohl ein
daß nur wo mildes Klima,
wo eine
Ergiebigkeit des Bodens, die nie um nöthige Subsistenz
Beitritte mehrerer Fürsten und der Gesammtheit ihrer Völker von
der zuvor allein herrschenden Kirche getrennt hat und wo sie sich bleibend fest setzte, selbst zur herrschenden Kirche geworden ist.
— 68----verlegen werden läßt/ und ein bürgerliches Leben, aller Orten Sclaven dienend entgegen komme»/
dem
gefun
den wird/ hiervon die Rede seyn kann; auch ist wohl aus allen geschichtlichen Denkmalen so viel klar, daß der Be griff reiner Humanität und allseitig veredelter Menschheit darin allein» schlechterdings nicht für erschöpft anzuse-
hen ist.
Sollte es uns nun so viel Mühe machen/ den Be
griff dieser Humanität, zu der das Volk erzogen, in die sein Leben hinein gebildet werden soll, in seiner Totali tät zu gewinnen;
wenn wir ihn aus Allem,
bisher theils als Bedingung,
davon kennen gelernt haben, beschränkt werden kann,
was wir
theils als Bestandtheil
auf deren keines sie aber
ohne daß ihr Wesen dabei zu
Grunde geht, sich gestalten lassen? Helle Einsicht in die
wichtigste» Angelegenheiten, vornehmlich in die geselligen Verhältnisse und ihnen entsprechenden Pflichten und Rechte
des Menschen, ununterbrochen reges Streben nicht nur diese Einsichten zu erhalten,
weitern,
zu berichtigen und zu er
sondern vornehmlich Sitten und Betragen da
mit in durchgängige Uebereinstimmung zu bringen, Ehr
furcht vor Gott und vor jeder von ihm Zeugniß geben
den Offenbarung und innige Verknüpfung der Religion mit moralischer Rechtschaffenheit,
endlich moralisch ge
läutertes rind geleitetes Wohlgefallen an jeder Art von Darstellung des Schönen und Bemühen, die Darstellung
seiner selbst der Idee der Schönheit entsprechend, wenig stens nicht widersprechend hervortreten zu lassen — das
ist Humanität ihren wesentlichsten Bestandtheilen nach.
Und daß unter einem Volke nicht Bcttclarmuth und Ent fremdung der Masse von frohem Lebensgenüsse dem über-
89 mäßigen
Reichthum und der schwelgerischen Ueppigkeit
einiger Wenigen gegenüber stehen, sondern ein allenthalben verbreitetes und durch rege Betriebsamkeit erzeugtes behag
liches und lebensfrohes Daseyn obwalten, daß es nicht in erniedrigender Abhängigkeit von Fremden leben,
son
dern sich einer freien, kräftigen und von allen seines Gleichen geachteten Selbstständigkeit erstellen, dafür Sinn
haben und sie zu bewahren wissen müsse — das wird
man wohl als unumgängliche Bedingung davon, daß
unter ihm Humanität erzeugt und austecht erhalten wer de, ansehen,
in der harmonischen Verbindung der ge
nannten Bestandtheile und Bedingungen aber den Inbe griff aller Volkshumanität und aller rechten Bildung
dazu erkennen.
§.
3.
Principien der Volkserziehung.
1) Alle« andern voran steht die bekannte Grundre
gel:
„erst die Bedingung; dann das durch sie
Bedingte." Also 1)vor allenDingen erst essen und leben mit allem Zubehör eines leiblich erträglichen und wo möglich mehr als erträglichen Zustandes;
ehe
an Cultur der Humanität unter den dem Volke angehörcnden Individuen in höhcrm Sinne mit durchgreifen
dem Ernste gedacht werden kann! Erst jedem einiges Eigene und einige Lust am Eigenen; ehe ihm zu-
gemuthet wird, das Gebot, du sollst nicht stehlen, recht zu begreifen, zu halten und sich mit voller Aufrichtig
keit dafür zu interessiren!
Erst Sicherstellung auch
des Geringsten vor Willkühr und
Tyrannei
der Mächtigen, ehe der Aberglaube an einen despo-
90 tisch schaltenden Gott, dem frommen, mit Unterwerfung und Gehorsam verknüpften Glauben an einen
gerechten
und
weisen,
gütigen Welturheber und Wcltregenten
Platz machen und der Hierarchie und religiösen Verfolgungswuth das Garaus gemacht werden kann! Erst das Land aus Hayden und öden Wildnissen in la
chende Fruchtg ürten und Gefilde, in denen auch dem Aermsten eine Scholle, die er sein nennt, nicht fehlt, umgrschaffe«;
ehe er zum Wohlgefallen an irgend
einer Art Kunstwerken und zu eigenen Kunstschöpfungen aufgemuntert wird; ehe Kunstsinn und Liebe des Schö nen sich im Volke zu verbreiten die Aufforderung em pfangen!
Der Frohnbauer,
der seines Dynasten Park
unentgeltlich fegen und beim Baue
des , hochgräflichen
Schlosses um Gottes willen Handlangerdienste verrichten
muß, wird gewiß zu allerletzt die Schönheiten von beiden
auch nur ahnden, geschweige bewundern und außer dem Schaubcndache,
das
ihn
»othdürftig
vor
Unwettern
schützt, etwas Netteres hcrvorzubringen den Drang em pfinden; und dem Fabriksclaven, den sein Herr, der ihn
heute,
wo er sich noch von ihm mästet,
nothdürftig
füttert, morgen verhungern lassen kann, ist es ziemlich
gleichgültig, ob seine Kinder lesen und die zehn Gebote lernen oder nicht.
Sehr wirksam ist demnach gewiß von
der preußischen Regierung durch frcigegcbene Ablöslichkeit, der allen Volkswohlstand so hart drückenden Servituten jeder Art für fortschreitende Bildung des Volks zur Hu
manität gesorgt, und zwar in einem Gebiete, wo rasch
vorwärts Gehen oft weder möglich ist,
noch gut thut.
Denn vernichtet können freilich die Gerechtsame der Be
vorrechteten, ohne den Vorwurf des Unrechts von ihrer
91 Seite dulden zu müssen, ohne dem Gerechtigkeitsbegriffe und Gefühle in der gestimmten Volksmasse Gewalt an-
zuthun, endlich ohne eine große Menge von Dienstpflich
tigen und Leibeigenen fürs erste nahrlos zu machen, mit einem Schlage auch nicht werden. —
Woraus sich nun
freilich ergiebt, daß in solchem Faste die Bedingung auch wieder zum Bedingten werden kann.
Denn wäre in der
Dolksmasse die Intelligenz noch nicht so weit
vorge
schritten, daß der Leibeigene nicht lieber auf das Recht,
vom Junker kümmerlich ernährt werden zu müssen, Ver zicht leistete, als sich in der Freiheit eigenes Geschaffts und Erwerbs und eigener Erweiterung seines Wohlstan
des beschränkt sähe:
so würde alles Bemühen der Re
gierung, ihm zum letztem den Ausweg zu eröffnen, ver geblich seyn.
So unentbehrlich also zur Erfüllung des
Zweckes der Gebrauch der Mittel,
so nothwendig, daß
fürs erste ein Zweck gefaßt sey, um durch den Gebrauch
dazu aufgefundner tauglicher Mittel zu seiner Erfüllung
zu führen.
So dreht sich hier nun freilich Alles in ei
nem Cirkel, aus dem wir keinen Ausgang und für Auf
regung eines der ächten Humanität zustrebenden Volks
lebens kein Heil als unter der Voraussetzung erblicken, daß von edleren Naturen sowohl aus dem Kreise der
Herrschenden als des Volkes selbst jener Zweck begriffe« und im Namen der großen noch unmündigen Äolksmaffo, was um ihn zu erreichen erfordert wird, gesetzt,
das Volk zu einem Wohlstände,
in Bewegung der ihm für
höhere Bildung Interesse einflößt, hingeleitet, gleichen
Schritts aber auch durch erhöhte Geistescultur für ein
höheres Maaß des felbsterrungenen Wohlstandes die er forderliche Reift zu gewinnen angeregt und angeleitet werde.
92 Erst die Bedingung, dann das Bedingte,
also
2) erst
Selbstständigkeit
erhaltung, —
in seiner
Volks
stehenden thig,
dann
und
Stlbst-
Selbstveredlung
des
andern Völkern gegenüber
Individualität!
Nicht durchaus nö
Sprache,
daß ein einziges, durch Abstammung,
Gesetze und Gerechtsame vereinigtes und von
Sitten,
allen übrigen unterschiedenes Volk einem Staate und dieser Staat ihm angrhöre,
Bildung des
damit die
Volks zur Humanität durch die Selbstständigkeit dessel ben möglich gemacht werde.
Das kann auch da gesche
hen, wo mehrere Länder mit gänzlich verschiedenen Völ kern zu einem Staate verknüpft sind, wie Böhmen, Un
Dalmatien,
garn*),
Tyrol und Oestreich selbst unter
dem Oestreichischen, und eine Unzahl Völkerschaften der
verschiedensten Zungen
unter dem Russischen,
Wales,
Schottland, Irland unter dem Großbritannischen, Nor
wegen
unter
dem Schwedischen,
Elsaß,
Lothringen,
Flandern und Corstca unter dem Französischen rc.
Sehr
unvollkommen wird indessen, wie Ungarns und Irlands
Beispiel lehrt,
da für die Volksbildung gesorgt seyn,
wo das affiliirte Volk als ein Stiefkind behandelt, und
unter einem mit Selbstständigkeit gung zu den übrigen, bilden,
unverträglichen
schlechtesten da, genossenen
und ächter Vereini
die den eigentlichen Staatskern Drucke
gehalten
wird;
am
wo mit Vernichtung aller seiner zuvor
Selbstständigkeit
ein
kleineres
Volk
dem
größer», von dem es unterjocht ward und dem es durch *) Hier meistens ohne
vorhergegangenen Eroberungsproceß,
nach dem zum Sprichwort gewordenen Kanon: tu felix Austria nube! —
bella geraut alii,
93 Sitten und Sprache fremd war, fügt wird.
als Anhängsel beige
Wem schwebt hier nicht Polens, Italiens,
Corsica's rc. Bild vor Augen? mit Grauen der Zeit,
Wer gedenkt nicht noch
wo das napoleonische Frankreich
eine Parcelle Deutschlands nach der
seine
in so viele kleine
die unser gcsammtes,
gespaltenes Volk
Staaten
in
und wer mochte an den bedeutendsten
Provinz machte;
Rückschritten,
andern
ja es im Grunde ganz zu seiner
Polypenarme faßte,
in
Ansehung
des Ganzen,
was man unter dem Namen der Humanität begreift, bei
der Fortdauer dieses trostlosen Zustandes gemacht haben
müßte,
zweifeln?
Kaum daß Jahrhunderte das, was
mittelst solcher Katastrophen verloren geht, wieder auszugleichen vermögen; und nie werden sie, was das Volk an seiner Eigenthümlichkeit,
an seinem Ehrgefühl und
den daraus hervorgehenden Strebungen einbüßt, jemals nie die Spuren der Verwilderung und Ver
ersetzen,
schlechterung, die namentlich aus der empörten Stim
mung der Gedrückten und ihrem fruchtlosen Bemühen, ihr Joch abzuschütteln,
entsprangen,
vertilgen können.
Keine heiligere Pflicht also des Staats und seiner Be
herrscher,
als seine und des Volks Selbstständigkeit zu
bewahren und
gegen
äußere Anfechtungen
zu
retten!
Keine heiligere Pflicht des Volks, als den Staat hierin
zu unterstützen und ihre beiderseitige eigenthümliche Exi
stenz bis auf den letzten Mann zu behaupten!
Keine
nothwendigere Maaßregel mithin für schwächere Völker und Staaten,
als sich durch die innigste Verbindung
unter einander und das einmüthig behutsamste aber zu
gleich
unerschrockenste
Benehmen
gegen
übermächtige
Nachbarn wider alle ihre Existenz bedrohende Zudringlich-
04 feiten stets in wehrhaftem Zustande zu erhalten.
Auch
hier aber bedingt sich das eine und das andere wechsel
seitig:
das Volk muß selbstständig existiren und seiner
fortdauernden Existenz sicher seyn,
um zu höherer Hu
manität geleitet werden, zu ihr sich selbst bilden zu kön
nen : es wird sich aber um so gewisser bei seiner Selbst ständigkeit zu behaupten streben und zu behaupten wissen,
je weiter es in seiner Humanität vorgeschritten ist, und durch nichts wird der Staat des Volkes Vaterlands liebe, seinen Eifer und seine Kraft, sich und ihn bei ei ner selbstständigen Existenz zu schützen, mehr entflammen
als,
indem er die Bildung desselben zur
Humanität fördert.
Nie wird es das preußische Volk
und nähren,
Friedrich Wilhelm dem III. vergessen dürfen, welche An
strengungen
er für die letztere
zur Zeit des härtesten
Druckes und der äußersten Erschöpfung gemacht hat «nd welche Früchte davon für Befreiung von jenem Drucke
zur Reife gekommen sind.
Wird nun auch im Ucbrigcn
durch Beförderung und Auftechthaltung einer möglichst
bequemen Existenz ihrer Untergebenen von der Regierungs
behörde dafür gesorgt,
daß ihnen allen ihr Vaterland
und der darin gegründete oder dasselbe umschließende *) Staat lieb und werth sey und bleibe: so wird es an
heldenmüthigcr Anstrengung und Aufopferung des Volkes für Erhaltung jenes im Zeitpunkte der Gefahr, aus freiem Triebe hervorgehcn, ♦) Für den Fall,
wo nach oben erwähnter Weise mehrere
Länder und Völkerschaften zu einem Staate gehören,
der Ungar,
die nur
durch heuchlerische Lok-
der Böhme,
in welchem
der Tyroler, der Oestreicher unter sei
nem recht eigentlichen Vaterlande noch etwas Andres,
vom Staate umschlossene Ganze versteht.
als das
95 jungen aber so wenig angeregt alS durch Despotenbe fehl erzwungen werden kann, nicht fehlen.
3) Nur aber eben um deswillen — und dieß ist ein
drittes Princip, das bei der Bildung des Volks und seines Lebens zur Humanität, ja bereits um die Sicher
stellung seiner Existenz willen nicht angelegentlich genug festgehalten werden
kann— nur kein Antagonis
mus zwischen Staat undVolk, d. h. kein dem
des einen widerstreitendes Interesse des an dern!
Beschränken werden sie sich dießfalls gegenseitig
dürfen und müssen, wie schon öfter berührt worden ist; weil sonst weder ein Staat sowohl gegen seines Gleichen als dem Dolksgewühle gegenüber sich behaupten,
noch
ein Volk in Ordnung und Selbstständigkeit erhalten wer
den könnte. genseitig,
Vernichten aber würden sie sich zuletzt ge
wenn gegenseitig von ihnen gefordert würde,
daß das Interesse des einen in dem des andern rein auf
gehen, d. h. von ihm gänzlich verschlungen werden sollte. Kann man aber wohl so manchen Finanzspeculationcn,
die auf nichts weiter als auf einen gefüllten Staats - oder gar bloßen Privatschatz des Regenten abzielen; kann man so
manchen das Volksmark verzehrenden und das freie le
bendige Volksverkehr hemmenden Zoll- und Steuerein richtungen eine andere als solche Tendenz nachsagen? —
Und wird diese dadurch zu etwas Besserm, daß auf sol
chem Wege gewisse bevorrechtete Stände und Gewerbsclassen ausschließend begünstigt, damit aber das Volk in
sich selbst entzweiet wird, daß die Hauptmasse desselben sich um einiger Wenigen willen einer verkümmerten Exi stenz Preis gegeben und in seinem Lebensgenüsse gekürzt
sehen muß?
Werden alle willkührlichen und überflüßi-
96 gen,
das Privatleben emschnürendcn und belästigenden
Polizeimaaßregeln etwas Anderes als
das
Volk dem
Staate zu entfremden und ihm sein Verhältniß mit dem selben zu verleiden vermögen? Werden nicht die im Volke
gegen die ganze Summe solcher Plackereien sich bilden den Reactionen, gesetzt auch,
daß sie nicht in Revolu
tion ausschlagen, dem Staate, wenn er im Augenblicke der Gefahr auf Unterstützung durch Eifer und Kraft des Volkes rechnet, im höchsten Maaße verderblich werden;
was sich schon öfters namentlich da ausgewiesen hat, wo einzelne einem Staate
unterworfene Völkerschaften
das Interesse für ihr besonderes Vaterland von dem für das allgemeine und den Staat,
durch Anlässe der eben
bezeichneten Art aufgereizt, zu sondern die Anwandlung
gefühlt und geltend gemacht haben? —
Nichts Unwür
digeres und meistentheils auch Kraftloseres, als im Zeit
punkte schwerer Anfechtungen die allgemeine Vaterlands
liebe sogenannter treuer Völker in Anspruch zu neh men;
wenn man zuvor in gefahrfreien Zeiten Alles um
sie zu ertödten gethan und die Staatsmacht auf Unter
drückung der Volkskraft und des Dolkswillens gründen zu
können gewähnt hat! — Nichts Treuloseres und Nichts würdigeres , als das so oft da Gewesene, nachdem das
Volk Gutmüthigkeit genug gehabt hat, um der ihm ge
gebenen Verheißungen willen, daß seine Lasten erleichtert und seine Klagen gestillt werden sollen,
jenen Aufforde
rungen zu folgen, ihm nach entfernter Gefahr lieber Al
les als das Verheißene zu gewähren,
wo möglich ihm
dann erst ein recht drückendes Joch über den Nacken zu
werfen!
Wie viel besser möchte es aber nicht bei viel
weniger Regicrungskünstelci,
bei einer um Vieles ver-
97 minderten Masse der Staatsdienerschaft,
bei minderer
Aufregung von National - Antipathien durch politische, im Schooße der
Staatsregierungen
entsprungene und
genährte Eifersucht, nm das innere Wohl der Völker,
um ein freundliches Verhältniß derselben zu den Staa ten, denen sie angehören und um ein friedliches Verkehr zwischen ihnen selbst unter einander
sichert müßte sich jeder Staat,
stehen!
Wie ge
der auf solchem Wege
redlich nach solchem Ziele strebt, durch der ihm zubehörigen Völker Liebe und Begeisterung für seinen fortdauern
den Bestand,
durch aller ihn näher oder entfernter be
rührenden Staaten und Völker Achtung finden!
Wie
fröhlich müßte nicht die Bildung des ihm unterworfe nen Gesammtvolkes zur ächten Humanität, ihm
das
in welcher
letzte und unerschütterlichste Bollwerk
Sicherheit bereitet wäre, von Statten gehen,
Wahrheit der Grundsatz, suprema lex esto,
saius publica,
seiner
wenn in
L e. populi,
die Hauptmaxime seiner Regierung,
wenn Staats- und allgemeines Volksintereffe darin nicht
für getrennt, wenn es als gegenseitig durch einander be dingt darin angesehen wäre!
4) Ungehemmt — das
ist
endlich
das
letzte
Princip der Bildung des Volkes und seines Lebens zur
Humanität im
reinen und
vollen
Sinne — unge
hemmt, aber nicht aufsichtslos sollen die Anstal ten für fortschreitende Cultur durch Erziehung, Unter weisung, Kunst, Wissenschaft und Religionsübung vom
Staate der Regsamkeit des Volkes selbst überlassen und
empfohlen werden; und diese Aufsicht soll nicht bloß dem Zweckwidrigen und Verderblichen entgegen,
sondern sie
soll auch dahin arbeiten, daß wesentlich Gutes und Heil-
7
98 bringendes nicht unbeachtet bleibe. wache des Rechts,
Nicht nur als Schutz
daß es nicht durch gefährliche oder
verbrecherische Handlungen der Staats- und Volksge nossen gegen einander oder gegen das Ganze des Ver
eins oder durch Gewaltthätigkeiten von außen verletzt werde, sondern auch als schirmende, Gewähr leistende und
pflegende Kraft aller Zwecke,
die sich gesellschaftlich zn
einem Volke verbundene Menschen von Rechtswegen vor
setzen dürfen,
sollen,
dann aber auch Pflicht halber vorsetzen
haben wir früher den Staat und seine Reprä
sentanten kennen gelernt.
Natürlich und schon erwähnt,
daß er Cultur-Anstalten und Förderungsmittcl der ge
nannten Art, zu deren Gebrauche die ihm unterthänigen Volksgenossen nicht nur das Recht,
Selbstpflicht auf sich haben, Willkühr selbst gründen,
sondern auch die
zwar nicht nach bloßer
geschweige denn seinen mündi
gen Bürgern ihren Gebrauch aufnöthigen darf,
wohl
aber ihre Gründung, Erhaltung und Vervollkommnung begünstigen, dazu aufmuntern und den Anstoß geben, die
seinem und ihrem eigenen Zwecke entsprechenden autori-
siren, den entgegengesetzten, weigern,
wo nicht die Existenz ver
doch seine Autorisation versagen und darüber
wachen soll, daß dem Anwuchs seiner Unmündigen we
der ihr Recht, von den für sie gedeihlichen Gebrauch zn machen,
verkümmert, noch ein widerrechtlicher Zwang,
an solche, die ihnen verderblich seyn müßten,
zu seyn, aufcrlegt werde.
gebunden
Autorisirt werden jene An
stalten von ihm werden, theils indem er öffentlich seine Zu stimmung zn ihrer Begründung erklärt,
theils indem er
den darin Gebildeten Gewerbe, Aemter und Würden in nerhalb seines Bezirkes anvertrant oder anznnehmen und
99 zu verwalten erlaubt; nicht autorisirt, indem er sie theils ignorirt,
theils
von
jenen
Befugnissen
Sehr schwierig ist es allerdings,
bleiben,
wo weder der
ausschließt.
hier auf der Linie zu
Geistesentwickelung
freien
im
Volke Gewalt angethan noch einer verkehrten Richtung,
die sie durch verderblichen da und dort her gegebenen Impuls unter den Augen der Regierung trimmt,
mit
nicht zu rechtfertigender Gleichgültigkeit zugesehen wird. Soll es für unbefugt geachtet werden,
daß der Staat
oder sein Oberhaupt*) Lehr - und Erziehungs-rc. Anstalten gründe?
Wer möchte wohl,
daß Friedrich der Weise
nicht die Universität Wittenberg,
daß Moritz nicht die
sächsischen Fürstenschulen gestiftet hätte,
und wer dürfte
wohl verbürgen, daß sie auch ohne dieser Männer Ver anstaltung würden seyn gestiftet worden? Soll ihm schlecht
hin diese Befngniß zngesprochen werden? — Mehrheit eines großen
Würde die
benachbarten Volkes dazu still
schweigen, wenn fein Regent im Namen, unter Autori tät (nicht Connivenz) und auf Kosten des Staats ein Jesuiten-Collegium gründete und etwa noch obendrein die andern öffentlichen Lehranstalten unter seine Aufsicht stellte?
Schwerlich wird cs einen andern vollkommen
sichern Ausweg aus diesem Widerspruche geben, als den der Berathung mit einer constitutionellcn
in Landesan-
gclegenheiten zugezogenen Volksrcpräscntation, die, wo
sie existirt, schon darum hier nicht unbcfragt bleiben kann,
weil die Dotation jedes dergleichen vom Staate gcgrün-
*) Beide können uns hier für identisch gelten; indem auch der
vollendetste Despot allgemeine Befehle nicht anders,
präsentant des Staats ausgehen läßt.
denn als Re
100 beten Instituts nicht füglich anders als vom Volksver-
mögen oder von irgend einem Fond, der zuletzt aus die sem geflossen ist, oder über dessen Verwendung das Volk
Auskunft zu fordern berechtigt ist, kann.
genommen werden
Existirt eine solche Repräsentation noch nicht und
kann fie auch für's erste «och nicht geschaffen werden: so wird wenigstens der Zweck derselben erreicht,
wenn
auf des Volkes Wünsche,, Bedürfnisse, Kräfte und Bil
dungsstufe streng ehrliche Rücksicht genommen wird; wie denn das 4«nz unstreitig von jenen hochverdienten säch sischen Fürsten *) bei der Gründling der genannten In
stitute geschehen ist.
Daß selbst bei den richtigsten An
sichten gegen den ihnen abgeneigten Volkswillen nicht
durchzudringen ist und auch das Beste den dagegen Ein genommenen
nicht augenblicklich
aufgedrungen werden
darf, lehren die Streitigkeiten des Königs der Nieder lande mit seinen katholischen Unterthanen über das phi
losophische Seminar,
welchem indessen, wie verlautet,
nachdem der Zwang, darin studiren zu müssen, aufgeho
ben ist, erst recht viele zugeströmt sind, die darin **) zu
*) Ob Landtage und Ständebeschlüffe darauf gewirkt haben, weiß ich in diesen» Augenblicke nicht;
daß aber außer den zur
Grundlage genommenen Klostergütern bei Stiftung
der Fürsten?
schulen auch die Landschaft zur Mitwirkung und Mitleidenheit gezo gen worden seyn muß,
nicht nur eine,
erhellet daraus,
weil manchen Städten
sondern mehrere Freistellen auf jenen Schulen ver»
liehen worden sind,
mithin sie unstreitig zur Dotation jener An?
stalten einen Fond müssen hergegeben haben.
**) Wie wahr oder wie falsch die Nachricht hiervon in öffentr
lichen Blättern, mag an seinen Ort gestellt bleiben. tend später als das im Text geschriebene,
Was bedeu
zwischen Belgien und
Holland sich ereignet hat, nachdem in den dazu gesammelten Zun>
101 studiren gewünscht haben. viel:
Ausgemacht ist unstreitig so
keine vom Staate errichtete Culturanstalt, die in
ihrer Beschaffenheit oder in der Form ihrer Errichtung dem Bolksgeiste, wie er sich in einer überwiegenden Ma jorität kund thut, widersteht, wird Gedeihen finden und fir wird das um so weniger,
um so mehr eine auffal
lend geringere, der Regierung aus persönlichen Rückfich
ten ergebene Minorität ihren Eifer dafür an den Tag
legt und je eigenmächtiger die Staatsbehörde diesem zu Gunsten sie der überwiegenden Mehrzahl aufdringt, je
mehr sie, um dergleichen durchzusetzen, List- -der gar Ge
walt anwendet.
Traurig, wenn dergleichen, wie jedoch
schwerlich zu fürchten ist, in dem Falle zu Schulden ge bracht wird, wo das Absehen der gebietenden Macht in der That auf Beförderung gründlicher Einsichten, freien
Vernunftgebrauchs und gediegener Bildung gerichtet ist!
Empörend und nicht lassend,
selten wirklich Empörung veran
wen» es die Maaßregeln der Regierung damit
Knechtschaft
geflissentlich
auf Geistesverfinsterung
des Volks,
zu deren Förderung vielleicht die Hefe des
und
Volks selbst aufgeregt wird, anlegen! 8-
4.
Darstellung des Volkslebens in seiner harmenisch abgeschlossenen 2dee.
Dieselbe wird um so kürzer und schmuckloser seyn dürfen,
um so mehr sie jeder,
der den bisherigen We
der von Frankreich aus der zum Zünden nöthige Funke gefallen war, muß übrigens wohl zum neuen Beleg für die alte Wahrheit dienen, daß in offenbarer Opposition gegen den Volksgcist eine Re»
gierung nicht bestehen kann.
102 trachtungm nachgegangen ist, sich ohne Mühe selbst znsammensetzen kann und auch wohl am liebsten selbst zusammensetzen wird. Sie alle, die sich zu dem Volke rechnen, das wir uns so lebendig und seines Lebens sich freuend vorstellen, denken sich gem und mit heiterm Selbstgefühl als eben dieses Volkes Genossen. Frei und fröhlich und .in eben so ungestörter als unverfänglicher Oeffentlichkeit unterhalten sie unter sich und mit jedem, der als Gast ihrem Treiben zusieht, oder in dasselbe sich einmischt, eine gesellige Gemeinschaft, der kein Standes unterschied und keine Rücksicht auf den Staat ihre Un gezwungenheit verkümmert. Wie in der Ehe Mann und Weib sich gegenseitig besitzen, nicht letzteres bloßes Besitzthum des erstem seyn kann, dafern Zweck und Wesen dieses Bündnisses nicht im Innersten erschüttert werden sollen, noch weit weniger aber, ohne Alles auf den Kopf zu stellen, die Sache umgekehrt werden darf: so besitzen auch Staat und Volk einander wechselseitig, doch keines das Andere so, daß letzteres auf seine ei genthümliche , selbstständige Existenz Verzicht leistete. Das Volk, in seiner Gesammtheit, in irgend besondern Vereinm, die-innerhalb desselben sich bilden mögen, in seinen sämmtlichen einzelnen Zubehörigen, zusammt den Fremdlingen, die zu seinem Thoren aus und ein gehen, ist und wirkt und treibt und genießt, was es, ohne den Staat zu beeinträchtigen, sich selbst aufzureiben und irgend fremden Rechten zu nahe zu trete», sey» und wir ken*) und treiben und genießen darf, unter Aufsicht, *) Es versteht sich,
daß es außerdem noch mancherlei giebt,
was von Staatswegen und zunächst um dieses,
zuletzt aber um
Schirm und ungesucht gewährter Genehmigung des Staats;
aber es ist und treibt das an seinem Theile und so, daß nur aufBegehren desselben der Staat sich darein zu mischen und
daran Theil zu nehmen, sich für berechtigt hält. Der Staat besteht in und über dem Volke oder den Völkern,
denen
er aNgehört, ordnet und veranstaltet, was zu ordnen und
zu veranstalten Noth ist, für das Volk und für sich selbst
um des Volkes willen, Verantwortlichkeit
unter dessen Augen und unter
gegen
dasselbe,
sungsmäßiger Theilnehmung
auch unter
verfas-
seiner Abgeordneten; aber
ohne irgend einige Einmengung, ohne irgend eine andere
unmittelbare, als von des Volkes.
ihm selbst gebotene Mitwirkung
So leben beide,
deren Existenz sich wech
selseitig bedingt, in schöner Eintracht, die um so weni
ger unterbrochen wird; je weniger der Staat sich in des Volkes kräftiges aber normales Leben irgend einen hem
menden Eingriff erlaubt;
je gemessener und ruhiger er
aber auchlnnerhalb seiner Schranken
sinne Autorität
handhabt und in seine eigenthümlichen Rechte sich jeden Eingriff verbittet.
Und so wie im ehelichen Leben durch
lebhaften, doch anständigen Wortwechsel das gute Ver
nehmen keiuesweges unterbrochen, vielmehr gegenseitiges Vertrauen durch
freie
Aeußerung von
des
einen
wie
des andern Meinungen und Ansichten sogar befestigt wird, überdem aber Weiberrath,
wie das Sprichwort sagt,
verachten,
vielmehr für viele Gegen
keiuesweges
zu
stände des innern Haushaltes von entscheidender Wich-
fein selbst willen dem Volke,
oder dessen besondern Classen
oder
dessen einzelnen Genossen eigenthümlich geboten oder verboten wer den kann.
104 tigkeit ist,
endlich wo
vom Vermögen der Frau die
Wirthschaft bestritten werden muß,
sogar von Rechts
wegen die gewissenhafteste Beachtung fordern darf: wird auch,
wo
Staat und Volk mit
so
einander auf
wahrhaft gutem Fuße stehen, das letztere kraft des ihm
einwohnenden Geistes von des Staats nach allen Rich tungen hinaus getroffenen oder fürs erste nur entworfe nen und angekündigten Verfügungen nicht nur Kenntniß
nehmen, darüber, vornehmlich wenn es dazu die Kosten
hergeben muß, mit anständiger Freimüthigkeit seine Mei nung äußern und üb§r ihm Dunkles auf Wegen, die dazu geeignet sind,
dern es
Aufklärung erwarten dürfen;
son
wird auch die Unbefangenheit und der Eifer,
womit das geschieht, von der Staatsbehörde gar man«
nichfaltig zum Besten des gemeine» Wesens benutzt, de« Volksgenossen aber nicht nur als Liebe zu ihrem Staate
und dessen Verfassung, sondern nicht minder als Ach tung und Zutrauen zu der Persönlichkeit des Regenten
und der Staatsdiener angerechnet werden. Und immer mehr wird sich,
wo im Volke ein sol
ches Leben rege ist, die Intelligenz für öffentliche Ange
legenheiten bilden, immer weiter wird sie bis in die un
tersten Classen herab ihre Strahlen verbreiten,
immer
wirksamer und wohlthätiger auch aller Einseitigkeit die Ansichten,
zu welcher sich Staatsdiener, die nichts als
das sind, so leicht gewöhnen, begegnen, ja wiefern auch diese dem Volke näher stehn und selbst dazu gehören, zu
ihrer Aufklärung über vieles ihr Amt Angehendes gar wesentlich beitragen.
Regierung,
Denn so wie die Popularität der
die aus ihren Grundsätzen gegen das Volk
kein Geheimniß macht und zu machen nöthig hat und
105 die ihre verfassungsmäßig getroffenen Maaßregeln dem selben ohne Vorbehalt kund werden läßt, am allerbe sten für Berichtigung von des Volkes Einsichten in das Staatswesen Sorge trägt und verkehrten Urtheilen dar über unter demselben vorbeugt: so wird auch ein freiet Gedankenaustausch über die öffentlichen Angelegenheiten unter dem Volke, die oft so sehr verkannten und falsch beurtheilten Bedürfnisse desselben am besten zur Kennt niß der Regierung großentheils schon durch ihre an je nem Austausch theilnehmenden Glieder und Beamten selbst bringen und sie am sichersten auf die Spur der rechten Mittel, ihnen Gnüge zu leisten, führen.
Wichtiges und Wesentliches geschieht in unsern Ta gen da, wo es geschehen darf, für diesen Zweck durch die Freiheit der Presse, die ohne Geschrei und Aufsehen den Gedanken eines Einzigen im Nu für Tausende ver vielfältigt. Möchte nur nebenbei das lebendige Wort, in welchem die Selbstständigkeit Aller sich treuer bewahrt, und Gedanke aus Gedanken sich ungehemmter entzün det, sich für jenen Zweck nicht minder nachdrücklich gel tend machen; möchte es mehr beachtet, sorgfältiger her vorgelockt und häufiger vernommen; möchte es durch das auf dem Druckbogen versteinte nicht sogar unter drückt und zurückgedrängt werden! Was auch bei weitem über die äußere Sicherheit, Ordnung und Beharrlichkeit des Volkszustandes hinaus geht, was auf höhere und allseitigere Geistesbildung durch Kunst und Wissenschaft abzielt, was den Men schen über seine Pflicht und Bestimmung, über seine Stellung im Universum, über sein Verhältniß zum Ur8 *
10G Heber desselben und über den Einfluß dieser erhabnen Ideen auf seine» Sinn und sein Verhalten jur Selbst verständigung und zur Beruhigung zu bringen geeignet ist — nur wo ein recht freies und lebendiges Volksleben herrscht, stellen wir uns vor, daß es Gegenstand des allgemeinen Interesse werden, daß sich die Ansicht da von mehr und mehr aufhellen und berichtigen, daß sie tiefer und sicherer ins Leben hineingehen und den Cha rakter desselben veredeln werde, und von einem irgend zur Humanität gebildeten Volksleben können wir nichts Geringeres erwarte», als daß es jene Ideen in die größte Klarheit und Wirksamkeit setzen werde. Und unter einem Volke, das seiner selbst so froh, das mit so ungehemmter Selbstthätigkeit unter dem Schirme des Staats für sein behagliches Daseyn, für die Befriedigung seiner Bedürfnisse z« sorgen, diejenigen aber, zu deren Abhülfe höhere Anordnung und concentrirtere Thätigkeit nöthig ist, vom Staate befriedigt zu sehen gewohnt, das in allgemein verbreiteter Intelligenz über seine und seines Staates Angelegenheiten so weit vorgeschritten ist, das sich durch allgemeines Interesse für die heiligsten Ideen und durch freies Bestreben, den selben Licht und Fruchtbarkeit zu verschaffen, auf eine solche Stufe von innerer Würde geschwungen hat, — unter einem solchen Volke, sollte man wohl meinen, müßten in Zeitpunkten der Gefahr, die ihm seine theuer sten Güter zu zerstören droht, Alle für Einen und Einer für Alle stehen, müßten der Tüchtigen viele, die seine Schaaren zum Kampfe zu führe» und ihre Tapferkeit glücklich zu leiten vermöchten, nicht fehlen, müßte die Wahl des obersten Anführers und Ordners auf keinen
107
ander» als den Tüchtigsten falle», müßte dafür, daß jene und dieser zu keiner Zeit fehlten und Schaaren, die der Fahne von Führern, in welche Staat und Volk glei ches Vertrauen setzen, zu folgen werth wären, nicht mangelten, zu jeder Zeit gesorgt seyn. Möge einer blühendem Phantasie, als deren ein 66jähriger sich z« erfreuen hat, überlassen bleiben, diese einzelnen hier einander näher gerückten Grundzüge so zu conccntriren, daß sie in ein einziges ächt anschauliches und wahrhaft begeisterndes Bild zusammen fallen! Nach Feststellung solcher allgemeinen Begriffe, Grundsätze und Ansichten, als sich durch unsere bisherigen Betrachtun gen gebildet haben, würde sich unsere Aufmerksamkeit nun auf vielerlei Besonderes richten müssen, theils von dem das Leben des Volkes seine eigenthümlichen Modificationcn empfängt, theils was nach Maaßgabe der Beschaffenheit desselben sich verschiedentlich modificirt findet. Klima, Staats - und Regierungsverfaffung und deren Beamte, Verhältniß mit andern namentlich in nahe Berührung kommenden Völkern, hauptsächlichste unter dem Volke gangbare Gewerbsarten und Stellung der Gcwcrbtrcibeuden zu den übrigen Volksgenossen, Sitten im Umgänge des Privatlebens, Ton des häus lichen Lebens und Geltung des weiblichen Geschlechts, Religion und Art ihrer öffentlichen Uebung, wissen schaftliche Anstalten und Mittheilungen, Kunstsinn, Kunstübungen und Leistungen, öffentliche und Privater ziehung — das Alles wird für den, welchen das Leben des Volks interessirt und der über die Leitung und Pfle ge desselben mit sich einig zu werden bemüht ist, sehr stark in Betracht kommen. Von der Aufnahme, welche
dem, was er im Obigen zu geben gewagt hat, bei des Volkes einsichtsvollen Freunden zu Theil wird und von der Kraft und Muße, die ihm für den Rest seines be reits schon so weit vorgerückten Lebens beschert werden dürfte, wird es abhängen, ob er dießfalls wenigstens noch mit einigen Bruchstücken hervortritt. Möchten bes ser Unterrichtete und mit frischem Kräften Ausgestattete ihm damit zuvorzukommen und ihn selbst am meisten da mit zu erfreuen, nicht verfehlen!