171 68 2MB
German Pages 36 [41] Year 1890
Der Wunde Punkt. Von
Ludwig Bamberger.
Sonderabdruck aus der Wochenschrift »Die Nation". September 1889.
Vierte Auflage.
Berlin W.
pL Eh
Rosenbaum & Hart. 1889.
r
Der Wunde Punkt. Von
Ludwig Bamberger.
Sonderabdruck aus der Wochenschrift „Die Nation". September 1889.
Vierte Auflage.
Berlin W. Rosenbaum & Hart. 1889.
Druck Don H. S. Hermann in Berlin.
I.
Eine neue englische Monatsschrift The New Review brachte kürzlich eine Abhandlung über die achtstündige Arbeitszeit aus der Feder des Parlamentsmitgliedes Charles Bradlaugh. Die periodischen Sammelfchriften, besonders die monatlichen, haben in England seit Jahren sich die erste Stelle auf dem Gebiet der Publizistik erobert. Sie haben nicht nur den Einfluß der Tagespresse, sondern auch der Wochenschriften erheblich abgeschwächt, und man begegnet nicht selten der Behauptung, daß sie mit ihrem Ansehen und ihrer Wirkung sogar den parlamentarischen Verhandlungen den Rang streitig machen. Für die Läuterung der öffent lichen Meinung wäre das entschieden ein Gewinn, und ehrenvoll wäre es für denjenigen Theil des Publikums, welcher seine Belehrung auf den Pfaden dieser ruhigen und verfeinerten Betrachtungen suchte. Bradluugh ist der Vertreter der politisch radikalen Arbeiterpartei. Das steht jedoch nicht seiner Mitwirkung an einem litterarischen Organ im Wege, in welchem Coleridge, Lord Oberrichter von England und mehrere Mitglieder der hohen Aristokratie als seine Kollegen figuriren. In einer folgenden Nummer derselben Zeitschrift hat die Antwort, welche der sozialdemokratische Führer Hyndmann auf jenen Artikel schrieb, gleichmäßig ihren Platz gefunden. Dies nur beiläufig zur Vergleichung mit unseren deuffchen öffentlichen Sitten.
4 Der Gegensatz, welcher in der Hauptsache für uns in Er liegt in der grund
Betracht kommt, ist viel tieferer Art.
sätzlichen Stellung, welche der Verfasser zu seiner Aufgabe
Hier steht, um es kurz zu sagen, unserer neu
nimmt. deutschen
ungesunden Richtung
sächsische gegenüber.
die
alte
gesunde
angel
Bradlaugh ist zwar kein Sozialist*),
aber er würde in Deutschland doch als solcher behandelt und zu den Reichsfeinden erster Klasse gezählt werden. tritt die Arbeiter mit der Tendenz,
größeren Antheil
an
den Gütern
Er ver
daß dieselben sich einen
dieses
Lebens
erobern
wollen und sollen, daß sie durch die gegenwärtige Ver-
theilung des
Einkommens
unberechtigter
Weise
benach-
theiligt seien. Auch die Beschränkung der Arbeitszeit auf das Maximum
von acht Stunden täglich gilt ihm für die erstrebenswerthe
Regel.
Aber er weist die Dazwischenkunft der Staatsmacht
und der Gesetzgebung behufs der Erreichung dieses Zweckes entschieden zurück und will die Besserung nur durch die
eigene Kraft der Arbeiter durchsetzen.
Beschränkte sich der Gegensatz auf das Verschiedene in den Grundzügen des Verhaltens hier und dort, befände sich
der englische Führer nur im vollständigen
Gegensatz
zu
seinen deutschen Kollegen, so wäre das zwar an sich schon
bedeutungsvoll genug, aber zum Verwundern wäre es nicht. Denn unsere deutsche Arbeiterwelt hat ihre Ansichten ursprüng lich aus der Hand von etlichen studirten Leuten empfangen, welche bei den ftanzösischen Sozialisten der letzten hundert Jahre in die Schule gegangen waren, und nach dieser Schule *) Bradlaugh ist der Abgeordnete, welcher, 1880 für Northampton gewählt, statt des Eides unter Anrufung Gottes nur eine Betheuerung abgeben wollte und darauf wegen Atheismus vom Parlament ausge schlossen werden sollte. Er ist zur Zeit eines der angesehensten Mitglieder der radikalen Partei. Geboren 1833 in dürftigsten Verhältnissen hat er ein Leben von Kämpfen und Entbehrungen hinter sich, aus denen er Dank seiner Zähigkeit und Thatkraft immer zuletzt siegreich hervorging.
5 ist die menschliche Gesellschaft von Grund aus ein Produkt des Staates, alles Gute und Gedeihliche mutz von der Ge
sammtheit dem Einzelnen aufgezwungen und von ihm er zwungen werden.
Aber auch unsere gelehrten und gebildeten
Mittelklassen im Großen, welche seit hundert Jahren ihre wirthschaftliche Richtung mehr aus England als aus Frankreich geholt hatten und dieselbe dem deutschen Geist als natürlich
verwandt erklärten, haben neuerer Zeit, im Gegensatz zu den gleichen Klassen aller anderen Länder, sich dem Glauben an die
Mechanistrung der Gesellschaft durch den Staat hingegeben.
Der Grundsatz der individuellen Selbsthilfe ist förmlich bei
uns in Verruf gekommen.
Nur Gesetz und Regierung sollen
überall und Jedem helfen. Das ist die von oben aus gegebene, von unten dankbar aufgenommene Lofung. Der
Mensch hat seine Kraft nicht mehr in sich zu suchen, sondern nur von außen zu empfangen,
Es gilt für unumstößliche Wahrheit, daß auf dem Gebiet
der Arbeit und des Erwerbes dem Schwachen nicht geholfen werden könne, wenn nicht das Starke schwächer gemacht
werde, wozu nur die Staatsmacht die Kraft und Geschicklichkeit besitze. Alle wenden sich daher in den beweglichsten Worten an den Schwachen, um ihm recht begreiflich zu machen, wie schwach und hilfsbedürftig, wie er verloren sei, wenn ihm
nicht die Gewalt zu Hilfe käme, und lehren ihn, den ihm
an Kraft Ueberlegenen als seinen Feind hassen, mit Ausnahme immer des einen allgerechten und allmächtigen Staates, d. h.
der Leute, welche im Besitz der höchsten Stellen sind. Damit wird überhaupt die individuelle Kraft als ein staats- und ge sellschaftsfeindliches Prinzip erklärt, die Schwäche als die wahre Gesundheit; die Kraft wird bestraft, die Schwäche belohnt.
Ganz anders lautet die Sprache des englischen Ver
treters der Arbeiter. Dieser beginnt seine Auseinandersetzung mit folgender Erklärung:
6 „Es handelt sich hier darum, Stellung zu nehmen in der Frage, ob die achtstündige Tagesbeschäftigung für das
ganze Königreich und für sämmtliche Gewerbe gesetzlich vor geschrieben werden soll. Dieser Bewegung, sofern es sich dabei um Erwachsene, einerlei ob Männer oder Frauen, handelt,
widersetze ich mich aufs allerentschiedenste, aus folgenden Gründen: Erstens, weil es nicht die Aufgabe des Parlaments
fein sollte, die Zahl der Stunden zu bestimmen, während
welcher ein Erwachsener zu arbeiten hat. Es macht sich eine im Wachsen begriffene Tendenz von sehr gefährlichem Charakter
geltend, deren Ausfluß diese Achtstundenbewegung ist.
Sie
lehrt den Blick auf die Gesetzgebung oder die Regierung
richten, um Abhilfe für alle Uebel zu schaffen, die, welcher Art immer, im Kampf ums Dasein auftauchen.
Zweitens,
weil eine möglichst kurze Arbeitszeit in jedem Gewerbe, wenn schon erstrebenswerth und für den Arbeiter eine Wohlthat,
doch Gegenstand besonderer Verhandlung und Vereinbarung in jeder Industrie sein und nach gegenseitiger Auseinander
setzung und Abmachung zwischen den Arbeitgebern und den
organisirten Arbeitern festgesetzt werden sollte." Zur Kennzeichnung des ganzen Gedankenganges genügen
diese beiden ersten Sätze.
In Deutschland rühmt sich die
sogenannte Arbeiterfreundlichkeit — schon dem ruhmredigen
Namen nach ein affektirtes Wesen gleich dem bekannten „Herz für das Handwerk" — genau des
Prinzips.
entgegengesetzten
Bürgerthum wie Aristokratie und auch ein Theil
der Demokratie würden den Mann für einen Volksfeind erklären, welcher, um seinen Genossen zur Kräftigung zu ver
helfen, nur Eins verlangt, nämlich, daß sie innerhalb der Grenzen des bürgerlichen Rechtes sich frei bewegen, zusammen schließen und verabreden dürfen. Ein Satz, zu dem sich auch in Deutschland die offenen Gegner des Staatssozialismus
durchaus bekennen. Und zwar nicht allein, weil sie in dieser Freiheit eines der besten Mittel zur Kräftigung eines be-
7 sonderen Arbeiterstandes sehen, sondem weil in diesem Recht der allgemeine Grundsatz einer möglichst großen Freiheit für Alle in
Leben und Weben zur Anwendung kommt und die mechanisirende, abstumpfende Methode derZwangswirthschaft bekämpft
wird.
Sie nehmen überhaupt ihren Ausgangspunkt nicht
von der Eintheilung der Staatsangehörigen in besondere Stände, verschmähen deshalb auch jene grotesken Versuche,
die neuerdings unter dem tönenden Namen der „Hebung" bald dieses, bald jenes Standes in Mode gekommen sind,*)
um die Angehörigen eines Berufs mehr durch Ansprüche
die sie an die Gesellschaft als durch solche, die sie an sich
machen, zu höheren Leistungen zu befähigen.
In der An
erkennung eines Arbeiterstandes mit besonderen Rechten liegt für den Arbeiter die Gefahr, daß aus dem Privileg eine
Unterordung werde. Marx und Lassalle als aristokratisirende Demagogen haben dieser Standesbetonung bedurft, um sich
des Arbeiters für ihre Herrschsucht zu bedienen, und die Sozialpolitik des Deutschen Reiches hat dieselbe Kastenbildung
dahin verwerthet, dem Arbeiter das Recht der Selbstver antwortung zu nehmen und ihn in ihre gesetzlichen Zwangs vorrichtungen zu sperren.
Wie undurchführbar der Anspmch
von Hause aus ist, wird schon dadurch ersichtlich, daß
die
Definition des Arbeiters zu guterletzt nur in der Grenze eines gewissen Einkommens (von zweitausend Mark oder
weniger) gefunden werden konnte. Aus dem Stand der Arbeiter ist ein Stand der Unbemittelten geworden. Die Summe der Uebel, zu denen auf diesem Wege
der Keim in die Gesetzgebung gelegt ist, erschöpft sich nicht, wie man gemeinhin annimmt, in der Gefahr, daß dieselbe immer mehr sozialistischen Versuchen überliefert wird.
So
schädlich solche Experimente ausfallen mögen, es gibt doch *) Vom Schornsteinfeger bis zum Journalisten, hinab oder hinauf, wie jener Graf es meinen möchte.
8 etwas noch viel Schlimmeres.
Nämlich die Entartung des
Volksnaturells, ich sage nicht des Volkscharakters, um den moralisirenden Beigeschmack zu
vermeiden,
der mit dem
Wort verbunden werden könnte.
Wer da meint, der Staat mache sich seine Menschen, hat allerdings nichts der Art zu befürchten.
Eine möglichst
starke Regierung wird nach solcher Meinung auch immer
stärkere Menschen machen.
Wer aber der Ansicht ist, daß
die Menschen den Staat machen, wird natürlich auch zu der
entgegengesetzten Schlußfolgerung gelangen.
Im Grunde
sitzt hier das ganze Problem: Genügt die Form, um sich das Material zu schaffen, das sich in ihr bewegt, oder bildet
sich diese Gesammtform aus dem Material und nach dessen Anlagen heraus?
Man sollte denken, die Frage stellen
hieße sie beantworten.
Dennoch hat bei uns die frühere
individualistische Auffassung im Laufe weniger Jahre in die
jetzige staatsvergötternde und menschenverachtende umschlagen können.
Ich sage bei uns, obwohl der Vorgang sich in der
ganzen Welt in verschiedenen Abstufungen wiederholt.
In
den oben erwähnten paar Sätzen des englischen Proletariats vertreters ist ja selbst die Anspielung darauf enthalten, daß
ähnliche Ideen bedenklichen Umfang in seinem Lande an
genommen haben; und wir wüßten das, auch wenn er es
nicht sagte.
England kontinentalisirt und demokratisirt sich
nach vielen Seiten hin, aber glücklicher Weise für die Nation hat eine lange Vorgeschichte doch eben dem Volksnaturell Zeit gegönnt, genug Festigkeit anzusetzen, um den Ver
suchungen der so leicht von Frankreich nach Deutschland
Übertragenen sSchablonisirung
auf angelsächsischem Boden
einen spröden und nachhaltigen Widerstand entgegenzusetzen. In England treibt die Besorgniß vor dem Wachsthum der
demokratisch-sozialistischen Keime manchen auserlesenen Geist in die Flucht zur Staatsallmacht — gewissermaßen nach homöo pathischer Methode Gleiches mits Gleichem zu bekämpfen.
9 Da das Anschwellen der unteren Mächte unwiderstehlich erscheint, sollen sie auf den Wegen ihrer eigenen Logik in
den Bann einer höheren Macht zurückgeführt werden. Das soziale Königthum, wie es uns neuerer Zeit im
Prophetenton gepriesen wird; hatte eigentlich seinen finsteren Enthusiasten schon vor einem halben Jahrhundert in Thomas Carlyle gefunden, der in der That auch mit der
Stimme und Strafpredigers
Haltung daher
eines
fchritt.
Sehers
Aber
und selbst
gottgesandten ein
weicherer
humanisirender Mann der neuesten Zeit, • der kürzlich ver
storbene Matthew Arnold, ein viel gelesener und bewunderter Moralist und Dichter, fühlt sich zu Idealen hingezogen,
welche dem Geiste des deutschen sozialaristokratischen Ideen kreises verwandt sind*) Arnold ist aber so wenig wie Carlyle der Repräsentant weitverbreiteter Denkart.
Beide
sind Originale mit einem ausgesprochenen Geschmack fürs Absonderliche.
Arnold glaubt, um das charakteristische Wort
wiederzugeben, daß der Mensch im Staat, in der Gesammt
heit sein
„besseres Selbst" mit der höchsten Autorität be
kleidet wiederfinde; er meint, die persönliche Freiheit führe zur Anarchie und beruft sich auf den alten logischen Kniff,
daß die Freiheit sich nur negativ definiren lasse (eben just wie die Gesundheit!); ja er nähert sich dem deutschen Ideal
so sehr, daß er Englands Abneigung gegen den Zwang zum Kriegsdienst verurtheilt, im Kriegsdienst den Inbegriff aller Tugenden erblickt und das Wort Michelet's zitirt: die Fran zosen seien Volk
Barbaren.
von
durch
die Konskription
civilisirten
Dagegen hat noch in diesem Jahre das Haupt
der gegenwärtigen Regierung, Lord Salisbury, die Aeuße
rung gethan, daß er die Einführung des allgemeinen Kriegs
dienstes als einen Fluch für das Land ansehen würde.
*) Matthew Arnord, Culture and Anarchy, an essay in political and social criticism.
10
In dieser unvollkommenen Welt ist eben Alles nur relativ, und wer mitten in den Thatsachen der einen Lebensform sitzt, wünscht, leidet, hofft und fürchtet, baut sich in Gedanken sein Haus nach einem anderen, ihm fernliegenden Muster. Carlyle und Arnold hätten es ohne Zweifel in Deuffchland nicht ausgehalten, wenn sie mit den väterlichen Autoritäten und dem besseren Selbst, denen Deutschland gehorcht, in persönlichen Erfahrungen zufammengestoßen wären. Gäbe es etwas absolut Richtiges, so gäbe es überhaupt keinen Streit in der Welt. England und selbst die große amerikanische Republik entziehen sich nicht den logischen Verführungskünsten, welche die Brücken zwischen der Demokratie und dem Sozialismus schlagen. Aber der erstarkte Volkscharakter macht die Ver suchung in der Praxis viel ungefährlicher. Bradlaugh be richtet, daß im Staate Newyork schon seit dem Jahre 1870 eine Achtstundenbill angenommen ward, und daß die An fänge der Bewegung noch weiter zurückliegen, da schon so stütz wie 1868 die nordamerikanifche Bundesgesetzgebung selbst für alle Regierungsarbeiten den Grundsatz der Beschränkung auf acht Stunden annahm. Das Gesetz des Staates NewYork ging noch weiter, indem es einen Zwang auf die Rege lung der Privatarbeiten auszuüben unternahm, allein doch Nur mit einer Zurückhaltung, welche Mangel an Vertrauen in die Richtigkeit des Zwanges durchblicken läßt. Es heißt da: acht Stunden sollen den gesetzlichen Arbeitstag aus machen (eight hours shall constitute a legal day’s werk) für alle Klassen von Mechanikern, Handarbeitern und Tage löhnern, mit Ausnahme der in Landwirthschast und Haus dienst beschäftigten; aber Ueberzeit gegen außerordentliches Entgelt nach Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter soll gestattet sein. Eine Strafe ist an die Uebertretung nur in dem Fall geknüpft, wo eine Regierung oder Munizipalität sich von der Vorschrift entfernt. So war das Gesetz von
11 vornherein ein sogenanntes unperfektes, und in der That scheint es auch gar nicht praktisch zur Geltung gekommen zu sein.
In den Vereinigten Staaten ist nach dem ersten Anlauf eine Verlangsamung eingetreten, und wenn es in längeren Zwischenräumen auch nicht an einzelnen Ausbrüchen gefehlt hat, manchmal recht gewaltigen, so kann man doch ruhig
behaupten, daß der öffentliche Geist 'sich eher von dieser Richtung wieder abwendet als in ihr weiter entwickelt.
Auch
ist es eine bekannte Thatsache, daß in Amerika die sozialistische
Bewegung unter den Arbeitern hauptsächlich durch zuge wanderte deutsche Apostel versorgt wird.
Der deutsche Geist
ist der führende in der staatssozialistifchen Richtung für die
ganze Welt, für beide Hemisphären geworden, nicht etwa wie auf den anderen Gebieten: des Militarismus, Protektio nismus und Nationalismus, weil das offizielle Deutschland
mit feiner Macht und seinem Beispiel jetzt tonangebend da
steht, sondern weil natürlich und geschichtlich ausgebildete Anlagen den deutschen Geist mit den zur Ausbrütung so
zialistischer Theorieen geeigneten Vorzügen und Fehlern ganz besonders ausgestattet haben.
Wie könnte ein von deutschen
Arbeitern in den Reichstag zur Vertretung ihrer Angelegen
heiten entsendeter Führer daran denken, sich eine Sprache zu erlauben, gleicht der, mit welcher Bradlaugh seinen erwähnten Artikel schließt:
„Von dem Glauben ausgehend, daß jeder etwaige Ver such des Parlaments, die Arbeitsstunden vorzuschreiben, auf alle Zeiten für die besten Interessen der Arbeiter verhängnißvoll werden würde; befürchtend, daß viele Arbeiter nur zu
leicht bereit sind, sich von zwar überzeugten aber unpraktischen Enthusiasten und von unruhigen Ausbeutern sozialer Be
schwerden verleiten zu lassen; und gewahrend, daß bei einigen
Wahlkämpfen jüngster Zeit Kandidaten
versprochen haben,
für Maßregeln zu stimmen, welche alle freisinnigen Ueber-
12 lieferungen auf den Kopf stellen, werde ich meine Stimme und Abstimmung im Parlament dahin richten, zu verhin
dern, daß dem Geist des Selbstvertrauens, welcher die Masse unserer Bevölkerung
zu
einer
den
meisten
europäischen
Nationen überlegenen macht, in irgend einer Weise unter
graben werde." Eine solche Sprache wäre in Deutschland nicht bloß
undenkbar aus dem Grunde, weil die Arbeiter von sozia listischen Ideen beherrscht werden, sondern weil die Mehrheit
der Gebildeten und Besitzenden
Sprache entfremdet worden ist.
dem
Verständniß solcher
Alle geistigen Bewegungen
gehen von oben nach unten, und diese Wahrheit leidet auch in unserer demokratischen Zeit keinen Abbruch.
Es sind
immer die von der Last des Lebens sieten Köpfe, welche die
neuen Gedanken zuerst aus sich erzeugen, fortbilden und in
unsichtbaren Samenverwehungen umherstreuen.
Die Macht,
welche der Staatssozialismus über Deutschland erlangt hat, ist von Leuten der geistigen Aristokratie derNation ausgegangen. Er hat seine Keime nicht bloß durch aristokratisch fühlende
Demagogen wie Marx und Lassalle in die Köpfe der Massen
gepflanzt, sondern auch durch die Träger höherer und höchster Bildung, allerdings solcher, welche, unbetheiligt an der wer
benden Arbeit der Gesellschaft, vom Katheder oder vom
grünen Tisch herab mit Hochmuth und Gleichmuth an ihr
herum zu meistern und zu experimentiren sich berufen glauben. Die jüngst bei dem Tode des sogenannten KreuzzeitungsWagener, eines keineswegs unbedeutenden Kopfes, wieder
ans Licht gezogenen Spuren seiner sozialistischen Einwir
kungen auf den Lenker der deutschen Geschicke haben deutlich gezeigt, wie nach zwei Jahrzehnten in der neuesten Sozial
gesetzgebung jener Same aufgegangen ist.
13
II.
Keiner Bewegung wird
es leichter, von oben nach
unten durchzudringen, als einer, die sich anheischig macht, das Loos der Massen zu verbessern; und nichts ist bezeich nender für das Wesen der gegenwärtigen inneren Politik
des Reichs, als das Leitmotiv: sich der sozialistischen Be wegung zu bemächtigen, indem man auf ihren Jdeengang einlenkt, zugleich aber mit eisernen Schranken der äuheren
Gewalt ihr die Grenze zieht,
wie weit sie sich ins Leben
hereinwagen dürfe.
Verglichen zu diesem Experiment war
der Kampf gegen
das Papstthum noch
Wagestück.
ein schüchternes
Denn als Fürst Bismarck diesen Kampf begann,
ergriff er die Fahne der Eiferer, die dem Geist des Ultramontanismus selbst mit Gewalt zu Leibe zu gehen gemeint
waren, nicht ohne eigenes Mitempfinden, so weit bei ihm von einem Mitspielen der Empfindung bei Handhabung der
Staatsraison die Rede sein kann.
Es war daher auch nur
ganz konsequent, daß er von dem Moment an, da er zu dem Entschluß kam, diesen Kampf aufzugeben, denselben Gegnern des Papstthums das Bündnitz kündigte, nicht die
Freundschaft, denn bei ihrer Gelehrigkeit hatte er das nicht nöthig.
Mit dem Schiedsspruch in der Karolinenfrage prälu-
dirend,
wurde allmählich solche Geschmeidigkeit in der An
erkennung'des heiligen Stuhles entwickelt, daß der Inhaber desselben im Jahre 1887 aufgeboten werden konnte, seinen
züchtigenden Arm über jene Gläubigen auszustrecken, welche
stch nicht zu dem Glauben
auch an das Heilsmittel des
Militärseptennats werkthätig bekennen wollten. Unverwöhnt, wie wir sind, durften wir schon einige
Genugthuung empfinden bei der Wahrnehmung, daß hier
wenigstens die Logik einen Sieg erfocht.
Es wurde doch
ganz verbrannt, was vorher ganz angebetet, und ganz an
gebetet, was ganz verbrannt
worden war.
Aus einigen
14 Reden, welche der Kanzler im preußischen Herrenhause hielt, bleibt dem Leser der Eindruck, daß demselben der ganze
Kulturkampf nachträglich wie eine Donquixoterie erschien, die
ihm durch untergeordnete Menschen aufgedrängt worden war. Die entlassenen
Verbündeten hatten zwar für diese
Umkehr nicht dieselben Begeisterungsstürme zu ihrer Ver
fügung, wie einst für das „Nach Canossa gehen wir nicht"; es ist keine Standsäule im Teutoburger Wald zum ewigen
Andenken an den Schiedsspruch in der Karolinenfrage er richtet worden, aber so mancher, der einst den „Kampf gegen
Rom" für die höchste Ehre und Aufgabe des größten Mannes
erklärt hatte, gab sich doch, von Grund aus bekehrt, der
stillen Bewunderung hin über die Weisheit einer Staats kunst, die zu rechter Zeit immer den rechten Weg zu finden
weiß.
Und wo ein Weg ist, findet sich auch ein Wort,
könnte man mit Variirung des bekannten Spruches sagen,
und wo sich ein Wort findet, finden sich auch Nachbeter.
Ganz anders liegen die Sachen bei der Sozialpolitik.
Hier stoßen wir überall auf den Gegensatz zu Allem, was für Logik oder Konsequenz ausgegeben werden könnte.
Wenn
bei der Umkehr im Kulturkampf nicht nur die Logik, sondern
noch ein Besseres zum Durchbruch kam, nämlich das Ge-
ständniß,
daß
mit
äußeren
Gewaltmitteln
moralischen
Mächten auf die Länge nicht beizukommen ist, so wird im
Kampf gegen die sozialdemokratischen Bestrebungen mit der einen Hand das sozialistische Programm in den Himmel
erhoben und mit der anderen gegen seine Anhänger das Schwert gezückt.
Auch hier handelt es sich um einen Kampf
der Meinungen, nur mit dem Unterschied, daß nicht nur dieser Kampf in Permanenz, sondern die bekämpfte Meinung selbst für die richtige erklärt wird.
Die staatliche Machtfülle
stellt sich die Aufgabe, denselben Geist mit allen Waffen zu
bekämpfen, den sie in Worten bekennt und ins Leben ein zuführen verheißt.
15 Vielleicht ist niemals in der Welt das Selbstvertrauen der Regierungsmaschinerie in ihre Ueberlegenheit über alle
anderen treibenden Kräfte so Whn zur Schau gestellt worden, wie hier.
Hier kommt zum Ausdruck, was — Alles in
Eins zusammengefaßt — die Signatur dermaliger Umwand
lung in dem Wesen unseres öffentlichen Lebens ausmacht: der Ansturm der mechanischen Weltanschauung gegen die
dynamische, die Herausforderung, mit welcher allen geistigen und moralischen Kräften eine allerdings dem Verstand, aber nicht der höheren Vernunft dienende, festgegliederte staatliche
Macht den Kampf anbietet.
fchenden Systems.
Das ist der Kern des herr-
Sein Ideal ist das der Mechani-
firung der gesammten Volks- und Staatskräfte in allen
einzelnen Vorgängen der inneren und fogar der aus wärtigen Politik, die Geringschätzung alles folgerichtigen Denkens, man könnte fügen des Gedächtnisses selbst.
Das
Kunstgeheimnitz bewährt sich in jener Mechanisirung der
Geister, die alle Sprünge und Widersprüche auf Kommando mitmachen, fo daß man bei der Beobachtung dieser erstaun lichen Willens- und Verstandesknechtschaft immer wieder an
die neuentdeckten Wunder des Hypnotismus erinnert wird. In keiner anderen Sphäre aber ist dies Ideal so handgreif
lich und trotzig aufgepflanzt worden, wie in der Losung: „Es lebe der Sozialismus, nieder mit den Sozialisten!"
Die'Zahl derjenigen, welche sich durch die gefährliche Natur des Experiments, künstliche Erzeugung und künstliche
Komprimirung fozialistifcher Ideen, beunruhigt fühlen, ist größer, als die laut werdenden Stimmen verrathen. Mancher Seufzer steigt in der Stille auf über die heitere Gelassenheit, mit der die Reise in das neue Land angetreten wird, aber
Aengstlichkeit und Fatalismus, die so vieles ertragen gelernt
haben, haben gelernt, sich nur in verstohlenen Klagen und Besorgnissen Luft zu machen, vor der Oeffentlichkeit dagegen mit den Wölfen zu heulen, wie es sich für den klugen Mann
16 unter der Herrschaft heilsamen Schreckens empfiehlt. Nur aus den Reihen der selbständigeren und selbstbewußteren Aristokratie haben sich bei den letzten staatssozialistischen Verhandlungen die Stimmen offen zu erheben gewagt; doch hier, wie überall von Erscheinungen begleitet, welche verriethen, wie weit heutzutage die Zähmung auch der Widerspenstigen gelungen ist. Bei der allerletzten Probe schmolz die Schaar derjenigen Kavaliere, welche sich und der Zukunst ein deut liches Nein zu schulden glaubten, auf ein winziges Häuflein zusammen, obgleich das Spiel für ihre Partei noch viel ge fährlicher ist, als für alle anderen. Denn was allen Be mühungen bisher nicht gelungen war, das wird jetzt von Gesetzes wegen in Angriff genommen: die sozialistische Be wegung aus der städtischen Welt der Industrie in die der Landbevölkerung hinüber zu leiten. Die Stimmung einer Zeit trägt naturgemäß das Gepräge des letzten starken Erlebnisses. So hat die Pariser Kommune seither am meisten den Jdeengang beherrscht, welcher sich mit den Gefahren sozialistischer Ausbrüche be schäftigt. Der gewaltige Aufschwung, den die Beweglichkeit und demzufolge das Wachsthum des Kapitals im modernen Leben genommen hat, kam diesen Darstellungen zu Hilfe. Die Erinnerung an weit zurückliegende agrarische Ausschreitungen trat ganz in den Hintergrund, obwohl dieselben in der alten und neuen Geschichte viel öfter dagewesen sind, als soziale städtische Erhebungen. Die begründeten und die un begründeten Beschwerden des großen Grundbesitzes, der sie zur Besserung seiner Sache als das gemeinsame Leid der Großen und der Kleinen darstellt, thaten das ihre, um hier das Bewußtsein des Gegensatzes zwischen Hohen und Niederen zurückzudrängen; und schließlich kam noch Eines hinzu, um keinen Gedanken an die Möglichkeit sozialistischer Begehrlichkeit in bäuerlichen Kreisen aufkommen zu lassen. Der Norden und Osten Deutschlands, deren Interessen die
17 Gesammtentwicklung des neuen Reichs beherrschen, ist niemals
von agrarischen Unruhen ernstlich heimgesucht worden, und
die patriarchalische Autorität der Gutsherren verfügt daselbst über eine Bevölkerung, deren resignirte Sinnesart noch heute Spuren der spät beseitigten Hörigkeit verräth. Alles dies erklärt, wie so bis dahin in den Reihen der Großgrundbesitzer jene Gedankenrichtung beliebtwerden konnte,
welche für die Aufstachelung des Gegensatzes zwischen Reich
und Arm ihre Waffen der sozialistischen Rüstkammer entleiht, ohne sich über die Möglichkeit der Nutzanwendung auf die
eigenen Verhältnisse zu beunruhigen; obgleich die Gegensätze
hier auf dem platten Lande nicht minder hart bei einander wohnen als in der Stadt und alle sozialistischen Theorien bis auf die neueste Zeit vor Allem mit dem Plan einer gerechteren Vertheilung von Grund und Boden eingesetzt
haben.
Gewiß hat zu dieser leichtblütigen Auffassung der
Sache auch
die pessimistische Stimmung das Ihrige bei
getragen, welche aus den eigenen, mit oder ohne Schuld zer rütteten, Vermögensverhältnissen vieler Gutsherren entsprang.
Aber wenn nicht jeglicher verstandesmäßige Zusammen hang aus dem Gang der menschlichen Angelegenheiten ver
schwindet, muß das vom sozialistischen Grundgedanken der Er nährung des Individuums durch den Staat getragene neuste
Gesetz
allmälig
im Lauf
feiner,
unfehlbar auf hundert
Schwierigkeiten und Vieldeutigkeiten stoßenden, Anwendung
eine neue Jdeenreihe in den Köpfen der ländlichen Bevölke rung erwecken.
Indessen, vielleicht haben sie allesammt recht,
sowohl die städtischen Bürgerklassen als die ländlichen Guts herren, sich nicht von den Gefahren einschüchtern zu lassen, welche die sozialistische Staatspropaganda früher oder später heraufbeschwören könnte.
Am Ende wiederholt sich in der
Geschichte ebensowohl Nichts wie Alles, und jene Pariser Kommune, auf welche die Phantasie des Schreckens jetzt so
oft zurückgreift, ist aus einem Zusammentreffen von Um-
— .18 — ständen hervorgegangen, wie es schwerlich jemals wieder erlebt werden wird. So wenig man bezweifeln kann, daß dre Welt noch mehr als einmal bald da bald dort den auf alle Weise genährten Streit in lichte Flammen wird auf flackern sehen; so nahe der Gedanke liegt, daß, an einer einzelnen Stelle zum Ausbruch gekommen, er das überall aufgeschichtete Material in Sturmeseile entzünden wird — es ist dennoch schwer denkbar, daß eine sozialistische Er hebung zu lang anhaltenden Verheerungen und tief greifenden Veränderungen führen möchte. Das Gefüge und die Arbeit der modernen Civilisation ruhen auf einem zu festen Unter bau und in zu starken Gerüsten, um mehr als vorüber gehend und an der Oberfläche von etwaigen auf den ersten Anlauf siegreichen Stürmen geschädigt zu werden. Die Ver nunft würde nach einem ersten Schrecken wieder zur Besin nung und zur Macht kommen. Die, welche mit dem Feuer spielen, haben vielleicht so unrecht nicht, darauf zu rechnen, daß die Mauern zu solide sind, um von den Flammen eines gelegentlich ausbrechenden Feuers ernstlich bedroht zu sein. Man muß dies ihnen schon deshalb zutrauen, weil man sie sonst ganz und gar nicht begreifen könnte. Dann aber ist man um so mehr in Verlegenheit zu erklären, warum diese gering angeschlagene Gefahr andrerseits zum Zielpunkt aller Gegenmaßregeln und die Verbreitung der sie erzeugenden und ernährenden Ideen zur Aufgabe gemacht wird. Man kann die Lage ruhig dahin zusammenfassen: in friedlichen, normalen Zeiten besteht für keinen Theil des deutschen Reiches die Gefahr eines sozialrevolutionären Um sturzes, und in Zeiten tiefgreifender äußerer Ruhestörung würde auch der ganze Mechanismus des Sozialisten gesetzes in Scherben gehen. Der wahre Schaden, der freilich nicht auf den nächsten Moment hinaus zu berechnen ist, aber dafür auf die Länge der Zeit um fo schwerer in Betracht kommt, droht aus der
19 Untergrabung der persönlichen Energie in der großen Breite der Bevölkerung. Herrschbedürftigem Sinn, der sich im Besitz der Macht befestigt hat, erscheint, so wmig wie feiner Zeit der spanischen Inquisition, eine solche moralische und intellektuelle Verarmung wie ein Verlust, vielmehr ganz wie ein Getoinn. Lenksamkeit, blindes Vertrauen und blinder Gehorsam nicht bloß im Thun sondern auch im Denken gelten bereits heute als eine erste Bürgertugend. Der Mechanisirung des Staats hat die Mechanisirung der Geister meisterhaft vorgearbeitet. Es wagt schon kaum Einer mehr zu fragen, wohin die Reise geht, und wenn sich Einer die Frage erlaubt, so erschallt alsbald der Ruf: Steiniget ihn! Wieviel Kommando's: Augen rechts! und Augen links! haben wir nur schon nach auswärts rasch nacheinander ohne Zucken ausführen sehen! Krieg gegen Rom, Huldigung gegen Rom; Herrlichkeit und Abscheulichkeit Rußlands; Pfui über England, Heirath mit England; Hohn über das vom Republikanismus unterhöhlte Italien, Umarmung mit dem garibaldinischen Italien Crispi's. Ja sogar in dem Konflikt mit der Schweiz machte der gelehrige Sinn den Versuch, sich die schwer verdauliche Rechtsauslegung der diplomatischen Jurisprudenz als natürliche Wahrheit anzueignen. Doch dies alles sind nur ebenso viele Symptome einer Entartung des öffentlichen Geistes, welche ihn zu der Haupt aktion, der Durchführung eines staatssozialistischen Mecha nismus, gymnastisch vorbereitet, um zuletzt aus der Degene ration des Denkens und Fühlens zu dem Ergebniß einer in der Staats- und Regierungsmaschine ausgehenden bürger lichen Gesellschaft hinzuführen. Es springt in die Augen, daß für Umgestaltungen dieser Art nicht dies oder jenes Regiment, nicht ein einzelner Mann, wäre er noch so klug und mächtig, verantwortlich gemacht werden kann. Die Ursachen liegen viel tiefer; und höchstens kann man allenfalls zugeben: ein anderes Regi s'
20
ment und ein anderer Mann hätten dem verhängnißvollen Zug entgegenzutreten gesucht, statt ihm zu dienen. Aber Jeder fällt eben auf die Seite, nach der er neigt. Ueber« Haupt kann in so großen Gefammterscheinungen nicht von Schuld oder Unschuld die Rede sein. Geholfen hat fteilich die Erkenntniß der Ursachen und Wirkungen in dem Gang der großen Geschicke selten. Selbst die Frage, ob es innere Anlage des Volkscharakters oder aber das Ein greifen einzelner Thatsachen oder Menschen war, die be stimmend für das Denken und Fühlen der Gesammtheit geworden sind, bleibt meistens ungelöst, wie Alles, was über den Charakter von Massen jemals behauptet worden ist, immer umstritten bleiben wird. Was wäre mehr geeignet, an dem den Deutschen so lange nachgesagten Individualismus irre zu machen, als das Schauspiel, welches diese Gegenwart uns darbietet? Haben wir jene Auffassung zu revidiren? War sie nie richtig, oder hat sich der Charakter der Nation unter der Einwirkung veränderter Bedingungen gewaltig verändert? Bekanntlich ist die Frage schon gelegentlich des Streites über die große historische Wendung selbst aufgeworfen worden, welche dem Deutschen am meisten zu dem ehren haften Ruf der individuellen Kritik und Selbstbestimmung verhalfen hat, nämlich die Reformation. Während die Einen darin den höchsten Beweis der subjektiven Freiheit des deutschen Sinnes erbracht sehen, wollen die Anderen in der erfolgreichen Durchführung des Satzes, daß der Landesherr über die Konfession seiner Unterthanen zu verfügen habe, verbunden mit dem Umstand, daß diese Landesherren in der Auflehnung gegen das katholische Kaiserhaus ihre dynastischen Interessen verfolgten, den Beweis derfelben Gefügigkeit erblicken, die uns heute in Erstaunen setzt. Ist die Ver einzelung des Individuums und der Landschaft, die Zer splitterung der Aufmerksamkeit und Thätigkeit, welche bis vor Kurzem als die Signatur deutscher Zustände galt,
21 die Folge der Zersetzung des alten Reichs gewesen, oder war umgekehrt diese Zersetzung des Reichs ein Ergebniß des nationalen Ingeniums? Man müßte Bände schreiben, um diese Kontroverse an der Hand der Thatsachen auch nur versuchsweise zu schlichten. So viel steht fest, daß bis vor Beginn der neuesten Aera das deutsche Denken in Staat, Gesellschaft und Wissenschaft das Gepräge der individuellen Absonderung und Eigenwilligkeit trug, und daß der Um schlag ins Gegentheil mit der Schaffung des Deutschen Reichs aufs engste zusammenhängt. Für den Anhänger dieser politischen Neuerung müßte damit ein durchschlagender Grund gegeben fein, sich auch der veränderten Sinnesrichtung selbst zu freuen. Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Hier kommt der große, so oft verkannte Unterschied zwischen Staatseinheit und Staatsallmacht zur Geltung. Die Staatseinheit ist eine Wohlthat, die Staatsallmacht ist ein Uebel, und nach dem Gang, den die Dinge bei uns zu nehmen scheinen, haben wir von allen Völkern darin die schlechteste Wahl getroffen. England hat die Staatseinheit ohne die Staatsallmacht; Frankreich hat Einheit und All macht des Staats zugleich; Deutschland hat die Einheit nur sehr unvollkommen erreicht und ist im Begriff, die Staats allmacht zum obersten Gesetz seiner politischen und sozialen Entwicklung zu machen. Daß'Staatsallmacht und Partikularismus sich nicht einander im Wege stehen, daß Staatsallmacht nicht gleich bedeutend ist mit politischer Einheit, wenn schon das soge nannte nationale Programm auf dieser Verwechslung be ruht, zeigt ein Blick auf den Gang der Dinge in den letzten zehn Jahren. Der Partikularismus ist ganz parallel mit der Staatsbegeisterung wieder emporgekommen. Fürst Bismarck hat seine staatssozialistischen wie seine protektionistischen Er folge — sie sind ja beide nah mit einander verwandt — Schritt für Schritt erkauft durch Zugeständnisse an die
22 Selbständigkeit der Einzelstaaten, von der Franckenstein'schen
Klausel an bis zur Preisgebung der Reichsversicherungs
Und es
anstalt.
gibt für die politische Psychologie keinen
sichtbareren Beweis dieses Zusammentreffens als die That
sache, datz der spezifisch sächsische Provinzialgeist zur Zeit derjenige ist, welcher der Reichsgesetzgebung sein Gepräge
aufgedrückt hat.
recht eigentlich
In der gesammten wirth-
schastlichen Bewegung haben dieselben königlich sächsischen Kleinstaatler
und Zünftler,
welche von Anfang
an
der
Bildung eines einigen Deutschen Reiches mit der schärfsten Abneigung und Widerspenstigkeit gegenüber gestanden, die Führung übernommen.
Sie haben mit Hilfe der übrigen
reaktionären und partikularistischen Elemente des Reichstags die Uebermacht felbst über die Reichsregierung erlangt, diese
zu bedeutenden Konzessionen gezwungen und mit unermüd licher Begehrlichkeit in die Enge getrieben. Datz wir noch nicht das Zunftwesen in seiner ganzen Tragikomik wieder hergestellt
haben,
ist nur der Aufgeklärtheit der Reichs
regierung, nicht der Einsicht der jetzigen Reichstagsmehrheit zu verdanken.
Persönlichkeiten, welche vor zwanzig und
fünfzehn Jahren
noch mit verwunderlichen Augen als die
grotesken Vertreter des kleinstaatlichen Zopfgeistes angesehen wurden, beherrschen zur Zeit die Situation.
mit
ihrer
Hilfe,
mit ihrer begeisterten
Und besonders
Hilfe
wird
grotze
Sozialreform ins Leben
dieser
Landsmannschaft hört der erstaunte Reichstag
Erklärung,
daß
die Vorlage
die
Aus der Mitte
gerufen.
die
der Alters- und Invaliden
versicherung ein tadelloses Meisterwerk sei.
Der Grund,
warum dieser sächsisch kleinstaatliche Zunft- und -Sondergeist jetzt in den vordersten Reihen als reichstreu paradirt, ist leicht gesunden.
Er unterwirft sich dem Reiche, weil er auf
dessen Zinnen seine Fahne aufgepflanzt,
Geist eingehaucht hat.
demselben seinen
23
III. Alles, wie es bisher geschildert worden, ist ganz folge
richtig zu Stande gekommen.
Die Staatsklugheit, welche
sich überall bewährt, wo es gilt, die gegebenen Faktoren zu einem nächsten Zwecke zu verwerthen, fand bald heraus, daß die einzelnen Landesregierungen, die Personen der Regenten
und Minister viel besser zu berechnen und zu behandeln seien, als das dunkle und bewegliche Meer des gesammten Volks. In den ersten heftigen Zusammenstößen mit seiner
liberalen Anhängerschaft,
als
die
eben
der Reichseinheit
wider Willen angeschlossenen Dynastieen noch durchaus nicht gezähmt erschienen, ließ der Reichskanzler durchblicken, daß
er der Volksstimmung bedürfe, um jener sicher zu sein.
In
einer Rede vom Anfang der siebenziger Jahre erzählt er dem Reichstag von jenem nächtlichen Traum, in welchem die in seinen Händen befindliche deutsche Landkarte plötzlich vor seinen Augen in Stücken gegangen sei.
Dies sollte eine Warnung
für die Mehrheit des Reichstags sein, sich nicht Velleitäten des unbotmäßigen Eigenwillens zu überlassen, um nicht die
centrifugalen Kräfte der Landesherrschaft zu stärken.
Aber
fünf oder sechs Jahre später war der Ton gänzlich umge
schlagen.
Als der Reichstag Anstand nahm an der Drohung,
die Elbmündung zu sperren um Hamburgs Widerspruch zu
brechen, wurden die Landesregierungen für den alleinigen wahren Hort und Schutz der deutschen Einheit, die Mehr heit des Reichstags mit Einschluß der Liberalen, als ver
dächtige Partikularisten geschildert.
Das Experiment war
damals bereits vollständig gelungen und gesichert, und jene Behauptung entbehrte nicht einer gewissen Wahrheit, wenn
man die Einheit nur in der Folgsamkeit gegen den Kanzler erblickt.
Diejenige Reichstreue, welche in der unbedingten
Anpassung an seine Politik besteht, hat jetzt einen unvergleich
lich viel stärkeren Halt in den oberen Gewalten der Einzel-
24
floaten als in der Breite der Nation. Man kann dreist be haupten, es gibt in sämmtlichen Regierungen des deutschen Reichs keinen Minister, der nicht vor dem Gedanken zurück schreckt, das Mißfallen des Kanzlers auf sich zu ziehen und der sich darüber täuscht, daß ein solches Mißfallen unfehl bar seinen Sturz nach sich ziehen würde. Ein solches Abhäiigigkeitsverhältniß ist natürlich nur möglich geworden, durch die hohe imponireude Autorität, mit welcher sich der Kanzler das Vertrauen und die Verehrung der einzelnen Landeshäupter erworben hat. Die geheime Geschichte der 99 Tage, das Vorgehen der Höfe zu Gunsten des Kanzlers in der Battenberg-Episode, bezeichnet den Höhepunkt dieses Verhältnisses. Dies alles ist um so besser geglückt, als an dem Experiment der Geist der Bevölkerung mit seinen partikularistischen und dynastischen Neigungen willig mitge arbeitet hat. Der merkwürdige Scharfblick, mit welchem der Kanzler die Stellen erkennt, an denen die Hebel zur Be wegung der Massen am besten einsetzen, ist ihm auch hier zu Hilfe gekommen; und sein nüchternes Urtheil, welchem die deutsche Einheit, befreit von aller Romantik, lediglich als ein kompaktes Vertheidigungs- und Wirthschaftsinstrument in der Hand der preußischen Monarchie erschien, traf zu sammen mit seinen alten feudalen Gefühlen, mit seiner Antipathie gegen Alles, was an die Ideologie der Sturm und Drangreminiszenzen früherer Bewegungen gemahnen konnte. Die Zugeständnisse der Separatrechte an Bayern und Württemberg kosteten ihn 1870 keine Ueberwindung, und er verschmähte die nahe liegende Möglichkeit, kleinste Bundesstaaten wie Waldeck, das sich dazu anbot, zu mediatisiren. Je kleiner die Herrschaft, desto besser fügt sie sich als dienendes Glied in der Kette, mit welcher das Ganze zu sammengehalten und geführt wird. Empfahl solcher Weise die politische Berechnung, dem Partikularismus zu Hilfe zu kommen, indem die
25 Regierungen zugleich
der
einerseits in
Furcht
vor
der
Centralleitung erhalten wurden und sie andererseits in deren
Schutz
die beste Garantie ihrer Fortdauer gewahrten,
so
ward dadurch zugleich der den meisten Deutschen zur anderen Natur gewordene Geist landschaftlicher Absonderung wieder Er ist heut viel stärker als er vor
erweckt und gefördert.
zwanzig Jahren war. Ja, wenn heute die ehemaligen Landes
väter von Hannover, Kurhessen und Nassau auf dem Wege
Rechtens zu Bundesfürsten des Reichs gemacht und in ihre Residenzen zurückgeführt würden, der Jubel der ehemaligen
getreuen Unterthanen würde trotz aller Drangsale, welche dieselben einst zu erdulden gehabt, grade so groß sein, wie
jüngst bei der achthundertjährigen Gedenkfeier der loyalen Sachsen
oder
bei
dem
Einzug
des
Eintagsherzogs
in
Luxemburg.
Die
Fehler
selbst
der
herrschenden
Centralgewalt
kommen ihr in ihrer partikularistischen Tendenz zu Paß.
Nachdem
der
harte
und
schroffe
Preußenthum seinen bösen Namen
Geist,
welcher
dem
in der Welt und in
Deutschland gemacht hat, bald da bald dort wieder sich zu erkennen gibt, darf man sich schließlich nicht wundern, wenn
auch ein frommer Einheitsenthusiast zur Zeit lieber beispiels weise Badenser oder Bayer bleibt, als durch einen preußischen Landrath und Minister regiert zu werden. Es läßt sich nicht
leugnen,-daß in diesen kleineren Staaten ein gerechterer und
menschlich milderer Geist waltet als im heutigen Preußen, ein Umstand, der seinerseits wieder dazu beiträgt, daß der
Enthusiasmus für die gegenwärtige Reichsregierung in den liberaler regierten Staaten am stärksten ist. Denn sie kommen
mit dem jetzigen preußischen Regierungsgeist, der in ihr steckt, nur in mittelbare Berührung. Unter allen diesen Einflüssen ist der politische Sinn, der in Deutschland nie übermäßig entwickelt war, wieder herab
gekommen. Das Hochgefühl, nicht blos mit dem Gesicht, das
26 sich nach außen kehrt,
Jnnenwesen
einer
sondern
auch
mit
dem
eigenen
großen Gemeinschaft anzugehören, wie
andere große Völker, die in einem wahren Staat mit einem zentralen Resonanzboden ihren eigenen Willen zur Aus führung bringen und ihre eigene Stimme hören, hat sich
nach einem kurzen Aufschwung wieder in die Rinnsale der Kleinstaaterei verlaufen; selbst das gemeinsame deutsche
Reichsbürgerthum ist bedroht in den Bemühungen gegen die Freizügigkeit, die mit den Zunftbeschränkungen außerordent lich gut zusammenstimmen.
Einem Volke,
das sich im Besitze seiner selbst fühlt,
wird der Uebergang aus einem Wirthschaftsleben der freien Ellbogen zu einem System der allmächtigen Staatseingriffe
immer schwer werden.
Es wird sich, wie die Engländer,
auch trotz aller entgegengesetzten Zeitströmungen mannhaft
dagegen wehren und um jedes Zugeständnitz feilschen.
Gegen
Ende der sechziger und zu Anfang der siebziger Jahre, als
das deutsche Volk sich im Aufschwung des Werdens zu einer großen sich selbst hörenden und führenden, mit Ueberwindung alles Kleinen auf einen Mittelpunkt hin drängenden Nation
fühlte, feierte auch der Geist der individuellen Freiheit ein
Fest der Auferstehung,
und die Reichsregierung huldigte
systematisch den Grundsätzen, die zur Schaffung eines Reichs
bürgerrechts, der Freizügigkeit, Arbeiter,
des Koalitionsrechtes der
der Handels- und Gewerbefreiheit hindrängten.
Seitdem das Ansehen des Reichstags untergraben, die Zerletzung der liberalen Partei betrieben, die partikularistische Strömung aufgemuntert, der Schwerpunkt der Einheit in die Dynastien verlegt ist, sind Schutzzoll und Beschränkung
der inneren wirthschaftlichen Freiheit emporgekommen. Beide vereint haben die Versuchung zu staatssozialistischen Experi
menten besonders nahe gerückt.
Wenn ein Volk vom Gesetze
seiner wirthschaftlichen
Freiheit beraubt wird, verspricht man ihm natürlich Ersatz
27 Die zur Aus
durch Wohlthaten aus derselben Quelle.
gleichung versprochene Erlassung von Steuern und Erhöhung von Löhnen erwies sich als illusorisch, denn der Nimmersatte
Militarismus frißt immer mehr Steuern, und die durch den
Schutzzoll aus alle Weise erschwerte Ausfuhr der Industrie zwingt zur äußersten Herabdrückung der Herstellungskosten.
Um so verlockender stellt sich da die Zuflucht zur staats sozialistischen Lehre ein, denn ihre Hauptkunst besteht im
Versprechen.
„geschützten"
Den
Land
Industriellen und
wirthen gewährt sie einen Seelentrost und eine Gewissens
beruhigung für die vom Publikum
Ungerechtigkeit des
erheben;
die
Tributs,
den sie
konservative Romantik der
„guten alten Zeit" sieht die gemüthliche Herrlichkeit der kor
porativen Gliederung wiedererstehen; namentlich aber macht die großmütterliche Regierung, mit der sich der herabge
kommene, schwächliche politische Sinn von neuem freundet
Denn
hat,
der
von
allen
künstlichen
vorerst
die
Wiederbelebung
besten
der
ange-
Geschäfte.
gewerblichen
Bruderschaften, die sich so schön bei festlichen Auszügen in theatralischen Gewändern
und
mit stolzen
Fahnen
aus
nehmen, geht der Athem aus, sobald sie mit dem ungeheuren
Getriebe in Berührung kommen, welches die heutige Welt in tausendfacher Bewegung und Veränderung in Gang hält.
Soll der Traum verwirklicht werden, die ganze Produktion
nach vorgeschriebenem Plan von außen zu stoßen und am Finger. lausen zu lassen, so bleibt der modernen Kultur nur
eine Zuflucht, allerdings auch diese eine falsche: „der Staat, mit andern Worten die Regierung."
An diesem Ufer sind wir denn auch schon stolz ge landet.
und
Stolz, weil überhaupt das
Gefühl des Stolzes
dessen hochtönende Selbstbejahung
an
Stelle aller
anderen großen politischen Empfindungen: der Liebe zum
Vaterlande, des Sinnes für Recht, Freiheit und Unabhängig keit getreten ist.
Der Bürgersinn selbst ist aufgegangen in
28
die Anbetung der Staatsmacht, von deren Abglanz nach Außen und Innen alles andere leben muß. So erbaut sich auch der Staatssozialismus bereits an dem Hochgefühl, daß das Deutsche Reich, allen Völkern zur Beschämung und Be lehrung, den Stein der Weisen in seinen Versorgungs- und Versicherungsgesetzen gefunden habe. Bis jetzt fehlt es übrigens noch an jeglichem Zeichen, daß diese angebliche Bewunde rung auch die Lust zur Nachahmung anderwärts erweckt habe. Der Stolz aus die äußere Machtstellung Deutschlands ist allerdings der am besten begründete Theil des herrschen den Bewußtseins; und wenn nicht Alles darin auf philo sophischer Würdigung des Völkerglückes beruht, so hat über haupt die Philosophie in dem Verhalten der Nationen nichts zu suchen. Die anderen Nationen haben uns darin nichts vorzuwerfen. Den Deutschen aber, welche so lange in un natürlicher Ohnmacht darniederlagen, wäre es, wenn es einer Entschuldigung bedürfte, wahrlich zu verzeihen, daß sie in dem neu und so gründlich befriedigten Selbstgefühl schwelgen. Hier ist auch, und aus mehr als einem Grunde, die Lösung des Räthsels zu suchen, warum die Anziehungs kraft der Staatsgewalt und in gewissem Sinne des Gewaltsstaates so sehr Macht über die Geister gewonnen hat, daß das Verständniß für die individuelle Freiheit im Leben und Streben, ja sogar im Denken und Urtheilen ab handen gekommen ist. Der Sonne dieser Staatsmacht, welche von einer der letzten zur ersten geworden ist, und in deren Abglanz der Einzelne zu Hause und in der Welt draußen sich neu beglückt spiegelt, wird willig Alles dargebracht, was außer ihr zum Lebensglück gehört; von ihr soll Alles zurück gegeben und neugeboren werden. Die Personifikation dieser Staatsmacht ist der Schöpfer des deutschen Reichs; das Werkzeug, dem sie ihre Erschaffung und Erhaltung verdankt, ist das Heer. An das Heerwesen lehnt sich daher der Staats gedanke am engsten an. Das Heerwesen gibt dem Staat
29 die Richtung; in ihm ist sogar der Partikularismus
am
besten überwunden, wie es einen großen Theil der besten
Intelligenz und Thatkraft der Nation in sich aufsaugt.
Durch
eine Ironie des Zufalls, die zugleich einen tiefen Sinn hat, drängt zwar gerade das Kriegswesen immer mehr zu der Methode hin, die im Wirthfchaftswesen verschmäht wird.
Die Taktik kommt mit jeder neuen Richtung einen Schritt weiter ab von den früheren Ueberlieferungen der kompakt ge schlossenen Massen; sie kommt zur Nothwendigkeit, dieselben
aufzulösen und auf die Selbständigkeit der Führer und des einzelnen Mannes den Nachdruck zu legen. gehende Heerwesen entwickelte sich
Das vorwärts
im Sinne
des Indi
vidualismus, während der den Nährstand nach rückwärts drängende Geist ihn dem Erstarrungsprozeß der gebundenen
Arbeit zuführen möchte.
Doch das ändert nichts an dem
nachhaltigen Eindruck, den das stets vor Augen stehende
Bild der gewaltigen lebendigen Kriegsmaschine auf den Geist des Volkes ausüben muß. köpfiges Wesen,
Sie zeigt ihm ein
millionen
welches,
mit wunderbarer
Einsicht und
Energie zusammengefügt,
zusammengehalten
und
geleitet,
von einem Mittelpunkt aus zu höchster Leistungsfähigkeit in
Gang gesetzt wird.
IV. Das imposante Gefüge, welches vom Einzelnen die höchste
Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kraft verlangt und dennoch die Führung des Ganzen auf den einen Mittel
punkt, das Oberkommando und den Generalstab, zurückführt,
dieses erstaunliche Gefüge, welches nicht blos den äußeren Gehorsam, sondern das innere Leben seiner Angehörigen mit zwingender Gewalt erfaßt und in Uebereinstimmung setzt,
29 die Richtung; in ihm ist sogar der Partikularismus
am
besten überwunden, wie es einen großen Theil der besten
Intelligenz und Thatkraft der Nation in sich aufsaugt.
Durch
eine Ironie des Zufalls, die zugleich einen tiefen Sinn hat, drängt zwar gerade das Kriegswesen immer mehr zu der Methode hin, die im Wirthfchaftswesen verschmäht wird.
Die Taktik kommt mit jeder neuen Richtung einen Schritt weiter ab von den früheren Ueberlieferungen der kompakt ge schlossenen Massen; sie kommt zur Nothwendigkeit, dieselben
aufzulösen und auf die Selbständigkeit der Führer und des einzelnen Mannes den Nachdruck zu legen. gehende Heerwesen entwickelte sich
Das vorwärts
im Sinne
des Indi
vidualismus, während der den Nährstand nach rückwärts drängende Geist ihn dem Erstarrungsprozeß der gebundenen
Arbeit zuführen möchte.
Doch das ändert nichts an dem
nachhaltigen Eindruck, den das stets vor Augen stehende
Bild der gewaltigen lebendigen Kriegsmaschine auf den Geist des Volkes ausüben muß. köpfiges Wesen,
Sie zeigt ihm ein
millionen
welches,
mit wunderbarer
Einsicht und
Energie zusammengefügt,
zusammengehalten
und
geleitet,
von einem Mittelpunkt aus zu höchster Leistungsfähigkeit in
Gang gesetzt wird.
IV. Das imposante Gefüge, welches vom Einzelnen die höchste
Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kraft verlangt und dennoch die Führung des Ganzen auf den einen Mittel
punkt, das Oberkommando und den Generalstab, zurückführt,
dieses erstaunliche Gefüge, welches nicht blos den äußeren Gehorsam, sondern das innere Leben seiner Angehörigen mit zwingender Gewalt erfaßt und in Uebereinstimmung setzt,
30 hat dem Glauben an die Herrlichkeit des Staatsmechanismus
ganz begreiflicher und zugleich effektvoller Weise die Wege
geebnet.
Man stößt darum mit Zweifeln gegen die Lebens
fähigkeit einer staatsmäßig geplanten und geleiteten Produktion
sehr häufig auf den Einwand, daß durch die Vollkommenheit des militärischen Wunderwerks ein schlagender Gegenbeweis erbracht sei.
Natürlich wird dabei übersehen, daß gerade
dieses Wunderwerk selbst nur das Erzeugniß einer aus der freien Arbeits-
und Denkthätigkeit der Millionen hervor
gegangenen Kultur ist und nicht diese Kultur ernährt, sondern von ihr ernährt und erhalten wird, keine Spanne Zeit hin
durch anders als auf dem Boden und auf Kosten einer solchen Kultur bestehen könnte.
Aber das von der großen
Wirkung betroffene Auge sieht nur diese Wirkung, und der innere
Zusammenhang kommt nicht zum Bewußtsein.
Dies um so
als dank der Allgegenwart, mit welcher die Heeres einrichtung das ganze Leben der Nation umspannt und
mehr,
durchdringt, das Denken in dem breitesten Umfang selbst
von dessen Geist durchzogen wird. gesellschaftliche Sitte
den
Hat doch sogar die äußere
zähen Provinzialgeist
auf
dem
Wege der militärischen Propaganda unifizirt! Die süddeutsche Formlosigkeit hat sich den festeren norddeutschen Ergebenheits
formen gefügt, ohne Zweifel auf dem Wege der Uebertragung durch den Osfizierton.
Die „gnädige Frau" und die „ge
segnete Mahlzeit" und das
Sichselbstvorstellen verdanken
offenbar dieser Fortpflanzungsart ihr siegreiches Eindringen bis in die kleinen Kreise der bayerischen und schwäbischen
Landstädtchen.
Die harte Zucht des preußischen Soldaten
staates hat dessen bürgerlicher Gesellschaft den Stempel des befohlenen, uniformen, wohlgemeinten aber steifen Anstandes
aufgedrückt, und dieser ist mit der Reichseinheit auf das größere Gebiet der Nation, wenn auch nicht gleichmäßig
nach allen Seiten hin, übergetreten.
Eine Kleinigkeit zwar,
aber eine symptomatische für Größeres; sie läßt durchblicken,
31 wie die Mechanisirung des allgemeinen Denkens und Ver haltens von einer bestimmten Mitte und mit bestimmten
Mitteln mächtig geworden ist,
gewiß
vielfach auch zum
Vortheil des Einzelnen und des Ganzen, aber belastet mit der Anlage zu mißverstandener Anwendung in der Hebet«
tragung auf andere vitale Gebiete der Gesellfchaftsfunktionen. Die Wohlthat, die zur Plage werden kann, befchränkt sich
hier nicht auf das Militärische im engeren Sinne. preußische Beamte mit feiner
Auch der
unermüdlichen Diensttreue
entstammt dem Ingenium der Soldatenherrfchaft und hat vielleicht schon hier und da die behagliche aber weniger zuver
Aber wie der
lässige Gemächlichkeit des Südens überarbeitet.
Mechanismus des Heeres die Verführung zum Glauben an
die Mechanisirung der Produktion gefördert hat, so konnte auch nur unter der Voraussetzung einer so streng arbeitenden
Beamtenschaft der
Wirthschastsleben
in
die
Maschine zu zwängen.
Bande
einer
produktive
büreaukratifchen
Die freien Berufsgenossenschaften
haben bei dem ersten Tasten versagt.
dem staatlichen Apparat versucht. in einem anderen Lande
das
aufkommen,
Gedanke
Jetzt wird es mit
Schon der Versuch wäre
undenkbar.
Bei uns
kann
er
äußerlich in ersten Anfängen gelingen, was ein unglückliches Glück wäre.
Es liegt nur zu sehr in der Art des menschlichen
Geistes, patz er in gegebener Zeit immer nur nach einer ge gebenen Richtung hinsteuert.
Das gilt aber in besonders
hohem Grade für den Geist der Gesammtheiten. Schon das dazu unentbehrliche Zusammenstimmen macht die Einseitigkeit zur Grundbedingung. Für die Aufnahme und Ausgleichung von Gegensätzen ist hier kein Raum.
Man darf sich nicht
wundern, daß die in so raschem Tempo vollzogene Errichtung
des Deutschen Reiches und sein gewaltiges, einer wahrlich widerstrebenden Außenwelt aufgedrungenes
Ansehen,
und
die Art, wie es durch die Initiative eines einzigen,
alle
32 Anderen weit überragenden Mannes zu Stande gebracht
wurde, über den Geist der Nation für diese Zeit eine un widerstehliche
Die so lange staatlose
Macht erlangt hat.
und zum Aschenbrödel unter ihren Schwestern gewordene deutsche Nation sieht ihr Reich plötzlich auf die Höhe der
furchtgebietenden Macht erhoben und bewundert sich in dem neuen Staatsgebilde und in dem Begründer derselben, sieht in beiden das A und das O alles Gelingens, traut daher
dem Staat und dem Mann Alles zu, verwirft, was sich von ihm entfernt oder gar ihm entgegenstellt. Und. der Mann, der diesen Triumph in sich verkörpert, fühlt sich doppelt und
So wirkt
dreifach versucht, diese Einseitigkeit zu stärken.
Alles zusammen, die Staatsallmacht als das höchste aller
Da Blindheit und Leidenschaft
Güter erscheinen zu lassen.
sich willig zur Einseitigkeit gesellen, reckt sie ihre Fangarme
immer
weiter aus,
wird
Alles
nicht von ihr bestricken läßt. der
Verachtung
Arbeit
des
alles
Da
scheinbar deutsche
Fürsten und
heimathlose
solchen
Feldherren
Adelige)
erleichtert
die
und
Abstoßens
im
Die Fehler der Vergangenheit
Tendenzen
ihre
(Niemand
mehr
dem
Kondottiere
gepaart,
Absperrens
Innern wie nach Außen.
geben
Höhe des Selbstgefühls, mit
Anderen
feindseligen
was sich
ausgeschieden,
Ausland
gewesen,
da
Berechtigung. als
deutsche
Jahrhunderte
deutsche
lang
Bildung
zweihundert Jahre lang ausländischen Mustern gefolgt ist, so soll das Uebermaß der ehemaligen Unselbständigkeit und Weltbürgerlichkeit jetzt
durch das entgegengesetzte Extrem kurirt werden; an der Verachtung und Ausschließung alles
Fremden soll das neue Nationalgefühl zu einer Flamme entzündet werden, die nur da hoch und herrlich lodert, wo alles
andere
an Gefühl und Erkenntniß von
ihr aufge
zehrt wird. Und es wäre noch nicht am schlimmsten bestellt, wenn
dieser eine, einzige, überlegene, eifersüchtige Staatsgott auch
33 nur bind) einen einzigen Propheten zu den Gläubigen spräche. Denn die Klugheit, welche, selbst ohne Verblendung noch Leidenschaft, diese letzteren nur als Werkzeuge
gebraucht,
weiß ab- und zuzugeben, dämpft je nach den Bedingungen der Lage bald da bald dort das Uebermaß des Fanatismus,
wägt im einzelnen Falle ab, wo an Stelle von Drohung
und
Trotz,
Lockung
und
Wohlwollen
zu
zeigen
ist.
Und da der Geist der Gefolgeschaft zur höchsten Voll kommenheit des Gehorsams mechanisftt ist, so werden die
Bewegungen
Präzision
rück-
und
seitwärts
mit
derselben
auf jeden Wink ausgeführt wie die Angriffe.
Aber selbst wenn es Einseitigkeiten gäbe, die durchaus gut
wären, könnte auch die größte Meisterschaft sich nicht ver messen, sie vor der Ausartung ins Schlechte zu bewahren. Geschweige denn trifft dies für Einseitigkeiten von so ge
mischter Art wie die geschilderten zu.
Leitung,
Die Klugheit der
auch die verfeinertste, behält die heftigen Triebe
nicht in ihrer Hand.
Thorheit und Falschheit fühlen sich
mächtig angezogen von dieser Brutstätte der Leidenschaften, werfen sich ins Gewühl und ziehen bald einen Theil der
Macht an sich; spotten selbst der Autorität, unter deren Gunst sie anfänglich ausgezogen.
Nun findet die Kunst,
zu verfolgen und zu verfehmen, ihre Meister, die zu Gegnern
werden.
Es wird Haß und Aechtung ausgebrütet nicht nur
weil sie zur Staatsraison verwendbar erscheinen; aus dem
Mittel zum Zweck wird Selbstzweck und Genuß.
bezeichnend,
Ist es doch
daß bereits Ohr und Herz der studirenden
Jugend denen folgt, welche von ihrem ehemals liberalen
Teutonismus sich bis in das Lager der frömmsten und
finstersten Ultra's hinein verloren haben, weit hinaus über
die Grenze offizieller Jnspiraüon.
Ganz neuerdings ist als
weiteres Symptom aus militärischen Kreisen der Anspruch
erhoben worden, die Popularität des Heerwesens zur Wieder herstellung — oder richtiger — zur Neubefestigung des aristo3
34 kratischen Charakters des Offizierskorps zu verwerthen. Der Erwerb, welcher das Offizierskorps ernähren mutz, soll von diesem als gemeiner Beruf verachtet werden. Ganz konse quent allerdings. Was im Lauf der Zeiten aus diesem sich eben vorbereiten den Zwiespalt zwischen der rein autoritären Staatsallmacht und den sich von ihr emanzipirenden rein reaktionären Richtungen werden soll, liegt im Dunkel der Zukunft ver borgen. Wenn man wählen mutzte, die Wahl zwischen beiden wäre schwer zu treffen. Denn wenn gegenwärtig noch die mit Klugheit und Sättigung geleitete Autorität dem Fanatismus schlechthin reaktionärer Streberei vorzu ziehen ist, so darf nicht übersehen werden, dah auf jene jetzt noch vorzuziehende Autorität in direkter Nachfolge ein Epigonenthum kommen würde, welches von der ererbten Weisheit nur die gröberen Handgriffe einer nichts weniger als evangelischen Methode in sich ausgenommen zu haben scheint. Was aber da auch komme, die Mechanisirung der Geister und der Glaube an die Kraft des Mechanismus würde allen falschen Autoritäten einen erklecklichen Vorsprung geben. Der Staatssozialismus hat nicht umsonst sich die Gunst erobert, die ihn jetzt auf seiner Höhe erhält. Abge sehen von der Zauberkraft, die er mit seinen WohlfahrtsVerheitzungen auf die Köpfe ausübt, schlägt er die Gesellschaft in immer festere Bande und fetzt die sozialistischen Stich wörter so in gesetzlichen Umlauf, daß jede Rückkehr zur freien Bewegung erschwert, das rasche Vordringen zu wirk lich sozialistischen Experimenten der Versuchung nahe gerückt erscheint. Die beste und zugleich die schlechteste Rechtferti gung für die endlose Verlängerung der Ausnahmegesetze liegt in dem Nimbus, welchen die Staatsautorität selbst um den sozialistischen Gedanken verbreitet hat. Der Staats sozialismus, der sich zwar theoretisch als ein Ganzes gibt, aber in ‘bet Ausführung natürlich noch nicht einmal bis zur
35
Halbheit zu kommen gedenkt, kann sich nur als soziales Regiemngsmonopol halten, schließt die Mitarbeit eines freien Volkes aus und wird daher den Freiheitssinn der besitzenden Klassen immer mehr untergraben. Unter dem Banne des sozialistischen Bekenntnisses, aus dem sie sich nicht erlösen können, wird ihnen ganz natürlich die Freiheit der Bewe gung, wegen ihrer Konsequenzen, gefährlich. Daher sehen wir die Freiheit überhaupt schon jetzt als ein Gut ange zweifelt, zurückgesetzt, noch nicht ganz mit Worten ver leugnet, aber bereits ganz mit dem Herzen. Es geht mit der Freiheit wie mit dem Glauben und mit der Liebe. Wer erst anfängt, über die Ursachen und den Vortheil zu reflektiren, dem ist sie bereits dahin. Wenn sie schon, auch nur schlechthin utilitarisch gedacht, ein Gut vom höchsten Werth ist, wird sie doch nie da festsitzen, wo sie nicht um ihrer selbst willen als das edelste Besitzthum geschätzt und geliebt wird, als der einzige wahre Adel mensch lichen Wesens. Der Verstand hält nichts fest, was nicht in der Empfindung wurzelt. Der Sozialismus ist der Freiheit größter Feind, und der Staatsfozialismus unseres feudalmilitärischen deutschen Staates ist ihr allergrößter. Er greift sie von oben und von unten zugleich an, zwingt zur Gewaltregierung von oben und vernichtet den besten schöpferischen Trieb im Individuum. Nicht-Einen Tag könnte die Menschheit existiren ohne die Kraft, mit welcher sich der Einzelne erhält und fördert. Das Räthsel der Erhaltung und Weiterentwicklung der Völker, trotz so vieler Mißregierung in stet wie in unfrei regierten Ländern, liegt nur darin, daß jeder der Millionen Einzelnen durch das, was er für sich thut, so viel zum Ge. deihen des Ganzen beiträgt, daß die Summe der individuellen Leistungen die Arbeit des Regierens und Gesetzgebens in ihren guten wie in ihren schlechten Folgen millionenfach aufwiegt. Der Kultus des Genius und des Heroenthums
3*
36 selbst, auf dessen Altar die Anbeter der Staatsallmacht die Freiheit des Individuums opfern, ist doch nur eine Art der Huldigung an dieselbe Kraft, die im Einzelnen lebt; und der Genius und das Heroenthum der Millionen Einzelner,
sie sind zwar in jedem, einzeln genommen, kleiner, aber von derselben Art, wie die des Helden.
Sie allein sind das
wahrhafte Lebensprinzip des Ganzen. An der Verkennung dieser Wahrheit leidet unser heutiges Geschlecht, und was das schlimmste ist, die obere Schichte
des Nährstandes selbst, die sich damit am meisten an ihrem eigenen Lebensprinzip versündigt. danach als sie danach denkt.
Noch handelt sie weniger
Aber die Gedanken setzen sich
allmählich in Thaten der Gesetzgebung zunächst, dann der
Sitte
und zuletzt der Empfindung um.
Es könnte nicht
ausbleiben, daß ein Volk, welches sich in allen Stücken der Mechanisirung seiner Kräfte hingäbe, immer mehr zurück ginge.
Ob solche Geschicke, >die unter elementaren Ein
wirkungen sich erfüllen, durch Einsicht und Einkehr, durch
Erfahrung und Schaden abgewendet werden können, wer Das Erstaunliche ist nur, daß im
vermag es zu fagen?
„Volk der Denker" so wenig Ahnung aufkommt von dem, was im Schoß seines innersten Seins und Werdens vor
geht und sich bereitet.
Die Kation. Wochenschrift für Politik, Volkswirthschaft und Litteratur. Herausgegeben von Dr. Th. Barth. Die „Nation" besteht seit Oktober 1883. Die „Nation" ist politisch freisinnig, sie nimmt Partei gegen den Staatssozialismus und tritt für die Erwerbefreiheit ein. Die „Nation" bringt ausschließlich Originalartikel von hervorragenden Politikern, Schriftstellern, Gelehrten; regelmäßige orientirende kritische Uebersichten über politische, volkSwirthschastliche, parlamentarische, künstlerische, litterarische Vorgänge; historische und philosophische Essais; Besprechung wissenschaftlicher Tagesfraaen; Theater-Kritiken; satirische Glossen zur Zeit« geschichte; internationale Zeitschristen-Revue; Beiträge ausgezeichneter ausländischer Publizisten; Bücherbesprechungen. Ueber die Verhandlungen des Deutschen Reichstags und des Preußischen Land
tags erscheinen während der Sessionen allwöchentlich aus der Feder hervorragender Parlamentsmitglieder Berichte, in denen das Wesentlichste der parlamentarischen Vorgänge gesichtet und kritisch gewürdigt den Lesern der „Nation" geboten wird. Bisher haben neben dem Herausgeber größere Aussätze unter ihrem Namen in der „Nation" publizirt: die Reichstagsabgeordneten Bamberger — Vaumbach — M.
Broemel — Bulle — Goldschmidt — Hänel — Alexander Meyer — Munckel — Rickert — Schrader — A. Traeger - Virchow — F. Witte (Rostock», ferner die Herren: Prof. Carl Abel - Hofrath Aldenhoven (Gotha) - Harry Alis (Paris) - A. Baigntzres (Paris) — Fredrik Bajer, Mitgl. des Volksting (Kopenhagen) — Geh. Juftizrath Prof. L. v. Bar — Prof. Felice Barnabei (Rom) — Anton Bettelhcim (Wien) — Ponltncy Bigelow (Rew-Aork) — Reg.-Rath a. D. Bofsart (Hannover) — O. Brahm — Karl Braun-Wiesbaden — Prof. G. Brngfch — Georg v. Bunsen (Berlin) — Th. von Bunsen (Heidelberg) — l>r. W. Dietrich — Dr. H. Dohrn (Stettin) — I>r. Jul. Dnboc (Dresden) — Stadtsyndikus Eberty, M. d. Pr. Abg.-H. — Geh. Qber-Reg.-Rath a. D. Dr. E. Engel - Charles Ephrussi (Paris) — Ludwig Fulda (München) — E. Fitger - Dr. Aug. Förster (Wien) — Dr. E. Friedemann — Prof. A. Furtwängler (Berlin) - Prof. L. Geiger (Berlin) — Prof. Georg von Gizycki — Dr. Paul von Gizycki — Prof. Th. Gomperz (Wien) — Prof. R. Gosche (Hallea. S.) — Dr. R. Grelling — Prof. S. Günther (München) — M. Harden — A. Herzog (Freiburg) — Hugo Hinze — Prof. O. Hirschfeld — Prof. H. v. Holst (Freiburg) — Heinrich Homberger (Florenz) — Juftizrath Horwitz — Pros. H. Janitschek (Straßburg) — L. Kicschke M. d. Pr. Abg.-H. — Gnllav Koerner (Belleville Jll.) — Dr. med. H. Knrella (Allenberg) — A. Lammers — Prof. K. Laßwitz (Gotha) — Dr. I. Lippert, Mitgl. d. ösierreich. ReichSrathS (Kundratitz) — Juftizrath H. Makower — Fritz Mauthner — A. Milner (London) — Prof. Theod. Mommsen — F. C. Montagne (London) — Prof. H. Mors (Bern) — Al. Moszkowski — Dr. P. Nathan — Dr. Neudecker (Würzburg) — Prof. M. v. Pettenkofer (München) — F. C. Philippson — Hodgson Pratt (London) — Dr. H. Preuß — Pros. I. Rosen thal (Erlangen) — Rourel (Paris) — Dr. Paul Schlenther — Kammergerichtsrath H. Schroeder — Dr. theol. M. Schwalb (Bremen) — E. Schiff — Rechtsanwalt E. Sello — F. Smit-Kleine (Maarsen) — Prof. H. Steinthal (Berlin) — Pros. l>r. A. Stern (Zürich) — Prof. James Stuart, Milgl. d. englischen Unterhauses (Cam bridge) — F. Thorwart (Frankfurt a. M.) — Henry Villard (Rew-Bork) — Prof. Mar v. Waldberg (Heidelberg) — Dr. Mar Weigert (Berlin) — Prof. Weinhold — Prof. Karl Werder (Berlin) — I. V. Widmann (Bern) — N. M. Witt — Dr. O. Wolff (Stettin) — Pastor H. Ziegler (Liegnitz) u. A. Der Preis beträgt für ganz Deutschland und Oesterreich-Ungarn pro Jahr 15 Mark (pro Quartal 3,75 Mark), im Weltpostverein pro Jahr 16 Mark (pro Quartal 4 Mark), einerlei ob die „Nation" durch die Post oder durch den Buchhandel oder direkt unter Kreuzband von der Expedition dezogen wird. Die „Ration" ist im Postzeitungs-Katalog pro 1889 unter Nr. 4018 eingetragen. Probe - Abonnements für einzelne Monate nimmt bei Einsendung von 1,25 Mark die Expedition entgegen. Probe-Exemplare gratis. Auf Wunsch schicken wir dieselben auch gratis an aufgegebene Adressen.
Expedition der „Nation". H. S. Hermann, Berlin SW., Beuthstraße 8.
Verlag von Rosenbaum & Hart in Berlin W. 5)7.
Die Nachfolge Bismarcks. Von
Ludwig Bamberger. Sechste Austage.
gr. 8°.
43 Seiten.
Preis 80 Pf.
National. Von
Ludwig Bamberger. Zweite Austage.
gr. 8°.
22 Seiten.
Preis 60 Pf.
Vorschläge zur
praktischen Kolonisation in
Ost-Afrika von
Joachim Graf Pfeil. gr. 8°. 79 Seiten. Preis Mk. 1,20.
Was uns fehlt, politische Anregungen von
DT. Hugo Preuß. gr. 8°.
36 Seilen.
Preis 60 Pf.
Frirdenspräsrn; und Keichsvrrsassung Eine staatsrechtliche Studie von
Dr. Hugo Preuß. Zweite Auflage.
8°.
97 Seiten.
Preis Mark 1,50.