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German Pages 896 [900] Year 1998
Der Westfälische Friede
HISTORISCHE ZEITSCHRIFT Beihefte (Neue Folge) Herausgegeben von Lothar Gall Band 26
R. Oldenbourg Verlag München 1998
Heinz Duchhardt (Hrsg.)
Der Westfälische Friede Diplomatie - politische Zäsur kulturelles Umfeld - Rezeptionsgeschichte
Redaktion Eva Ortlieb
R. Oldenbourg Verlag München 1998
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme [Historische Zeitschrift / Beihefte] Historische Zeitschrift. Beihefte. - München : Oldenbourg Früher Schriftenreihe. - Früher angezeigt u.d.T.: Historische Zeitschrift / Beiheft Reihe Beihefte zu: Historische Zeitschrift ISSN 0342-5363 N.F., Bd. 26. Der Westfälische Friede. - 1998
Der Westfälische Friede: Diplomatie - politische Zäsur - kulturelles Umfeld Rezeptionsgeschichte / Heinz Duchhardt (Hrsg.). - München : Oldenbourg, 1998 (Historische Zeitschrift : Beihefte ; N.F., Bd. 26) ISBN 3-486-64425-4 (brosch.)
© 1998 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und die Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf, München Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht) Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München (Erscheint auch gebunden mit der ISBN 3-486-56328-9) ISBN 3-486-64425-4
Inhalt Vorwort
IX
I. Der Westfälische Friede als Epochenereignis Heinz Schilling Der Westfälische Friede und das neuzeitliche Profil Europas
1
Heinhard Steiger Der Westfälische Frieden - Grundgesetz für Europa?
33
Johannes Burkhardt Auf dem Wege zu einer Bildkultur des Staatensystems. Der Westfälische Frieden und die Druckmedien
81
Winfried Schulze Pluralisierung als Bedrohung: Toleranz als Lösung. Überlegungen zur Entstehung der Toleranz in der Frühen Neuzeit . . . .
115
II. Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte Leopold Auer Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den Westfälischen Friedensverhandlungen und ihre Umsetzung
143
Konrad Repgen Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 - ein befristetes Agreement
175
Paul Sonnino Prelude to the Fronde. The French Delegation at the Peace of Westphalia
217
Luden Bely The Peace Treaties of Westphalia and the French Domestic Crisis . . . .
235
Maria Victoria Löpez-Cordön Cortezo La paix occulte: propagande, information et politique autour de Westphalie
253
VI
Inhalt
Fernando Sánchez-Marcos The Future of Catalonia. A sujet brúlant at the Münster Negotiations . .
273
Pedro Cardim „Portuguese Rebels" at Münster. The Diplomatic Self-Fashioning in mid-17th Century European Politics
293
Horst Lademacher „Ein letzter Schritt in die Unabhängigkeit" - Die Niederländer in Münster 1648
335
Sven Lundkvist Die schwedischen Friedenskonzeptionen und ihre Umsetzung in Osnabrück
349
Michael Bregnsbo Denmark and the Westphalian Peace
361
Peter Stadler Der Westfälische Friede und die Eidgenossenschaft
369
István Hiller Feind im Frieden. Die Rolle des Osmanischen Reiches in der europäischen Politik zur Zeit des Westfälischen Friedens
393
Henryk Wisner Die Adelsrepublik und der Dreißigjährige Krieg
405
Lyudmila Ivonina The Results of the Thirty Years' War in Russia and Ukraine and the Pereyaslave Treaty of 1654
413
Ronald G. Asch Die englische Republik und die Friedensordnung von Münster und Osnabrück
421
III. Der Westfälische Friede und das Reich Miroslav Hroch/Ivo Bartecek Die Böhmenfrage im Dreißigjährigen Krieg
447
Inhalt
VII
Dieter Albrecht Bayern und die pfälzische Frage auf dem Westfälischen Friedenskongreß
461
Peter Baumgart Kurbrandenburgs Kongreßdiplomatie und ihre Ergebnisse
469
Herbert Langer Die pommerschen Landstände und der Westfälische Friedenskongreß . 485 Klaus Malettke Scheffers Gesandtschaft in Osnabrück: „Stände seyn nicht nur Räthe, die man hören, sondern deren Räthen man auch folgen müsse"
501
Rainer Postel Zur „erhaltung dem commercien und darüber habende privilegia". Hansische Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß
523
Ulman Weiß „So were in puncto Jmmedietas civitatis das müglichste zu tun". Die Erfurt-Frage auf dem Westfälischen Friedenskongreß
541
Rudolf Endres Die Friedensziele der Reichsritterschaft
565
IV. Krieg und Frieden: zum Militärwesen des 17. Jahrhunderts Bernhard Sicken Der Dreißigjährige Krieg als Wendepunkt: Kriegführung und Heeresstruktur im Übergang zum miles perpetuus
581
Bernhard R. Kroener „Der Krieg hat ein Loch...". Überlegungen zum Schicksal demobilisierter Söldner nach dem Dreißigjährigen Krieg
599
V. Kulturelles Umfeld und Rezeptionsgeschichte Bernd Roeck Die Feier des Friedens
633
VIII
Inhalt
Katrin Keller Das „eigentliche wahre und große Friedensfest... im ganzen Sachsenlande". Kursachsen 1648 bis 1650
661
Klaus Garber Sprachspiel und Friedensfeier. Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts auf ihrem Zenit im festlichen Nürnberg
679
Frank Fehrenbach „Discordia concors". Gianlorenzo Berninis „Fontana dei Quattro Fiumi"( 1648-51) als päpstliches Friedensmonument
715
Malgorzata Morawiec Die schlesischen Friedenskirchen
741
Bernd Mathias Kremer Die Interpretation des Westfälischen Friedens durch die „Schulen" des Jus Publicum
757
Antje Oschmann Johann Gottfried von Meiern und die „Acta Pacis Westphalicae publica"
779
Bernd Schönemann Die Rezeption des Westfälischen Friedens durch die deutsche Geschichtswissenschaft
805
Hugo de Schepper/Jan de Vet Das Gedenken anläßlich des Friedens von Münster 1748 und 1948. Kultur der Erinnerung und des Vergessens in den Niederlanden
827
Heinz Duchhardt Münster und der Westfälische Friede - Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur im Wandel der Zeiten
853
Die Autoren
865
Bildnachweis
867
Abkürzungsverzeichnis und Zeitschriftensiglen
869
Personenregister
873
Vorwort Vom 27. Oktober bis 2. November 1996 fand in Münster im Rahmen eines ganzen „Pakets" von Veranstaltungen zur Erinnerung an den Abschluß des Westfälischen Friedens vor 350 Jahren die erste von zwei wissenschaftlichen Konferenzen statt, die der Genese, dem Ablauf, den Teilnehmern, den Ergebnissen und der Rezeption des Westfälischen Friedens im engeren Sinn gewidmet war. Die Vorlaufphase, die Durchführung und die Nachbereitung dieses Kongresses wurden von der Veranstaltungsgesellschaft „350 Jahre Westfälischer Friede" finanziert, wofür auch hier herzlich gedankt sei. Die vorliegende Publikation dokumentiert die Münstersche Konferenz. *
Auch wenn die einwöchige Veranstaltung im Herbst des vergangenen Jahres, an der weit über 100 Fachleute aus ganz Europa und den USA teilnahmen, Raum genug bot, um annähernd 50 Referentinnen und Referenten zu Wort kommen zu lassen, verstand es sich von selbst, daß Schwerpunkte ausgewählt werden mußten. Ein mehrjähriger Gesandtenkongreß, an dem fast ganz Europa beteiligt war, der eine verläßliche Verfassungsordnung für das Heilige Römische Reich zu erarbeiten hatte, von dem zumindest Spielregeln für das künftige Nebeneinander der europäischen Staaten erwartet wurden, der als bisher größte Diplomatenversammlung dieser Art in vielfacher Hinsicht - Protokoll, Zeremoniell, Völkerrecht usw. - Standards zu formulieren und zu praktizieren hatte, der auch ein soziales und kulturelles Ereignis war - ein solches Ereignis konnte auch in einer Woche nicht nach allen Seiten hin ausgeleuchtet, nicht in allen seinen Facetten erfaßt werden. Selbstverständlich war, die Kongreßpolitik und -diplomatie der beteiligten Hauptmächte - Kaiser, Frankreich, Schweden, Spanien, Niederlande - von ausgewiesenen Fachleuten darstellen zu lassen. Von den übrigen europäischen Gemeinwesen - von Portugal bis Polen und Rußland, um die geographische Spannweite anzudeuten - wurden die wichtigsten erfaßt, wiewohl nicht alle direkt oder indirekt in das Kongreßgeschehen involvierten Staatlichkeiten behandelt werden konnten. In hohem Maß bedauerlich war, daß es trotz vielfacher Bemühungen nicht gelang, für den Münsterschen Kongreß die Politik der beiden Friedensvermittler aufarbeiten zu lassen. Bei den deutschen Fürstenstaaten und den sonstigen Zutritt erlangenden politischen Einheiten - Städte, Reichsritterschaft, Hanse usw. - mußte eine knappe Auswahl getroffen werden, die sich in erster Linie nach dem politischen Gewicht des Teilnehmers bemaß, aber auch von den Personen abhängig war, die als potentielle Referenten zur Verfügung standen.
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Vorwort
Ähnliches läßt sich auch für die anderen Ebenen sagen: Bei den Sachthemen - den religionsrechtlichen, den verfassungspolitischen, den wirtschaftlichen usw. - konnten nur wenige im systematischen Zugriff vorgestellt werden. Auch wenn beispielsweise soziale und kulturelle Aspekte von Krieg und Friedensschluß in einer ganzen Reihe von Beiträgen behandelt wurden, mußte der Kongreß selbst als ein soziales und kulturelles Ereignis fast völlig unbeleuchtet bleiben. Die notwendigen Verzichte wurden jedoch aufgewogen durch eine Fülle von Neuland betretenden Studien, von denen die völkerrechtsgeschichtlichen, die zur unmittelbaren Wirkungsgeschichte und die zur Rezeptionsgeschichte des Friedens hier besonders hervorgehoben werden sollen. In der Bewertung des Ereignisses von 1648 im historischen Kontext und der Präsentation und Aufarbeitung neuen Quellenmaterials hat der Kongreß Akzente gesetzt, die auch die zukünftige Forschung befruchten werden. *
Bei der Dokumentation von Großveranstaltungen wie dem Münsterschen Jubiläumskongreß muß der Verantwortliche immer damit rechnen, daß Referenten ihre Beiträge nicht termingerecht zur Verfügung stellen können oder aus anderen Gründen davon Abstand nehmen, ihren Vortrag druckfertig zu machen. Besonders schmerzlich ist dieser Verzicht, wenn damit ganze Bereiche, die auf einer Konferenz behandelt wurden, wegbrechen. In unserem Fall betrifft das u.a. die Musikgeschichte und die Rechtsgeschichte im engeren Sinn. Um so mehr ist allen Beiträgern, die mehr oder weniger termingerecht ihre Manuskripte zur Verfügung stellten, zu danken. Die Anordnung der Beiträge spiegelt nicht den Konferenzablauf wider. Die damals gehaltenen öffentlichen Vorträge - Duchhardt, Schilling, Schulze wurden in den jeweiligen Sachzusammenhang integriert, ein quellenkundlicher Beitrag, der auf dem Kongreß nicht zum Vortrag kommen konnte, trat hinzu, im wirkungs- und rezeptionsgeschichtlichen Block wurde aus sachlogischen Gründen einiges umgestellt. Verwiesen werden soll hier zudem darauf, daß die (um den wissenschaftlichen Apparat entlasteten) öffentlichen Vorträge gemeinsam mit den bei der Eröffnung des Kongresses gehaltenen Ansprachen - unter anderem des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Dr. h.c. Johannes Rau und der niedersächsischen Wissenschaftsministerin Helga Schuchardt von der Veranstaltungsgesellschaft auch separat publiziert worden sind. Mein Dank gilt aber nicht nur dem Geldgeber und den Autoren, sondern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines früheren Lehrstuhls an der Westfälischen Wilhelms-Universität für die organisatorische und logistische Betreuung und Abwicklung des Kongresses sowie nicht zuletzt der Redakteurin dieses Bandes. Frau Eva Ortlieb M.A. hat mit großem Fingerspitzengefühl und einer
Vorwort
XI
entsprechenden Sachkompetenz alle Manuskripte einer kritischen Durchsicht unterzogen und redaktionell bearbeitet; ich denke, es gibt kein Manuskript, das nicht von ihrer Akribie und sprachlichen Kompetenz profitiert hätte. Ihr gilt mein ganz besonderer Dank. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag verlief gewohnt harmonisch und reibungslos. Das vorliegende Buch erscheint in zwei Ausgaben: Herrn Kollegen Lothar Gall/Frankfurt am Main bin ich dankbar, daß er der Aufnahme des Bandes in die Reihe der Beihefte der Historischen Zeitschrift zustimmte. Die gebundene Ausgabe ist mit der kartonierten textgleich. Das Jubiläum des Westfälischen Friedens hat bereits eine Reihe gewichtiger Untersuchungen und Publikationen hervorgerufen, viele werden noch folgen. Der Herausgeber hofft und ist zugleich überzeugt davon, daß dieser Kongreßband über den Tag und den Anlaß hinaus seinen Platz in der Forschungslandschaft finden und behalten wird. Mainz, im Dezember 1997
Heinz Duchhardt
I. Der Westfälische Friede als Epochenereignis
Der Westfälische Friede und das neuzeitliche Profil Europas* Von
Heinz
Schilling
Die makrohistorische Themenstellung meines Beitrags liegt quer zur gegenwärtigen Methoden- und Theoriendebatte in der Geschichtswissenschaft, die die Alltags- und Kulturgeschichte favorisiert. Doch wagen wir die Nagelprobe auf den postmodernen Methodenpluralismus, der ja wohl auch die strukturund entwicklungsgeschichtliche Perspektive einschließen muß, will er sich nicht selbst ins Unrecht setzen. Zudem verlangt bereits die schlichte Tatsache, daß der 350jährigen Wiederkehr der Osnabrücker und Münsteraner Friedensschlüsse durch zahlreiche großangelegte, medial breit gefächerte Veranstaltungen - bis hin zur großen, 1998 am Jahrestag des Friedensschlusses zu eröffnenden Europaratsausstellung - gedacht wird, nach einer solchen Perspektive, soll der Aufwand denn mehr als Amüsement und Spektakel bringen. „Der Westfälische Friede und das neuzeitliche Profil Europas" - diese Themenstellung markiert ein doppeltes Problem: Zum einen hebt sie darauf ab, daß der Dreißigjährige Krieg und die ihn abschließenden Friedensverträge ein Produkt jenes Prozesses tiefgreifender Wandlungen waren, den wir seit Erich Hassinger das Werden des neuzeitlichen Europa nennen.1) Zum anderen beinhaltet der Titel die These, daß Charakter und Gestalt des neuzeitlichen Europa bis in die Gegenwart hinein durch das Friedenswerk von 1648 mitgeprägt wurden, aber auch durch die bittere Erinnerung an das von ihm beendete Ringen der Mächte und Konfessionen sowie durch die Erfahrungen, die die europäischen Politiker während der langwierigen und schwierigen Verhandlungen gemacht haben. Aus dieser Doppelperspektive ergibt sich eine Zweiteilung meines Beitrags: Auf der Basis einiger allgemeiner Überlegungen über das * Zum Abdruck kommt der Text des Vortrags, erweitert lediglich um wenige, aus Zeitgründen nicht vorgetragene Passagen sowie um einige Bemerkungen, die Verbindungen zu anderen Beiträgen dieses Bandes herstellen. Auf Vollständigkeit in den Anmerkungen wurde verzichtet, um angesichts des weitausgreifenden Themas nicht ins Uferlose abzudriften. Die allgemeine Literatur zum Westfälischen Frieden läßt sich jetzt leicht greifen: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/ Matthias Schnettger. Münster 1996. Für in der Berliner Situation unentbehrliche Hilfe bei der Literaturbeschaffung danke ich Marie-Antoinette Gross, Lars Behrisch und Michael Sühnel. ') Erich Hassinger, Das Werden des neuzeitlichen Europa, 1300-1600. 2. Aufl. Braunschweig 1964.
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Der Westfälische Friede als
Epochenereignis
seit der Antike sich ausprägende Profil Europas arbeitet der erste Teil jene Kardinallinien der werdenden europäischen Neuzeit heraus, die sich in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts zum ersten großen europäischen Krieg verdichteten (I). Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Vorbedingungen des schließlich eingeschlagenen Weges zum Frieden sowie mit dessen längerfristigen Wirkungen für Europa und seine historisch-politische Kultur (II).
I
Wir sehen heute das neuzeitliche Profil Europas nicht mehr als Produkt eines plötzlichen revolutionären Umbruchs, der gleichzeitig mit der angeblich in der Reformation aufgebrochenen religiösen und geistigen Freiheit einen linearen Aufschwung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte freisetzte.2) Zwar ist es weiterhin Konvention, die Neuzeit mit dem 16. Jahrhundert beginnen zu lassen. Die Spätmittelalterforschung hat uns aber gelehrt, daß der in diesen Jahrhunderten sich beschleunigende Wandel langfristig angelegt war und durch eine Reihe von Haupt- und Kardinalprozessen bestimmt und vorangetrieben wurde.3) Darüber hinaus läßt ein interzivilisatorischer Vergleich allgemeine Charakterlinien hervortreten, die in den ganz frühen Strukturen des europäischen Typus der Vergesellschaftung angelegt waren.4) In dieser makrohistorischen Perspektive lassen sich Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede als wesentliche Teile beziehungsweise Ausdrucksformen des Vergesellschaftungstypus Europa und des mit ihm korrelierenden langfristigen Grundsatzwandels begreifen. 2
) Vor allem Mittelalter- und Frühneuzeithistoriker stehen dieser Sicht zunehmend skeptisch gegenüber. Dagegen herrscht sie in Fortsetzung der Max Weber-Tradition bei den Sozialwissenschaftlem gegenwärtig noch vor. Eine kritische Stimme aber bei Hans Joas, Die Modernität des Krieges, in: Leviathan 2 4 , 1 9 9 6 , 1 3 - 2 7 , hier 24, der das dieser Sicht zugrundeliegende „unerträglich selbstgefällige und protestantisch-parteiliche Geschichtsbild" bloßstellt, in der Beurteilung des 16. und 17. Jahrhunderts dann aber selbst das nicht weniger unerträglich arrogante Geschichtsbild der Aufklärung als Maßstab anlegt. 3 ) Für Einzelheiten und Literaturbelege verweise ich auf Heinz Schilling, Die Reformation - ein revolutionärer Umbruch oder Hauptetappe eines langfristigen reformierenden Wandels?, in: Winfried Speitkamp/Hans-Peter Ulimann (Hrsg.), Konflikt und Reform. Festschrift für Helmut Berding. Göttingen 1995, 2 6 - 4 0 ; ders., Reformation - Umbruch oder Gipfelpunkt eines Temps des Réformes?, in: Bernd Moeller (Hrsg.), Reformation als Umbruch. Gütersloh 1997. Zu den europageschichtlichen Ausführungen vgl. ders., Europa und der Norden auf dem Weg in die Neuzeit, in: Europa und der Norden. Bericht über das 7. deutsch-norwegische Historikertreffen in Tromsö vom 02.-04.06.1994. Hrsg. v. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1995, 5 1 - 7 1 . 4
) Zu Theorie und Methodik von Gesellschaftsvergleichen vgl. demnächst Hartmut Kaelble/Jürgen Schriewer (Hrsg.), Gesellschaften vergleichen. Ergebnisse der Forschergruppe „Historisch-sozialwissenschaftlicher Gesellschaftsvergleich" an der Humboldt-Universität Berlin (erscheint bei Peter Lang, Frankfurt am Main).
Schilling, Das neuzeitliche Profil Europas
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Eine solche Betrachtungsweise soll natürlich nicht im Sinne eines biologischen Entfaltungsmodells verstanden werden. Auch impliziert sie nicht die Annahme, der Dreißigjährige Krieg sei unausweichlich oder gar teleologisch in der europäischen Geschichte angelegt gewesen. Ich gehe vielmehr davon aus, daß sich um 1600 durch den erwähnten langfristigen Grundsatzwandel ein Krisensyndrom aufgebaut hatte, das dann - weil es den Politikern und Staatsmännern nicht gelang, seine Ursachen zu beseitigen - den sich dreißig Jahre lang fortzeugenden Krieg hervorbrachte. Ich sehe also aufgrund einer langen Vorgeschichte ausgangs des 16. Jahrhunderts eine in der Mitte Europas konzentrierte Anhäufung von Konflikten und Spannungen und damit eine Disposition zur gewaltsamen Austragung der Gegensätze. Der Ausbruch war aber nicht zwangsläufig, sondern bis zuletzt vermeidbar - wenn die Zusammenhänge erkannt worden wären und vor allem wenn tatkräftige Menschen diesen Erkenntnissen entsprechend gegengesteuert hätten. 5 ) Eine umfassende Abhandlung hätte eine ganze Reihe von langfristigen strukturellen Wirkungszusammenhängen zu untersuchen, die in der einen oder anderen Weise für die europäischen Kriege des frühen 17. Jahrhunderts und die sie beendenden Friedensschlüsse zwischen 1648 und 1660 mitbestimmend waren: So wäre etwa auf die demographischen Rhythmen des alteuropäischen Typs einzugehen und auf die damit zusammenhängende Tatsache, daß für die Zeit um 1600 allenthalben in Europa eine Überbevölkerung festzustellen ist oder zumindest, wie in den dünnbesiedelten Randzonen Skandinaviens, ein außergewöhnlicher Hochstand der Bevölkerung. Die damit zusammenhängenden Ernährungs- und Versorgungsprobleme sowie die Überbesetzung von Gewerben und der allgemeine Mangel an Arbeitsplätzen, wie das etwa für
5
) Diese Kontingenz des Geschehens gilt es vor allem gegenüber der marxistischen Version der These von einer „General Crisis of the 17th Century" zu betonen. Vgl. Trevor Aston (Ed.), Crisis in Europe 1560-1660. Essays from Past and Present 1952-1962. London 1965; Geoffrey Parker/Lesley M. Smith (Eds.), The General Crisis of the Seventeenth Century. London 1978. Dazu korrigierend Henry Kamen, The Iron Century. Social Change in Europe 1550-1660. London 1977, 307 ff.; Helmut G. Koenigsberger, Die Krise des 17. Jahrhunderts, in: ZHF 9, 1982, 143-165. - Ich selbst halte den Begriff „Krise" zur Kennzeichnung der Situation um 1600 für durchaus tragfähig, allerdings ohne die deterministische, aufs Sozioökonomische konzentrierte Komponente, vgl. Heinz Schilling, Aufbruch und Krise. Deutsche Geschichte von 1517 bis 1648. Berlin 1988, 372 ff. Ähnlich auch andere Gesamtdarstellungen der jüngeren Zeit, namentlich Volker Press, Kriege und Krisen. Deutschland 1600-1715. München 1991, 11 f. - In europäischer Perspektive wichtige Ergänzungen bei Luden Bély u.a., Guerre et Paix dans l'Europe du 17e siècle. 2 Vols. 2. Aufl. Paris 1991. - Der Stand der Diskussion zum allgemeinen Bedingungsrahmen des Dreißigjährigen Krieges ist am besten greifbar in Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988. Auf die Aufsätze dieses Sammelbandes, die die im folgenden behandelte Problemkreise berühren - die Staatsbildung (u.a. Bosbach, Mousnier, Elliott, Weber, Lundkvist, Albrecht) ebenso wie die Konfessionalisierung (Repgen, Bireley, Heckel u.a.) - , sei an dieser Stelle pauschal verwiesen.
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Der Westfälische Friede als Epochenereignis
Augsburg 6 ) belegt ist, haben im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts zu der erwähnten Krisenstimmung beigetragen und damit wohl indirekt auch das Handeln und speziell die Konfrontationsbereitschaft der Politiker beeinflußt. 7 ) D e s weiteren wären die sehr langfristig wirksamen Prozesse des Ausgleichs, der Adaptation und Integration zu nennen. Sie hatten eine räumliche und eine soziale Seite. Das war vor allem eine Folge jener noch für die Zeit um 1600 erkennbaren Unterschiede zwischen einem „älteren" und einem .jüngeren" Europa und damit letztlich der über die Zeit der Völkerwanderung hinweg wirksamen lateinisch-römischen Tradition. D i e s e hatte i m Süden und Westen überlegene kulturelle, institutionelle und vor allem rechtliche Ordnungskräfte hervorgebracht, die diesen Teilen Europas einen bedeutenden Vorsprang verschafften, während umgekehrt die von dieser Tradition unberührten oder nur schwach durchdrungenen Regionen im Osten und Norden den Vorteil noch ungehobener Entwicklungsreserven besaßen. 8 ) Damit verbunden kamen als weitere Grundstrukturen der europäischen Geschichte die Existenz wechselnder Vorreitergesellschaften und die ständige Verlagerang der Kraftzentren hinzu. Seit d e m hohen Mittelalter lassen sich in Europa immer wieder Vörreitergesellschaften ausmachen, denen andere nacheiferten, mit denen sie in Konkurrenz traten und die sie niederzuringen trachteten und dies häufig auch
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) Das Augsburg des ausgehenden 16. und des 17. Jahrhunderts nimmt in der Historiographie eine prominente Position ein, weil hier die Quellenlage besonders gut ist. Zuletzt: Gunther Gottlieb/Wolfram Baer/Josef Becker u.a. (Hrsg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984; Bernd Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität. 2 Bde. Göttingen 1989. 7 ) Konrad Repgen hat in einem mündlichen Kommentar zum Manuskript meines Vortrags Bedenken gegen die strukturgeschichtliche Argumentation geltend gemacht. Strukturen könnten nicht handeln, und Ereignisse seien von Strukturen nicht direkt ableitbar. Zahlreiche Gründe führten zu Ereignissen, unter denen die Struktur nur einer sei. - Das ist ein wichtiger Hinweis, der bei der nachfolgenden Argumentation stets im Auge zu behalten ist, auch und vor allem bei der Analyse und Gewichtung des Konfessionellen als prägender Struktur des Zeitalters. Natürlich gehören Beschreibung und Analyse von Strukturen und von Handlungsmotiven beziehungsweise Handlungsabläufen zusammen. Dennoch ist es möglich und sinnvoll, eines der beiden auch einmal getrennt zu behandeln und - wie im folgenden hinsichtlich der Strukturen oder längerfristigen Prozesse geschehen - die Erkenntnisoptik auf eine der vielfältigen Bedingungen des historischen Geschehens einzustellen. Als Beispiel für die Alternative, Entscheidungen und Handlungszusammenhänge in den Vordergrund des Interesses zu rücken, sei ein demnächst erscheinender Aufsatz von Konrad Repgen genannt, den der Verfasser mir freundlicherweise im Manuskript zugänglich machte: Konrad Repgen, Der Westfälische Friede und die zeitgenössische Öffentlichkeit, in: HJb 117, 1997, 38-83. 8
) Auf die Strukturunterschiede zwischen einem .jüngeren" und einem „älteren Europa" hat namentlich der Mediävist Peter Moraw hingewiesen: Peter Moraw, Über Entwicklungsunterschied und Entwicklungsausgleich im deutschen und europäischen Mittelalter. Ein Versuch, in: Uwe Bestmann/Franz Irsigler/Jürgen Schneider (Hrsg.), Hochfinanz Wirtschaftsräume - Innovationen. Festschrift für Wolfgang von Stromer. Bd. 2. Trier 1987, 583-622.
Schilling, Das neuzeitliche Profil Europas
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tatsächlich taten, so daß sich die Kraftzentren in langen epochalen Wellen verschoben, wobei ökonomische, politische und geistige Dynamik meist zusammenfielen und sich addierten. Die Anpassungsvorgänge zwischen „älterem" und „jüngerem" Europa ebenso wie die Dialektik zwischen „Vorreiter-" und „Nachfolgegesellschaften" mit dem sie konstituierenden Gegensatz zwischen Zonen, in denen die ökonomischen, politischen und kulturellen Veränderungen aufbrachen und sich zuerst ausbreiteten, und den Zonen, die sie verzögert oder gar verspätet aufnahmen, waren äußerst spannungsreich und konfliktträchtig. Zugleich waren sie aber die notwendige Voraussetzung für jene Vielfalt und Differenziertheit, aus der dem mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa eine nie erlahmende Dynamik und Innovationskraft zuwuchsen. Das bestimmte auch und gerade den Dreißigjährigen Krieg und seine in den Westfälischen Friedensinstrumenten festgeschriebenen Folgen. Vor allem die Beteiligung Schwedens ist nicht vorstellbar ohne den erwähnten Prozeß des Ausgreifens Europas und der zunehmenden Integration der Randzonen. Dieser Vorgang war insofern Voraussetzung des Krieges, als Schweden im „langen" 16. Jahrhundert durch die Reformation und durch den wirtschaftlichen Austausch in eine vertiefte Verflechtung mit Europa, vor allem seiner Mitte, eingetreten war.9) Umgekehrt brachte das militärische Engagement Schwedens seit den 1630er Jahren weitere mächtige Impulse für eine vertiefte Integration in die Strukturen und Ereignisabläufe Europas, was dann ja bekanntlich im Osnabrücker Friedensinstrument auch völkerrechtlich zum Ausdruck kam. Wenn wir nach der Konvergenz zwischen europäischer Geschichte und den Geschichten der einzelnen Länder und Völker fragen, dann ist innerhalb der europäischen Geschichte das 17. Jahrhundert unter anderem als ein schwedisches Jahrhundert zu charakterisieren - beziehungsweise aus schwedischer Sicht als ein europäisches Jahrhundert innerhalb der schwedischen Geschichte. Natürlich hat auch der ebenfalls im hohen Mittelalter einsetzende wirtschaftliche Grundsatzwandel, der ein nach rationalen Erfolgskriterien operie9
) Das wird insbesondere an dem Anteil zentral- und westeuropäischer Unternehmer und Gewerbetreibender am ökonomischen Aufschwung Schwedens deutlich, allen voran des niederländischen Calvinisten und „Kanonenkönigs" Louis de Geer: O. Johannsen, Louis de Geer. Berlin 1933; Heinz Schilling, Religion, Politik und Kommerz. Die europäische Konfessionsmigration des 16. Jahrhunderts und ihre Folgen, in: Edgar J. Hürkey (Hrsg.), Kunst, Kommerz und Glaubenskampf. Frankenthal um 1600. Worms 1995, 29-36, hier 31; ders., Confessional Migration and Social Change - The Case of the Dutch Refugees of the Sixteenth Century, in: Paul Klep/Eddy Van Cauwenberghe (Eds.), Entrepreneurship and the Transformation of the Economy (10th-20th Centuries). Essays in Honour of Herman van der Wee. Löwen 1994, 321-334, hier 324f.; zur Einwanderung Aachener/Limburger Kupferschmiede: ders., Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte. Gütersloh 1972.
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Der Westfälische Friede als
Epochenereignis
rendes, auf Veränderungen in den Rahmenbedingungen rasch und flexibel reagierendes Wirtschaftssystem sowie eine in der sogenannten „kommerziellen Revolution" des 16. Jahrhunderts sprunghaft zunehmende Handels- und Verkehrsverflechtung zwischen den einzelnen europäischen Wirtschaftsregionen hervorbrachte, entscheidenden Anteil an den Ereignissen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dieser Prozeß der Rationalisierung und zunehmenden Verflechtung der europäischen Wirtschaft spielte für den Krieg und seine Dauer in zweifacher Hinsicht eine Rolle: Einerseits war es erst durch den um 1600 erreichten Grad der Differenzierung und Verflechtung in der europäischen Wirtschaft überhaupt möglich, einen Krieg diesen Ausmaßes zu finanzieren und zu organisieren. Andererseits war dieser Verflechtungsgrad neben dem dynastischen und dem gleich noch näher zu beleuchtenden konfessionellen Faktor die wesentliche Vorbedingung dafür, daß der Krieg diese geographische Ausdehnung und auch diese zeitliche Dauer annehmen konnte - indem der zunächst ja doch regionale Konflikt in Böhmen sich im Reich ausbreitete und Zug um Zug weitere Konflikte hinzukamen, in Oberitalien und im Westen des Reiches die bereits zuvor entstandenen Gegensätze zwischen Frankreich und Spanien beziehungsweise Spanien und den Niederlanden und im Nordosten diejenigen zwischen Polen und Schweden. Schließlich hatte selbst der für unser Thema scheinbar so abgelegene Vorgang der europäischen Expansion bei genauerem Hinsehen Rückwirkungen sowohl auf den Krieg wie auf den Frieden. Sie war mit dem Krieg verflochten, insofern einerseits Spaniens Engagement auf den europäischen Kriegsschauplätzen ohne den Silberzufluß aus Südamerika nicht denkbar gewesen wäre und andererseits den Konflikten in der Alten Welt Scharmützel in der Neuen Welt entsprachen. Unter diesen fand das Aufbringen der spanischen Silberflotte 1628 in der kubanischen Bay von Matanzas durch den niederländischen Vize-Admiral Piet Pieterzoon Hein (1577-1629) besondere Beachtung - eine Tat, deren Wirkung wie so häufig in der europäischen Geschichte weniger als Realität denn als Mythos zu Buche schlug. Auch das Friedenswerk ist durch die europäische Expansion nach Übersee mitgeprägt worden, insofern nämlich, als die europäische Völkerrechtstradition bekanntlich wichtige Impulse durch die theologische, philosophische und rechtliche Verarbeitung der Begegnung mit den fremden, südamerikanischen Kulturen und Völkern durch die spanischen Spätscholastiker erhielt. So wichtig diese und vergleichbare Zusammenhänge auch sein mögen, die bestimmenden Prozesse waren andere - nämlich der politische Kardinalwandel, den wir „frühmoderne Staatsbildung" nennen, in seiner inner- wie zwischenstaatlichen Dimension, und die Konfessionalisierung als Fundamentalprozeß der europäischen Neuzeit. Beide Vorgänge waren strukturell miteinander verschränkt und im Prinzip gleichrangig. Für die Zeit um 1600 vermute ich allerdings beim konfessionellen Partner dieser Allianz eine besondere Kri-
Schilling, Das neuzeitliche Profil Europas
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stallisationsfunktion und Integrationskraft auch für den politischen Wandel. Und so scheinen mir all jene Untersuchungen und Darstellungen an einem erkenntnishemmenden Anachronismus zu kranken, die eine Entweder-Oder-Position einnehmen beziehungsweise danach fragen, ob der Dreißigjährige Krieg primär ein Religions- oder ein Staatenkonflikt war, ob - wie vor allem in bezug auf Schwedens Teilnahme am Krieg und auf seine Friedensziele bzw. Friedensbedingungen seit Jahren diskutiert - Großmacht- oder Konfessionsmotive den Ausschlag gaben. 10 ) Ein solcher Ansatz, der die frühe Neuzeit mit modernen, säkularisierten Kategorien zu erfassen versucht, ist für eine Reihe von Detailproblemen erhellend. Auch mag er als Ausgleich für die lange Zeit dominierende kirchengeschichtliche Interpretation gelten, die in ihrer Ausschließlichkeit nicht weniger ein-fältig ist. Den Kern der Problemlage, an dem die Zeitgenossen 1618 scheiterten, den sie dann aber dreißig Jahre später in zähen Friedensverhandlungen bloßlegten und zu beherrschen lernten, verfehlen beide. Denn dieser Kern bestand in der vorsäkularen Qualität sowohl des Politischen als auch des Religiösen, die zur Folge hatte, daß für die Handelnden beides nicht streng voneinander zu trennen war, jedenfalls nicht in dem Sinn, wie wir das seit der Aufklärung gewohnt sind. Für die Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges ebenso wie für die Friedensfindung in Osnabrück und Münster gilt, was Thomas Mann mit feiner Ironie für die modernistischen Mißverständnisse in bezug auf Altägypten feststellt, daß es nämlich die tieferen Zusammenhänge „verkennen [hieße, H.S.], wenn man Religion und Politik für grundverschiedene Dinge hält, die nichts miteinander zu schaffen hätten noch haben dürften, so daß das eine entwertet und als unecht bloßgestellt wäre, wenn ihm ein Anschlag vom anderen nachgewiesen würde". 11 ) I0
) Ein Überblick über die jüngeren schwedischen Arbeiten zum Thema bei Werner Buchholz, Der Eintritt Schwedens in den 30jährigen Krieg, in: HZ 245, 1987, 291-314, hier vor allem 299ff.; vgl. auch die Rezension von Klaus-R. Böhme, in: FBPG NF. 5, 1995, 2 6 0 263, hier 263, letzter Absatz. ") Thomas Mann, Gesammelte Werke. 12 Bde. Frankfurt am Main 1960-1975, hier Bd. 5/ 2, 1377. - Ein besonders drastisches Beispiel für die Diffamierung der Religion aus Unkenntnis oder Unwillen gegenüber der besonderen alteuropäischen Strukturverschränkung zwischen Religion und Politik bietet die Bewertung des Dreißigjährigen Krieges durch die nationalsozialistische Ideologie und Propaganda. In einer vom Münsteraner Stadt- und Gauarchivar Dr. Eduard Schulte abgefaßten Denkschrift für die geplante „Reichsausstellung Westfälischer Friede" aus dem Jahre 1938 heißt es: „Die neuzugewinnenden Ergebnisse der Geschichtsforschung sind ... volkstümlich zu machen. Jeder Deutsche muß demnächst wissen: Dem Dogmenstreit im 16. Jahrhundert entsprang der Konfessionshaß, diesem die tiefste Zerspaltung des deutschen Volkes und Reichs. Letzten Endes sind nur wegen kirchlicher Lehrstreite Millionen Deutscher gefallen, Tausende von Ortschaften zerstört, unersetzliche Kulturwerte vernichtet, Reichseinheit und Kaisergewalt beseitigt, große Volkslandschaften vom Ganzen abgetrennt, fremde Mächte Garanten für das deutsche Mitteleuropa geworden" (zit. in: Hans-Joachim Behr, „Reichsausstellung" und „Forschungsstelle Westfälischer Friede", in: Westfalen 61, 1983, 9-23, hier 11).
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Im Vergleich zu anderen Weltzivilisationen - auch und gerade der altägyptischen - macht es allerdings das Spezifikum Europas aus, daß in dieser Zivilisation Religion und Politik, Kirche und Staat nie identisch waren und nie eine fundamentalistische Einheit zwischen beiden bestand. Die Herausbildung eines spezifischen religionssoziologischen Profils12) war der vielleicht folgenreichste Kardinalprozeß der frühen europäischen Geschichte. Dieses religionssoziologische Profil des lateinisch-christlichen Europa war einerseits durch die bereits erwähnte enge Verzahnung von Religion und Politik bzw. Kirche und weltlicher Gewalt/Staat charakterisiert. Das war aber eine Verzahnung, die andererseits nicht im Rahmen eines statischen Monismus, sondern eines dynamischen Dualismus erfolgte: In der europäischen Geschichte blieben Kirche und Staat stets unterscheidbar und letztlich selbständig, mochte die Allianz auch aktuell und in concreto noch so eng sein. Europa war demnach auf Säkularisation angelegt. Diese Säkularisation, an deren Ende der moderne, von kirchlich-religiösen Kräften ganz unabhängige Staat und die ebenfalls autonome moderne Gesellschaft entstanden, erfolgte aber nicht in einem linearen Prozeß, sondern in einem Auf und Ab von Wellenbewegungen. Phasen beschleunigter Säkularisation wechselten sich ab mit solchen, in denen die Verzahnung erneut enger wurde und die Allianz wieder im Vordergrund stand. Komplementär zu der dualistischen Struktur der Staat-Kirche-Beziehungen, die den Fundamentalismus einer religiös-politischen Einheitswelt ausschloß, hatte sich in Europa spätestens mit dem Verfall des Karolingerreiches eine politische Ordnung herausgebildet, die ebenfalls auf Differenzierung angelegt war. Es gehört auch zu den eingangs erwähnten Grundbedingungen europäischer Geschichte, daß hier der Boden für Großreichsbildungen offenbar nicht gegeben war. Das gilt ungeachtet der Tatsache, daß die Kaiserwürde eine Vorrangstellung begründete, und zwar vor allem wegen der besonderen Stellung, die der Kaiser als „Gesalbter des Herrn" in beiden Bereichen des skizzierten Staat-Kirche-Dualismus einnahm. Die tief in der politischen Tradition Europas wurzelnden Widerstände gegen jede Art von Groß- oder Einheitsstaatsbildung spiegeln sich nicht zuletzt in den heftigen propagandistischen
l2 ) Überlegungen hierzu bereits in Heinz Schilling, Confessional Europe: Bureaucrats, La Bonne Police, Civilizations, in: Thomas A. Brady/Heiko A. Oberman/James D. Tracy (Eds.), Handbook of European History in the Late Middle Ages, Renaissance and Reformation 1400-1600. Vol. 2. Leiden 1995, 641-681; ders., Confessie en politieke identiteit in het Europa van de opkomende nieuwe tijd, in: Concilium - Internationaal tijdschrift voor theologie 6, 1995, 10-19; dazu auch die in Anm. 15 und 18 genannten Arbeiten. Der Begriff „religionssoziologisches Profil Europas" soll das dort am Konfessionalismus des 16. und 17. Jahrhunderts entwickelte Modell der spezifischen Beziehungen zwischen Religion und Gesellschaft beziehungsweise Staat und Kirche öffnen für eine weitere zeitliche Perspektive, die vor allem das späte Mittelalter mit einschließt. Vgl. einstweilen meine beiden in Anm. 3 genannten Aufsätze zum Epochencharakter der Reformation.
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Kontroversen um die Universalmonarchie wider, auch und gerade im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges.13) Im Zuge der frühmodernen Staatsbildung, die im Spätmittelalter parallel zur religiösen und kirchlichen Umformung der christianitas einsetzte, wandelte sich die gradualistisch vom Kaisertum her organisierte Welt mittelalterlicher Herrschaften in die Pluralität des neuzeitlichen Staateneuropa. Dieses war bestimmt durch das Nebeneinander von Partikularstaaten mit Flächenhoheit, Souveränitätsanspruch, frühmoderner Bürokratie und Identität auf nationaler, territorialer oder dynastischer Grundlage. Zugleich war sie aber auch gekennzeichnet durch das Wissen um die transnationale oder besser transpartikularstaatliche Schicksalsgemeinschaft „Europa" und damit durch das Verlangen nach Ordnungskonzepten für ein schiedlich-friedliches Miteinander dieser frühmodernen Staaten. Innerhalb dieser übergreifenden Langzeitprozesse staatlicher und kirchlicher Differenzierung, die das institutionell-politische und das kulturell-geistige Zentrum der werdenden europäischen Neuzeit bildeten, machte ein Doppeltes das momentum der historischen Situation um 1600 aus: Zum einen erreichten die beiden säkularen Wandlungsprozesse in dieser Zeit ihren ersten Höhepunkt, auf dem sich beide Partner in neuer, „neuzeitlicher" Qualität gegenüberstanden - nämlich in der Form des frühmodernen institutionellen Flächen- und Machtstaates einerseits beziehungsweise der weltanschaulichideologisch" wie institutionell-organisatorisch geschlossenen Konfessionskirche mit Ausschließlichkeitsanspruch andererseits. Die Zeitgenossen erlebten diese neue Realität in nahezu allen Lebensbereichen als allgegenwärtigen und massiven Veränderungsdruck. Zum anderen war innerhalb der wechselvollen Beziehungsgeschichte zwischen Religion und Politik mit der Reformation erneut eine Phase verstärkter Verzahnung aufgezogen. Vor allem im letzten Viertel des Reformationsjahrhunderts erreichte die Verschränkung von religiösem und politischem Handeln eine Intensität wie selten nach dem
l3 ) Grundlegend hierzu Franz Bosbach, Monarchia universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit. Göttingen 1988; Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main 1991; auch Repgen, Krieg und Politik (wie Anm. 5), 151 ff. und passim; jüngst Christoph Kampmann, Universalismus und Staatenvielfalt: Zur europäischen Identität in der Frühen Neuzeit, in: Jörg A. Schlumberger/Peter Segl (Hrsg.), Europa - aber was ist es? Aspekte seiner Identität in interdisziplinärer Sicht. Köln/Weimar 1994,45-76. - Die in diesen Forschungsbeiträgen überzeugend aufgezeigte Präsenz des Begriffes „Universalmonarchie" in der Propaganda und der politischen Theorie allgemein muß allerdings streng von seiner realgeschichtlichen Relevanz in der Mächtepolitik unterschieden werden. Auf dieser Ebene ist seine Bedeutung nach dem Scheitern Karls V. 1555/56 kaum noch hoch zu veranschlagen, so Heinrich Lutz, Reformation und Gegenreformation. München 1979, 56 ff., und Heinz Schilling, Formung und Gestalt des internationalen Systems in der werdenden Neuzeit - Phasen und bewegende Kräfte, in: Peter Krüger (Hrsg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Marburg 1991,19-45, hier 24 ff.
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ersten Säkularisierungsschub im Zuge des hochmittelalterlichen Investiturstreites.14) In dieser historischen Situation waren Glaubens- oder Religionskonflikte in Europa strukturbedingt endemisch15) - innerstaatlich ebenso wie zwischenstaatlich. Zu diesen Glaubenskriegen rechne ich zuerst und vor allem den Dreißigjährigen Krieg, sehr wohl wissend, daß dies jüngst mit gewichtigen Argumenten bestritten wurde. 16 ) Diese Argumente betreffen meines Erachtens aber eher wichtige Teilaspekte, wie den akuten Kriegsausbruch und die juristische Begründung des Krieges, während es schwerfallen dürfte, für das Gesamtgeschehen die Charakterisierung als Glaubens- oder Konfessionskrieg in Abrede zu stellen. Daß diese äußeren und inneren - so in Böhmen, den Niederlanden und in manchem der deutschen Territorien - Konfessionskonflikte zugleich im Sinne von Johannes Burkhardt „innere und äußere Staatsbildungskriege" waren, widerspricht ihrer Charakterisierung als Glaubenskriege nicht.17) Im Gegenteil, das ergab sich gleichsam systemlogisch aus dem eben beschriebenen religionssoziologischen und staatenpolitischen Profil Europas in der werdenden Neuzeit. Die frühmoderne Staats- beziehungsweise Gesellschaftsbildung und die Formierung der neuzeitlichen Konfessionskirchen als bürokratisch-institutionelle Organisationen und theoretisch-„ideologisch" fundierte Weltanschauungssysteme mit Ausschließlichkeitscharakter waren aufs engste miteinander verschränkt: „Konfessionskonflikt und Staatsbildung" - dieses Muster18) läßt sich in der europäischen Geschichte des 16. und frühen 17. Jahrhunderts generell erkennen. Es war deswegen im höchsten Maße konfliktträchtig, weil es einerseits einen emphatischen Bezug herstellte zum ewigen Seelenheil des einzelnen wie der sozialen Gruppen - der Familie, einer Zunft, der Stadt, des Staates oder einer Nation - und andererseits damit zugleich die politische und gesellschaftliche Ordnung auf ganz neue Grundlagen stellte und dabei notwendigerweise wohlbegründete und abgesicherte Interessen verletzte.
14 ) Sieht man einmal von den Hussiten ab, die bereits rund zwei Jahrhunderte zuvor eine vergleichbare Konstellation heraufgeführt hatten, und zwar ebenfalls sowohl in innerstaatlicher als auch außenpolitischer Dimension. 15 ) Dazu bereits Heinz Schilling, Die konfessionellen Glaubenskriege und die Formierung des frühmodernen Europa, in: Peter Herrmann (Hrsg.), Glaubenskriege in Vergangenheit und Gegenwart. Göttingen 1996, 123-137. 16 ) Konrad Repgen, What is a „Religious War"?, in: E. J. Kouri/Tom Scott (Eds.), Politics and Society in Reformation Europe. Essays for Sir Geoffrey Elton on his 65th Birthday. London 1987, 311-328. Deutsche Übersetzung in: ZKiG 97, 1986, 334-349. 17 ) Burkhardt, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 13); ders., Der Dreißigjährige Krieg als moderner Staatsbildungskrieg, in: GWU 45, 1994,487-499. 18 ) Theoretisch entwickelt und an einem Fallbeispiel demonstriert bei Heinz Schilling, Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Eine Fallstudie über das Verhältnis von religiösem und sozialem Wandel in der Frühneuzeit am Beispiel der Grafschaft Lippe. Gütersloh 1981.
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Es ist somit durchaus kein Zufall, sondern struktur- oder systemgeschichtlich bedingt, daß die Herausbildung eines internationalen Systems - oder, wenn man vor diesem Begriff für die Frühneuzeit noch zurückschreckt, einer internationalen Mächteordnung unabhängiger und souveräner Staaten, die bestimmten Regeln des Zusammenlebens unterliegt - sich zeitlich ziemlich genau mit dem konfessionellen Zeitalter deckt und daß, wie die Historiker der internationalen Beziehungen seit je nachdrücklich betont haben, die frühe Außenpolitik der europäischen Staaten tief von den religiösen Gegensätzen beeinflußt wurde.19) Religion in ihrer frühmodern formierten Ausprägung als „Konfession" war entscheidend dafür verantwortlich, daß die Frühgeschichte der internationalen Beziehungen so gewaltsam und kriegerisch verlief. Folgende Hauptstrukturen und Hauptfunktionen des Konfessionellen und der Konfessionskriege lassen sich für das europäische Mächtespiel zwischen etwa 1550 und 1650 konstatieren: Erstens: In der Phase, als die Außenpolitik noch nicht durch Institutionen des souveränen Staates monopolisiert war, konnten und mußten nichtstaatliche Agenten wesentliche Funktionen wie Informationsfluß, Übermittlung von Botschaften, Anbahnung von Kontakten und Allianzen übernehmen. Im konfessionellen Zeitalter geschah das zu einem erheblichen Teil über kirchliche Institutionen und Gruppierungen. Zweitens-. Das Konfessionelle trug entscheidend dazu bei, daß die Zeitgenossen das aufsteigende, europäische Mächtespiel als ein geordnetes, bestimmten Regeln folgendes System begriffen, wobei sie angesichts der erbitterten Feindschaft zwischen den Konfessionen diese „Ordnung" allerdings noch auf Jahrzehnte hin hauptsächlich als Antagonismus und zunehmende Polarisierung erleben mußten. Denn das Allianzsystem, das sich um 1600 herausbildete, richtete sich ungeachtet der bekannten Ausnahmen - etwa das katholische Frankreich im protestantischen Mächteblock - an der konfessionellen Polarisierung aus, und auch das frühe internationale Bewußtsein orientierte sich an den Konfessionsblöcken - dem sogenannten „calvinistischen Internationalismus" entsprach ein „katholischer Internationalismus". 20 ) Gleichzeitig damit wuchs die Bereitschaft zur Gewaltanwendung, 19
) Detaillierter ausgeführt in Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Formierung eines internationalen Systems während der frühen Neuzeit, in: Hans R. Guggisberg/Gottfried G. Krodel (Hrsg.), Die Reformation in Deutschland und Europa: Interpretationen und Debatten. Gütersloh 1993, 597-613; siehe auch ders., Glaubenskriege (wie Anm. 15); ders., Formung und Gestalt (wie Anm. 13), 19-45. Vgl. auch die Fallstudie von Holger Th. Gräf, Konfession und internationales System. Die Außenpolitik Hessen-Kassels im konfessionellen Zeitalter. Darmstadt/Marburg 1993. 20 ) Dem katholischen Internationalismus hat die Forschung allerdings bislang noch nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wie dem calvinistischen. Vgl. etwa Aart A. van Schelven, Der Generalstab des politischen Calvinismus in Zentraleuropa zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in: ARG 36, 1939, 117-147 (überzeichnet allerdings die realge-
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und es wurden frühmoderne Militärapparate aufgebaut, zunächst in präventiver, schließlich aber auch in offensiver Absicht. Im Gegensatz zu den auf der Gefolgschaftspflicht basierenden Feudalheeren des Mittelalters bestanden die frühneuzeitlichen Heere aus Söldnern und hingen daher von der staatlichen Finanzschöpfung durch Anleihen oder Steuern ab. Die Durchsetzung dieser neuen Finanzierungsformen, die um 1600 noch keineswegs eingespielt waren und die die Untertanen als gewaltsame Eingriffe in ihre Freiheitsrechte begriffen, wurde durch die religiöse Legitimation wesentlich erleichtert. Im Zuge der zahlreichen Religionskriege wurden die neuzeitlichen Steuern in fast allen europäischen Staaten zur eingespielten Praxis. Dieser fiskalische Zusammenhang war zumindest langfristig wichtiger als die religiöse Identität und Loyalität der Kämpfenden selbst. Denn eine relative konfessionelle Homogenität der Söldnertruppen bestand nur zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, und zwar vor allem in der schwedischen Interventionsarmee auf der einen und im spanischen Heer auf der anderen Seite. Später kämpften auf protestantischer wie katholischer Seite gemischtkonfessionelle Heere, die hauptsächlich durch das Band der Soldzahlung zusammengehalten wurden. Drittens erhielten die Allianzen und Parteiungen im Europa der Mächte durch die konfessionellen Gegensätze eine neue ideologische Deutung, die an der Wende des 16. Jahrhunderts auf beiden Seiten der europäischen Machtblöcke den unbedingten Willen zur Gewaltanwendung wachsen ließ. Parallel zu einer allgemein in Europa anschwellenden soziopsychischen Erregtheit infolge der eingangs erwähnten Krisenzeit gingen Politiker und Theologen - vor allem bei den Calvinisten - dazu über, die nun schon generationenalten religiösen und politischen Gegensätze in einen eschatologischen Zusammenhang zu rücken. In Propagandaschriften, theologischen Traktaten, Kirchenliedern, in der diplomatischen Korrespondenz, aber auch in ganz privaten Äußerungen wurde das politische und militärische Geschehen innerhalb des europäischen Mächtesystems als endzeitlicher Kampf zwischen dem Antichristen und seinen Heerscharen einerseits und den Vertretern des einzig wahren Christenvolkes andererseits interpretiert und zu entsprechender Kampfbereitschaft aufgerufen. Viertens: Für die zwischenstaatliche Seite dieser Konfessionskonflikte, mit der wir es im Dreißigjährigen Krieg ungeachtet der ebenfalls nicht unerheblichen innerstaatlichen Konflikte, etwa in Böhmen, aber auch in den Niederlanden, Frankreich und manchem der deutschen Territorialstaaten, vorwiegend zu tun haben, ist eine weitere Beobachtung wichtig: In einem diachron und interkulturell vergleichenden Symposion über „Glaubenskriege in der Geschichtliche Geschlossenheit); Friedrich Hermann Schubert, Die pfälzische Exilregierung im Dreißigjährigen Krieg, in: ZGO 102, 1954, 575-680; Menna Prestwich (Ed.), International Calvinism, 1541-1715. Oxford 1985. Weitere Literatur ist genannt und kommentiert in der Anm. 13 meines in Anm. 13 genannten Aufsatzes.
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schichte", das unlängst die Jungius-Gesellschaft aus aktuellem Anlaß veranstaltete, wies der Althistoriker Dieter Timpe für das klassische und vorklassische Griechenland eine „Unfähigkeit" zum Glaubenskrieg nach. Er führte das darauf zurück, daß den griechischen Polis-Gesellschaften die Vorstellung von „universalistisch gedachten Gemeinschaften", die Voraussetzung eines jeden zwischenstaatlichen Glaubenskrieges sei, noch unbekannt war.21) Genau diese „universalistischen Großgruppen" hatten sich aber in Europa im Zuge der frühmodernen Staatsbildung und der Differenzierung der Christenheit in verschiedene Konfessionsblöcke herausgebildet. Und da die neuen, universalistisch gedachten Großgruppen „Konfessionskirchen" und „frühmodeme Staaten" in Totalkonfrontation und unbedingte Grundsatzkonkurrenz traten - und zwar sowohl miteinander als auch nach innen gegenüber den an vorkonfessionellen oder vorstaatlichen Ordnungsvorstellungen orientierten sozialen Gruppen - , ergab sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts jene Zuspitzung und Steigerung, die die neuzeitliche Qualität der konfessionellen Glaubenskriege ausmacht, allen voran des Dreißigjährigen Krieges.
II 1. Der Weg zum Frieden als Ausdruck der prinzipiellen Friedensfähigkeit der europäischen Staaten und Konfessionen Wie der Weg in den Krieg, so war auch der Weg zum Frieden alles andere als willkürlich oder zufällig, ungeachtet der Kontingenz der zum Frieden drängenden Entscheidungen auf den Schlachtfeldern oder der subjektiven Bedingungen für die Friedenseinsicht bei den führenden Militärs, Theologen oder Politikern. Zunächst ist festzustellen, daß keineswegs alle Zeitgenossen die politische und konfessionelle Totalkonfrontation als schicksalhaft hinnahmen. Nicht wenige Intellektuelle, aber auch Politiker erkannten die Ursachen der Krise und suchten nach Gegenmitteln und Konfliktvermeidungsstrategien. Ich erinnere nur an irenistische Flugblätter wie das berühmte Blatt „Geistlicher Rauffhandel" von 1620, die teilweise schon vor Ausbruch des Krieges eine überkonfessionelle und nachorthodoxe Herzensfrömmigkeit propagierten22), oder an den 21
) Dieter Timpe, Religiöse und sakrale Aspekte des Krieges im Altertum, in: Peter Herrmann (Hrsg.), Glaubenskriege in Vergangenheit und Gegenwart. Göttingen 1996, 49-61, vor allem 61. 22 ) Wolfgang Harms (Hrsg.), Deutsche Illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. 4 Bde. München/Tübingen 1980-1989, Bd. 2, Nr. 148. Weitere irenistische Flugblätter finden sich ebd. Bd. 1, Nr. 15a; Bd. 2,Nr. 203,259,310; Bd. 3,Nr. 168,172.-Vgl. auch Ruth Kastner, Geistlicher Raufhandel. Frankfurt am Main 1982; Eva-Marie Bangerter-Schmidt, Erbauliche illustrierte Flugblätter aus den Jahren 1570-1670. Frankfurt am Main 1986, bes.
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Friedensplan des holsteinisch-dänischen Humanisten und Staatsmannes Heinrich Rantzau (1526-1598), der bereits in den 1590er Jahren weitsichtig, aber anachronistisch eine auf gegenseitiger Duldung aller Religionen aufbauende europäische Friedensordnung anstrebte.23) Weit wichtiger als diese religions- und geistesgeschichtlichen Veränderungen, deren konkrete Einflüsse auf die Entwicklung der Friedensbereitschaft unter den Politikern oder gar auf den konkreten Weg hin zu den Friedensverhandlungen wir noch kaum abschätzen können24), war für den Umschlag von dominanter Kriegsbereitschaft in einen verbreiteten Friedenswillen eine strukturelle Vorbedingung, die ich als prinzipielle Friedensfähigkeit der europäischen Mächte und Konfessionen charakterisieren möchte: Der eingangs erwähnte Dualismus in den europäischen Staat-Kirche-Beziehungen blieb im Prinzip auch auf dem Höhepunkt der politisch-religiösen Verschränkung und der damit einhergehenden Konfrontationsdynamik erhalten. Das hatte drei für den Charakter des Krieges und die Bedingungen des Friedens wichtige Konsequenzen: Zum einen blieb die Politik stets so weit von der raumgreifenden Konfessionalisierung unabhängig, daß sie von Anfang an auch gegen die konfessionellen und religiösen Interessen betrieben werden konnte, wenn das auch stets als eine zeitlich befristete Ausnahme von der Norm galt. Einschlägiger Beleg ist das katholische Frankreich, der notorische Bündnispartner der Protestanten, das gleichwohl - wie der Chef-Minister Richelieu höchstpersönlich wiederholt und glaubhaft versicherte - nichts lieber getan hätte als seine Außenpolitik konfessionell-katholisch auszurichten, was aber, so seine Begründung, wegen der innerkatholischen Hegemonialpolitik Spaniens, die die 118ff. mit Abb. 16-19. - Zu den geistes- und theologiegeschichtlichen Zusammenhängen am Vorabend des Krieges: Howard Hotson, Irenism and Dogmatism in the Confessional Age, in: JEcclH 46, 1995,432-456. 23 ) Dazu Reimer Hansen, Der Friedensplan Heinrich Rantzaus und die Irenik in der Zweiten Reformation, in: Heinz Schilling (Hrsg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland. Das Problem der „Zweiten Reformation". Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte 1985. Gütersloh 1986, 359-372; ders., Heinrich Rantzau und das Problem des europäischen Friedens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit. KölnAVien 1991,91-110. 24 ) Zum religiösen Wandel des späten 16. und des 17. Jahrhunderts jetzt grundlegend und mit ausführlichen weiterführenden Quellen- und Literaturhinweisen: Martin Brecht (Hrsg.), Der Pietismus vom 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert. Göttingen 1993, vgl. dazu auch den großen Handbuchartikel: ders., Art. „Pietismus", in: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 26. Berlin/New York 1996,606-631. Es steht zu hoffen, daß gerade in dieser offenen Forschungsfrage die Arbeit an der Europaratsausstellung „1648 - Krieg und Frieden in Europa" neue Einsichten eröffnen wird. Jedenfalls sieht der für 1998 geplante Katalog: Klaus Bußmann/Heinz Schilling (Hrsg.), 1648 - Krieg und Frieden in Europa, entsprechende Beiträge vor, und zwar von Martin Brecht, Friedensdramen bei Rist; Friedhelm Jürgensmeier, Katholische Frömmigkeit und Kultur im Jahrhundert zwischen 1555 und 1648; Thomas Kaufmann, Lutherische Predigten im Krieg und zum Friedensschluß; und Hans Peterse, Irenik und Toleranz im 16. und 17. Jahrhundert.
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katholische Christenheit spalte, nicht möglich sei.25) Zum anderen war es dieser Dualismus selbst, der den entscheidenden Impuls für die Überwindung der Krise und die neue Friedensordnung freisetzte: Auch als die Politiker als defensores ecclesiae - so im katholischen Umfeld - oder als Notbischöfe bzw. praecipua membra ecclesiae - so im Protestantismus - tätig wurden und ihr politisches Handeln in den Dienst des jeweiligen Konfessionalismus stellten, geschah das auf dem Boden des eingangs skizzierten traditionellen Dualismus von Religion und Politik. Die Pflicht des Politikers galt - anders als im fundamentalistischen Monismus, wo die Religion die einzige und letzte Norm ist beiden, im Prinzip deutlich unterscheidbaren Teilen seines Amtes - der kirchlich-religiösen und der staatlich-politischen Fürsorge für die Untertanen. Als im Verlauf des Krieges deutlich wurde, daß die enge Verkopplung beider im Zeichen des seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts aufgezogenen Konfessionalismus Staat und Gesellschaft, letztlich aber auch die Kirchen und die Religion selbst ins Verderben stürzen würde, da war es diese dualistische Verfassung der lateinischen Christenheit, die Raum und die entscheidende Legitimation für eine grundsätzliche Revision des politischen Konfessionalismus bot. Schließlich kam drittens die dem religionssoziologischen Typus „Europa" eingepflanzte Anlage auf Säkularisation hinzu: Der spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Aufbruch der lateinischen Christenheit in Spiritualität, Frömmigkeit und Sozialkonfigurationen hatte zugleich mit den resakralisierenden Kräften von Reformation und Konfessionalisierung auch einen neuen Schub der Säkularisierung freigesetzt.26) Deren Wirkung blieb zwar über Generationen rezessiv und wurde erst im Umkreis der Aufklärung endgültig dominant27), völlig versiegt war diese Unterströmung aber selbst auf dem Höhepunkt des Konfessionalismus nicht. Sie wurde insbesondere in den theoretischen und
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) Dazu grundlegend Jörg Wollenberg, Richelieu. Staatsräson und Kircheninteresse. Zur Legitimation der Politik des Kardinalpremiers. Bielefeld 1977; Hermann Weber, Dieu, le roi et la chrétienté. Aspects de la politique du Cardinal de Richelieu, in: Francia 13, 1985, 233-245; Klaus Malettke, Richelieus Außenpolitik und sein Projekt kollektiver Sicherheit, in: Peter Krüger (Hrsg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte des internationalen Systems. Marburg 1991, 47-68, vor allem 51 f.; vgl. auch die große Biographie von Roland Mousnier, L'Homme Rouge. Paris 1992. 26 ) Magistrale Abhandlung zu diesen geistesgeschichtlichen Zusammenhängen: Siegfried Wollgast, Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung, 1550-1650. Berlin 1988; ders., Vergessene und Verkannte. Zur Philosophie und Geistesentwicklung in Deutschland zwischen Reformation und Frühaufklärung. Berlin 1993; heranzuziehen auch Brecht, Pietismus (wie Anm. 24). 27 ) Detaillierter dazu Heinz Schilling, Alternative Konzepte der Reformation und Zwang zur lutherischen Identität. Möglichkeit und Grenzen religiöser und gesellschaftlicher Differenzierung zu Beginn der Neuzeit, in: Günter Vogler (Hrsg.), Wegscheiden der Reformation. Alternatives Denken vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Weimar 1994, 277-308.
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praktischen Lösungsstrategien der Juristen s o w i e allgemein im politischen Denken wirksam und half mit, den Weg in den Frieden zu ebnen. 2 8 ) Kaum weniger wichtig als das rechtliche und politische Instrumentarium, das Juristen und Politiker d e m Säkularisationsmodell entnehmen konnten, erscheint mir ein anderer Zusammenhang: A u s dem Säkularisationsprozeß ergab sich für die pragmatisch-säkulare Friedenspolitik der tonangebenden katholischen und protestantischen Fürsten samt ihrer juristischen Berater eine spezifische Legitimität,
ohne die die Überwindung des Konfessionalismus
kaum so rasch möglich g e w e s e n wäre. Voraussetzung dafür war allerdings die besondere Qualität der alteuropäischen Säkularisation, die häufig übersehen oder in ihrer Konsequenz vernachlässigt wird: Bis zur Aufklärung setzte sich die Säkularisation nicht dominant als antireligiöse oder antiklerikale B e w e gung durch, sondern in e n g e m Rückbezug auf die religiös-kirchlichen Traditionen. D i e alteuropäische Säkularisierung war durch eine Dialektik charakterisiert, die die religiöse Dynamik nicht abkappte, sondern ins Weltliche hineinnahm und damit die Durchschlagskraft und die Legitimität politischen und gesellschaftlichen Handelns entscheidend stärkte. In einem so verstandenen „säkularisierten" Kontext hatte „Friede" eine religiöse, sakrale Dimension, auch wenn er pragmatisch-säkular zustande kam
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) Neben der zeitlich weiter ausgreifenden Studie von Emst Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Säkularisation und Utopie. Festschrift für Ernst Forsthoff. Stuttgart 1967, 75-94 (auch in: ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit. Frankfurt am Main 1976, 42-64), sind für den Zusammenhang „Säkularisation im konfessionellen Zeitalter" grundlegend die zahlreichen Abhandlungen von Martin Heckel zur juristischen Begründung des Augsburger und des Westfälischen Friedens sowie der Bewältigung des konfessionellen Gegensatzes allgemein: Martin Heckel, Gesammelte Schriften. Staat, Kirche, Recht, Geschichte. 2 Bde. Tübingen 1989, vor allem Bd. 2, 773 ff., 912 ff.; dazu die jüngeren Aufsätze: ders., Religionsbann und landesherrliches Kirchenregiment, in: Hans-Christoph Rublack (Hrsg.), Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte. Gütersloh 1992, 130-162; ders., Die Krise der Religionsverfassung des Reiches und die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik (wie Anm. 5), 107-132; ders., Die katholische Konfessionalisierung im Spiegel des Reichskirchenrechts, in: Wolfgang Reinhard/Heinz Schilling (Hrsg.), Katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte. Gütersloh/Münster 1995, 184-228. Heckel betont stets die enge Verknüpfung der Säkularisation mit den religionsund kirchengeschichtlichen Prozessen des Zeitalters. - Dagegen heben Michael Stolleis und Winfried Schulze eher auf die Gegensätze zwischen konfessioneller und säkularer Entwicklung ab. Vgl. vor allem Michael Stolleis, „Konfessionalisierung" und „Säkularisierung" bei der Entstehung des frühmodernen Staates, in: Ius Commune 20, 1993, 1-23; ders., Religion und Politik im Zeitalter des Barock. „Konfessionalisierung" oder „Säkularisierung" bei der Entstehung des frühmodernen Staates?, in: Dieter Breuer (Hrsg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock. 2 Bde. Wiesbaden 1995, Bd. 1, 23-32; Winfried Schulze, Rezension zu Schilling, Konfessionskonflikt und Staatsbildung (wie Anm. 18), in: Z H F 12, 1985, 1 0 4 - 1 0 7 , vor allem 107; ders.,
Geschichte. Stuttgart 1987,49 und vor allem 196.
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und - wie der Westfälische - unter Absehung von dogmatischen und kirchenrechtlichen, vor allem auf das Kirchengut bezogenen Positionen geschlossen wurde. Das pax sit christiana, mit dem bekanntlich die Bestimmungen beider Friedensinstrumente beginnen, ist auch in diesem Sinne zu lesen, nämlich als Brücke, über die die „Säkularisation des Politischen" legitimiert und akzeptabel wurde. Das geschah aber eben nicht im Sinne einer antireligiösen Kehrtwende um 180 Grad, sondern als sakrale Absicherung des Friedenswerkes, das im strengen Sinne nicht mehr als religiös begriffen wurde, jedenfalls nicht im zeitgemäßen konfessionellen Verständnis von Religion. Die dualistische Struktur des europäischen Staat-Kirche-Verhältnisses, die politische Handlungsspielräume beließ, und die politisch-religiöse Dialektik der europäischen Säkularisierung, die der neuen Friedensordnung trotz ihrer pragmatischen, die dogmatischen Gegensätze zugunsten der politischen Einigung ausgrenzenden Form quasi-religiöse Legitimität verlieh, gilt es zu beachten, wenn man den Weg der europäischen Politiker und Mächte vom Glaubenskrieg zum Frieden begreifen will. Dann ist es auch nicht mehr so erstaunlich, daß 1648 eben dieselben Politiker, die ein, zwei Jahrzehnte zuvor zu den führenden Vertretern des Konfessionalismus gezählt hatten, diesen schließlich unbeirrt aufgaben und nicht mehr auf die Bedenken der Theologen hörten oder gar, wie im Fall des Kaisers und der katholischen Fürsten, den Protest des Papstes ignorierten. Der Wechsel Maximilians von Bayern - um aus dem deutschen Umfeld nur dieses Beispiel zu nehmen - vom Konfessions- zum Friedenspolitiker war kein Wandel vom Saulus zum Paulus, sondern ist als Fortsetzung christlicher Politik mit anderen Mitteln zu begreifen.29) Dasselbe gilt für die spanische Politik, die 1639 mit der reformierten Republik Graubünden den Vertrag von Mailand abschloß und damit bereits rund ein Jahrzehnt früher ihre Friedensfähigkeit auch und gerade in einem Konflikt, der bittere konfessionelle Wunden geschlagen hatte, unter Beweis gestellt hatte. Dieses Abkommen, das zugleich eine politische Allianz zwischen den konfessionsverschiedenen Vertragspartnern begründete, war - so das Urteil des jüng29
) Allgemein zur katholischen Friedenspartei: Anton Schindling, Der Westfälische Friede und die deutsche Konfessionsfrage, in: Manfred Spieker (Hrsg.), Friedenssicherung. Bd. 3: Historische, politikwissenschaftliche und militärische Perspektiven. Münster 1989, 19-36, vor allem 30. Speziell zu Maximilian: Dieter Albrecht, Die auswärtige Politik Maximilians von Bayern 1618-1635. Göttingen 1962; ders., Das konfessionelle Zeitalter, in: Andreas Kraus (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Bd. 2. 2. Aufl. München 1988, 393-457; jüngst vor allem Gerhard Immler, Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Münster 1992, vor allem 339ff., 492 ff., wo in ähnlicher Weise wie in meinem obigen Text auf die Vereinbarkeit und innere Stimmigkeit von Kriegs-, Religions- und Friedenspolitik abgehoben wird. Konrad Repgen schlug jüngst vor, ein Schlüsseldokument zu Maximilians Friedenspolitik erheblich später zu datieren als bisher angenommen, nämlich auf den Sommer 1647 statt auf die Jahre 1636 oder 1637 (Repgen, Öffentlichkeit [wie Anm. 7], Anm. 89).
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sten, die spanischen Quellen ausführlich heranziehenden Historiographen des Konflikts um die Schweizer Pässe - ein erster Schritt „auf dem Wege hin zur ,Verweltlichung' der spanischen Außen- und Bündnispolitik".30) Die Erkenntnis führender spanischer Außenpolitiker, „daß Seine Majestät nicht mehr sehr lange in der gegenwärtigen Form Krieg führen noch alle seine Königreiche solchen offensichtlichen Gefahren aussetzen kann und er daher der necessitas folgend Mittel und Wege suchen muß, durch die es möglich ist, zum Frieden zu gelangen"31) - diese Einsicht hatte in Spanien bereits ein rundes Jahrzehnt früher als bei den Konfessionsparteiungen Mitteleuropas die Friedensfähigkeit zu einem tatsächlichen Friedenswillen konkretisiert, zunächst allerdings begrenzt auf den Veltlin-Konflikt. Im einen wie im anderen Falle geschah das nicht durch eine prinzipielle Abwendung von den konfessionellen Standpunkten. Vielmehr war man trotz der Bereitschaft, mit „Häretikern" Frieden zu schließen, weiterhin bereit, Jederzeit die Belange der Nation" im Auge zu behalten.32) Die Wende der katholischen wie der protestantischen Mächte von einer nahezu bedingungslosen Konfliktbereitschaft hin zur Realisierung ihrer prinzipiellen Friedensfähigkeit auch und gerade in bezug auf die religiösen und kirchenrechtlichen Gegensätze wurde vom Papst nicht mitvollzogen. Denn anders als jene hielt er die für den Friedensschluß unabdingbaren Zugeständnisse an die protestantischen Staaten für zu groß und für die katholische Kirche existentiell bedrohlich. Hatte sich die Römische Kurie im Falle des Mailänder Vertrages noch damit begnügt, nur einzelne, die konfessionellen Verhältnisse direkt berührenden Bestimmungen zu bekämpfen 33 ), so legte sie gegen den Westfälischen Frieden in toto Protest ein, von dem sie auch später nicht abrückte34). Bei einem historischen Urteil über diese Entscheidung Roms sticht 30 ) Vgl. die vorzügliche Studie von Andreas Wendland, Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen. Spanien, Mailand und der Kampf ums Veltlin (1620-1641). Zürich 1995, vor allem 298 ff., 335 ff., 355 (Zitat). 31 ) So bereits 1639 der damalige Vize-König im Königreich Neapel, Ramiro Felipez Medina de las Torres, zit. nach der englischen Übersetzung in: Robert A. Stradling, A Spanish Statesman of Appeasement: Medina de las Torres and Spanish Policy, 1639-1670, in: HJ 19, 1976, 1-32, hier 12. 32) Wendland, Nutzen (wie Anm. 30), 343, 355. 33 ) Ebd. 335-343. 34 ) Die Frage erscheint angebracht, ob sich der Vatikan im Umfeld der 350-Jahrfeiern des Westfälischen Friedens zu einer ähnlichen erklärenden Interpretation seines Protestes von 1648 veranlaßt sieht wie kürzlich im Falle der Verurteilung Galileis. - Grundlegend zur Politik der Kurie: Konrad Repgen, Die römische Kurie und der Westfälische Frieden. Idee und Wirklichkeit des Papsttums im 16. und 17. Jahrhundert. 2 Bde. Tübingen 1962-1965; ders., Die Proteste Chigis und der päpstliche Protest gegen den Westfälischen Frieden (1648/50). Vier Kapitel über das Breve „Zelo domus Dei", in: Dieter Schwab/Dieter Giesen/Joseph Listl/Hans-Wolfgang Strätz (Hrsg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in der pluralistischen Gesellschaft. Festschrift für Paul Mikat. Berlin 1989, 623-646. - Zum Text und seinen Editionsproblemen zuletzt: Michael F. Feldkamp (Hrsg.), Das Breve „Zelo domus
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weniger das Argument moralischen Versagens, das sich stets wohlfeil anführen, aber kaum je wissenschaftlich belegen läßt. Anzusetzen ist vielmehr bei der offensichtlichen Blindheit Papst Innozenz' X. und seiner Berater gegenüber den aufgezeigten religionssoziologischen Bauprinzipien Europas, insbesondere der Tatsache, daß die dualistische Struktur des Staat-Kirchen-Verhältnisses gerade den religiös verantwortungsbewußten Staatsmännern und Politikern die Freiheit einräumte, auch bei religiösen und kirchlichen Meinungsverschiedenheiten den Weg politischer Lösungen einzuschlagen, und das heißt: Kompromisse zu schließen jenseits dogmatischer und kirchenrechtlicher Maximalpositionen. Die Kurie war auf den Rechtsstandpunkt und die damit verbundenen Besitztitel fixiert. Darüber verlor sie die weiterreichenden Bedingungen christlicher Vergesellschaftung im lateinischen Europa aus dem Auge und damit die im kirchlich-staatlichen Dualismus wurzelnde politische Freiheit auch des katholischen Christenmenschen. Strukturgeschichtlich gesehen ist es somit alles andere als verwunderlich, daß die katholischen Mächte mit ihren protestantischen Vertragspartnern durch eine Antiprotestklausel im Friedensvertrag rechtliche Vorkehrungen gegen die erwartete Intervention des Papstes hatten treffen können und daß der kuriale Protest wirkungslos verhallte. Der Widerstand des Papstes - immerhin für weit mehr als die Hälfte der lateinischen Christenheit unbestrittenes geistliches Oberhaupt - ist somit kein Gegenargument gegen unsere These, der Frieden von 1648, der den mörderischen Glaubenskampf beendete, sei nicht durch eine Abkehr von den religiösen Grundlagen der Politik bewerkstelligt worden, sondern im Gegenteil Ausdruck einer in den besonderen religionssoziologischen Grundlagen Europas verwurzelten prinzipiellen, politischen Friedensfähigkeit. Wagt man einen kulturellen Vergleich von Glaubens- und Religionskriegen, so erscheint die These plausibel, daß diese prinzipielle Friedensfähigkeit eine Besonderheit der europäischen Konfessionskriege und damit auch des Dreißigjährigen Krieges war. Das gilt jedenfalls gegenüber allen fundamentalistisch begründeten Religionskriegen, etwa dem islamischen Dschihad, die streng genommen nur den Sieg und keinen Frieden kennen und bei realpolitisch unumgänglichen Vertragsabschlüssen mit andersgläubigen Vertragspartnern diese nicht als prinzipiell Gleiche akzeptieren.35) Dei" vom 26. November 1648, in: ArchHPont 31, 1993, 293-305; Konrad Repgen, Drei Korollarien zum Breve „Zelo domus Dei" (26. November 1648): Editionstechnik, Nachdruckgeschichte, Vorgeschichte, in: ArchHPont 33, 1995, 315-333. 35 ) Der Koran bot keine Rechtsgrundlage für Vertragsschlüsse oder gar einen Friedensschluß mit nichtmuslimischen Staaten, die man nicht besiegen, aber auch nicht zur Konversion oder zur Anerkennung muslimischer Oberhoheit unter Tributverpflichtung (Kopfsteuer, dschizya) bewegen konnte. Man behalf sich mit der Rechtskonstruktion eines durch kollektive Tribute, die der Kopfsteuer gleich galten, vertragsmäßig der islamischen Herrschaft angeschlossenen Gebiets (Dar al-Ahd, Dar al-Sulh). Im Osmanischen Reich entwik-
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Der Westfälische Friede als Epochenereignis
2. Die Friedensbestimmungen und das neuzeitliche Profil Europas Meine abschließenden Thesen zu den Konsequenzen der Friedensschlüsse für das neuzeitliche Profil Europas sind in gewisser Weise gegen den augenblicklichen Trend in der Historiographie zum Westfälischen Frieden formuliert. Denn ähnlich wie im Fall der Französischen Revolution, der Reformation, des Absolutismus und manch anderer der Orientierungsmarken im traditionellen Geschichtsbild laufen auch die Forschungen zum Westfälischen Frieden derzeit auf Revisionismus und die Dekonstruktion von Wirkungsmythen hinaus. Viele dem Frieden als Gutes oder Schlechtes zugerechnete Wirkungen hält man heute eher für Ergebnisse einer spät, teilweise erst nach der ersten Jahrhundertfeier einsetzenden Rezeptionsgeschichte denn für unmittelbare Wirkungen des Friedens selbst, für eine Folge des Mythos und nicht der Realität „Westfälischer Friede": So wissen wir seit einem programmatischen Aufsatz von Peter Burke, daß entgegen der Annahme, der Westfälische Friede habe ein alle Staaten verbindendes Europabewußtsein begründet, „Europe did not really exist before 1700".36) Heinz Duchhardt hat 1988 in seiner Münsteraner Antrittsvorlesung - und damit nicht weniger programmatisch - herausgestellt, daß die Friedensordnung von 1648, mit der zahllose Historiker den Beginn der neuzeitlichen Staatenordnung Europas ansetzten, bereits in den 1670er Jahren durch die egoistischen Schläge Ludwigs XIV. von Frankreich zertrümmert wurde.37) Und auch der Säkularisation des Politischen durch das Friedenskelte sich daraus die Institution des ahdname, eines einseitigen Vertragsangebotes an einen christlichen Staat, der sich zu Tributen verpflichten mußte, aber seine volle innere Selbständigkeit behielt. In der Regel folgte Verträgen auf der Basis des ahdname aber letzten Endes die Annexion. Vgl. Halil Inalcik, Art. „Dar al-Ahd", in: The Encyclopedia of Islam. New Edition. Vol. 2. Leiden 1965, Sp. 116f.; Duncan B. Macdonald, Art. „Dar al-Sulh", ebd. Sp. 130f.; allgemein zum Problem: Majid Khadduri, War and Peace in the Law of Islam. Baltimore 1955, vor allem 201 ff., 271 ff.; Hans Joachim Kissling, Rechtsproblematiken in den christlich-muslimischen Beziehungen, vorab im Zeitalter der Türkenkriege. Graz 1974. - Bei diesem Vergleich muß natürlich berücksichtigt werden, daß es sich im Gegensatz zum Dreißigjährigen Krieg beim Dschihad in aller Regel nicht um einen Konfessionskrieg, also um eine Auseinandersetzung innerhalb ein- und derselben Religion, sondern um einen Krieg zwischen verschiedenen Religionen handelt. 36 ) Peter Burke, Did Europe exist before 1700?, in: History of European Ideas 1, 1980, 1-29. Aufgenommen von Heinz Duchhardt, Friedenssicherung im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden, in: Manfred Spieker (Hrsg.), Friedenssicherung. Bd. 3: Historische, politikwissenschaftliche und militärische Perspektiven. Münster 1989, 11-18, hier 16f. Allgemein dazu weiterhin einschlägig Heinz Gollwitzer, Europabild und Europagedanke. 2. Aufl. München 1964. - Aus Zeit- und Raumgründen wird entgegen den ursprünglichen Absichten diese „Europa"-Problematik hier und jetzt nicht weiter verfolgt. Eine erste Durchsicht relevanter Quellen läßt aber vermuten, daß auch der von Burke und Duchhardt konstatierte Wandel im Europabewußtsein um 1700 von den Friedens- und Ordnungsentscheidungen um 1650 nicht ganz unbeeinflußt war. 37 ) Heinz Duchhardt, Westfälischer Friede und internationales System im Ancien Régime, in: HZ 249, 1989, 529-543; ähnlich auch in ders., Friedenssicherung (wie Anm. 36), 17: „Das Friedenssystem von 1648 kollabierte ... rasch". Vgl. auch die zahlreichen weiteren
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werk, vor allem von Juristen und Politologen stets als universalgeschichtliche Wende gefeiert, will man „nur noch modifiziert Geltung" zugestehen, so eine Formulierung von Wolfgang Reinhard.38) Genau betrachtet bezieht sich jede dieser revisionistischen Positionen jedoch auf einzelne Fakten, ohne damit die Bedeutung des Friedens als Ganzes in Frage stellen zu können. Ja, eigentlich unterstreichen sie diese Bedeutung sogar, insofern sie nämlich voraussetzen, daß Zeitgenossen und Nachwelt diesen Friedensschlüssen Wirkungen zugemessen haben, die offensichtlich die Realität überstiegen. Wenn nicht das Ereignis, so ist doch dessen „Mythos" für die weitere Geschichte der europäischen Neuzeit wirksam geworden. In diesem Zusammenhang wird „Mythos" allerdings nicht im alltagssprachlichen, negativen Sinne als unwahr, irreal oder in ideologischer Absicht erlogen verstanden. Gemeint ist vielmehr die Aneignung des Friedens durch die Nachwelt - als wissenschaftliche Rezeption, vor allem aber als Norm des politischen Handelns sowie der historisch-politischen Kultur allgemein. Im Gegensatz zum alltäglichen Mythosbegriff, der Denkmuster bezeichnet, die als überholt, simplifizierend und dem eigenen aktuellen Bewußtseinsstand unterlegen gelten, meint dieser wissenschaftlich-analytische,.Mythosbegriff" gerade umgekehrt eine in die Zukunft gerichtete geistige Verarbeitung und Aneignung historischer Ereignisse und politischer Sachverhalte.39) In diesem Sinn ist in bezug auf die Folgen des Westfälischen Friedens für das neuzeitliche Politikund Kulturprofil Europas neben den unmittelbaren und mittelbaren Konsequenzen auch und vor allem die längerfristige Prägekraft durch den Mythos einschlägigen Abhandlungen Duchhardts, insbesondere seinen zusammenfassenden Überblick: Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648-1806. München 1990. Speziell zur Politik Frankreichs jetzt die Aufsätze in: Rainer Babel (Hrsg.), Frankreich im europäischen Staatensystem der frühen Neuzeit. Sigmaringen 1995; abwägend vor allem auch der Beitrag von Hans Schmidt, Frankreich und das Reich von 1648-1715, ebd. 13-32, der zu Recht herausstellt, daß bei aller Kritik nicht übersehen werden darf, daß die friedensstörenden Aktivitäten Ludwigs XIV. noch nichts mit dem „nachrevolutionären Chauvinismus des 19. Jahrhunderts" zu tun hatten (32). 38 ) Wolfgang Reinhard, Konfession und Konfessionalisierung. „Die Zeit der Konfessionen (1530-1620/30)" in einer neuen Gesamtdarstellung, in: HJb 114, 1994,107-124, hier 109, unter Verweis auf Burkhardt, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 13), 128-178. 39 ) Die beschriebene Funktion von Mythos und Mythen für die Politik und das individuelle wie kollektive Bewußtsein ist seit einigen Jahren Forschungsgegenstand für Historiker, Ethnologen, Literaturwissenschaftler und Politologen, die hierfür speziell das Feld „Politische Kultur"-Forschung entwickelt haben. Vgl. etwa Andreas Dörner, Politischer Mythos und symbolische Politik. Der Hermann-Mythos: Zur Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen. Reinbek bei Hamburg 1996; Helmut Berding (Hrsg.), Mythos und Nation. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 3. Frankfurt am Main 1996; Wolf gang Frindte/Harald Pätzold (Hrsg.), Mythen der Deutschen. Deutsche Befindlichkeiten zwischen Geschichte und Geschichten. Opladen 1994; Herfried Münkler, Politische Bilder. Politik der Metaphern. Frankfurt am Main 1994; ders., Odysseus und Kassandra. Politik und Mythos. Frankfurt am Main 1990; Karl-Heinz Bohrer (Hrsg.), Mythos und Moderne. Begriff und Bild einer Rekonstruktion. Frankfurt am Main 1983.
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Der Westfälische Friede als Epochenereignis
„Westfälischer Friede" zu berücksichtigen. 4 0 ) Nicht behandelt wird dagegen der im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der deutschen Geschichtswissenschaft und Politik konstruierte negative Mythos eines grundverderbten Friedensdiktates, der einen grotesken Höhepunkt in Hitlers Wahnvorstellung erreichte, der von ihm entfesselte Krieg habe - w i e er 1939 in einer militärischen Denkschrift formulierte - das Ziel, endlich „die feindselige Haltung Frankreichs seit d e m Westfälischen Frieden" auszuschalten. In nationalsozialistischer Deutung war 1939 ein ähnlicher „Weltanschauungskampf' zu kämpfen w i e von 1618 bis 1648. Dieser Negativmythos hätte im Falle eines deutschen Sieges w o m ö g l i c h zu einer makabren Wiederholung des Westfälischen Friedenskongresses in Münster und Osnabrück in Goebbelsscher Inszenierung und mit einem nationalsozialistischen Friedensdiktat geführt. 4 1 ) Berücksichtigt man neben den realgeschichtlichen Folgen auch die Wirkungen des Mythos „Westfälischer Friede" und der von ihm ausgehenden produktiven Vision über eine friedliche Rechtsordnung, dann ist weiterhin daran festzuhalten, daß die Westfälischen Friedensinstrumente von 1648 zusammen mit den sie ergänzenden Bestimmungen des Pyrenäen- (1659) und Olivaer Friedens (1660) eine wesentliche Etappe in der neuzeitlichen Geschichte Europas markieren. In der makrohistorischen Perspektive erscheint das allerdings w e niger als Bruch oder totaler Neuanfang. Auf den uns interessierenden Kernfeldern der politischen und kirchlich-religiösen Ordnung bedeuteten die ein40
) Eine solche Wirkkraft des Mythos „Westfälischer Friede" gestehen auch die Revisionisten zu - etwa Heinz Duchhardt, wenn er seine Relativierung der realgeschichtlichen Folgen durch den Hinweis relativiert, „daß ein .Geist des Westfälischen Friedens' fortlebte, ein Ideal des friedlichen Nebeneinanders von Staaten und Ständen" (Duchhardt, Westfälischer Friede [wie Anm. 37], 543). - Die mißverständliche Aufnahme meines Revisionismusbegriffs in der Berichterstattung über den Kongreß in der Münsteraner Lokalpresse läßt auch an dieser Stelle eine Bemerkung zum Sprachgebrauch angeraten erscheinen: „Revisionist" wird hier natürlich nicht im negativen Sinne der politischen Ideologie- und mörderischen Fraktionskämpfe innerhalb der europäischen Linken des 20. Jahrhunderts gebraucht, sondern als Bezeichnung der ureigensten Aufgabe des Wissenschaftlers, nämlich eingefahrene Interpretations- und Bewertungsmuster neu zu überdenken und zu „revidieren". „Revisionist" meint in diesem Zusammenhang demnach nicht Kritik, sondern Anerkennung der Ergebnisse der „Revision".
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) Erstes Zitat aus einer Denkschrift Hitlers, das zweite aus dem Tagebuch von Alfred Rosenberg. Beides zitiert nach: Hans-Joachim Behr, „Reichsausstellung" (wie Anm. 11), 9; ähnlich auch die vom Reichspropagandaministerium festgelegte Grundaussage einer geplanten, ab 1938 bereits in Vorformen gezeigten großen „Reichsausstellung" zum Jahr 1948 (ebd. 12). Konzept und Stoßrichtung des propagandistisch ausgeschlachteten Negativ-Mythos „Westfälischer Friede" änderten sich wiederholt entsprechend der Kriegslage nach dem erfolgreichen Frankreichfeldzug wurde er genutzt, die schon immer „hinterlistige Politik" Englands anzuprangern (ebd. 32), nach dem Überfall auf Dänemark und Norwegen rückte im Sommer 1940 Schweden in den Vordergrund, stets im Visier waren - wohl auch Ausdruck des besonderen „Feindbildes" der Münsteraner Nationalsozialisten - der Vatikan und die „Negativrolle" der Religion allgemein (ebd. 11, 32; vgl. auch den oben in Anm. 11 mitgeteilten Quellenbeleg). Zur vermutlichen Planung eines nationalsozialistischen Friedenskongresses vgl. Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 5. Aufl. Münster 1985, 4.
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schlägigen Friedensregelungen vielmehr eine Befestigung oder Einlösung dessen, was - wie im ersten Teil ausgeführt - im politisch-verfassungsgeschichtlichen und religionssoziologisch-kirchengeschichtlichen Profil Alteuropas angelegt war und sich auf dieser Basis seit dem hohen Mittelalter angebahnt hatte. In diesem Rahmen waren die Verträge erstens konstitutiv für die neuzeitliche Staatengesellschaft Europas, indem sie von der Gleichheit der Vertragspartner ausgehen. Sie dokumentieren damit gleichsam - um ein Bild aus der Diskussion um die Gestaltung der Ausstellung von 1998 aufzugreifen - die „geköpfte Burkhardtsche Staatenpyramide" 42 ) und damit die Tatsache, daß die neuzeitliche Staatengesellschaft keine Spitze und kein Oberhaupt mehr haben solle. Der alte Gradualismus war damit endgültig überwunden, letztlich auch die Gefahr einer Universalmonarchie, auch wenn dieses vor und im Dreißigjährigen Krieg immer wieder beschworene Schreckensbild auch noch nach 1648 propagandistisch eingesetzt wurde. Völkerrechtlich gesehen war der Westfälische Friede ein Gleichordnungs-Vertrag. Die hervorgehobene Stellung, die dem Kaiser auch weiterhin eingeräumt wurde, war nicht mehr wesensmäßig im Sinne des älteren Gradualismus, sondern nur noch Konvention. 43 ) Fortan ging es nicht mehr um einen qualitativen Vorrang, schon gar nicht um einen transzendent und sakral begründeten, sondern um Macht und Gewichtsverteilung zwischen Gleichen. Und auf diesem Gleichheitsprinzip beruhte dann auch das spätere Europa der Nationen, deren jede sich ja „als unmittelbar zu Gott" verstand. Charakteristisch für das Westfälische Ordnungssystem war, daß es auch und gerade die Belange der kleineren und republikanischen Mitglieder berücksichtigte, die wie Polen oder die Niederlande strukturell zu einer Militär- und Machtpolitik Unwillens waren. Das änderte sich aber bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als das neuzeitliche „Gesetz von Flächengröße und Einwohnerzahl" endgültig zum Durchbruch kam und die europäischen Mächte aufteilte in tonangebende „Großmächte", schließlich fünf an der Zahl, und in die Gruppe der anderen Staaten, die von deren kollektivem Willen abhängig waren. 44 ) Dennoch gilt, daß mit den Friedensschlüssen Mitte des 17. Jahrhunderts endgültig feststand, daß das neuzeitliche Europa keine politische Einheits- oder Großorganisation dulden, sondern darauf achten werde, die staatliche Vielfalt als Ausdruck einer über Jahrhunderte gewachsenen, nun 42
) Hierzu Burkhardt, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 13), und insbesondere sein Aufsatz in diesem Band - mit zahlreichen Bildbelegen - sowie ders., Die entgipfelte Pyramide. Der Friedenskompromiß der Hauptkriegsmächte, in: Bußmann/Schilling (Hrsg.), 1648 - Krieg und Frieden (wie Anm. 24). 43 ) Ausführlich hierzu der Beitrag von Heinhard Steiger in diesem Band mit weiterführenden Literaturhinweisen. 44 ) Näher ausgeführt in Heinz Schilling, Höfe und Allianzen. Deutsche Geschichte von 1648 bis 1763. Berlin 1989,47 f., 194 ff., 281 ff.
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Der Westfälische Friede als Epochenereignis
auch vertragsmäßig und völkerrechtlich besiegelten Tradition seiner politischen Organisation und Kultur zu sichern und falls nötig immer wieder aufs neue herzustellen. Europa war nicht als Universalmonarchie oder nach einem anderen Einheitskonzept zu ordnen. A u s der Staatenvielfalt ergab sich zwangsläufig, daß es eben diese Staaten beziehungsweise eine machtpolitisch führende Gruppe unter ihnen -
sein
mußten, die über Krieg und Frieden entschieden. D a s bedeutete aber nicht, daß Europa fortan schutzlos, um mit Hobbes zu sprechen, der „Wolfsnatur" dieser Partikularstaaten und deren separaten Eigeninteressen ausgeliefert war. Mit dem in Münster und Osnabrück begründeten System war in Europa „nicht nur der Krieg, sondern auch der Frieden per definitionem iert". 45 ) Das Völkerrecht - oder ius publicum
europaeum,
staatlich konstitudroit public de l'Eu-
rope, w i e das Völkerrecht nach 1648 in schöner Bezogenheit auf seinen Wurzelboden genannt wurde 4 6 ) - , die Friedensdiplomatie und das im Westfälischen Doppelkongreß von Münster und Osnabrück begründete neuzeitliche Kongreßwesen 4 7 ) ließen immer deutlicher auch das überstaatliche Konzept einer auf Recht und Vereinbarungen beruhenden europäischen Ordnung hervortreten. Somit liegt die Vermutung nahe, daß auch der für die Zeit um 1700 festgestellte Wandel im Europabild 4 8 ) zumindest indirekt i m Westfälischen Frieden und in den Erfahrungen angelegt war, die die europäischen Mächte und 45
) Daß der neuzeitliche „Staat nicht nur die bellizistische Intensivierung der Konfliktaustragung zur Folge hatte, sondern gleichermaßen über eine Pazifizierungsfunktion verfügt", auf diese nicht nur von geschichtsblinden Politologen gelegentlich gerne - absichtsvoll? übersehene Tatsache hat jüngst Herfried Münkler in einer klugen Erwiderung auf entsprechende Thesen von Ekkehart Krippendorff hingewiesen. Vgl. Herfried Münkler, Staat, Krieg und Frieden: Die verwechselte Wechselbeziehung. Eine Auseinandersetzung mit Ekkehart Krippendorff: Staat und Krieg. Die historische Logik politischer Unvernunft, in: Reiner Steinweg (Hrsg.), Kriegsursachen. Frankfurt am Main 1987, 135-144; dazu die Antwort von Ekkehart Krippendorff, ebd. 145-150. - Von philosophischer Seite hat jüngst Volker Gerhardt die Unentbehrlichkeit des Staates für eine internationale Friedensordnung betont: „Denn der Aufbau einer supranationalen Organisation kann nur von souveränen Staaten bewältigt werden" (Volker Gerhardt, Friede durch Souveränität, in: Kursbuch 126: Wieder Krieg, Dezember 1996, 135-152, hier 146). 4i ) Das einschlägige Kompendium von Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte. 2. Aufl. Baden-Baden 1988, behandelt die Epoche von 1648 bis 1815 im dritten Teil unter der Überschrift „Droit public de l'Europe: Die Völkerrechtsordnung des französischen Zeitalters" (323-498), während die vorangehende Epoche als „Jus inter gentes: Die Völkerrechtsordnung des spanischen Zeitalters, 1494-1648" abgehandelt wird. 47 ) Hierzu gibt es inzwischen eine umfangreiche Literatur. Ich nenne nur Ulrich Scheuner, Die großen Friedensschlüsse als Grundlage der europäischen Staatenordnung zwischen 1648 und 1815, in: Konrad Repgen/Stephan Skalweit (Hrsg.), Spiegel der Geschichte. Festgabe für Max Braubach. Münster 1964, 220-250; Heinz Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, Convenance, Europäisches Konzert. Friedenskongresse und Friedensschlüsse vom Zeitalter Ludwigs XIV. bis zum Wiener Kongreß. Darmstadt 1976; ders., Studien zur Friedensvermittlung in der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 1979; ders. (Hrsg.), Zwischenstaatliche Friedens Wahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Köln/Wien 1991. 48
) Vgl. oben Anm. 36.
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die Öffentlichkeit insgesamt während der langen Friedensverhandlungen gemacht hatten. Die Friedensschlüsse zu Mitte des 17. Jahrhunderts, allen voran das mit den schwierigen Konfessionsverhältnissen im Reich befaßte Osnabrücker Friedensinstrument, bedeuteten zweitens eine wichtige Etappe in der langen Beziehungsgeschichte zwischen Religion und Politik, zwischen Kirche und „Staat". Schon der im vorigen Abschnitt beschriebene Umschlag vom Konflikt- zum Friedenswillen war angesichts der seit einer Generation dominanten Verkopplung von Religion und Politik, die Deutschland und Europa in eine ausweglos scheinende Totalkonfrontation geführt hatte, nicht denkbar ohne eine Annäherung an das stets als Unterströmung gegenwärtige säkularisierende Politikmodell und ohne Anknüpfung an die reale Teilsäkularisation, die in Deutschland gerade das Staatskirchenrecht bereits 1555 erfahren hatte. 49 ) Indem die Artikel V und VII des Instrumentum Pacis Osnabrugense diesen Weg fortsetzten und den Absolutheitsanspruch der Konfessionen begrenzten, ohne deren geistlichen Wahrheitskern anzutasten 50 ), war im Reich ein nicht mehr in Frage gestellter rechtlicher und institutioneller Schutzwall gegen den konfessionellen „Bürgerkrieg" 51 ) errichtet. Das bedeutete zugleich den entscheidenden Durchbruch für die universalgeschichtliche Auflösung des religionssoziologischen Grundproblems Alteuropas, nämlich der gefährlichen, potentiell unkontrollierbaren und daher - wie im Dreißigjährigen Krieg unübers e h b a r - letztlich zerstörerischen, Europa in das Chaos der Selbstzerfleischung stürzenden Interferenz von Konfession und Politik. Zwar gab es während des schwedisch-polnischen Krieges von 1655 bis 1660 nochmals ein markantes Nachspiel apokalyptisch-eschatologischer Politikdeutung in der internationalen Politik, das beherrscht wurde von einer prononciert protestantisch-unionistischen Gruppe von Intellektuellen und Politikern, an deren Spitze Johan Arnos Comenius stand sowie in Schweden die Exulanten- und Industriellenfamilie de Geer sowie Samuel Hartlib und Johannes Duraeus in England. 52 ) Nach diesem Zwischenspiel galt das im Westfäli49
) Heckel, Krise (wie Anm. 28), 121. ) Das war eine gewaltige Leistung der Juristen, die nachgezeichnet ist bei Heckel, Krise (wie Anm. 28). Über die einzelnen Schritte, die bei den Osnabrücker Verhandlungen zu der schließlich gefundenen Lösung führten, unterrichtet demnächst ein Beitrag von Martin Heckel in dem für 1998 geplanten Katalog „1648 - Krieg und Frieden in Europa" (wie Anm. 24). 51 ) Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1973, 11 ff. 52 ) Vgl. Sven Göransson, Den Europeiska Konfessionspolitikens Upplösning 1654—1660. Uppsala 1956, 341. - Comenius veröffentlichte 1657 unter dem Eindruck der Konfrontation zwischen der katholischen Allianz von Polen und Österreich einerseits und dem protestantischen Bündnis zwischen Schweden und Siebenbürgen andererseits eine Sammlung apokalyptischer Prophezeiungen unter dem Titel: Lux in tenebris, erweiterte Neuaufl. unter dem Titel: Lux e tenebris. O.O. 1665. Bereits 1632 waren Teile auf deutsch als: Zwey wun50
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Der Westfälische Friede als
Epochenereignis
sehen Frieden gefundene Grundmuster einer Abkoppelung der Politik, speziell der Mächtepolitik, von einer Totalbeanspruchung durch die konfessionellen Weltanschauungssysteme aber generell in Europa. Das war allerdings dies ist zur Vermeidung von Mißverständnissen zu betonen53) - noch nicht eine Säkularisation im Sinne der Aufklärung oder gar eine Trennung von Staat und Kirche im heutigen Sinn. 54 ) Das neue säkulare Verständnis von Politik konnte durchaus weiterhin mit Elementen religiöser Weltdeutung versetzt sein. Das läßt sich etwa an der französischen Proposition für die Münsteraner Verhandlungen ablesen, in der es heißt, der Friede sei machbar und er müsse so gestaltet werden, daß die Menschen nicht wieder in die Verlegenheit versetzt würden, Gott bitten zu müssen, sie von der Geißel des Krieges zu befreien. 55 ) Diese Feststellung fußt insofern auf dem neuen, säkularen Politikverständnis, als sie die Menschen, konkret die Politiker, als Urheber einer Entscheidung über Krieg oder Frieden ansieht. Dessen ungeachtet setzt sie aber andererseits weiterhin voraus, daß hinter einem Krieg der strafende Wille Gottes stehe und daß damit das Geschehen letztlich dem menschlichen Entscheiden und Handeln entzogen bleibt, jedenfalls einem rein säkularen, von jeder
der Tractatlein. O.O. 1632, erschienen. Die pamphletistische Auseinandersetzung um diese Prophezeiungen läßt sich bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts verfolgen. Zur Stellung dieser Schrift im Gesamtzusammenhang des religiösen Werkes von Comenius vgl. Rudolf Rican, Einige Beobachtungen zur Frage der religiösen Toleranz und des Ökumenismus bei Comenius, in: Heinz-Joachim Heydorn (Hrsg.), Johan Arnos Comenius. Geschichte und Aktualität 1670-1970. Bd. 1. Glashütten/Ts. 1971, 151-167. - Über die Verbreitung und politische Funktion eschatologischer Vorstellungen nach 1650 sind wir noch ganz unzureichend informiert. Wichtige Hinweise bei Holger Th. Graf, Gestaltende Kräfte und gegenläufige Entwicklungen im Staatensystem des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Peter Krüger (Hrsg.), Das europäische Staatensystem im Wandel. München 1996, 11-25, hier 16 ff., vor allem auch in den Anmerkungen. Fest steht, daß vor allem im reformierten Umfeld politisch wie gesellschaftlich dynamisierende Wirkungen davon ausgingen. Einige Bemerkungen dazu in Mark Greengrass/Michael Leslie/Timothy Raylor (Eds.), Samuel Hartlib and Universal Reformation. Cambridge 1995, u.a. den Aufsatz von Howard Hotson, Philosophical Pedagogy in Reformed Central Europe between Ramus and Comenius, 29-50, der eine Monographie zu diesen Zusammenhängen vorbereitet; Peter Toon, Der englische Puritanismus, in: HZ 214, 1972, 30-41; ders., Puritans, the Millenium and the Future of Israel: Puritan Eschatology 1600 to 1660. Cambridge 1970; Brecht, Pietismus (wie Anm. 24). 53
) So ist mir unverständlich, daß man „die Trennung von Staat und Kirche ... als Produkt der konfessionellen Bürgerkriege des 16. und 17. Jahrhunderts" bezeichnen kann. So der Staatskirchenrechtler und Rektor der Universität Potsdam, Wolfgang Loschelder, in einem Vortrag vor der evangelischen Studentengemeinde Potsdam: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 11.11.1996. 54 ) Heckel, Krise (wie Anm. 28), vor allem 108, 121, 125; vgl. auch Michael Mann, Geschichte der Macht. Bd. 2. Frankfurt am Main/New York 1991, 353 f. Auch Grewe, Epochen (wie Anm. 46) betont, daß mit 1648 Europa und sein Völkerrecht noch keineswegs „gänzlich aus ihrer religiösen Verwurzelung gelöst waren" (339). 55 ) Auf diese Proposition hat Heinhard Steiger in seinem Vortrag nachdrücklich hingewiesen, vgl. jetzt seinen Beitrag in diesem Band.
Schilling, Das neuzeitliche Profil
Europas
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religiösen Dimension absehenden Handeln.56) Auch nach 1648 hatte und durfte Politik etwas mit Religion „zu schaffen" haben, um es noch einmal in die Worte von Thomas Mann zu kleiden. Im Sinne des erwähnten „alteuropäischen Säkularisierungstypus" erfuhr sie sogar eine nicht unerhebliche Aufladung mit religiöser Legitimation, was damals in der Regel noch mit der Rückbindung an christliche Normen einherging. Auf dieser Legitimationsbasis konnte sich dann in den folgenden Jahrzehnten im Reich und international in Europa die neuzeitliche Autonomisierung des Politischen Bahn brechen - im Reich, indem ein „stiller Verfassungswandel" den „Notrechtscharakter des Religionsfriedens" verblassen ließ, so die Formulierung von Martin Heckel, dem besten Kenner des historischen Staatskirchenrechts57); international, indem allgemein die theologische Bindung von Recht und Politik in den Hintergrund trat. Das war ein systemischer Wandel, ein Paradigmawechsel, gegen den kein Hinweis auf auch später noch politisch wirksame Elemente des Konfessionellen sticht. Solche Elemente konfessioneller Argumentation finden sich sowohl im Gegensatz England Frankreich zur Zeit Wilhelms III. von Oranien und Ludwigs XIV., als die protestantische Propaganda erneut ein Ringen mit dem „Antichristen" beschwor, diesmal in Gestalt des Franzosenkönigs58), als auch im Siebenjährigen Krieg zwischen dem katholischen Habsburger und dem protestantischen Preußen59) und in den bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zahllosen konfessionellen Rechtsstreitigkeiten zwischen den deutschen Reichsständen60). Gegenüber 56
) Diese Ambivalenz läßt sich in einer ganzen Reihe von Dokumenten des späteren 17. und auch noch des frühen 18. Jahrhunderts nachweisen. So heißt es etwa bei Johann Christian von Boyneburg, Considerationes politicae de praesenti statu Europae. Frankfurt am Main 1672, gleich zu Beginn dieser bedeutenden Abhandlung des kurmainzischen Ministers und Barons: „Und gleich wie vor diesem als Gott uns erzürnet gewesen, ein Krieg auß dem anderen entstanden; also wurde anjetzo, nachdem er uns wieder mit gnädigen Augen angesehen, ein Friede nach dem anderen getroffen" (4). 57 ) Heckel, Krise (wie Anm. 28), 125. 58 ) Nicolas Japikse, Prins Willem III. 2 Vols. Amsterdam 1930-1933, hier vor allem Vol. 1, 159f., 168f.; NescaA. Robb, William of Orange. 2 Vols. London 1966; Stephen B. Baxter, William III. London 1966. Nachweis konfessionell propagandistischer Pamphlete in diesem Zusammenhang bei Gräf, Kräfte (wie Anm. 52), 16 Anm. 19. 59 ) Johannes Burkhardt, Abschied vom Religionskrieg. Der Siebenjährige Krieg und die päpstliche Diplomatie. Tübingen 1985. Dieter Stievermann, Politik und Konfession im 18. Jahrhundert, in: ZHF 18, 1991, 177— 205; Gabriele Haug-Moritz, Kaisertum und Parität. Reichspolitik und Konfessionen nach dem Westfälischen Frieden, in: ZHF 19, 1992, 4 4 5 ^ 8 2 . Jürgen Lüh, Unheiliges Römisches Reich. Potsdam 1995, 11, vgl. auch 51, der aus der richtig gesehenen Tatsache, daß „Miteinander und Handlungsweise der Menschen und Stände noch weitgehend konfessionell bestimmt waren", den falschen Schluß zieht, es habe sich mit 1648 nichts Wesentliches geändert. - Ein schönes Beispiel für den Fortbestand konfessionalistischer Strukturen nach 1648 einerseits und den Zwang zur Entkonfessionalisierung andererseits findet sich bei Martin Fimpel, Stabilisierungspolitik im Schwäbischen Reichskreis - der Herzog von Württemberg als kaiserlicher Kommissar 1648-1806. Phil. Diss. (Masch.) Stuttgart 1996, 213 ff. (Druck demnächst in der Reihe „Frühneuzeit-Forschungen", Tübingen), wo gezeigt
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Der Westfälische Friede als
Epochenereignis
der Zeit vor 1648 war hier aber die Wertigkeit eine andere geworden: Das Konfessionelle war nicht mehr Leitkategorie, sondern ein Faktor unter anderen, und zwar zunehmend ein nachgeordneter. Für das Reich war der Fortbestand konfessioneller Streitigkeiten sogar Teil der Regelung von 1648 selbst: Indem sie institutionalisiert und verrechtlicht wurden, wurden sie verstetigt, aber eben als rechtliche Auseinandersetzungen und nicht als politische und militärische Totalkonfrontation. Auch dieser Grundsatzwandel ging weniger auf den Buchstaben des Friedensgesetzes zurück als auf dessen Auslegung und Rezeption; er war nicht Folge der unmittelbaren Realität, sondern des Mythos: Wie in der Staatengeschichte der „Geist des Westfälischen Friedens ... [als, H.S.] Ideal des friedlichen Nebeneinanders von Staaten und Ständen"61) nicht verlorenging und entsprechend wirkte, so in bezug auf das religionssoziologische Profil der europäischen Neuzeit das Wissen um die nicht-religiöse Qualität und die Autonomie des Politischen. Neben den beiden im Vorangehenden näher beleuchteten politischen und religiösen Wirkungszusammenhängen läßt sich eine ganze Reihe weiterer Folgen des Westfälischen Friedens für das neuzeitliche Profil Europas feststellen, von denen ich abschließend die mir besonders wichtig erscheinenden nur noch kurz nennen kann. Zunächst und vor allem sehe ich als Konsequenz der letztlich auch religiös begründeten Friedensfähigkeit und deren Realisierung in den Friedensschlüssen von 1648 eine normative „Verunmöglichung" von Glaubenskriegen, die die historisch-politische Kultur der europäischen Neuzeit nachhaltig prägte. Durch die traumatische Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges und die nicht weniger nachhaltig wirksame Erfahrung des Erfolges der Friedensbemühungen, speziell der Einschränkung des Absolutheitsanspruches der Konfessionen und der damit gelungenen Bändigung der religiösen Konfrontationsdynamik, ist in Europa bereits lange vor der Aufklärung der Glaubenskrieg als solcher moralisch und ethisch „unmöglich" geworden. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts konnte es sich keine Macht mehr erlauben, einen Krieg offiziell und offen um der Religion oder des Glaubens willen zu führen. Wo von „Religionskrieg" die Rede ist, da ist das als Vorwurf gemeint, um den Gegner propagandistisch zu stigmatisieren. Wenn heute etwas als unbestreitbare, gemeinsame Norm der europäischen Politikkultur gelten kann, dann die Ablehnung von Glaubenskriegen. Diese Prägung unserer historischpolitischen Kultur ist sogar so stark, daß sie eine gewisse historisch begründete Hilflosigkeit gegenüber fundamentalistisch bestimmten Gesellschaften und Kulturen, die dieses Phänomen als legitimes Mittel der Politik kennen, erzeugt hat. Häufig erweist sich daher bereits der Versuch als schwierig, fundawird, daß das protestantische Württemberg eine sachgerechte Kreispolitik nur auf dem Wege der Entkonfessionalisierung betreiben konnte. 61 ) Duchhardt, Westfälischer Friede (wie Anm. 37), 543.
Schilling, Das neuzeitliche Profil Europas
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mentalistisch geprägte Kulturen in Vergangenheit oder Gegenwart wissenschaftlich zu analysieren und in ihren Bauprinzipien, die nicht den säkularen der europäischen Gegenwart entsprechen, begreifbar zu machen. Ich erinnere nur an die Debatten über die Äußerungen von Annemarie Schimmel zum Fundamentalismus im Umkreis der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Jahre 1995.62) Des weiteren ist auf den Rechtscharakter der Friedensregelungen von 1648 hinzuweisen, der entschieden und für alle Mitglieder der sich herausbildenden Staatengesellschaft sichtbar unterstrich, daß Europa auf das Recht als innerund zwischenstaatliches Regulierungs- und Konfliktlösungsinstrument festgelegt war. Das sollte in den folgenden Jahrhunderten vor allem das Reich nachhaltig prägen, auch und gerade im Zusammenleben der Konfessionen und später dann der Religionsgemeinschaften allgemein. Die Osnabrücker Rechtsregelungen zum Zusammenleben der Konfessionen innerhalb des Reiches begründeten in Deutschland jene Rechtstradition, die ungeachtet von Rückschlägen, wie etwa der Vertreibung der Salzburger Protestanten im 18. Jahrhundert, und trotz wiederholter Fundamentalangriffe in Zeiten rechter oder linker Unrechtsherrschaft bis heute gilt, die Tradition nämlich, in Religionsfragen und in den res mixtae, den „Zwischendingen" zwischen Religion und Welt, radikale Lösungen nicht zuzulassen, sondern auf dem Rechts- und Verhandlungsweg den für alle Seiten gerechten, friedensstiftenden Kompromiß zu suchen. 63 ) Schließlich sei noch die Differenzierung Europas genannt, die durch die Friedensschlüsse nochmals nachhaltig befestigt wurde - die politisch-staatliche ebenso wie die geistige und kulturelle, die sich aus der 1648 endgültig 62
) Die Kontroverse ist dokumentiert in mehreren Artikeln und zahlreichen Leserbriefen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von September bis Oktober 1995. Vgl. vor allem die im September erschienenen Artikel von Hubert Spiegel, Die Widersacher, über die Aktivitäten des Freiburger Ahriman Verlages (Nr. 218 vom 19.9.1995, 35), und Gustav Seibt, Propheten links, Propheten rechts. Vgl. außerdem die Reden von Bundespräsident Roman Herzog und der Preisträgerin in der Ausgabe Nr. 240 vom 16.10.1995, 9 f. - In eine andere Richtung, nämlich auf den Vergleich zwischen „Religionskrieg" und ideologischen Auseinandersetzungen in der jüngsten Vergangenheit abhebend, gehen die Überlegungen von Hans Hattenhauer, Über die Langzeitwirkungen von Religionskriegen. Deutsche Erfahrungen im Lichte der Geschichte, in: Othmar Jauernig/Peter Hommelhoff (Hrsg.), Teilungsfolgen und Rechtsfriede. Heidelberg 1996, 173-178. 63 ) Auch für das Fortwirken dieser im Westfälischen Frieden begründeten Prägung der historisch-politischen Kultur läßt sich ein aktueller Beleg anführen, nämlich die Kontroverse über das sogenannte „Kruzifix-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer 1995. Die zum Teil heftige Kritik zielte im Kern darauf ab, daß sich das Verfassungsgericht mit seinem Urteil außerhalb dieser dreihundertfünfzigjährigen Rechtstradition gestellt habe. Auch hierzu zahlreiche und ausführliche Leserbriefe und Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von August und September 1995, u.a. die Aufsätze von Eberhard Jüngel, Die unsichtbare Kirche (Nr. 214 vom 14.9.95, 41) und Hans Maier, Kreuze sichtbar machen (Nr. 219 vom 20.9.95, 39).
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Der Westfälische Friede als
Epochenereignis
festgeschriebenen Vielfalt der Konfessionen mit je besonderen Kulturen und Mentalitäten ergab 64 ), wenig später ergänzt um die Anerkennung auch anderer, nicht konfessionaler Religions- und Kultgemeinschaften. Im Angesicht des heutigen Zusammenschlusses Europas, und damit einer gewissen Zurücknahme der politischen Differenzierung, wird vor allem diese geistig-kulturelle Vielfalt als Erbe der Konflikte und Friedensschlüsse des 16. und 17. Jahrhunderts für das zukünftige Profil Europas wichtig werden - natürlich zusammen mit den vielen anderen kulturellen und geistigen Prägungen nichtchristlicher und säkularer Art, die in den letzten Jahrhunderten in den Vordergrund traten, ohne indes das Muster der konfessionellen Kulturdifferenzierung Europas je ganz zu verwischen, das die Friedensschlüsse zu Mitte des 17. Jahrhunderts endgültig gesichert hatten.
M
) Hierzu detaillierter Heinz Schilling, Die Reformation und die Einheit Europas - die konfessionellen Identitäten als Wegbereiter von Partikularstaatlichkeit, in: Heiner Faulenbach (Hrsg.), Standfester Glaube. Festschrift für Johann Friedrich Gerhard Goeters. Bonn 1991, 37-46; ders., Nationale Identität und Konfession in der europäischen Neuzeit, in: Bernhard Giesen (Hrsg.), Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit. Frankfurt am Main 1991, 192-252; ders., Konfessionelle und politische Identität im frühneuzeitlichen Europa, in: Antoni Czacharowski (Hrsg.), Nationale, ethnische Minderheiten und regionale Identitäten in Mittelalter und Neuzeit. Akten einer internationalen Historikerkonferenz vom 02.-04.06.1993 in Torun. Torun 1994, 103-124.
Der Westfälische Frieden Grundgesetz für Europa?* Von
Heinhard
Steiger
I
In seiner jüngst erschienenen „Völkerrechtsgeschichte" bezeichnet KarlHeinz Ziegler das Vertragswerk von Münster und Osnabrück als „gewissermaßen das Grundgesetz dieses europäischen öffentlichen Rechts".1) Bereits vorher hatten Wolfgang Preiser und Ernst-Wolfgang Böckenförde den Begriff „Grundgesetz", wenn auch jeweils in etwas anderer Gesamtformulierung, verwendet.2) Der Begriff „Grundgesetz" hat zwar eine sich wandelnde Bedeutung, bezeichnet aber immer eine grundlegende, die gesamte rechtliche Ordnung tragende Norm. 3 ) Er wird in der Regel im Verfassungsrecht und der Verfassungstheorie verwendet, steht also dem Begriff „Verfassung" im rechtlichen Sinn nahe. Die Bezeichnung des Westfälischen Friedens als „Grundgesetz" der europäischen Ordnung stützt sich sowohl auf seine reichsrechtliche als auch auf seine völkerrechtliche Bedeutung.4) Für das Reichsverfassung
* Überarbeitete, ergänzte und auf Bitten des Veranstalters um den Abschnitt IV erweiterte Fassung meines Vortrags vom 1. November 1996 unter dem Titel „Friedensordnung für Europa? - Die an den Friedensverträgen von Münster und Osnabrück beteiligten Mächte". Die Titeländerung ergab sich aus der Erweiterung. Ich danke der Wissenschaftlichen Mitarbeiterin an meiner Professur, Frau Ulrike Schöne, für ihre intensive, entdeckende und fördernde Mitarbeit von der Materialbeschaffung bis zur Textbearbeitung. ') Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte. München 1994, 181. 2 ) Wolfgang Preiser, Art. „Völkerrechtsgeschichte I", in: Wörterbuch des Völkerrechts. Bd. 3. 2. Aufl. Hrsg. v. Hans-Jürgen Schlochauer. Berlin 1962, 681-703, hier 701: „eine Art von europäischem Grundgesetz ..., das bis zur französischen Revolution und darüber hinaus in Geltung gestanden hat"; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände, in: Der Staat 8, 1969, 449-478, hier 453: „Grundgesetz der europäischen Völkerrechtsgemeinschaft"; Leo Gross, The Peace of Westphalia, 1648-1948, in: The American Journal of International Law 4 2 , 1 9 4 8 , 2 0 - 4 1 , hier 24, zitiert wohl zustimmend sogar die Charakterisierung der Verträge von Westfalen durch David Jayne Hill als aufgrund der Garantie-Klauseln „an international Constitution". 3 ) Zum Begriff „Grundgesetz": Heinz Mohnhaupt/Dieter Grimm, Art. „Verfassung (I und II)", in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 6. Stuttgart 1990, 831-899, hier 843ff., 8 5 2 f „ 857 (Heinz Mohnhaupt), 863ff. (Dieter Grimm). 4 ) Böckenförde, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 453; Preiser, Völkerrechtsgeschichte (wie Anm. 2), 701.
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Der Westfälische Friede als Epochenereignis '
recht waren die Instrumenta Pacis zweifellos eine lex fundamentalis, zumal sie gemäß Art. XVII § 2 IPO/§ 112 IPM auch vom Reichstag bei seinem ersten Zusammentreten nach 1648 im Jahre 1654 im .Jüngsten Reichs(tags)abschied" als solche verabschiedet wurden. Aber die Verwendung des Begriffs für die rechtliche europäische Ordnung insgesamt wirft doch Zweifel auf, ob seine rechtlich-normative Bedeutung damit nicht überzeichnet wird. Des weiteren gilt der Westfälische Frieden, d.h. gelten die beiden Verträge vom 24. Oktober 1648, in der Völkerrechtsgeschichtsschreibung als Epochenereignis sowohl für das Völkerrecht als auch für die politisch-staatliche Ordnung Europas.5) Einige Autoren gehen so weit, darin die Grundlage, ja den eigentlichen Beginn des modernen Völkerrechts, jedenfalls des europäischen Völkerrechts oder droit public de l'Europe und dieser neuen Staatenordnung zu sehen.6) Andere Darstellungen sehen die beiden Verträge nüchterner als einen zwar wesentlichen Schritt in der Entwicklung des modernen Völkerrechts, dessen Bedeutung jedoch weniger darin liege, eine Neuorientierung hervorgebracht zu haben, als vielmehr darin, eine seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts sich abzeichnende, im 16. Jahrhundert sich verstärkende, auf der politischen wie auf der theoretischen Ebene sich vollziehende Entwicklung zum Abschluß und zur Durchsetzung gebracht zu haben. Der Westfälische Frieden erscheint damit als Knotenpunkt in der Entwicklung der rechtlichen Ordnung Europas und des Völkerrechts.7) Es besteht aber allseits dem Grunde nach Übereinstimmung darin, daß nach dem Friedensschluß von Münster und Osnabrück das Völkerrecht wie die politische Ordnung in Europa eine von der vorhergehenden Epoche relativ deutlich abgesetzte, moderne Gestalt gewonnen haben. 5
) Viele Gesamtdarstellungen der Völkerrechtsgeschichte lassen mit dem Westfälischen Frieden eine neue Epoche beginnen, zuletzt Stefan Verosta, History of the Law of Nations, in: Rudolf Bernhardt (Ed.), Encyclopedia of Public International Law (EPIL). Vol. 2. Amsterdam u.a. 1995,749; Wörterbuch des Völkerrechts. Bd. 3 (wie Anm. 2), 703; Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte. 2. Aufl. Baden-Baden 1988, 323ff.; früher u.a. Robert Redslob, Histoire des grands principes du droit des gens. Paris 1923, 219ff. 6 ) Alfred-Maurice de Zayas, Westphalia, Peace of (1648), in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL (wie Anm. 5), Instalment 7. Amsterdam 1984, 536, 539; Rolf Knubben, Art. „Völkerrechtsgeschichte (2)", in: Karl Strupp (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts. Bd. 3. Berlin/Leipzig 1929, 194-204, hier 195; Emst Reibstein, Das europäische öffentliche Recht, in: Archiv des Völkerrechts 8, 1959/60, 3 8 5 ^ 2 0 , hier 385 f. Zur älteren Literatur u.a. Robert Turretini, La signification des Traités de Westphalie dans le domaine du droit des gens. Jur. Diss. Genf 1949, 5, und Ulrich Scheuner, Die großen Friedensschlüsse als Grundlage der europäischen Staatenordnung zwischen 1648 und 1815, in: Konrad Repgen/Stephan Skalweit (Hrsg.), Spiegel der Geschichte. Festgabe für Max Braubach zum 10. April 1964. Münster 1964, 220-250, hier 222. 7 ) Andrea Rapisardi Mirabelli, Le Congrès de Westphalie. Ses négociations et ses résultats au point de vue de l'histoire du droit des gens. Aperçu critique, in: Bibliotheca Visseriana. Dissertationum ius internationale illustrantium 8, 1929, 5-102, hier 9, 90ff.; Gross, Peace of Westphalia (wie Anm. 2), 26 ff.; Scheuner, Friedensschlüsse (wie Anm. 6), 222; Turretini, Traités de Westphalie (wie Anm. 6), 7 ff.
Steiger, Grundgesetz für Europa?
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In der Regel gründen sich diese Thesen eher auf eine Gesamtsicht dessen, was wir heute als „Friedensprozeß" bezeichnen, d.h. den Kongreß, die Friedensverhandlungen, die beiden Verträge von 1648 in sehr allgemeiner Sicht, als auf eine positiv-völkerrechtliche Analyse der Verträge selbst.8) Einzelanalysen sind in neuerer Zeit fast völlig unterblieben9); völkerrechtliche Gesamtwürdigungen liegen aus neuerer Zeit nur einige wenige vor10). Es ist zwar richtig, daß sich aus den Verträgen selbst und ihren Regelungen, so bedeutsam sie auch sein mögen, die epochale Bedeutung des Friedens von 1648 nicht unmittelbar ableiten läßt11), denn beide Verträge regeln zunächst den Frieden zwischen den Partnern und die zwischen ihnen streitigen Probleme. Aber die allgemeine Bedeutung, die dem Westfälischen Frieden für das Völkerrecht und die europäische Staatenordnung überwiegend zugesprochen wird, muß doch an die Verträge angeknüpft werden. Sie liegt darin, daß sich in ihnen drei rechtliche Ebenen verknüpfen. Die erste Ebene ist die Beendigung des Krieges in Deutschland und damit die Herstellung eines konkreten Friedens zwischen den Kriegführenden innerhalb des Reiches und nach außen auf der Grundlage der rechtlichen Regelung bestimmter innerer und äußerer Sachprobleme sowie die dadurch erreichte konkrete rechtliche Ordnung des Verhältnisses bestimmter europäischer Mächte untereinander (III). Die zweite Ebene ist die Fortwirkung der Verträge und ihrer Regelungen in der weiteren Entwicklung der europäischen positiv-rechtlichen Ordnung im Hinblick auf 8
) Ebd. 5 ff.; Rapisardi Mirabelli, Congrès de Westphalie (wie Anm. 7), 7 f. ) Hans Wehberg, Die Schieds- und Garantieklausel der Friedensverträge von Münster und Osnabrück (24. Oktober 1648), in: Die Friedens-Warte 48,1948, 281-289; Einzelanalysen finden sich auch in Untersuchungen allgemeineren Charakters: Jörg Fisch, Krieg und Frieden im Friedensvertrag. Stuttgart 1979,103 ff., 361 ff.; Jean-Claude Fritsch, Les clauses de paix du Traité de Westphalie au Congrès de Vienne, in: Jahrbuch der Diplomatischen Akademie Wien 10, 1974/75, 50-54; Hermann Scharbatke, Die Generalamnestie im Friedensvertrag - mit besonderer Berücksichtigung des Westfälischen Friedens. Jur. Diss. Würzburg 1974; vor 1806 sind hingegen zahlreiche Einzeluntersuchungen erschienen, siehe auch Heinz Duchhardt (Hrsg.), Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/Matthias Schnettger. Münster 1996, 51 ff. 10 ) Robert Rie, Art. „Westfälischer Friede", in: Wörterbuch des Völkerrechts. Bd. 3 (wie Anm. 2), 839-841; Turretini, Traités de Westphalie (wie Anm. 6); de Zayas, Westphalia (wie Anm. 6); Rapisardi Mirabelli, Congrès de Westphalie (wie Anm. 7); Gross, Peace of Westphalia (wie Anm. 2); allgemein überwiegen historische Darstellungen, die nicht die rechtliche, sondern die historisch-politische Analyse zum Gegenstand haben. Aber auch juristisch angelegte Darstellungen der Völkerrechtsgeschichte begnügen sich in der Regel mit politischen Wertungen allgemeiner bis oberflächlicher Art, ohne sich der Mühe einer rechtlichen Analyse der Verträge selbst zu unterziehen; allenfalls werden politische Pläne, nicht aber das Völkerrecht behandelt: Arthur Wegner, Geschichte des Völkerrechts. Stuttgart 1936, 173ff.; Georg Stadtmüller, Geschichte des Völkerrechts. Hannover 1951, 130; solche Pläne stehen auch im Vordergrund bei Ziegler, Völkerrechtsgeschichte (wie Anm. 1) und Arthur Nussbaum, Geschichte des Völkerrechts in gedrängter Darstellung. München/ Berlin 1960. ") Gross, Peace of Westphalia (wie Anm. 2), 26; Rapisardi Mirabelli, Congrès de Westphalie (wie Anm. 7), 9 f. 9
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Der Westfälische Friede als
Epochenereignis
nachfolgende Kriege, Allianz- und Friedensverträge (IV). Die dritte Ebene ist die Wirksamkeit allgemeiner völkerrechtlicher Prinzipien und Strukturen, die, wenn auch durchaus bereits seit längerem sich entwickelnd, in den Regelungen und Strukturbildungen der Verträge von Münster und Osnabrück z.T. zum ersten Mal gestaltend wirksam wurden, dann aber dauerhaften Charakter annahmen (V). Die folgenden Erörterungen beschränken sich auf die Analyse der Verträge auf diesen drei Ebenen. Damit werden bewußt zwei weitere Ebenen ausgeklammert, die für eine umfassende Würdigung des Friedens von Münster und Osnabrück als Epochenereignis notwendig wären: zum einen die Entwicklungen und Wandlungen der politischen und rechtlichen Konzeption zur Ordnung Europas, also die geistesgeschichtliche Ebene, zum anderen die Entwicklungen und Wandlungen der politischen und rechtlichen Ordnung Europas selbst, also die vertragsgeschichtliche Ebene. Vor allem die erstgenannte hat bisher weitgehend im Vordergrund völkerrechtsgeschichtlicher Untersuchungen gestanden.12) Eine europäische Bedeutung der Verträge setzt voraus, daß Europa, d. h. seine Mächte, an diesen Verträgen überhaupt beteiligt waren. Obwohl beide Verträge zweiseitige Verträge sind, werden doch fast alle übrigen damaligen europäischen Mächte jedenfalls in das IPO einbezogen, so daß zumindest dieses auf vermittelte Weise eine europäische Dimension erhält. Darauf ist zunächst einzugehen (II).
II. Die Beteiligten 1. Ausgang Die beiden Verträge vom 24. Oktober 1648 sind gemäß Präambel und Art. I IPO/§ 1 IPM abgeschlossen vom Kaiser einerseits und der schwedischen Königin und dem Königreich Schweden bzw. dem französischen König andererseits. Aber damit ist der Kreis der Beteiligten und deren Status in den Verträgen keineswegs erschöpft. Die Verträge wurden laut den Präambeln mit Zustimmung der Reichsstände geschlossen. Die Friedensformeln erstrecken sich auch auf die confoederates et adhaerentes beider Seiten. Für das IPO treten gemäß Art. XVII §§10 und 11 noch andere Mächte in unterschiedlicher Position hinzu, so daß mit Ausnahme des Papstes und des Sultans alle europäischen Mächte einschließlich der deutschen Reichsstände rechtlich in irgendeiner Weise in die beiden Verträge, jedenfalls das IPO, einbezogen sind. Johann l2 ) Dazu u.a. die Aufsätze von Scheuner, Friedensschlüsse (wie Anm. 6) und Gross, Peace of Westphalia (wie Anm. 2).
Steiger, Grundgesetz für
Europa?
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Stephan Pütter zieht daher in seinem „Geist des Westphälischen Friedens" von 1795 nach der Aufzählung aller am IPO beteiligten Mächte die Folgerung: „Also, alle diese Mächte zusammengenommen, konnte man sagen, daß ganz Europa bey diesem Friedenswerke interessiert war". 13 ) Die Wortwahl „interessiert" deutet eine Weite der rechtlichen Beteiligung an, die zwar mehr ist als ein nur tatsächliches Interesse, aber weniger als Vertragspartnerschaft. Stephan Verosta hat die Verträge von Münster und Osnabrück jüngst sogar als „a European collective agreement such as later became customary for resolving political and international law differences" bezeichnet. 14 ) Allerdings geht er nicht näher auf die rechtliche Bedeutung der diesem Urteil zugrundeliegenden Vertragsklauseln ein. Die rechtlichen Positionen der Beteiligten im und zum Vertragswerk sind aber zu verschieden, um eine solche Charakterisierung zu rechtfertigen. Es bedarf einer näheren Erörterung. 2. Kategorien Man kann die an dem Vertragswerk von Münster und Osnabrück Beteiligten in drei Kategorien einteilen: Die Vertragspartner, die Bündnispartner, die sonstigen Einbezogenen, wobei die Einordnung der Reichsstände in diese Kategorien Schwierigkeiten macht. Rechtliche Grundlage für diese Einteilung sind einerseits die Präambeln der beiden Verträge, Art. I IPO/§ 1IPM, die die beiden ersten Kategorien benennen, und zum anderen Art. XVII §§10 und 11 IPO und § 119 IPM, die die sonstigen Beteiligten auflisten. Hinzuzuziehen sind außerdem Art. XVII §§ 1 und 12 IPO sowie § 120 IPM, die die Ratifikation der Verträge und die Frage der Unterschriften regeln. 3. Vertragspartner Vertragspartner sind gemäß den Präambeln und Art. I IPO ohne weiteres der Kaiser einerseits und die Königin und das Königreich Schweden bzw. gemäß § 1 IPM der Allerchristlichste König von Frankreich andererseits. Gemäß den Präambeln haben sich deren Bevollmächtigte auf den Text geeinigt (in mutuas pacis et amicitiae leges consenserunt et convenerunt tenore sequenti). Zwischen ihnen soll gemäß Art. I IPO/§ 1 IPM eine pax... christiana, universalis, [et] perpetua veraque et sincera amicitia eintreten. Ihre Gesandten unterzeichnen den jeweiligen Vertrag gemäß Art. XVII § 12 IPO und § 120 IPM an erster Stelle. Sie versprechen gemäß Art. XVII § 1 IPO und § 111 IPM die Ratifikation. Ihre Bevollmächtigten haben den jeweiligen Vertrag ausgehandelt, 13 ) Johann Stephan Pütter, Geist des Westphälischen Friedens nach dem innern Gehalte und wahren Zusammenhange der darin verhandelten Gegenstände historisch und systematisch dargestellt. Göttingen 1795, 32 f. 14 ) Verosta, Law of Nations (wie Anm. 5), 750.
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deren Vollmachten im übrigen allein den Verträgen beigegeben sind.15) Sie sind somit die Vertragspartner, d.h. die völkerrechtlich unmittelbar Berechtigten und Verpflichteten. Welche Stellung aber haben die Reichsstände? Einerseits werden sie in Art. I IPO/§ 1 IPM sowie in Art. XVII §§ 10 und 11 IPO nur als Verbündete benannt, andererseits haben sie z.T. mittelbar in corpore, z.T. unmittelbar für sich verhandelt, gemäß den Präambeln den Verträgen zugestimmt und sie gemäß Art. XVII §§ 1 und 12 IPO/§ 120 IPM durch eine von ihnen ausdrücklich bevollmächtigte Delegation und einige weitere Vertreter mit Bindung für alle unterzeichnet und ratifiziert. Bilden sie also zusammen mit dem Kaiser einen Vertragspartner „Kaiser und Reich"? Es sei zunächst auf die Verbündeten generell eingegangen, um die Unterschiede klarer herauszuarbeiten. 4. Verbündete Die Verbündeten werden sowohl in Art. I IPO/§ 1 IPM als auch in Art. XVII §§ 10 und 11 IPO als foederates et adhaerentes in den jeweiligen Friedensvertrag einbezogen. Art. I IPO und § 1 IPM unterscheiden sich jedoch. Beide nennen jeweils die Reichsstände. Auf sie ist zurückzukommen. In Art. I IPO werden außerdem auf kaiserlicher Seite der spanische König und auf schwedischer Seite der französische König als Verbündete benannt. In § 1 IPM fehlt auf kaiserlicher Seite der Katholische (spanische) König, wohingegen auf französischer Seite die schwedische Königin spiegelbildlich zu Art. I IPO genannt wird. Über die Aufnahme des Katholischen Königs hatte es Auseinandersetzungen zwischen den kaiserlichen und den französischen Gesandten gegeben.16) Die Franzosen hatten argumentiert, da man nicht zum Abschluß eines Friedensvertrages mit dem spanischen König gekommen sei, bestehe der Krieg gegen ihn fort. Es gebe mithin keinen Friedenszustand. Daher könne er auch nicht in die Verträge aufgenommen werden. In das IPM wurde der spanische König somit nicht aufgenommen. Weitere foederates et adhaerentes werden in Art. I IPO/§ 1 IPM nicht konkret genannt, ebensowenig wie in Art. XVII §§ 10 und 11 IPO/§ 119 IPM. Die dort aufgeführten Mächte, z.B. die Könige von England und Dänemark, waren
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) Das gilt jedenfalls für das IPM: Heinz Duchhardt/Franz- Josef Jakobi (Hrsg.), Der Westfälische Frieden: das münstersche Exemplar des Vertrages zwischen Kaiser/Reich und Frankreich vom 24. Oktober 1648. 2 Tie. Wiesbaden 1996, T. 1, Bl. 19v ff. 16 ) A[dam] A[dami], Arcana Pacis Westphalicae, sive plenior et exsecretioribus actis et congressibus deprompta relatio histórica de S. Rom. Imperii Pacificatione OsnabrugoMonasteriensi. Frankfurt am Main 1698,440.
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zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht Verbündete der einen oder anderen Partei. Die beiden Kronen Frankreich und Schweden hatten also die Stellung eines Vertragspartners in „ihrem" Vertrag und die eines Verbündeten im ParallelVertrag der jeweils anderen Krone. Nur der Kaiser war, gegebenenfalls gemeinsam mit den Reichsständen, Vertragspartner beider Verträge. Die Stellung der Verbündeten war keine eigene oder selbständige. Sie unterzeichneten den Vertrag nicht und ratifizierten ihn daher auch nicht, auch nicht die beiden Kronen den jeweiligen Parallel-Vertrag. Zwar waren alle Verbündeten formell auch Verhandlungspartner, jedenfalls in Münster, da die Franzosen im Streit mit dem Kaiser um die Vollmachten darauf bestanden und durchgesetzt hatten, daß sie auf Verhandlungen mit den confoederates et adhaerentes erweitert wurden.17) Damit waren jedoch vor allem die jeweils verbündeten Reichsstände gemeint, die auf diese Weise je für sich in die Verhandlungen einbezogen werden sollten und dieses Recht z.T. auch wahrnahmen. Aber die Reichsstände insgesamt verhandelten jedenfalls auch auf Grund des reichsrechtlichen ius suffragii. Die beiden Kronen hingegen handelten „ihren" Vertrag jeweils allein mit den kaiserlichen Bevollmächtigten in Münster und Osnabrück, in Münster über die Vermittler Chigi und Contarini, aus. Sie stimmten zwar ihr Verhalten untereinander auf das engste ab, aber oft nur in schwierigster Weise. Es gab weder eine Plenarsitzung des Kongresses noch Sitzungen zu dritt oder viert. Die Hauptverbündeten wirkten jedoch über ihren Bündnispartner indirekt auch auf die Verhandlungen des jeweiligen Parallel-Vertrages ein, um ein in wesentlichen Punkten inhaltsgleiches, ja identisches Vertragswerk zustande zu bringen. Aber auch soweit Teile eines Vertrages nur einen Bündnispartner betrafen, wie die jeweiligen Satisfaktionen der beiden Kronen Schweden und Frankreich, war Absprache nötig.18) Außerdem galt es, durch enges Zusammenwirken Separatfrieden, die die kaiserliche Seite immer wieder abzuschließen versuchte, zu verhindern. Das Bündnis zwischen dem Kaiser und dem König von Spanien gegen Frankreich hingegen wurde gesprengt, so daß dieser im IPM nicht als kaiserlicher Verbündeter in den Frieden aufgenommen wurde.
17 ) Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6Tle. Hannover 1734-1736,T. 1, 353 (kaiserliche Vollmacht), 354 (französische Vollmacht). 18 ) Vgl. Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992,308 f., 312; Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 3, 12f., 708-712, 777ff.
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5. Die Reichsstände Zwar werden, wie bereits vermerkt, Kurfürsten, Fürsten und sonstige Reichsstände einschließlich der Hansestädte und der freien Reichsritterschaft im Text der Instrumenta Pacis als foederates et adhaerentes aufgeführt, aber ihre formale Stellung in und zu den Verträgen ist doch in auffälliger Weise eine andere. Schon die Zuordnung der Reichsstände als foederates et adhaerentes zu den Vertragspartnern in Art. I IPO/§ 1IPM läßt Unterschiede erkennen. Auf Seiten der schwedischen Königin und des französischen Königs heißt es jeweils ac respective electores... etc., gemeint sind also nur die jeweils mit ihnen verbündeten Reichsstände. Auf Seiten des Kaisers fehlt das respective, vielmehr werden ihm neben dem Haus Österreich die Reichsstände im allgemeinen zugeordnet, obwohl sie im Kriege z.T. gerade gegen ihn gestanden hatten. Dahinter könnte die Vorstellung einer trotz Krieg fortbestehenden Einheit von Kaiser und Reichsständen als „Reich" stehen, die generell die Reichsstände als Glieder des Reiches reichsrechtlich zu foederates et adhaerentes des Kaisers machte - unabhängig von der aktuellen Situation im Krieg. So wären die am Krieg beteiligten Reichsstände also in einer Doppelfunktion am Frieden beteiligt: als Glieder des Reiches und als Verbündete einer Kriegspartei. Die reichsverfassungsrechtliche Konstruktion des Verhältnisses Kaiser - Reichsstände - Reich im einzelnen ist hier nicht zu erörtern. Die Einheit der Reichsstände mit Vorrang vor ihrer Stellung als Verbündete wird formal zweifach deutlich. Es heißt in den Präambeln, daß die Vertreter des Kaisers und der Königin von Schweden bzw. des Allerchristlichsten Königs von Frankreich in mutuas pacis et amicitiae leges consenserunt et convenerunt tenore sequenti, aber suffragantibus et consentientibus sacri Romani Imperii electoribus principibus ac statibus. Das ius suffragii der Reichsstände war seit 1643 von den Kronen - wenn auch auf Drängen einiger Reichsstände, insbesondere der Landgräfin von Hessen-Kassel - gegen den Widerstand des Kaisers gefordert und dann auch durchgesetzt worden. 19 ) Die Reichsstände erschienen und verhandelten in Münster und Osnabrück jedoch nicht einzeln. Ihre rechtliche Stellung dort war kompliziert und ist hier nicht näher zu erörtern. 20 ) Im Ergebnis jedenfalls übten sie ihre Mitwirkung im wesentlichen analog zu den Verhandlungen und Beschlußfassungen im Reichstag aus, d.h. in corpore21) - wenn auch einige Reichsstände zusätzlich für sich selbst und selbständig verhandelten. Entscheidend war, daß die Reichsstände nicht ledig19
) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 18), 163ff.; Ablehnung des Kaisers der Zuziehung der Reichsstände: Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 1, 344-346, 409/411, 377, 412/413. 20 ) Dazu ausführlich Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 18), 163 ff. 21 ) Ebd. 187.
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lieh den kaiserlichen Bevollmächtigten berieten und ihm assistierten, sondern die Verträge durch ihre Vertreter wirklich mit aushandelten und dann in corpore, wenn auch in zwei Gruppen in Münster und in Osnabrück, beschlossen. Diese Zustimmung der Reichsstände in corpore war nicht nur politische, sondern zum ersten Mal auch rechtliche Voraussetzung des Friedensschlusses. Der Kaiser entschied nicht mehr allein für das Reich über Krieg und Frieden. Trotzdem erscheinen weder die Reichsstände noch das Reich (imperium) im Text des Art. I IPO/§ 1IPM als Vertragspartei. Es wurden auch keine Verhandlungsvollmachten ihrer Vertreter mit in die Vertragstexte aufgenommen, sondern lediglich die des Kaisers und der beiden Kronen, d.h. abgeschlossen wurden die jeweiligen Verträge allein durch den Kaiser und die jeweilige Krone. Sie scheinen danach also allein Vertragspartner zu sein. Da die Reichsstände aber das Recht zur Beschlußfassung hatten und der Abschluß durch den Kaiser und die jeweilige Krone an ihre vorherige Zustimmung gebunden war, waren sie am Vertragsschluß selbst beteiligt. 22 ) Es handelte sich schon vom Ablauf der Ereignisse her nicht nur um eine nachträgliche Zustimmung, wie sie heutzutage der Deutsche Bundestag gemäß Art. 59 Abs. 2 GG erteilt. Wie stark die Stellung der Reichsstände als „Reich" im Laufe der Verhandlungen wurde, wird in der Endphase der Verhandlungen über den schwedischen wie über den französischen Vertrag deutlich. Die Reichsstände übernahmen die Führung. 23 ) Sie verhandelten insbesondere mit Servien über das Elsaß und über die Rücknahme des Schutzes des Reiches für den Burgundischen Reichskreis wegen der Fortdauer des spanisch-französischen Krieges, zu der die Stände neigten, während der Kaiser dies zu vermeiden versuchte. Die Stände entschieden sich schließlich am 9. September 1648 für den französischen Vorschlag, wodurch sie sich auf den endgültigen Text des Friedensvertrages mit Frankreich einigten. Der Vertreter von Kurmainz - also ein ständischer Gesandter, nicht der kaiserliche - paraphierte den Vertrag am 15. September 1648. Die Reichsstände wären sogar bereit gewesen, den Vertrag ohne den Kaiser abzuschließen, wenn dieser sich nicht von Spanien getrennt hätte. Die Reichsstände nahmen also jedenfalls in der Endphase der Verhandlungen eine eigenständige Position ein, die über eine bloße Zustimmung hinausging. Sie trafen im Friedensprozeß die letzte politische Entscheidung, der auch der Kaiser schließlich folgen mußte. Als bloße foederates et adhaerentes wäre ihnen diese Stellung nicht zugekommen. Durch die Zubilligung des ius sujfragii und die Bindung des Abschlusses des Vertrages an ihre Zustimmung war diese ursprüngliche Stellung der Reichsstände, die noch den Vollmachten von 1644 zugrundegelegen hatte, inhaltlich wie formell überholt. Ihre Nennung in ihrer Gesamtheit als foederates et adhaerentes auf Seiten des Kaisers ist im 22 23
) Ebd. 487 ff. ) Ebd. 472 ff., 482 ff.
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Grunde eine Chiffre für das imperium. Diese die Verträge rechtlich tragende Position der Reichsstände war daher auch gebunden an ihre Stellung als Glieder des Reiches, also eine korporative, gemeinsame Stellung, keine selbständige oder eigenständige Stellung der einzelnen Stände je für sich. Die Reichsstände unterschieden sich schließlich noch dadurch von den foederates et adhaerentes, daß eine von ihnen durch gemeinsamen Beschluß vom 13. Oktober 1648 benannte Gruppe von 15 Reichsständen, zu denen u.a. auch das Haus Österreich gehörte, für alle, also wieder in ihrer korporativen Stellung, die Verträge unterzeichnete und ratifizierte (Art. XVII §§ 1 und 12 IPO/§§ 111 und 120 IPM). 24 ) Zwar war es allen anderen Reichsständen freigestellt, die Verträge zu unterschreiben und zu ratifizieren, aber die Unterzeichnung und Ratifikation durch die 15 Vertreter begründeten für alle Reichsstände ihre Verbindlichkeit, auch für diejenigen, die sich nicht daran beteiligten (Art. XVII § 12 IPO/§ 120 IPM). Inhaltlich werden Kaiser und Reichsstände in den beiden Verträgen, z.T. unter der Formel Imperator et Imperium, bei speziellen Regelungen verschiedentlich gemeinsam als Partner genannt. Gemäß § 69 ff. IPM werden consensus et consilium der Reichsstände für den Übergang der Rechte an den Bistümern Metz, Toul und Verdun und anderer Rechte an Frankreich erteilt.25) In § 72 IPM wird die Formel Imperator et Imperium für den Inhaber der Rechte in Pinerolo verwendet, in § 73 für den verschiedener Rechte im Elsaß, die beide gemeinsam auf den französischen König übertragen. Kaiser und Reich handeln also als Einheit gegenüber dem französischen König. Das gleiche findet sich in Art. X § 1IPO, wonach Caesarea maiestas de consensu electorum, principum et statuum imperii - bzw. in §§ 6 und 7 imperator de consensu totius imperii - bestimmte Reichslehen an die schwedischen Könige überträgt. Auch in zahlreichen weiteren Regelungen erscheinen die Reichsstände insgesamt neben bzw. mit, aber auch ohne den Kaiser.26) Aus all dem läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß die Reichsstände trotz ihrer Einordnung als foederates et adhaerentes in Art. I und XVII §§10 und 11 IPO/§ 1 IPM zusammen mit dem Kaiser den Vertragspartner der einen Seite bildeten, „Kaiser und Reich", in ihrer Unterschiedenheit wie ihrer Einheit. Selbständige Vertragspartner waren danach weder die Reichsstände in corpore noch der Kaiser, jedenfalls soweit das Reich betroffen war, noch die einzelnen Reichsstände je für sich. Allerdings könnte die Entstehungsgeschichte des Art. I IPO/§ 1 IPM dagegen sprechen, daß „Kaiser und Reich" Vertragspartner der beiden Verträge von Münster und Osnabrück sein sollen. Denn der kaiserliche Formulierungs24
) Art. XVII § 12 IPO/§ 120 IPM. ) Allerdings wird dort auch die Formulierung pax atque amicitia inter Imperatorem et Christianissimum Regem verwendet, als ob nur zwischen ihnen Frieden hergestellt würde. 26 ) Z.B. §§ 3, 5 IPM. 25
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Vorschlag Vicissem Pax ... inter dictam Sacram Ccesaream Majestatem et Sacrum Romanum Imperium omnesque ejusdem Electores, Principes ac Status. . , 27 ) wurde von französischer wie von schwedischer Seite mit dem Argument zurückgewiesen, sie hätten weder gegen das Reich noch gegen alle Stände Krieg geführt. 28 ) Schweden betonte ausdrücklich, daß es nicht nur nicht gegen die evangelischen Stände, sondern auch nicht gegen alle katholischen Stände Krieg geführt habe. Der kaiserliche Vorschlag konnte sich daher nicht durchsetzen. Trotzdem wäre der Schluß unzutreffend, daß nicht das Reich, sondern die Reichsstände je für sich als Verbündete der einen oder anderen Seite des Friedensschlusses teilhaftig geworden wären. Es gab keine Vorbilder, um das Reich selbst einzubeziehen. Der letzte auswärtige Krieg, an dem das Reich durch Beschluß des Reichstages sich beteiligt hatte, war der Krieg zwischen Karl V. und Franz I. gewesen. Der Vertrag von Crepy von 1544, der ihn beendete, nennt nur den Kaiser, nicht das Reich ausdrücklich. Zwar ist es zutreffend, daß das Reich nicht selbst als Kriegspartei im Dreißigjährigen Krieg aufgetreten ist, gar durch den Reichstag ein entsprechender Beschluß gefaßt wurde, aber die Kriegserklärungen der beiden Kronen richteten sich ausdrücklich gegen das Reich bzw. alle Reichsstände. Die Formen der Verhandlungen, der Beschlußfassungen und der Behandlung der Verträge gehen von den Reichsständen als corpus aus. Das entsprach auch ihrem Selbstverständnis. Nicht nur wollte der Kaiser keine „Separation zwischen Kayserlicher Majestät und den Ständen".29) Auch die Reichsstände haben sich nicht pro tertius intervenientibus halten lassen wollen, sondern begriffen sich zusammen mit dem Kaiser als una pars.30) Dessen Gegner ihrerseits wollten verhindern, daß er allein über den Friedensschluß entschied. So wurden Kaiser und Reichsstände miteinander eine Vertragspartei.31) Schließlich sollten gemäß Art. I IPO/§ 1 IPM am Ende .. .fida vicinitas et secura studiorum pacis atque amicitiae zwischen dem ganzen Römischen Reich (universum Romanum Imperium) und den beiden Kronen und ihren Reichen bestehen. So fand es sich bereits wörtlich in der ersten schwedischen
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) Zuerst: Proposition vom 17. September 1645: Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 1, 619. ) Schwedische Replik vom 28. Dezember 1645: ebd. T. 2, 193; französische Replik vom 7. Januar 1646: ebd. 200. 29 ) Kaiserliche Duplik vom 1. Mai 1646 auf die schwedische Replik (wie Anm. 28): ebd. T. 3, 55. 30 ) Ausführlich dazu Johann Jacob Moser, Von der Garantie des Westphaelischen Fridens; nach dem Buchstaben und dem Sinn desselbigen. [Stuttgart] 1767,1. Abschnitt zur Entstehungsgeschichte der Garantieartikel (Art. XVII § § 4 - 7 IPO/§§ 114-116 IPM), insbes. 18 ff., 25. 31 ) Böckenförde, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 452 Anm. 12, bezeichnet das Reich als „Hauptvertragspartner". Das ist insofern mißverständlich, als später die Formel von „Kaiser und Reich" im dualistischen Sinn gebraucht wurde. Es handelt sich also um zwei verschiedene Reichsbegriffe. 28
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Proposition vom 1./11. Juni 1645 zu dem damaligen Art. II.32) Diese Formulierung macht nachdrücklich deutlich, daß nicht der Kaiser allein, sondern eben das Reich als Gesamtheit, Kaiser und Reichsstände als Einheit und nicht nebeneinander, den jeweils anderen Vertragspartnern gegenüberstand. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, daß einige Reichsstände, gerade die größeren von ihnen, auch als Einzelmächte auftraten und handelten. Aber sie wurden als einzelne nicht selbst Vertragspartei, sondern gehörten als solche zu den Verbündeten. Für diese Auffassung spricht auch ein Vertrag der Reichsstände mit dem französischen König vom 28. Januar 1649, der die Garantie der spanischen Verzichte zugunsten Frankreichs regelt. Der Text beginnt: Cum ex parte Sacra Ccesarece Majestatis et Imperii per Pacificationem nuper hic publicatam inter alia quce in puncto Satisfactionis Gallicce Sacra Majestad Christianissimce cessa sunt.... Offenbar gingen die Reichsstände davon aus, daß Kaiser und Reich gemeinsam Vertragspartner des IPM seien. Die Vertreter der Reichsstände unterschrieben diesen Vertrag im übrigen eademque Authoritate qua publico Pacis Instrumento subscripserunt.33) Die Stellung der Reichsstände im Vertragswerk von Münster und Osnabrück ist damit eine erste, allerdings noch vermischte und unklare Anwendung der den Reichsständen in den Verträgen eingeräumten Rechte im Verhältnis nach außen, als Teilhaber der Reichsbefugnisse über Krieg und Frieden einerseits (Art. VIII § 2 Abs. 1IPO) wie als eigenständige Inhaber eines beschränkten Bündnis- bzw. Vertragsrechtes andererseits (Art. VIII § 2 Abs. 2 IPO). Aber die Reichsstände waren noch nicht als einzelne, für sich selbständige unmittelbare Vertragspartner aufgenommen. Sie waren an den Verträgen beteiligt einerseits gemeinsam als Glieder des Reiches, andererseits mittelbar einzeln als Verbündete der Hauptmächte. Aber soweit sie selbst unterzeichnet und ratifiziert hatten, hatten sie im Vertragswerk eine stärkere rechtliche Stellung als die anderen Verbündeten oder gar die sonstigen eingeschlossenen Mächte. Beide Verträge blieben aber insgesamt zweiseitige Verträge zwischen Kaiser und Reich einerseits und der jeweiligen Krone andererseits und wurden nicht durch die Reichsstände zu mehrseitigen Abkommen. Inwieweit der Kaiser in anderer als „kaiserlicher" Eigenschaft, d.h. für Herrschaftsgebiete, die nicht zum Reich gehörten, selbständiger Vertragspartner war, kann hier offenbleiben. In der Präambel wird er auch als „König von Ungarn, Kroatien, Dalmatien, Slowenien usw." angesprochen, so daß er auch als solcher Vertragspartner, dann aber selbständiger, sein dürfte.
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) Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 1,436. ) Clive Parry (Ed.), The Consolidated Treaty Series. Vols. 1-5. Dobbs Ferry, N. Y. 1969, Vol. 1,391 und 393. 33
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6. Einbezogene Mächte Art. XVII §§10 und 11IPO zählen, getrennt von den Verbündeten, unter item noch weitere Mächte auf. Sie bilden drei Gruppen: diejenigen, die von beiden Seiten, dem Kaiser und der Königin von Schweden, zwar getrennt, aber übereinstimmend, solche, die allein vom Kaiser und solche, die von der Königin benannt werden. Zur ersten Gruppe gehören die Könige von England, Polen und Dänemark, der Fürst von Siebenbürgen, die Republik Venedig34), die Generalstaaten und die Kantone der Schweiz und Graubündens. Außerdem benennt die kaiserliche Seite im Rahmen der Reichsstände noch die Herzöge von Savoyen und Lothringen sowie alle Fürsten und Republiken Italiens35). Die schwedische Seite benennt den König von Portugal und den Großfürsten von Moskau. Das IPM hingegen nennt - außer der Republik Venedig als Vermittler (§119 IPM) - keine weiteren Mächte, die in den Vertrag eingeschlossen werden sollten, nicht einmal die Verbündeten. Jedoch können beide Seiten mit Zustimmung der jeweils anderen Seite binnen sechs Monaten diejenigen benennen, die noch in den Frieden eingeschlossen werden sollen. Es war nicht herauszufinden, ob jemand und ggf. wer benannt wurde. Im übrigen sollten den Herzögen von Savoyen und Mantua keine Nachteile entstehen. Andere Mächte in einen Friedensvertrag einzubeziehen, hat eine längere Tradition und findet sich u.a. in den Verträgen der habsburgischen Herrscher mit den französischen Königen des 16. Jahrhunderts. Der Inhalt dieser älteren Bestimmungen ist jedoch von dem der hier vorliegenden sehr verschieden. Er umfaßt zum einen den Papst, Könige, Fürsten und Republiken sowie die Reichsstände, zum anderen aber auch Einzelpersonen wie die Herzogin-Mutter von Lothringen sowie verschiedene Kardinäle und deren Brüder und kleinere Herrscher bis hin zu einzelnen Grafen und deren Brüdern.36) In Art. XVII §§10 und 11 IPO werden hingegen ausschließlich souveräne oder doch halbsouveräne Mächte benannt, die ausnahmslos das ius belli ac pacis innehatten und ausübten. Diese sonstigen Einbezogenen waren, jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge, nicht am Krieg in Deutschland beteiligt. Nur die Eidgenossenschaft war rechtlich unmittelbar von dem Vertrag betroffen (Art. VI IPO). In bezug auf die Niederlande enthält der Vertrag keine Regelung; es besteht keine Verknüpfung mit dem Vertrag zwischen ihnen und dem spanischen 34 ) Schweden nennt sie ausdrücklich; der Kaiser nennt sie als eine der von ihm benannten italienischen Fürsten und Republiken. 35 ) Obwohl auch ein italienischer Fürst, dürfte der Papst hier nicht gemeint sein. Vor 1648 war er stets in seiner geistlichen Stellung in Friedensverträge einbezogen worden; das ändert sich erst später, vgl. unten 48, 69. 36 ) Vertrag von Cateau-Cambresis zwischen Philipp II. von Spanien und Heinrich II. von Frankreich vom 3. April 1559: Jean Dumont, Corps universel diplomatique du droit des gens. 8 Vols. Amsterdam u.a. 1726-1739, Vol. 5/1, 40ff.
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König vom 30. Januar 1648. Allerdings waren alle Mächte bei näherer Prüfung irgendwie direkt oder indirekt in die Probleme und Konflikte der Kriegszeit und einige zeitweise sogar direkt in den Krieg verwickelt, wenn auch unter Umständen nur am Rande.37) Allenfalls der Großfürst von Moskau stand dem Geschehen sehr fern. Die zugänglichen Unterlagen sagen nichts darüber aus, warum diese oder jene Macht einbezogen wurde.38) Lediglich für Venedig ergibt sich die Einbeziehung aus seiner Vermittlerrolle. Der Einschluß der übrigen genannten Mächte in den Friedensschluß könnte sich z.T. aus ihrer früheren Beteiligung an den Vorgängen erklären. Aber die Absichten dieser weitgezogenen Einbeziehung aller europäischen Herrscher und Mächte, ausgenommen den Papst und den Sultan, können auch in der gemäß Art. IIPO angestrebten Universalität des Friedens liegen. Zweifel an dieser Überlegung ergeben sich allerdings aus dem fast völligen Verzicht auf entsprechende Einbeziehungen im IPM, obwohl auch dieses gemäß § 1 eine pax ... universalis et perpetua begründen sollte. Jedoch war dieser Friede schon vom Ansatz her nicht universal, da der Krieg zwischen Frankreich und Spanien andauerte. Das IPO zeigt sich (trotz aller Abstimmungen zwischen den Kronen) gewissermaßen als der allgemeinere, vielleicht „europäischere" Friedensvertrag. Abgesehen von dem Vermittler, waren die meisten der benannten Mächte auf dem Gesamtkongreß allenfalls zeitweise, in der Regel aber nicht vertreten. Bis zum Schluß war lediglich der Gesandte des portugiesischen Königs in Münster anwesend, der jedoch nicht den Rang eines Bevollmächtigten hatte und allenfalls indirekt an den Verhandlungen teilnahm.39) Die Vertreter der Generalstaaten wie des Kantons Basel waren bereits abgereist. Vor allem die erstgenannten hatten auf dem Kongreß zwar intensiv mit dem spanischen Bevollmächtigten über den spanisch-niederländischen Friedensvertrag verhandelt. An den Verhandlungen über die beiden Verträge von Münster und Osnabrück vom Oktober 1648 waren sie dagegen allenfalls gelegentlich beteiligt.40) Der Bürgermeister von Basel, Johann Rudolf Wettstein, hat die Verhandlungen nur im Hinblick auf die Stellung der schweizerischen Kantone beeinflußt und an dieser Stelle die Gestaltung des Vertragstextes geprägt.41) Andere Gesandte, so der des Fürsten von Siebenbürgen, waren zwar präsent, verhandelten aber nicht. 37
) So z.B. der dänische König im Krieg mit dem Reich 1625-1629 und im Krieg mit der schwedischen Königin 1643-1645; der Fürst von Siebenbürgen im Krieg mit dem Kaiser 1619-1622, 1623-1624 und 1644-1645, dazu auch die Beiträge von Ronald G. Asch, Lyudmila Ivonina und Henryk Wisner in diesem Band. 38 ) Zur Einbeziehung der Reichsritterschaft und der Hansestädte vgl. die Beiträge von Rudolf Endres und Rainer Postel in diesem Band. 39 ) Vgl. dazu den Beitrag von Pedro Cardim in diesem Band. 4°) Z.B. Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 3, 83ff.; T. 4, 32f., 168, 387, 234; T. 6, 246ff. 41 ) Ebd. T. 5, 724ff.; Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 18), 432ff.
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Keiner der auf diese Weise eingeschlossenen Herrscher oder Mächte hat den Vertrag von Osnabrück unterschrieben oder gar ratifiziert. Es fehlt aber auch die in älteren wie späteren Verträgen manchmal verwendete Klausel „si compris y veulent être".42) Über Beitrittserklärungen oder ähnliche Rechtsakte seitens der einbezogenen Mächte gibt es daher keine Nachrichten. In den Verhandlungen hat, soweit ich sehen kann, die Frage der Einbeziehung nur im Hinblick auf den König von Portugal eine Rolle gespielt. Die kaiserlichen Vertreter wollten Juan Braganza nicht anerkennen und versuchten sogar, seinem Vertreter den Zugang zum Kongreß zu verweigern, weil sie Juan als Rebellen gegen den spanischen König ansahen, den nach ihrer Auffassung legalen König von Portugal.43) Daher waren sie zunächst auch nicht bereit, Juan Braganza als König von Portugal einzubeziehen. Bereits die Gewährung des sicheren Geleits für Juans Vertreter wurde von der kaiserlichen Seite erheblich erschwert.44) In ihrer Haupt-Friedensproposition hatten die Schweden ihn als König von Portugal ausdrücklich namentlich benannt45) und dies bis Juli 1648 beibehalten. Schließlich aber entfiel der Name, und es wurden nur rex et regnum Lusitaniae auf schwedischer Seite aufgenommen.46) Der heutigen Vertragspraxis sind solche „dilatorischen Formelkompromisse" nicht unbekannt. Ob dieser Passus als ein solcher anzusehen ist, muß offenbleiben. Da der Kaiser einerseits mit Portugal nicht im Konflikt stand, andererseits sein Bündnis mit der spanischen Linie des Hauses Habsburg aus anderen Gründen ohnehin aufgelöst werden mußte, mag es für ihn ein kleines Zugeständnis gewesen sein, dieser verdeckenden Formel ohne Namensnennung, die eine Interpretation nach beiden Seiten offenließ, zuzustimmen. Es berührte ihn nicht unmittelbar. Welche Rechtswirkungen die Einbeziehung dieser nicht am Krieg und an den Verhandlungen beteiligten sonstigen Mächte in das IPO hatte, ist schwer zu erschließen. Der Vertrag sagt dazu nichts. In der zeitgenössischen Literatur findet sich ebenfalls nichts. Aber für die allgemeine Ordnung Europas hatte die Klausel insofern Bedeutung, als durch sie alle damaligen europäischen Mächte, mit Ausnahme des Papstes und des Sultans, in das Vertragswerk einbezogen waren, das so eine wirklich europäische Dimension erhielt. Ob es damit aber auch zu einem „Grundgesetz" oder doch zu einer Art Grundgesetz für
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) Z.B. Vertrag von Cateau-Cambrésis: Dumont, Corps (wie Anm. 36), Vol. 5/1, 40. ) U.a. Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 6,553; Adami, Arcana (wie Anm. 16), 142ff„ 459; i.E. der Beitrag von Pedro Cardim in diesem Band. Carl Wilhelm Gärtner, Westphälische Friedens-Cantzley. 9 Bde. Leipzig 1731-1738, Bd. 3, 86; Adami, Arcana (wie Anm. 16), 142ff.; Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 2, 181; Diekmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 18), 199. 45 ) Dazu Gärtner, Friedens-Cantzley (wie Anm. 44), Bd. 3, 86, 109, 138f.; Meiern, Acta (wie Anm. 17), T. 1,437. 46 ) Ebd. T. 6, 111. 43
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die europäische Völkerrechtsordnung wurde, hängt von seinem Inhalt und seiner Fortwirkung ab. Das Fehlen des Papstes hat im übrigen nicht dessen Ausschaltung oder Ausschluß aus dem „völkerrechtlichen Grundsystem"47) bzw. „aus der eben neubegründeten Völkerrechtsgemeinschaft"48) zur Folge. Die Aufzählung der einbezogenen Mächte des Art. XVII §§10 und 11 IPO hat keine konstitutive Wirkung für die neu begründete Völkerrechtsgemeinschaft. Diese bestand, und der Papst war Teil derselben. Sie wandelte ihren Aufbau und Charakter, und damit wandelten sich Stellung und Funktion des Papstes.49) Der Papst verlor seine geistlich-religiöse Vorrangstellung, blieb aber als weltlicher Herrscher Glied der christlich-europäischen Völkerrechtsgesellschaft. Als solcher wurde er in den Pyrenäenvertrag einbezogen, ebenso in den französisch-niederländischen Vertrag von Nimwegen.50) Er wurde weiterhin als Vermittler tätig, soweit katholische Mächte betroffen waren, und stand selbstverständlich unter dem Schutz des allgemeinen Völkerrechts. Anders ist die Stellung des Sultans zu bewerten. Aber auch er war nicht rechtlos oder rechtsfrei, sondern rechtsfähig. Verträge wurden abgeschlossen, Gesandte ausgetauscht etc. Aber er gehörte nicht zu den christlichen Mächten.
III. Rechtswirkungen 1. Friedenszustand Die beiden Verträge von Münster und Osnabrück stellen gemäß Art. I IPO/§ 1 IPM in erster Linie den Rechtszustand des Friedens wieder her. Es soll ein christlicher, allgemeiner, immerwährender oder dauerhafter Friede sein, verbunden mit wahrer und aufrichtiger Freundschaft. Dieser soll zwischen den Vertragspartnern und ihren Verbündeten und Anhängern eintreten. Die sonstigen in Art. XVII § 10 IPO und § 119 IPM genannten oder in seinem Vollzug benannten Herrscher und Mächte sollen in den Frieden mit eingeschlossen sein (comprehendantur). Der Friedenszustand beendet den Kriegszustand, d.h. zunächst, daß die Kriegshandlungen aufzuhören haben (Art. XVI IPO/§ 98 IPM), und zwar sofort nach Unterzeichnung und Besiegelung der Verträge durch die Bevollmächtigten. Damit endet auch das Recht des Krieges, und das Recht des 47
) So Konrad Repgen, Der päpstliche Protest gegen den Westfälischen Frieden und die Friedenspolitik Urbans VIII., in: HJb 75, 1956, 94-122, hier94f. ) So ebd.; entsprechend Paul Mikat, Römische Kurie und Westfälischer Friede, in: ZRG 85 KA 54, 1968, 93-109, hier 95 f. 49 ) Dazu unten 69. 50 ) Pyrenäenfrieden, Art. 122: Parry, Treaty Series (wie Anm. 33), Vol. 5, 388; Vertrag von Nimwegen, Art. XVIII, XIX: Dumont, Corps (wie Anm. 36), Vol. 7/1, 351 f. 48
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Friedens tritt wieder in Geltung. Die Ratifikation wurde nicht abgewartet. Man könnte dies für einen Waffenstillstand halten. Aber auch alle anderen Vereinbarungen der Verträge sollten sofort vollzogen werden. Da im 17. Jahrhundert die Ratifikation eines vollmachtsgemäß geschlossenen und mit dem Ratifikationsversprechen versehenen Vertrages Pflicht war51), konnte der Tag des Wirksamwerdens des Friedens auf den Tag der Unterzeichnung gelegt werden. Außerhalb der sofortigen Rechtswirkung liegende Gründe verzögerten die tatsächliche Abwicklung. Die Vertragspartner und deren jeweilige Verbündete hatten sich untereinander im Krieg befunden. Zwischen ihnen mußte also der Friede ausdrücklich hergestellt bzw. wiederhergestellt werden. Für die sonstigen in die Verträge eingeschlossenen Mächte galt das aber nicht. Keine von ihnen befand sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge von Münster und Osnabrück mit einer der anderen Mächte im Krieg. Soweit das zwischen 1618 und 1648 der Fall gewesen war, waren diese Kriege durch eigene Friedensverträge beendet 52 ) oder doch vorläufig durch einen Waffenstillstand zum Ruhen gebracht worden53). Ein Friedenszustand brauchte mit ihnen also nicht hergestellt bzw. wiederhergestellt zu werden, da es am Krieg fehlte. Der Einschluß in den Frieden begründete insofern keinen Friedenszustand. Es wurde nur der Krieg im Reich beendet und der Friedenszustand für Kaiser und Reich hergestellt, allerdings nicht für das ganze Reich. Für den Burgundischen Reichskreis wurde der Friede gemäß § 3 IPM ausdrücklich bis zum Ende des spanisch-französischen Krieges aufgeschoben. Auch verschiedene Teile Italiens, ausgenommen Savoyen, blieben weiterhin im Krieg. Auch durch die Einbeziehung des Katholischen (spanischen) Königs und des Allerchristlichsten (französischen) Königs als jeweilige Verbündete der beiden Vertragspartner in das IPO entstand zwischen ihnen nicht etwa indirekt Frieden. Die übereinstimmende Einbeziehung des Königs von Polen verwandelte dessen Waffenstillstand mit Schweden von 1629/1635 keineswegs in einen Friedenszustand zwischen beiden Mächten.54) 51
) Paul Guggenheim/Krystyna Marek, Art. „Verträge, völkerrechtliche", in: Wörterbuch des Völkerrechts. Bd. 3 (wie Anm. 2), 528-544, hier 534; Heinhard Steiger, Bemerkungen zum Friedensvertrag von Crepy en Laonnais vom 18. September 1544 zwischen Karl V. und Franz I., in: Ulrich Beyerlein/Michael Bothe/Rainer Hofmann/Ernst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung. Festschrift für Rudolf Bernhardt. Berlin u.a. 1995,241-265, hier 254. 52 ) Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und dem dänischen König, Lübeck, 22.5.1629; Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und dem Fürsten von Siebenbürgen vom 16.12.1645; Friedensvertrag zwischen der Königin von Schweden und dem König von Dänemark, Brömsebro, 13.8.1645. 53 ) Waffenstillstand zwischen Polen und Schweden, Stuhmsdorf, 2.9.1635. 54 ) So nennt die Präambel des Friedensvertrages von Oliva vom 23.4./3.5.1660 nur den 1629 abgeschlossenen und 1635 verlängerten Waffenstillstand, nicht aber das IPO.
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Durch die beiden Verträge wurde also einerseits ein konkreter, besonderer Friedenszustand hergestellt, und es wurden damit bestimmte Kriegsverhältnisse beendet. Andererseits blieb es bei den bestehenden vertragsrechtlichen oder allgemein-rechtlichen Friedensverhältnissen und den fortdauernden Kriegen, insbesondere dem spanisch-französischen, zwischen denen, die nicht Vertragspartner waren. Eine Folge der Beendigung des Krieges und der Herstellung des Friedens betraf aber doch auch die anderen am Krieg nicht beteiligten Mächte: soweit für sie das Neutralitätsrecht galt, endete dieses ebenfalls. Dafür bedurfte es aber nicht der Einbeziehung in den Frieden. Es endeten auch, soweit solches überhaupt anerkannt wurde, gewisse kriegsrechtliche Übergriffsmöglichkeiten der Kriegsparteien auf die Neutralen.55) Durch die Einbeziehung wird dies auch deutlich ausgesprochen, erfüllte aber kaum die Funktion dieser Regelung. Der Friedenszustand wird nicht nur als Ende des Krieges, Aufhören der Kämpfe und Beendigung des Kriegsrechts verstanden. Er wird auch inhaltlich gemäß der herkömmlichen, seit dem Frühmittelalter bestehenden, am Beginn des Art. I IPO/§ 1IPM hergestellten Verknüpfung von pax und amicitia positiv ausgefüllt, wenn es heißt: „... und es soll dieser (Friede) dergestalt aufrichtig und ernstlich gehalten und gepflegt werden, daß jeder Teil des anderen Nutzen, Ehre und Vorteil fördere und daß in jeder Hinsicht, sowohl seitens des gesamten Römischen Reiches mit dem Königreich Schweden/dem Königreich Frankreich, als auch hinwiederum seitens des Königreichs Schweden/des Königreichs Frankreich mit dem Römischen Reiche, vertrauensvolle Nachbarschaft und die gesicherte Pflege der Friedens- und Freundschaftsbestrebungen neu erstarken und verbleiben".56) Aber auch dies betrifft zunächst nur die beiden jeweiligen Partner, nicht einmal deren Verbündete. 2. Inhalte Die verschiedenen Gruppen der Beteiligten waren aber nicht nur durch die Herstellung des Friedenszustandes als solchem, sondern auch durch die inhaltlichen Regelungen unterschiedlich stark betroffen, die erst die Voraussetzung dafür schufen, daß der Krieg beendet werden konnte und die den Sachinhalt des Friedensschlusses ausmachen. Wiederum sind es ganz bestimmte Streitfragen, die Anlaß zum Krieg bzw. zur Kriegsbeteiligung der beiden Kronen gegeben hatten oder während des Krieges entstanden waren. Sie waren ausschließlich auf Kaiser und Reich be55
) Hugo Grotius, De iure belli ac pacis libri tres. Deutsche Ausgabe hrsg. und übers, v. Walter Schätzel. Tübingen 1950,111.17,542ff. 56 ) Übersetzung von Konrad Müller: ders. (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. 3. Aufl. Bern 1975.
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zogen: einerseits auf die interne rechtliche und religiöse Ordnung, andererseits auf die Stellung von Kaiser und Reich insgesamt und in seinen Gliedern in Europa. Die Regelung der reichsinternen Probleme - Restitutionen, Rechte des Kaisers und der Reichsstände im Reich und für sich, Religionsverhältnisse etc. die der Wiederherstellung und Sicherung der internen pax publica, d. h. des Landesfriedens 57 ) diente, betraf reichsverfassungsrechtlich unmittelbar Kaiser und Reichsstände, nicht aber Dritte, weder die beiden Kronen noch gar die übrigen Einbezogenen. Für sie ergaben sich daraus unmittelbar weder Rechte noch Pflichten.58) Da aber die reichsrechtlichen Regelungen Teil eines völkerrechtlichen Vertrages wurden und damit - zwar nicht in der Sache, wohl aber in einer Art „doppelter Verbindlichkeit" - eine völkerrechtliche Dimension erhielten, gewannen die Vertragspartner, d.h. die beiden Kronen, Rechte auf deren Einhaltung und Bewahrung. Änderungen waren nur mit ihrer Zustimmung möglich; Abweichungen konnten die Garantie auslösen und stellten sich im Extremfall als Vertrags- und Friedensbruch dar. Das ergibt sich im Grunde schon aus dem allgemeinen Völkerrecht.59) Aber Art. XVII §§ 4-6 IPO/§§ 114-116IPM regeln die Garantie der Einhaltung der Verträge ausdrücklich. Sie geben omnes huius transactionis consortes das Recht, alle und die einzelnen Regelungen gegen jedermann zu schützen und zu verteidigen. Unter den consortes sind die Vertragspartner60) und die Verbündeten, nicht alle „Beteiligten" in dem hier verwendeten weiten Sinn zu verstehen, also sicher nicht die übrigen nach Art. XVII §§ 10 und 11IPO einbezogenen Mächte.61) Für sie fehlt es damit also auch an unmittelbaren völkerrechtlichen Rechtswirkungen der reichsinternen Regelungen. So nahmen in den nachfolgenden Verträgen auch nur die Vertragspartner als solche wie als Garantiemächte auf
57 ) In den deutschen Übersetzungen wird der Begriff pax publica teils mit „allgemeiner Frieden" (Art. XVII § 4 IPO/§ 114 IPM) oder „öffentlicher Frieden" (§118 IPM), teils mit „Landfrieden" (Art. XVII § 8 IPO) wiedergegeben. Es handelt sich aber immer um letzteren, wie sich eindeutig aus dem Text ergibt. 58 ) Moser, Garantie (wie Anm. 30), 39 f., hebt dies ausdrücklich hervor. 59 ) Grotius, De iure belli (wie Anm. 55), III.20.XXXIV, 567: „Der Friede wird auch ... dann gebrochen, wenn gegen seine Bestimmungen gehandelt wird, und das Handeln umfaßt hier auch das Unterlassen dessen, was geschehen soll oder seiner gehörigen Ausführung". 60 ) Müller, Instrumenta (wie Anm. 56), übersetzt consortes in Art. XVII § 5 IPO mit „Vertragspartner", Arno Buschmann (Hrsg.), Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten. 2. Aufl. T. 2. Baden-Baden 1994, mit „Vertragsparteien". 61 ) So auch schon Moser, Garantie (wie Anm. 30), 45, aufgrund der im 1. Abschnitt (9-38) ausführlich dargelegten Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen. Die gefundene Formel stellt sich als eine Kurzformel dar, die auch Differenzen im Hinblick auf die Stellung der Reichsstände zwischen den beiden Kronen einerseits und Kaiser und Reichsständen, jedenfalls deren Mehrheit, andererseits überbrücken sollte.
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die reichsrechtlichen Regelungen des IPO Bezug und bestätigten sie.62) Andere, selbst Einbezogene, mußten Allianzverträge abschließen, die sich zwar auf den Inhalt der Verträge von 1648 beziehen konnten, aber keine Garantie begründeten. So schlössen 1681 die Generalstaaten und der König von Schweden einen Allianzvertrag zur Aufrechterhaltung des durch das Vertragswerk von Münster und Osnabrück hergestellten Friedens; aber nur der König wurde in Art. 1 ausdrücklich als Garant im Sinn des Art. XVII § 6 IPO genannt, nicht die Niederlande.63) Die völkerrechtlichen Inhalte der beiden Verträge waren nur z.T. dieselben. Zu den übereinstimmenden Teilen gehören neben der Herstellung des völkerrechtlichen Friedens die Amnestieklauseln des Art. II IPO/§ 2IPM, die Abreden über das Ende der Feindseligkeiten (Art. XVI § 1 IPO/§ 98 IPM), die Garantie (Art. XVII §§4-6 IPO/§§ 114-116 IPM), die Vorrangklausel (Art. XVII § 3/§ 113 IPM)64), das Ratifikationsversprechen (Art. XVII § 1 IPO/ §111 IPM) und die Unterzeichnungsregeln (Art. XVII § 12 IPO/§ 120 IPM). Im übrigen aber unterscheiden sich die völkerrechtlichen Inhalte der Instrumenta Pacis nicht unerheblich. Im IPO ging es um die Regelung des Verhältnisses zu Schweden, insbesondere die Satisfaktion mit Pommern, Bremen und Verden; im IPM ging es ebenfalls um territoriale Rechte für Frankreich, aber auch um die Neutralität des Reiches und seiner Glieder im fortdauernden spanisch-französischen Krieg, insbesondere im Burgundischen Reichskreis, um Lothringen, Savoyen, Mantua und verschiedene andere Fragen. Von all diesen Fragen waren aber unmittelbar nur die jeweiligen Vertragspartner und allenfalls die jeweiligen Verbündeten betroffen. Nur für sie trat auch eine entsprechende Rechtswirkung ein. Zweifellos waren auch die anderen europäischen Mächte an diesen Regelungen interessiert, jedenfalls soweit alle oder einzelne Fragen sie in irgendeiner Weise berührten, z.B. den König von England die Regelung der Position seines Neffen in bezug auf die Pfalz und die Kurwürde oder den König von Dänemark die territorialen Regelungen zugunsten seiner nordischen Rivalin, der Königin von Schweden, an der Nord- und Ostseeküste. Außerdem schufen die Regelungen der beiden Verträge ganz allgemeine rechtliche Zustände für Kaiser und Reich, nach innen wie in ihrer Stellung in der europäischen Mächtegesellschaft. Das ging angesichts der Bedeutung von Kaiser und Reich alle an. Zwar führte dieses Interesse an den Inhalten der Verträge nicht zu einer unmittelbaren, objektiven Rechtswirkung für alle. Aber man kann in der Einbeziehung der anderen Mächte doch eine Absicherung dieser Regelungen gegen Ablehnung von außen sehen. Es gab ein Recht oder zumindest eine Praxis des 62
) Unten Abschnitt IV. ) Dumont, Corps (wie Anm. 36), Vol. 7/2, 16. M ) Dazu unten 66, 69, 75. 63
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Protestes gegen Regelungen, die andere trafen. Der bekannteste und berühmteste war der Protest des Papstes gegen den Westfälischen Frieden selbst. Er führte zwar wegen der Vorrangklauseln nicht zur Ungültigkeit der Verträge, wohl aber, anders als bei der Republik Venedig, zur Nichtaufnahme des Papstes in den Frieden, obwohl auch sein Bevollmächtigter als Vermittler in Münster gewirkt hatte. Auch der Burgundische Reichskreis protestierte wegen seines Ausschlusses vom Frieden. 65 ) Die späteren „Großen Friedensverträge" von Nimwegen, Rijswijk und Utrecht kannten Proteste. Rechtlich bewirkten sie, wie auch heute, zumindest Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit des jeweiligen Vertrages im Verhältnis des Protestierenden zu den Vertragspartnern, konnten sie unter Umständen verhindern. 66 ) Es gab auch keine Instanz, die objektiv für alle festlegen konnte, was gelten sollte. Jede Macht entschied für sich. Ob und inwieweit Proteste wirklich Konsequenzen hatten, ist eine Frage im Einzelfall. Die Einbeziehung der übrigen europäischen Mächte könnte also als eine Strategie verstanden werden, eine größere allgemeine Absicherung der konkret getroffenen Regelungen zu erreichen. Eine besondere völkerrechtliche Wirkung hatte die Einbeziehung in die Friedensverträge für diejenigen Mächte, deren Status in der europäischen Mächteordnung neuartig und unsicher war. Sie wurden durch die Einbeziehung als Glied derselben anerkannt, auch soweit sie einseitig erfolgte, denn die Benennung bedurfte jeweils der Zustimmung der Gegenseite. Im Fall Juan Braganzas als König von Portugal wurde das ganz deutlich: Wegen dieser Wirkung hatte sich der kaiserliche Bevollmächtigte gegen seine Aufnahme verwahrt. Der Großfürst von Moskau hatte zwar schon Verträge mit den polnischen und schwedischen Königen geschlossen 67 ) und trat auch nicht zum ersten Mal im Westen in Erscheinung 68 ). Aber jetzt wurde er in den Gesamtkreis der Mächte, wenn auch noch nicht mit dem selbstgewählten Titel „Zar", einbezogen. Auch die Stellung des Fürsten von Siebenbürgen wurde aufgewertet, vor allem gegenüber seinem Oberherrn, dem Sultan, aber auch gegenüber dem Kaiser. Die Stellung der Niederlande und der schweizerischen Kantone bedurfte der Festigung hingegen nicht mehr, obwohl beide erst im Jahr 1648 in Münster ihre Souveränität erhalten hatten. 65
) Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis executionis publica. Oder Nürnbergische Friedens-Executions-Handlungen und Geschichte. 2 Tie. Hannover/Tübingen bzw. Leipzig/ Göttingen 1736-1737, T. 1, 166 ff. 66 ) Grotius, De iure belli (wie Anm. 55), 11.4.V. ff., 168 ff., verlangt rechtzeitigen Protest oder Widerspruch bei Eigentumserwerb aus Verschweigen. 67 ) Siehe die Verträge mit Schweden vom 27. Februar 1617 (Stolbovo) und mit Polen vom 24. Dezember 1618/3. Januar 1619 (Deulino). 68 ) Peter Nitsche, Die Mongolenzeit und der Aufstieg Moskaus (1240-1538), in: Manfred Hellmann (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Rußlands. Bd. 1: Bis 1613: von der Kiewer Reichsbildung bis zum Moskauer Zarentum. Halbbd. 1. Stuttgart 1981, 534-712, hier 653 ff.
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3. Reichsrechtliche Inhalte Die reichsrechtlichen Inhalte stimmen in beiden Verträgen vom 24. Oktober 1648 weitgehend überein. Sie umfassen hauptsächlich die Restitutionen, die Regelung der Religionsfrage, Bestimmungen über das ius territoriale der Reichsstände und ihr Bündnisrecht, die Regelung der Stellung des Kaisers und der Reichsstände im Reich und der Ausübung der „Reichsgewalt" durch Kaiser und Reichsstände, wobei außerdem auf die beiden Konfessionsgruppen einzugehen war. Dazu gehört auch die Herstellung des Friedens nach innen, d.h. des Landfriedens, der pax publica, da Kaiser und Reichsstände auch einen internen Krieg gegeneinander und untereinander geführt und damit den Landfrieden gebrochen hatten. Eine interne Reichsangelegenheit war daher auch die Amnestie. Diese ihrerseits führte zu den Restitutionen (Art. III IPO). Die Bestimmungen der Verträge zu Frieden und Amnestie hatten also eine Doppelfunktion nach außen und nach innen. Das gleiche gilt für die territorialen Regelungen zugunsten Schwedens, da die schwedische Königin als Lehnsnehmerin Reichsstand wurde. Jedoch hatten die reichsrechtlichen Regelungen für die anderen Mächte keine Rechtswirkung in dem Sinn, daß diese selbst davon unmittelbar rechtlich betroffen worden wären, ausgenommen besondere Regelungen wie die Bestätigung der Exemtion der schweizerischen Kantone in Art. VI IPO. Aber da die reichsrechtlichen Regelungen auf Vereinbarungen der Vertragspartner und nicht nur der Annahme durch Kaiser und Reichsstände beruhten, haben sie eine völkerrechtliche Dimension. Diese betrifft nur die Vertragspartner und deren Verbündete, nicht jedoch die sonstigen einbezogenen Mächte. Für sie fehlt es also auch an völkerrechtlichen Rechtswirkungen der reichsinternen Regelungen. So nahmen in den nachfolgenden Verträgen auch nur die Vertragspartner als solche wie als Garantiemächte auf die reichsrechtlichen Regelungen des IPO Bezug und bestätigten sie. Andere, selbst Einbezogene, mußten Allianzverträge abschließen, die sich zwar auf den Inhalt der Verträge von 1648 beziehen konnten, aber keine Garantie begründeten, wie der erwähnte Vertrag der Niederlande mit dem König von Schweden zur Aufrechterhaltung des durch das Vertragswerk von Münster und Osnabrück hergestellten Friedens deutlich macht.69) 4. Fazit Sowohl der völkerrechtliche als auch erst recht der reichsrechtliche Inhalt der beiden Verträge von Münster und Osnabrück beschränkt sich in seinen unmittelbaren Rechtswirkungen auf die Vertragspartner und deren Verbündete in 69
) Oben 52.
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dem Maße, in dem diese Regelungen sie jeweils angehen und auf sie anwendbar sind. Das führt zu erheblichen Differenzierungen zwischen ihnen. In jedem Falle aber handelt es sich um besondere Verhältnisse dieser beiden Gruppen. Nicht einmal die Einbezogenen, soweit nicht besondere Regelungen für sie vom Gegenstand her Rechtswirkungen haben, sind aus den Verträgen berechtigt und verpflichtet. Ein „Grundgesetz" für Europa oder der europäischen Völkerrechtsgemeinschaft im positiv-rechtlichen Verständnis des Begriffes in seiner verfassungsrechtlichen Funktion stellen die Verträge vom 24. Oktober 1648 nicht dar. Sie haben den Charakter einer lex fundamentalis nur in den reichsrechtlichen Bestimmungen und auch nur für das Reich. Ihr Charakter als besondere Verträge für die Rechtsverhältnisse bestimmter Partner bestätigt sich auch in ihrer positiv-rechtlichen Fortwirkung, d.h. in der Fortschreibung durch nachfolgende völkerrechtliche Verträge, also ihrer weiteren Geltungsgeschichte.
IV. Die Fortwirkung der Verträge von Münster und Osnabrück 1. Allgemeines Die Fortwirkung der beiden Verträge von Münster und Osnabrück im positiven Völkerrecht läßt sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verfolgen. Sie vollzieht sich auf drei Ebenen. Auf der ersten Ebene geht es zunächst um die Sicherung der Durchsetzung und Einhaltung der konkreten Regelungen, also ihre Fortgeltung. Auf einer zweiten Ebene liegen ihre Wiederaufnahme und Bestätigung in den nachfolgenden Friedensverträgen der Vertragspartner von Münster oder Osnabrück. Schließlich entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine sehr allgemeine Bezugnahme nicht mehr auf die Verträge selbst, sondern auf den „Westfälischen Frieden". Die Fortwirkung der beiden Verträge umfaßt zunächst und in erster Linie die Fortgeltung der konkreten Regelungen, sowohl der reichsverfassungsrechtlichen als auch der völkerrechtlichen - insbesondere der territorialen - , über nachfolgende Kriege und neue Friedensverträge sowie andere politische und rechtliche Veränderungen, z.B. die Französische Revolution, hinaus. Aber sie hat auch eine allgemeinere Dimension, die mit Formeln wie „la tranquillité" oder „le repos de la Chrétienté" ausgedrückt wird. 2. Die Sicherung der Durchsetzung und Einhaltung Unmittelbar im Anschluß an den Friedensschluß vom 24. Oktober 1648 wurden eine Reihe von Verträgen zwischen verschiedenen Beteiligten geschlos-
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sen, um den Vollzug seiner Bestimmungen zu ermöglichen.70) Die wichtigsten dieser Verträge sind zweifellos die Nürnberger Exekutionsrezesse vom 26. Juni 1650 zwischen dem Reich und Schweden und vom 2. Juli 1650 zwischen dem Kaiser und dem französischen König.71) Darüber hinaus wurden im weiteren Verlauf auch verschiedene Allianzverträge zur Sicherung der Einhaltung der Regelungen der Verträge geschlossen. Einerseits schlössen sich einige Reichsstände zur Durchsetzung und Einhaltung der reichsverfassungsrechtlichen Regelungen und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und des Friedens zusammen - bis hin zum Ersten Rheinbund vom4./14. August 165 8.72) Andererseits schloß insbesondere Ludwig XIV. in den 50er Jahren eine Reihe von Verträgen mit Reichsständen bis hin zu seinem Beitritt zum Ersten Rheinbund. Im Allianz-Vertrag mit dem Kurfürsten von Brandenburg vom 24. Februar 1656 heißt es: „Le Roi aiant reconnu que le bien de la Chrétienté dépend principalement du repos de l'Empire, et ce repos de l'observation des Traitez de Paix faits à Munster et à Osnabrug".73) Am 2. März 1656 schloß der König einen Vertrag mit dem Kurfürsten von der Pfalz, in dem die beiderseitige Verpflichtung aus dem Vertrag von Münster zugrundegelegt wird „avec tous les autres Princes qui sont intervenus aud. Traité, de maintenir et garantir toutes les conditions qu'il contient..."; eine weitere, größere „Confédération ... avec tous les Princes intéressez au Traité de Munster" wird bereits ins Auge gefaßt. 74 ) 165 8 als Erster Rheinbund gegründet, wird sie in Art. 1 des Vertrages vom 15. August 1658 zwischen Ludwig XIV. und den Rheinbundfürsten75) als „une sincere et ferme union pour ce qui regarde la Paix de Munster et Osnabruch"76) bezeichnet. Schon den Vertrag mit Brandenburg vom 24. Februar 1656 hatte der französische König als Vertrag zum Schutz und zur Durchführung des Westfälischen Friedens angesehen. Es ging zunächst um die Verteidigung der durch die Verträge jeweils erworbenen territorialen Rechte. Aber die Verträge mit dem Pfalzgrafen und 70
) Z.B. Vertrag des Kurfürsten von Köln als Bischof von Hildesheim mit den evangelischen Ständen vom 24.3.1651: Parry, Treaty Series (wie Anm. 33), Vol. 2, 319 ff.; Vertrag zwischen Schweden und Kurbrandenburg vom 4.5.1653: ebd. Vol. 3, 1 ff. 71 ) Ebd. Vol. 2, 203 ff. 72 ) Z.B. Allianz zwischen den Kurfürsten von Köln, Trier und Bayern und dem Bischof von Münster vom 15.12.1654: ebd. Vol. 3,383 ff.; Allianz zwischen den Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln, dem Bischof von Münster und dem Pfalzgrafen von Neuburg vom 11.8.1655: ebd. 465 ff.; Erster Rheinbund zwischen zunächst den Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln, dem Bischof von Münster, dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem schwedischen König als Herzog zu Bremen, dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg und dem Landgrafen von Hessen-Kassel vom 4./14.8.1658: ebd. Vol. 5, 141 ff. 73 ) Ebd. Vol. 4 , 4 4 . 74 ) Ebd. Vol. 4, 157. 75 ) Der Rheinbund selbst war am 4./14. August in Frankfurt am Main zwischen mehreren Reichsständen zunächst auf drei Jahre geschlossen worden und bestand bis 1668. 76 ) Parry, Treaty Series (wie Anm. 33), Vol. 5, 164.
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zur Gründung des Ersten Rheinbundes betreffen darüber hinaus vor allem die reichsständische Libertät, das ius territoriale, das Bündnisrecht, die Beteiligung an der Ausübung der Reichsgewalt etc. 77 ) Zwar wird immer allgemein von den „agresseurs, qui contreviendront au Traité de Paix" gesprochen, gegen die man im Falle eines Falles gemeinsam vorgehen wolle; aber es ist u.a. aus Art. IV des Beitrittsvertrages eindeutig ersichtlich, daß damit die verfassungsrechtliche Ordnung des Reiches gemeint ist. Den Verträgen von Münster und Osnabrück wird also zwar eine Ordnungsfunktion zugesprochen, nicht nur für das Reich, sondern auch „pour la Chrétienté", d. h. für Europa, aber sie geht über die konkreten, insbesondere reichsrechtlichen Inhalte der Verträge nicht hinaus, sondern beruht gerade auf ihnen und beschränkt sich damit auch auf sie. Zwar schloß auch Schweden verschiedene Verträge mit Reichsständen, aber sie dienten in der Regel nicht der Sicherung der Verträge vom 24. Oktober 1648, sondern der Bildung von Allianzen nach außen. So schloß der König am 15. Juni 1656 einen Allianzvertrag mit dem Kurfürsten von Brandenburg gegen Polen. Dort wird der Frieden von Münster und Osnabrück als beschränkender rechtlicher Rahmen der Allianz verstanden. Sie richtet sich gegen niemanden, soweit er nicht in Polen eingreife ita aliis Foederibus, Amicitiis et Obligationibus, nomine tenus verö Paci Osnabrugis ac Monasterii Westphalorum Anno 1648., cum Imperio Romano conclusce,78) Der durch die beiden Verträge begründete Friedenszustand soll also nicht gestört werden. Bereits der Vertrag zwischen Ludwig XIV. und dem Großen Kurfürsten hatte auf „le bien de la chrétienté", also die allgemeine Dimension der Verträge von Münster und Osnabrück abgestellt, dies aber vor allem mit der Sicherung ihrer konkreten rechtlichen Regelungen verbunden. Wesentlich später, nach dem Frieden von Nimwegen, rückt diese allgemeine Dimension in einem Allianzvertrag vom 30. September/10. Oktober 1681 zwischen Schweden und den Niederlanden in den Vordergrund und verselbständigt sich fast. Ziel der Allianz ist ad communem Orbis Christiani quietem in Pace nupera Neomagensi de Anno 1678. et 1679. fundatum, quae ipsa etiam ex Pace Osnabrugensi et Monasteriensi de Anno 1648., cujus quidem Sacra Regia Majestas Sueciae ex primis et principalibus Guarantiis est, sua tenet fiindamenta, sibi utrinque pollicentur, et promittunt sese fideliter, sedulo, omnique industria rationem Consiliorum suorum eo directuros, mutuamque curam et operam conjunctim adhibituros, ut dicti Tractatus Pacis Osnabrugensis in pleno vigore secundum eorum genuinum sensum maneant et rite observentur.19) Hier tritt nicht nur ein renversement des alliances dergestalt ein, daß Schweden sich
77
) Unten 68 f. ) Parry, Treaty Series (wie Anm. 33), Vol. 4, 111. 79 ) Art. 1 : Dumont, Corps (wie Anm. 36), Vol. 7/2, 16. 78
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auf eine Gegnerschaft zu Frankreich vorbereitet, sondern der Kreis der „Garantiemächte" des Osnabrücker Vertrages wird indirekt erweitert um eine der in den Vertrag von Osnabrück lediglich eingeschlossenen Mächte. Allerdings gewinnen die Niederlande kein Interventionsrecht. Zunächst traten dem Vertrag am 18. Februar und 2. Mai 1682 der Kaiser sowie der spanische König bei.80) Dann aber erneuerten alle vier Mächte die Allianz durch einen gemeinsamen Vertrag vom 18. März 1683, in dem wiederum die Verteidigung der gemeinsamen Sicherheit und die Bewahrung der Friedensschlüsse von Nimwegen und Westfalen als Allianzziel genannt werden.81) Diese Allianzbestimmungen fassen beide Vertragswerke als die Grundlage der europäischen Friedensordnung zusammen, ohne auf ihre Einzelheiten selbst noch in irgendeiner Weise einzugehen. Man kann den Eindruck gewinnen, daß die Erhaltung des Friedenszustandes unabhängig von den Einzelheiten der getroffenen Regelungen das eigentliche Ziel war. Im historischen Gesamtzusammenhang der Situation ging es um die zentrale, seit 1648 offene machtpolitische Frage: die Hegemonie in Europa. Der in den beiden Verträgen von Münster und Osnabrück erreichte Friedenszustand erschien den Bündnispartnern durch die Politik Ludwigs XIV., nicht mehr die des Kaisers, in seiner Grundstruktur gefährdet. 82 ) 3. Die Friedensverträge von 1659 und 1660 In den Friedensverträgen zwischen dem spanischen und dem französischen König von 1659, dem Pyrenäenfrieden, und dem Frieden von Oliva von 1660 zwischen dem schwedischen und dem polnischen König und dessen Hauptverbündeten, Kaiser Leopold I., erscheinen die Verträge von Münster und Osnabrück nur am Rande. Der Pyrenäenfrieden erwähnt das IPM lediglich in Art. LXI im Zusammenhang mit dem Verzicht des Katholischen (spanischen) Königs auf Rechte im Elsaß. In Art. CXXII werden seitens des Allerchristlichsten (französischen) Königs die Mitglieder des Ersten Rheinbundes in den Vertrag einbezogen, „pour la manutention de la Paix de Münster". 83 ) Eine weitere, engere Verbindung zwischen den beiden Verträgen wird nicht hergestellt, obwohl der Pyrenäenfrieden in manchem die Fortsetzung und Vollendung des Friedens von Münster darstellt, vor allem dem Burgundischen Reichskreis gemäß § 3 Abs. 2 IPM Frieden bringt. 80
) Ebd. 19, 22. ) Ebd. 57 ff. 82 ) Zu diesem Komplex jüngst Heinz Duchhardt, Droit et droit des gens - structures et métamorphoses des relations internationales au temps de Louis XIV, in: Rainer Babel (Hrsg.), Frankreich im europäischen Staatensystem der Frühen Neuzeit. Sigmaringen 1995, 179— 189, bes. 183 ff. 83 ) Parry, Treaty Series (wie Anm. 33), Vol. 5, 360 und 388. 81
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Der Friedensvertrag von Oliva erwähnt den Vertrag von Osnabrück nur einmal, obwohl auf beiden Seiten auch Vertragsparteien von 1648 beteiligt waren, Schweden einerseits und Kaiser Leopold I., nicht aber das Reich, andererseits. In Art. XXII und XXIII wird zwischen ihnen Frieden geschlossen und es werden einige besondere Bestimmungen formuliert. In diesem Zusammenhang erscheint eine Bezugnahme auf den Vertrag von Osnabrück. Soweit im Vertrag nicht geregelte Kontroversen auftreten, juxta Imperii et Pacis Germanice leges absque strepitu armorum componetur, aut decidetur et stabitur ab utraque Parte per omnia dispositioni Pactorum Osnabrugensium et Constitutionibus Imperii.84) Der Vertrag von Osnabrück wird also in seinen reichsrechtlichen Bestimmungen, nicht als europäisches Friedenswerk, angesprochen. Das Fehlen weiterer Bezugnahmen auf die Verträge von Münster und Osnabrück erklärt sich aus dem rechtlichen Inhalt des Pyrenäenfriedens und des Friedens von Oliva. Ausgenommen die genannten Materien, betreffen beide Kriege und erst recht beide Friedensverträge keine Inhalte der Verträge vom 24. Oktober 1648. 4. Die Friedensverträge von Nimwegen Durch den Krieg Ludwigs XIV. mit den Niederlanden und deren Verbündeten Kaiser und Reich sowie dem spanischen König war der Frieden von Münster zerbrochen. Er mußte durch die Friedensverträge von Nimwegen wiederhergestellt werden. Dabei handelt es sich um insgesamt neun zweiseitige Verträge, die aber nicht an einem Tag wie in Münster, sondern zwischen dem 10. August 1678 und dem 29. März 1679 abgeschlossen wurden. Nur die Friedensverträge von Kaiser und Reich einerseits mit Ludwig XIV., andererseits mit Schweden vom 5. Februar 1679, der Friedensvertrag der beiden Kronen mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg vom selben Tag sowie die Friedensverträge des Bischofs von Münster mit den beiden Kronen vom 29. März 1679 erwähnen die Verträge von Münster und Osnabrück. Die beiden erstgenannten nehmen jeweils nur auf „ihren" Vorgänger, das IPM bzw. das IPO, Bezug. Der Vertrag von Münster wird als solidissimum hujus mutuce amicitice tranquillitatisque publicaz fundamentum85) bestätigt; der Vertrag von Osnabrück wird als firma basis ac omnimoda norma hujus Pacificationis in den Vertrag zwischen Kaiser/Reich und Schweden aufgenommen, ita ut pristino suo vigori restituta inposterum sarta tecta sit, maneatque ceque ac ante hos prcesentis Bellis motus Pragmatica Imperii Sanctio, et Lex fundamentalis, qua iterum Partes pasiscentes mutud obligatce et obstrictce sint invicem, non 84 85
) Art. XXII § 3: Dumont, Corps (wie Anm. 36), Vol. 6/2, 307. ) Art. II des Vertrags des Kaisers mit Ludwig XIV.: ebd. Vol. 7/1, 377.
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obstantibus, sed annullatis quibuscunque Actis, Decretis, Mandatis, vel mutationibus per hos Belli motus in contrariumfactis86). Das IPO wird zwar als lex fundamentalis bezeichnet, nicht aber in bezug auf die allgemeine europäische Ordnung, sondern lediglich für das Reich. Beide Verträge zusammen werden auch als „le fondement le plus solide de la Paix et de la tranquillité de l'Empire" bezeichnet.87) Die beiden Verträge bleiben also erhalten, werden wiederhergestellt; der neue Frieden von Nimwegen ist die Erneuerung des alten Friedens von Münster und Osnabrück, der dessen fundamentum und norma ist.88) So gewinnt der Westfälische Frieden eine dauerhafte, herausragende Ordnungsfunktion für das Verhältnis von Kaiser und Reich zu Frankreich und Schweden. Er wird auch im nachhinein nicht etwa zur pax universalis, sondern bleibt, was bereits der Nürnberger Exekutionsvertrag klar formuliert hatte: „une paix universelle en Allemagne"89). Die genannten Klauseln stehen in der Tradition der Aufnahme älterer Verträge zweier Partner in deren jeweils neuesten Vertrag. So inkorporiert der französisch-spanische Vertrag von Nimwegen vom 17. September 1678 selbstverständlich den Pyrenäenfrieden von 1659 und den Frieden von Vervins von 1598, der seinerseits die älteren Verträge des 16. Jahrhunderts aufgenommen hatte. Das Recht von 1648 galt fort, wurde bestätigt, erneuert und nur dort abgelöst, wo dessen Inhalte im neuen Vertrag geändert wurden. Insofern war der Frieden von Münster und Osnabrück ein durchgehender, vom Krieg zwar unterbrochener, aber dann wiederhergestellter, erneuerter Rechtszustand, in dem das alte Recht wiederauflebte. Der Begriff pax perpetua war unter diesem Blickwinkel doch keine reine Chimäre. Diese Tradition wird jedoch im Verhältnis der Friedensverträge von Münster und Osnabrück zu denen von Nimwegen durch die Begriffe fiindamentum und norma gesteigert. Diese Formulierungen finden sich sonst nicht. Es geht also offenbar nicht nur um die Bestätigung von Einzelbestimmungen, sondern um das Anknüpfen an das Vertragswerk von 1648 in einer allgemeineren Bedeutung. Diese Bestimmung der beiden Verträge als fundamentum und norma des Friedens zwischen den Vertragspartnern wird auch in weiteren völkerrechtlichen Verträgen wiederholt verwendet; dabei findet sogar, wie der bereits erwähnte niederländisch-schwedische Allianzvertrag von 1681 zeigt, eine Ausweitung auf weitere Mächte statt, die aber doch in einem engeren Verhältnis zum westfälischen Vertragswerk stehen. 86
) Art. III, Vertrag Schweden - Kaiser: ebd. 390; ähnlich Art. III, Vertrag Schweden Münster: ebd. 401. 87 ) Vertrag beider Kronen mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg vom 26.1./ 5.2.1679, Art. IV: ebd. 391. 88 ) Deswegen erneuerte am 7. Februar 1679 der päpstliche Nuntius in Nimwegen den päpstlichen Protest, der sich nun auch gegen die beiden Verträge von Nimwegen richtete: ebd. 383 f. 89 ) § I: ebd. Vol. 6/1, 549.
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5. Die Friedensverträge von Rijswijk Da auch der in Nimwegen vertraglich wiederhergestellte Friedenszustand nicht dauerhaft war, die alte Allianz Frankreichs mit Schweden zerbrach und ein renversement des alliances stattfand, mußte der Friedenszustand im Frieden von Rijswijk von 1697 wiederum erneuert werden. Dieses Friedenswerk umfaßt fünf Verträge zwischen Ludwig XIV. auf der einen und seinen fünf Gegnern auf der anderen Seite. Doch obwohl an dem oben genannten Allianzvertrag auch die Niederlande und Spanien beteiligt waren, nimmt wiederum nur der Friedensvertrag mit Kaiser und Reich vom 30. Oktober 1697 auf den Westfälischen und nun auch auf den Nimwegener Frieden als basis etfundamentum des neuen Friedensschlusses Bezug.90) Bemerkenswert ist, daß nun zum ersten Mal in einem Vertrag von der Pax Westphalica (et Neomagensis), nicht mehr von den beiden Verträgen von Münster und Osnabrück, die Rede ist. Ob damit nur ein anderer Ausdruck gewählt wurde, der sich auch in der Literatur fand, oder aber eine Verallgemeinerung stattfand, die sich von den konkreten Verträgen löste, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Zum einen wird ihre Erfüllung in sacris et profanis bestätigt, zum anderen werden Einzelregelungen des Vertrages von Münster wiederholt91), auch neue Regelungen zu Lasten Ludwigs XIV. getroffen 92 ). Es geht hier also wohl auch um das IPM und dessen Regelungen. Aber die Abänderungen im Detail betreffen eben nicht das fundamentum oder die norma des Westfälischen Friedens. 6. Die Friedensverträge von Utrecht und Rastatt Der Spanische Erbfolgekrieg führte erneut zur Aufhebung des Friedenszustandes durch den Kriegszustand - mit z.T. denselben Gegnern wie 1648, 1678/79 und 1697. Auch diesmal wurden noch mehrere zweiseitige Friedensverträge geschlossen, insgesamt acht, deren Partner einerseits Ludwig XIV. und der neue König von Spanien, Philipp V., und andererseits verschiedene europäische Mächte waren. Aber auch in diesen Verträgen, die zwischen dem 31. März/11. April 1713 und dem 6. März 1714 (in Rastatt) abgeschlossen wurden, nehmen nur diejenigen Verträge direkt auf die westfälischen Verträge Bezug, die der französische König mit König Friedrich I. in Preußen und mit Kaiser und Reich abschloß. In den Verträgen Ludwigs XIV. mit der Königin von England und mit den Niederlanden wird zwar vereinbart, daß die Religionsbestimmungen der „Traitez de Westphalie" im noch abzuschließenden Vertrag zwischen dem König und dem Reich eingehalten werden sollen, zur
9°) Art. III: ebd. Vol. 7 / 2 , 4 2 2 . »') Art. VIII, IX: ebd. 423. 92 ) Art. XIX: Rückgabe Freiburgs/Br. an das Haus Österreich; Art. XX: Breisach: ebd. 424.
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Sicherung der „tranquilité de l'Empire". 93 ) Dieser konkrete Inhalt wird damit auch unter englisches und niederländisches Interesse gestellt. Aber eine allgemeine Bestimmung in bezug auf die beiden Verträge vom 24. Oktober 1648 fehlt. Im Vertrag mit dem König in Preußen, Friedrich I., bestätigt der französische König Pacem Westphalicam semper spectaverit, tanquam firmissimum fundamentum tranquillitatis publicce ... Dominus Rex ... hatic sibi mentem esse déclarai, ut prœdicta Pax Westphalica, tarn in sacris, quam in profanis sarta tectaque permaneat, perinde ac si hic ad verbum inserta esset.94) Im Friedensvertrag des Allerchristlichsten (französischen) Königs mit dem Kaiser, der am 6. März 1714 in Rastatt abgeschlossen wurde, werden „les Traitez de Westphalie et de Nimvègue" wiederum, nunmehr auch unter Einschluß des Vertrages von Rijswijk, „comme la Base et le fondement du présent Traité" herangezogen, „et en conséquence, immédiatement après l'Echange des Ratifications, lesdits Traitez seront entièrement executez à l'égard du Spirituel et du Temporel et seront observez inviolablement à l'avenir, si ce n'est entant qu'il y sera expressément dérogé par le présent Traité".95) Einerseits werden sie also wiederum bestätigt, erneuert und ihre Durchführung und Einhaltung wird vereinbart, andererseits werden dadurch die genannten Vereinbarungen zu ihrer Sicherung in dem französisch-niederländischen und in dem französisch-englischen Vertrag erfüllt. Die besondere Hervorhebung der religionsrechtlichen Regelungen hat ihren Grund in bestimmten territorialen Veränderungen. Aber es geht auch hier um die besonderen Regelungen, nicht um eine allgemeine Ordnung. 7. Weitere vertragliche Bezugnahmen In späteren Verträgen findet sich zwar weiterhin die Berufung auf den Westfälischen Frieden, sie verändert sich aber in Form und Inhalt. Eine erste Kategorie einschlägiger Vertragswerke ist relativ spezifisch. Es handelt sich um eine Serie von Grenzverträgen Frankreichs mit verschiedenen reichsständischen Nachbarn, in denen die Grenzsituationen durch gegenseitige Abtretungen zu modernen, klar definierten Grenzlinien weiterentwickelt werden. In ihnen wird von den konkreten Regelungen des IPM ausgegangen; dieses bildet also, vor allem in seinen territorialen Bestimmungen, weiterhin
93
) Art. XXI: ebd. Vol. 8/1, 342; Art. XXXIII: ebd. 371. ) Art. VI: ebd. 356 f. 95) Art. III: ebd. 416. 94
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die Grundlage 96 ) der neuen Festlegungen. Aber es werden eine Reihe von Änderungen vorgenommen. 97 ) Eine zweite Kategorie stellen Freundschafts- und Allianzverträge dar. Die Einführung des Westfälischen Friedens ist verschieden. Im französisch-spanischen Freundschafts- und Allianzvertrag von 1761 nimmt Ludwig XV. die Kriege aus, die sich aus den Pflichten der Verträge von Westfalen ergeben könnten. 98 ) Er nimmt seine Garantenstellung also offenbar nach wie vor ernst. Frankreich macht in diesem Zusammenhang auch weitere Allianzverträge geltend. In einem Allianzvertrag zwischen dem französischen König und dem Bischof von Basel vom 20. Juni 1780 wird hingegen der Westfälische Frieden noch einmal und, soweit bisher festzustellen war, zum letzten Mal zusammen mit besonderen späteren Verträgen zur Grundlage eines Bündnisses erklärt; sie alle werden erneuert und bestätigt „de la maniéré la plus solemnelle, pour être suivis, observés et executés suivant leur forme et teneur en tous et chacun leurs points et articles auxquels il n'aura pas été expressément dérogé par ce traité". 99 ) Zu den - allerdings reichsintemen - Allianzverträgen kann auch der Fürstenbund vom 23. Juli 1785 gezählt werden. Er wird geschlossen zur „Aufrechterhaltung und Befestigung des teutschen Reichs-Systems nach dem Westphälischen und andern verbindlichen Reichs-Friedensschlüssen". 100 ) Die Partner berufen sich ausdrücklich auf ihr Bündnisrecht nach Art. VIII § 2IPO. Die Anknüpfung erfolgt zwar nur an das Reichsverfassungsrecht, aber in der Präambel heißt es, daß vom deutschen Reichssystem Freiheit und Sicherheit eines jeden Mitglieds des Reichs, aber nicht weniger auch die ganz Europas wesentlich abhänge. 101 ) Die deutschen Fürsten nahmen damit eine ältere französische These auf. Der preußisch-österreichische Allianzvertrag vom 7. Februar 1792 nennt den Westfälischen Frieden nicht mehr, aber ebensowenig auch die anderen „Großen Verträge", obwohl es um die Grundlagen derselben ging. Zwar werden alle „vorhergegangene Tractate... als wenn sie von Wort zu Wort hier eingerückt wären, erneuert und bestätigt", aber nur die spezifisch preußisch-
) Z.B. Vertrag mit Nassau-Saarbrücken vom 15.2.1766, Art. I: Georg Friedrich Martens, Recueil des principaux Traites d'alliance, de paix, de trêve, de neutralité, de commerce, de limites, d'échange etc. 7 Vols. Göttingen 1791-1801, Vol. 1, 154; mit Nassau-Weilburg vom 24.1.1776, Art. I: ebd. 554. 9 7 ) Dieser und ähnliche Verträge bedurften im übrigen der Zustimmung des Kaisers auf der Grundlage eines Reichstagsgutachtens, da es sich um Eingriffe in das Reichsgebiet handelte, vgl. Vertrag zwischen Frankreich und Nassau-Saarbrücken, Einleitung: ebd. 155. 9 8 ) Art. VIII: ebd. 4. " ) Art. I: ebd. Vol. 2, 93 f. 1 0 °) Art. I: ebd. 555. I 0 1 ) Präambel: ebd. 553. %
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österreichischen Verträge von Breslau bis Teschen werden genannt. 102 ) Ob die Verträge von 1648 bis 1697 oder gar 1713 noch gemeint sind, erscheint fraglich. Wäre es um die Sicherung und den Schutz der durch sie nach und nach errichteten Ordnung gegangen, wären sie wohl erwähnt worden. Überraschend ist die letzte Kategorie der Friedensverträge. Das gilt weniger für zwei preußische Friedensverträge, der erste mit Schweden vom 22. Mai 1762, der zweite mit Österreich vom 15. Februar 1763. Im erstgenannten erklärt sich Schweden in dem fortdauernden Krieg Friedrichs des Großen mit Maria Theresia für neutral und erklärt, „ni comme garant de la Paix de Westphalie" noch in anderer Eigenschaft eingreifen zu wollen. 1 0 3 ) Im Hubertusburger Frieden wird der Westfälische Frieden bestätigt, aber ohne Präzisierung. 1 0 4 ) Was dieser allgemeine Verweis noch bedeutet, ist unklar. Er macht eher den Eindruck einer Formel, zumal die Verträge von Breslau bis Dresden ausführlicher aufgenommen sind. Auch der Vertrag von Teschen zwischen Maria Theresia und Friedrich dem Großen vom 13. Mai 1779 erklärt ganz allgemein „Les Traités de Westphalie et tous les Traités conclus depuis entre leurs Majestés Impériale et Prussienne . . . sont expressement rénouvellés, et confirmés...", ohne aber auf Einzelheiten einzugehen. 105 ) Es deutet sich damit eine abstrakte Verallgemeinerung des Friedens von 1648 an. Das wird ganz deutlich in drei Friedensverträgen Großbritanniens mit dem französischen und mit dem spanischen König von 1763 und 1783. Der Westfälische Frieden wird als erster in einer langen Liste von Verträgen aufgeführt, die alle als „base et fondement à la Paix et au présent Traité" benannt werden. Sie seien daher erneuert und bestätigt. 106 ) Es geht inhaltlich aber in erster Linie um den Frieden in Übersee. Allerdings sind auch reichsrechtlich relevante Artikel in ihnen enthalten. Man verspricht sich, die alten Verträge in der Zukunft genau zu beachten, als seien sie, und damit auch die beiden Verträge von Münster und Osnabrück, „insérés ici Mot à Mot". Nur Frankreich war Vertragspartner des IPM; außerdem war es wie Spanien als Verbündeter im IPO aufgeführt. Der König von Großbritannien war sogar nur ein einbezogener Beteiligter des IPO. 8.
Zusammenfassung
Zieht man Bilanz der völkerrechtlichen Praxis in bezug auf die Fortwirkung der Verträge von Münster und Osnabrück, so läßt sich folgendes festhalten. Bis zum Friedensvertragswerk von Utrecht/Rastatt wurden die Verträge nur in 102)
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steigen.46) Das Sinnbild der Ungleichheit war die gern im aufgerichteten Dreieck symbolisierte alte Ständeordnung. Noch ein Friedensblatt von 1648 glaubte, die alte Rangordnung nun wiederherstellen zu können, indem es den Papst auf die Spitze eines treppenförmigen Dreiecks stellte, dessen Stufungen von Ständebüchern und der Rangordnung im Reich bestimmt waren, nicht aber von den europäischen Mächten.47) Ein Architektursymbol, das an die hierarchische Bedeutung des aufgerichteten Dreiecks denken läßt, war die Pyramide. Pyramiden- oder Obeliskendarstellungen, die damals kaum unterschieden wurden, waren seit der Renaissance und deren Wiederentdeckung auch des alten Ägypten verbreitet. Emblematisch dominiert die Bedeutung des Gedächtnisses zwischen Dauer, Tugend und Trauer, aber ganz ohne Zweifel war das Architektursymbol auch eine Gebärde der politischen Herrschaft, und zwar gerade auch im universalistisch-hierarchischen Sinn.48) Die zeitgenössischen Emblematabücher wie natürlich auch die daraus gefertigten modernen wissen davon nichts, aber das besagt wenig: Wer begriffsgeschichtlich arbeitet, macht die Erfahrung, daß gerade die interessantesten Bedeutungsentwicklungen in den zeitgenössischen Lexika oft gar nicht registriert wurden, und es ist nicht einzusehen, warum das in der Ikonologie anders sein sollte. Die Pyramide konnte zum Beispiel für die Universalgewalt des Papsttums stehen, im kritischen Sinne etwa auf einem Blatt, auf dem das apokalyptische Ungeheuer sich zusammen mit allerlei Nebengewürm der römischen Kirche geometrisch zu einer „Piramide papistique" formiert, die von der Tiara bekrönt wird.49) Die andere ehemalige Universalgewalt, das Heilige Römische Reich, wird in positivem Sinne häufig als Pyramide dargestellt, namentlich auf den Titelkupfern staatstheoretischer Werke. Darüber hinaus war das Motiv mit unterschiedlichem Gewicht auch übertragbar auf andere Mächte und Gelegenheiten. Ob es auf der Gedächtnis- und Ehrenarchitektur, auf der es besonders reich verwen-
46
) Deß Adlers und Löwen Kampff. [1621], abgebildet in: Harms (Hrsg.), Flugblätter (wie Anm. 11), Bd. 2, 178, bzw. Wachender Adler, abgebildet in: Karl Kunze, Der große Krieg von 1618 bis 1648, in: Heinrich Pleticha (Hrsg.), Deutsche Geschichte. Bd. 7: Dreißigjähriger Krieg und Absolutismus 1618-1740. Gütersloh 1983, 13-71, hier 42. 47 ) Ein Trapp der vornembsten Ständt. [Köln um 1648], abgebildet in: Harms (Hrsg.), Flugblätter (wie Anm. 11), Bd. 4, 258. 48 ) Arthur Henkel/Albrecht Schöne (Hrsg.), Emblemata: Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Erg. Neuausgabe Stuttgart 1976. Vgl. dazu Bernd Roeck, Titelkupfer reichspublizistischer Werke der Barockzeit als historische Quellen, in: AKG 65, 1983, 329-370, hier als Beispiele die Titelkupfer von Hippolithus a Lapide [d.i. Bogislav Philipp von Chemnitz], Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico. Freistadt 1647, sowie David Fratuscus, Anthippolithus seu calamus apologeticus. O.O. [1652], 49 ) Piramide papistique. 1599, abgebildet in: Harms (Hrsg.), Flugblätter (wie Anm. 11), Bd. 2,61.
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det wurde, eine eher ornamentale Funktion hat oder Ansprüche markiert, muß im jeweiligen Kontext geprüft werden.50) Eine ganz unverkennbar politisch-herrschaftliche Bedeutung haben zwei Pyramidendarstellungen aus dem Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges. Auf einem in Linz erhaltenen Gemälde des ausgehenden 16. Jahrhunderts thront über allen die Austria auf einem Felsen und läßt sich von der Europa zu ihren Füßen die Krone hinaufreichen.51) Zwei Obelisken zur Linken und zur Rechten versinnbildlichen die schlechten Absichten der Gegner und den Willen Gottes mit dem Hause Österreich. An der Spitze der einen Pyramide sind nämlich Zugseile angebracht, an der eine Reihe feindlicher Mächte ziehen, um sie zum Einsturz zu bringen, allen voran der französische König und der Sultan. Aber die andere Pyramide, mit dem Reichsadler gekrönt und mit der Hand der göttlichen Vorsehung ausgezeichnet, gibt zu erkennen, daß diese Mühe vergeblich und die Herrschaft des Hauses Österreich in Europa unerschütterlich ist. Die Pyramide steht für eine durch den Figurenkontext zusätzlich gesicherte, positiv ausgemalte Uni Versalherrschaft, an der nicht zu rütteln ist. In einem publizistischen Kontext hat universalherrschaftliche Bedeutung auch eine eindrucksvolle Pyramidendarstellung aus dem Vorkonflikt des Dreißigjährigen Krieges, dem Jülich-Klevischen Erbfolgestreit. Das spanische Heer unter Spinola griff hier 1614 in den umstrittenen Gebieten ein, so daß die benachbarten Niederländer bereits jetzt ihren bis 1621 geschlossenen Waffenstillstand mit der spanischen Krone gefährdet sahen. Das niederländische Blatt veranschaulicht das durch militärüberfüllte Szenen der „Spanischen Furie" mit sorgenvollen allegorischen Anspielungen.52) Bildbeherrschend ist ein schräggestellter, als Pyramide bezeichneter Obelisk auf einem ebenfalls schrägstehenden Wagen, auf dem der sterbende Friede als nur halbbekleidete Frau um Aufmerksamkeit wirbt. Steht hier der Friede in Gestalt einer Pyramide „auf der Kippe"? Das ist zumindest nicht alles. Mars nämlich versucht, den mit Waffen versehenen Kriegswagen aufzurichten und mit ihm die ganze Pyramide, die diagonal über das ganze Bild mit ihrer Spitze „bis in den Himmel ragt", wie der Text betont.53) Das versinnbildlicht auch die Maßlosigkeit des spanischen Herrschaftsanspruchs, der nun wieder die Niederlande be-
50
) Z.B. Piramide oder Thurn-Seule. Braunschweig [um 1650], abgebildet in: Harms
(Hrsg.), Flugblätter (wie Anm. 11), Bd. 3, 172; PYRAMIS INVERSA. [1606-1610], in: ebd.
Bd. 2, 73; „Es ist keine Obrigkeit ohn von GOT". [1621]: Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Scrin. C/22, fol. 1. 51 ) Allegorie auf das Haus Österreich, 80er Jahre des 16. Jahrhunderts, abgebildet in: Bruckmüller/Urbanitsch (Hrsg.), Ostarrichi (wie Anm. 20), 99. 52 ) Abb. 9: Afbeeldinge ende körte verklaringe ... van Gulick. [1615], auch bei: Harms (Hrsg.), Flugblätter (wie Anm. 11), Bd. 2,107. 53 ) „Is een Pyramide, die tot in den Hemel verheben schee, met een Wagen daer alderley amunitie van oorlogh mer ij sere ketens op gebonden was", in: Afbeeldinge (wie Anm. 52).
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drohte. Die Pyramide steht für den spanischen Universalismus, zu dem das Blatt eine reservierte Haltung einnimmt. Eine noch drastischere Kritik überzogener Herrschaftsansprüche anhand einer Pyramidendarstellung aber findet sich in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Aus dieser Zeit rühren eine Reihe von Titelkupfern staatsrechtlicher Werke, in denen das festgegründete Reich als Pyramide veranschaulicht wird, manchmal in einem mehr kaiserlich-imperialen Sinn 54 ), manchmal mehr föderal mit den Fürstenwappen 55 ) oder auch ganz ins Institutionelle entschärft wie in den drei Pyramiden, mit denen die Kurien des Reichstags angedeutet werden sollen. Auf einem der Kupfer nach dem Frieden von Nimwegen, der 1679 die französische Expansionspolitik noch einmal zum Halt brachte, aber wird im Lichte der Vorsehung eine scheiternde französische Pyramide gezeigt: Der Reichsadler nämlich fliegt gegen sie und bricht ihre Spitze ab. 56 ) Es ist unverkennbar der französische Universalismus, dem hier die Spitze abgebrochen wird. Denn die zweite Bilddominante ist die Statue des Nebukadnezar, die Frankreichs Havarie in den Kontext der Weltreichelehre rückt: Nach des Propheten Daniel Deutung des Traumes des Nebukadnezar von einer viergeteilten Statue, die am Ende zusammenbricht, würden vier Weltreiche aufeinanderfolgen und die Welt dann untergehen. Das letzte Reich war nach der herrschenden Deutung das römische, und als seine Fortsetzung galt das die Welt noch aufrechterhaltende Heilige Römische Reich Deutscher Nation - nicht aber Frankreich. Das Blatt kritisiert also den in Gottes Heilsplan nicht begründeten und vom Reich zurückgewiesenen Universalanspruch Frankreichs. Die Frage ist nur, wie weit die Statue nur diese Lesehilfe geben oder aber auch die eigene universalistische Tradition des Reiches einklagen sollte. Alles in allem kann die Pyramide also einen universalistisch-hierarchischen Herrschaftsanspruch anmelden, der teils kritisch dem Gegner unterstellt, teils in zumeist etwas ermäßigter Form für die eigene Sache in Anspruch genommen wird. Für den Westfälischen Frieden finden sich keine Pyramidenblätter und können sich wohl auch keine in positiver Bedeutung finden. Denn 1648 ist ja genau das Gegenteil formuliert worden. Niemand konnte den Kompromißfrieden als einen universalistischen Sieg verstehen, niemand eine pyramidale Verewigung seiner Spitzenstellung in Europa als angemessen ansehen. Insofern ist auch das 54
) Eitel Friedrich von Herden [d.i. Rudolf von Heiden], Grundfeste des Heil. Römischen Reichs Teutscher Nation. Frankfurt am Main 1660, Titelkupfer, abgebildet in: Bernd Roeck, Westfälischer Frieden, Reich und Territorien, in: Hubert Glaser (Hrsg.), Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1573-1657. München/Zürich 1 9 8 0 , 4 5 6 - 4 6 8 , hier 460. 55 ) Jacob Lampadius, De república romano-germanica liber cum remissionibus et supplementis J. Georgii Kulpis. Straßburg 1686, Titelkupfer. 56 ) Abb. 10: Johann L. Sauter, Statua Nabuchodonosoris inconcussa oder gereteter Thron der Majestät. Sulzbach 1680, auch bei: Roeck, Titelkupfer (wie Anm. 48), dort Abb. 11.
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ikonographische Negativergebnis ein aussagekräftiger Befund. Allerdings gibt es auch keine an sich naheliegende kritische Darstellung aus dieser Zeit, die in der allgemeinen Friedensharmonie wohl auch störend gewirkt hätte. Eine interessante Umformulierung des Pyramidenmotivs findet sich jedoch beim Nürnberger Friedensmahl von 1649, das zur Feier des glücklichen Abschlusses der Nach- und Ausführungsverhandlungen im Rathaus stattfand. Es wurde von Sandrart in einem bemerkenswerten Historiengemälde mit fast 50 Gesandten und der gesamten Ausstattung festgehalten und in Kupferstichen von Kilian und anderen verbreitet.57) Die unter Mitwirkung der Nürnberger Dichterschule komponierten barocken Schaugerichte auf der langen Tafel hatten symbolische Bedeutung, die sich auf den Frieden und vielfach auch auf die Gleichheit der Kontrahenten bezog und vom Theatrum Europaeum genau beschrieben wurde.58) Eine Inschrift lautete: „Ein gleichrunder Friedens-Creiß, Fasset Drey auf gleiche Weis".59) Eines der großen Schaugerichte nahm die Pyramidenform in Gestalt eines sechseckigen Berges auf - aber umformuliert im Sinne der Mächtegleichheit. Denn dieser Berg war nun dreigeteilt, in einen kaiserlichen Teil mit Früchten, in einen schwedischen Teil mit Schneebergen und einen französischen mit Blumen, und auf dem Gipfel des Berges waren Repräsentanten untergebracht, die auf alle drei Mächte verwiesen. Ein Adler im Nest stand für den Kaiser, ein Hahn auf dem Helm für Frankreich und der schwedische Löwe lag auf Schild und Schwert hingestreckt.60) Dieses schöne Arrangement politischer Gleichheit findet sich im Theatrum Europaeum und den poetischen Gedächtnisquellen anschaulich beschrieben und könnte als eines der repräsentativsten Bilder des Westfälischen Friedens gelten, das die Herkunft des Staatensystems aus dem Friedenskompromiß der drei ehemaligen Universalkonkurrenten auch optisch verdeutlicht - wenn es nur gemalt worden wäre. Leider aber hat es keine eigene Darstellung gefunden, ist auf dem Sandrart-Gemälde nur mit der Lupe erahnbar61) und auf den publikumswirksamen Stichen gar nicht mehr identifizierbar. So ist die wohl prononcierteste und aus den beschreibenden Worten rekonstruierbare Bildvorstellung der völkerrechtlichen Hauptleistung des Westfälischen Friedens - wenn nicht die inszenatorische Kompetenz unserer Zeit einmal im Museum etwas wiedererstehen läßt, das der Mühe wert wäre - ein vergängliches Schauessen geblieben. 57
) Vgl. dazu Helmut Neuhaus, Zwischen Krieg und Frieden. Joachim Sandrarts Nürnberger Friedensmahl-Gemälde von 1649/50, in: Helmut Altrichter (Hrsg.), Bilder erzählen Geschichte. Freiburg im Breisgau 1995, 167-199. 58 ) Vgl. zu barocken Schaugerichten Stefan Bursche, Tafelzier des Barock. München 1974. 59 ) Johann Georg Schieder, Theatri Europaei. T. 6: Außführliche Beschreibung der D e n k würdigsten Geschichten, so sich ... vom Jahr Christi 1647 biß 1651 allerseits begeben und zugetragen. Frankfurt am Main 1663, 937-941, hier 939 f. 60 ) Vgl. Neuhaus, Sandrart (wie Anm. 57), 195. 61 ) Freundlicher Hinweis von Helmut Neuhaus, nachdem mein Identifikationsversuch im Nürnberger Fembo-Haus erfolglos blieb.
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V. Oder war alles ganz anders? Ausblick auf ein Problem Aus der Bildüberlieferung des Westfälischen Friedens ließen sich so einige Strukturen freilegen, die auf das plurale und egalitäre politische System Europas verweisen, das als Staatensystem in die Geschichte eingegangen ist. Neben dem zuletzt behandelten Abbau oder der Umformulierung eigentlich hierarchischer Architektursymbolik waren das vor allem Bildinszenierungen der friedenschließenden ehemaligen Kontrahenten und künftigen europäischen Kooperationspartner, teils figürlich, teils durch Wappenarrangements oder andere Symbolik sowie die Tendenz zur Enthierarchisierung der Landkarte. Dabei ging es nicht um eine Bestandsaufnahme oder gar eine Statistik des Bildmaterials, das sich im Rahmen des Westfälischen Friedens für vieles interessiert, sondern es wurden die weiterweisenden Strukturen herausgefiltert. Repräsentativ sind sie nur insofern, als nicht etwa universalistisch-hierarchische Bildmotive für die Friedensdarstellung von 1648 genauso bestimmend waren. Ganz fehlt allerdings selbst das nicht, wenn auch außerhalb der Bildpublizistik62), und bald nahm es auch wieder zu. Das Problem ist nämlich, daß einige dieser universalistisch-hierarchischen Motive auch in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden gebraucht wurden, in mancher Hinsicht mit neuen Motiven sogar erst im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten. Der spanische Universalismus begann zum Beispiel im frühen 17. Jahrhundert seine Weltstellung ikonographisch auszuspielen, um seinen Herrschaftsanspruch zu stützen. Die spanische Krone unterstreicht nun ihre Bedeutung gern ikonographisch durch kolonialen Universalismus. Über kurz oder lang aber verneigten sich die Erdteile auch vor dem Kaiser, vor dem französischen Thron und vor manchem Fürsten, dem das eigentlich weder geographisch noch machtmäßig zuzutrauen war. Das ist eine Entwicklung, die gleichsam an der kontinentalen Problemlösung des Westfälischen Friedens vorbei ungebrochen weiterlief, aber auch auf das europäische Positionsverständnis der Mächte zurückwirkte. Auch kann man bei den Herrscherapotheosen Ludwigs XIV., aber auch Kaiser Leopolds I. und seiner Nachfolger den Eindruck gewinnen, daß die große Zeit der maßlosen Selbstüberhebung europäischer Souveräne erst begonnen hatte. Und es ist keineswegs so, daß diese Absolutsetzung nur eine innen- und verfassungspolitische Bedeutung hatte, wie der Begriff des Absolutismus in seinem heutigen Gebrauch suggeriert63), sondern die Sonne des Sonnenkönigs sollte über ganz 62
) Lhommage rendu au Roy par les quatre parties du Monde. Kupferstich von Hugues Picart 1648, abgebildet in: Friedrich Polleroß, „Sol Austriacus" und „Roi Soleil" - Amerika in der Auseinandersetzung der europäischen Mächte, in: ders./Andrea Sommer-Mathis/ Christopher F. Laferl (Hrsg.), Federschmuck und Kaiserkrone. Das barocke Amerikabild in den habsburgischen Ländern. Wien 1992, 54-85, hier 61. 63 ) Zur grundsätzlichen Problematik des Absolutismusbegriffs vgl. jetzt das Forschungsre-
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Europa leuchten, und auch die habsburgische Kaiserikonographie war weit imperialer als das real existierende Reich. Diese Entwicklung nach dem Westfälischen Frieden kann hier nicht ausgeführt werden, aber aus der Forschung zur weiteren Entwicklung geht hervor 64 ), daß auch nach 1648 oder möglicherweise gerade nach 1648 viele Künstler ihren Herrschern die Welt zu Füßen legten oder sie in der einen oder anderen Weise an der Spitze Europas sahen. Wie ist das zu erklären? Vorschub geleistet haben sicher kunstgeschichtlich immanente Gründe, die nicht immer eine Sachaussage tragen müssen. Auf der einen Seite ist das Nachwirken von Bildtraditionen bis hin zu konventionellen, abgegriffenen Formeln in Rechnung zu stellen. Auf der anderen Seite tendierte die stilistische Entwicklung des Barock zu Hypertrophie, die alles ereilen konnte. Für eine solche kunstgeschichtliche Erklärung spricht auch, daß diese Tendenz gerade in der artistisch elaborierten Malerei besonders entgegentritt. Aber genau dieser Typus diente auch - oft ganz direkt als Auftragsarbeit - zur fürstlichen Repräsentation und Selbstdarstellung. In der Druckgraphik, an der hier angesetzt wurde, sind die Auftraggeber meist nicht erkennbar, doch sind diese Bildmedien weit stärker dem städtischen Bereich zuzuordnen, so daß hier vielleicht die übersteigerten Herrschaftsansprüche der Monarchen weniger zur Geltung kamen. Solche sozialen und medialen Zuordnungen, die in diesem Beitrag ausgeklammert wurden, bedürfen jedoch noch genauerer Erforschung. 65 ) Auf einer anderen Ebene könnte man von einem Gegensatz zwischen der politischen Wirklichkeit und der künstlerischen Phantasie ausgehen. Die Realität des Staatensystems, die bei seiner Entwicklung 1648 auch ins Bild gefunden hat, wurde teilweise wieder überwuchert von andersartigen Wunschvorstellungen der fürstlichen Auftraggeber und ihrer Künstler, die sich mit der politischen Realität nicht abfinden wollten und im Bild ihre politischen Träume kultivierten. Politische Kunst wäre dann nicht Abbild der Realität, sondern eher eine Gegenwelt des schönen Scheins. In der Tat haben manche
sümee von Heinz Duchhardt, Absolutismus - Abschied von einem Epochenbegriff?, in: HZ 258, 1994, 113-122. M ) Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI. Ikonographie, Ikonologie und Programmatik des „Kaiserstiles". 2 Bde. Berlin u.a. 1981. Vgl. hierzu generell die Abbildungen bei Polleroß, Amerika (wie Anm. 62). Für den freundlichen Hinweis auf diese Bildtradition danke ich Siegfried Müller (Oldenburg). 65 ) Vgl. hierzu demnächst die Dissertation von Jutta Schumann zur leopoldinischen Propaganda, vorläufig ihren Vortrag „Funktionen der Flugblätter im Komplex von Propaganda und öffentlicher Meinung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts", gehalten bei dem Arbeitsgespräch Wolfenbüttel „Das illustrierte Flugblatt 1450-1750 unter kombinierten Perspektiven mehrerer Fachgebiete", geleitet von Wolfgang Harms und Michael Schilling. Für diese Vorträge ist ein Sammelband in Vorbereitung.
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Darstellungen in dieser Zeit etwas Illusionäres, aber sie konnten doch auch programmatische Relevanz für das politische Verhalten gewinnen. Denn so etabliert, wie das manchmal erscheint, war das Staatensystem auch in der historisch-politischen Wirklichkeit nach dem Westfälischen Frieden noch nicht. Es folgte ja nicht eine Friedenszeit, sondern eine Serie europäischer Kriege, in denen neben anderen Defiziten und Unvollkommenheiten der frühmodernen Staatsbildung auch die universalistischen Altlasten und hierarchisierenden Rückfälle bis ins 18. Jahrhundert bestimmend blieben.66) Die immer noch oder neu auftrumpfende Ikonographie war zeitweise gar nicht so weit entfernt von der Realität und bestätigt im Medium des Bildes die Nachwirkung und Neuformulierung älterer Ordnungsvorstellungen. Wenn man sie nach dem kriegerischen Lernprozeß des Dreißigjährigen Krieges beiseite geräumt hatte, so blieben sie doch abrufbar im historischen Gedächtnis, und es bedurfte vieler neuer Lektionen, bis man das Resultat als ein Staatensystem auf Dauer anerkannte. Aber ein Anfang für die Anerkennung eines friedlichen Nebeneinanders mehrerer gleichberechtigter Staaten war 1648 gesetzt, nicht nur in Worten und Taten, sondern auch in den Bildern.
66) Vgl. Johannes Burkhardt, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas, erscheint in Kürze in der ZHF.
Pluralisierung als Bedrohung: Toleranz als Lösung Von
Winfried Schulze
Geben wir es ruhig zu: Wir Historiker wissen viel in Einzelheiten, wenig in großen Zusammenhängen. Was einzelne Menschen getan und gelassen haben, vermögen wir wohl aus den Quellen zu erschließen und zu beschreiben, aber Unsicherheit befällt uns, wenn wir den Lauf der großen Entwicklungen nachzeichnen müssen, wenn wir die leitenden Tendenzen eines Zeitalters bestimmen, den großen Gang der historischen Bewegung erschließen wollen. Alles, was sich über den Köpfen der Menschen vollzieht, bleibt unsicher. Diese zweiflerische Bemerkung trifft auch auf den Gegenstand zu, den ich hier behandeln möchte: die Entstehung der Toleranz im Vor- und Umfeld des Westfälischen Friedens. Ganz ohne Zweifel steht für uns fest, daß die Durchsetzung der Toleranz zu den großen Bewegungen der Aufklärung und gewiß zu den bedeutenden historischen Leistungen der Epoche der Frühen Neuzeit gehört, an deren Beginn der Kampf um das Bekenntnis steht und an deren Ende die Gleichberechtigung aller Konfessionen gefordert und auch verwirklicht wird. Gleichwohl wird jeder Historiker Schwierigkeiten haben, genau jene Gründe und Umstände anzugeben, die zum Durchbruch dieser Bewegung und zu ihrer politisch-rechtlichen Verankerung geführt haben. Waren es aufgeklärte Fürsten, die den entscheidenden Schritt taten, waren es die Freikirchen und Sektenbewegungen, die die Toleranz notwendig machten, war es eine allgemeine Tendenz der Säkularisierung oder sind vielleicht doch die herausragenden Köpfe der Humanisten und Ireniker zu nennen, die hier den Weg ebneten? Oder waren es einfach nur die Umstände, die Dialektik der Macht, die die Toleranz gewissermaßen als Nebenprodukt hervorbrachten? All diese Antworten bietet uns die ältere und neuere Forschung an, ohne daß wir uns von einer allein überzeugt geben könnten. Sicher ist, daß der alte konfessionelle Streit zwischen Katholiken und Protestanten um die Toleranz der Reformatoren und damit der reformatorischen Bewegung weit an der eigentlichen Frage vorbeiging. Daß wir im Kontext der Erinnerung an den Westfälischen Frieden auch die Entwicklung hin zur Toleranz bedenken, hat seinen Grund nicht nur darin, daß der Westfälische Friede im Toleranzartikel der „Geschichtlichen Grundbe-
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griffe" auftaucht 1 ), es hat seinen guten Grund. Dieser Friede stellt in der Geschichte der Durchsetzung der Toleranz einen wichtigen Schritt dar, der nicht unterschätzt werden darf, auch wenn er sich auf eine wenig spektakuläre Weise vollzog, die theoretisch hinter den Denkleistungen eines Jean Bodin oder eines John Locke zurückzustehen scheint. 2 ) Die Fixierung genauer Autonomierechte der Untertanen in den Territorien, die präzise Garantie des Auswanderungsrechts und das Prinzip der Parität in der Reichsverfassung durch die itio in partes und die notwendige amicabilis compositio zwischen den konfessionellen corpora des Reichstags setzten auf der Ebene des Verfassungsrechts neue Grundsätze in Kraft, die eine wesentliche materielle Grundlage für die noch schwierige Toleranz in den Herzen und Köpfen der Menschen bereitstellten. Die Frage nach der religiösen Wahrheit wich der Frage nach der Überlebensfähigkeit und Ordnung des Gemeinwesens. Darüber hinaus konsolidierten sich die Territorialstaaten des Reiches so weit, daß sie ausreichenden politischen Spielraum gewannen, in ihren Territorien Sonderregelungen für Minoritäten durchzusetzen. Aber dies wird noch genauer zu behandeln sein. Zugleich wäre es jedoch eine Fehleinschätzung des Westfälischen Friedens, allein in seinen Bestimmungen die entscheidenden Schritte zur Vorbereitung der Toleranz im Heiligen Römischen Reich zu sehen, ja es wäre schon ein begrenztes Verständnis der Frühen Neuzeit, wenn wir das Toleranzproblem allein auf die konfessionelle Problematik begrenzen würden. Der Kampf um die Toleranz als Voraussetzung zur freien Ausübung des eigenen Bekenntnisses scheint mir nur ein - freilich wichtiger - Aspekt eines viel weiter gespannten Problems der nachmittelalterlichen Epoche zu sein, das ich das Problem der Pluralisierung nennen würde. Unter Pluralisierung möchte ich hier einen für die neuere Geschichte grundlegenden Prozeß der Erweiterung, Differenzierung, Relativierung und schnellen Erneuerung von politisch-gesellschaftlichen Ordnungen, Wissen, Glauben und Normen verstehen. Dieser Prozeß schien zunächst fast immer bedrohlich und stellte die betroffenen Menschen, die Obrigkeiten, die Interpreten der Zeit vor große Schwierigkeiten. Oft genug überlagerten sich Altes und Neues, nur selten befanden sich Ideen und Gesellschaft in Übereinstimmung. Es macht unser besonderes Interesse an der Frühen Neuzeit aus, die vielfältigen Versuche nachzuzeichnen, in denen die Menschen des 16. bis 18. Jahrhunderts die Neuerungen ablehnten oder sich an die schnelle Veränderung ihrer Lebenswelt gewöhnten, zuweilen auch beide Positionen vermischten, wie sie scheinbar ausweglose Situationen gegenseitiger Blockierung überwanden und neue ') Gerhard Besier, Art. „Toleranz", in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 6. Stuttgart 1990, 495-523, hier 496. 2 ) Vgl. dazu die Quellensammlung von Hans R. Guggisberg (Hrsg.), Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte einer Forderung. Stuttgart/Bad Cannstatt 1984.
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Perspektiven der Orientierung gewannen. Wo die Pluralisierung der Konfessionen zunächst als elementare Bedrohung erschien, stellte die Gewährung oder Vereinbarung von Toleranz - mochte sie auch begrenzt sein - eine erste Stufe der Lösung dar. In diesem Sinne möchte ich den Titel dieses Beitrags verstehen: Pluralisierung als Bedrohung, Toleranz als Lösung, eine Formulierung, die auch für heutige Verhältnisse etwas bedeutet. Dieses Konzept möchte ich einem Deutungsversuch des amerikanischen Historikers William J. Bouwsma zuordnen. Bouwsma, der sich einer kulturgeschichtlichen Betrachtung im Sinne von Huizinga verpflichtet fühlt und durch Studien zu Guillaume Postel und Calvin hervorgetreten ist, untersuchte den Zeitraum zwischen dem Beginn des 14. und der Mitte des 17. Jahrhunderts unter der Perspektive der Angst: „Anxiety and the Formation of Early Modern Culture" war der Titel eines Aufsatzes. 3 ) Für ihn ergab sich eine im Spätmittelalter beginnende Periode deutlicher Belastung durch Angstvorstellungen. Dies trifft auf verschiedene soziale Schichten zu; Angst scheint eine allgegenwärtige Begleiterscheinung einer in Bewegung geratenen Gesellschaft zu sein, die ihre innere Ordnung verloren hatte und deren Weltbild, deren Normen, deren wirtschaftliche Ressourcen, deren religiöse und sittliche Bindungen zerfielen. In der „dunklen Vision der Renaissance" kulminierte diese Angst, die sich im Bild des nahenden Weltendes am deutlichsten ausdrückte. 4 ) Bouwsma läßt es nun nicht bei der Feststellung dieser Angstsymptome bewenden, er geht einen Schritt weiter, indem er nach Anzeichen einer Überwindung dieser Angst sucht. Diese Anzeichen erkennt er in einer zunehmenden Einsicht in die Realität der Welt, einer Einsicht in die wahre, nämlich eigennützige Natur des Menschen, einer Einsicht in das reale Funktionieren von Gesellschaft. Die Analyse richtet sich nicht mehr vorrangig auf eine ideale Vergangenheit, die restauriert werden muß, sie konzentriert sich vielmehr auf den tatsächlichen Zustand der Gesellschaft. „Die neue Kultur des modernen Europa", so sagt Bouwsma, „baute auf anderen Annahmen auf. Es begann mit der Einsicht, daß der Mensch selbst die Kultur aufbaut und daß sie deshalb das Produkt wechselnder Bedingungen und sich verändernder Bedürfnisse ist". Die Perspektiven seines Beitrags zielen auf die Sprache, die die „Pluralität der Welten" im philosophisch-astronomischen Sinne beschreiben kann 5 ), sie zielen auf die zunehmende Bedeutung des Prinzips wissenschaftlicher Probabilität. Sie zielen aber auch auf die Ordnung der Gesellschaft durch mensch3
) William J. Bouwsma, Anxiety and the Formation of Early Modern Culture, in: Barbara C. Malament (Ed.), After the Reformation. Essays in Honour of J.H. Hexter. Philadelphia 1980, 215-246. 4 ) Robert S. Kirtsman (Ed.), The Darker Vision of the Renaissance: Beyond the Fields of Reason. Berkeley/Los Angeles 1974. 5 ) Dazu speziell Karl S. Guthke, Der Mythos der Neuzeit. Das Thema der Mehrheit der Welten in der Literatur und Geistesgeschichte von der Kopernikanischen Wende bis zur Science Fiction. Bern/München 1983.
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liehe Bedürfnisse, durch Kompromisse, die Regelung des Staatensystems durch das Prinzip der Balance. Damit entwickelte sich eine Kultur - so wieder Bouwsma die die „Angst reduzieren" konnte, weil die quantitativen und relativistischen Prinzipien eine Art von Kontrolle über die Zeit bereitstellten. Die Begrenzung des möglichen Chaos durch rechtliche Mittel, durch zunehmende Vorsorge, durch Versicherungen, all dies schuf die Möglichkeit einer neuen Sicht auf die Zukunft, die bislang keine Kategorie des gesellschaftlichen Denkens gewesen war. Dieses Konzept der Pluralisierung hat auch den Vorteil, eine Perspektive auf die Reformation zu eröffnen, die sich deutlich von jener tragischen Deutung von der „Spaltung der Nation" unterscheidet, mit der uns Leopold Ranke letztlich belastet hat.6) Theodor Schieder war es, der schon 1952 in der Reformation nicht nur den Grund einer verhängnisvollen „Vielzahl von Kirchenbildungen und Bekenntnissen", sondern einen „der mächtigsten Antriebe der neueren Geschichte weit über ihr ursprüngliches religiöses Anliegen hinaus" sehen wollte.7) Spaltung bedeute Differenzierung, polare Spannung, schöpferisches Leben, und dies sei ein Stück jener großen Idee der europäischen Freiheit. Entschließen wir uns zu einer solchen Perspektive, die uns zugleich zu einem zentralen Problem der Moderne führt: der Anerkennung fortwährender Veränderung. Mit der Frage nach der Toleranz im letztlich doch aufklärerischen Verständnis nähern wir uns dem konfessionellen Zeitalter unter einer gleichsam anachronistischen Fragestellung. Der Begriff hat in den Schriften der Kirchenväter seine erste Ausprägung erfahren, die noch die Erfahrungen der Christenverfolgung einbezog: Er ist eine Hervorbringung altchristlicher Latinität, wie Klaus Schreiner formuliert hat.8) Augustinus gilt als bedeutendster Vertreter einer grundlegenden Toleranz als Voraussetzung jedes gemeinschaftlichen Lebens, auch gegenüber Häretikern. Doch dieses Gebot zur Wahrung des Friedens ließ sich gegenüber den häretischen Donatisten nicht aufrechterhalten, und so wird der staatlichen Gewalt die Pflicht zur correctio der Häretiker zugesprochen. Gleichwohl gründet sich auf die Augustinische Idee der Caritas bis hin zum Vorabend der Reformation die Grundidee einer pluralitas der Bekenntnisse, die freilich in der Rückschau nur als Nebenweg der Entwicklung erscheinen kann. Zu denken wäre hier vor allem an Nikolaus von Cues (14011464), dessen Einsicht in die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis und die 6
) Dazu die Deutung bei Heinrich Lutz, Die deutsche Nation zu Beginn der Neuzeit. Fragen nach dem Gelingen und Scheitern deutscher Einheit im 16. Jahrhundert, in: HZ 234, 1982, 529-559. 7 ) Theodor Schieder, Kirchenspaltungen und Kirchenunionspläne und ihre Rückwirkungen auf die politische Geschichte Europas, in: GWU 3, 1952, 591-605, hier 599. 8 ) Klaus Schreiner, Art. „Toleranz", in: Geschichtliche Grundbegriffe (wie Anm. 1), 4 4 5 494, hier 450.
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Zeitgebundenheit der Religion wichtige Denkleistungen der Aufklärung antizipierte, ohne daß bei ihm das Wort „Toleranz" zu finden wäre. Die Mehrheit orientierte sich eher an der von Thomas von Aquin beschrittenen Richtung, der die Frage, „ob Ketzer zu dulden seien", verneinte und damit den Diskurs auch der Reformationszeit bestimmte, auch durch die Einräumung einer begrenzten Duldung, wenn damit ein schlimmeres Übel verhindert werde. Es ist charakteristisch, wenn Hugo Grotius 1641 Augustinus nachträglich seine spätere Wendung zugunsten einer Verfolgung der Ketzer vorwerfen sollte: hier trafen sich noch einmal die grundlegenden Strategien. Luther machte es ja überdeutlich, wenn er sagte, daß er keine Ursache sehe, die „gegen Gott die tollerantz möchte entschuldigen", und es macht keine Mühe, einige Zitate zusammenzutragen, in denen von Toleranz eher verächtlich gesprochen wird.9) Besonders fällt hier jene „apologie d'intolérance ... catégorique" auf, die Calvin 1554 nach der Hinrichtung Servets als Rechtfertigung veröffentlichte.10) Beim ersten Herangehen an unsere Frage kann man freilich durchaus Zweifel äußern, ob der Westfälische Friede eine durchgreifende Stärkung des Gedankens religiöser Toleranz bewirkt habe. Man braucht nur in die Reichsstädte des frühen 18. Jahrhunderts zu sehen, in denen eine religiös wachsame Geistlichkeit die Versuche der Stadtpolitiker hintertrieb, den Toleranzgedanken zu stärken. Als die Hamburger Geistlichen es 1717 schafften, ein versöhnlich gestimmtes Gebet des Senats zum Reformationsjubiläum zu verhindern, hielten sie das für einen wichtigen und notwendigen Sieg: „Gott sei gelobt für diesen Sieg, den reverendum ministerium erfochten hat wider die Launigkeit in der Religion und wider das Papstthum, und ist solches um der Posterität hierhergesetzt, auch im Hinblick auf die Calvinisten". " ) Das erinnerte fatal an den Glückwunsch Melanchthons an Calvin, als dieser 1553 Michel Servet als Ketzer hatte verbrennen lassen: dies sei ein „frommes und erinnerungswürdiges Exempel für alle Nachkommen".12) Auch das abschreckende Beispiel der Vertreibung der Salzburger Protestanten von 1731/2 ist hinlänglich bekannt. Für die Reichsstadt Augsburg, in der schon Wilhelm Heinrich Riehl die getrennten protestantischen und katholischen Schweineställe aufgefallen wa-
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) Martin Luther, Weimarer Ausgabe [WA]. Briefe. Bd. 9, 438f. Weitere Beispiele sind: Luther an die Fürsten Johann und Georg von Anhalt, 12.6.1541: ebd. Nr. 3629, 441; „De sarcienda concordia" (1533): ebd. Bd. 38, 276; „De servo arbitrio" (1525): ebd. Bd. 18, 626. 10 ) Jean Calvin, Defensio orthodoxae fidei de sacra trinitate, contra predigosos errores Michaelis Serveti Hispani (1554), in: Corpus reformatorum. Bd. 36. Braunschweig 1870,478. ") Joachim Whaley, Religious Toleration and Social Change in Hamburg 1529-1819. Cambridge u.a. 1985, 216. 12 ) Melanchthon an Calvin, 14.10.1554, in: Corpus reformatorum. Bd. 8. Halle 1841, Nr. 5675, 362 f.
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ren13), hat Etienne François gar davon gesprochen, daß Katholiken und Protestanten „forment bien deux peuples", die ein unüberbrückbarer, ja immer tiefer werdender Graben trennte - bis hin zur Tracht der Frauen, so daß ein Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden der Anteil der katholisch-protestantischen Hochzeiten unter einem Prozent lag. Ein Besucher der Stadt im 18. Jahrhundert meinte gar, daß man sich eher als Heide, Jude oder Türke denn als Katholik oder Protestant ausgeben müsse, um in der Stadt mit allen Gesellschaft zu pflegen.14) Und in Straßburg wollte man - so hat uns Bernard Vogler gezeigt - sein Testament zu 90% natürlich bei einem Notar der eigenen Konfession machen.15) So scheint es zunächst einen Widerspruch zu geben zwischen einer jubiläumsfreudigen gleichsam „Münsteraner" Deutung des Westfälischen Friedens und einem oft enttäuschenden Blick in die Praxis des konfessionellen Nebenund oft genug Gegeneinanders noch im 18. Jahrhundert, wo gerade die Aufklärungsbewegung ihr Hauptziel im Kampf gegen religiösen Dogmatismus sah. Es macht den Reiz meines Themas aus, diesen scheinbaren Widerspruch aufzuklären. Ich will das Thema Toleranz nicht als eine leuchtende Erfolgsgeschichte präsentieren, an deren Ende die Aufklärer des 18. Jahrhunderts überlegen lächelnd auf die konfessionellen Eiferer - die Zeloten - des 16. und 17. Jahrhunderts herunterschauen. Wir erleben zu oft noch im 20. Jahrhundert Konflikte, die mit der gleichen Schärfe, Unduldsamkeit und Grausamkeit geführt werden, die uns aus dem 16. und 17. Jahrhundert vertraut sind, als daß wir uns dies anmaßen dürften. Jede Form der historischen Besserwisserei würde einem Verstehen- und Erklärenwollen entgegenstehen. Meine Themenstellung legt es nahe, die Untersuchung auf das Problem der religiösen Toleranz zuzuspitzen, obwohl damit längst nicht alle Bereiche benannt sind, in denen es der Entwicklung von Toleranz bedurfte. Die europäische Entwicklung hat es so gefügt, daß wir den Toleranzbegriff lange Zeit in seiner konfessionellen Variante gesehen und darüber die Ausdehnbarkeit des Begriffs auf andere Formen des Dissenses und der Alterität beinahe übersehen haben. Auch diese Einsicht legt es nahe, das Toleranzproblem in ein weiteres Umfeld einzuordnen, das die Situation der menschlichen Erfahrungen und die Bereitschaft zur Aufnahme des Neuen, des Unvertrauten, des Anderen mit in die Untersuchung einbezieht. Ich will mich dem Thema auf eine zunächst eher ungewohnte Weise nähern. 13
) Zit. nach Ingrid Bâtori, Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert. Verfassung, Finanzen und Reformversuche. Göttingen 1969, 27 f. 14 ) Etienne François, De l'uniformité à la tolérance: confession et société urbaine en Allemagne, 1650-1800, in: Annales 37, 1982, 783-800, hier 788. 15 ) Bernard Vogler, Le testament alsacien au XVIIIe siècle: un programme de recherche en cours, in: RHMC 1979, 439^447.
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Im Jahre 1567 erschien in Straßburg die deutsche Übersetzung eines ursprünglich lateinischen Werks über die Geschichte der skandinavischen Völker. Es trug den zeitüblich komplizierten Titel: „Beschreibung allerley Gelegenheyte/ Sitten/ Gebräuchen und Gewonheiten/ der Mitnächtigen Völcker in Sueden // Ost und Westgothen/ Norwegen unnd andern gegen dem eussersten Meer daselbst hinein weiter gelegenen Landen". Dieses Buch war die deutsche Übersetzung eines von dem schwedischen Bischof Olaus Magnus verfaßten Werks, das den Mitteleuropäern zum ersten Mal einigermaßen sichere Nachrichten von den Lebensbedingungen und Sitten, der Tierwelt und der Geschichte der nordeuropäischen Völker vermittelte. Geschrieben in der Absicht, der Marginalisierung Nordeuropas durch den italienischen Humanismus entgegenzuwirken, prägte das Werk die europäischen Kenntnisse über Nordeuropa bis weit in das 17. Jahrhundert hinein.16) Doch es geht hier nicht um den reichen Inhalt des Buches. Erstaunen erregt zunächst einmal die Vorrede des Übersetzers, eines Pfarrers mit Namen Israel Achatius aus Weissenburg. Man könnte meinen, er würde den Leser erst einmal mit den Vorzügen des Buches vertraut machen, das neue Informationen über bislang so gut wie unbekannte Regionen Europas anbot. Dem Pfarrer war jedoch etwas anderes viel wichtiger: Er machte den Leser erst einmal mit den verschiedenen Theorien der Erschaffung der Welt vertraut. Er verwarf natürlich die atomistisch-heidnischen Theorien der Antike ebenso wie die Auffassung, die Welt habe weder Anfang noch Ende oder es gebe unendlich viele Welten: „Aber also muß es gehen, wenn man solche hohe geheymnuß/ mit menschlicher vernunffte messen/ und das wort Gottes ... nit haben und hören will". Er bestätigte letztendlich die lenkende Hand Gottes bei der Erschaffung der Welt. Solche Überzeugung tue auch not, so argumentierte er, wenn man die ungeheure Verschiedenheit der Menschen, der Orte, der natürlichen Lebensbedingungen, der Luft, des Wassers, der Tiere, aber auch der Ordnungen, Gesetze, der Kleidung und Sitten betrachte: „selzam verenderung" müsse der erste Eindruck von dieser verschiedenartigen Welt sein. Diese so unterschiedliche Welt, so versicherte Achatius, sei von Gott gemacht, sie müsse in ihrer verwirrenden, aber gottgewollten Unterschiedlichkeit hingenommen werden. Was der protestantische Pfarrer hier zu erklären suchte, war letztlich die „vicissitude ou variété des choses en l'univers", wie der Titel einer bekannten französischen Schrift aus derselben Zeit (1579) lautet.17) Die hier thematisierte „selzam verenderung" oder „vicissitude des choses" bereitete den Zeitgenossen offensichtlich große mentale Schwierigkeiten, 16 ) Es gab übrigens zwei parallele Übersetzungen - eine, die in Straßburg, eine andere, die in Basel erschien. Zu den historischen Arbeiten von Olaus und Johannes Magnus vgl. Knut Johannesson, The Renaissance of the Goths in Sixteenth-Century Sweden. Johannes and Olaus Magnus as Politicians and Historians. Berkeley/Los Angeles/Oxford 1991. 17 ) Loys LeRoy, De la vicissitude ou variété des choses en l'univers. Paris 1579.
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angesichts derer der Pfarrer zu beruhigen suchte. Angstgefühle vielfacher Art überlagerten sich und verstärkten sich gegenseitig; nicht zuletzt die Angst vor dem immer wieder heraufbeschworenen Ende der Welt war ein fruchtbarer Nährboden für Unduldsamkeit gegenüber jenen, die vom rechten Weg des Glaubens abzuweichen schienen. Mir scheint die hier geäußerte Wahrnehmung einer sich differenzierenden Welt ein Symbol für die Problemlage des 16. und 17. Jahrhunderts zu sein. Beobachtungen dieser Art erlauben zunächst einmal einen einfachen Schluß: Das 16. Jahrhundert hatte eine ungeheure Erweiterung des menschlichen Gesichtskreises gebracht, neue Erdteile waren ebenso entdeckt worden wie neue Sternenwelten, fremde Lebewesen hatte man wahrgenommen, deren Einordnung in die menschliche Rasse Schwierigkeiten bereitete, eine enorme Differenzierung des Wissens begann sich durchzusetzen, die „Pluralität der Welten" wurde zum Problem wissenschaftlicher Diskussion.18) Sebastian Franck trug den neuen Kenntnissen schon 1534 in seinem „Weltbuch" Rechnung, das den verwirrenden Untertitel trug: „Spiegel und bildtnis des gantzen erdbodens ... in vier bücher nemlich Asiam, Aphricam, Europam und Americam gesteh und abteylt, auch aller darinn begriffener länder, nation ... gelegenheit, ... gewächs ... und darinn gelegener völcker gestalt, leben, wesen, religion, glaiben, ceremonien, gsatz, regiment, sitten, brauch, frucht, thier, kleydung und Veränderung, eigentlich für äugen gesteh. Auch etwas von newgefundenen weiten und inseln".19) Der Goldschmied Wolfgang Vincentz fragte sich 1564 (?) in seiner Autobiographie, „ob die Erfindung dieser seltsamen Länder als eine göttliche Ermahnung und Aufforderung anzusehen wäre, einander auf den jüngsten Tag vorzubereiten"? In der politischen Sprache des 16. Jahrhunderts liest sich diese Grundeinsicht ganz anders und viel bedrohlicher: „Gott sei uns gnädig! Ich sorg, es sei eine große mutation vor äugen, sunderlich der höchsten heupter", schrieb der hessische Rat Gereon Sailer nach Unterredungen mit dem bayerischen Kanzler Eck im September 1546 an seinen Herrn, den Landgrafen Philipp von Hessen, und er befürchtete, „der herr hat vor ein großen enderung unter den hohen potentaten zu machen".20) Doch auch die Relativierung der einen Wahrheit zu vielen Wahrheiten fand die Aufmerksamkeit zeitgenössischer Beobachter: „In nichts zeigt die Welt eine solche Vielgestaltigkeit wie in Sitten und Gesetzen: es gibt Dinge, die hier als verabscheuenswert gelten und anderswo als empfehlenswert, wie in Sparta die Gewandtheit zum Stehlen; bei uns sind Ehen unter nahen Verwand18
) Vgl. Guthke, Mythos (wie Anm. 5). ) Sebastian Franck, Weltbuch. Spiegel und bildtniß des gantzen erdtbodens. Tübingen 1534. 20 ) Zit. nach Max Lenz (Hrsg.), Briefwechsel Landgraf Philipp's des Großmütigen von Hessen mit Bucer. 3 Bde. Leipzig 1880-1891, hier Bd. 3, 336. 19
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ten streng verboten, in anderen Ländern bringen sie Ansehen". So urteilte Michel de Montaigne, und seinem Landsmann Pascal sollte wenig später auffallen: „Diesseits der Pyrenäen Wahrheit, jenseits Irrtum".21) Leicht ließe sich diese Beobachtung auf das konfessionell gespaltene Reich übertragen. Diese hier angesprochene Wahrnehmung der „Veränderung" und „Pluralisierung" der Erfahrung war zunächst einmal Aufgabe der Wissenschaft, die tradierte Lehrmeinungen zu korrigieren hatte - was schwierig genug war, wie wir aus den Erfahrungen der Kopernikus, Kepler, Bruno und Galilei wissen. Die Veränderungen trafen aber auch die einfachen Menschen, für die die neue Welt zumindest unverständlich, zuweilen auch eine Bedrohung war. Es ist dies die Voraussetzung für eine Stufe der Wahrnehmung des Fremden und Neuen in Europa zu Beginn der Frühen Neuzeit, die über die bislang tradierten Praktiken der Wahrnehmung fremder Völker hinausreichte, zumal die Neuigkeiten jetzt durch den Buchdruck breiteren Schichten zugänglich gemacht werden konnten. Das Dilemma des 16. Jahrhunderts aber besteht darin, daß es nicht nur die Erfahrungen neuer Welten und fremder Lebewesen, neuen Wissens und schneller Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft waren, die die Menschen bedrohten, sondern daß auch die Erfahrung des fundamentalen Dissenses über das Bekenntnis zu Gott zu verkraften war. Anders als in der Ketzerproblematik des späten Mittelalters, als die Anwendung des Ketzerrechts gerade die Gültigkeit der tradierten Ordnung bestätigte, lief das Ketzerrecht nun ins Leere, ja es mußte im Religionsfrieden von 1555 sogar dezidiert außer Kraft gesetzt werden.22) Damit nähern wir uns dem eigentlichen Thema. Wenn das Problem der Toleranz in der deutschen Geschichte des 16. Jahrhunderts zum Thema gemacht wird, so werden gemeinhin eine Reihe von Einzelfragen angesprochen, um das Thema näher zu bestimmen. Zum einen wird die prinzipielle religiöse Intoleranz der konfessionellen Parteiungen und ihrer Wortführer betont, zweitens wird die besondere Wirkung der humanistisch-erasmianischen Friedenskonzeption erforscht und gewürdigt, drittens wird auf Ausnahmeerscheinungen wie Sebastian Franck oder Sebastian Castellio verwiesen, viertens wird im System der konfessionellen „Friedstände" und des Augsburger Religionsfriedens nach Ansätzen der Toleranz gesucht, fünftens werden ökonomische Motive territorialer Konfessionspolitik analysiert, etwa wenn katholische Landesfürsten noch im späten 16. Jahrhundert Täufer als unverzichtbare Leistungsträger in der Wirtschaft und in der Verwaltung ihrer Territorien duldeten. Sechstens erfolgt der Hinweis auf eine neue „politische" Begründung der Toleranz, wobei das Adjektiv „politisch" hier als ein Derivat der französischen 21
) Michel de Montaigne, Les Essais. Vol. 2. Cap. 12, 228, und Blaise Pascal, Gedanken. Hrsg. v. Ewald Wasmuth. Stuttgart 1991, Nr. 294,47. 22 ) So die Interpretation von Martin Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter. Göttingen 1983, hier 49.
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„politiques" zu verstehen ist, jener Gruppe von Juristen, die um der Erhaltung der französischen Monarchie willen bereit waren, die Duldung der „religion prétendue réformée" hinzunehmen. Michel de l'Hôpital hatte 1561 bekanntlich die Generalstände ermahnt, der König wünsche nicht, daß sie sich über die bessere Auffassung stritten, denn es handele sich hier nicht de constituenda religione, sed de constituenda republica.23) Und siebtens schließlich ist es die erzwungene Praxis des konfessionellen Zusammenlebens in einigen Reichsstädten und Territorien, die gerade in den letzten Jahren das Interesse der Historiker gefunden hat. Hier sprachen die Reichsjuristen in Speyer übrigens vom tolerare duas religiones. Diese sieben Punkte dokumentieren auch die „fortschreitende Vervielfachung der Argumente, wobei sich die Schwerpunkte allmählich aus dem religiös-theologischen Bereich in die Sphäre säkularisierter Gedanken und Beweisführung verschieben", wie dies Hans R. Guggisberg zuletzt beobachtet hat, der verstorbene Basler Kollege, der ein gut Teil seines Werkes dem Toleranzproblem im konfessionellen Zeitalter gewidmet hat. 24 ) Wenn wir den Toleranzbegriff in seiner aufklärerischen Definition, die für seine Verwendung bestimmend geworden ist, auf das 16. Jahrhundert anwenden, so wird einem solchen Verfahren oft genug der Vorwurf eines Begriffsanachronismus gemacht und damit unterstellt, das 16. Jahrhundert habe noch keinen Begriff von Toleranz gekannt. Deshalb soll zunächst der Toleranzbegriff des 16. Jahrhunderts bestimmt werden, der natürlich eng mit der Situation der Zeit und der ihr noch neuen Konfrontation differierender Bekenntnisse verbunden ist. Er scheint zum erstenmal von Martin Luther selbst verwendet worden zu sein, der in seiner Reaktion auf das Bemühen des Regensburger Reichstags von 1541 um eine theologische Einheit von Katholiken und Protestanten die deutsche Version von tolerantia gebrauchte. Nach einem durchaus hoffnungsvollen Beginn der theologischen Vergleichsverhandlungen ging es darum, ob die verbleibenden Differenzen durch eine reichsrechtlich garantierte, befristete Duldung der abweichenden Positionen beigelegt werden könnten. Martin Luther reagierte in einem Brief vom 12. Juni auf diesen Diskussionsstand und meinte, eine solche „tollerantz" könne nichts taugen, weil sie die Duldung eines wissentlichen Irrtums bedeute: „Ich kan auch nit bedenken, daß einiche ursach vorhanden sey, die gegen got die tollerantz möchte entschuldigen. Die Kinder mögen schmutzig sein, aber das Bad muß zumindest rein und nicht verunreiniget sein".25) 23
) Seong-Hak Kim, Michel De L'Hôpital: The Political Vision of a Reformist Chancellor, 1560-1568. Minneapolis, Minn. 1991. 24 ) Vgl. zuletzt seinen Beitrag: Hans R. Guggisberg, Sebastian Castellio and the German Reformation, in: ders. (Hrsg.), Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten. Gütersloh 1993, 325-343. 25 ) Luther, WA (wie Anm. 9), Briefe. Bd. 9, 438 f., 441 f.
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Das Ziel der Regensburger Verhandlungen war bekanntlich die concordia der Konfessionen. Damit ist ein Begriff erwähnt, der wie kein anderer das Grundproblem des 16. Jahrhunderts widerspiegelt, das die elementare Eintracht verloren hatte und mit der realen Zwietracht konfrontiert war, ohne dafür schon die notwendigen politischen und mentalen Instrumente zu besitzen. Dabei ist der Zusammenhang zwischen concordia/discordia und Toleranz so zu sehen, daß es der Akzeptierung der Zwietracht bedurfte, um zur Toleranz fähig zu sein. Bei weiterhin geltendem concordia-Gebot im traditionellen Sinn war Toleranz nicht denkbar. Es ist nun das Ergebnis schon der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, daß der concordia-Begriff gespalten wurde. Wieder ist hier Martin Luther anzuführen, der in seiner Reaktion auf die Friedensschrift des Erasmus von Rotterdam „De sarcienda ecclesiae concordia deque sedandis opinionum dissidiis", die 1534 von Capito mit „Von der Kirchen lieblicher verainigung" übersetzt worden war, eine Zweiteilung der concordia vorgenommen hatte. Er unterschied eine concordia fidei von der concordia caritatis. Letztere sei auch das Ziel seiner Bemühungen, doch beziehe sie sich nur auf den politischen Umgang der Konfessionen miteinander. Entscheidend aber sei die Frage des Glaubens, denn man könne nicht mit verschleiernden Worten von den zentralen Widersprüchen ablenken. Die concordia caritatis sei eigentlich unerträglich für das Gewissen und die Wahrheit des Glaubens. 26 ) Diese Differenzierung Luthers war gewissermaßen programmatisch für die Verurteilung eines politischen Friedens in dem schwebenden konfessionellen Konflikt. Martin Bucers Äußerungen aus dem Jahre 1545 über einen „satten Frieden", d.h. einen Frieden auch in Fragen der Lehre, bzw. einen „glesernen", ungöttlichen und bloß „äußeren" Frieden, der nur auf einen politischen Kompromiß ziele 27 ), belegen die mangelnde Bereitschaft auf seiten der Reformatoren zu einem politischen Frieden. Trotz dieser Haltung war es gerade im politischen Bereich die wachsende Neigung zu einer Trennung von „vergleichung der religion" und „friedstand in der religion", die schon in den zwei Jahrzehnten vor 1555 die Bemühungen vor allem der konfessionsneutralen Stände prägte, die sich mit dieser Politik letztlich auch durchsetzten. 28 ) Damit - das heißt mit dieser Aufspaltung des concordia-Beghffs - war eine wichtige Voraussetzung für eine Haltung erreicht, die wir als die prinzipielle Bereitschaft zur Toleranz bezeichnen können. Die Legitimierung der Zwietracht als 26
) Luther hat dies in seiner Vorrede zu Antoninus Corvinus, Quatenus expediat aeditam recens Erasmi de sarcienda ecclesiae concordia rationem sequi. Wittemberg 1534, formuliert: Luther, WA (wie Anm. 9), Bd. 38, 276-279. 27 ) Die Äußerungen Bucers in Lenz, Briefwechsel (wie Anm. 20), Bd. 2, 186 und 372 f. 28 ) Diese Politik der konfessionsneutralen Stände ist in der umfangreichen Arbeit von Albrecht P. Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede. Konzeptionen und Wege konfessionsneutraler Reichspolitik (1530-1552) (Kurpfalz, Jülich, Kurbrandenburg). Göttingen 1982, vorzüglich und weiterführend belegt worden.
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politische Lebensform ermöglichte erst die Toleranz. Insofern kommt dem Augsburger Religionsfrieden als dem Vertragswerk, das die konfessionelle Zwietracht reichsrechtlich verankerte, besondere Bedeutung für die Entwicklung des Toleranzdenkens zu. Die Einzelheiten dieses Friedens sind bekannt und brauchen hier nicht wiederholt zu werden. Wichtiger Grundzug ist zunächst - bei bemerkenswerten Ausnahmen - die Tendenz zur Territorialisierung der Konfession, so wie dies schon im Abschied des Speyerer Reichstags von 1526 als Lösungsmöglichkeit angedeutet worden war und wie es zu Beginn des 17. Jahrhunderts in dem Satz Cuius regio, eius religio umschrieben wurde.29) Sein zweites Charakteristikum liegt in seiner durchgehenden Verrechtlichung des Konfessionsproblems, was die Religion dem Rechtsgebot unterwarf, auch wenn der Konflikt zuweilen zu rechtlichen Pattsituationen führte. Der Augsburger Religionsfrieden scheint in seinen konkreten Bestimmungen eigentlich keinen Ansatzpunkt für Toleranzdenken zu bieten, da ja bekanntlich ein Vorstoß protestantischer Fürsten auf völlige Freigabe der Konfession der Untertanen beider Religionsparteien von der katholischen Mehrheit strikt abgelehnt worden war und die declaratio Ferdinandea schnell in Vergessenheit geriet.30) Als Ausgleich für dieses Festhalten am Territorialprinzip ist dann bekanntlich das jus emigrationis verankert worden.31) Neben der eben schon erwähnten prinzipiellen Bedeutung des Religionsfriedens als Sanktionierung der Zwietracht als neuer politischer Lebensform scheint dieses Abzugsrecht der Untertanen für unseren Zusammenhang von besonderem Interesse zu sein. Es ist wohl richtig, daß die katholische Mehrheit des Fürstenrats, die diesem Ausweg schließlich zustimmte, nicht von Toleranzüberlegungen geleitet wurde. Sie fürchtete vielmehr einen Zustand der Territorien, „so man einen acker mit vermengter saat wolle besamen", die Unordnung also. „Wo im Land getrennte Religionen sind, da habe man getrennten Frieden" und „können Spaltungen und Friede als widerspenstige Dinge in Ruhe und Frieden nicht beisammen hausen".32) Dies ist der Hintergrund der Einräumung des Abzugsrechtes im Religionsfrieden. Trotz dieser dominierenden Tendenz zu einer bloß funktionalen, d.h. nur auf Ruhe und Ordnung bezogenen Argumentation der Stände, muß das jus emigrandi letztlich doch so gewürdigt werden, wie dies zuletzt Martin Heckel 29
) Vgl. die neuere Bewertung des Augsburger Religionsfriedens bei Heckel, Konfessionelles Zeitalter (wie Anm. 22), 45 ff. 30) Nachweise bei Nikolaus Paulus, Religionsfreiheit und Augsburger Religionsfriede, in: Heinrich Lutz (Hrsg.), Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit. Darmstadt 1977, 17—41, hier bes. 30 ff. 31 ) Text des Augsburger Religionsfriedens nach Ernst Walder (Hrsg.), Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts. Bd. 1. 2. Aufl. Bern 1960, 41-71; die hier interessierende Bestimmung über das jus emigrationis 51 f. 32 ) Zit. nach Paulus, Religionsfreiheit (wie Anm. 30), 30.
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getan hat, damit ältere Interpretationen korrigierend. Er hat auf die Bedeutung des beneficium emigrandi verwiesen, das im Text des Friedens als Auswanderungsrecht der Untertanen „unter Garantie ihres Eigentums und eines Ablösungsrechts der Leibeigenschaft" fixiert wurde. Heckel hat dies - bei aller realen Begrenztheit dieses beneficiums - als „das erste allgemeine Grundrecht, das das Reich durch das geschriebene Verfassungsrecht jedem Deutschen garantierte", gewertet33) - eine ohne jeden Zweifel starke Wertung, die jeden, der die Reichskammergerichtsprozesse des späten 16. Jahrhunderts um dieses vermeintliche Grundrecht kennt, zumindest überraschen wird. Gleichwohl läßt sich hier am ehesten jene elementare Dialektik aufzeigen, die die deutschen Angelegenheiten im 16. Jahrhundert prägte: Wenn man die eigenen Untertanen im fremden Gebiet schützen wollte, mußte man sich auf dieses Prinzip einlassen, auch wenn man eigentlich strikt dagegen war. Fritz Dickmann, dem wir das große Buch über den Westfälischen Frieden verdanken34), hat deshalb davon gesprochen, daß der Gedanke der Verpflichtung des Staates zur Toleranz nicht aus der Toleranzidee selber entstand, sondern aus der „Rivalität der beiden großen Konfessionen".35) Für unseren Zusammenhang scheint mir wichtig zu sein, daß im Kontext der Auseinandersetzungen um den Augsburger Religionsfrieden auch im Reich Argumentationen entwickelt wurden, die mir durchaus jenem Prozeß vergleichbar erscheinen, der von Reinhart Koselleck für den westeuropäischen Absolutismus beobachtet wurde. Gemeint ist jene charakteristische Trennung zwischen dem gehorsamen politischen Untertanen, der die Gesetze befolgt und seine Steuern zahlt, und dem religiösen Subjekt, das so der dissentierenden Meinung fähig wird und sich einen staatsfreien, „privaten" Innenraum schaffen kann. Es war dies bekanntlich eine entwicklungsfähige Lösung der konfessionellen Konflikte, die Europa zwei Generationen lang erschüttert hatten.36) Im Gegensatz zu der theoretischen Lösung, wie sie von Koselleck am Beispiel von James Barclay und Thomas Hobbes analysiert wurde, bietet die Konfessionsgeschichte des Reiches genügend Möglichkeiten, um diesen Vorgang der .Aufspaltung des Menschen" in der historischen Praxis zu beobachten. Ausgehend von der Interpretation des Augsburger Religionsfriedens, die im jus emigrationis ein beneficium sah, das in das Belieben der Untertanen und nicht der Obrigkeiten gestellt war, beharrten die protestantischen Reichsstände auf der Auffassung, daß - falls protestantische Untertanen „sich son33
) Heckel, Konfessionelles Zeitalter (wie Anm. 22), 47 f. ) Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992. 35 ) Ders., Das Problem der Gleichberechtigung der Konfessionen im Reich im 16. und 17. Jahrhundert, in: Lutz (Hrsg.), Toleranz (wie Anm. 30), 203-251, hier 248. 36 ) Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Frankfurt am Main 1973,18ff. 34
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sten aller schuldigen Gebühr in politischen Sachen gegen ihrer ordentlichen Obrigkeit verhalten" - man ihnen die Möglichkeit des Bleibens geben und auf die Ausweisung verzichten müsse, die ansonsten als legitime Kehrseite des jus emigrandi betrachtet wurde. In einer Supplikation der protestantischen Minderheit der katholisch gebliebenen Reichsstadt Köln läßt sich die von Koselleck angenommene Aufspaltung vorzüglich belegen, wenn diese Bürger „ihre häuslichen Beykünffte" - die man ihnen als verbotene Versammlungen „zu empörung und aufhebung politischer Ordnung" vorgeworfen hatte - als lediglich private Kultusausübung bezeichneten. Diese Bürger baten 1567 flehentlich um einen festen Ort zur Ausübung ihrer Religion und versprachen dafür der städtischen Obrigkeit, wie bisher allen Gehorsam leisten zu wollen, ja sie schworen sogar, „zu keiner auffruhr und Veränderung politischer Ordnung gesinnet" zu sein.37) Dieses Argument wurde auch in die Interzessionsschriften einiger protestantischer Fürsten an den Erzbischof von Köln aufgenommen und damit politisch genutzt. Am Reichskammergericht dienten die Kölner Konflikte als Anlaß für ein vertieftes Nachdenken über die Möglichkeiten, den Aporien von 1555 zu entkommen. Der RKG-Assessor Dr. Sigismund Buchner entwickelte im November 1588 im Rückgriff auf die generelle Friedensregel des Augsburger Religionsfriedens den Gedanken einer Verpflichtung der Obrigkeit zur Gewährung der libertas conscientiae, da die Kölner Bürger nicht die öffentliche Ausübung oder gar die Einrichtung ihrer Konfession für sich in Anspruch nähmen, sed solummodo pro sua persona libertatem conscientiarum ... petant. Eine Verweigerung dieser libertas - oder sollte ich doch schon Grundrecht sagen? stelle ein schweres Unglück für diese Bürger da. Dessen Vermeidung sei um so wichtiger, als ein Stand ohne seine Untertanen gar nichts bedeute, quia subditi sunt nervi et membra statuum,38) Hier zeigt sich zunächst eine interessante Eigendynamik rechtlichen Argumentierens: Zunächst sucht man nach einem übergeordneten Prinzip, das als Grundprinzip des Friedenswerkes gesehen werden kann, dann wird der kontroverse Fall in das Licht dieses Axioms gestellt, so daß schließlich eine rechtliche Deutung herauskommt, die durchaus einer Einzelbestimmung des Religionsfriedens widersprechen kann. Außerdem zeigt sich hier erneut, daß der Austrag politischen Dissenses unter dem Verrechtlichungsdruck des späten 16. Jahrhunderts im Reich eine politisch gehaltvolle Debatte über politische Normen eröffnete, die den Vergleich mit der westeuropäischen Politikdiskussion nicht zu scheuen braucht. 37
) Die hier benutzten Quellen sind gedruckt bei Christoph Lehmann, De pace religionis acta publica et originalia. Das ist ... Reichs=Handlungen ... Frankfurt am Main 1707, 130 und 195 ff. Diese Quellen sind jetzt aufgearbeitet in der Bochumer Dissertation von Bernhard Ruthmann, Die Religionsprozesse am Reichskammergericht (1555-1648). Köln/ Weimar/Wien 1996. 38 ) Zit. nach Ruthmann, Religionsprozesse (wie Anm. 37), 224 f.
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Ein eindrucksvolles Zeugnis der hier sichtbar werdenden Fähigkeit zur Trennung zwischen dem schuldigen politischen Gehorsam des Bürgers und seiner Berechtigung zum privaten Bekenntnis liefert uns die Erklärung des Augsburger Stadtbaumeisters Elias Holl, der 1631, als ein Mandat des katholischen Rats seiner Heimatstadt den Besuch katholischer Predigten forderte, seinen Ungehorsam diesem Mandat gegenüber ankündigte. Zwar erkenne er sich schuldig, seiner Obrigkeit wie bisher gehorsam zu sein, doch könne diese Pflicht nicht für den Besuch der Predigt gelten: „Weiln aber Jeziger Zeit, daß Kirchen gehn vnnd die Bäbstischen Predigen anzuhören, mein Gewissen betrifft, vnd ein glaubens Sache ist". Holl unterzeichnete diesen Brief „In Rom: Kay: May: gehorsam vnd vnderthänigkait so wol auch Meiner Obrickait In allen politischen Sachen", um noch einmal den für ihn bedeutsamen Unterschied zwischen Bekenntnis und politischer Ordnung zu betonen. 39 ) Wenn diese Erklärung auch erst aus dem Jahre 1631 stammt, so ist sie doch ein Zeugnis dafür, daß in der Erfahrung des Zusammenlebens der Konfessionen, wie es in der paritätischen Reichsstadt Augsburg seit 1555 die Regel war, ein neues Bewußtsein für die Ausgliederung des Bekenntnisses aus dem politischen Verhaltenskanon entstanden war. 40 ) Die Erfahrungen jener Reichsstädte, die mit „zwei Konfessionen in einer Stadt" leben mußten, sprechen bei aller Konflikthaltigkeit für eine solche Deutung. So läßt sich also in den Auseinandersetzungen um die Realisierung des Augsburger Religionsfriedens ein verborgener Zug zur Säkularisierung der Konfession erkennen. Die komplizierte Herrschaftsschichtung im Reich, die aus Gründen der ratio status erforderliche Duldung anderer Konfessionen stärkte die Individualisierung der Konfession und bot auch Anlässe zur Forderung nach völliger „Freistellung" der Konfession, worüber noch zu sprechen sein wird. Es ist vielleicht angemessen, die Würdigung der Forderung nach Freistellung nicht mit jener Reserve zu beginnen, die sich die Forschung normalerweise auferlegt, wenn sie die Grenzen dieser Freistellung - also ihre Begrenzung auf die beiden Reichskonfessionen - hervorhebt. Vielmehr soll an den zeitgenössischen Reaktionen auf die Forderung der „allgemeinen Freistellung" gezeigt werden, welche Ungeheuerlichkeit hier von einigen wenigen 39
) Zit. nach: Bernd Roeck, Elias Holl. Architekt einer europäischen Stadt. Regensburg 1985, 9. 40 ) Zu Elias Holl vgl. die vorzügliche Arbeit von Roeck, Holl (wie Anm. 39). Allgemein zur politischen Situation in Augsburg nach 1555 vgl. meinen Beitrag in Gunther Gottlieb/ Wolfram Baer/Josef Becker u.a. (Hrsg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984, 344—447, und vor allem Paul Warmbrunn, Zwei Konfessionen in einer Stadt. Das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in den paritätischen Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbühl von 1548-1648. Wiesbaden 1983. - Generell zu den konfessionellen Mischformen Ernst Walter Zeeden, Die Entstehung der Konfessionen. Grundlagen und Formen der Konfessionsbildungen im Zeitalter der Glaubenskämpfe. München/Wien 1965, 68 ff.
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protestantischen Vertretern gefordert wurde. Am besten vermag uns hier die berühmte „Autonomia"-Schrift des Reichshofrats Andreas Erstenberger aus dem Jahre 1586 einen Eindruck zu vermitteln, die wohl bekannteste katholische Schrift gegen alle denkbaren Versionen einer Freistellung.41) Es ist dabei zunächst daran zu erinnern, daß in der Diskussion post-1555 der Begriff „Freistellung" höchst unterschiedliche Inhalte haben konnte. Erstenberger unterschied in seinem Traktat insgesamt fünf Versionen dieses Begriffs, wovon die ersten vier Arten spezifische Forderungen im Hinblick auf Bestimmungen des Religionsfriedens darstellten (Geistlicher Vorbehalt, Ferdinandeische Deklaration), die uns hier nicht näher zu interessieren brauchen.42) Wichtig scheint zunächst die allgemeine Diskreditierung des Freistellungsbegriffs durch Erstenberger, wenn er schreibt, „also daß autonomia oder die Freystellung anders nicht ist, dann ein freye Willkür und macht anzunemen zuthun zuhalten und zu glauben, was einer selbst wil und ihme gut dünckt oder gefellig ist". 43 ) Aus der gesamten Argumentation Erstenbergers, aber auch anderer katholischer Publizisten wird klar, daß der Gedanke einer Freistellung der Religion als völlig unvereinbar mit einem ordentlichen Regiment angesehen wurde, da „sie eben in deme und dardurch alle Ordnung gentzlich aufheben". Von daher - und auch aus der Sicht der zeitgenössischen politischen Theorie (z.B. Justus Lipsius) - kann kein Zweifel an der generellen Ablehnung der Freistellung bestehen. Allein die Heftigkeit der Reaktionen auf Forderungen einer solchen individuellen Freistellung zeigt, daß mit diesem Vorschlag nicht nur die Hinnahme der jeweils anderen der beiden Konfessionen gemeint war, sondern daß hier zu Recht ein entscheidender Einbruch in das Autoritätsgefüge von Kirche und Reich vermutet wurde: „.. .die gantze Respublica unnd uhralte herrliche Ordnung und Harmonie deß heiligen Römischen Reichs, als so auff zwayerlay Ständt und glider, Geistlich und Weltlich, wie die Confessionisten selbs öffentlich bekennen, fundirt und gegründet ist, (wirdet) zerrissen und labefactirt.. ,".44) Freistellung, autonomia, wurde also prinzipiell als eine Gefahrdung der gegebenen Ordnung angesehen. In gewisser Weise wird dies durch die Freistellungsschrift eines anderen katholischen Autors bestätigt, der unter dem Begriff der Freistellung eine sozial offene Besetzung der geistlichen Pfründen forderte. Wohl im Rückgriff auf Forderungen, die während des Trienter Kon41
) Franciscus Burgkard [d.i. Andreas Erstenberger], De Autonomia das ist: Von Freystellung mehrerley Religion und Glauben was und wie mancherley die sey was auch derhalben biß daher im Reich Teutscher Nation fürgangen und ob dieselbig von der Christlichen Obrigkeit möge bewilliget und gestattet werden. München 1586. Vgl. dazu Gudrun Westphal, Der Kampf um die Freistellung auf den Reichstagen zwischen 1556 und 1576. Phil. Diss. Marburg 1975. 42 ) Erstenberger, De Autonomia (wie Anm. 41), Kap. 2 , 2 ff. « ) Ebd. lv. Zit. hier nach Westphal, Freistellung (wie Anni. 41), 265.
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zils erhoben worden waren, wandte sich die Schrift des Andreas Dorkenius aus dem Jahre 1576 gegen die übliche Reservierung dieser Stellen für Adelige und forderte, sie für gelehrte Männer aus allen Volksschichten zu öffnen. 45 ) Auch dies unterstreicht noch einmal das Potential an Umsturz und Unordnung, das der Freistellung beigemessen wurde. Um so mehr müssen dagegen jene Positionen auffallen, die Toleranz und Freistellung forderten und als notwendige Voraussetzungen einer neuen „ainigkeit" im Reich erkannten. Der kaiserliche Feldherr Lazarus von Schwendi ist hier zunächst als einer der politischen Vertreter der Toleranz zu nennen, der sich der Neuartigkeit seiner Forderung durchaus bewußt war, wenn er 1574 schrieb: „Und ob wol solche Toleranz beiden Religionen nicht die rechte Regel und der ordinari weg in den Regimenten ist... sondern ... allein ein Nothweg und Aufenthalt gemeinen wesens und friedens.. .".46) Zu nennen sind hier aber auch die Forderungen nach einer untertanenfreundlichen Interpretation der umstrittenen jus emigrandi-Besümmung des Religionsfriedens. Wieder kommt es mir hier auf den erwähnten Gesichtspunkt der „modernen" Aufspaltung des Menschen an, und deshalb zitiere ich nur eine Passage aus dem „Kurtzen Bericht und Anzaig, daß die Bedrängnis unnd beschwerungen so den Underthanen, die sich zu der Lehr der Augsburgischen Konfession bekennen...", wo es heißt: „Derwegen und wover den Stenden ires gemeinen vatter lands hail und wolfart von hertzen angelegen, hoch von nöten, daß obberürte Ursachen dieses mißtrauens, nemblich die bedrangnuß und verjagung der jenigen, so sich zu der augsburgischen Confession bekennen, unnd ihrer ordenlichen Obrigkeit inn Politischen Sachen den schuldigen gehorsam laisten, sich auch sonsten ihres thails dem Religionsfriden gemeß verhalten, unvertrieben sambt weib unnd Kinder bey Hauß und Hof gelassen werden, Bevorab so sich ainig Exercitium publicum Religionis nit sonder allein die Freyheit irer Gewissen begern".47) Mir scheint aus Quellenbelegen dieser Art die Notwendigkeit zu resultieren, in der spezifischen Lösung der konfessionellen Konflikte im Reich nicht 45
) Andreas Dorkenius, Von der Hochberümpter Religionsfreystellung ein kurtzer bericht auch von der Supplication so ettliche Stadt des heiligen Römischen Reichs gestelt solten haben. Köln 1576. Johannes Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters. Bd. 4. 15./16. Aufl. Freiburg im Breisgau 1896, 490ff., weist darauf hin, daß diese „Freistellung der Personen" auf einen nicht realisierten Reformvorschlag des Konzils von Trient zurückgehe, der die Kanonikate auch den Bürgerlichen öffnen wollte. 46 ) Ich zitiere hier nach Eugen von Frauenholz, Des Lazarus von Schwendi Denkschrift über die politische Lage des Deutschen Reiches von 1574. München 1939, 34. Zum Kontext vgl. Maximilian Lanzinner, Die Denkschrift des Lazarus von Schwendi zur Reichspolitik (1570), in: Johannes Kunisch (Hrsg.), Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte. Berlin 1987, 141-185. 47 ) Dieser „Bericht" ist gedruckt bei Erstenberger, De Autonomia (wie Anm. 41), 201-206, hier 202.
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nur eine aus politischem Kalkül vereinbarte „Gleichberechtigung" der Konfessionen, sondern zugleich einen starken Impuls für eine Toleranz, die von der individuellen und deshalb nicht hinterfragbaren Glaubensentscheidung ausging, zu sehen. Fritz Dickmann stellte fest, daß das Sicherheitsbedürfnis der Reichsstände „ganz von selbst" der persönlichen Gewissensfreiheit zugute kam. 48 ) Die bislang erbrachten Belege für den Zusammenhang zwischen der Aufspaltung des concordia-Bzgriffes und der Bereitschaft zur Toleranz haben gezeigt, daß der Komplex der Friedensordnung von 1555 und ihrer Konsequenzen sich für unsere Fragestellung als außerordentlich fruchtbar erweist. Die einmal gesehene, wenn auch nicht geöffnete Tür der Freistellung erwies sich als erweiterungsfähiges Einfallstor in das bislang gewahrte Prinzip der konfessionellen Einheitlichkeit der Territorien. Daneben ist auch noch auf die eingangs erwähnte Gruppe „politisch" argumentierender Toleranzbegründungen hinzuweisen, die wir auch im Reich des späten 16. Jahrhunderts ausmachen können. Auf die Freistellungsforderungen eines Lazarus von Schwendi wurde schon hingewiesen49). Für ihn bestand die naheliegendste Lösung des Konflikts in einem bewußten Ausbau des Friedenswerks von 1555: „Also soll und mag er jetzo gleichergestalt durch dieselben [Stände, W.S.] weiter erklert, verbessert und versichert werden". Konkret bedeutete dies für Schwendi, wie er in seinem Gutachten für Kaiser Maximilian von 1574 ausführte, „dass also kein ander verhoffentlicher weg und mittel, (dann wie es die zeit selbst treibt und aufmachet, kann an die hand genommen werden) dann die befriedung der gemüther und gewissen und eine gleichmässige, gesammte und mit gemeiner autoritet verpflichte und zugelassene toleranz beider religionen" eine Lösung des Konflikts im Reich herbeiführen könne.50) Freilich wollte Schwendi diese Lösung auf die katholische und die Augsburgische Konfession begrenzt sehen, aber die Angehörigen dieser Bekenntnisse sollten - wo immer sie wohnten - Gewissensfreiheit genie48
) Dickmann, Gleichberechtigung (wie Anm. 35), 249. ) Die vorwiegend ältere Literatur über Schwendi ist zusammengestellt bei Wolf-Dieter Mohrmann, Bemerkungen zur Staatsauffassung Lazarus' von Schwendi, in: Helmut Maurer/Hans Patze (Hrsg.), Festschrift für Berent Schwineköper. Sigmaringen 1982, 501-521. Zur Schwendi-Forschung vgl. auch Roman Schnur, Lazarus von Schwendi (1522-1583). Ein unerledigtes Thema der historischen Forschung, in: ZHF 14, 1987, 27-46. 50 ) Frauenholz, Schwendi (wie Anm. 46), 27. Diese Position ist von Schwendi auch in seinem sehr viel kürzeren Gutachten von 1576 vertreten worden. Dieses Gutachten verwendet freilich nicht den Begriff der Toleranz, sondern untersucht Nach- und Vorteile einer „Zulassung oder Verweigerung der freiheit der gewissen" in der Vorbereitung des Reichstags von 1576. Dieser Diskurs bei Adolf Eiermann, Lazarus von Schwendi, Freiherr von Hohenlandsberg. Ein deutscher Feldoberst und Staatsmann des 16. Jahrhunderts. Freiburg 1904, 145-151. Vgl. zu Schwendis Reichspolitik Hermann Becker, Der Speyerer Reichstag von 1570. Ein Beitrag zur Geschichte des 16. Jahrhunderts. Phil. Diss. Mainz 1969, 23 ff., und jetzt die zitierte Arbeit von Lanzinner, Schwendi (wie Anm. 46). 49
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ßen51), »da er [der Untertan, W.S.] sonsten in gehorsam lebt". Seit 1563 schon hatte sich Schwendi - so belegt sein Briefwechsel mit Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel - dem Gedanken der Toleranz geöffnet, zweifellos angeregt durch die französische Entwicklung. So war aus dem Kriegsmann, der im Auftrag des Kaisers noch 1552 an der Belagerung Magdeburgs teilgenommen hatte, dem Manne, der die „Lutherey" mit Rebellion identifiziert hatte, ein Politiker geworden, der um des inneren Friedens und um der staatlichen Existenz willen die Gewissensfreiheit propagierte.52) Einen anderen Vertreter dieser politisch argumentierenden Toleranzideen können wir in Zacharias Geizkofler sehen, dem Reichspfennigmeister der Jahre 1589-1604.53) Dieser hohe Reichsbeamte protestantischen Bekenntnisses, dem in den genannten Jahren die Einbringung, Verwaltung und teilweise auch die Vorfinanzierung der Reichshilfen auf dem Kapitalmarkt oblag, war zwar immer im Einflußbereich des Hauses Habsburg tätig gewesen, doch seine engen Beziehungen zum Patriziat der Reichsstadt Augsburg und zu vielen Reichsständen auch der Augsburgischen Konfession hatten seinen Horizont beträchtlich erweitert. Ein intensiver Briefwechsel mit politisch verantwortlichen Persönlichkeiten ließ ihn ein klareres Bild von den Problemen seiner Zeit gewinnen, als dies vielen seiner Zeitgenossen möglich war. Hinzu kommt, daß er als protestantisches Mitglied der Reichsritterschaft selbst die Vorteile des Augsburger Religionsfriedens in Anspruch nehmen konnte und von daher prädestiniert für eine eigenständige Position war.54) Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Reichspfennigmeisteramt im Jahre 1604 blieb er der praktischen Politik insofern verbunden, als er vom Kaiserhof immer wieder mit Sonderaufgaben betraut wurde, die einmal seinen vertrauten Amtsbereich der Finanzverwaltung betrafen, zum andern aber auch in steigendem Maße die politisch diffizilen Fragen der Beziehungen der konfessionellen Par51
) Lanzinner, Schwendi (wie Anm. 46), 27. ) Dies klarer herausgearbeitet zu haben, ist das Verdienst der in Anm. 49 zitierten Arbeit von Mohrmann, Schwendi. 53 ) Zu Geizkofler vgl. Friedrich Blendinger, Zacharias Geizkofler, in: Lebensbilder aus dem bayerischen Schwaben. Bd. 8. München 1961, 163-197, sowie die grundlegende Arbeit von Johannes Müller, Z. Geizkofler des heil. röm. Reiches Pfennigmeister und oberster Proviantmeister im Königreich Ungarn. Baden bei Wien 1938, und Jürgen L. Mayer-Karstadt, Die Herren von Geizkofler und die Freiherrlich von Geizkoflersche Stiftung zu Haunsheim, in: Jahrbuch des Historischen Vereins zu Dillingen an der Donau 79, 1977, 171-183. Zu Geizkoflers Tätigkeit als Reichspfennigmeister zwischen 1589 und 1604 vgl. Winfried Schulze, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung. München 1978, 310ff. 54 ) Zur Geizkoflerschen Dorfherrschaft ist neben der in der vorigen Anm. zitierten Arbeit von Mayer-Karstadt, Geizkofler, noch heranzuziehen Theodor Knapp, Das ritterschaftliche Dorf Haunsheim in Schwaben, in: ders., Gesammelte Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte vornehmlich des deutschen Bauernstandes. Tübingen 1902, 261-330. Geizkofler hatte dieses Gut im Jahre 1600 erworben. 52
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teien zueinander.55) Geizkofler wurde mehrfach als kaiserlicher Gesandter zu protestantischen Unionstagen geschickt, so etwa zum Rothenburger Unionstag des Jahres 1613.56) So wundert es eigentlich nicht, wenn Geizkofler neben dieser praktischen politischen Arbeit auch noch ein vielgefragter Ratgeber in politischen Grundsatzfragen war, vor allem nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Reichspfennigmeisters. In diesen Gutachten hatte Geizkofler mehrfach darauf hingewiesen, daß die leidvolle Erfahrung anderer europäischer Länder für Deutschland ein warnendes Beispiel sein müsse. Sein Gutachten über die politischen und finanziellen Voraussetzungen des Türkenkrieges von 1604 ist vielleicht der deutlichste Beleg für sein Toleranzdenken. Anders als bei Schwendi speist sich diese Toleranz nicht nur aus dem Kalkül der Notlösung, sondern aus der Einsicht, daß das Gewissen des Menschen nicht durch Zwang beeinflußt werden könne: „das der menschen gewissen ein zartes ding, so keinen zwang leiden wollen". Er befinde „in allen historien, je man mit gewalt ein religión außrotten wollen, je mehr sie sich gemehret und seind entweder translationes oder eversiones und ruinae dominorum daraus erfolgt". Geizkofler vergaß nicht, auf das polnische Beispiel der religiösen Toleranz zu verweisen, das ihm auch aus persönlicher Anschauung durchaus vertraut war.57) Geizkofler hatte im Sommer des Jahres 1587 als Gesandter des Erzherzogs Ferdinand von Tirol in Polen fungiert und dabei versucht, die Kandidatur des Erzherzogs Maximilian für die polnische Königskrone zu unterstützen. Seine Berichte über die komplizierte innenpolitische Lage in Polen nach dem Tode Stephan Báthorys lassen gar keinen Zweifel daran, daß ihm die konfessionspolitische Lage des Landes bestens bekannt war.58) Hier wird zudem sichtbar, daß Geizkofler auch eine kritische Position den Jesuiten gegenüber einnahm, die in Polen eine eigene Politik betrieben, um die Gegenreformation dieses Landes zu fördern. Geizkofler ist nicht nur als Verfasser von politischen und finanzpolitischen Gutachten für den Kaiserhof hervorgetreten. Gerade in der kritischen Phase der Reichspolitik um den Reichstag von 1613 herum war er als Berater für Kaiser Matthias und seinen Direktor des Geheimen Rates, Khlesl, tätig.59) Dabei wurde deutlich, daß für Geizkofler der konfessionelle Dissens keinesfalls 55
) Dies geht vor allem aus dem Geizkoflerschen Familienarchiv im Staatsarchiv Ludwigsburg, B 90-92, hervor, dessen Bestände einen vorzüglichen Einblick in diese Tätigkeiten geben. 56 ) Ebd. Büschel 36 (Berichte Geizkoflers vom Rothenburger Tag der Unierten). 57) Ebd. Büschel 391. 58 ) Vgl. zu dieser Gesandtschaft Eduard Winter, Die polnischen Königswahlen 1575 und 1587 in der Sicht der Habsburger, in: Innsbrucker Historische Studien 1, 1978, 61-76. 59 ) Vgl. dazu Johannes Müller, Die Vermittlungspolitik Klesls von 1613 bis 1616 im Lichte des gleichzeitig zwischen Klesl und Zacharias Geizkofler geführten Briefwechsels, in: MIÖG Ergänzungsbd. 5, 1896-1903, 604-690. Zu Khlesl vgl. auch Johann Rainer, Die Gefangenschaft Kardinal Klesls in Tirol, in: Tiroler Heimat 48/49, 1984/85, 189-198.
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die Möglichkeit politischer Kooperation und gegenseitigen Vertrauens ausschloß. Mit Fürst Christian von Anhalt - einem der Führer des protestantischen Lagers - komme er gerne zusammen, so schrieb er an Khlesl, „dann so weit wir in religione discrepiren, also nahe sind unsere herzen und intentiones conjungiret, ob dahin mittel gefunden werden möchten, das mißtrauen aufzuheben".60) Diese praktische und politisch zu nutzende Toleranz beruhte auf einer klar formulierten Anweisung zu einer neuen politischen Klugheit, die geradezu aufgeklärt anmutet. Drei gradus seien hierbei zu unterscheiden. Man müsse sich bei allem Tun historisch belehren lassen, aus eigenem Schaden lernen (wobei er natürlich an den durch die Reformation verursachten Zustand des Reiches dachte), und schließlich habe man ex dictamine rationis sapere, nach der Richtschnur des Verstandes also zu denken und zu handeln.61) Hier wurde ein Verständnis des konfessionellen Konflikts erreicht, das sowohl die persönliche Gewissensfrage wie auch die politischen Gesichtspunkte berücksichtigte. Die Duldung anderer Bekenntnisse wird hier nicht mehr nur als eine Notlösung betrachtet (wie noch bei Lazarus von Schwendi), sondern als alleinige Voraussetzung eines neuen Friedens im Reich, der für Geizkofler nur mehr auf der Grundlage einer vollen Paritätisierung des Reiches erreichbar schien. Seine brieflichen Vorschläge zur Überwindung der nach dem Reichstag von 1613 entstandenen Lage, die er Khlesl unterbreitete, lassen an einer solchen Bewertung keinen Zweifel. 62 ) Die Situation im Reich nach 1555 war dadurch gekennzeichnet, daß die Diskussion um die Deutung dieses Friedensschlusses in höchstem Maße kontrovers geführt wurde. Der päpstliche Nuntius Minutio Minucci hatte 1588 diesen Zustand so charakterisiert: Er beobachte seit etwa 15 Jahren bei den Protestanten die Neigung, unter dem Namen der Freistellung die Zulassung zu allen geistlichen Ämtern, Würden und Benefizien in gleicher Weise, wie sie den Katholiken gewährt werde, zu verlangen. All dies verrate den „seltsamen und unbilichen Anspruch", daß es im Reich zwei zugelassene und auch gleichberechtigte Konfessionen gebe.63) Für die katholische Seite war die Sache ebenso klar und eindeutig: Nach der erneuten Verurteilung der Protestanten auf dem Konzil von Trient als „sectische Verführer und Ketzer" bestand eigentlich kein Grund, im Protestantismus eine gleichberechtigte Konfession zu sehen, zumal alle politischen Lehren geboten, in einem politischen Gemeinwesen nur ein Bekenntnis zuzulassen. Wenn man diese Regel akzeptierte, w
) Familienarchiv Geizkofler (wie Anm. 55), Büschel 45a, und Müller, Vermittlungspolitik (wie Anm. 59), 679 f. 61 ) Ebd. 643. 62 ) Ebd. 630 ff. 63 ) Minutio Minucci, Denkschrift „Über den Zustand der katholischen Kirche in Deutschland" (1588), in: Nuntiaturberichte aus Deutschland. Nebst erg. Actenstücken. Abt. 3. Bd. 1: 1572-1585. Berlin 1892,769.
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dann mußte sich die Waagschale zugunsten der Seite neigen, die über das größere Alter und das Gewicht der römischen Kirche verfügte. Bei einer solchen Grundkonzeption ist eigentlich nur noch zu fragen, wie man von dieser Grundlage aus mit dem Frieden von 1555 leben konnte. Hier ist es interessant zu sehen, wie der Verfasser der schon erwähnten „Autonomia" mit diesem Frieden zurechtkommt. Er greift zum Vergleich mit dem Seemann, der im Sturm und bei Gefährdung des ganzen Schiffes die Segel streicht und „laviert" und „temporisiert", um das Schlimmste zu verhüten. Daraus ergibt sich zugleich die an Thomas von Aquin angelehnte Grundregel für die Auslegung des Religionsfriedens: Strikte und enge Auslegung, strenge Rechtsanwendung gegen alle Abweichungen; es gilt - so hat man formuliert - das Prinzip der „Mindestbegünstigung", man räumt dem Gegner nur den kleinstmöglichen Spielraum ein. 64 ) Doch dies alles spielt sich vor dem Großen Krieg ab. Er selbst war die große Verneinung der Toleranz, wenn wir auch keinesfalls übersehen dürfen, daß dieser Krieg gewiß nicht allein wegen der konfessionellen Gegensätze ausgetragen wurde. Er stellt ein gewichtiges Stück in der Herausbildung des europäischen Staatensystems dar, ein Krieg zur Durchsetzung machtpolitischer Positionen und Einflußsphären nach innen wie nach außen. All dies wurde freilich überlagert durch die Töne religiöser Polemik und Unerbittlichkeit, die sich noch bis in die Phase der Friedensverhandlungen fortsetzten. 1646 erschien unter dem Pseudonym Ernestus de Eusebiis eine Schrift zur Frage der theologischen Möglichkeit eines Friedens zwischen Katholiken und Protestanten mit dem Titel „Judicium theologicum", die den Spielraum für einen Frieden extrem verkleinerte und einer vertraglichen Regelung jede dauerhafte Geltung absprach. Statt dessen empfahl der Verfasser den katholischen Fürsten, weiterzukämpfen und auf eine noch mögliche Wende des Krieges zu hoffen. Immerhin fand dieser Extremismus nicht die Unterstützung Maximilians von Bayern, der den Dillinger Autor sogar bestrafen ließ. 65 ) Von daher stellt sich noch einmal die Frage, ob der Frieden, der 1648 in Münster verkündet wurde, überhaupt für eine Geschichte der Toleranz in Anspruch genommen werden darf. Meine Antwort lautet: Ja, wenn auch jene naive Koppelung von erreichtem Frieden und gewährter Toleranz fehlgehen würde. Wer sich die langwierigen Verhandlungen um die religionspolitischen Fragen zwischen 1645 und 1648 anschaut, wird schnell feststellen können, Klaus Bessey, Das Kirchengut nach der Lehre der evangelischen Juristen Deutschlands im ersten Jahrhundert nach der Reformation. Stuttgart [1968], 92 ff. 65 ) Hier zit. nach Christoph Schäfer, Staat, Kirche, Individuum. Studie zur süddeutschen Publizistik über religiöse Toleranz von 1648 bis 1819. Frankfurt am Main 1992, 154ff. Zur literarischen Diskussion dieser Schrift vgl. Ludwig Steinberger, Die Jesuiten und die Friedensfrage in der Zeit vom Prager Frieden bis zum Nürnberger Friedensexekutionshauptrezeß. Freiburg im Breisgau 1906.
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daß hier zunächst noch einmal die Kämpfe der Jahre zwischen 1555 und 1618 in einem zweiten Durchgang gekämpft wurden: Es ging erneut darum, ob den Protestanten eine nur begrenzt geduldete Rolle im Reich zugewiesen wurde, oder ob sie selbst jene aequalitas exacta mutuaque in Anspruch nehmen durften, die sie zum Ziel ihrer Politik machten. Es ging wieder um die Rolle der Calvinisten im Reich, es ging um die Majorisierung auf den Reichstagen, es ging letztlich wieder um die autonomia des einzelnen, nicht um die autonomia eines Fürsten etwa im Verständnis eines Johann Gerhard, um auch diese Begriffsvariante zu erwähnen. 66 ) Damit können wir wieder an den Begriff anknüpfen, der uns schon den Problemhorizont des späten 16. Jahrhunderts öffnete, als die „Freistellung" des individuellen Bekenntnisses als Bedrohung der politischen Ordnung verstanden wurde. Als es in der zweiten Märzhälfte 1648 wieder um die autonomia ging, war das die letzte Gruppe von Problemen, die einvernehmlich gelöst werden mußten. Natürlich hatte Schweden sich für einen möglichst weiten Begriff von autonomia eingesetzt, aber die Protestanten mußten sich mit einer Differenzierung des Konzepts zufriedengeben. Man unterschied drei Gruppen von Untertanen: Jene, die schon 1624 das Recht zur privaten und öffentlichen Religionsausübung besaßen; jene, die sich zum Zeitpunkt des Friedensschlusses zum evangelischen Glauben bekennen würden; und schließlich jene, die in Zukunft zum protestantischen Bekenntnis übertreten sollten. Der kaiserliche Gesandte Trauttmansdorff hatte schon im Sommer des Vorjahres einer Lösung zugestimmt, die für diese drei Gruppen sehr genau abgestimmte Autonomierechte vorsah. 67 ) Die erste Gruppe verfügte über das volle Recht der öffentlichen und privaten Religionsausübung (exercitium publicum et privatum), die zweite Gruppe sollte den Schutz vor Ausweisung und das Recht der devotio domestica genießen, aber auch jenseits der Territorialgrenzen Gottesdienste besuchen können. Die letzte Gruppe sollte immerhin drei bis fünf Jahre vor Ausweisung geschützt sein, eine nur auf den ersten Blick neue Methode, um einen konfessionellen Dissens zu deeskalieren, denn schon in den Religionsprozessen der Untertanen am Reichskammergericht im späten 16. Jahrhundert waren erstaunlich lange Bleibefristen vor einer eventuellen Ausweisung eingeräumt worden. Damit zeigt sich, daß die Debatte um das ius emigrandi auf dem Friedenskongreß ganz im Sinne der Intentionen der protestantischen Partei schon im späten 16. Jahrhundert erneut als Hebel zur Durchsetzung eines Rechtsanspruchs auf private Religionsausübung genutzt wurde. Wie die Analyse der letzten Verhandlungsphasen um dieses Problem gezeigt hat, war die kaiser66
) Martin Honecker, Cura religionis magistratus christiani. Studien zum Kirchenrecht im Luthertum des 17. Jahrhunderts insbesondere bei Johann Gerhard. München 1968, insbes. 89, 121 ff. 67 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 34), 4 6 0 ff.
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liehe Delegation hier erstaunlich kompromißbereit, so daß es den Protestanten unter der Führung Schwedens gelang, eine starke Sicherung protestantischer Minoritäten in katholischen Territorien durchzusetzen. Strittig blieb bis zuletzt die Frage der Ausweisungsfristen, die schließlich auf drei bzw. fünf Jahre festgesetzt wurden, wobei jedoch der Besitzstand auch nach einer Emigration gesichert blieb.68) Wurde im Reich damit das ius reformandi der Landesfürsten de facto, nicht de jure erheblich begrenzt, so mußte dies damit erkauft werden, daß die österreichischen Protestanten - von adeligen Sonderrechten abgesehen - geopfert wurden, während auf der anderen Seite für die Augsburger Protestanten die Parität gerettet werden konnte. So entstand ein kompliziertes System von Religionsprivilegierungen, dessen Begründung letztlich darin gesehen werden muß, daß die individuelle Entscheidung für ein Bekenntnis der wesentliche Grund für deren politische Absicherung wurde. Gerade die rechtlich hochdifferenzierten Rechte der verschiedenen Kategorien von Untertanen mußten über kurz oder lang zu einem Zusammenbruch dieses Systems führen. Die Sprache der Bestimmungen war eindeutig und entschlossen: patienter tolerentur et conscientia libera domi devotioni suae, sine inquisitione aut turbatione,69) Wurde im Bereich der privaten Religionsausübung mancher Kompromiß geschlossen, der letztlich von der Einigkeit zwischen der Krone Schweden und den deutschen Protestanten, der Geschlossenheit des katholischen Widerstands oder den Differenzen zwischen den Anhängern der Confessio Augustana und den Reformierten abhing, so vollzog sich die Lösung des großen Problems der Rolle der Konfessionen in der Reichsverfassung sehr viel grundsätzlicher und auch theoretisch klarer. Die schließlich gefundene Lösung der vollständigen Paritätisierung der Reichsverfassung durch die Bildung der Corpora Catholicorum und Evangelicorum und die Möglichkeit der itio in partes in Konfessions- und all jenen Fragen, in denen die beiden Parteien nicht übereinstimmten (Art. V § 52 IPO)70), ist eine glänzende, verfassungsrechtlich innovative Lösung, die freilich ganz auf der Linie liegt, die sich auf den Reichsversammlungen seit den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte. Die Reichstage zwischen 1582 und 1608 bieten manche Anregung für die neue Lösung von 1648. Sie setzt die Linie der Verrechtlichung des konfessionellen Konflikts fort, die 1555 begonnen worden war.71) In der itio in partes wird man die Legitimierung der Pluralisierung wiederfinden dür68
) Georg May, Die Entstehung der hauptsächlichen Bestimmungen über das jus emigrandi (Art. V §§ 30-43 IPO) auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: ZRG 118, KA 74, 1988,436-494. 69 ) Art. V § 34 IPO. ™) Martin Heckel, Parität (I), in: ZRG 80, KA 49, 1963, 261-420. 71 ) Winfried Schulze, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert. 1500-1618. Frankfurt am Main 1987, 161 ff.
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fen: der Dissens stand nun nicht mehr unter dem Verdikt von Ketzerei und Rebellion, sondern er hatte seinen verfassungsrechtlichen Ort gefunden. Die Ablehnung der Majoritätsregel in einer Reihe von zentralen politischen Fragen durch die Protestanten konnte nur auf eine solche Lösung hinauslaufen, die die kleine concordia in der amicabilis compositio suchte, einer „Ersatz- und Notfigur für ein ... letztlich unerreichbares Ziel", wie Martin Heckel formuliert hat. Die herrliche aequalitas exacta mutuaque, die in Art. V § 1 IPO als eine Art Generalregel etabliert wurde, ließ keine andere Lösung zu, zumal sie auch mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Stände, der gemeinen Billigkeit quasi naturrechtlich untermauert wurde. Damit waren die bedeutenden konfessionellen Streitfragen einer einvernehmlichen rechtlichen Regelung zugeführt worden, zunächst also in einem hochdifferenzierten System der Abgrenzung einerseits und der Minimalsicherung andererseits. Dies alles vollzog sich jedoch in einem System quasisouveräner Territorialstaaten, die zunehmend die Möglichkeiten eigener Regelungen nutzten. Sie bemühten sich um neue Untertanen, um wüstgefallenes Land neu zu besiedeln, um handwerklich geschickte Neubürger zu gewinnen, um ihre Residenzstädte und andere Städte voranzubringen, die sich mehr und mehr als Experimentierfelder der Toleranz zu bewähren hatten. Staatlicher Nutzen und Machtstreben ließen zunehmend das klassische Argument der konfessionellen Einheitlichkeit zurücktreten. Christian Friedrich Daniel Schubart karikierte 1787 in seiner Zeitschrift „Deutsche Chronik" diese Neigung der Staaten mit dem schönen Vers: „Du Tochter Gottes, Toleranz, Weißt Du, wer dich im Sonnenglanz in Deutschlands Städte führte Der Fürsten Herz regierte oft Wahrheitsliebe! Doch meistentheils - Finanz".72) Damit hatte sich schon bald nach 1648 eine neue Dynamik des Nebeneinanders der Konfessionen ergeben, die sehr bald auch ihre theoretische Legitimation im Geist der Frühaufklärung fand. Die Zeitschriften veröffentlichten jetzt regelmäßige Berichte über den Stand des konfessionellen Miteinander, tolerante Fürsten wurden gelobt, toleranzfeindliche scharf getadelt. Gleichzeitig sanken die Konfessionen zu Religionsgesellschaften im Sinne Pufendorfs herab, ordneten sich dem großen Zweck des Territorialstaates unter. Der „lange Weg zur Toleranz" erreichte damit eine neue Zwischenstation, um dann in den Grundrechtserklärungen des Revolutionszeitalters und im preußischen 72
) Schubärts Vaterländische Chronik. Von Christian Friedrich Daniel Schubait. 46. Stück. Dezember 1787, 364.
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Allgemeinen Landrecht seinen vorläufigen Endpunkt zu erreichen. Damit war freilich auch der Zeitpunkt gekommen, an dem kritische Beobachter feststellten, daß sich nach der Überwindung der religiösen Intoleranz ein neues Feld auftat, die politische Intoleranz. „An die Stelle der vor dem Geist der Zeit mehr und mehr entweichenden religiösen Intoleranz" sei „in unseren Tagen die politische getreten", schrieb 1846 Carl von Rotteck. Er führte diese Entwicklung auf die Radikalisierung der Parteiungen in der Französischen Revolution zurück, deren Nachwirkungen die moderne Welt tief geprägt haben.73) Gegenüber all dem bleibt der Westfälische Friede freilich eine wichtige Wegmarke der Toleranz, die keiner besser charakterisieren könnte als ausgerechnet der französische Sozialist Pierre Proudhon, der den Westfälischen Frieden als „expression supérieure de la justice identifiée avec la force des choses" bezeichnete, die auf immer bestehe.74) Die Verbindung von Idee und gesellschaftlicher Realität scheint darüber hinaus ein Analyseverfahren zu sein, das uns dem Kern des historischen Prozesses näher bringt als andere Zugänge. Gegen eine solche Wertung, auch wenn sie von einem utopischen Sozialisten stammt, werden wir im Vorfeld der 350-Jahrfeier des Westfälischen Friedens nichts einzuwenden haben.
73
) Carl von Rotteck, Art. „Duldung, Toleranz, Unduldung, Intoleranz", in: ders./Carl Welcker (Hrsg.), Das Staats-Lexikon. Encyklopaedie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. Bd. 4. Altona 1846, 148 f. 74 ) Zit. nach Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 34), 7.
II. Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den Westfälischen Friedensverhandlungen und ihre Umsetzung Von
Leopold Auer
I. Vorbemerkung Welche Zielsetzungen verfolgte die kaiserliche Politik bei den Westfälischen Friedensverhandlungen, wie kamen sie zustande und wer spielte bei ihrer Formulierung die entscheidende Rolle? Welche Informationen standen für die Entscheidungsfindung zur Verfügung und wie hat sich dieser Informationsstand auf Friedensziele und Verhandlungsführung ausgewirkt? Wie haben schließlich die kaiserlichen Unterhändler und die entscheidenden Minister des Wiener Hofes bis hin zum Kaiser selbst auf die militärische und politische Situation, auf die Vorstellungen und Forderungen ihrer Gegner und Verbündeten reagiert und wie ist die sich daraus ergebende Verhandlungsführung zu beurteilen? Das sind im wesentlichen die Fragen, deren Beantwortung von einer Untersuchung der kaiserlichen Politik in diesem Zusammenhang erwartet wird, wobei aber nicht zuletzt auch die Frage gestellt werden muß, inwieweit alle diese Fragen angesichts unseres derzeitigen Wissensstandes überhaupt einer Beantwortung zugänglich sind. „Wer der Frage nachgeht", schreibt Karsten Ruppert in der bislang umfassendsten Untersuchung über die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß, „wie man ... in Wien glaubte, kaiserliche Politik treiben zu können und wie weit die kaiserlichen Gesandten sie am Kongreß durchsetzen konnten, steht einem umfangreichen Stoff und einer Vielzahl von Problemen gegenüber. Denn da der Kaiser im Gegensatz zu den anderen ... Mächten von allem, was auf dem Kongreß aufgerollt wurde, in irgendeiner Form berührt war, scheidet durch die Fragestellung nicht von vornherein ein Teil der Probleme aus dem weiten Komplex der Friedensverhandlungen aus".1) Dieser Umstand bedingt auf der einen Seite eine ungeheure Fülle an Material, das in seiner Überlieferungsdichte an die Qualität zeitgeschichtlicher Quellen heran') Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (16431648). Münster 1979, 2. Zur Beurteilung von Rupperts Buch vgl. vor allem die Besprechung von Winfried Becker, in: HJb 103, 1983, 254f., aber auch von Dieter Albrecht, in: HZ 231, 1980, 716f., und Roger Wines, in: AHR 85, 1980, 909.
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Der Westfälische
Friede und die europäischen
Mächte
reicht und trotz der eindrucksvollen Editionsarbeit im Rahmen der Acta Pacis Westphalicae2) zu großen Teilen noch immer unerschlossen ist 3 ); zum andern wird die Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragen aber auch durch Charakter und Eigenart der vorhandenen Überlieferung erschwert. Noch die geringsten Überlieferungsprobleme wirft die Beurteilung der Verhandlungsführung durch die Gesandten an Ort und Stelle auf. Sie erhielten ihre Instruktionen und Weisungen, auch wenn diese nicht immer zur Gänze befolgt wurden oder befolgt werden konnten, und waren angewiesen, über alle sich bei den Verhandlungen ergebenden Probleme eingehend zu berichten. Weit schwieriger ist der zu diesen Weisungen und Instruktionen führende Prozeß der Meinungsbildung am Wiener Hof zu verfolgen. Eine entscheidende Rolle dabei spielte der Geheime Rat, dessen Gutachten wiederum auf Gutachten des Reichshofrats oder eigens dazu berufener deputierter Räte aufbauen konnten. Da es sich bei diesen Gutachten in der Mehrzahl um Gesamtgutachten handelt 4 ), die keine unmittelbaren Rückschlüsse auf einzelne Meinungen oder Diskussionen innerhalb der Gremien zulassen, läßt sich aus ihnen in der Regel nicht ablesen, wie ein Beschluß oder eine Empfehlung zustandegekommen ist; vor allem geht daraus meist nicht hervor, wie die Rolle des Kaisers im einzelnen einzuschätzen ist, inwieweit er in Diskussionen eingriff oder seine eigene Meinung diskutieren ließ. 5 ) Um trotzdem dem Prozeß der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung näher zu kommen, wäre nicht nur eine ins Detail gehende vergleichende aktenkundliche Untersuchung der einzelnen Gutachten bis hin zu Schriftvergleichen, sondern zusätzlich auch eine Heranziehung und Überprüfung von Korrespondenzen zwischen den Sitzungsteilnehmern sowie zwischen den Sitzungsteilnehmern und Dritten notwendig eine Aufgabe, die bisher kaum in Angriff genommen wurde. Eine Ursache dafür mag auch der Umstand sein, daß die Tätigkeit des Geheimen Rats oder der deputierten Räte für die Zeit Ferdinands III. bisher überhaupt nicht im Zusam2
) Vgl. dazu Andreas Kraus, Die Acta Pacis Westphalicae. Rang und geisteswissenschaftliche Bedeutung eines Editionsunternehmens unserer Zeit, untersucht an Hand der Elsaßfrage (1640-1646). Opladen 1984. 3 ) Erst zum Teil aufgearbeitet ist, was die kaiserliche Politik betrifft, das Material über die Beratungen der Geheimen und deputierten Räte, weitgehend unbearbeitet sind die Korrespondenzen zwischen der Zentrale und den Gesandten bei der Frankfurter Reichsdeputation bzw. den reichsständischen Gremien in Münster und Osnabrück, ebenso die Korrespondenzen zwischen dem Kaiser und anderen Reichsständen - Bayern ausgenommen sowie zwischen den Beratern am Kaiserhof selbst. 4 ) Zu den Ausnahmen vgl. unten 148, 153, 157 f. 5 ) So Kathrin Bierther, Zur Edition von Quellen zum Präger Frieden vom 30. Mai 1635 zwischen Kaiser Ferdinand II. und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, in: Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Münster 1981, 1-30, hier 16f. Daß der Kaiser selbst der „beste K o p f im Geheimen Rat sei, betonte der venezianische Gesandte am Wiener Hof, Giustiniani, 1654 in seiner Finalrelation; vgl. Joseph Fiedler (Hrsg.), Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im siebzehnten Jahrhundert. Bd. 1. Wien 1866, 387.
Auer, Die Ziele der kaiserlichen
Politik
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menhang untersucht worden ist.6) Desgleichen fehlen bis jetzt, trotz einer insgesamt bereits unüberschaubar gewordenen Flut von Veröffentlichungen7), wissenschaftliche Biographien fast aller Entscheidungsträger, beginnend mit dem Kaiser selbst.8) Dies vorausgeschickt können die folgenden Ausführungen von vornherein nur eine kommentierende Bestandsaufnahme ohne größere eigene Forschungsergebnisse sein, ein Versuch, die großen Linien der kaiserlichen Friedenspolitik herauszuarbeiten und die Tätigkeit der dafür Verantwortlichen zu bewerten, wobei gleichermaßen Diskussion wie Defizite der Forschung berücksichtigt werden sollen. Dabei soll, um eine größere Übersichtlichkeit zu erreichen, nach folgenden chronologischen Abschnitten gegliedert werden: 1. die Friedenspräliminarien bis zum Beginn des Austauschs der Propositionen (Ende 1644); 2. der Austausch der Propositionen und die sich daran anschließende Diskussion; 3. die Hauptverhandlungen von Ende 1645 bis zu den Vertragsentwürfen Trauttmansdorffs vom Juni 1647 und 4. die Schlußphase der Verhandlungen bis zum Friedensschluß. Für diese vier Abschnitte sind jeweils die kaiserlichen Friedensziele zu den Fragen der Satisfaktion Frankreichs und Schwedens, der Amnestie, der Religionsbeschwerden und der sonstigen das Reich berührenden Probleme zu behandeln.
II. Die Friedenspräliminarien Lange bevor mit dem im Dezember 1644 eingeleiteten Austausch der Propositionen der verhandelnden Mächte die Diskussion über substantielle Fragen der Friedensbestimmungen begonnen wurde, waren von allen Beteiligten Positionierungen vorgenommen worden, die, obwohl durch die jeweiligen Umstände teilweise überholt, die Verhandlungsführung beeinflußten. Zu den wichtigsten Ereignissen, bei denen auf kaiserlicher Seite solche Positionierungen vorgenommen wurden, zählen der von Frankreich allerdings nicht ratifizierte Regensburger Friede von 1630, der Prager Friede, die Vorbereitung des 6
) Die wichtige Arbeit von Henry F. Schwarz, The Imperial Privy Council in the Seventeenth Century. Cambridge, Mass. 1943, behandelt im Detail nur Struktur und personelle Zusammensetzung dieses Gremiums, während über dessen Tätigkeit gerade für die Zeit Ferdinands III. nur in großen Zügen berichtet wird. 7 ) Vgl. dazu jetzt Heinz Duchhardt (Hrsg.), Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/Matthias Schnettger. Münster 1996, die mehr als 4000 Titel verzeichnet! 8 ) Zu Informationen über das vorhandene bzw. nicht vorhandene biographische Schrifttum vgl. Konrad Repgen, Ferdinand III. 1637-1657, in: Anton Schindling/Walter Ziegler (Hrsg.), Die Kaiser der Neuzeit 1519-1918. München 1990, 142-167 und 480-482, sowie Hans Wagner, Die kaiserlichen Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: Erich Zöllner (Hrsg.), Diplomatie und Außenpolitik Österreichs. Wien 1977, 59-73.
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
nicht zustandegekommenen Kölner Kongresses, der Regensburger Abschied von 1641 und der Hamburger Präliminarvertrag, aber auch eine Reihe informeller Kontakte und Sondierungen wie die Sonderfriedensverhandlungen mit Schweden in Lübeck oder mit Frankreich in Paris.9) Auf diese Weise waren schon zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der ersten Instruktionen, über die ab dem Sommer 1643 in Wien beraten wurde, verschiedene Informationen über die Friedensziele der Gegner vorhanden, aber auch eigene Positionen festgelegt, hinter die ein Zurückgehen nicht mehr ohne weiteres möglich war. In den beiden ostensiblen Hauptinstruktionen vom 15. Juli 164310) für die kaiserlichen Gesandten - damals noch Nassau und Krane für Münster, Auersperg und Volmar für Osnabrück11) - standen Verfahrensfragen und verhandlungstaktische Überlegungen im Vordergrund, nicht zuletzt deshalb, weil beide Stücke den Kurfürsten mitgeteilt wurden und daher möglichst allgemein und unverbindlich formuliert sein mußten. (Genauere Angaben, zu welchen Zugeständnissen man bereit war, macht erst die vertrauliche Zusatzinstruktion vom September.)12) Wie alle Verhandlungspartner, mußte auch der Kaiser vermeiden, sich frühzeitig festzulegen und übereilte Zugeständnisse zu machen, die dann nicht mehr zurückgenommen werden konnten. Außerdem mußte die eigene Position nach verschiedenen Seiten hin abgesprochen und abgesichert werden: in erster Linie gegenüber Spanien und Bayern, aber auch gegenüber den übrigen Kurfürsten und der eigenen Klientel im Reich, deren Unterstützung man nicht verlieren wollte. Es ging daher für den Kaiser und seine Berater anfangs hauptsächlich darum, abzuwarten und die Absichten der Gegner in Erfahrung zu bringen.13) In der Sache berief man sich gegenüber Frankreich auf den nicht ratifizierten Regensburger Frieden14) und verwies in der Zusatzinstruktion auf die In9
) Vgl. zu dieser Vorgeschichte der Westfälischen Friedensverhandlungen Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992, Kap. 1-3, sowie die Einleitung zur Edition der kaiserlichen Instruktionen von Hans Wagner, in: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. I. Bd. 1. Münster 1962,327-354. Zum raschen Überblick über die bereits erschienenen Bände vgl. nun die Auflistung bei Duchhardt, Bibliographie (wie Anm. 7), Nr. 1445, 161 f. 10 ) APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), Nr. 26, 3 9 7 ^ 0 6 und Nr. 27, 407-413. Auch die Instruktion nach Münster ist vermutlich am 15. Juli ausgefertigt worden, auch wenn das Schreiben Nassaus und Kranes von 1643 VIII7: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1. Münster 1969, Nr. 19, 28, den 22. Juli angibt. " ) Vgl. zu ihnen die bei Duchhardt, Bibliographie (wie Anm. 7), 235 (Nr. 2355), 238 (Nr. 2380-2384), 241 (Nr. 2415) und 247 (Nr. 2474-2477) angegebene Literatur sowie Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 194ff., und Wagner, Kaiserliche Diplomaten (wie Anm. 8). 12 ) APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), Nr. 28, 4 1 3 ^ 4 0 . 13 ) Vgl. Art. 9 der Münsterschen Hauptinstruktion: ebd. 401, und Art. 27 der Zusatzinstruktion: ebd. 424. 14 ) Art. 11 der Münsterschen Hauptinstruktion: ebd. 402. Aus Art. 13 der Zusatzinstruktion geht aber hervor, daß die Gesandten gleichzeitig den Auftrag hatten, gegenüber Spanien auf die Unmöglichkeit eines Beharrens auf dem Regensburger Frieden hinzuweisen, ebd. 419 f.
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struktion für die seinerzeitige Mission Herbersteins nach Paris15), was die Bereitschaft zur Restitution des Trierer Kurfürsten und zur Abtretung der Festungen Pinerolo und Moyenvic bei gleichzeitiger Ablehnung aller französischen Forderungen im Elsaß bedeutete.16) Vor allem aber sollten die Gesandten eine Erörterung der Forderungen der französischen Verbündeten vor den Verhandlungen über die eigenen Forderungen Frankreichs unter allen Umständen verhindern.17) Gegenüber Schweden sollten sich die Gesandten auf das von Oxenstierna 1635 selbst vorgeschlagene Schönbeckische Projekt und die auf seiner Grundlage unter Vermittlung Sachsens, Mecklenburgs und Brandenburgs geführten Verhandlungen berufen 18 ), obwohl in der Zusatzinstruktion die bereits in den geheimen Verhandlungen zwischen Lützow und Salvius abgestuft angebotenen weitergehenden Zugeständnisse bis hin zur Abtretung ganz Pommerns gegen Entschädigung Brandenburgs wiederholt wurden.19) Aufschlußreicher für die Haltung der kaiserlichen Politik sind naturgemäß die den Instruktionen vorangehenden Beratungen am Wiener Hof; zugleich veranschaulichen sie den Mechanismus der Entscheidungsfindung, der während der ganzen Dauer der Friedensverhandlungen im wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Ausarbeitung der Instruktionen und alle damit verbundenen Sachfragen wurden einem Gremium deputierter Räte20) übertragen, das im Juni und Juli 1643 unter dem Vorsitz des Reichs Vizekanzlers Kurz zusammentrat und sich aus einer Gruppe von Reichshofräten zusammensetzte, die alle neben juristischen Sachkenntnissen auch über politische Erfahrung verfügten, die sie sich bei diplomatischen Missionen im Reich erworben hatten. 21 ) Ihre Aufgabe war es, in ihrer Eigenschaft als „Experten" alle die kaiserliche Position stützenden Argumente sowie die nötigen Sachinformationen Vgl. zum Regensburger Frieden von 1630 Oktober 13 auch Ludwig Bittner, Chronologisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge. Bd. 1. Wien 1903, Nr. 234, 45, mit weiteren Literaturhinweisen. 15 ) Zusatzinstruktion Art. 30: APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), 425. 16 ) Vgl. die Instruktion für Herberstein: ebd. Nr. 24, 390ff. 17 ) Münstersche Hauptinstruktion Art. 14: ebd. 403. 18 ) Osnabrücker Hauptinstruktion Art. 6: ebd. Nr. 27,409. Vgl. zum Schönbeckischen Projekt und den auf seiner Grundlage geführten Verhandlungen Claes Theodor Odhner, Die Politik Schwedens im [!] Westphälischen Friedenscongress und die Gründung der schwedischen Herrschaft in Deutschland. Gotha 1877, 27 ff. Das Projekt beinhaltete als schwedische Minimalforderung eine finanzielle Entschädigung, Pommern als Sicherheit bis zur Bezahlung und die Amnestie der schwedischen Bundesgenossen. 19 ) Vgl. vor allem Zusatzinstruktion Art. 40: APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), 429f. 20 ) Vgl. zu dieser Einrichtung Schwarz, Privy Council (wie Anm. 6), 130f., und neuerdings Stefan Sienell, Die Geheime Konferenz von den Anfangen bis zum Sturz Lobkowitz' (1674). Forschungen zu ihrer Geschichte anhand der Wiener Archivalien. Staatsprüfungsarbeit am Institut für österreichische Geschichtsforschung, ungedr., Wien 1995, 6. 21 ) Im einzelnen handelte es sich dabei um die Reichshofräte Haubitz, Hiltprand, Gebhardt, Söldner, Walderode und Lindenspür; vgl. zu ihnen Oswald von Gschließer, Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806. Wien 1942, Register.
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis ihrer Beratungen wurde dann dem Geheimen Rat vorgelegt, der meist unter dem Vorsitz des Kaisers tagte 22 ) und die politischen Entscheidungen fällte. Im vorliegenden Fall fand die entscheidende Sitzung am 14. Juli statt 23 ), nach der der Kaiser zusätzlich eine Reihe von Einzelgutachten von Mitgliedern des Geheimen Rates einholte, um über den kaiserlichen Prinzipalgesandten zu entscheiden und die Ziele der kaiserlichen Verhandlungsführung weiter abzustecken. 24 ) Die Beratungen zeigen, daß die schließlich vereinbarte Verhandlungslösung eigentlich schon in der Anfangsphase der Beratungen vorhanden und absehbar war. Die Geheimen Räte rechneten schon damals mit der Forderung Frankreichs nach dem gesamten Elsaß. Martinitz schlug sogar den Verzicht auf Stadt und Bistum Straßburg vor, was aber damals wie später verworfen wurde. 25 ) Auch die späteren gradus observandi in den El saß Verhandlungen sind ansatzweise schon in dieser frühen Beratungsphase erkennbar und haben offenbar die spätere Verhandlungsführung in dieser Frage beeinflußt. 26 ) Daß das tatsächliche Angebot an Frankreich dann so gering ausfiel, war in erster Linie Trauttmansdorff zuzuschreiben, der mit verhandlungstaktischen Überlegungen wohl die Hoffnung auf eine Schwächung der französischen Position durch den Tod Ludwigs XIII. am 14. Mai 1643 verknüpfte. Daß diese Einschätzung nicht ganz unrealistisch war, wird durch die spätere Reaktion der französischen Gesandten deutlich, die gerade die Durchsetzung des eigenen Standpunktes in der Elsaßfrage zum Zeitpunkt der Regentschaft für einen minderjährigen König als großen und eigentlich unverhofften Sieg feierten. 27 ) Allerdings muß man für die Anfangsphase der Verhandlungen, abgesehen von der für den Kaiser noch relativ günstigen militärischen Lage, auch in Rechnung stellen, daß für die französische Seite zu diesem Zeitpunkt noch andere Fragen wie Katalonien, Portugal oder Savoyen von großer Wichtigkeit waren. 28 ) 22
) Schwarz, Privy Council (wie Anm. 6), 134. ) Das Datum ergibt sich aus der Randbemerkung über die Beschlußfassung auf dem Reinkonzept der Hauptinstruktion für Münster: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA), Reichskanzlei (RK), Friedensakten, 47b, Konv. c, fol. 6r, und aus den Randbemerkungen zu den Beratungen über das Votum der deputierten Räte: ebd. Fasz. 46d, fol. 507 r und 522'. Alle drei Randbemerkungen stammen von der Hand Justus Gebhardts; vgl. auch den Druck der ersten Randbemerkung in der textkritischen Anm. zu ZI: APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), 398. 24 ) Vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 37 ff. und Anm. 82. 25 ) Vgl. dazu ebd. 38 und 152, Anm. 72 gegen Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 554, der hier in die späteren kaiserlichen Angebote fälschlich auch die Stadt Straßburg miteinbezieht. 26 ) So argumentierte Schlick, daß man zuerst das Unterelsaß anbieten solle. 27 ) Vgl. den Bericht der französischen Gesandten an Königin Anna von 1646IX 17, zit. bei Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 199 und Anm. 302. 28 ) Vgl. dazu die Abschnitte 13 (Katalonien) und 21 (Portugal) der französischen Hauptinstruktion sowie die Nebeninstruktion für Savoyen: APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), lOlff., 112ff. und 119ff. 23
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Das Zurückgehen auf das Schönbeckische Friedensprojekt in der Instruktion für die Verhandlungen mit Schweden beruhte auf einer ausdrücklichen Entscheidung des Kaisers. 29 ) Man sah sich in Wien gegenüber den schwedischen Ansprüchen vor dem Dilemma, daß man Schweden bei den Geheimverhandlungen zwischen Lützow und Salvius Zugeständnisse im Hinblick auf Teile Pommerns und Geldzahlungen gemacht hatte, ohne jedoch Dänemark oder Brandenburg, die davon in erster Linie betroffen gewesen wären 30 ), über diese Verhandlungen zu informieren. Da man den Vorwurf fürchtete, unerlaubterweise auf Reichsgut verzichtet zu haben, ging man offiziell wieder auf den Schönbeckischen Traktat zurück und hoffte, daß die Vorschläge zu weiteren Zugeständnissen gegenüber Schweden von Seiten der Reichsstände erfolgen würden. Für die dadurch notwendig werdende Entschädigung Brandenburgs wurden schon damals Halberstadt und Magdeburg zur Diskussion gestellt, für die man die Hoffnung, sie der katholischen Religion zu erhalten, bereits aufgegeben hatte. Die deputierten Räte hatten in ihrem Instruktionsentwurf für die Osnabrükker Gesandten ursprünglich eine ganz andere Verhandlungslinie vorgesehen, nach der umgekehrt von den Schweden eine Entschädigung für die verursachten Kriegsschäden zu verlangen sei und von Anfang an die Fragen der Amnestie und der Friedenssicherung in den Mittelpunkt der Verhandlungen gestellt werden sollten. 31 ) Diese Vorschläge wurden jedoch vom Kaiser bei den Beratungen im Geheimen Rat verworfen, wohl weil man zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, die Fragen der Amnestie und der Gravamina unter Ausschluß Frankreichs und Schwedens mit den Reichsständen auf der Grundlage des Prager Friedens regeln zu können. Allgemeiner Friede hieß demnach für den Kaiser zu Anfang der Präliminarverhandlungen „Ausgleich mit Frankreich und Schweden ohne Behandlung der inneren Probleme des Reiches, um das System des Prager Friedens zu retten und die reichsständische Bewegung ... abzufangen. Erst wenn die beiden Kronen nach Erfüllung ihrer Forderungen das Interesse an den reichsständischen Problemen verloren hätten, sollten die Ansprüche ihrer mit dem Kaiser noch nicht ausgesöhnten Verbündeten behandelt werden, wobei Pfalz und Erblande von der allgemeinen Amnestie ausgenommen bleiben sollten". 32 ) Die Präliminarverhandlungen schleppten sich über ein Jahr hin, ohne wesentliche Fortschritte zu machen. Beide Seiten warfen einander Verschlep-
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) Vgl. die Randbemerkung von der Hand Gebhardts auf dem Entwurf zur Osnabrücker Instruktion: HHStA, RK, Friedensakten, 46d, fol. 526 v . 30 ) Vgl. in diesem Sinn auch das Gutachten Auerspergs zur Instruktion in der Beilage zu seinem Bericht von 1643 XI 30: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 10), Nr. 108, 145. 31 ) Vgl. den Instruktionsentwurf (wie Anm. 29), fol. 526 v -529 r . 32 ) So formuliert treffend Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 41. ff.
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pung vor und hatten mit diesem Vorwurf j e w e i l s recht. 3 3 ) Endlos wurde um die Form und den Austausch der Vollmachten gestritten, der ab September 1644 langsam in Gang kam. 3 4 ) Der Kaiser hoffte nach dem schwedischen Einfall in Holstein gerade während des Jahres 1644 auf eine Offensivallianz mit Dänemark 3 5 ) und eine Verbesserung der militärischen Lage und hatte sich noch nicht endgültig mit allgemeinen Friedensverhandlungen abgefunden. Ungeachtet dessen nahm der Kongreß natürlich seinen Fortgang. Einmal in Gang gesetzt, entwickelten die Verhandlungen eine Eigendynamik, die einen gewissen Zwang zu weiterer Verhandlungsbereitschaft hervorrief. Auch wenn man in der Sache nicht weiter kam - oder vielleicht gerade deshalb - , gab es einen intensiven Austausch von Weisungen und Berichten zwischen dem Wiener Hof und den Kongreßorten und eingehende Beratungen aller dieser Berichte durch deputierte und Geheime Räte. 3 6 ) Dazu kam die Notwendigkeit, den kaiserlichen Standpunkt vor allem hinsichtlich des Stimmrechts der Reichsstände auf dem seit Anfang 1643 tagenden Frankfurter Deputationstag 3 7 ) zu formulieren, so daß zu manchen Zeiten fast täglich Sitzungen stattfanden und die Reichskanzlei Schwierigkeiten hatte, alle nötigen Schriftstücke auszufertigen, was wiederholt zu Klagen der Gesandten führte. 3 8 ) Als
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) Am 13. April 1644 beklagte Ferdinand III. in einer Weisung an Nassau und Volmar, „das die Franzößischen gesandten ... zue gar kheinem tractat eine intention haben, bis daz werckh zwischen Dennemarckh und Schweeden accomodiert" (APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 [wie Anm. 10], 337), wies sie aber gleichzeitig an, den Austausch der Vollmachten und damit die Eröffnung der Verhandlungen hinauszuschieben; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 52 und 364. Klagen über Verschleppungen gab es auch auf dem Frankfurter Deputationstag; vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 10), 557. 34 ) Der erste Austausch der Vollmachten mit Schweden erfolgte am 11. September, vgl. ebd. Nr. 396, 631 und Nr. 400, 636. Es dauerte dann aber noch bis Dezember, bis der Austausch der Originalvollmachten in Osnabrück zustandekam, der Austausch in Münster erfolgte gar erst im Februar 1645; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 63 und Anm. 196. 35 ) Vgl. dazu die ausführliche Weisung an Auersperg von 1643 XII 15: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 10), Nr. 116, 163 ff. 36 ) Ein von Karsten Ruppert zusammengestelltes Verzeichnis der Gutachten zu Berichten und Weisungen findet sich in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2. Münster 1976, 607-619. Ein Großteil dieser Gutachten von 1644 liegt in einem Sonderkonvolut in HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 46g. 37 ) Einen Überblick zur Tätigkeit des Frankfurter Deputationstages bieten Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 113-117, und Roswitha von Kietzeil, Der Frankfurter Deputationstag von 1642-1645, in: NassAnn 83,1972,99-119. Die Akten von kaiserlicher Seite finden sich in HHStA, RK, Reichstagsakten, Fasz. 110-121k. Der Kaiser war hier durch Graf Ernst von Öttingen und Johann Christoph Metzger, außerdem in seiner Eigenschaft als Reichsstand durch mehrere Gesandte - mit dem Grafen Georg Ulrich von Wolkenstein an der Spitze - vertreten; vgl. zu allen dreien Gschließer, Reichshofrat (wie Anm. 21), 222f., 237 und 249f. Eine eingehende Untersuchung des auch für die Verhandlungen in Münster und Osnabrück aufschlußreichen Geschehens am Frankfurter Nebenschauplatz steht noch aus. 38 ) So wurden die Beilagen zu den Hauptinstruktionen nach mehreren Urgenzen erst gegen
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sich die Hoffnung auf militärische Erfolge, nicht zuletzt durch die Schuld des kaiserlichen Oberkommandierenden Gallas, im Lauf des Jahres zerschlug, konnte sich auch die kaiserliche Seite dem Drängen der Vermittler auf Austausch der Propositionen nicht länger entziehen.
III. Das Ringen um die Propositionen Mit dem ersten Austausch von Propositionen am 4. Dezember 164439) wurden die gegenseitigen Forderungen und Angebote erstmals offiziell auf den Tisch gelegt, womit das Tauziehen, sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, beginnen konnte. Die kaiserlichen Gesandten verlangten in ihrer Proposition gegenüber Frankreich, die im wesentlichen auf den §§ 10 und 11 ihrer Hauptinstruktion beruhte40), die Wiederherstellung des Regensburger Friedens von 1630 sowie die Restitution aller eroberten Gebiete einschließlich Lothringens.41) In der den Schweden vorgetragenen Proposition wurde die Forderung nach Verhandlungen auf der Grundlage des Schönbeckischen Projekts erhoben. 42 ) Demgegenüber verlangten Frankreich und Schweden als Vorbedingung für substantielle Verhandlungen die gleichberechtigte Zulassung der Reichsstände, Frankreich außerdem die Freilassung des Trierer Kurfürsten. Die kaiserlichen Gesandten reagierten speziell auf die französische Proposition mit Enttäuschung und Empörung. Sie hatten ein substantielles Verhandlungsangebot erwartet und fühlten sich nun zum besten gehalten. Aber Frankreich und Schweden hatten sich wie der Kaiser vor dem Dilemma gefunden, Bedingungen zu formulieren, die die Reichsstände nicht dem Gegner in die Arme treiben würden, und daher die Erwähnung territorialer Forderungen vermieden. Während der Kaiser gehofft hatte, daß nach einer Einigung mit Frankreich und Schweden deren Interesse an einer Unterstützung reichsständischer Forderungen rasch erlahmen würde, hofften die beiden Kronen umgekehrt, die Reichsstände durch die Unterstützung ihrer Forderungen für die eigenen terriEnde 1643, der Text des Schönbeckischen Projekts gar erst im November 1644 den Gesandten zugestellt, vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 10), 658. 39 ) Am 4. Dezember tauschten der Kaiser und Spanien ihre Propositionen mit Frankreich aus, gleichzeitig ließen die kaiserlichen Gesandten in Osnabrück ihre Proposition den Schweden mündlich vortragen, die zwei Tage danach mit ihrer eigenen Proposition schriftlich antworteten; vgl. die Berichte Lambergs und Kranes 1644 XII5 und 8: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), Nr. 46, 85 und Nr. 49, 89, sowie den Bericht Nassaus und Volmars XII9: ebd. Nr. 50, 90-93. Ebd. 90, Anm. A und 93, Anm. 1-3, finden sich auch alle Angaben zur Überlieferung der einzelnen Texte. 40 ) Bericht Nassaus und Volmars aus Münster 1644 XII 2: ebd. Nr. 44, 80. 41 ) Vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 86, Anm. 95. 42 ) Als die Schweden Unwissenheit vorschützten, verwiesen sie Lamberg und Krane, die zu diesem Zeitpunkt selbst noch keinen Text des Projekts in Händen hatten, auf den Druck in Londorps „Acta publica"; vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), 85.
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torialen Ansprüche gewinnen und darüber hinaus auf den Kaiser Druck ausüben zu können. Zudem waren in der Diskussion um die Erstellung der Propositionen erhebliche Differenzen zwischen den beiden Mächten sichtbar geworden, die mit der propagandistischen und obendrein uneinheitlich formulierten43) Forderung nach einer Teilnahme der Reichsstände an den Verhandlungen überbrückt werden konnten.44) Die kaiserlichen Gesandten scheinen diese Beweggründe der Gegenseite nicht zur Gänze erkannt zu haben. Sie interpretierten die gegnerischen Propositionen ausschließlich als Zeichen mangelnden Friedenswillens und als Verzögerungstaktik zur Fortsetzung der Feindseligkeiten.45) Was die Reaktion des Wiener Hofes betrifft, so nahm der Kaiser vor allem Anstoß an der Forderung nach gleichberechtigter Teilnahme der Reichsstände, zu deren Erfüllung er sich noch nicht durchringen konnte.46) Er sah darin einen Angriff auf seine kaiserlichen Rechte und seinen Anspruch, allein zur Vertretung des Reiches nach außen berechtigt zu sein. Mit den Kurfürsten war er sich in dem Wunsch einig, die Teilnahme der Stände auf eine beratende Rolle im Rahmen der Frankfurter Reichsdeputation zu beschränken, wo trotz aller Schwierigkeiten eine gute Aussicht bestand, mit seinen Vorstellungen durchzudringen47); gleichzeitig hoffte er noch immer auf die Möglichkeit der Erhaltung des Prager Friedens.48) Zusammen mit seinen Beratern und unter dem Einfluß der Berichterstattung seiner Gesandten zog er aus den gegnerischen Propositionen darüber hinaus den Schluß, daß die Gegner überhaupt nicht an 43
) In der französischen Proposition wird verlangt, das Erscheinen aller Stände abzuwarten, die ein Recht auf Teilnahme hätten, in der schwedischen ist ausdrücklich von Kurfürsten, Fürsten und Städten die Rede. 44 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 170 f. 45 ) So etwa Volmar in seinem Schreiben XII9: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), Nr. 51, 94, oder weitere Gesandtenberichte: ebd. Nr. 57, 103, Nr. 62, 113 und Nr. 64, 118. Es darf aber nicht übersehen werden, daß es verschiedentlich Anhaltspunkte für eine solche Interpretation gab, etwa in den Äußerungen von schwedischer Seite, „daß werck müesse mit dem degen außgefüehrt werden"; vgl. den Bericht Lambergs und Kranes 1645 II 16: ebd. Nr. 99, 190. 46 ) Vgl. dazu vor allem seine Weisung an die Kommissare in Frankfurt 1645 I 13: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 48b, fol. 9-12 (Kopie) und APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), 221 und Anm. 1. Der Weisung war eine Mitteilung an die Kurfürsten gemäß der Gutachten der deputierten und Geheimen Räte 1644 XII 21 und 1645 I 1 vorausgegangen; vgl. HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 46g, fol. 320-323 und ebd. Fasz. 49b, fol. 1. 47 ) Allerdings war dort im Fürstenrat schon sehr früh auch unter katholischen Ständen wie Konstanz oder Würzburg der Ruf nach dem ius suffragii laut geworden; vgl. die Berichte Nassaus und Volmars 1644 II 12 und VI 9/10: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 10), Nr. 182, 275 und Nr. 283, 468, und vor allem die Klage Volmars IX 16: ebd. Nr. 404, 641, „daß darmit nit nur die protestierende, sondern vornemblich unsere geistliche bischöff und praelaten interessirt seind und disen puncten fast mehr als die Protestanten treiben". 48 ) Daß mit dieser Haltung zwei wichtige Hindernisse für einen Fortschritt bei den Verhandlungen vorlagen, wurde auch von den Zeitgenossen hervorgehoben; vgl. die im Bericht Lambergs und Kranes 1645 II 24 wiedergegebene Meinung der hanseatischen Gesandten: ebd. Nr. 103, 196.
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einem Friedensschluß interessiert seien, sondern den völligen Zusammenbruch der kaiserlichen Macht anstrebten, um dann ihre Bedingungen diktieren zu können. Das war jedenfalls die übereinstimmende Meinung der Gutachten, die Ferdinand III. Anfang 1645 von Mitgliedern des Geheimen Rates einholte. Sie gehören zu den Beispielen, die uns die Meinung einzelner Ratgeber überliefern und stellen daher eine besonders wertvolle Quelle für den Prozeß der Meinungsbildung am Wiener Hof dar. 49 ) Der Kaiser hatte seinen engsten Beratern die Frage gestellt, wie man am ehesten zu einem Frieden gelangen könnte und was im Falle eines Abfalls der Reichsstände zu tun wäre. Es ist interessant zu sehen, daß die Räte insgesamt keine Hoffnungen auf die Verhandlungen setzten; Reichsvizekanzler Kurz trat sogar dafür ein, den Kongreß mit Hilfe des Papstes aufzulösen, wobei erneut die französische Proposition zum Anlaß für die Zweifel am Friedenswillen Frankreichs genommen wurde. 50 ) Dementsprechend sprachen alle Gutachten davon, daß der Friede allein durch militärische Erfolge erreichbar sei, und empfahlen eine Reorganisation des Heeres und weitere Rüstungen. Die Geheimen Räte Slawata, Khevenhüller und Kolowrat forderten darüber hinaus den Kaiser auf, persönlich die Führung der Armee zu übernehmen. 51 ) Weitgehende Übereinstimmung herrschte auch über die Notwendigkeit eines Friedensschlusses mit Räköczi, der dem Kaiser im Rücken gefährlich werden konnte, und über den Wunsch, mit Hilfe des Papstes ein Bündnis mit den italienischen Fürsten zustandezubringen. Trauttmansdorff und Kurz betonten darüber hinaus die Wichtigkeit des Einvernehmens mit Bayern. 52 ) An der Realität vorbeizugehen scheint die Stellungnahme des Grafen Slawata, der trotz seiner Überzeugung vom mangelnden Friedenswillen Frankreichs einen neuerlichen Vorstoß zu Sonderfriedensverhandlungen durch den Pater Herberstein vorschlug. 53 ) Einigkeit herrschte auch in der Beantwortung der zweiten Frage des Kaisers nach dem Verhältnis zu den Reichsständen. Da eine Trennung von ihnen unter allen Umständen vermieden werden sollte, war das schrittweise Nachgeben des Kaisers in der Frage ihrer Beteiligung an den Friedensverhandlungen schon vorgezeichnet.
49
) Vgl. zu ihnen Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 76 ff. Zum Text der Gutachten ebd. 364 ff. 50 ) Kurz klagt, „es ist nun so vil jähr, daß man mit den praeliminaribus verzehret, unnd alß man die proposition verhofft, so khombt ein gar Euer Kayserlichen Maiestätt unmögliches praeliminar heraus"; vgl. den Druck des Gutachtens bei Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 389 f. 51) Ebd. 78 f. 52 ) Vgl. den Text ihrer Gutachten: ebd. 371 und 391. Kurz' Gutachten ist bei weitem das längste und entspricht seiner Zuständigkeit und Erfahrung in Fragen der Außenpolitik. Bei. der Bewertung seiner Haltung müssen allerdings die durch die Stellung seines Bruders in München bedingten engen Kontakte zu Bayern stets mitberücksichtigt werden. 53 ) Gutachten Slawatas: ebd. 372 ff.
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Die Niederlage bei Jankau 54 ) bereitete allen Spekulationen um einen „Frieden durch Stärke" ein Ende und machte klar, daß es für den Kaiser langfristig keine Alternative zu einem allgemeinen Frieden auf der Grundlage der Münsterschen und Osnabrücker Verhandlungen geben konnte. In militärischer Hinsicht führte sie für den Rest des Jahres zu einer höchst kritischen Situation55), deren Gefährlichkeit durch den dadurch verursachten Abbruch der Friedensverhandlungen mit Siebenbürgen und das anschließende französischsiebenbürgische Bündnis noch erheblich verstärkt wurde.56) Daß der Kaiser diese Situation halbwegs unbeschädigt überstand, war einer Verbindung von Glück und Geschick - vor allem bei der sehr riskanten Unterstützungsaktion Erzherzog Leopold Wilhelms für Bayern im Herbst 164557) - , nicht zuletzt aber dem Einfluß der Pforte auf Siebenbürgen zu verdanken, der zum Frieden mit Räköczi und damit zu einer lebenswichtigen Entlastung im Osten führte. 58 ) Auf die kaiserliche Verhandlungsführung beim Kongreß hatte Jankau keine unmittelbaren Auswirkungen. Allerdings haben die Friedensverhandlungen dadurch für den Kaiser erheblich an Bedeutung gewonnen, während seine Verhandlungsposition gleichzeitig geschwächt und sein politischer Handlungsspielraum weiter eingeschränkt wurde. Vor wie nach Jankau wiederholte der Kaiser in immer neuen Weisungen die Forderung nach Überreichung einer substantiellen französischen Proposition.59) Dafür, daß man sich kaiserlicherseits so sehr auf Frankreich konzentrierte, lassen sich verschiedene Gründe anführen. Man wußte über die konkreten französischen Gebietsansprüche im Vergleich zu Schweden nach wie vor relativ wenig. Darüber hinaus wollte man die Unstimmigkeiten ausnützen, die im Hinblick auf die Übergabe der Hauptpropositionen innerhalb der französischen Delegation, zwischen den Gesandten und ihrer Regierung sowie zwischen Frankreich und Schweden bestanden, das Verhältnis zwischen dem Papst und Frankreich im Sinne der zu Jahresbeginn angestellten Überlegungen beeinflussen und nicht zuletzt durch
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) Vgl. dazu zuletzt Thomas Winkelbauer, Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Sonderbd. 3, 1997, 1-15, bes. Anm. 23. 55 ) Vgl. Peter Broucek, Der Schwedenfeldzug nach Niederösterreich 1645/46. Wien 1967, 8 ff. 56 ) Vgl. Roderich Gooss, Österreichische Staatsverträge: Fürstentum Siebenbürgen. Wien 1911, 745-765, und APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), 266 Anm. 2. 57 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 125 f. 58 ) Vgl. Georg Wagner, Österreich und die Osmanen im Dreißigjährigen Krieg, in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 14, 1984, 325-392, hier bes. 349ff. und 359 ff. 59 ) Vgl. die wiederholten Weisungen Ferdinands III., in Klammem die entsprechende Nummer in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36): 1644 XII 21 (58), 1645 II 22 (102), IV 18 (132), IV 26 (141), V 10 (151), V 17 (156), VI 7 (170).
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eine Festlegung Frankreichs auf Friedensbedingungen bayerischen Separatverhandlungen die Grundlage entziehen. Frankreich hat in diesem Tauziehen eine gewisse Nachgiebigkeit in Detailfragen erkennen lassen. In einer Neufassung der ersten Proposition wurde der Ton gemildert, im April 1645 erfolgten - ohne selbst eine Proposition vorzulegen - substantielle, wenn auch im wesentlichen ablehnende Antworten auf die Propositionen des Kaisers und Spaniens.60) Der Kaiser seinerseits signalisierte den Reichsständen Entgegenkommen durch die Ankündigung der Aufhebung des effectus suspensivus und durch seine Bereitschaft, den Deputationstag notfalls von Frankfurt nach Münster zu verlegen.61) Frankreich gegenüber wurde mit der Freilassung des Trierer Kurfürsten, der allerdings den Prager Frieden annehmen mußte62), eine der französischen Vorbedingungen für den Beginn der Hauptverhandlungen erfüllt. Die Übergabe der Hauptpropositionen Frankreichs und Schwedens am 11. Juni 164563), auf die der Kaiser mit Unterstützung der Vermittler ein halbes Jahr lang gedrängt hatte, bedeutete für ihn einen gewissen Erfolg in einer sonst sehr schwierigen Situation; über den Inhalt konnte er aber sicher keine große Befriedigung empfinden. Frankreich und Schweden setzten mit den 17 Artikeln ihrer Propositionen, die zwar miteinander und aufeinander abgestimmt waren, aber nicht völlig übereinstimmten, die eingeschlagene Politik des Versuchs, Kaiser und Stände weiter voneinander zu trennen, fort. 64 ) Beide Propositionen beschäftigen sich fast ausschließlich mit den Anliegen der Reichsstände, mit den Problemen der Reichsverfassung, der Restitution und der Amnestie, für die 1618 als „Normaljahr" verlangt wird. Außerdem werden für die Stände das Stimmrecht beim Kongreß und das Bündnisrecht gefordert sowie die Einhaltung der Reichsrechte und das Verbot der Königswahl vivente imperatore. Die Satisfaktion der Kronen, auf deren Bedingungen es dem Kaiser vor allem angekommen wäre, wird nur in sehr allgemeinen Wendungen er«>) Vgl. den Bericht Nassaus und Volmars 1645 IV 27: ebd. Nr. 142, 274f. 61 ) Weisung Ferdinands III. von 1645 III 29: ebd. Nr. 120, 235. Zur tatsächlichen Aufhebung des effectus suspensivus kam es allerdings erst im Oktober; vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 243. 62 ) Im Freilassungsvertrag von 1645 IV 12; vgl. Karlies Abmeier, Der Trierer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern und der Westfälische Friede. Münster 1986, 14, und Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 177. 63 ) Frankreich überreichte seine Proposition den Vermittlern, die sie einen Tag später an die kaiserlichen Gesandten weitergaben; die schwedische Proposition wurde am 11. Juni vom schwedischen Gesandtschaftssekretär Mylonius direkt dem Grafen Lamberg übergeben; vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), Nr. 173, 336ff. und Nr. 177, 345ff. Zur Textüberlieferung der Propositionen vgl. ebd. 339, Beilage 1 und 350, Beilage 2. M ) Zur Beurteilung vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 183. Die Formulierung der schwedischen Proposition beruht zum Teil wörtlich auf dem Forderungsprogramm der protestantischen Stände, das der hessische Gesandte Scheffer im März 1645 überreicht hatte; vgl. ebd. 181 und Erwin Bettenhäuser, Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Wiesbaden 1983, 38 ff.
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wähnt; aus dem Text allein könnte man den Schluß ziehen, daß weder Frankreich noch Schweden irgendeine Absicht gehabt hätten, überhaupt Gebietsansprüche zu erheben.65) Die Forderung nach einer Regelung der Religionsgravamina ist nur in den Artikeln 4 und 7 der schwedischen Proposition enthalten, weil Frankreich zum großen Ärger der Schweden die entsprechenden Passagen nach Einwänden des päpstlichen Vermittlers aus seiner Proposition wieder herausnahm.66) Die französische Proposition enthielt dafür zusätzlich die Forderung nach einer Zusage des Kaisers, sich künftig an keinem Krieg zwischen Frankreich und Spanien zu beteiligen (Art. 3). Die ungemein komplizierten und langwierigen Beratungen zur Formulierung der kaiserlichen Antwort auf die beiden Propositionen, die sich den ganzen Sommer über hinzogen, lassen denselben Mechanismus der Entscheidungsfindung erkennen, wie er bereits bei den Beratungen über den Entwurf der Instruktionen zu beobachten war. Die Propositionen wurden fast unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Wien zuerst dem Reichshofrat zur Prüfung übergeben, der in mehrtägigen Sitzungen im Juli alle mit ihnen zusammenhängenden Rechts- und Sachfragen behandelte. Das Ergebnis der Beratungen wurde in Form eines umfangreichen Gutachtens67) dem Geheimen Rat vorgelegt, der in der ersten Augusthälfte unter dem Vorsitz des Kaisers darüber beriet. Zusätzlich wurde dieses Mal auch der bayerische Kurfürst Maximilian mit in die Beratungen einbezogen, den der Reichsvizekanzler über die geplanten kaiserlichen Antworten informierte.68) Der Sommer 1645 bedeutete für den Kaiser und seine Ratgeber solcherart eine Zeit intensivster Tätigkeit.69) Denn neben den langwierigen Beratungen und der nicht weniger langwierigen Erstellung umfangreicher Gutachten über die Propositionen bzw. der eigenen Antworten darauf mußten gleichzeitig die Verhandlungen mit Siebenbürgen fortgesetzt und eine Entscheidung über die Form der Zulassung der Reichsstände zu den Friedensverhandlungen getroffen werden. Diese Zulassung war von vielen Ständen, an ihrer Spitze Hessen65
) Die schwedischen und französischen Gesandten haben übrigens noch im September 1645 beteuert, keine Gebietsansprüche gegenüber dem Reich zu haben; vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), Nr. 231, 472 und Nr. 238, 486. 66 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 103. Die Religionsverhandlungen waren damit endgültig nach Osnabrück verlegt. 67 ) Es scheint nur in einem - unvollständigen - Exemplar in HHStA, Bavarica, Fasz. 2c, erhalten zu sein; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 104 Anm. 193. 68 ) Zu den gesamten Beratungen vgl. ebd. 104-119. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 241 f., behandelt nur die Endphase dieser Beratungen. Zu den Verhandlungen mit Bayern vgl. zuletzt Gerhard Immler, Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Münster 1992, 167 ff., und APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), 343 f. 69 ) Auf die enorme Geschäftsbelastung, die die Friedensverhandlungen für die kaiserlichen Behörden bis hin zum Kaiser selbst bedeuteten, verweist Repgen, Ferdinand III. (wie Anm. 8), 156.
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Kassel, von Anfang an verlangt, von Frankreich und Schweden früh aufgegriffen, aber vom Kaiser, die Vision eines „Monsterkongresses" vor Augen, auf dem ihn die Kronen im Verein mit den Ständen um seine kaiserlichen Rechte bringen würden, stets perhorresziert worden. Aber auch der Kaiser konnte sich der Notwendigkeit von Zugeständnissen in dieser Frage nicht verschließen, die anfangs im Angebot einer Verlegung der Reichsdeputation nach Münster bestanden und schließlich am 29. August zur Einladung aller Stände zur Teilnahme am Kongreß führten.70) Die als Ergebnis der sommerlichen Beratungen am 25. September in Münster und Osnabrück verlesenen kaiserlichen Antworten71) sind in mehreren Entwürfen erhalten, so daß sich ihre Entstehung und die Argumentation der Räte gut nachvollziehen lassen.72) Selbstverständlich war, daß das Assistenzverbot für Spanien, das Verbot der Königswahl vivente imperatore, aber auch eine allgemeine Amnestie und Restitution auf der Basis des „Normaljahrs" 1618 abgelehnt wurden. Im übrigen aber kam der Kaiser den Ständen bei allen Reichs- und Religionsgravamina weit entgegen. Das Bündnisrecht und die ständische Teilhabe an den kaiserlichen Hoheitsrechten wurden in den Beratungen vom August und September 1645 zugestanden73), wobei entsprechende Vorbehaltsklauseln eine spätere prokaiserliche Interpretation offenlassen sollten. Der Kaiser konnte damit die Versuche, die Reichsverfassung grundlegend umzustürzen, abwehren und gleichzeitig die Grundlage für ein weiteres Zusammenwirken mit den Ständen legen, das sich in der Endphase des Kongresses noch zu seinen Gunsten auswirken sollte.74)
IV. Die Hauptverhandlungen bis zu den Vertragsentwürfen vom Juni 1647 Mit dem absehbaren Beginn der Hauptverhandlungen ergab sich für den Kaiser und seine Berater nochmals die Notwendigkeit, die eigene Position zu überprüfen; dazu hat Ferdinand III. wie zu Anfang des Jahres Einzelgutachten 70
) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 93 und Anm. 136/137. ) Vgl. dazu die Berichte Lambergs und Kranes bzw. Nassaus und Volmars von 1645 IX 28 und 29: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), Nr. 240, 489 ff. und Nr. 241, 493 f. 72 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 102 ff. und 118 Anm. 238, zu den einzelnen Entwürfen der Responsiones. 73 ) Speziell zum Bündnisrecht vgl. Friedrich von Bezold, Das Bündnisrecht der deutschen Reichsfürsten bis zum Westfälischen Frieden. Bonn 1904, und Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 114f. und Anm. 228. 74 ) Zur Beurteilung der Responsiones ebd. 116 ff. Die Reichsstände verzichteten übrigens auf die Möglichkeit, zu den kaiserlichen Responsiones Stellung zu nehmen, und erklärten sich mit ihrer umgehenden Weiterleitung an Frankreich und Schweden einverstanden; vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 243. 71
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
von den wichtigsten Geheimen Räten eingeholt.75) Trauttmansdorff hat dabei das Ausräumen der Streitfragen mit den Reichsständen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt. Gegenüber den Kronen machte er die geringsten Zugeständnisse; er glaubte, eine Abtretung des Elsaß vermeiden zu können, und wollte Schweden eine Geldentschädigung oder allenfalls Pommern anbieten. In der Pfalzfrage rechnete er hingegen mit der Möglichkeit einer Restitution auch der Oberpfalz. Viel größere territoriale Zugeständnisse hielt der Hofkanzler Prickelmayer für notwendig: das Elsaß müsse an Frankreich, Pommern, Bremen und eventuell auch Magdeburg an Schweden abgetreten werden. Die übrigen Gutachten hielten sich an eine mittlere Linie zwischen diesen beiden Positionen, alle lehnten die Amnestie und Restitution in den Erblanden auf der Basis eines „Normaljahrs" 1618 ab. Zum Einschluß Spaniens in den Frieden kamen nur von Martinitz und Kolowrat genauere Stellungnahmen, die die Notwendigkeit eines einseitigen Friedensschlusses nicht mehr völlig ausschlössen. Auf der Grundlage dieser Gutachten wurde die Geheiminstruktion für Trauttmansdorff erstellt, an deren Formulierung er wohl auch selbst wesentlich beteiligt war.76) Sie stellt, wie Ruppert bemerkt hat77), weniger eine Anweisung dessen dar, was erreicht, sondern vielmehr dessen, was vermieden werden sollte. Die Hauptverhandlungen, die praktisch mit der Diskussion um die kaiserlichen Responsiones auf die Hauptpropositionen Frankreichs und Schwedens eingesetzt hatten, traten mit dem Eintreffen des Grafen Trauttmansdorff in Münster Ende November 164578) in eine entscheidende Phase, da seine Entsendung allgemein als Zeichen für den ernsten Friedens- und Verhandlungswillen des Kaisers gewertet wurde. Mit Dickmann kann man davon sprechen, daß Trauttmansdorff durch seine Vertrauensstellung beim Kaiser wie durch seine politische Kompetenz und seine weitreichenden Vollmachten zur dominierenden Persönlichkeit des Kongresses wurde. Er kam mit der Zielvorstellung nach Münster und Osnabrück, zuerst eine möglichst weitgehende Verständigung zwischen Kaiser und Reichsständen bezüglich aller Reichs- und Religionsgravamina zu erreichen, um dann auf dieser Grundlage die Zugeständnisse gegenüber den Kronen gering halten zu können.79) Daß dabei auch 75
) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 129 ff., und APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), 345 f. ) Das ist nicht zuletzt auch auf Grund des in seinem Archiv erhaltenen kaiserlichen Entwurfs der Geheiminstruktion vom 9. Oktober zu vermuten, der von Kathrin Bierther entdeckt wurde; vgl. Bierther, Edition (wie Anm. 5), 8 Anm. 19. Vgl. im übrigen zum vermuteten Anteil Trauttmansdorffs an der Geheiminstruktion Wagner, Einleitung (wie Anm. 9), 346 f., und die folgende Anm. 77 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 133. 78 ) Vgl. das Schreiben Trauttmansdorffs an Ferdinand III. 1645 XII 1: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3. Münster 1985, Nr. 3, 3. 79 ) Schreiben Trauttmansdorffs von 1645 XI 1, XI 20 und XI 28: APW Ser. II. Abt. A. 76
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Politik
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territoriale Zugeständnisse nötig sein würden, war ihm natürlich bewußt, aber er wollte sie primär mit den Schweden verhandeln, da hier keine Abtretungen habsburgischen Besitzes zur Diskussion standen.80) Am 7. Jänner 1646 waren mit der mündlichen Replik der beiden gegnerischen Mächte auf die kaiserlichen Responsiones zum ersten Mal deren Gebietsansprüche offiziell mitgeteilt worden.81) Der Eindruck dieser Eröffnung, die durch den Umfang ihrer Forderungen den bisherigen Beteuerungen so sehr widersprach, ließ Trauttmansdorff verstärkt auf eine Einigung der Reichsstände mit dem Kaiser hoffen. 82 ) Seine Erwartungen haben sich aber nur teilweise erfüllt. Zwar kam er mit den Schweden auf der Grundlage der Abtretung des Erzstifts Bremen und halb Pommerns zu einer weitgehenden Einigung über deren territoriale Ansprüche83), aber bei der Regelung der Gravamina-Frage waren rasche Fortschritte nicht zu erwarten, weil es hier nicht nur um eine Einigung zwischen Kaiser und Protestanten, sondern auch zwischen den Konfessionen ging. Dabei war mit dem Widerstand Bayerns zu rechnen, das auch gegen eine Verlegung der Religionsverhandlungen nach Osnabrück Stellung bezog.84) Vor allem aber drängte der bayerische Kurfürst auf Verhandlungen mit Frankreich über die Elsaßfrage, weil er nur bei einer raschen Befriedigung der französischen Ansprüche auf die französische Unterstützung der bayerischen Wünsche in der Pfalzfrage und des katholischen Standpunktes bei den Beratungen der Reichsstände hoffen konnte.85) Noch vor Trauttmansdorffs Eintreffen auf dem Kongreß hatte der Kaiser seine Gesandten angewiesen, Verhandlungen mit Frankreich aufzunehmen und gemäß den Instruktionen von 1643 die lothringischen Bistümer sowie Pinerolo anzubieten; Trauttmansdorff hat bei seiner ersten Unterredung mit den Vermittlern noch Moyenvic - ebenfalls gemäß den Instruktionen von 1643 hinzugefügt. 86 ) Unter dem Druck der ultimativen Forderungen Bayerns mußten diese Angebote aber schrittweise erweitert werden.87) Nach intensiven BeBd. 2 (wie Anm. 36), 548, 585, 605. Vgl. auch Diekmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 246. 80 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 145 und 147. Wie Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 245, bemerkt, ist Trauttmansdorff damit von seiner noch 1643 vertretenen Meinung abgegangen, zuerst eine Einigung mit Frankreich zu versuchen. 81 ) Vgl. die Berichte Trauttmansdorffs, Lambergs und Kranes bzw. Nassaus und Volmars von 1646 1 8 und 9: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 84, 113ff„ Nr. 85, 120 und Nr. 86, 122ff., sowie Immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 214. 82 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 250 f. 83 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 172-174 und 180. 84 ) Vgl. vor allem das Schreiben Kurfürst Maximilians an Trauttmansdorff 1646 II 7: ebd. 261-263. 85 ) Immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 214 ff. Vgl. auch APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 6. 86 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 144 f. 87 ) Eine genaue Darstellung der Elsaßverhandlungen findet sich ebd. 144-171. Vgl. auch Diekmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 221-250 und 279-308, sowie Konrad
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
ratungen d e s G e h e i m e n Rates, in die auch der Kaiser eingegriffen hatte, u m zu vermeiden, daß ihr Ergebnis z u der nur i h m und Trauttmansdorff bekannten Geheiminstruktion in Widerspruch geriet 8 8 ), wurde mit den gradus
obser-
vandi ein in mehreren Schritten abgestuftes A n g e b o t des österreichischen B e sitzes i m Elsaß entwickelt, als d e s s e n erste Stufe das Unterelsaß angeboten werden s o l l t e . 8 9 ) I m Verlauf der Verhandlungen beurteilte Trauttmansdorff die M ö g l i c h k e i t einer Einigung mit Frankreich i m m e r skeptischer 9 0 ), außerdem wurde sein Verhandlungsspielraum durch weitere bayerische Drohungen, mit Frankreich in Separatverhandlungen einzutreten 9 1 ), und durch das offensichtliche W i s s e n der Franzosen u m die Zugeständnisse, zu denen er ermächtigt war, stark eingeschränkt 9 2 ). S c h o n früher hatte sich bei verschiedenen G e l e genheiten i m m e r w i e d e r g e z e i g t , daß die Franzosen über die kaiserlichen Verhandlungsziele informiert waren 9 3 ), der vorliegende Fall aber war besonders gravierend. Karsten Ruppert vermutet eine Weitergabe der gradus
an Frank-
Repgen, Über den Zusammenhang von Verhandlungstechnik und Vertragsbegriffen. Die kaiserlichen Elsaß-Angebote vom 28. März und 14. April 1646 an Frankreich, in: ders., Historische Klopfsignale für die Gegenwart. Münster 1974, 64-96. Von einem gewissen Interesse ist daneben auch noch die ältere, wenig bekannte Studie von Norbert Herz, Die Stellung von Elsaß-Lothringen im Westphälischen Frieden. Wien 1925. 88 ) Die Beratungen des Geheimen Rates über die bayerischen Forderungen, die mit den unten Anm. 101 erwähnten Beratungen über Gravamina, Satisfaktion und Amnestie zeitlich parallel liefen, wurden von Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 147 ff., dargestellt, doch bedürfen seine Ergebnisse verschiedentlich einer leichten Modifizierung. Ein erstes Gutachten des Geheimen Rates, das nach mehrtägigen Beratungen am 28. Februar zustande kam, wurde dem Kaiser am 1. März zur Genehmigung vorgelegt; vgl. den Vermerk Söldners, der an der Abfassung des Gutachtens gegen Ruppert, ebd. 148 Anm. 56, übrigens nicht erkennbar beteiligt war, auf dem Reinkonzept: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 51b, fol. 158v. Zusätzlich kam es am 1. März zu einer weiteren Sitzung des Geheimen Rates in Anwesenheit des Kaisers und der Kaiserin (!). Die dabei gefaßten Beschlüsse (gleichzeitige Verhandlungen über Satisfaktion und Gravamina, Vorgehen in der Elsaß- wie in der Pfalzfrage) wurden vom Kaiser einen Tag später nach einigen von Kurz vorgeschlagenen Änderungen leicht revidiert; vgl. HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 26, fol. 92 r -98 v und 100 r 107r. 89
) Weisung Ferdinands III. 1646 III 2, vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 184, 335. Der Weisung wurde ein heute nicht mehr erhaltenes chiffriertes Exemplar der gradus beigelegt; vgl. zu den Überlieferungsfragen Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 151 Anm. 71. 90 ) Vgl. sein Schreiben an Ferdinand III. 1646 III 30: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 237, 452: „wan wier fridt haben wollen, solcher durch reconciliirung der reichsstendt, der cron Schweden unndt der Holländer erhalten werden mueß unndt durch entziechung dieser hilffen erst Frankhreich zum friden zu bringen seye". 91 ) Vgl. dazu Immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 223 Anm. 41 und 230 Anm. 67. Trauttmansdorff hat darauf mit dem Hinweis auf die Möglichkeit kaiserlich-schwedischer Separatverhandlungen geantwortet, vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 252,474 und Nr. 254,478. 92 ) 1646 III 23 berichtet Trauttmansdorff dem Kaiser, daß den Franzosen alle gradus der kaiserlichen Elsaß-Entscheidung bekannt seien: ebd. Nr. 225, 437. 93 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 36), 605.
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reich durch Bayern, dem der Kaiser ein Exemplar überschickt hatte 94 ), doch gibt es daneben auch Hinweise auf einen französischen Spion am Kaiserhof 95 ). Unter diesen Umständen sah sich Trauttmansdorff schließlich gezwungen, den Franzosen am 14. April durch die Vermittler den gesamten österreichischen Besitz im linksrheinischen Elsaß und die daran hängenden Rechte unter den in den gradus genannten Bedingungen anzubieten. 96 ) Die dabei verwendete, auf Volmar zurückgehende Formulierung Alsatia superior et inferior cum Suntgovia titulo Lantgraviatus Alsatiae97) hatte den Zweck, die Franzosen über den Umfang der österreichischen Rechte zu täuschen, und führte in weiterer Folge zu den umstrittenen Zessionsbestimmungen des Münsterschen Vertrages (§§ 73, 74, 87), auf die sich Ludwig XIV. später bei seinen Reunionen berufen sollte. 98 ) Die Annahme des Angebots durch die Franzosen ließ die Habsburger im Besitz des Breisgaus, der Ortenau und der Waldstädte; einen gewissen Erfolg stellten auch die mündlichen französischen Zusicherungen hinsichtlich der Artikel 4,7, 8 und 10 des kaiserlichen Angebots - Unterstützung gegen übertriebene schwedische Satisfaktionsforderungen, Unterstützung in der Gravamina-, Amnestie- und Pfalzfrage - und die später freilich hinfällig gewordene Zustimmung zum Einschluß Spaniens in den Frieden dar. 99 ) Unmittelbar nach der Überreichung des Angebots reiste Trauttmansdorff nach Osnabrück in der Hoffnung, innerhalb der Frist des vereinbarten einmonatigen Waffenstillstands „dort die gravamina helffen componiren, mit den Schwedischen schliessen" und so auch Breisach noch für den Kaiser bzw. die 94
) Das scheint mir durch Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 165 Anm. 147, gegen immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 223 Anm. 42, so gut wie nachgewiesen. Hingegen kann Immler, ebd. 236 Anm. 93, wahrscheinlich machen, daß Kurfürst Maximilian der Weisung an seine Gesandten vom 28. März kein Exemplar der gradus beigelegt hat. Im übrigen gehen sowohl Trauttmansdorff, APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), 437, wie Schröder, ebd. 495, davon aus, daß die Franzosen schon vor den Bayern über die gradus informiert waren. Unabhängig davon hat die bayerische Haltung aber mit oder ohne konkreten Verrat eine erfolgreiche kaiserliche Verhandlungsführung in der Elsaßfrage vereitelt. 95 ) Immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 247f. und Anm. 135. Auch TrauttmansdorfTs Sekretär Wilhelm Schröder geriet in Verdacht, wurde aber von Trauttmansdorff selbst verteidigt; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 167 Anm. 149. % ) Ebd. 163 f. und Anm. 140. 97 ) HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 52a, Konv. April/Mai, fol. 53 v . 98 ) Ausführliche Darstellung dieser Problematik bei Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 167-170. Vgl. auch Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 269 und 551-553. 99 ) Nassau und Volmar an Trauttmansdorff 1646 IV 15: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 272, 509 f. Dieses Schreiben liegt zusammen mit dem Text des kaiserlichen Angebots dem Schreiben Nassaus und Volmars an Ferdinand III. 1646IV 17: ebd. Nr. 280, 517 ff., bei, das am 26. April in Wien eintraf und tags darauf dem Kaiser im Geheimen Rat vorgetragen wurde; vgl. zu dem diesbezüglichen Vermerk HHStA, RK, Friedensakten, 52a, Konv. April/Mai, fol. 64 v .
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
Tiroler Linie retten zu können. 100 ) Bei seinen Verhandlungen konnte er sich auf die umfangreichen Gutachten stützen, die Ende Februar/Anfang März in Linz nach intensiven Beratungen der deputierten und Geheimen Räte zu den Fragen Gravamina, Amnestie und Satisfaktion der Kronen erstellt worden waren. 101 ) Sie ermächtigten zu weiteren Zugeständnissen gegenüber Schweden und den Protestanten, wenn dadurch ein rascher Friede erzielt werden könne etwa bei der Abtretung norddeutscher Stifte an Schweden oder bei der Festlegung des „Normaljahrs" für den Geistlichen Vorbehalt auf 1627102) mußten aber gleichzeitig eine ernsthafte Verstimmung der katholischen Stände zu vermeiden suchen. Trauttmansdorff hatte in der Frage der Gravamina seine Hoffnungen auf eine Einigung zwischen den Konfessionen gesetzt, aber seine Fortschritte bei den Verhandlungen mit Frankreich und Schweden bedeuteten dafür eher ein Hindernis, weil die Stände befürchteten, mit ihren Anliegen übergangen zu werden.103) Nachdem im Mai direkte Konferenzen zwischen den Konfessionen gescheitert waren, versuchte er nun, die Protestanten durch weitere Zugeständnisse zu gewinnen104), ohne jedoch einen Durchbruch zu erzielen. Auch gegenüber Schweden kam er wegen der von Brandenburg, Mecklenburg und dem Bischof von Osnabrück erhobenen Einwände über die zuletzt getroffenen Vereinbarungen nicht hinaus, doch formulierte man immerhin einen Vertragsentwurf105), der wieder einmal Hoffnungen auf einen baldigen Friedensschluß weckte106). Anschließend kehrte Trauttmansdorff nach Münster zurück 107 ) - man sieht, daß „Pendeldiplomatie" durchaus keine Erfindung unserer Zeit ist - , um die noch offenen Fragen mit Frankreich weiter zu verhandeln. Dazu gehörten das Schicksal der Festung Breisach, die Rechte über die Reichsstände im Elsaß und die Rechte reichsständischer Vasallen der lothringischen Bistümer, deren Zugehörigkeit zu Frankreich nun sanktioniert werden sollte. Unter dem Ein100) Trauttmansdorff an Ferdinand i n . 1646IV 14: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 78), Nr. 270, 505. 101 ) Druck ebd. Nr. 177 (Gravamina), 178 (Amnestie) und 188 (Satisfaktion). Gleichzeitig zu diesen Beratungen liefen die oben Anm. 88 erwähnten Beratungen über die bayerischen Forderungen. !02) Damit wurde praktisch auf die Regelung des Präger Friedens zurückgegriffen, vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 241. 103 ) Ebd. 249ff. und 252ff. 104 ) So bot er den Protestanten am 11. Juni über den Präger Frieden hinaus die Überlassung des von ihnen in Besitz genommenen Kirchenguts auf hundert Jahre und am 12. Juli das Jahr 1624 als „Normaljahr" an; vgl. Fritz Wolff, Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1966, 160-162. 105 ) Text: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 51a, fol. 31-55; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 210 Anm. 350. "06) Ebd. 211. 107 ) Schon während der Gravaminaverhandlungen war Trauttmansdorff im Mai einmal vorübergehend nach Münster zurückgekehrt; vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 278 f.
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fluß der sich ab Sommer 1646 für den Kaiser stark verschlechternden Lage konnten in allen drei Punkten letztlich nur Rückzugsgefechte geführt werden. Zuerst entschied sich das Schicksal Breisachs, auf das Trauttmansdorff verzichtete, noch ehe sich der massive Druck Bayerns, der in dieselbe Richtung zielte, auswirken konnte. Auch das französische Besatzungsrecht in Philippsburg wurde nicht mehr in Frage gestellt. Mit größerem Erfolg wurde über die Reichsrechte im Elsaß verhandelt. Die französischen Forderungen stießen hier sowohl bei den Reichsständen als auch bei Bayern auf Widerspruch und weckten am Kaiserhof die Hoffnung, günstigere Bestimmungen durchsetzen zu können. 108 ) Im Vertragsentwurf, den Trauttmansdorff am 31. August mit der sogenannten Ultima generalis declaratio vorlegte und den die Franzosen am 10. September mit einem Gegenentwurf beantworteten109), ist jene Vorbehaltsklausel des Teneatur rex-Artikels enthalten110), die mit nur geringen Änderungen als § 87 Eingang in den Münsterschen Vertrag fand, der von Fritz Dickmann als der meistumstrittene Artikel des ganzen Friedens bezeichnet wird111). Hier wurde wirklich um jedes Wort gerungen, die Stellung der Reichsstände zwar letztlich behauptet, durch die von den Franzosen eingebrachten Formulierungen 112 ) aber auch die Möglichkeit einer Relativierung ihrer Rechte offengelassen, wie sich später bei den Reunionen Ludwigs XIV. zeigen sollte. Das kaiserliche Verhandlungsprojekt griff wie das Angebot vom 14. April auf den den Umfang der österreichischen Rechte verschleiernden Ausdruck „Landgrafschaft Unterelsaß" zurück und nahm auf Betreiben Volmars in der Aufzählung der unter der Landvogtei Hagenau stehenden Städte bewußt Mülhausen aus, was dem Reich einen Brückenkopf in dem nun französisch werdenden Gebiet erhielt.113) Keinen Erfolg hatte der Versuch, in dem Artikel über die Abtretung der lothringischen Bistümer genau zwischen Diözese und weltlichem Herrschaftsgebiet der Bistümer zu unterscheiden. Hier wurden wie auch sonst die 108) Vg] (}ie Gutachten der deputierten und Geheimen Räte vom Juni und Juli 1646: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 52b, fol. 147 r -166 v (mit den von Walderode festgehaltenen Entscheidungen des Kaisers in der Sitzung des Geheimen Rates vom 14. Juni) und ebd. Fasz. 52d, Konv. Mai/Juli, fol. 75 r -100 r und 104 r -106 v , sowie Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 178 Anm. 198 und 184 Anm. 229. 109
) Text des kaiserlichen Entwurfs vom 31. August in HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 92X, fol. 219 r -222 v ; des französischen Gegenentwurfs vom 10. September ebd. Fasz. 52a, Konv. Juli/Sept., fol. 128 r -132 v . Vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 186 ff. und 193 ff. u0 ) HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 92X, fol. 224 v bzw. Fasz. 52a, Konv. Juli/Sept., fol. 131r. 111 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 294f. Dort auch Genaueres zur Entstehung der einzelnen Formulierungen. 112 ) Vgl. die Begriffe supremum dominium, Wortumstellungen und den Zusatz ita tarnen. 113 ) Zur Urheberschaft Volmars vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 189 Anm. 256.
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
unterschiedlichen Auffassungen durch eine mehrdeutige Formulierung überbrückt114), die dem Taktieren beider Seiten entgegenkam. Das kaiserliche Angebot war an die Bedingung einer Unterstützung der kaiserlichen Friedenspolitik gegenüber Schweden und einer Zustimmung zum Einschluß Spaniens und Lothringens in den zukünftigen Friedensvertrag geknüpft. Zum ersten Punkt machten die Franzosen in Gegenwart der Vermittler mündliche Zusicherungen, in bezug auf den zweiten wurden - wiederum auf Vorschlag der Vermittler - wechselseitige Vorbehalte hinsichtlich der eigenen Verbündeten formuliert. Der Vorvertrag, der auf dieser Basis am 13. September 1646 zwischen Frankreich und dem Kaiser zustandekam, war ein Kompromiß, auch wenn es Frankreich eher als dem Kaiser gelungen war, seine Zielvorstellungen zu verwirklichen.115) Die Verständigung des Kaisers mit Frankreich bedeutete zweifellos einen großen Schritt in Richtung auf einen allgemeinen Frieden. Sie stärkte die Friedenspartei um Königin Christine und erhöhte gleichzeitig den Druck auf Brandenburg, hinsichtlich der Abtretung von Teilen Pommerns Zugeständnisse zu machen. Bei den Verhandlungen im November 1646, die diesmal erneut in Münster geführt wurden, war Trauttmansdorff mit dem neuerlichen Angebot Vorpommerns sowie Bremens und Verdens - allerdings nicht in säkularisierter Form - bei gleichzeitiger Entschädigung Brandenburgs mit Halberstadt von der schwedischen Position nicht allzu weit entfernt, noch dazu da beide Seiten erklärten, sich über weiteren Widerstand Brandenburgs notfalls hinwegsetzen zu wollen.116) Schließlich war es dem Zusammenwirken der kaiserlichen und französischen Gesandten zuzuschreiben, die dem brandenburgischen Kurfürsten im Dezember ein Ultimatum gestellt hatten, daß Brandenburg - wenn auch nach langem Zögern - im Jänner 1647 nachgab.117) Gegen die Zusicherung einer Entschädigung mit Halberstadt und der Expektanz auf Magdeburg nach dem Tod des sächsischen Administrators118) verzichtete Brandenburg am 7. Februar gegenüber Schweden auf Vorpommern, Stettin, die Inseln Usedom und Wollin sowie einen Küstenstreifen Hinterpom-
114 ) Ebd. 197f. Die deputierten Räte hatten in ihrem Gutachten vom Juni 1646: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 52b, fol. 158v, die Vermeidung eben solcher Mehrdeutigkeiten verlangt. 115 ) Im Vorvertrag einen der Wendepunkte zu sehen, „die den Übergang der Vorherrschaft in Europa von Habsburg auf Frankreich markieren", wie dies Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 199, feststellt, scheint mir aber trotzdem nicht gerechtfertigt. Zum Text des Vorvertrags vgl. HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 52a, fol. 150 r -154 v . 116 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 308 ff., und Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 217 und Anm. 282. ln ) Vgl. über diese Phase der Verhandlungen Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 312ff„ und Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 218ff. Il8 ) Sachsen wurde zum Ausgleich die Expektanz auf vier magdeburgische Ämter zugesichert.
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merns.119) Damit war der Weg frei für die Verständigung des Kaisers mit Schweden, über die wenige Tage später, am 18. Februar, ein Vorvertrag unterzeichnet wurde. 120 ) Schweden erhielt neben den von Brandenburg abgetretenen Gebieten Wismar sowie Bremen und Verden als säkularisierte Fürstentümer unter Vorbehalt der Reichsstandschaft der Stadt Bremen; die Lösung der Pfalzfrage wurde zur großen Erbitterung Bayerns mit Unterstützung d'Avaux' und eines Teils der katholischen Reichsstände auf die Verhandlungen über die Gravaminafragen verschoben.121) Nur einen Tag später wurde in einer gesonderten Vereinbarung mit Brandenburg dessen Entschädigung mit Halberstadt, der Expektanz auf Magdeburg und einer vagen Zusage auf Minden festgesetzt; von der Forderung auf Osnabrück war Brandenburg - wiederum durch d'Avaux - abgebracht worden.122) Mit der Einigung über die Satisfaktion der Kronen mußten nun die Bemühungen um die Lösung der noch offenen internen Probleme des Reichs verstärkt fortgesetzt werden. Dazu gehörten vor allem die pfälzische Restitution, die Satisfaktion von Ständen wie Hessen-Kassel, Württemberg oder Braunschweig, die Religionsgravamina und die Amnestie. Davon abgesehen war auch die Frage der schwedischen Militärsatisfaktion noch immer ungeklärt. Durch die Beratungen der Stände weitgehend gelöst waren hingegen die Fragen der Reichsverfassung. Nachdem der Kaiser in seiner Erklärung vom 25. September 1645 den Ständen hinsichtlich ihrer Rechte weit entgegengekommen war, bestanden hier keine Wünsche nach einer weitergehenden Umgestaltung mehr, womit den entsprechenden Bestrebungen Frankreichs und Schwedens ein Riegel vorgeschoben war.123) Die im Mai 1646 vereinbarte Einigung bedurfte nur noch einer endgültigen Formulierung und der Zustimmung der Kronen. Beides kam - von Kleinigkeiten abgesehen - im Juni 1647 zustande. Der Kaiser wurde damit zwar bei der Gesetzgebung und der Ausübung des ius pacis et belli an die Zustimmung des Reichstags gebunden, alle 119 ) Vgl. dazu zuletzt Ludwig Hiittl, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst 1620-1688. München 1981, 145f., und Peter Baumgart, Der Große Kurfürst, in: Ein sonderbares Licht in Teutschland. Beiträge zur Geschichte des Großen Kurfürsten von Brandenburg. Berlin 1990, 3 3 - 5 7 , hier 4 2 f., mit Hinweisen auf weitere Literatur. Angaben zur Überlieferung des Textes und zum Datum der Unterzeichnung A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1 9 9 3 , 4 7 7 Anm. 10. 120) Vgl. die Schreiben Trauttmansdorffs bzw. Trauttmansdorffs, Lambergs, Kranes und Volmars von 1647 II 18: ebd. Nr. 261, 521 f. und Nr. 262, 522 ff. Angaben zur Textüberlieferung ebd. 524, Beilage 1 und Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 2 2 4 Anm. 424. 121 ) Immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 357 ff. Zu den Unstimmigkeiten zwischen den kaiserlichen und den bayerischen Gesandten wegen der Pfalzfrage, die auch im Zusammenhang mit den Ulmer Waffenstillstandsverhandlungen zu sehen sind, vgl. auch das Schreiben Schröders an Kurz von 1647 II 14: A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 119), Nr. 259, 509. Von bayerischen „impertinentien" spricht Trauttmansdorff in seinem Schreiben an Ferdinand III. von 1647 II 18: ebd. Nr. 261, 522. 122 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 225 ff. 123) Ygj z u m Folgenden Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 331 f.
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darüber hinausgehenden Verfassungsfragen (Königswahl, Wahlkapitulation, kaiserliche Gerichtsbarkeit in Lehenssachen, Reichsmatrikel etc.) blieben jedoch späteren Entscheidungen vorbehalten124), womit dem Kaiser die Möglichkeit gegeben wurde, wichtige Teile seiner verfassungsrechtlichen Stellung letztlich zu behaupten. Bei der als nächstes zur Regelung anstehenden Frage der Gravamina ging es um zahlreiche Einzelprobleme - von der Reichsjustiz über das ius reformandi bis hin zu den päpstlichen Rechten in protestantischen Stiften. 125 ) Besondere Bedeutung hatte dabei zweifellos die Festsetzung der „Normaljahre" für Restitution und Amnestie, für die viele Protestanten das für den Kaiser unannehmbare Jahr 1618 forderten. Demgegenüber wollte der Kaiser den Protestanten im Reich entgegenkommen, um für seine Erblande desto unnachgiebiger bleiben zu können. Eine Beeinflussung der Stände in seinem Sinn sollte dabei durch eine enge Fühlungnahme mit den Gesandten von Mainz, Bayern und Sachsen im Kurfürstenrat, aber auch durch seine eigenen Vertreter im Fürstenrat, vor allem den Grafen Georg Ulrich von Wolkenstein, erfolgen. 126 ) Bis zum Sommer 1646 hatten sich die Protestanten in ihren Forderungen hinsichtlich des „Normaljahrs" auf das Jahr 1621 verständigt127); schließlich einigte man sich auf den von Trauttmansdorff gleichfalls schon im Sommer aufgegriffenen sächsischen Kompromißvorschlag, der 1624 als Restitutionstermin vorsah 128 ). Die mit Schweden, den Protestanten und dem kompromißbereiten Teil der Katholiken abgesprochene Erklärung Trauttmansdorffs vom 1. Dezember 1646 bot den Protestanten gegen die Anerkennung des politischen und religiösen status quo in den Erblanden die dauernde Überlassung der 1624 von ihnen innegehabten geistlichen Güter sowie das volle ius reformandi für katholische und protestantische Reichsstände einschließlich der Reichsstädte an, wobei sich allerdings beide Teile gewisse Ausnahmefälle vorbehielten.129) Trauttmansdorff war damit bis an die Grenze seiner Möglichkeiten gegangen, 124
) Vgl. IPO Art. VIII, §§ 1 und 2. 125) Vgl. zu diesem Fragenkomplex Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 239-298. 126) Ygi Winfried Becker, Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1973, 234-255. Die Tätigkeit an dieser Nebenfront ist noch weitgehend unerforscht und wird auch von den APW nur gestreift, vgl. z.B. - allerdings die pfälzische Restitution betreffend - APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 119), 608 Anm. 2 und 3. Die Korrespondenz zwischen dem Kaiser und den österreichischen Gesandten liegt in HHStA, Staatskanzlei (StK), Friedensakten, Kart. 1-5. Im Kurfürstenrat war der Kaiser als König von Böhmen für die Beratungen in der Pfalzfrage seit Anfang 1645 gleichfalls durch eigene Gesandte, Ferdinand Ernst Graf von Waldstein und Georg von Plettenberg, vertreten; Becker, 240 Anm. 91. 127 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 259. 128 ) Voraussetzung der Einigung war die Annahme von Trauttmansdorffs Vorschlag vom 12. Juli 1646 durch die katholischen Stände am 24. November; vgl. oben Anm. 104 und Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 258 und 264 Anm. 564. 129 ) Ebd. 263 ff.
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was sich auch daran zeigte, daß der Kaiserhof die Absicherung dieser Zugeständnisse durch ein theologisches Gutachten des Prager Zisterzienserabtes Caramuel (Lobkowitz) für notwendig hielt.130) Nach der Einigung mit Schweden drängte Trauttmansdorff auch auf eine rasche Einigung in der Gravaminafrage.131) Dieses Drängen entsprang sowohl seinem Wunsch, den Kongreß möglichst bald verlassen zu können, wie der politischen Notwendigkeit nach dem vorübergehenden Ausscheiden Bayerns als kriegführender Macht durch den Ulmer Waffenstillstand132), zwang aber, wie schon Volmar kritisiert hat 133 ), zu überstürztem Verhandeln und damit zu weiteren Zugeständnissen. Zu den wichtigsten dieser Zugeständnisse gehörten die öffentliche freie Religionsausübung für alle Mediatstände und Untertanen außerhalb der Erblande, die dieses Recht 1624 auf Grund von Verträgen oder Herkommen besessen hatten, sowie der Verzicht auf den Auswanderungszwang bei allen anderen, die bei Friedensschluß unter einer anderskonfessionellen Obrigkeit lebten. 134 ) Dafür stimmten Protestanten und Schweden schließlich der Schaffung einer achten Kurwürde und der Überlassung der Oberpfalz an Bayern zu 135 ); schließlich einigte man sich im Lauf des Frühjahrs auch über die schwedischen Entschädigungswünsche für Hessen-Kassel, Baden-Durlach und Braunschweig. Dabei ging Trauttmansdorff Ende Mai auch auf den schwedischen Kompromißvorschlag einer Alternanz zwischen einem protestantischen Braunschweiger Prinzen und einem katholischen Bischof für Osnabrück ein, womit eine der merkwürdigsten Einrichtungen, die es im Heiligen Römischen Reich gab, geschaffen wurde. 136 ) Nach weiteren Verhandlungen mit Franzosen und Schweden in Münster legte Trauttmansdorff am 13. Juni zwei Vertragsentwürfe vor137), die aber l3
°) Ebd. 266 und Anm. 581. ) Vgl. den Bericht aller vier Gesandten an Ferdinand III. 1647 II 21: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 119), Nr. 268, 531 f. 132) Vg] z u m Ulmer Waffenstillstand und seiner Vorgeschichte vor allem Immler, Maximilian I. (wie Anm. 68), 398-459. >33) Schreiben Volmars an Nassau von 1647 II 21 und III 11: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 119), Nr. 266, 530 und Nr. 302, 608 f. 134 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 280. >35) Vgl. den schwedischen Textentwurf zur Pfalzfrage (IPO Art. IV) von 1647 IV 24: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 53a, Konv. April, fol. 227r/v, als Beilage zum Bericht Lambergs, Volmars und Kranes von 1647 IV 25: ebd. fol. 220 r -229\ und die Marginalien von der Hand Justus Gebhardts. Allerdings war man zu diesem Zeitpunkt von einer völligen Einigung über Art. IV noch relativ weit entfernt. 136 ) So Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 404. Vgl. auch Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 292. Der französische Gesandte d'Avaux hatte schon im April gedroht, im Fall einer Überlassung Osnabrücks an die Protestanten für Frankreich Straßburg und die Waldstädte zu verlangen; vgl. den Bericht Lambergs, Volmars und Kranes (wie Anm. 135). 137 ) Zum Datum vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 296 Anm. 768, gegen Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 406 f., der für das schwedische Friedensprojekt den 3., für das französische den 13. Juni als Datum angibt. 131
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Der Westfälische
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Mächte
noch verschiedene Fragen wie die Forderungen Hessen-Kassels und BadenDurlachs, die schwedische Militärsatisfaktion und die hartnäckig erhobene schwedische Forderung nach einer Restitution der erbländischen Exulanten ungelöst ließen. Trauttmansdorff hat noch etwa einen Monat auf eine endgültige Einigung gewartet und dann wie angekündigt die Heimreise angetreten.138) Er hat seine Mission vielleicht nicht als gescheitert angesehen, aber mit der Möglichkeit eines Scheiterns gerechnet. Tatsächlich haben die Versuche verschiedener Seiten, einschließlich des Kaisers, doch noch günstigere Bestimmungen durchzusetzen, das Erreichte mehrmals in Frage gestellt und den Kongreß bis an den Rand des Abbruchs geführt. 139 ) Während seiner Anwesenheit bei den Verhandlungen hat Trauttmansdorff tatsächlich eine große Leistung vollbracht.140) Er hat richtig die Lösung des Konflikts zwischen den Konfessionen bzw. zwischen dem Kaiser und den Reichsständen als Voraussetzung eines dauerhaften Friedens erkannt und dieses Ziel gegen alle Widerstände und Rückschläge nie aus den Augen verloren. Zwar hat er die mit den Verhandlungen verbundenen Schwierigkeiten, nicht zuletzt in der Gravaminafrage, häufig unterschätzt141), seine Verhandlungsziele nicht immer erreicht und auch den Frieden oft viel näher gesehen, als dies tatsächlich der Fall war, aber er hat auf veränderte Situationen rasch und flexibel reagiert und bei der Behandlung strittiger Fragen eine erstaunliche Offenheit des Denkens an den Tag gelegt, ohne die Interessen des Kaisers aus den Augen zu verlieren142). Nicht zuletzt war es keine geringe Leistung, die ganze verwickelte Materie des Friedensgeschäftes im Blick zu behalten; daß der Friede über alle unterschiedlichen Standpunkte und Interessen hinweg schließlich doch zustandegekommen ist, war daher zu guten Teilen sein Verdienst. So markiert Trauttmansdorffs Abreise aus Westfalen in jedem Fall eine deutliche Zäsur in den Verhandlungen.
138) Vgl. zur Abreise Trauttmansdorffs und den dafür ausschlaggebenden Umständen hauptsächlich ebd. 411 f. 139
) So schon vor der Abreise Trauttmansdorffs, vgl. ebd. 410 f. 140) Würdigung bei Wagner, Kaiserliche Diplomaten (wie Anm. 8), 66 und 69. 141 ) Insofern war seine Vorstellung bei seinem Eintreffen am Kongreß, zuerst die Gravamina und dann erst die Streitpunkte mit den Kronen zu regeln, unrealistischer als das allerdings ausschließlich aus Eigeninteresse erfolgende Drängen des bayerischen Kurfürsten auf eine Verständigung mit Frankreich, die sich im Fortgang der Verhandlungen dann ja auch verschiedentlich als sehr nützlich erwiesen hat. 142 ) Vgl. dazu seinen Rechenschaftsbericht von 1649 II 2: A P W Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 9), Nr. 30, 4 5 3 - 4 5 7 .
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Politik
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V. Die Hauptverhandlungen bis zum Friedensschluß Die letzte Phase der Verhandlungen, die in ihrer Bedeutung keineswegs unterschätzt werden darf, hat sich noch über ein Jahr hingezogen. Sie ist einerseits durch die Kleinarbeit zur Regelung aller noch offenen Detailfragen und zur Formulierung der endgültigen Vertragstexte, andererseits durch das Bemühen der Vertragspartner und der Reichsstände gekennzeichnet, vor allem in den konfessionellen Fragen Verbesserungen der eigenen Position zu erreichen. Nachdem Trauttmansdorff den Protestanten weit entgegengekommen war und dementsprechend die Kritik der Katholiken erregt hatte, wollte der Kaiser deren Einwände nach Möglichkeit noch berücksichtigen. Es zeigte sich aber immer mehr, daß die Position des Kaisers dadurch nur verlieren konnte, und Volmar, der in dieser letzten Verhandlungsphase die dominierende Persönlichkeit unter den kaiserlichen Diplomaten war 143 ), hat an den Entwürfen Trauttmansdorffs - teilweise in sehr großzügiger Auslegung kaiserlicher Weisungen 144 ) soweit möglich nicht mehr rütteln lassen. Auch die Streitparteien erkannten schließlich, daß die darin gefundene Kompromißformel den einzigen Weg zum Frieden darstellte. Am Kaiserhof scheint in dieser letzten Verhandlungsphase, zumindest was die konfessionellen Streitpunkte betrifft, die Anspannung der letzten eineinhalb Jahre im Bemühen um den Frieden nun, da er in greifbare Nähe gerückt war, einer gewissen Lethargie und Orientierungslosigkeit Platz gemacht zu haben. Es wurden zwar noch immer Zielvorgaben formuliert, aber sie entsprachen meist nicht der Situation, und der Kaiser war eher der „Geschobene" als der Handelnde, der letztlich vom kompromißbereiten Teil der Stände in Richtung Friedensschluß „getragen" werden mußte. Indem Stände wie Mainz oder Bayern in den konfessionellen Fragen die Initiative an sich rissen und direkt mit Schweden und den Protestanten verhandelten, drohte aber dem Kaiser nicht nur die Infragestellung des ausschließlichen Propositionsrechtes bei reichsständischen Beratungen, sondern auch die Gefahr, mit seinen Forderungen in der Autonomiefrage unberücksichtigt zu bleiben. 145 ) Grund für diese gewisse Hilflosigkeit in Wien mag auch die wachsende Erkenntnis gewesen sein, daß man nicht in der Lage sein würde, den Einschluß Spaniens in den Frieden zu erzwingen. Im Februar 1647 hatte es noch Gerüchte über einen bevorstehenden Friedensschluß zwischen Frankreich und 143 ) Becker, Kurfürstenrat (wie Anm. 126), 303, spricht davon, daß „das langwierige, mit vielen juristischen Implikationen belastete Geschäft, den Konsens der Reichsstände einzuholen und die Friedensinstrumente gänzlich auszuhandeln", Volmar überlassen wurde. Vgl. zu Volmars Einschätzung auch Wagner, Kaiserliche Diplomaten (wie Anm. 8), 61 f. 144 ) Etwa bei seiner Reaktion auf die Weisung Ferdinands III. von 1647 X 14; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 317f. und Anm. 134 und 143. Vgl. auch ebd. 302. >45) Vgl. Becker, Kurfürstenrat (wie Anm. 126), 304ff.
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
Spanien gegeben.146) Als sich im Sommer reichsständischer Widerstand gegen die Bestimmungen des Vorvertrages mit Frankreich regte, hoffte der Kaiser, die Stimmung für den Einschluß Spaniens in den Frieden ausnützen zu können. Diese Hoffnung wurde jedoch durch seinen eigenen Gesandten zunichte gemacht, da in Volmar der Vertreter der Interessen der Tiroler Linie die Oberhand gewann: Am 11. November 1647 einigte er sich mit den Franzosen, den Vorvertrag vom September des Voijahres unverändert in das kaiserlich-französische Friedensinstrument zu übernehmen, auch wenn der Kaiser den Vermittlern mitteilen ließ, daß die Vereinbarungen nur bei Einschluß Spaniens und der Restitution des Herzogs von Lothringen Geltung haben würden. 147 ) Nach der Rückkehr Bayerns an die Seite des Kaisers machte sich dieser nochmals Hoffnungen auf eine Verbesserung der Entwürfe Trauttmansdorffs zu seinen Gunsten, doch Bayern drängte auf einen raschen Friedensschluß und war notfalls bereit, das Trauttmansdorffianum auch ohne Änderungen zu akzeptieren.148) Im Oktober und November 1647 kam es in Prag zu intensiven Beratungen der deputierten und Geheimen Räte 149 ) über das Ergebnis der reichsständischen Verhandlungen und den Text des Osnabrücker Friedensinstruments, der in Anwesenheit des Kaisers artikelweise diskutiert wurde. 150 ) Dabei zeigte sich, daß sich der Kaiser und seine Berater noch verschiedene Optionen offenhalten wollten und neben einem allgemeinen Frieden auch ein kaiserliches Friedensoctroi - den sogenannten „Vorgriff"151) - , entweder mit den kompromißbereiten Reichsständen gegen Schweden oder mit Schweden gegen die Reichsstände, nicht ausschlössen. Als Ergebnis dieser Beratungen wies der Kaiser seine Gesandten am 4. und 6. Dezember an, auf der Grundlage eines in seinem Sinne revidierten Trauttmansdorffianums abzuschließen, doch war er notfalls auch bereit, die Vertragsentwürfe in der vorliegenden Form zu akzeptieren.152) 146
) Vgl. das Schreiben Trauttmansdorffs an Ferdinand III. von 1647 II 14: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 119), Nr. 256, 507. >47) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 302 f. 148 ) Ebd. 319 und Anm. 151. 149 ) An den Beratungen des Geheimen Rates war natürlich auch Trauttmansdorff beteiligt, was bei der Beurteilung des Ergebnisses der Beratungen in Rechnung zu stellen ist. Sein Sohn Friedrich war einer der deputierten Räte. 150) vgl. HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 53c, Konv. Nov./Dez., wo folgende Unterlagen zu den Beratungen vorhanden sind: Beschluß der deputierten Räte über das Votum der katholischen Reichsstände, fol. 19 r -28 v ; Beratungen über den sogenannten „Vorgriff" 1647 XII 3, fol. 101 r -lll r ; Beratungen des Geheimen Rates 1647 XI24-XII 6, fol. 31 r -43 r und 86 r -98 v , wobei die späteren Folien die frühere Fassung mit den von Walderode notierten Entscheidungen des Kaisers darstellen. 151) Vgl. dazu Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 444f. 152 ) Vgl. den Text der Weisungen: HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 53c (wie Anm. 150), fol. 85r—115r (mit den Gutachten des Geheimen Rates als Beilage) und fol. 116 r -164 v (mit genauen Anweisungen zu den einzelnen Artikeln des Osnabrücker Vertragsentwurfs), so-
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Die militärische Lage seit dem Wiederbeginn der Kampfhandlungen im Winter 1648 machte dann endgültig jeden Wunsch nach einer Revision aussichtslos. Auf Drängen von Mainz und Bayern, auf der Grundlage des Trauttmansdorffianums mit Schweden und den friedenswilligen Ständen abzuschließen 153 ), wurden im März und April in Sonderkonferenzen unter kaiserlicher und schwedischer Führung mit der Unterstützung der kompromißbereiten Reichsstände fast alle noch offenen Streitfragen - Reichsjustiz, Autonomie und Amnestie, aber auch die endgültige Textierung der schwedischen Satisfaktionsbestimmungen - verbindlich geregelt.154) In den Verhandlungen über die Reichsjustizfragen und die Amnestie für die erbländischen Emigranten setzte der Kaiser im wesentlichen seinen Standpunkt durch, obwohl die Entscheidung erst nach der Einigung über die schwedische Militärsatisfaktion fiel.155) Am 6. August 1648 kamen die schwedischen, kaiserlichen und kurmainzischen Gesandten überein, die Verhandlungen über den Osnabrücker Frieden als abgeschlossen anzusehen.156) Drei Wochen später akzeptierten die Reichsstände - wenn auch widerstrebend - das von Frankreich geforderte Assistenzverbot für Spanien und stellten den Kaiser damit vor vollendete Tatsachen. 157 ) In dieser Situation hat allem Anschein nach Trauttmansdorff noch einmal entscheidend eingegriffen. Nach einer in seinem Haus am 14. September abgehaltenen Beratung von fünf deputierten Räten, die alle dem Geheimen Rat angehörten158), sprach man sich angesichts des Fehlens jeder vernünftigen Alternative für die Annahme auch des Münsterschen Vertrags aus, wobei Trauttmansdorff auch damit argumentierte, „daß die stende sich erklert, daß sie alsobaldt nach geschlossenem Teutschen frieden ad interpositionem zwischen Spanien und Franckhreich schreiten wolten". 159 ) So haben politische
wie Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 319 ff. Eine Bereitschaft, das unrevidierte Trauttmansdorffianum anzunehmen, läßt auch das Gutachten der deputierten Räte von 1647 XII3 erkennen; vgl. die vorige Anm. und Ruppert, 321 Anm. 158. ,53 ) Zu dieser Schlußphase der Verhandlungen vgl. ebd. 331 ff. 154) vgl. die einzelnen von Krane, Salvius, Raigersperger und Thumshirn, teilweise zusätzlich auch von den Sekretären Gail und Hanson unterschriebenen und besiegelten Vereinbarungen in HHStA, Mainzer Erzkanzlerarchiv, Friedensakten, Fasz. 30. 155 ) Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 341 und Anm. 281 f. ,56 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 9), 477. I57 ) IPM § 3; vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 345 ff. •58) Nämlich Trauttmansdorff, Martinitz, Kurz, Auersperg und Prickelmayer (als Herr von Goldegg bezeichnet). Repgen, Ferdinand III. (wie Anm. 8), 159, spricht deshalb auch von einem Fünferausschuß des Geheimen Rates. 159 ) Der Text des Gutachtens liegt in zwei Fassungen in HHStA, RK, Friedensakten, Fasz. 56d, Konv. Sept., vor. Der erste Entwurf fol. 11 lr—138v ist vom Reichsvizekanzler Kurz geschrieben und enthält fol. 136v den zitierten eigenhändigen Zusatz Trauttmansdorffs. Ein Reinkonzept mit dem von Schröder vorbereiteten Text der kaiserlichen Resolution ebd. fol. 87 r -109 r . Vgl. Repgen, Ferdinand III. (wie Anm. 8), 159, und Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 1), 352 ff.
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
wie militärische Notwendigkeiten den Kaiser schließlich gezwungen, die Verträge am 24. Oktober auch ohne den Einschluß Spaniens durch seine Gesandten unterzeichnen zu lassen. 160 )
VI. Schlußbemerkung Bei ihrer Friedenspolitik hatten der Kaiser und seine Ratgeber konsequent zwei Hauptziele verfolgt: im Reich soviel wie möglich von der kaiserlichen Stellung zu retten und in den Erblanden wie in Böhmen den status quo, das heißt die Gewinne aus dem böhmisch-pfälzischen Krieg, die Ergebnisse der Konfiskationen und die Auswirkungen der „Verneuerten Landesordnung", zu behaupten. Diesen beiden Hauptzielen waren alle anderen Zielsetzungen untergeordnet worden und müssen daher unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. 161 ) Um seine Stellung im Reich zu erhalten, brauchte der Kaiser dort einen Rückhalt, wofür ihm zwei Optionen offenstanden: Er konnte sich entweder auf eine starke Mehrheit der Reichsstände, die dann nur eine gemischtkonfessionelle sein konnte, stützen oder auf eine Koalition aus Ständen und einer ausländischen Macht, wofür sowohl Frankreich als auch Schweden in Frage kamen. Alle diese Varianten sind im Laufe der Verhandlungen, je nach den Umständen und der Einstellung der maßgeblichen Berater, in Betracht gezogen worden. Daher wirkte die kaiserliche Politik oft weniger zielgerichtet und unentschlossener als etwa die bayerische. Es soll auch nicht geleugnet werden, daß entschlossenes Handeln und präzise Zielvorstellungen manchmal anscheinend gefehlt haben. 162 ) Aber die kaiserliche Politik mußte so viele Umstände berücksichtigen, daß sie vielfach nur lavieren konnte. Ihre beiden Hauptziele bei den Verhandlungen hat sie trotzdem erreicht. Die verfassungsmäßige Stellung des Kaisers im Reich nach dem Westfälischen Frieden ließ trotz aller Einbußen die Möglichkeit einer aktiven kaiserlichen Reichspolitik im Zusammenwirken mit einem Teil der Stände bestehen, und in der Habsburgermonarchie blieben die Voraussetzungen für die Entwicklung eines einheitlichen absolutistischen Gesamtstaates erhalten.163) Insofern kann man - trotz des Ver-
160 ) Am 24. Oktober selbst wurden nur je zwei Exemplare des Münsterschen und des Osnabrücker Friedens unterzeichnet. Zu den später ausgefertigten Nachexemplaren und den Daten ihrer Unterzeichnung vgl. nun Franz-Josef Jakobi, Zur Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Vertragsexemplare des Westfälischen Friedens, in: Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte. Berlin 1997, 207-221. 161 ) Das zeigt sich nicht zuletzt auch an der Diskussion um den Vertragseinschluß Spaniens. 162) Vgl. in diesem Sinne auch Becker in der Besprechung des Buchs von Ruppert (wie Anm. 1), 254. 163) Das betont zu Recht Volker Press, Österreichische Großmachtbildung und Reichs Verfassung. Zur kaiserlichen Stellung nach 1648, in: MIÖG 98, 1990, 131-154, hier 134 ff.
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fehlens so mancher ursprünglichen Verhandlungsziele - von einem Erfolg der kaiserlichen Politik bei den Westfälischen Friedensverhandlungen sprechen. 164 )
164
) Daß dies wohl auch von Ferdinand III. so gesehen wurde, bemerkt Repgen, Ferdinand III. (wie Anm. 8), 160.
Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646- ein befristetes Agreement Von
Konrad Repgen
I
In den Jahren der westfälischen Friedensverhandlungen war eine der besten deutschen Zeitungen die Hamburger „Wöchentliche Zeitung".1) Sie meldete aus Münster de dato 1./11. September 1646, also zwei Tage vor dem ersten Abschluß einer kaiserlich-französischen Vereinbarung über die Abtretung von Gebieten und Herrschaftsrechten des Reiches und des Hauses Habsburg an Frankreich: „Die Tractate gehen zwar fort / die Sachen aber werden in großer geheimb gehalten / daß man nicht erfahren kann / was gehandelt wird".2) Eine derartige Vertraulichkeit war bei diesem Friedenskongreß ungewöhnlich und daher einer Meldung wert; in der Regel waren zuverlässige Nachrichten über den Gang der Verhandlungen sofort auf dem Markt. Die deutsche Presse konnte daher das politische Publikum kontinuierlich und detailliert über den Gang und Stand der Friedensverhandlungen informieren.3) Auch die Diskretion über diese kaiserlich-französischen Traktate war nicht von langer Dauer. Zwar hatte man im August 1646, als die französische Seite den Vermittlern zunächst ihren Wunsch nach Fortgang der seit April stagnierenden Verhandlungen mit Spanien4) signalisierte, strikte Vertraulichkeit vereinbart.5) Das gleiche galt, als es den Mediatoren wenig später gelang, die seit ') Vgl. Else Bogel/Elger Blühm, Die deutschen Zeitungen des 17. Jahrhunderts. Ein Bestandsverzeichnis. Bd. 1. Bremen 1971, 23-30; Bd. 3: Nachtrag. Bearb. v. Elger Blühm/ Brigitte Kolster/Helga Levin. München u.a. 1985, 58-61. 2 ) Nr. 37-1, Kopie in: StUB Bremen, Abt. Deutsche Presseforschung, Sign. Z 9; diese Meldung wurde wörtlich übernommen in: Post / Hamburger und Reichszeitung. [Stettin?], Nr. 38 (ebd. Z 136). 3 ) Vgl. Konrad Repgen, Der Westfälische Friede und die zeitgenössische Öffentlichkeit, in: HJb 117, 1997, 38-83, hier 66 f. Diese Presseberichterstattung wird demnächst durch eine Publikation in: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. III. Abt. D. Bd. 2 allgemein zugänglich werden. 4 ) Das letzte spanische Angebot war den Franzosen am 21. April 1646 durch die Mediatoren überbracht worden. Dazu demnächst Franz Bosbach, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 3, Anm. 172. 5 ) Contarini an Nani, Münster, 1646 VIII 14, Beilage zu disp. 183. Privatregister-Kopie (Venedig, Bibl. Marciana, It. CI. VII, cod. MCI [8151] fol. 247-249'): „A questa proposta [an Spanien, K.R.] sono stati Ii mediatori destramente eccittati da Francesi, ma con le pro-
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Der Westfälische Friede und die europäischen
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Anfang Juni stockenden Verhandlungen Frankreichs mit dem Kaiser über den punctum satisfactionis Gallicae erneut in Gang und zu Ende zu bringen.6) Aus Sorge vor negativen Rückwirkungen auf ihre Verbündeten war in dieser Schlußphase beiden Vertragsparteien sehr an Diskretion gelegen. Keiner wollte den Eindruck eines separaten Vorpreschens unter Berücksichtigung allein des eigenen Vorteils erwecken. Aber nach der Einigung vom 13. September lichtete sich der Nebel; der Schleier wurde durchsichtig(er). Zwar ist ein späteres Diktum des Kölner Nuntius Fabio Chigi, wonach die beiden Parteien ihr Abkommen nach dem 13. September „allenthalben" selbst bekannt gemacht hätten7), gewiß übertrieben. Jedenfalls wurde den Bayern in Münster kein Text der Abmachungen zugänglich8), und was sie über den Inhalt in Erfahrung bringen konnten, ließ die politisch brisanten Punkte aus.9) Auch in den spanischen Akten gibt es anscheinend keinen vollständigen Text der end-
teste di tutta la maggior secretezza, et confidenza, che servirà a V. Ecc.za ancora per tenirla in suo petto". 6 ) Schon Trauttmansdorff an Kurz, Münster, 1646 Vili 21 (demnächst in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 315) spricht mit Bezug auf die bevorstehenden kaiserlich-französischen Verhandlungen vom iuramentum silentii et secreti. Chigi an Pamphili, Münster, 1646 IX 7, foglio (Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 19, fol. 577-583) berichtet aus den Verhandlungen mit der französischen Delegation vom 2. September: „Risposi che in questo punto [Rücksichtnahme auf die mit Frankreich Verbündeten bei einer Abmachung mit den Kaiserlichen, K.R.] non pareva militare tale difficoltà, mentre che havevano le parti dato, e preso vicendevolmente il giuramento del segreto, e la scrittura non era fatta, perché l'havessero i loro Ecc.ze, ma perché messe in mia mano, nella forma a punto che altre volte havevano loro stessi proposto, quando la medesima obbligatione pregarono che mi ritenessi io, e che dessi loro gli altri articoli, che potevano senza offesa mostrare a' confederati come poi havevano fatto". Mit „scrittura" ist die Ultima generalis declaratio der Kaiserlichen vom 31. August in der neuen, am 2. September präsentierten Fassung gemeint (Text: Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Tie. Hannover 1734^1736, hier T. 3, 712-718); mit „articoli" wird auf die Vorbereitung der Satisfaktionsartikel angespielt, deren Text aus den Kapiteln III und IV der Ultima generalis declaratio heraus entwickelt worden ist. 7 ) Chigi an Pamphili, Münster, 1646 XII 14 dech. 1647 I 3 (Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 20 fol. 389-392'): „[lo] scritto di 13 di Settembre, il quale nonostante il giuramento del segreto hanno poi le parti fatto palese a tutto". 8 ) Am 12. September übergab Volmar dem bayerischen Deputierten Krebs ein Exemplar des französischen Textentwurfs vom 9. September und der kaiserlichen Note vom 11. September, die diese dem Kurfürsten übersandten; vgl. Bericht an den Kurfürsten, Münster, 1646IX 14, Entwurf (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München [Bay. HStA], Kurbayem, Äußeres Archiv 3057, 271-296). Sie wußten außerdem: Gestern abend seien Mediatoren, Franzosen und Kaiserliche bei Trauttmansdorff gewesen und hätten „alle conditiones vndereinander allerdings verglichen, vnd diese composition ad manus mediatorum deponirt, welche in summo secreto solle gehalten werden". Herrn Dr. Gerhard Immler/Augsburg danke ich für die freundliche Auskunft. Vgl. auch ders., Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Münster 1992, 278. 9 ) Vgl. die Auszüge aus dem Bericht vom 20. September in Anhang III.
Repgen, Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel
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gültigen kaiserlich-französischen Satisfaktions-Vereinbarung 1 0 ), obgleich die Kaiserlichen mit Wissen und Zustimmung der Spanier in die letzte Verhandlungsrunde eingetreten waren 1 1 ) und Spanien auch vor dem Abschluß noch einmal unterrichtet wurde. 1 2 ) Es läßt sich heute kaum noch eine vollständige Liste derer zusammenstellen, die damals in Besitz eines vollständigen Textes der Septemberartikel gekommen sind. 1 3 ) D i e Schweden haben eine korrekte Kopie des A b k o m m e n s bereits am 17. September nach Stockholm senden können 1 4 ), und die w e g e n Mömpelgard interessierten Württemberger kannten spätestens Anfang Oktober den ganzen Vertrag. 15 ) Aber die Informationsmöglichkeiten waren unterschiedlich. Während Anfang Oktober das französische Publikum mit auffällig wenigen orakelhaften Zeilen abgespeist wurde 1 6 ), konnte ein Leser der ver-
l0 ) Wohl aber eine spanische Übersetzung der kaiserlichen Ultima generalis declaratio vom 31. August 1646: Madrid, Archivo Histórico Nacional, Osuna, leg. 7-14 (unfoliiert, iibersandt mit 1646IX 14). Ob im ehemaligen Privatnachlaß Peñarandas ein Text vorhanden ist, wäre noch zu ermitteln. Die spanischen Archivalien zum Westfälischen Frieden in Simancas und Madrid (Nationalarchiv und Nationalbibliothek) sind für die APW in den fünfziger Jahren durch Manfred Merkes und in den Achtzigern durch Ana María Schop Soler und Federico José Koch erfaßt worden. Dabei war jedoch der Nachlaß Peñarandas im Archiv des Duca de Frias unzugänglich. 1 ') Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster, 1646 VIII 28 (demnächst in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 322). 12 ) Volmar hat Peñaranda am 10. September brieflich über den Stand der Verhandlungen informiert, der daraufhin durch Antoine Brun mündlich und sehr energisch auf Änderungen hinsichtlich der Spanien-, Lothringen- und Hessen-Kassel-Klauseln drängte (Madrid, Biblioteca Nacional, Ms. 18200 fol. 30-31'). Die schwedischen Gesandten beschwerten sich am 10. September bei den Franzosen förmlich wegen schlechter Zusammenarbeit (APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2. Münster 1971, Nr. 181); der schwedische Resident in Münster, Rosenhane, blieb aber mißtrauisch (ebd. Nr. 182). 13 ) Im Unterschied zur Regel beim Westfälischen Friedenskongreß ist der am 13. September vereinbarte Text offenbar nicht als Flugschrift gedruckt und verkauft worden. Er steht daher auch nicht im Theatrum Europaeum. T. 5. Frankfurt am Main 1647, und in den Praeliminaria Pacis Imperij. O.O. 1648. Zur Aktenpublikations-Praxis des Westfälischen Friedenskongresses vgl. Repgen, Öffentlichkeit (wie Anm. 3), 61-67, insbes. 63 Anm. 96, 98 und 99. 14 ) Reichsarchiv Stockholm, Diplomatica Germanica 5 fol. 410-415 (der Hinweis in APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2 [wie Anm. 12], 445,15, ist etwas ungenau: fol. 404-409 befindet sich eine Kopie der kaiserlichen Ultima generalis declaratio vom 31. August 1646). 15 ) Wolfgang Hans Stein, Christoph Forstner 1598-1668. Mömpelgardische Politik und humanistische Reflexion auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Münster 1981, 6297, hier 82. 16 ) Nouvelles Ordinaires (= Gazette de France Nr. 118 vom 6. Oktober 1646, 866), de dato Münster, 21. September 1646: „Les plénipotentiaires de France, après plusieurs conférences avec ceux de l'Empereur et les médiateurs, sont demeurez d'accord de quelques poincts, qui les ont obligez d'aller... à Osnabruk... pour en réferer aux plénipotentiaires de Sûède et déliberer là-dessus".
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
mutlich in D a n z i g 1 7 ) publizierten „Particular-Zeitung" sich über Inhalt und politische Bedeutung der Satisfaktionsartikel viel genauer, eigentlich gut informieren. 1 8 ) D e n vollständigen Wortlaut aber sucht man auch in diesem Blatt vergebens. Einen korrekten Text zu veröffentlichen, wäre unter den Umständen des September/Oktober 1646 aus Gründen, die wir kennenlernen werden, allerdings auch schwierig gewesen. Und daran hat sich seither wenig geändert. Denn es gibt bis zur Stunde keinen wirklich verläßlichen Druck der Artikel v o m 13. September 1646. 1 9 ) D i e alten Kontroversen über dieses Abkommen, die seit 100 Jahren auch unter Rückgriff auf die Akten in Wien und Paris ausgetragen werden, behandeln daher einen Gegenstand mit unscharfen Konturen. D e m soll unsere Studie über die Entstehung dieses Textes abhelfen, der i m Anhang eine kritische Edition dieser Vereinbarung mit einigen ergänzenden Quellen beigefügt ist.
II Im Obertitel unserer Abhandlung steht nicht der in den letzten hundert Jahren für die Vereinbarung v o m 13. September 1646 eingebürgerte, gewichtige Begriff „Präliminar"- oder „Vorvertrag" 20 ), sondern der Allerwelts-Terminus 17
) Wahrscheinlich von der Firma Rhete. Dazu vgl. Josef Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. 2. Aufl. Wiesbaden 1982, 78; Bogel7 Bliihm, Zeitungen (wie Anm. 1), 138 f. >8) Nr. 43, 1646: StUB Bremen, Abt. Deutsche Presseforschung, Sign. Z 67. 19 ) Der meist benutzte Text bei Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 6), T. 3, 723-727, hat, wie Anhang I lehrt, vier wichtige Fehler: (1) hat er ein Lemma, das zwar in der in Anm. 65 genannten Notiz auftaucht, aber nicht zum Text der Vereinbarung gehörte; (2) enthält er den Paragraphen II/5 (Pariter omnes), der am 13. September ausgelassen wurde, als Teil der Vereinbarung; (3) fehlt ein Hinweis auf die Befristung der Artikel bis Ende September; (4) ist seine Datierung („7. September") völlig irreführend. Welche Druckvorlage Meiern benutzt hat, ist unklar. Sein Text paßt sachlich in die Zeit nach dem von uns unten 191 ff., als Stufe VI bezeichneten Arbeitsschritt. Einen besseren Text bietet Michael Caspar Londorp, Acta publica. T. 5. 1. Aufl. Frankfurt am Main 1668, 870-872, als Beilage der Eingabe des Erzherzogs von Tirol an den Reichstag 1653/54: Klage wegen der Verzögerung der Zahlung der in § 88IPM vereinbarten Summen von Seiten Frankreichs. Eine brauchbare Übersetzung ins Italienische bei Vittorio Siri, Del Mercurio overo historia de' correnti tempi. Vol. 8. Casale 1667, 239-253. Bei [Adam Adami,] Arcana Pacis Westphalicae. 1. Aufl. Frankfurt am Main 1698, 2. Aufl. Frankfurt am Main 1707, 273-275, fehlen Proömium und Schlußbestimmungen; textgleich mit diesen beiden Auflagen (und daher verschieden von dem Text bei Meiern, Acta pacis Westphalicae [wie Anm. 6], T. 3, 723-727) die Edition durch Johann Gottfried von Meiern: Adam Adami, Relatio Historica de Pacificatione Osnabrugo-Monasteriensi. Leipzig 1737, 361-367. Der Text in den Négociations secrètes touchant la paix de Munster et d'Osnabrug. Vol. 3. La Haye 1726, 450-456, wäre im Grunde brauchbar (z.B. kein Paragraph Pariter omnes), wimmelt aber von Sprachfehlem. 20 ) Vgl. Karl Jacob, Die Erwerbung des Elsaß durch Frankreich im Westfälischen Frieden.
Repgen, Die kaiserlich-französischen
Satisfaktionsartikel
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„Artikel" - eine Bezeichnung, unter der man sich zwar nicht gerade alles und jedes, aber doch sehr Verschiedenartiges vorstellen kann. Das ist natürlich kein Zufall, sondern Absicht. Ihr liegen drei Erwägungen zugrunde: Erstens war der Begriff „Präliminarvertrag" im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden bereits besetzt und bezeichnete das Hamburger Abkommen vom 25. Dezember 1641. Dort wurde bekanntlich der künftige europäische Universalfriedens-Kongreß in Münster und Osnabrück zwischen Schweden, Frankreich, dem Kaiser und Spanien vertraglich vereinbart. Im Hamburger Urkundentext wird ausdrücklich von tractatus praeliminaris gesprochen.21) Zweitens haben nach dem Vorbild, das Schweden am 18. Februar 1647 gegeben hatte22), der Kaiser und Frankreich am 14. November 1647 ein durch die Sekretäre beider Delegationen unterzeichnetes Abkommen 23 ) geschlossen, das man wirklich als „Vorvertrag" bezeichnen darf und soll. Es ging über die Satisfaktionsartikel von 1646 erheblich hinaus und nahm fast ganz 24 ) die einschlägigen Bestimmungen des Friedens von 1648 25 ) vorweg. Würde man auch für das Abkommen von 1646 den Terminus „Vorvertrag" benutzen, so Straßburg 1897,189 und passim; Alfred Overmann, Die Abtretung des Elsaß an Frankreich im Westfälischen Frieden, in: ZGO NF. 19, 1904, 79-111, 434-478; NF. 20, 1905, 103-145; Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden (1959). 6. Aufl. Münster 1992, 287300, hier 299; Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643-1648). Münster 1979, 184-200, hier 199; Dieter Albrecht, Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen Reichsstände, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 241-273, hier 266 Anm. 134; Gerhard Immler, Maximilian (wie Anm. 8), 279. Daher ist im Register von Antje Oschmann (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/3. Münster 1993, 136R) zum Diarium Volmar. T. 1: 1643-1647, Nr. 1428 (= APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1. Münster 1984, 702), beides vermerkt: „Franz. Satisfaktionsartikel" und „Vorvertrag". Den Terminus „Satisfaktionsartikel" zu benutzen, habe ich 1991 vorgeschlagen: Konrad Repgen, Salvo iure Sanctae Sedis? Die Zessionsbestimmungen des Westfälischen Friedens für Metz, Toul und Verdun als Konkordatsrechts-Problem, in: Winfried Aymans/Anna Egler/Joseph Listl (Hrsg.), Fides Et Ius. Festschrift für Georg May zum 65. Geburtstag. Regensburg 1991, 527-558, hier 531 Anm. 18. Der dort gegebene Hinweis auf Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 6), T. 3, 723-727, ist jedoch zu korrigieren. 21 ) Ebd. T. 1,8-10. 22 ) Text: Claes Theodor Odhner, Die Politik Schwedens im Westphälischen Friedenscongreß und die Gründung der schwedischen Herrschaft in Deutschland. Gotha 1877, 341-352. 23 ) Text: Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 6), T. 5, 161-166. Der Vertrag trägt das Datum 1647X1 11, die Unterzeichnung erfolgte jedoch erst am 14. November. Die Uberschrift des Vertrages lautete: Punctum satisfactionis coronae Galliae, inserendum de verbo ad verbum tractatui pacis Germanicae absque ulla facultate addendi, demendi mutandive. 24 ) Der wichtigste Unterschied der Satisfaktionsregelungen von 1648 zu denen von 1647 ist die Aufnahme der Reichsstadt Straßburg in die Schutzklausel des § 87 IPM (Teneatur rex Christianissimus) und die 1647 noch ausstehende Regelung des Verbleibs der Archivalien durch §§ 90 und 91 IPM. 25 ) Der die französische Satisfaktion in §§ 69 bis 91 regelt.
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
wären sprachlich umständliche Formulierungen unvermeidlich, oder man wäre gezwungen, einen „Ersten" von einem „Zweiten" Vorvertrag zu unterscheiden. Aber das ist überflüssig; denn drittens könnte im Hinblick auf die Vereinbarung vom 13. September 1646 von einem veritablen „Vertrag" auch aus anderen Gründen nur einschränkungsweise gesprochen werden, besonders unter formal-rechtlichem Aspekt. Was nämlich die Form dieser Vereinbarung betrifft, so ist - trotz gegenteiliger Erwähnung und Behauptung in der gesamten neueren Forschung, welche die Akten offenbar zu flüchtig eingesehen hat, von Jacob (1897) über Overmann (1904) und Dickmann (1959) bis hin zu Ruppert (1979) 26 ) - zu betonen: Die Satisfaktionsartikel von 1646 sind nie unterzeichnet worden. Und dies war auch niemals vorgesehen. Daran lassen die Akten aller Beteiligten 27 ) gar keinen Zweifel. Vielmehr hat man die Septemberartikel auf eine andere, sehr unspektakuläre Weise in Kraft gesetzt: Der vereinbarte Text wurde am Nachmittag des 13. September 1646 bei einer Zusammenkunft der kaiserlichen und der französischen Delegationen 28 ) mit den beiden Mediatoren im Quartier des podagra- und fieberkranken Grafen Trauttmansdorff durch Nuntius Chigi lediglich verlesen. 29 ) In beiden Delegationen hatte dabei einer der Bevollmächtigten ein von Chigi mitgebrachtes Exemplar in Händen, damit verglichen werden könne 30 ), für die Kaiserlichen Volmar, für die Franzosen d'Avaux. 31 ) Diesem Text, den die beiden anschließend behalten haben und zu ihren Akten 26
) Jacob, Elsaß (wie Anm. 20), 196: „So konnte am Nachmittag des 13. September der Präliminarvertrag über die Satisfaktion in Gegenwart der Vermittler von den kaiserlichen und französischen Bevollmächtigten unterzeichnet werden"; Overmann, Elsaß (wie Anm. 20), 477: „Die Gesandten haben den Vertrag ... nicht nur in dem Glauben sondern in der Gewißheit unterzeichnet..."; Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 20), 300: „Er [der Vorvertrag, K.R.] wurde am 13. September 1646 in Gegenwart der Vermittler unterzeichnet"; Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 20), 198: „Nachdem die Franzosen ihre Redaktion der Zessionsbestimmungen ... hatten durchsetzen können, ... stand der Unterzeichnung des kaiserlich-französischen Vorvertrags am 13. September 1646 nichts mehr im Wege". 27 ) Die Franzosen haben, ihrem Berichtsstil entsprechend, über den Ereignisverlauf nicht detailliert berichtet, wohl aber die Kaiserlichen und der Nuntius, auch, in geringerem Maße, der venezianische Botschafter. 28 ) Es war das erste Mal während des Friedenskongresses, daß die Kaiserlichen und die Franzosen gemeinsam zu einer formellen Sitzung zusammenkamen. 29 ) Zum folgenden: Diarium Volmar, 1646IX 13: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1 (wie Anm. 20), 702, 19-25; Diarium Chigi, 1646IX 13: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1. Münster 1984, 319; Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster, 1646IX 14: demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 344; Chigi an Pamphili, Münster, 1646IX 14, foglio: Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 19 fol. 605-607'; ders. an dens., Münster, 1646 IX 14 dech. X 3: ebd. Nunz. Paci 20 fol. 26T-260, 262-262'; Contarini an den Dogen, Münster, 1646IX 14, disp. 187, Privatregister-Kopie: Marciana (wie Anm. 5), fol. 270'-273'. 30 ) Texte: vgl. Anhang I. 31 ) Nach Contarini (wie Anm. 29).
Repgen, Die kaiserlich-französischen
Satisfaktionsartikel
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nahmen, haben beide Delegationen zugestimmt, vermutlich mit ein, zwei Worten oder Sätzen - ob zusätzlich durch Kopfnicken oder eine andere Gestik bekräftigt, ist nicht überliefert. Der verlesene Text wurde anschließend als beim Nuntius „hinterlegt" betrachtet. 32 ) Dies hieß konkret: Chigi behielt sein eigenes Schriftstück mit Zustimmung der Kaiserlichen und der Franzosen bei sich und legte es zu den offiziellen Dokumenten, welche er als Friedensvermittler zwischen dem Kaiser und Frankreich in den Jahren 1644 bis 1648 gesammelt hat. 33 ) Das „Original" der Satisfaktionsartikel ist also durch Verlesung vor den Bevollmächtigten und durch formlose Einverständniserklärung der Unterhändler mit dem Gehörten rechtskräftig geworden. Es erhielt seine Bindungskraft nicht durch eine zusätzliche förmliche Anerkennung, wie sie im Westfälischen Frieden bei anderen Gelegenheiten praktiziert worden ist - etwa durch kongreßöffentlichen Handschlag vor Zeugen 34 ), durch Unterschrift wenigstens der Botschaftssekretäre 35 ) oder durch Besiegelung eines vereinbarten Textes 36 ). Wenn man zur Verdeutlichung dessen, was am 13. September 1646 vollzogen wurde, anachronistisch einen Begriff des späteren internationalen Vertragsrechts heranziehen darf: Es handelte sich um eine Art gentlemen's agreement, um die Vereinbarung von Verpflichtungen in rechtlich minimal abgesicherter Form, um Vorläufiges, um Absichtserklärungen - mehr nicht. Dieser Verzicht auf Förmlichkeit war politisch gewollt, und die relative Unverbindlichkeit der Septemberartikel, die dadurch unvermeidlich wurde, war den Beteiligten durchaus bewußt. Im Entwurf der Antwort auf den französischen Textentwurf vom 9. September hat der kaiserliche Sekundärgesandte Isaak Völmar, ein juristischer Praktiker von hohen Graden und außerdem ein politischer Fuchs, am 11. September ausdrücklich die Frage formuliert, ob die vorgesehene Formlosigkeit einer wechselseitigen Quasi-Stipulation eigentlich genüge, ob das - so - akzeptabel sei. 37 ) Diesen Passus des Konzepts aber hat 32
) Eine entgegenstehende Bemerkung von Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 20), 293, ist mißverständlich. 33 ) Vat. Bibliothek, Chig. lat. Q III 58. Auf einem Vorsatzblatt, fol. 1, hat Chigi eigenhändig die Entstehung und den Inhalt dieses Aktenbandes beschrieben: „Sono in questo volume le scritture che mi diedero i plenipotentiarii dell'Imperatore e del re die Francia per la pace loro". 34 ) So verfuhren in Osnabrück die Kaiserlichen und Schweden bei der Vereinbarung des IPO am 6. August 1648 (APW Ser. II. Abt. C. Bd. 4/2. Münster 1994, Nr. 324) sowie die Reichsstände und Servien am 15. September 1648 bei der Osnabrücker Vereinbarung über das IPM (ebd. Nr. 358). 35 ) So verfuhr man am 18. Februar in Osnabrück (vgl. oben Anm. 22) und am 14. November 1647 in Münster (vgl. oben Anm. 23) bei den Vorverträgen mit Schweden und mit Frankreich. 36 ) So verfuhr man in Osnabrück am 15./16. September 1648 vor der Deponierung der Urkunden der Verträge mit Schweden und mit Frankreich beim kurmainzischen Direktorium (APW Ser. II. Abt. C. Bd. 4/2 [wie Anm. 34], Nr. 366). 37 ) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA), Reichskanzlei (RK), Friedensakten (FrA)
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
er, g e w i ß nicht ohne Rückendeckung Trauttmansdorffs, vor der Reinschrift wieder gestrichen - ersatzlos. Man bedurfte kaiserlicherseits dringend der Verständigung mit Frankreich, selbst in dieser sehr lockeren Form, weil etwas Besseres und Verbindlicheres nicht zu erreichen war; denn angesichts der katastrophalen militärischen Lage und Gefahren 3 8 ) bedeuteten die Satisfaktionsartikel so, w i e sie nach Form und Inhalt nun einmal waren, für den Kaiser das politisch Bestmögliche, jedenfalls etwas Besseres als ein Verzicht auf eine derartige Form der Verständigung. Umgekehrt ermöglichte die geringe vertragsrechtliche Förmlichkeit es den französischen Unterhändlern Longueville und d'Avaux, den hartnäckigen Widerstand ihres Kollegen Servien gegen jede verbindliche Festlegung Frankreichs zu überwinden. Für Servien sprach die militärische Lage zu diesem Zeitpunkt; und sein enger Kontakt zu dem leitenden Staatsmann in Paris, Kardinal Mazarin, zwang die beiden anderen, ihm rangmäßig überlegenen Diplomaten, die etwas Endgültiges vereinbaren wollten, zum Einlenken, wobei ein Teil dieses internen Streits durchaus kongreßöffentlich, nämlich in Gegenwart der Vermittler, ausgetragen worden ist. 3 9 )
92 X fol. 286-288, Entwurf Volmars: An haec coram mediatores mutua quasi stipulatione transigendo sint, an sufficiat scripturam huiusmodi ex mutua partium confessione ad mediatores deponi. 38 ) Die französischen Truppen unter Turenne hatten sich mit den Schweden unter Wrangel am 10. August 1646 in Oberhessen vereinigt. Sie marschierten inzwischen (vergleichbar mit Gustav Adolf 1632) in Richtung Donau und Bayern. Zum Feldzugsverlauf vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 20), 139-144; Immler, Maximilian (wie Anm. 8), 312-323; Derek CroJtio«,\Peacemaking in Early Modern Europe: Cardinal Mazarin and the Congress of Westphalia, 1643-1648. Phil. Diss. Urbana, III. 1996, 304-308; Cordula Kapser, Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges 1635-1648/9. Münster 1997, 180-182. 39 ) Vgl. etwa Chigi an Pamphili, Münster, 1646 IX 7 dech. IX 26 (Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 20 fol. 243-246'); noch deutlicher ders. an dens., Münster, 1646IX 14 dech. X 3 (wie Anm. 29): „Mentre che il sig. duca di Longavilla, e mons.r d'Avaux mostrano prontezza di andare ad Osnaburgh per persuadere ai loro confederati l'accordo, hora che la Francia ha le sue sodisfattioni, se ne mostra ritroso il sig. Servient, e si aiuta a metter avanti maggiori pretensioni con gli Imperiali sotto la certa speranza, che dice di haver di ottenerlo. Artifitio che quantunque conosciuto forse da suoi colleghi, non può nondimeno si facilmente evitarsi da loro, e mentre che ha per oggetto li vantaggi della corona, ne quali non vogliono parer meno zelanti di lui, e tremono ancora, che con l'orecchio aperto apresso al card. Mazzarino non avantaggiasse in uno tempo la buona benemerenza, e deprimesse la loro. Perciò doppo haverci data parola tutti tre assieme di metter su la scrittura tutto ciò che volevano per concluder la pace, senza poter aggiungere, e doppo essersi riportato questa parola ai Cesari, e presa [la stessa resolutione] anche da loro, se n'è tirato indietro il sig. Servient, et in un stretto assedio, che gl'hanno fatto gli altri due per otto giorni, a pena l'hanno potuto ridurre, che vi si obligasse almeno per tutto il mese di Settembre, di che il duca mi mandò a dar' avviso all'orecchio prima, che venisse al congresso come di un gran trionfo". Contarini an Nani, Münster, 1646IX 4, Beilage zu disp. 186, Privatregister-Kopie (Marciana [wie Anm. 5], fol. 267-270): „Longavilla ... comincia anch' egli ad ingelosirsi anch' egli più degl'andamenti di Servien"; ders. an den Dogen, Münster, 1646IX 7, disp. 186, Privatregister-Kopie (ebd. fol. 265), über die Verhandlung der Vermittler mit den Franzosen vom 5. September: „si è perduto gran tempo nell'accordarsi tra di loro li due collega
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Satisfaktionsartikel
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Hinter den Gegensätzen zwischen Longueville/d'Avaux einerseits und Servien andererseits stand nicht nur ein anderer Verhandlungsstil, sondern auch ein anderes Verhandlungsziel und damit ein anderes politisches Weltbild.40) Doch ist an dieser Stelle nicht der Platz, dies zu vertiefen. Wir wollen weniger die politische Seite der komplizierten und zähen Verhandlungen um den endgültigen Wortlaut der Septemberartikel schildern, sondern die Textgenese beschreiben. Dazu ist es vor allem nötig, die aus den römischen Chigi-Akten zu gewinnenden Schlüsse durch den Befund aus den Akten der anderen Provenienzen der unmittelbar Beteiligten, also aus Wien, Paris und Venedig, teilweise auch aus Stockholm, Madrid und München, zu ergänzen.
III Führend bei der Redaktion der Satisfaktionsartikel war Nuntius Chigi.41) Auch der andere Vermittler, Contarmi, drängte die Kaiserlichen unaufhörlich zum Einlenken und die Franzosen zum Nachgeben; aber auf Chigis Schreibtisch liefen die Schriftsätze zusammen; er hat die Redaktionsarbeiten vom 5. September an koordiniert; und er hat schließlich den Text, auf den man sich geeinigt hatte, in seiner Kanzlei für die Verlesung am 13. September anfertigen lassen. Daher läßt sich aus seinen Akten die Redaktionsgeschichte der Septemberartikel am besten rekonstruieren. Dabei sind insgesamt sieben Entstehungsstufen zu unterscheiden: Stufe I bildet die Ultima generalis declaratio der Kaiserlichen, datiert vom 31. August 1646. Ihr vorhergegangen war eine interne Zusammenstellung der Kaiserlichen vom 28. August, in ihren Akten scriptura generalis genannt, die in zwei Versionen erhalten ist.42) Hier war das Gesamtprogramm der erledigten und der con Servient: quelli che vogliono mantener la parola data a' mediatori, che doppo Filippsburg nient'altro pretenderà la Francia dall'Imperatore, et questo che vuole restar in libertà di sempre poter aggionger, fino alla sottoscrizione del trattato generale"; ders. an Nani, Münster, 1646IX 11, Beilage zu disp. 187, Privatregister-Kopie (ebd. fol. 274-276): „dissentendo sempre il sig. Servient da gl'altri due collega, et questi procurando di captivarlo con la ragione, poiché stante la confidenza, che egli ha con Mazarini non la vorrebbono dissentente, et questi sono li tratti di corte, che per il privato sconcertano ben spesso il publico". 40 ) Dazu Hermann Weber, Zur Legitimation der französischen Kriegserklärung von 1635, in: HJb 108, 1988,90-113. 41 ) Interessanten Aufschluß über das interne Verhältnis der beiden Mediatoren zueinander gibt, gerade wegen seiner subjektiven Färbung, ein zusammenfassender Rückblick des Nuntius: Chigi an den Brüsseler Internuntius Bichi, Münster, 1649 XI 16, PrivatregisterKopie (Chig. lat. A 1 1 3 fol. 178-180'). « ) Beide hat Volmar entworfen: HHStA, RK, FrA 92 X fol. 213-214 (Nr. 1405) und fol. 215-216'. Hier wie im folgenden ist bei ungedruckten Aktenstücken keine erschöpfende
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
unerledigten Probleme des künftigen Friedensvertrags beschrieben worden. Für den Frieden mit Frankreich waren die mit 29. Mai 4 3 ), l . J u n i 4 4 ) und 5. Juni 4 5 ) erreichten Ergebnisse ein fester Ausgangspunkt. Damals war noch die französische Forderung nach Philippsburg offengeblieben. D i e s e s Problem war inzwischen im französischen Sinn geregelt. Der Trierer Kurfürst hatte Frankreich am 19. Juli vertraglich auch für die Friedenszeit ein Besatzungsrecht in der Festung zugestanden 4 6 ), und der Kurfürstenrat hatte das am 23. August bestätigt. 4 7 ) Offen waren im übrigen noch alle Themen, über die in Osnabrück unter den allgemeinen Stichworten „Schweden" und „protestantische Reichsstände" verhandelt wurde oder werden sollte. Der Inhalt der scriptura
generalis
wurde zwar am 29. August mit den Ver-
mittlern erörtert, doch ist ihnen der Text nicht ausgehändigt worden. 4 8 ) Das geschah hingegen mit der vorerwähnten Ultima generalis
declaratio.49)
Sie
besteht aus vier Kapiteln. Kapitel I benennt in zehn Punkten die bei künftiger französischer Unterstützung der kaiserlichen Politik mit Schweden und den evangelischen Reichsständen zu regelnden Einzelprobleme 5 0 ), Kapitel II ent-
Angabe der Paralleliiberlieferung(en) beabsichtigt. Dies wird bei der Edition der Verhandlungsakten zu §§ 63-91IPM erfolgen, die für APW Ser. III. Abt. B. Bd. 2/7 vorgesehen ist. ) Postrema declaratio der Kaiserlichen, Druck: Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 6), T. 3,31-35. Response des plénipotentiaires de France auf die Postrema declaratio, Druck: ebd. T. 3, 37-45. 45 ) Einerseits die Ulterior declaratio der Kaiserlichen, andererseits die französischen Korrekturen daran; Druck: Jacob, Elsaß (wie Anm. 20), 319-325. 46 ) Karlies Abmeier, Der Trierer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern und der Westfälische Friede. Münster 1986, 77 f. 47 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 1/1. Münster 1975, Nr. 94; dazu Winfried Becker, Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1973, 280. 48 ) Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster, 1646 VIII 28 (demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 322); Chigi an Pamphili, Münster, 1646 VIII 31, foglio (Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 19 fol. 564-565'). 49 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 6) druckt die am 2. September an die Vermittler und von diesen an die Franzosen ausgehändigte Version B, die am Ende von III/l (=1/1 vom 13. September: vgl. Anhang I)eine Klausel über die Abtretung von Pinerolound Moyenvic enthält, welche in A (angeblich versehentlich) ausgelassen worden war. Longueville und d'Avaux hatten das am 1. September bemerkt und moniert. Nach Vorsprache der Vermittler bei Trauttmansdorff wurde das kaiserlicherseits sofort korrigiert und A durch B ersetzt. A wie B sind auf den 31. August datiert. Chigi hat die Version A, die ihm am Nachmittag des 31. August übergeben worden war, zu den Vermittlungsakten genommen: Chig. lat. Q III 58 fol. 284-291. 50 ) 1/1: „Normaljahr" 1624; 1/2: Pfalzfrage; 1/3: gravamina ecclesiastica\ 1/4: Handelsfreiheit; 1/5: Territorialsatisfaktion für Schweden; 1/6: Ausklammerung des habsburgischen Besitzes aus der Entschädigung für Kurbayern und Kurbrandenburg; 1/7: Berücksichtigung der erzherzoglich-tirolischen Interessen im Schwäbischen; 1/8: Hohentwiel, Hohenaurach, Asperg und Schorndorff; 1/9: Lindau; 1/10: württembergische Ablösungssumme für bayerische Rückgabe Heidenheims.
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hält das von Seiten Frankreichs erwartete Entgegenkommen. 51 ) Conditionaliter an die politische Lösung dieser Punkte in I und II gebunden, wird sodann in Kapitel III und IV die eigentliche Satisfaktion mit Frankreich beschrieben: III enthält die kaiserlichen Zugeständnisse - im wesentlichen rechtliche Anerkennungen und Verzichte 52 ), Kapitel IV die französischen Gegenleistungen 53 ), von denen die Franzosen selbst nach dem 13. September meinten, hier werde zum Teil mehr wortreiche Kosmetik formuliert als substantielles Entgegenkommen vereinbart. 54 ) Die Schlußbestimmungen wiederholten das politisch-vertragliche Junktim zwischen kaiserlichem Satisfaktionsangebot an Frankreich einerseits und andererseits der Einbeziehung Spaniens und Lothringens in den Frieden sowie dem Gelingen des allgemeinen Friedensschlusses durch Einlenken Schwedens und der Protestanten. Stufe II wurde durch drei Dinge bestimmt, die sich aus den Verhandlungen vom 2. bis 4. September ergeben hatten. Erstens wünschte Frankreich, wegen einer Bezugnahme der declarado auf die schwedische Satisfaktion, einen offiziellen Text des kaiserlichen Angebots hinsichtlich Pommerns, den Trauttmansdorff am 3. September ausliefern ließ. 55 ) Zweitens begründeten die Kaiserlichen in einer den Vermittlern am 4. September ausgehändigten Denkschrift ihren Textvorschlag vom 31. August politisch und rechtlich in einzelnen, von französischer Seite gegenüber den Mediatoren beanstandeten Punk51
) Es sind drei Punkte - II/l: reichsverfassungsrechtliche Regelung der kurfürstlichen Vorrechte; II/2: hessen-kasselische Forderungen; II/3: Verzicht Schwedens und Frankreichs auf eine Militärsatisfaktion. 52 ) III/l: Zession der Hochstifte Metz, Toul und Verdun und der Reichsstädte Metz und Toul, Restitution des Fürstbischofs von Verdun, Herzog Franz von Lothringen, durch Frankreich, Schutzklauseln für reichsständische Besitzungen und Rechte in Lothringen, Zession der Festungen Moyenvic, auf herzoglich-lothringischem Gebiet, und Pinerolo, auf piemontesischem Territorium; III/2: Zession von Herrschaftsrechten und Besitzungen des Reichs und Habsburgs im Elsaß; III/3: Aufteilung der elsässischen Staatsschulden auf Frankreich und Vorderösterreich; III/4: Einräumung eines französischen Besatzungsrechts in Philippsburg. 53 ) IV/1: Restitution der Vier Waldstädte und des rechtsrheinischen Oberösterreich (Breisgau, Ortenau); IV/2: Schiffahrtsfreiheit und Zollregelung für den Oberrhein; IV/3: Restitution der ehemals vorderösterreichischen Vasallen, Untertanen, Bürger und Einwohner auf beiden Rheinseiten; IV/4: Schutzklausel für elsässische Reichsstände und Reichsglieder (später § 87 IPM: Teneatur rex Christianissimus); IV/5: Restitution und Truppenabzug für das rechts- und linksrheinische Gebiet; IV/6: französische Entschädigungssumme für Erzherzog Ferdinand Karl von Tirol; IV/7: Übernahme von zwei Dritteln der elsässischen Staatsschuld durch Frankreich; IV/8: französische Türkenhilfe für den Kaiser; IV/9: französische Waffenruhe gegenüber dem Kaiser und Bayern; IV/10: Junktim der Ratifikation mit Abschluß eines französisch-spanischen Friedens; IV/11: Restitution und Einschluß des Herzogs Karl von Lothringen in den Frieden mit dem Reich. 54 ) Vgl. Kommentar der französischen Gesandten über die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646, Münster, 1 6 4 6 I X 17: Ass. nat. 276 fol. 154—161, hier fol. 1 5 9 - 1 6 0 . 55 ) Text des kaiserlichen IPO-Entwurfs vom 8. Mai 1646, Art. 13: Chig. lat. Q III 58 fol. 298-298*.
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
ten.56) Drittens hatten die Kaiserlichen auf französischen Wunsch bereits am 2. September die Kapitel III und IV der declaratio vom 31. August abgetrennt und als separates Schriftstück an die Franzosen übergeben lassen.57) Dieser Text, der weiterhin das Datum des 31. August trug, wurde die Grundlage der bevorstehenden Redaktionsarbeiten. Höhepunkt der Verhandlungen der Stufe III, die am 5. und 6. September geführt wurden, war eine überlange, von Spannungen und Emotionen geprägte Sitzung der Vermittler mit den Franzosen am 5. September in der Residenz des Nuntius, dem Minoritenkloster. Sie hat nach Ausweis seines Tagebuchs von 16 bis 23 Uhr gedauert, man habe sich dabei zum Teil geradezu angebrüllt („si grida")58), und es soll beinahe zu Handgreiflichkeiten unter den Diplomaten gekommen sein.59) Makler dieser Verhandlung war Chigi. Er hatte sich in seiner Kanzlei eine Abschrift der Kapitel III und IV der Ultima generalis declaratio anfertigen lassen und hat in diesem Arbeitsexemplar60) am 5. September eine solche Fülle von Streichungen, Zusätzen und Veränderungen vorgenommen, daß am folgenden Morgen ein ganz neuer Text ins Reine geschrieben werden mußte. Dabei arbeitete er auch Korrekturen ein, die Contarmi in der Sitzung des 5. September, offenbar zu Chigis Entlastung, aufgezeichnet hatte61); außerdem übernahm der Nuntius eine von d'Avaux entworfene Präambel62) zu dem 56
) Chig. lat. Q III 58 fol. 300-300', 302-302'. Die französischen Beanstandungen sind in Chigis Bericht vom 7. September (wie Anm. 6) genau beschrieben. 57 ) Chig. lat. Q III 58 fol. 292-297'. Chigi hatte dies in einer eigenhändigen, auf den 1. September zu datierenden Notiz an Volmar mitgeteilt (demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 331 Anm. 3). 58 ) APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 (wie Anm. 29), 319. Ebenso im eigenhändigen Aktenvermerk Chigis auf seinem Arbeitsexemplar vom 5. September (vgl. unten Anm. 60): „dalle 4 fino a XI. höre di notte". Contarmi, Münster, 1646IX 7 (wie Anm. 39), spricht von „10 grosse höre continue", benutzt also offenbar eine andere Tageseinteilung. Trauttmansdorff an Ferdinand III., Münster, 1646IX 7 (demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 333), hatte gehört: „von 2 Uhr nachmittag bis 11 und 1/2 in der nacht", und er hatte erfahren, es hätten „sich weder die Frantzosen untereinander noch diese mit den mediatoribus vergleichen khünen". 59 ) Vgl. Chigi an Pamphili, Münster, 1646 IX 7 dech. X 3 (Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 20 fol. 248-250'): Er bemühe sich nach Kräften, zu versöhnen und zu vermitteln; „et in mostrar la buona intentione, che io quanto alla negotiatione trovo nel sig. Contarmi, il quale con maggior libertà si riscalda contro i plenipotentiarii di Francia in modo tale, che mercordì sera [5. September, K.R.] temei, che fino venisse alle mani col sig. Servient in mia camera, havendogli detto ch'egli era quello che già tre anni moveva tutte le difficultà per distornar la pace, verificando con le opere l'opinione che si ha di tenerne a parte l'ordine espresso". «>) Chig. lat. Q III 58 fol. 303-306'. 61 ) Ebd. fol. 308. Diese Aufzeichnung ist wahrscheinlich am Morgen des 6. September durch den venezianischen Botschaftssekretär Generini überbracht worden, vgl. APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 (wie Anm. 29), 319. 62 ) Chig. lat. Q III 58 fol. 302. Diese Aufzeichnung ist wahrscheinlich am Vormittag des 6. September durch Achachias überbracht worden: vgl. APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 (wie
Repgeti, Die kaiserlich-französischen
Satisfaktionsartikel
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früheren Kapitel IV (jetzt: Teil II) über die französischen Gegenleistungen. 63 ) Die in Chigis Kanzlei am 6. September angefertigte Reinschrift, die am gleichen Tage den Franzosen ausgehändigt worden ist, hat sich in den französischen Akten offenbar nicht erhalten. 64 ) Der Wortlaut, den Chigi zusammengestellt hat, läßt sich aber in seinen Akten fassen. 65 ) Dieser Schriftsatz bedeutete freilich noch nicht die scrittura finale. Denn die Franzosen akzeptierten das am 5./6. September Erreichte nicht. Deshalb verlagerten sich die redaktionellen Arbeiten jetzt für einige Tage in den Schoß ihrer eigenen Delegation. Die Stufe IV hat vom 7. bis 9. September gedauert. Zweimal haben die Franzosen sich beim Nuntius wegen dieser Verzögerung ausdrücklich entschuldigt. 66 ) Wegen der schlechteren Aktenüberlieferung lassen sich die am 7. und 8. September in zähem Streit zwischen Longueville und d'Avaux einerseits und Servien andererseits ausgehandelten und schließlich vorgenommenen Veränderungen nicht auf Punkt und Komma rekonstruieren. Immerhin hat sich ein Arbeitsexemplar erhalten 67 ), dessen von einem Schreiber hergestellter Grundtext Korrekturen und Eintragungen mehrerer noch nicht identifizierter Hände enthält, darunter einmal auch die Hand Serviens. 68 ) Das Ergebnis Anm. 29), 319. Die Präambel d'Avaux' erscheint seit dem französischen Textentwurf des 9. September als Einleitung zu den gesamten Satisfaktionsartikeln. Sie sollte schwedische, hessen-kasselische und allgemein-reichsständische Sorgen über einen französischen Alleingang beschwichtigen: vgl. Kommentar der französischen Gesandten über die kaiserlichfranzösischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646, Münster, 1646IX 17 (wie Anm. 54). ö ) Anhang I, Teil II. M ) Der Grundtext des in Archives du Ministère des Affaires étrangères, Paris (AE), Corr. pol. (CP), Allemagne 66 fol. 412-419, bewahrten Arbeitsexemplars, aus dem der Textentwurf des 9. September hervorging, ist kaum von einem Schreiber der Kanzlei Chigis geschrieben worden. 65 ) Chig. lat. Q III 58 fol. 319-324. Dieser Text ist von einem Schreiber halbbrüchig auf die rechte Spalte geschrieben. Die linke Spalte enthält auf fol. 319, 320 und 321 drei mit A, B und C bezeichnete Zusätze (vom gleichen Schreiber). Der Zusatz A (fol. 319) bietet einen Text, der teilweise aus einer eigenhändigen Notiz Chigis vom 5. September (ebd. fol. 307) hervorgegangen ist und als französischen Vorschlag für ein Lemma der Satisfaktionsartikel festhält: Conventiones inter plenipotentiarios Caesaris et regis Christianissimi [folgt, durchstrichen: circa mutuam] inserendae tractatui pacis generalis in Imperio circa punctum satisfactionis. Zusatz B (fol. 320) übernimmt den Contarini-Text (vgl. oben Anm. 61), Zusatz C (fol. 321) den d'Avaux-Text (vgl. oben Anm. 62). 66) Diarium Chigi zu 1646IX 7 und 8: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 (wie Anm. 29), 319. 67 ) Vgl. oben Anm. 64. Dieser Schriftsatz enthält außer den Korrekturen am Chigi-Text vom 6. September, welche in die Reinschrift vom 9. September eingegangen sind, einige Marginalglossen, die am 11. oder 12. September eingetragen worden sein müssen, weil sie Petita der kaiserlichen Verbalnote an die Vermittler vom 11. September enthalten, über die diese am Nachmittag des 11. September mit den Franzosen verhandelt haben. Folglich ist das Schriftstück: AE, CP, All. 66 fol. 412-419, bei dieser Gelegenheit weiterbenutzt worden. 68 ) Freundliche Mitteilung der Bearbeiterin von APW Ser. II. Abt. B. Bd. 4, Frau Anuschka Tischer, M.A.: auf fol. 412 verändert Servien den Schreibertext dummodo de more sacra-
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war ein in vielen Punkten neuer, undatierter Text, der am Nachmittag des 9. September den Vermittlern zugestellt worden ist. Contarini hat ihn zutreffend als eine Mischung aus Vorschlägen der Vermittler mit Zielen Serviens 69 ) charakterisiert. Der französische Textentwurf vom 9. September enthielt in der Schutzklausel für die elsässischen Reichsunmittelbaren eine folgenschwere Sinnveränderung, indem das bisherige Possessivpronomen sua (Liberias) durch das Demonstrativpronomen ea (libertas) ersetzt worden war. 70 ) Außerdem war, ganz neu, die bei den späteren Reunionen berühmt gewordene Klausel Ita tarnen an das Ende der Schutzklausel angehängt worden. 71 ) Beide Veränderungen haben in diesen hektischen Septembertagen keine Aufmerksamkeit erregt. Ohne jeden Einwand hat die kaiserliche Note vom 11. September der Neufassung und Erweiterung der Schutzklausel Teneatur rex Christianissimus ihr placet gegeben. Anders verhielt es sich mit zwei anderen Neuformulierungen, die zu Widerspruch führten. Einmal fügte der französische Textentwurf in einen (seit 31. August vorgesehenen und schon am 5./6. September erheblich erweiterten) Paragraphen, welcher den gleichmäßigen Abzug der Garnisonen links und rechts des Rheines vorsah und dessen Incipit Pariter omnes lautete 72 ), das Wort „Ehrenbreitstein" ein. Damit verlangte Frankreich unmittelbar nach Friedensschluß die Übergabe einer kaiserlich besetzten Festung am Mittelrhein, deren militärischer Wert kaum zu überschätzen war 73 ), an den Landesherrn. Dies aber war der mit Frankreich verbündete Kurfürst von Trier. Nach dem Urteil des venezianischen Botschafters hätte dies die direkte Auslieferung eines strategischen Schlüsselpunktes von europäischer Bedeutung an Frankreich bedeutet, schien also für die kaiserliche Seite kaum zumutbar. Der zweite Punkt, politisch noch brisanter, war eine Befristung des Abkommens bis Ende September; nach Ablauf des Monats entfalle die Ne-Varieturmentum dicat regi in dummodo prius praestiterit regi iuramentum fidelitatis, wie es auch im endgültigen Text heißt (vgl. Anhang I, Teil I, Artikel 1). 69 ) 1646 IX 11 ( w i e A n m . 39). 70 ) Später § 87 IPM (Teneatur rex Christianissimus). Zur Sache vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 20), 298. Im französischen Textentwurf vom 9. September ist (hinsichtlich der lothringischen Bistümer, der elsässischen Abtretungen und Pinerolos) dem ius/iura superioritatis jeweils hinzugefügt supremum dominium. Dieser Terminus stand in Chigis Schriftsatz vom 6. September noch nicht. Die Kaiserlichen haben ihn in der Note vom 11. September kommentarlos akzeptiert. Zur Sache vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 20), 296. 71 ) Zur Interpretation vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 20), 196. 72 ) Am 31. August trug er die Nummer IV/5, am 5./6. September die Nummer II/5: vgl. oben, Anm. 53, und unten, Anhang I, Teil II, Artikel 5. 73 ) Contarini (wie Anm. 69), auch zum folgenden, spricht von „fortezza importantissima", von einem „posto di somma importanza". Uber das Problem „Ehrenbreitstein" im Zusammenhang der Friedensexekution vgl. Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991, passim.
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Klausel. 74 ) Im Klartext bedeutete dies eine verbindliche Geltungsdauer von nur drei Wochen - viel zu kurz natürlich, um eine Ratifikation aus Paris und Wien einzuholen, und auch viel zu kurz, um den drohenden militärischen Aktionen Turennes in Süddeutschland Halt zu gebieten. Hier hatte Servien sich gegen Longueville und d'Avaux behauptet. Er wollte zu diesem Zeitpunkt, da schwedische und französische Truppen - von der Reichsarmada ungehindert auf die Donau zumarschierten, am liebsten jede für Frankreich endgültige Bindung vermeiden. Dieses politische Ziel wurde durch den Umweg über die Fristenklausel zwar kurzfristig eingegrenzt, de facto aber durchgesetzt. Die Befristung machte aus Vertragsartikel-Entwürfen, die auf Dauer angelegt waren, ein Interim für lediglich drei Wochen. Der französische Textentwurf vom 9. September erhielt dadurch eine neue Qualität. Aus der bisher vorbereiteten Vor-Vereinbarung für den Friedensschluß wurde eine befristete politische Absichtserklärung für die weiteren Verhandlungen. Der Blick auf die militärische Lage in Süddeutschland und auf die kurze Geltungsfrist des unveränderten französischen Angebots macht die Eile verständlich, welche nunmehr die Kaiserlichen wie die Vermittler an den Tag legten. Deshalb wurden für Stufe V nur 24 Stunden benötigt. Am 9. September abends war Chigi mit dem neuen französischen Textentwurf in das Minoritenkloster zurückgekehrt. Am Morgen des 10. trugen die beiden Vermittler diesen Schriftsatz zu den Kaiserlichen, offenbar ohne vorher für die eigenen Zwecke wenigstens eine Kopie anfertigen zu können. 75 ) Sie erörterten das Schriftstück im Quartier Trauttmansdorffs ausführlich mit den Kaiserlichen. Danach hat Volmar eine kaiserliche Stellungnahme zu dem französischen Textentwurf konzipiert. 76 ) Diese Antwort ist als Verbalnote 77 ) am Nachmittag des 11. den Vermittlern überbracht und von diesen am gleichen Nachmittag den Franzosen mündlich eröffnet worden, welche die kaiserlichen Wünsche und Einwände ad notam nahmen. 78 )
74
) Text: Anhang I, Schlußbestimmungen, erster Absatz. ) Ein Schriftsatz mit dem französischen Textentwurf vom 9. September ist in Chigis und Contarinis Akten nicht erhalten. Das den Kaiserlichen übergebene Exemplar, eine Reinschrift von Schreiberhand, liegt in der Belegstücke-Sammlung Volmars unter Nr. 1422: HHStA, RK, FrA 92 X fol. 275-280. Der Kopfvermerk Volmars lautet: Praesentatum per dominos mediatores lunae decimo Septembris anni 1646 in hospitio domini comitis Trautmansdorf, praesentibus et domino comite a Nassau, et Volmaro. 76 ) Vgl. oben Anm. 37. 77 ) Das Diarium Chigi zu 1646 IX 11 nennt sie nota (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 [wie Anm. 29], 319). 78 ) Chig. lat. Q III 58 fol. 311, 302-302', 313-314; Aktenvermerk Chigis (fol. 311, teilweise verheftet): „(scrittur)a de' signori Imperiali 1*11 di Settembre 1646 (por)tata in voce l'istesso dì a'signori (France)si che ne presero nota". Damit übereinstimmend das Lemma in Chigis Privatregister-Kopie: Chig. lat. A I 10 fol. 303-305 (Nr. 145). 75
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Die kaiserliche Verbalnote berücksichtigt den gesamten französischen Textentwurf vom 9. September und formuliert zehn Einwendungen, Erinnerungen und Bedenken: Erstens erinnert sie erneut an das schon in der Ultima generalis declaratio vom 31. August formulierte politische Junktim zwischen kaiserlichem Zessionsangebot und künftigem französischem Verhandlungserfolg in Osnabrück. Sodann wird für das Proömium eine Umformulierung vorgeschlagen, wonach die Aussagen über die schwedische und die hessen-kasselische Satisfaktion zu trennen seien. Dies war ein Wunsch der spanischen Seite79), die auch eine ausdrückliche Distanzierung von der gegen Lothringen und insbesondere gegen Spanien gerichteten und mit massiver Polemik durchsetzten Vorbehaltsklausel der Franzosen forderte.80) Eine zweite Gruppe von Forderungen betraf finanztechnische Modalitäten der Aufteilung der elsässischen Staatsschuld zwischen Frankreich und Vorderösterreich und der Zahlungsverpflichtungen Frankreichs gegenüber dem Erzherzog von Tirol.81) Auch in diesem Punkt hat die kaiserliche Seite sich durchsetzen können, wie Volmar am 13. September82) auf seinem Entwurf der Note des 11. mit Bleistift vermerkt hat. 83 ) Einen gewissen Erfolg erzielte die kaiserliche Seite sogar mit dem Vorschlag, das Problem „Ehrenbreitstein", weil es eigentlich nicht zu den bilateral zu regelnden kaiserlich-französischen Sachen gehöre, hier in Münster auszuklammern (suspendenda erunt) und im größeren Zusammenhang der allgemein-reichsständischen Verhandlungen, also in Osnabrück, zu regeln. Die französische Seite ging auf diesen Vorschlag -jedenfalls teilweise - ein, so daß sich Volmar beim oder nach dem Gespräch vom Vormittag des 13. September mit den Vermittlern zu diesem Punkt notieren konnte: totus § suspensus. Diese Vorentscheidung hatte für den endgültigen Text der Satisfaktionsartikel Konsequenzen, auf die zurückzukommen sein wird. Durchsetzen konnte die kaiserliche Seite schließlich eine genauere Fassung der Bestimmungen über die Restitutionen der persönlichen Besitzungen des Fürstbischofs von Verdun in Abgrenzung von königlich-französischem und
79
) Vgl. obenAnm. 12. ) Die Trennung des Schwedischen vom Hessen-Kasselischen ist am 13. September erfolgt, nicht aber eine Änderung der französischen Formulierungen zu Spanien und Lothringen (vgl. Anhang I, Proömium und Schlußbestimmungen). 81 ) 1/3,11/6 und II/7 der Satisfaktionsartikel vom 13. September (vgl. Anhang I). 82 ) Das Diarium Chigi vermerkt zu 1646 IX 13 von 9 bis 11 Uhr eine Verhandlung bei Trauttmansdorff (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 [wie Anm. 29], 319). Aus dem Bericht Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster, 1646 IX 14 (demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 344) geht hervor, daß auch Nassau und Volmar daran teilnahmen. 83 ) Vgl. oben Anm. 37. 80
Repgen, Die kaiserlich-französischen
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von Privateigentum84); ähnlich mehr rechtstechnisch als politisch war ein Textvorschlag über die französischen Verpflichtungen gegenüber dem Erzherzog von Tirol, den Frankreich akzeptierte.85) Keinen Durchbruch erzielten die Kaiserlichen hingegen mit dem erneuten Versuch, die Zession der lothringischen Bistümer staatsrechtlich statt kirchenrechtlich zu beschreiben, also von Hochstiften statt von Diözesen zu sprechen.86) Das hätte eine erhebliche Einschränkung der Gebietsabtretungen des Reiches bedeutet und wurde von den Franzosen seit Anfang Juni strikt abgelehnt. Nicht so einfach wie mit Ja und Nein läßt sich die kaiserliche Stellungnahme zu der Befristung der Ne-Varietur-YAsasel des französischen Textentwurfs schildern. Er lautete am 9. September: Haec omnia rata sint adfinem usque Septembris neque interim addi quicquam vel demi possitß1) Dazu meinte die Verbalnote: Das ist entweder überflüssig oder betrügerisch (captiosus)\ denn wenn die Franzosen unsere Bedingungen88) erfüllt haben sollten, dann ist alles im Lot (constanter), und wenn nicht, hält diese Vereinbarung nicht einen Tag und eine Stunde.89) Die emotionale Energie, mit der dieser Passus formuliert ist, zeigt, daß die Kaiserlichen den politischen Hintergrund der Fristenregelung durchschaut hatten und auf die weitreichenden Konsequenzen den Finger legten. Sie schwiegen aber zu der Frage, ob die Streichung dieser Klausel für sie eine Conditio sine qua non wäre. Über diesen Punkt weiter zu verhandeln, war also Sache der Vermittler als der formellen Adressaten der Verbalnote vom 11. September. Als Stufe VI bezeichnen wir die Verhandlungen der Mediatoren mit den Franzosen und den Kaiserlichen vom Nachmittag des 11. bis zum Mittag des 13. September. Am Ende stand die Schlußredaktion des Textes durch Chigi. Zunächst unterrichteten die Vermittler noch am Nachmittag des 11. September die französische Delegation sehr ausführlich über die kaiserliche Verbalnote. Vermutlich ist der Text dem Botschaftssekretär Boulenger mehr oder
84 ) Die Textveränderung ist ausgewiesen in Anhang I, Anm. 9, wobei der eingeklammerte Zusatz (salvo tarnen regis et cuiuscunque privati iure) von französischer Seite kam, vermutlich am 12. September. 85 ) Vgl. Anhang I, Anm. 36 und 37. 86 ) Die kaiserliche Verbalnote hatte vorgeschlagen, hinsichtlich der lothringischen Bistümer (Anhang I, Teil 1/1) dem Wort districtus den Genitivus possessivus temporalis dominii hinzuzufügen. 87 ) Vgl. Anhang I, Schlußbestimmungen, mit Anm. 70. 88 ) Anspielung auf die Osnabrücker Verhandlungen über die schwedische und hessen-kasselische Satisfaktion und mit den protestantischen Reichsständen. 89 ) Ad § Haec omnis rata sint: Haec clausula aut superflua aut captiosaa est. Nam si Galli conditiones a Caesareanis dictas adimpleverint, omnia constanter rata erunt; sin minus, nec uno quidem die aut hora durabunt. Anders über diese Klausel urteilten Ende September die deputierten Räte am Kaiserhof: vgl. unten Anm. 112.
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minder wörtlich in die Feder diktiert worden 90 ), doch hat sich seine Niederschrift in den französischen Akten nicht gefunden. Wohl aber hat Chigi unter den Verhandlungsakten zwei Schriftstücke aufbewahrt, die die weitere Textentstehung klären. Das eine 91 ) betrifft die Nutzung der fürstbischöflichen, königlichen und privaten Besitzungen in der abzutretenden Diözese Verdun sowie zwei finanztechnische Dinge, die wir übergehen können. Wichtigeren Aufschluß bietet der andere Schriftsatz, eine kurze Verbalnote vom 12. September 92 ) mit neun Punkten, die französisch auf die lateinisch formulierten Vorschläge vom 11. Antwort gaben. Sieben hier wiederholte Textvorschläge Völmars betrafen finanz- und rechtstechnische Regelungen. Sie wurden ausnahmslos akzeptiert. In zwei politisch brisanten Punkten aber gaben die Franzosen nicht einfach nach. Vor allem beharrten sie hinsichtlich der lothringischen Zession unnachgiebig auf ihrer Position vom 9. September und lehnten eine Beschränkung auf die Hochstiftsbezirke ab. Es heißt dazu lapidar: „ne se peut adiouster". Dies war für sie kein Verhandlungsgegenstand mehr. Hingegen lenkten die Franzosen wegen der Restitution von Ehrenbreitstein in dem Paragraphen Pariter omnes [II/5] ein, wenn auch nicht bedingungslos. „L'on consent", heißt es, „ce le remettre au traicté général, pourveu que les plénipotentiaires de l'Impereur [!] 93 ) déclarent aux médiateurs qu'on rendra Armestein a M.r électeur de Trêves". Man begnügte sich also mit einer den Trierer Kurfürsten bei den Osnabrücker Verhandlungen begünstigenden Absichtserklärung. Ehe wir beschreiben können, welche Konsequenzen diese Entscheidung vom ,12. für den endgültigen Wortlaut der Vereinbarung des 13. September hatten, ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß keiner der beiden französischen Schriftsätze vom 12. September mit auch nur einem einzigen Wort auf die Einwände der kaiserlichen Verbalnote gegen die Befristung der Ne-Varietur-Klausel im Textentwurf des 9. September eingegangen ist. Offenkundig ist über diese alles andere als sekundäre Frage nur mündlich, in den beiden langen Besprechungen der Franzosen mit den Vermittlern am 11. und 12. und der Mediatoren mit den Kaiserlichen am Morgen des 13. September verhandelt
90
) Zum folgenden: Chigi und Contarmi, 1646 IX 14 (wie Anm. 29). ) Chig. lat. Q III 58 fol. 315 (Schrift von einstweilen nicht identifizierter Hand, identisch mit fol. 317); Vorlage zu fol. 315 (Reinschrift, vermutlich in der Kanzlei Chigis hergestellt. Undatiert, ohne Aktenvermerk Chigis). 92 ) Ebd. fol. 317 (Schrift von einstweilen nicht identifizierter Hand, identisch mit fol. 315); eine dementsprechende Reinschrift eines ph auf fol. 316. Dort ein Kopfvermerk Chigis: „(Ultime) correttioni de Francesi alla scrittura de' Cesarei [= kaiserliche Verbalnote vom 11. September, K.R.] date il 12 Settembre in mia camera, e passate da' Cesarei il 13, e poi mette nella scrittura fermata [= Satisfaktionsartikel, K.R.]". 93 ) So die Reinschrift. In der Vorlage stand: ,,1'Empereur". 91
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worden. Was sich dabei ergab, ist folglich zunächst dem Text zu entnehmen, den Chigi für die Verlesung am 13. September vorbereitet hat. Damit befinden wir uns in der Stufe VII, die am späten Vormittag des 13. begann und bis zum 14. September dauerte. Im Mittelpunkt stand die einvernehmliche Verlesung und Approbation der Satisfaktionsartikel.94) Die drei dort verwendeten Exemplare sind in der Kanzlei Chigis entstanden, und zwar in der Reihenfolge Ch, A und V.95) Am Anfang steht das von Chigi am 13. September selbst benutzte und anschließend aufbewahrte Exemplar, hier Ch genannt, dessen Grundtext wohl schon am 12. geschrieben worden ist. Chigi hat aber in Ch eine Reihe eigenhändiger Ergänzungen eingetragen, was am 13., gegen Mittag, erfolgt sein muß, weil sie sich erst aus den Verhandlungen am Nachmittag des 12. und am Vormittag des 13. ergeben hatten. Der Nuntius hat das Schriftstück Ch in seinem /og//o-Bericht vom 14. September an das Staatssekretariat, dem er eine Kopie als Berichts-Beilage übersandte96), als „originale tutto postillato" bezeichnet.97) Auf diese Beschreibung paßt unter den Vermittler-Papieren Chigis allein und genau das Schriftstück, das wir Ch nennen und das für den Mediator, der wie ein Notar für die Vereinbarung der Parteien fungierte98), ein „Original" war. Von diesem „Original" sind in Chigis Kanzlei nacheinander zwei Reinschriften angefertigt worden. Die erste, hier als A bezeichnet, ist das Schriftstück, das am 13. September d'Avaux in Händen gehabt hat. Es ist von Henri d'Herbigny, einem Edelmann aus der Suite d'Avaux' 99 ), der am 17. September als Sonderkurier abreiste, nach Paris überbracht und dort durch einen entsprechenden Aktenvermerk charakterisiert worden („Conventions ... envoiéfes] à la Cour par Monsieur d'Erbignes..."). Sein Grundtext war von einem unbekannten Schreiber, den wir ph 2 nennen, geschrieben worden. Eingefügt sind in einem zweiten Arbeitsgang von einer anderen Hand, die wir ph 3 nennen, die gleichen Korrekturen, die Chigi in Ch eigenhändig vermerkt hat.
94
) Vgl. zum folgenden die Quellennachweise oben Anm. 29. ) Für Einzelheiten vgl. Anhang I. 96 ) Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 19 fol. 609-613'; die zugehörige Privatregister-Kopie befindet sich in Chig. lat. A I 10 fol. 3 0 5 ' - 3 1 2 (Nr. 146); Lemma: „Scrittura d'aggiustamento fra'i plenipotentiarii Imperiali, e quelli della corona di Francia sopra la sodisfattione etc. li 13 Settembre 1646". 97 ) Chigi, 1646IX 14 (wie Anm. 29), „foglio . . . e poi passai avanti alla lettione della scrittura di cui mando copia con questi fogli A [vgl. Nachweis in Anm. 96], Ritendenomi di essa l'originale tutto postillato, consegnatane una copia in netto a' Cesarei, et un' altra a' Francesi; la lessi di parola in parola ad alta voce, e trovatosi da loro, che erano le copie conformi, e di loro sodisfattione, se le ritennero, con facultà di poterle communicare a vista, ma non per copia, a' loro confederati, mentre l'originale si conservava in mia mano". Contarmi, 1 6 4 6 I X 14 (wie Anm. 29), spricht von Verlesung der „abozzi minutati". 98 ) So beschreibt Chigi selbst seine Funktion im Bericht an Pamphili, Münster, 1646 XI 9 dech. XII 13: Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 20 fol. 323-326. 99 ) Vgl. APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1986, 62 Anm. 10. 95
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Infolgedessen wirkt der Text A wie ein Reinkonzept, an dem noch weiter gearbeitet worden wäre. Es ist aber das französische „Original".100) Das entsprechende kaiserliche „Original", das Chigi Volmar übergab, nennen wir V. Es ist eine einheitliche Reinschrift, von der gleichen (hier als ph 2 bezeichneten) Hand aus Chigis Kanzlei geschrieben, der auch der Grundtext von A zuzuordnen ist. Die nachträglichen Ergänzungen, in denen Ch und A übereinstimmen, finden sich in dem Schriftstück V in laufender Zeile. Die chronologische Abfolge der Texte-Entstehung ist damit gesichert: V muß zum Schluß geschrieben worden sein. Volmar hat es in die Belegstücke-Sammlung seines Diariums (unter Nr. 1428) aufgenommen. Ein eigenhändiger Aktenvermerk Volmars (praesentatum et lectum ... die 13. Septembris anno domini 1646) sichert die Authentizität. Man sollte nun denken, daß Ch, A und V als Text identisch wären. Denn sie sind vom Nuntius am 13. September mit lauter Stimme („alta voce") vorgelesen worden, und zwei erfahrene Unterhändler haben das Gehörte mit dem Gelesenen verglichen und für gut befunden. Aber die Texte stimmen nicht in allem überein, wobei orthographische Unterschiede bei der Schreibung von Eigennamen usw. selbstverständlich unberücksichtigt bleiben müssen. Dieser Befund verlangt eine Erklärung, die im nächsten Kapitel erfolgen soll. Vorher aber ist noch anzumerken, daß Chigi nach Ausweis seines Tagebuchs den Text des Geheimartikels über die künftige französische Türkenhilfe für den Kaiser 101 ) am Vormittag des 14. September den beiden DelegationsChefs, Trauttmansdorff und Longueville, sowie dem venezianischen Botschafter zugestellt hat, diesem außerdem noch den Text der scrittura, womit die Satisfaktionsartikel vom 13. gemeint sein müssen. 102 ) Ob der Geheimartikel am 13. September überhaupt verlesen worden ist oder erst nachträglich - gewissermaßen als Zirkularnote - in das Abkommen einbezogen wurde, sagen die Quellen nicht.103)
100) Di e angeblich zwei „Originale" der Satisfaktionsartikel in den französischen Akten, von denen Overmann, Elsaß (wie Anm. 20), 475, spricht, sind Kopien, die am 17. September 1646 nach Paris gesandt wurden. 101 ) Text: Anhang II. 102 ) APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 (wie Anm. 29), 320. Rein sprachlich könnte das Wort scrittura auch auf Trauttmansdorff und Longueville bezogen werden, weil die Eintragung wegen mangelnder Interpunktion uneindeutig ist. Meine Interpretation ist die sprachlich wahrscheinlichere und stimmt mit dem Aktenbefund iiberein, was für die entgegengesetzte Interpretation nicht gelten würde. 103 ) An die in Anm. 110 zitierte Passage schließt sich ein kurzer Kommentar Chigis zum Türkenhilfsartikel an, der in Anhang II abgedruckt ist. Dazu der Kommentar der französischen Gesandten über die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646, Münster, 1646IX 17 (wie Anm. 54), hier fol. 160.
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IV Alle Berichte derjenigen, die an der Zeremonie des 13. September beteiligt waren, stimmen darin überein, daß über den zutreffenden Wortlaut des von Chigi verlesenen Textes Einvernehmen geherrscht habe und daß kein Widerspruch geäußert worden sei. Damit war die Voraussetzung für die mündliche Zustimmung der beiden Parteien gegeben. Die drei am 13. September nachweislich benutzten Texte sind aber, wie erwähnt, nicht völlig identisch. Sie unterscheiden sich in zwei Punkten voneinander, von denen der erste leichter erklärbar ist als der zweite. Im ersten Punkt 104 ) geht es um den vorerwähnten Artikel II/5 (Pariter omnes), welcher die Rückgabe der Festung Ehrenbreitstein an den Kurfürsten von Trier vorsah. Im Text von V fehlt dieser Paragraph völlig, in A ist er mit zwei großen Strichen durchkreuzt, in Ch steht am Rande: In voce. Diese Unterschiede lassen sich unschwer erklären. Am 12. September hatten die Franzosen schriftlich festgehalten, unter welcher Bedingung sie der Ausklammerung dieses Paragraphen aus der kaiserlich-französischen Abmachung zustimmen wollten.105) Darüber hat Chigi am 13. morgens mit Trauttmansdorff verhandelt, und man ist übereingekommen, diesen Artikel bei der Vorlesung zu übergehen.106) An diese Vor-Vereinbarung hat der Nuntius, gewissermaßen in Parenthese, bei der Verlesung am Nachmittag des 13. erinnert. Daraufhatte er sich vorbereitet und dementsprechend im Exemplar Ch die Paragraphenzählung verändert (Quinto statt [vorher] Sexto, Sexto statt [vorher] Septimo). Dies ist bei der Korrektur von A übersehen worden. Daher blieb dort (nach der Streichung des Paragraphen II/5) die Reihenfolge und Zählung II/4, II/6 und II/7 stehen, während in V die Streichung des früheren II/5 schon im laufenden Text berücksichtigt worden ist und II/4 [alt], II/5 [neu] und II/6 [neu] durchgezählt wird. Im Bericht nach Rom hat der Nuntius dieses Procedere ausdrücklich beschrieben.107) Da besonders Trauttmansdorff in den letzten Tagen betont hatte, daß der Ehrenbreitstein um keinen Preis an den Trierer Kurfürsten ausgeliefert werden 104
) Zum folgenden: Anhang I. ) Vgl. oben 192. 106 ) Dazu Trauttmansdorff, Nassau und Volmar, Münster, 1646 IX 14 (wie Anm. 29). Nach diesem Bericht regten die Vermittler dieses Procedere an; ebenso das Diarium Volmar zu 1646 IX 13 (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/2. Münster 1984,702). Die Verhandlung am Morgen des 13. September dauerte von 9 bis 11 Uhr (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 [wie Anm. 29], 319). 107 ) „AI numero quinto [II/5, K.R.] dissi alla sfuggita, che si era ommesso l'articolo che concerneva la restitutione delle piazze per l'una parte, e per l'altra, perché apparteneva più sotto al trattato universale [di Germania, K.R.], e per la parte dell'Imperio già vi procedeva l'amnistia, e per quelle della Francia, per anco si additava, mentreché in questa scrittura [Satisfaktionsaitikel, K.R.] era espressa quel tanto, di cui solamente rimaneva padrone: oltreché di veder egualmente loro una pronta volontà di sodisfarsi in ciò reciprocamente". 105
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könne - diese Festung sei wichtiger als das ganze Elsaß mitsamt Breisach und Philippsburg108) - , war die Ausklammerung des Themas „Ehrenbreitstein" aus den unmittelbar kaiserlich-französischen Streitfragen eine elegante Lösung. Der formale Unterschied zwischen dem Aktenbefund in Ch einerseits und A sowie V andererseits bedeutet also keinen tatsächlichen Widerspruch in der Sache. Alle Beteiligten wollten die Verhandlungen über das Thema „Ehrenbreitstein" von Münster nach Osnabrück verlegen, und keiner war bereit, an diesem Punkt die bilaterale Vereinbarung zwischen Frankreich und dem Kaiser in Münster scheitern zu lassen. Ähnliches gilt im Grunde auch für die Behandlung der bis Ende September befristeten Ne-Varietur-Klausel, die Frankreich seit dem 9. September gefordert hatte und von welcher die Kaiserlichen am 11. September gesagt hatten, sie sei entweder überflüssig oder betrügerisch.109) Diese Klausel leitet die Schlußbestimmungen ein. Sie ist im Grundtext Ch von Schreiberhand geschrieben und lautet: Haec omnia rata sint ad finem usque Septembris neque interim addi quicquam vel demi possit. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden die letzten sieben Worte gestrichen. Diese Streichung ist sicher erst erfolgt, nachdem der gesamte Passus, in laufender Zeile, von Ch für A abgeschrieben worden war; denn dort steht im Grundtext der gesamte Satz, auch der Anfang, ist aber insgesamt zu einem späteren Zeitpunkt mit drei Strichen getilgt worden. V hingegen hat weder den ersten noch den zweiten Teil der Klausel. Dort wird also weder von einer Septemberfrist noch von einer Ne- Varietur-Formz\ gesprochen. Es stellt sich jetzt die Frage, was unter diesen Umständen eigentlich als „Original" zu bezeichnen ist. Was, sollen wir annehmen, ist in dieser Sache am 13. September vorgelesen, mündlich approbiert und somit überhaupt Gegenstand der Vereinbarung geworden? Eindeutig ist der Verzicht beider Vertragsparteien auf ein ausdrückliches Verbot, den vorliegenden Text noch einmal zu verändern, eine ausdrückliche Ne-Varietur-Klausel vorzusehen. Das bezeugt die Streichung der Worte neque addi interim quicquam vel demi possit in Ch und A ebenso wie ihre Nicht-Erwähnung in V. Die Streichung in Ch und A muß mittags in Chigis Residenz vorgenommen worden sein, weil sie bei der Abschrift V (von A) bereits berücksichtigt worden ist. Die sachliche Konsequenz einer solchen Streichung jedoch war gänzlich unerheblich, solange die Befristung des Abkommens Gegenstand des Übereinkommens blieb. Auf diesen Sachverhalt spielt Chigi selbst in seinem erläuternden Bericht vom 14. September an. 110 ) Er erwähnt in diesem Zusammen108
) Chigi, 1646 IX 14 dech. X 3 (wie Anm. 29). >09) Vgl. oben 191 mit Anm 89. M0 ) Chigi, 1646 IX 14, foglio (wie Anm. 29) schreibt im Anschluß an die in Anm. 107 zitierte Passage: „Siccome ancora in havere ommesso l'altro articolo che la Francia accor-
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hang ausdrücklich das Monatsende als einen fortbestehenden Teil der Vereinbarung; es sei ein besonderes kaiserliches Entgegenkommen gewesen, sich auf die Forderung der Franzosen nach einer Befristung bis Ende September einzulassen, obgleich Frankreich in den Vorverhandlungen doch schon einmal einer unbefristeten Vereinbarung zugestimmt gehabt habe. Also, wäre zu schließen, muß Chigi die ersten Worte der Gesamtpassage (Haec omnia rata sint ad finem usque Septembris) so vorgelesen oder erwähnt haben, wie sie in Ch stehen, so daß sie insofern auch Teil der Vereinbarung geworden sind, deren originale eben Ch ist. Andererseits fehlt diese Passage in V gänzlich; in A ist sie getilgt. Und beide Schriftstücke sind gewissermaßen ebenfalls „Originale" gewesen, weil sie das authentische, am 13. September benutzte Kollationsexemplar darstellen. Es kommt hinzu, daß die Kaiserlichen wie die Franzosen und wie Contarmi in ihren Berichten über den Abschluß der Septemberartikel keinerlei Andeutung über eine Befristung des Abkommens gemacht haben. Auch die Vereinbarungs-Texte, welche diese unmittelbar Beteiligten seit dem 14. September nach Wien, nach Paris, nach Venedig und (für die Schweden) nach Osnabrück verschickt haben, entsprechen in diesem Punkte der Version A und V, aber nicht der Version Ch. Das gilt sogar für die von Chigi selbst am 14. September als Berichts-Beilage nach Rom übersandte Abschrift der Artikel, ebenso für die Kopie dieser Abschrift in Chigis Privatregister; die acht Worte des Satzes, um die es geht, fehlen auch dort. 11 ') Wenn nun (mit Ausnahme von Ch) in keiner der Text-Überlieferungen die Worte Haec omnia rata sint ad finem usque Septembris stehen - was ist aus einem solchen Aktenbefund zu schließen? Zunächst wohl dieses: Keiner der Beteiligten kann, das ist sicher, gewollt haben, daß in den Texten, die an die Zentralen und Verbündeten weitergegeben werden sollten, vom „Septemberende" gesprochen würde. Vielmehr wollte jeder, daß in den „quasi-offiziellen" Abschriften, die man anfertigen ließ oder von deren Inhalt man erzählte, keine Spur einer Fristenregelung zu entdecken sein sollte. Deshalb verbreitete man allenthalben, wo der Wortlaut der Septemberartikel mitgeteilt werden sollte, Texte ohne die Klausel Haec omnia rata usw. Muß aus dieser Tatsache nicht geschlossen werden, daß auch bei der Verlesung am Nachmittag des 13. September diese Worte ungesagt geblieben sind, wie es dem Wunsch der Kaiserlichen vom 11. September entsprochen hätte? 112 ) dava di non poter aggiognere né scemare alla detta scrittura per tutto il mese di Settembre, che i Cesarei con gran larghezza rimessero, benché per avanti pretendessero haver la parola che si fosse a tal conditione acconsentito assolutamente, e senza restrittione di tempo". " ' ) Vgl. oben Anm. 96. i12 ) Die Räte am Kaiserhof argumentierten (unmittelbar vor dem 28. September) umgekehrt und meinten, es wäre für den Kaiser besser gewesen, wenn „der § ,Haec omnia rata sint' der mediatoren intention nach verblieben were, damit denen Frantzosen nicht anlaß, daßiehnige, waß ihnen obligt, ihres gefallens zu differiren, zuemahln man nach und nach
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So möchte es auf den ersten Blick vielleicht scheinen. Und doch ist nicht anzunehmen, daß die Franzosen am 13. September in diesem Punkt auf die kaiserlichen Wünsche eingegangen sind. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der mit Rücksicht auf Servien formulierte französische Wille bestimmend blieb, daß Chigi daher die Worte Haec omnia rata usw. so, wie sie in Ch stehen113), vorgetragen hat, und daß auch die Kaiserlichen diese Passage - und sei es nur durch irgendeine nonverbale Geste - als Teil des gesamten agreements bestätigt haben. Dafür spricht mehreres. Einmal ist an Chigis vorerwähnte Darstellung im foglio-Bericht vom 14. September zu erinnern, welche ausdrücklich von der Befristung des Abkommens spricht. Sie wird komplettiert durch eine Bemerkung des Nuntius in einem kommentierenden Chiffren-Bericht vom gleichen Tage. Dort erzählt er, Longueville habe es ihm gegenüber unter vier Augen als einen ganz großen Erfolg („trionfo") bezeichnet, daß Serviens hartnäckiger Widerstand gegen das Abkommen durch die Klausel über die Begrenzung der Geltungsdauer habe überwunden werden können.114) Der Nuntius stand wie der Makler oder Notar eines komplizierten Tauschhandels im Mittelpunkt des Geschehens. Wenn er unmittelbar danach, am 14. September, das päpstliche Staatssekretariat über die Ereignisse in Münster mit ausdrücklichem Hinweis auf die Fristenregelung informiert - kann er dafür einen anderen Grund gehabt haben als den, daß es sich tatsächlich so, wie er berichtet, verhalten hatte? In welcher Form auch immer die Verlesung dieser Passage erfolgt sein mag, schnell oder langsam, laut oder leise, mit oder ohne kommentierende oder paraphrasierende Erläuterung: Am Nachmittag des 13. September muß im Trauttmansdorff-Quartier unter Zustimmung der kaiserlichen und französischen Delegationen vom Termin „Ende September" die Rede gewesen sein. Eine andere Interpretation ist schwerlich möglich. Dazu paßt übrigens auch der in Paris auf A eingetragene Aktenvermerk: Dies seien „conventions ... les quelles doivent estre insérées dans le traicté de paix qui sera fait à Munster au mois de Septembre 1646".115) Da der Text A unter Berücksichtigung der in ihm enthaltenen Streichungen eine solche Information nicht (mehr) enthielt, und da eine solche Information in der französischen Korrespondenz (soweit erhalten) nicht zu finden ist116), dürfte die Information „Insérées ... au mois de Septembre" auf den Überbringer, der ein Neffe d'Avaux' war, zurückzuführen sein. Er muß also in Paris von einer dementsprechenden Vereinbarung des 13. September
solchen terminum hette zue prorogirn gehabt" (APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1993, 58, 31-34). 113 ) Womit nicht auszuschließen ist, daß er den Inhalt paraphrasiert hat. n4 ) Vgl. oben Anm. 39 (Ende des Berichts vom 14. September). 115 ) Vgl. Anhang I, Vorspann. 116 ) Dazu demnächst: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 4, Nr. 159.
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mündlich berichtet haben, und er dürfte zu einer solchen Berichterstattung bereits in Münster beauftragt worden sein. Gestützt wird diese These von einer tatsächlichen Vereinbarung über die befristete Geltungsdauer der Septemberartikel auch durch eine Aufzeichnung des angesehenen Historikers und Juristen Théodore Godefroy, welcher seit 1644 in der französischen Delegation als Berater fungierte. 117 ) Unter seinen Papieren befindet sich eine auf die Zeit unmittelbar nach dem 13. September 1646 zu datierende Aufzeichnung, die den Inhalt der Septemberartikel in 42 + 2 Punkten zusammenfaßt.118) Dort heißt es unter Punkt 35: „Ce que dessus sera ratifié dans la fin du mois de Septembre. Et cependant l'on ny pourra plus n'en adiouster ou retrancher". Daß er auch die (tatsächlich gestrichene) Ne-VarieturKlausel in seine Übersicht einbezieht, beeinträchtigt unsere Argumentation, wie oben gezeigt119), nicht. Für Godefroy in Münster sind, ebenso wie für den Verfasser des auf A enthaltenen Pariser Aktenvermerks, die Septemberartikel kein Vertrag, sondern ein Vertragsentwurf. Er versieht daher seine Zusammenstellung mit der Überschrift: „Le sommaire du project du traicté ... qui doibt estre insérée au traicté de la paix générale d'Alemagne". 120 ) Am 13. September ist nach Godefroy kein Vertrag abgeschlossen, sondern ein Vertragstext vereinbart worden, der im Verlauf des September Vertrag werden sollte (oder könnte). Über die lockere Form der Vereinbarung äußert der französische Gelehrte sich nicht. Ein Abschluß des Friedens von Münster konnte im September 1646 nicht erfolgen, weil die französische Seite mit ihren schwedischen Verbündeten im letzten Septemberdrittel121) zwar verhandelt hat, aber nicht zu einem Abschluß kam, ganz zu schweigen von all den noch offenen Fragen im Zusammenhang mit den Reichsständen, der fehlenden spanisch-französischen Einigung und einer Regelung des Problems Lothringen, die über eine Unterwerfung des Herzogs hinausging. Deshalb interpretierte der Redakteur der „Particular-Zeitung"122) Mitte Oktober durchaus zutreffend, daß nach Ablauf der vereinbarten Frist von Ende September „alles wiederumb auffgehoben / vnd ll7 ) Dazu Klaus Malettke, Die Perception des Deutschen Reiches durch Théodore Godefroy. Studien zum Deutschlandbild eines Mitglieds der französischen Verhandlungsdelegation auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: ders., Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge zum Einfluß französischer politischer Theorie, Verfassung und Außenpolitik in der Frühen Neuzeit. Marburg 1994, 191-219, hier 2 0 4 208. ns ) Eigenhändiger Entwurf: AN K 1335 N° 1 (fol. 1-16). Eine danach angefertigte Reinschrift liegt in AE, CP, All. 66 fol. 396-399. " 9 ) Vgl. oben 196. I20 ) Im Lemma der Reinschrift (wie Anm. 118) ist „Le sommaire" ausgelassen; es lautet: ,JLe project" usw. 121 ) Die Franzosen reisten am 17. September aus Münster ab und kehrten am 28. September zurück: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1/1 (wie Anm. 29), 320 f. 122) vgl. den Bericht in der Particular-Zeitung (wie Anm. 18).
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die Sachen in den vorigen stände / als wann nichts gehandelt wehre / gesetzet worden / dannenhero das Negotium weit aussiehet / vnd der ausgang so bald / wie man gemeinet / nicht zu vermuthen". Von der kurzen Geltungsdauer der Satisfaktionsartikel spricht also nicht allein das Aktenstück Ch, sondern es gibt dafür so viele andere und ergänzende, direkte und indirekte Quellen aus der Zeit September/Oktober 1646, daß wir die Fristenregelung vom 13. September als eine genügend sicher beglaubigte Tatsache bezeichnen dürfen. Dieses Ergebnis wird durch eine weitere Beobachtung bestätigt, die sozusagen die Probe aufs Exempel liefert: Sowohl die Kaiserlichen als auch die Franzosen haben sich nach Ende September 1646 bis zum 14. November 1647 nicht an den vereinbarten Satisfaktionsartikel-Text von 1646 gehalten. Als Volmar Anfang Dezember 1646 ein intern gebliebenes Instrumentum Pacis Monasteriensis konzipierte 123 ), fügte er zugunsten der in den lothringischen Zessionsartikeln tangierten Reichsstände die gleiche ausführliche Schutzklausel wieder ein 124 ), die in der Ultima generalis declaratio vom 31. August 1646 gestanden hatte und von Frankreich in den Septemberartikeln beseitigt worden war. Ebenso stand diese Schutzklausel wieder in dem publizierten kaiserlichen Vertragsentwurf vom 12. Juni 1647 125 ), während umgekehrt die französische Seite mit ihrem gleichfalls publizierten Gegenentwurf vom 19. Juli 1647 ebenfalls über den im September 1646 erreichten Kompromiß hinausging. 126 ) Beide, der Kaiser wie Frankreich, fühlten sich offenkundig durch die Septemberartikel von 1646 nicht dauerhaft gebunden. Und beide haben 1647 das Abrücken der Gegenpartei von den Vereinbarungen von 1646 zwar moniert, aber nicht in den Mittelpunkt der laufenden politischen Auseinandersetzung gestellt. Wenn sich schließlich beide im Vorvertrag vom 14. November 1647 doch wieder auf den (allerdings nicht unveränderten) Linien begegnet sind, die bereits im gentlemen's agreement von 1646 sichtbar geworden waren, so ist das nicht als notwendige oder selbstverständliche Konsequenz der früheren Satisfaktionsartikel zu verstehen. Der Rückgriff von 1647 auf 1646 hatte seine eigenen Gründe und Ziele, die an dieser Stelle allerdings nicht zu erörtern sind.
V Aus den geschilderten Gründen waren die Septemberartikel kein einfacher „Vorvertrag" im Sinne eines üblichen pactum de contrahendo; sie waren in der 123 ) Vgl. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 112), Nr. 154. Ich benutze die Abschrift, die Chigi in Rom einreichte. Sie liegt im Vat. Geheim-Archiv, Nunz. Paci 19 fol. 783-793'. 124 ) Ebd. fol. 787 (Punkt 11). 125 ) Text: Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 6),T. 5, 130-140, hier 134 (Punkt 7). >26) Text: ebd. 141-161, hier 151 (ohne Absatzzählung).
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lockeren Form ihrer Vereinbarung etwas eher Ungewöhnliches, etwas, das sich systematisch und vertragsrechtlich schwer definieren und einordnen ließ. Aus diesem Grund war es selbst für unterrichtete Zeitgenossen nicht leicht, einen zutreffenden Namen für diese Vereinbarungsart zu finden. Die Kaiserlichen in Münster haben von „vergleichungsnotul" gesprochen 127 ), vermutlich in Erinnerung an die Terminologie und Praxis beim Prager Frieden 128 ), der Kaiserhof in Preßburg nannte den Text einen „depositirten uffsaz" 129 ), während die französische Friedensdelegation am 17. September in Münster den Vereinbarungstext als „articles" bezeichnete 130 ) und am französischen Königshof das d'Avaux'sche „Original" mit „conventions, les quelles doivent estre inserées dans le traicté de paix" überschrieben worden ist. 131 ) Aber damit war das Spektrum der terminologischen Klassifizierungsmöglichkeiten keineswegs erschöpft. So hat der cholerische Contarini 132 ), hier über-optimistisch, am Tage danach den Abschluß der Satisfaktionsvereinbarung als „conclusion della pace" zwischen dem Kaiser und Frankreich bejubelt und sogar von „trattato" gesprochen. 133 ) Das entsprach gewiß seiner Wunschvorstellung, lief aber der Realität erheblich voraus. Auch die schwedischen Gesandten in Osnabrück täuschten sich. Als sie am 17. September den Text nach Stockholm schickten, charakterisierten sie ihn als „underskrifvit conditionere" 134 ), obgleich doch keinerlei „Unterschrift" in ihrem Exemplar zu finden war, wie ein einfacher Blick in den Text sie leicht hätte lehren können. Offenbar war jedoch der Analogieschluß vom Vertragsrechtlich-Üblichen auf die tatsächliche Form dieser Satisfaktionsartikel von geradezu unwiderstehlicher Suggestivkraft, zumal sich in diesen Tagen die intellektuelle Energie nicht auf 127 ) Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster, 1646 IX 14 (demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 344). 128 ) Dazu sehr aufschlußreich die Zusammenstellungen von Kathrin Bierther, in: Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges [BA]. NF. T. 2, Bd. 10: Der Prager Frieden von 1635. 4. Teilbd. (Vertragstexte). München/Wien 1997, 1540ff. 129 ) Ferdinand III. an Trauttmansdorff, Nassau und Volmar, Preßburg, 1646 IX 28: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 112), Nr. 29. 13 °) Longueville, d'Avaux und Servien an Anne d'Autriche, Münster, 1646 IX 17 (demnächst in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 4, Nr. 159). - Das Proömium spricht selbst von praesentes articuli (vgl. Anhang I). Vorbild waren offenbar die 70 niederländisch-spanischen „Provisionalartikel" vom [8.] Juli 1646, „que se han de poner en el tratado que se hara en Munster": Colección de documentos inéditos para la historia de España [CODOIN], 112 Vols. Madrid 1842-1895, hier Vol. 82. ND Madrid 1966, 382-399; Négociations secrètes (wie Anm. 19), 435-441. Dazu vgl. Jan J. Poelhekke, De vrede van Munster. 's-Gravenhage 1948, 298 f. 131 )Vgl. Anhang I. 132 ) Vgl. oben Anm. 59. 133 ) Contarini, 1646 IX 14 (wie Anm. 29); ders. an Nani, 1646 IX 4 (wie Anm. 39) hatte vom „progresso di questa pace, che non è mai stata per l'addietro cosí vicina tra la Francia, et rimperio" gesprochen. 134 ) Johan Oxenstierna und Salvius an Königin Christine, Osnabrück, 1646IX 7/17: APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2 (wie Anm. 12), 441, 1.
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die formale Klassifizierung dieser Textsorte, sondern auf die politischen Implikationen der Abmachung konzentrierte. Salvius interpretierte im ersten Erschrecken die kaiserlich-französische Vereinbarung als tatsächlichen „Abschluß": „Franckrijke hafver slutet medh Kaijsaren". 135 ) Dies interpretierte er als ein unabänderliches Grund-Faktum von allergrößter Bedeutung, das Schwedens Politik zu einer scharfen Kehrtwendung zwinge. Die Unterhändler beider Seiten waren in ihrem Urteil jedoch vorsichtiger. Trauttmansdorff meinte: „Man macht (dem eusserlichen ansechen nach) grosse schrit zum friden" 136 ), sprach also von Annäherung, aber (noch) nicht vom Ziel. Ähnlich urteilten die Franzosen im Bericht an die Königin-Mutter; sie strichen zwar die mit diesen „articles" erreichten Erfolge heraus, aber der Friede im Reich war für sie immer noch Hoffnung, nicht greifbare Tatsache. 137 ) Daß sie in diesen Tagen den Bayern gegenüber eine etwas andere Sprache führten, war Teil des politischen Handwerks.138) Wie schwer es selbst für erfahrene Fachleute war, zu perzipieren, daß die Satisfaktionsartikel so informell und mit so geringer vertragsrechtlicher Verbindlichkeit in Kraft gesetzt worden waren, wie es tatsächlich geschehen ist, dafür lieferten auch die deputierten Räte am Kaiserhof einen unbeabsichtigten Beleg. Sie bezeichneten die Vereinbarung des 13. September139) in ihrem Gutachten als „solenniter verglichen"140), obwohl der Bericht, den sie in Händen hatten, die nahezu provokative Unfeierlichkeit des Geschehens vom 13. September deutlich und unmißverständlich beschrieben hatte. Der zurückhaltenderen Interpretation der Unterhändler in Münster entspricht die Aura des Arcanum, in welche die Satisfaktionsartikel im September 1646 absichtlich eingebettet worden sind. Diese Diskretion war vorzüglich geeignet, die von Servien erzwungene Vorläufigkeit und künftige Widerrufbarkeit oder Veränderbarkeit der Vereinbarung vor dem großen Publikum zu vertuschen und doch die Dinge vom Oktober an wieder offen zu halten. Die Septemberartikel waren ein gewiß wichtiger Punkt auf dem windungsreichen Weg zum Westfälischen Frieden zwischen dem Kaiser und Frankreich, aber nur ein Halte-, kein Endpunkt. 135
) Salvius an Königin Christine, Osnabrück, 1646IX 7/17: ebd. Nr. 186. ) Trauttmansdorff an Ferdinand III., Münster, 1646IX 14: demnächst in APW Ser. II. Abt. A. Bd. 4, Nr. 343. 137 ) Longueville, d'Avaux und Servien, Münster, 1646 IX 17 (wie Anm. 130): „Nous dépeschons ... les articles dont nous sommes convenus avec les Impériaux. Chacun espère que la conclusion de la paix dans l'Empire suivra bientost après; ou du moins s'il falloit demeurer en armes, ce ne serait plus pour les intérestz particuliers de la France, mais pour la satisfaction du public et des alliez". 138 ) Vgl. Anhang III (zu 14. September). 139 ) Sie nennen sie in diesem Zusammenhang „schlifft". Dies entspricht übrigens Chigis Sprachregelung. 140 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5 (wie Anm. 112), 58,41. 136
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Dieser „Sitz im Leben" brachte es mit sich, daß selbst heute noch die Antwort auf die scheinbar simple historische Frage nach dem korrekten Wortlaut der Satisfaktionsartikel eine einigermaßen verwickelte textgeschichtliche Untersuchung erfordert hat. Wären sie ein auf Dauer angelegter Vorvertrag gewesen, so hätte sich eine solche vertragsgeschichtliche Problematik kaum gestellt. Die Septemberartikel aber waren eine Art gentlemen 's agreement, bei dem man nachher nicht so einfach schwarz auf weiß lesen kann, was eigentlich vereinbart worden ist. Ohne Bezug auf die Entstehungsgeschichte unseres Textes läßt sich der Inhalt der Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 kaum enthüllen.
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Anhang I Die kaiserlich-französischen
Satisfaktionsartikel Münster, 13. September 1646
Druckvorlage ist das Schriftstück, das Chigi als Mediator verwahrt hat: Vat. Bibliothek, Chig. lat. Q III 58 fol. 325-334 (= Ch). Der Grundtext ist, wohl schon am 12. September, als Reinschrift von einem ph 1 (nicht in der für die Kanzlei des Nuntius üblichen Schrift) geschrieben worden; die an diesem Schriftsatz vorgenommenen eigenhändigen Textkorrekturen Chigis sind auf den 13. September zu datieren. Die Satisfaktionsartikel sind am Nachmittag des 13. September 1646 bei einer Zusammenkunft der Mediatoren mit den kaiserlichen und französischen Delegationen im Quartier des erkrankten Grafen Trauttmansdorjf vom Nuntius verlesen, dann von den Vertragspartnern (mündlich) gebilligt und anschließend bei Chigi als Mediator hinterlegt worden, ohne auf eine andere Weise zusätzlich, etwa durch Handschlag vor Zeugen, durch Unterschrift oder Besiegelung, förmlich anerkannt worden zu sein. Ch dürfte das hinterlegte Schriftstück sein; denn Chigi spricht am 14. September, in einem Bericht nach Rom, von der Hinterlegung des originale tutto postillato. Diese Beschreibung trifft unter den einschlägigen Akten, in denen Chigi die Unterlagen für die kaiserlich-französische Friedensvermittlung sammelte, allein auf Ch zu. Bestätigt wird dieser Befund durch einen eigenhändigen, allerdings flüchtig, mit vielen Abkürzungen und verfließender Tinte geschriebenen, außerdem beim Binden verhefteten (und daher teilweise unleserlichen) Aktenvermerk Chigis zu fol. 325, der als Vorgeschichte des Textes festhält1): Scr(ittur)a mand(at)a (da') si(gnor)i Fr(ances)i(,) d(at)a l(') 9 di (Settem)bre, portata a'(signori) Cesarei 1' 10; rimand(at)a (Ii) (11) e stip(ulat)a tra le parti (nella) cam(er)a del s(ig.) Trautm(anstorff) (...) in voce l(a) (3) p(art)e (. .itte) della scritt(ur)a d(Imperiali) d(el) (31) Ag(ost)o passato ( ) copie alle parti (.. .vano) dal § circa il (...) (..) (..) della (ratificatione) a fin (del) s(ettem)bre. Die Textvarianten des Schriftstücks, das Chigi am 13. September zur Verlesung der Satisfaktionsartikel für die französische Delegation nach dem Zeugnis Contarinis an d'Avaux übergab (=A), sind in den Fußnoten vermerkt. Es liegt in AE, Mémoires et Documents (MD) All. 9 fol. 208-215 und hat den offenbar in Paris (durch Hand ?) eingetragenen Kopfvermerk: Conventions entre Messieurs les plénipotentiaires du Roy, et ceux de l'Empereur, les quelles doivent estre inserées dans le traicté de paix qui sera fait à Munster au mois de ') Auflösung der Abkürzungen und unsichere Lesung sind im folgenden Zitat durch spitzwinklige Klammern bezeichnet.
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Septembre 1646, envoié[es] à la Cour par Monsieur d'Erbignes avec la dépesche du 17. [Septembre]. Der Grundtext ist in einer üblichen Kopistenschrift der Kanzlei des Nuntius, vielleicht noch am 12. September, durch ph 2 geschrieben worden. Er enthält von der Hand ph 3 die gleichen Korrekturen, die Chigi in Ch eingetragen hat. Da diese Änderungen im Grundtext von V in laufender Zeile erscheinen, sind sie auf den 13. September zu datieren. Die Ergänzung der Datierung am Schluß der Artikel durch Septembris 1646 (ohne Tageszahl!) stammt nicht von einem ph, auch kaum von d'Avaux (vielleicht von der Hand Serviens ?), und dürfte nach der Verlesung eingetragen worden sein. Die heutige Aufbewahrung dieses Stücks im Fonds Mémoires et Documents ist archivisch überzeugend; denn A ist das französische „Original" der Satisfaktionsartikel - soweit man diesen Begriff in diesem Zusammenhang überhaupt benutzen will und kann. Ihm entspricht für die kaiserliche Seite der Schriftsatz, den Volmar am 13. September bei der Verlesung der Satisfaktionsartikel in Händen hatte (=V); auch dessen Textvarianten sind in den Fußnoten vermerkt. V ist in der Belegstücke-Sammlung zu Volmars Diarium als Nr. 1428 erhalten: HHStA, RK, FrA 92 Xfol. 308-312', 315. Es ist eine vom üblichen Kopisten Chigis, ph 2, am 13. September angefertigte Reinschrift, die Chigi selbst durchgesehen hat. Die in Ch und A als Korrektur enthaltenen Ergänzungen stehen in V in laufender Zeile; das Schriftstück ist außerdem identifizierbar durch Volmars eigenhändigen Kopfvermerk: Praesentatum et lectum a dominis mediatoribus in domo domini comitis a Trautmansdorf, praesentibus etiam plenipotentiariis Gallicis itemque domino comité a Nassau et Volmaro, Monasterii Westphalorum, die 13. Septembris anno domini 1646.
[Proömium] Cum Imperii ordines e re communi esse censuerint atque etiam optaverint, ut de puncto satisfactionis coronarum seorsim per utriusque regni plenipotentiaries cum Caesareanis ageretur, Caesareae et Christianissimae Maiestatis plenipotentiarii de iis quae ad Galliae satisfactionem pertinent his conditionibus convenerunt: Ut pacta haec non aliter conventa intelligantur aut ullum sortiantur effectum quam si ea quae publicum Imperii statum tangunt, conventa quoque constitutaque fuerint in tractatu pacis per Germaniam universalis, ad quem praesentes articuli necessaria connexione referri in2) eoque includi debebunt. Deinde ut cum Suecicis3) legatis de satisfactione regni Sueciae4) suseepta 2
) In A (von ph 3 ?) über der Zeile eingefügt: in. ) In Ch und A folgt, durchstrichen: Hassicisque.
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tractatio ad finem perducatur 5)utque pari passu domui Hasso-Cassellanae omni ex parte satisfiat. Postremo ut hoc quidquid6) est rei circa mutuam satisfactionem ab ordinibus Imperii confirmetur et ratihabeatur cum obligatione praestandi eventum conventionis huius ut et caeterarum quae ad communem Imperii causam spectant.
[Teil I: Kaiserliche Verpflichtungen] Circa ea quae ex parte Caesaris coronae Galliarum praestanda sunt, promittunt Caesaereani nomine Imperatoris et Imperii7) consensum datum iri: PRIMO, quod supremum dominium, iura superioritatis aliaque omnia in episcopatus Metensem, Tullensem et Virodunensem urbesque cognomines horumque episcopatuum districtus et nominatim Moyenvicum eo modo quo hactenus ad Romanum spectabant Imperium, imposterum ad coronam Galliae spectare debeant, reservato tarnen iure metropolitano ad archiepiscopatum Trevirensem pertinente.8) Nec non restituatur in possessionem episcopatus Virodunensis dominus Franciscus Lotharingiae dux tanquam legitimus episcopus, et hunc episcopatum pacifice administrare eiusque9) sicuti et suarum abbatiarum (salvo tarnen regis et cuiuscumque privati iure) nec non bonorum suorum patrimonialium ubicumque sitorum iuribus, privilegiis10), reditibus et fructibus uti frui permittatur, dummodo prius praestiterit regi iuramentum fidelitatis nihilque moliatur adversus regis regnique commoda. Transfere[n]t' •) etiam Imperator et Imperium in regem Christianissimum12) eiusque in regno successores ius directi dominii, superioritatis et quodcumque aliud sibi et Sacro Imperio hactenus in Pinarolum competebat et competere poterat. SECUNDO, Imperator pro se totaque Serenissima domo Austriaca et Impe4
) In Ch und A folgt, durchstrichen: et domus Hassiae-Cassellanae. In A (von Hand ph 3 ?) über der Zeile eingefiigt: suscepta tractatio, dann wieder gestrichen. 5 ) In Ch folgt, eingefügt durch Chigi: utque pari passu domui Hasso-Casselanae omni ex parte satisfiat; diese Einfügung fehlt in A, sie steht in V in laufender Zeile. 6 ) A: quicquid. 7 ) et Imperii: in V am Rande ergänzt, nicht durch ph 2 oder Chigi, vielleicht von der Hand Volmars. 8 ) Ch, A und V haben an dieser Stelle keinen Absatz. 9 ) In Ch folgt, eingefügt durch Chigi, in A, eingefügt durch ph 3: sicuti et suarum [in A folgt: quoque] abbatiarum (salvo tarnen regis et cuiuscumque privati iure) nec non bonorum suorum patrimonialium ubicumque sitorum [in A folgt: etc.]; in V alles in laufender Zeile. 10 ) V; in Ch und A fehlt: privilegiis. » ) Ch, A und V: transferet [!]. ,2 ) In A: Christianissimum verbessert zu Christianissimum [!].
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rium cedent omnibus iuribus, proprietatibus, dominiis, possessionibus, iurisdictionibus, quae hactenus sibi, Imperio et familiae Austriacae competebant in oppidum Brisacum, landgraviatum Superioris et Inferioris Alsatiae, Suntgoviam praefecturamque provincialem Decern Civitatum Imperialium in Alsatia sitarum, scilicet Hagenaw, Colmar, Slestat, Weissenburg, Landaw, Oberchenhaim13), Roshaim, Munster in Valle Sancti Gregorii, Kaisersberg14), Turinckaim omnesque pagos et alia quaecumque iura quae a dicta praefectura dependent eaque omnia et singula in regem Christianissimum regnumque Galliarum transfèrent15), ita ut dictum oppidum Brisacum cum villis Hochstat, Niderrimbsing, Harten et Acharren ad communitatem civitatis Brisacensis pertinentibus cumque omni territorio et banno, quatenus se ab antiquo extendit, salvis tarnen eiusdem civitatis privilegiis et immunitatibus a domo Austriaca antehac obtentis et impetratis.16) Itemque dictus landgraviatus utriusque Alsatiae et Suntgovia, tum etiam praefectura provincialis in dictas Decern Civitates et loca dependentia; item omnes vasalli17), lantsassii18), subditi, homines, oppida, castra, villae, arces, sylvae, forestae, argenti, auri aliorumque mineralium fodinae, flumina, rivi, pascua omniaque iura, regalia et appertinentiae19) cum omnimoda iurisdictione et superioritate supremoque dominio amodo in perpetuum ad regem Christianissimum coronamque Galliae pertineant et pertinere intelligantur absque Caesaris, Imperii, domus Austriacae vel cuiuscumque alterius contradictione, adeo ut nullus omnino Imperator aut familiae Austriacae princeps quicquam iuris aut potestatis in his praememoratis partibus eis et ultra Rhenum sitis ullo unquam tempore praetendere vel usurpare possit aut debeat.20) Sit tarnen rex obligatus in his omnibus et singulis Catholicam conservare religionem, quemadmodum sub Austriacis principibus conservata fuit omnesque quae durante hoc bello novitates irrepserunt, removere. Dictarum cessionum ac renunciationum, quemadmodum supra expressae sunt, instrumenta in omni meliori forma tradentur, cum 21 ) ab Imperatore tum ab Imperio totaque domo Austriaca, eo ipso die quo pacis tractatum subsignari contigerit. Item postquam domini Sueci convenerint de restitutione Benfeldae, aequabuntur solo munitiones dictae civitatis nec non adiacentis fortalitii Rheinaw, 13
) So Ch, A und V. ) V: Kaysersberg. ) V hat transferet [!], durch grammatikalisch falsche Korrektur aus transfèrent', Ch und A: transfèrent. 16 ) Ch, A und V haben an dieser Stelle keinen Absatz. 17 ) A und V: vassalli. 18 ) A: landsassii. 19 ) A: appertinentia. 20 ) Ch, A und V haben an dieser Stelle keinen Absatz. 21 ) A: tum. 14
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sicuti quoque Tabernarum Alsatiae, castri Haubar et Newburgi ad Rhenum neque in praedictis locis ullus praesidiarius miles haben poterit. Per magistratus et incolas dictae civitatis Tabernarum neutralitatem accurate servaturos licebit regio militi, quoties postulatum fuerit, tuto libereque transire. Nullae ad Rhenum munitiones in citeriori ripa extrui poterunt Basilea usque Philippiburgum neque ullo molimine deflecti aut interverti fluminis cursus ab una alterave parte. TERTIO, quod ad aes alienum attinet quo camera Ensishemiana gravata est, dominus archidux Ferdinandus Carolus recipiet in se 22 ) cum ea parte provinciae, quam rex Christianissimus ipsi restituere debet, tertiam omnium debitorum partem sine distinctione sive chirographaria 23 ) sive hypothecaria 24 ) sint, dummodo utraque sint in forma authentica et vel 25 ) specialem hypothecam habeant, sive in provincias cedendas 26 ) sive in restituendas, 27 )vel, si nullam habeant, in libellis rationariis receptorum ad cameram Ensishemianam respondentium usque ad finem anni 1632 agnita atque inter eredita et debita illius recensita fuerint et pensitationum annuarum solutio dictae camerae incubuerit eamque 28 ) dissolvei, regem pro tali quota penitus indemnem praestando. Quae vero debita collegiis ordinum ex singulari per Austriacos principes cum ipsis in diaetis provincialibus inita conventione attributa aut ab ipsis ordinibus communi nomine contracta sunt iisque solvenda incumbunt, debet inter eos, qui sub dominio domus Austriacae remanent atque illos, qui in ditionem regis veniunt, iniri conveniens distributio, ut unaquaeque pars sciat, quantum sibi aeris alieni dissolvendum restet. QUARTO, consensum praestabit Caesar atque ut ordines Imperii etiam adsentiant operam dabit, ut regi Christianissimo eiusque in regno successoribus ius sit 29 ) perpetuum tenendi praesidium in castro Philipsburg 30 ) protectionis ergo, ad convenientem tamen numerum restrictum, qui vicinis iustam suspi-
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) in se in Ch durch ph 1 eingefügt, in A und in V in laufender Zeile. ) A: chyrographaria. ) Ch: hipothecaria. 25 ) In Ch durch Chigi, in A durch ph 3 eingefügt, in V in laufender Zeile. 26 ) In A zunächst Verweiszeichen eingefügt, dann wieder getilgt. 27 ) In Ch durch Chigi, in A durch ph 3 (mit Verweiszeichen) eingefügt: vel [fehlt in A], si nullam habeant, in libellis rationariis receptorum ad cameram Ensishemianam respondentium usque ad finem anni 1632 agnita atque inter credita et debita illius recensita fuerint et pensitationum annuarum solutio dictae camerae ineubuerit eamque, in V in laufender Zeile. (Die Ergänzung in A ist wegen Verheftung teilweise unleserlich.) 28 ) In Ch durch Chigi verbessert aus easque, in A easque getilgt, in V eamque in laufender Zeile. Hinter eamque folgt in A noch (... lur). 23 24
29) Ch folgt, 30
durchstrichen:
in; in ist in A nicht durchstrichen,
) So Ch und A; in V: Philippsburg.
es fehlt
in V.
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cionis causam praebere non possit, sumptibus dumtaxat 31 ) coronae Galliae sustentandum. 32 ) Patere etiam debebit regi liber transitus per terras et aquas Imperii ad inducendos milites, commeatum et caetera, quibus et quoties opus fuerit. Rex tarnen praeter protectionem, praesidium et transitum in dictum Castrum Philisburg 33 ) nihil ulterius praetendet, sed ipsa proprietas, omnimoda iurisdictio, possessio omniaque emolumenta, fructus, accessiones, iura, regalia, Servitutes, homines, subditi, vasalli 34 ) et quidquid 35 ) omnino antiquitus ibidem et in totius episcopatus Spirensis ecclesiarumque illi incorporatarum districtu episcopo et capitulo Spirensi competebat et competere poterai, eisdem imposterum quoque salva integra et illaesa (excepto tantum iure protectionis) permaneant.
[Teil II: Französische Verpflichtungen] Circa ea quae ex parte regis Christianissimi praestanda sunt, plenipotentiarii Gallici promittunt: PRIMO, quod rex Christianissimus restituet 36 )domui Austriacae et in specie archiduci Ferdinando Carolo, primogenito quondam archiducis Leopoldi filio37), Quatuor Civitates Sylvestres Rheinfelden, Seckingen, Lauffenberg et Waltshut cum omnibus territoriis et balivatibus, villis, pagis, molendinis, sylvis, forestis, vasallis 38 ), subditis omnibusque appertinentiis eis et ultra Rhenum, itemque comitatum Hauuenstein, Sylvam Nigram totamque Superiorem et Inferiorem Brisgoviam et civitates in ea sitas antiquo iure ad domum Austriacam spectantes, scilicet Newburg, Freyburg, Endinghen 39 ), Kenzinghen 40 ), Waltskirch, Villinghen 41 ), Breunlinghen 42 ) cum omnibus earundem territoriis, 43 )item cum omnibus 44 ) monasteriis, abbatiis, praelaturis, praepos31
) A: duntaxat. ) Ch, A und V haben an dieser Stelle keinen Absatz33 ) So Ch und A; V dagegen Philippsburg. 34 ) V: vassalli. 35 ) A: quiequid. 36 ) In Ch durch Chigi, in A durch ph 3 eingefügt domui Austriacae et in specie, in V in laufender Zeile. 37 ) In Ch und A folgt, durchstrichen: salvo iure tertii. 38 ) In V: vassallis. 39 ) A: Endingen. 40 ) V: Kenzingen. 41 ) V: Villingen. 42 ) V: Breunlingen. 43 ) item cum omnibus monasteriis, abbatiis, praelaturis in Ch und A in laufender Zeile durch ph; in V durch Chigi eingefügt: item cum omnibus suis [folgt, durchstrichen: abbatiis] monasteriis, abbatiis, praelaturis. u ) V folgt: suis. 32
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ituris ordinumque Equestrium commendatariis, cum omnibus balivatibus, baronatibus, castris, fortalitiis, comitibus, baronibus, nobilibus, vasallis45) hominibus, subditis, fluminibus, rivis, forestis, sylvis omnibusque regaliis, iuribus, iurisdictionibus, feudis et patronatibus caeterisque omnibus et singulis ad sublime territorii ius patrimoniumque domus Austriacae in toto isto tractu46) antiquitus spectantibus.47) Totam item Ortnaviam cum civitatibus Imperialibus Offenburg, Gengenbach et Cella am Ammersbach, quatenus scilicet praefecturae Ortnaviensi obnoxiae sunt, adeo ut nullus omnino rex Franciae quicquam iuris aut potestatis in his praememoratis partibus eis et ultra Rhenum sitis ullo unquam tempore praetendere vel usurpare possit aut debeat. Ita tarnen ut Austriacis prineipibus praedicta restitutione nihil novi iuris acquiratur. SECUNDO, libera sint in universum inter utriusque Rheni ripae ac provinciarum utrinque adiacentium Íncolas commercia et commeatus, imprimis vero libera sit Rheni navigatio, ac neutri parti permissum esto naves transeúntes, descendentes aut ascendentes impedire, detinere, arrestare aut molestare quocumque praetextu (sola inspectione quae ad perscrutandas et visitandas merces fieri consuevit excepta) nec etiam 48 ) liceat nova et insolita vectigalia, pedagia, passagia, datia aut alias eiusmodi exactiones ad Rhenum imponere, sed utraque pars contenta maneat vectigabilibus et datiis ordinariis ante hoc bellum sub Austriacorum gubernatione ibidem praestari solitis. TERTIO, omnes vasalli49), lantsassii50), subditi, cives, incolae quicumque51) eis vel ultra Rhenum domui Austriacae subiecti erant, nonobstante qualicumque confiscatione, translatione,52) donatione per ducem Bernardum Weymariensem aliosque militiae Suecicae praefectos post occupatam provinciam facta perque regem Christianissimum ratificata aut proprio motu decreta, statini post publicatam pacem bonis suis immobilibus et stabilibus, sive corporalia sive incorporaba sint, villis, castris, oppidis, fundis, possessionibus restituì debent citra ullam exceptionem meliorationum, expensarum, sumptuum, compensationum, quas moderni possessores quomodolibet obiicere possent, et citra restitutionerifperceptorum fructuum. QUARTO, teneatur rex Christianissimus non solum episcopos Argentinensem et Basileensem, sed etiam reliquos per utramque Alsatiam Romano Imperio immediate subiectos ordines, abbates Murbacensem et Luderensem, abbatissam Andlaviensem, monasterium in Valle Sancti Gregorii ordinis Sancti 45
) A und V; vassallis. ) In A: tractatu. 47 ) Ch, A und V haben an dieser Stelle keinen Absatz. 48 ) In Ch folgt in laufender Zeile, durchstrichen: (licebit). 49 ) In A und V: vassalli. 50 ) In A und V: landsassii. 51 ) In A und V: quicunque. 52 ) In Ch folgt, durchstrichen: donatione. 46
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Benedicti, palatinos de Luzelstein, 53 ) comites et barones de Hanaw, Flackenstein 54 ), Oberstein totiusque Inferioris Alsatiae nobilitatemi, item praedictas Decern Civitates Imperiales quae praefecturam Haganoensem agnoscunt, in ea libertate et possessione immedietatis 55 ), qua hactenus gavisi sunt erga Imperium Romanum, relinquere, ita ut nullam 56 ) ulterius in eos regiam superioritatem praetendere possit, sed iis iuribus contentus maneat quaecumque ad domum Austriacam spectabant et per hunc pacificationis tractatum coronae Galliae 57 ) ceduntur. 58 ) Ita tarnen ut praesenti hac declaratione nihil dectractum intelligatur de eo omni supremi dominii iure quod supra concessum est. QUINTO59), pariter omnes terrae, castella, oppida, civitates, arces, villae eis et ultra Rhenum ad qualescumque Imperii status sive ecclesiastici sive seculares sint pertinentes absque praetensione sumptuum bellicorum et in praesidia aut munitiones quomodocumque factorum omnesque principatus, electoratus, comitatus, provinciae, ditiones, baronatus suis pristinis possessoribus restituantur, praesidia inde deducantur nihilque omnino iuris super eiusmodi partes per coronam Franciae praetendatur. Ita tamen ut eodem tempore ab adversa quoque parte omnibusque eidem adhaerentibus restitutio fiat omnium locorum quae ab ipsis hoc bello occupata sunt tam in dictis tribus electoratibus quam alibi in Germania: praesertim vero castri et fortalitii Erenbreitstein, quod electori Trevirensi vero et legitimo domino post eductum inde praesidium restituetur nihilque iuris a quoquam in dictam arcem praetendetur. Integrum autem erit Christianissimo regi quas excitavit in restituendis a se locis munitiones, si ita videbitur, disiicere. QUINTO60), item rex Christianissimus pro recompensatione domino 61 ) archiduci Ferdinando Carolo solvet tres milliones librarum Turonensium annis scilicet 1647, 48, 49 in festo Sancti Joannis Baptistae quolibet anno tertiam partem in moneta bona et proba Basileae 62 ) ad manus dicti domini archiducis eiusve deputatorum. 53
) V: Lutzelstein.) In A: Fleckenstein, in V: Falckenstein. 55 ) In V verbessert aus: immediatis. 56 ) In V verbessert aus: ullam. 57 ) In Ch folgt in laufender Zeile, getilgt: (ceduntur). 58 ) Ch, A und V haben an dieser Stelle keinen Absatz. 59 ) In Ch, links am Rande, von der Hand Chigis: In voce. In A ist der folgende Abschnitt, der sich dort iiberfol. 213 und 213 erstreckt, mit zwei großen Kreuzen durchstrichen, in V (und den übrigen seit dem 13. September entstandenen Überlieferungen der Satisfaktionsartikel) fehlt, mit Ausnahme der Aufzeichnung Godefroys (vgl. oben 199 und Anm. 118), Punkt 32, der Abschnitt Quinto, pariter omnes usw. 60 ) In Ch, von der Hand Chigis, über, durchstrichen: SEXTO, in A unverändert SEXTO, in V in laufender Zeile: QUINTO. 61 ) In Ch folgt in laufender Zeile, getilgt: archiduci. 62 ) In A: Basilia. 54
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SEXTO 63 ), praeter dictam pecuniae quantitatem rex Christianissimus tenebitur in se recipere duas tertias debitorum camerae Ensishemianae, sine distinctione sive chirographaria sive hypothecaria sint, dummodo utraque sint in forma authentica et vel 64 ) specialem hypothecam habeant sive in provincias cedendas sive in restituendas 65 ); vel si nullam habeant, in libellis rationariis receptorum ad cameram Ensishemianam respondentium usque ad finem anni 1632 agnita atque inter eredita et debita illius recensita fuerint et pensitationum annuarum solutio dictae camerae ineubuerit easque 66 ) dissolvei archiducem pro tali quota penitus indemnem praestando 67 ). 68 )Utque id aequius fìat, delegabuntur ab utraque parte commmissarii statim a subscripto tractatu pacis 69 ) qui ante primae pensionis solutionem convenient quaenam nomina utrique parti expungenda erunt.
[Schlußbestimmungen] 70
)Haec omnia rata sint ad finem usque Septembris. Quod si, praeter spem, tractatus universalis ad conclusionem perduci nequeat, quaecumque hactenus ab utraque parte amore pacis oblata, dicta aut facta sunt, pro non oblatis, non dictis, non factis haberi debent. Declarant tarnen Caesareani dictum pacis universalis tractatum concludi non posse, nisi Galli pari passu pacem quoque cum Hispanis tractent et concludane Nec non restitutionem ducis Caroli Lotharingiae admittant eumque praesenti pacificationi includant. 63
) In Ch, von der Hand Chigis, über, durchstrichen: SEPTIMO, in A unverändert: SEPTIMO, in V in laufender Zeile: SEXTO. M ) In Ch von der Hand Chigis eingefügt: vel, in A fehlt vel, in V steht vel in laufender Zeile. 65 ) In Ch und A. folgt, durch ph in laufender Zeile geschrieben: neque excedant millionem florenorum Rheni sexaginta cruciferis pro unoque floreno computandis easque; statt dessen haben Chigi in Ch und ph 3 in A eingefügt: vel si nullam habeant, in libellis rationariis receptorum ad cameram Ensishemianam respondentium usque ad finem anni 1632 agnita atque inter eredita et debita illius recensita fuerint et pensitationum annuarum solutio dictae camerae ineubuerit [folgt A: easque etc.]; diese Einfügung in V in laufender Zeile. 66 ) In Ch verbessert aus: eaque. 67 ) praestando in Ch verbessert (durch Chigi ?) aus praestand(am), in A und V in laufender Zeile. 68 ) A hat an dieser Stelle keinen Absatz. 69 ) In A fehlt: pacis. 70 ) Die Fristen- und die Ne-Varietur-Klausel Haec omnia rata sint ad finem usque Septembris neque interim addi quiequam vel demi possit ist in Ch und A durch den jeweiligen ph in laufender Zeile geschrieben; sie ist in A durch drei Striche getilgt und fehlt in V gänzlich; in Ch sind die Worte interim addi vel demi possit (durch Chigi ?) gestrichen; die Gesamtklausel wird jedoch in der Aufzeichnung Godefroys (vgl. oben 199 Anm. 118) berücksichtigt.
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Gallici vero plenipotentiarii repetunt ingeminantque et profitentur dare non posse hic admitti aut disceptari causam ducis Caroli, cuius 71 ) rei toties gravissimae rationes allatae sunt, ut eas denuo afferre supervacaneum videri possit: bellum Lotharingiae a bello Germanico et origine et tempore piane diversum: peculiares offensionum causas: peculiares tractatus: eiurationem foederum cum domo Austriaca initorum (quod ipsum ostendit iisdem foederibus solutum quoque esse Imperatorem) vim rei iudicatae: exclusionem ducis a tractatu praeliminari: totam denique negotiationis huius fere triennalis seriem in qua supradictis de causis res illae prorsus intactae remanserunt. Nunc vero sub instantem tam diutini tamque impediti tractatus exitum nec novis litibus ac dilationibus egent tempora, nec si alienam hanc causam tam intempestive admittas, aliud consequaris quam ut via ad pacem omnino obstruatur, cum ea iniri non possit, nisi caveat Imperator se nullo ducem Carolum contra regem auxilio consiliove directe vel indirecte adiuturum 72 ). Sicuti vicissim cavebit rex quomodocumque tandem cum duce transigat, ne ei a se ullae adversus Caesarem quovis tempore aut praetextu suppetiae ferantur, ut omnis turbandae pacis remittendaeque amicitiae ansa praescindatur, quam hoc tractatu 73 ) inter Imperatoriam et Regiam Maiestatem constare expedit. Verumtamen 74 ) si positis armis Carolus dux delegatos ad aulam mittere cupiat, humaniter excipientur benigneque audientur in gratiam Caesaris omniaque ex bono et aequo cum illis componentur super executione tractatuum qui antehac cum ipso duce pacti sunt. Ad Hispanos quod attinet, iuvat et pacem eo ipso tempore cum illis sancire: ea regi mens semper, id consilium fuit, ut pax toto Christiano orbe constitueretur. Sed quandiu 75 ) ministri Hispanici restitutionem eorum, quae a Gallis hoc bello recepta sunt, praetendent: interim ipsi superioribus bellis ablata non restituunt, manifestum est per eos stare quominus pax fiat: unde omnibus aequis bonisque arbitrandum 76 ) relinquitur, an propterea quies et pax Germanica diutius procrastinanda sit: cum maxime novissima sua ad Hispanos responsione Gallici plenipotentiarii ea media proposuerint, quae ad superandas praecipuas difficultates latam viam aperiunt. Actum Monasterii Westphalorum die 77 ) ll
) In A verbessert aus eius. ) In A durch ph 2 verbessert aus adiuturam. 73 ) In V verbessert aus: tractatum. 74 ) V: veruntamen. 75 ) V: quamdiu. 76 ) In V verbessert aus: arbitandrum. 77 ) So Ch; in A folgt, vielleicht von der Hand Serviens: Septembris 1646 (ohne Angabe einer Tageszahl); in V folgt durch ph: die [Lücke] Septembris anno 1646, danach von anderer Hand (Hand Volmars ?) in die Lücke eingefügt: XIIIa. In den übrigen seit dem 13. September entstandenen Überlieferungen der Satisfaktionsartikel folgt 13 Septembris 1646. 72
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Anhang II Geheimer Tiirkenhilfe-Artikel der kaiserlich-französischen SatisfaktionsVereinbarung vom 13. September 1646 Druckvorlage ist eine mit B bezeichnete Kopie ohne Lemma in Vat. GeheimArchiv, Nunz. Paci 19 fai. 615, übersandt von Chigi mit fogìio-Bericht vom 14. September 1646 an Pamphili (ebd. fai. 605-607'). Dort kommentiert er die Entstehung so: L'articolo circa l'aiuto del Turco si riserbò a parte per tenersi segreto nello specificarlo, parve che i signori Francesi lo riducessero a meno di quello che havevano sperato i Cesarei, è però nella forma che mando in foglio a parte B. Das Lemma in der Privatregister-Kopie Chig. lat. A 110 fai. 312 (Nr. 147) lautet: Articolo segreto per gli aiuti della Francia all'Imperatore contro il Turco. Die Ultima generalis declaratio vom 31. August sah als IV/9 einen der Sache nach ähnlichen Türkenhilfsartikel vor, dessen Wortlaut am 5. September zum hier vorliegenden Text geringfügig verändert wurde. Im französischen Textvorschlag vom 9. September ist dieser Artikel aus der Satisfaktionsvereinbarung ausgegliedert worden, was die kaiserliche Verbalnote vom 11. September akzeptiert hat. Der Türkenhilfsartikel ist am 14. durch Chigi den Vertragsparteien und Contarmi zugestellt worden (vgl. APWSer. III. Abt. C. Bd. 1/1. Münster 1984, 320). Der Nuntius selbst hat kein Exemplar dieses Artikels bei den Dokumenten der Septemberartikel in Chig. lat. Q III 58 aufbewahrt. Praestabit item rex Christianissimus Caesari auxilium in his belli motibus contra Turcam: Et quidem dum metus belli est, per singulos annos centum quinquaginta millia talerorum imperialium ad sustinenda onera praesidiorum in locis limitaneis, sin autem praesentes Turcae motus ad bellum apertum venirent, rex Caesari subsidio mittet exercitum decem millium militum stipendiis suis propriis conscriptum. Ita tarnen ut utraque obligatio non extendatur ultra unicum triennium, et cesset si rex bellum gerat apertum contra Turcam. Quodsi Imperator exercitu uti non vellet, rex non tenebitur praestare aliud subsidium pecuniarum, quam de quo inter utramque Maiestatem unanimiter conventum fuerit.
Repgen, Die kaiserlich-französischen
Satisfaktionsartikel
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Anhang III Bericht der kurbayerischen Delegation Uber die Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 (Auszug) Münster, 20. September 1646 Druckvorlage ist ein Bericht der kurbayerischen Bevollmächtigten beim Westfälischen Friedenskongreß, Münster, 1646IX 20, an den Kurfürsten: Bay. HStA, Kurbayern, Äußeres Archiv 3057fol. 296-313 (Entwurf). Vgl. Gerhard Immler, Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Münster 1992, 278f. Die Zeichen |: und :| bedeuten Anfang und Ende einer Chiffrieranweisung. Die Gesandten besuchten am 14. September die französische Delegation und gratulierten, daß, wie man höre, am Vortag alles haubtsächlich verglichen vnd accommodirt worden, vnd werden sie [die Franzosen] durch eine solch treffliche, christliche vnd Gott wolgefállige action bei der löblichen posteritet sich nun ewigen nahmen erwerben vnd in den historiis mit hegster reputation in perpetuum leben. Sie entwickelten sieben Argumente, wonach Frankreich jetzt nicht mehr verpflichtet sei, weiter Krieg zu führen, da sonst, wenn Schweden nicht ebenfalls nachgebe, in Deutschland ein lauterer religionskrieg bevorstehe. Um das zu vermeiden, möge Frankreich Turenne aus Süddeutschland an den Rhein zurückrufen. Im Hinblick aufTurennes Kriegführung gaben die Franzosen keine Zusage, sondern verblieben in terminis generalibus; im Hinblick auf das Abkommen meinten sie: die cron Franckreich, müssten sie bekhennen, were nunmero mit Teutschland volkhommenlich verglichen vnd praetendirten nichts weiter. Bei Trauttmansdorff baten sie am 15. September um Mitteilung des vereinbarten Textes, nur zu Händen des Kurfürsten. Ille vermeldet, es were das secretum allerseits verglichen worden, damit ihnen ichts importirt werde, wollen ahn die Kays. Mtt. allergehorsamist gelangen lassen, damit Ihrer Churfl. Durchlaucht vom Kays, hoff die communication beschehe1). Am 19. September besuchte Krebs den venezianischen Botschafter, der ihm vor allem über die spanisch-niederländischen Verhandlungen Mitteilung machte. Am 20. September besuchte Krebs den Nuntius. Er las aus einem vor Kenntnis vom Abschluß der Satisfaktionsartikel verfaßten Bericht des Pariser Nuntius vor, wonach am französischen Hof noch keineswegs entschieden sei, ob ') Der Passus war zunächst ganz anders formuliert, berichtete von einer Einwilligung Trauttmansdorffs und der Übersendung des Textes als Beilage zum Bericht.
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Mächte
man sich mit Philipsburg contentiren solle oder nicht, sondern vernemme man, weilen so guette zeittung nach Pariß khomen, am königshoff, es sei Teutschland albereith gleichsamb ganz verlohren 2 ), dahero man die eventus erwarttet, wie beederseiths armaden die Sachen in Schwaben und Franckhen außmachen, nach demselben werden man in Franckhreich die resolution fassen. [...] Ego: habe mich bedanckht dieser communication vnd |:gleichfals sondirt, was eigentlich zwischen den Kayserlichen vnd Französischen geschlossen worden: |. Ille: nichts anderß, als was die letste Französische schlifft, welche E. Churf. Durchlaucht wir schon vnderthenigst vberschickht [Textentwurf vom 9. September]3), in sich haben, nemblich waß mann Franckhreich vberlasst, dahingegen waß die cron Franckhreich dem hauß Österreich widerumb abtrette vnd selbigem in Preißgau verbleiben solle. Sodan daß Frankckhreich dem herrn erzherzogen zwei [!] millionen gülden in dreien nachvolgenden jähren 1647,48 vnd 49 zue Basel vbergeben soll. Von den schulden im Elsas vnnd Preißgau soll Franckhreich zwei dritl, Österreich ain dritl vber sich nehmen. Die Lothringische sache seie zu remittiren nach Pariß. Mit Hispanien wollen sie friden machen, falß sie [die Spanier] sich nach billichen dingen erkhlären wollen. |:Alle vbrige Sachen sein mündlich versprochen, aber nichts in schafften vfgesezt worden, ohne zweiffei, damit die herrn Französischen legati die schrifftliche composition den Schwedischen vorweisen khönnen.:| |:Mündlich aber hetten sie versprochen, die Pfalzische sachen, amnestiam, gravamina [ecclesiastica], Heidenheimb, die Württembergische pfandschafften, so Tyrol praetendirt, Hohentwiel, Lindau vnd anders zue richtigkheit zue bringen.:| [...]
2
) Gemeint ist: für den Kaiser. ) Diesen von Volmar am 12. September erhaltenen Text hatten die Gesandten am 14. September übersandt. 3
Prelude to the Fronde The French Delegation at the Peace of Westphalia By
Paul Sonnino
When Louis XIII died on May 14, 1643, leaving as his successor the fouryear-old Louis XIV, it looked to many observers as if the government of France was about to change dramatically. Over the previous eighteen years, the late king, with the aid of Cardinal Richelieu and most recently of Cardinal Mazarin, had been carrying out a policy which was, to say the least, controversial. In order to prevent the domination of Europe by the house of Austria, they had become active supporters of Dutch, Swiss, Swedish, and German Protestants, and, to the admiration of some and horror of others, they had managed to turn the tide. By the time of Louis XIII's death French arms had taken the heart of the county of Artois, plus Landrecies in Hainault, from the Spanish in the Low Countries, the entire county of Roussillon from the same Spanish on the Mediterranean coast, the Landgravate of Alsace plus Breisach from the Emperor in the Holy Roman Empire, and they were firmly entrenched in Pinerolo and Casale in northern Italy. Their enemies, on the other hand, were in a state of near collapse. Catalonia and Portugal were in revolt against the Spanish monarchy, the Catalans having recognized the king of France as their sovereign, the Portuguese receiving his military aid. The Emperor was bankrupt; his hereditary lands constantly threatened by the Swedes. Indeed, the French monarchy was in such an enviable position that, by the time of Louis XIII's death, even its own allies were beginning to fear that they were about to exchange one dangerous threat to their independence for an even bigger one. 1 ) In the process of turning the tide, however, the late king and his ministers had done two things which had even troubled the consciences of some of their staunchest supporters. They had brought the Catholic Counter-Reformation to a screeching halt and they had imposed back-breaking taxes upon the French population. Louis XIII and his ministers, who could reconcile the interests of the state with their own standards of piety, were not personally troubled. But they had no doubts that the party of the dévots, over which Richelieu had
•) Ernest Lavisse, Histoire de France. 9 Vols. Paris 1900-1911, Vol. 6/2, bk,. Ill, chs. I, V, VII; Adolphe Chéruel, Histoire de France pendant la minorité de Louis XIV. 3 Vols. Paris 1879, Vol. 1,57-67.
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triumphed in 1630, was always, with each new external victory and each new domestic tax, in the process of renewing itself. Richelieu had attempted to combat their scruples with the beatific visions of Father Joseph, which transformed the dirty war against the Habsburgs into a prelude to a redeeming crusade against the Turk. In 1641 Richelieu had even sent one of the father's favorites, the Count d'Avaux, to Hamburg to lay the groundwork for a peace conference, which would eventually gather at Munster and Osnabriick in Westphalia under the mediation of the Pope and the Venetians. But the late king and his ministers had strong suspicions that their moral sufficiency would not survive him. Thus he attempted, by his will, to establish a Council of Regency, in which his widow and the princes of the blood would be outvoted by his old ministers. He failed, and in a display of resolution that marked her entry into the political arena, Anne of Austria, in alliance with the Duke d'Orléans and the Prince de Condé, went before the parlement of Paris and got the testament amended.2) It was not long, moreover, before Europe observed a changing of the guard. First to go was Claude Le Bouthillier, Superintendant of Finances in the previous regime, then Bouthillier's son Chavigny removed himself as Secretary of State for foreign affairs. Bouthillier was replaced by d'Avaux and Bailleul, Chavigny by Brienne. These were people who had survived, even thrived, under Louis XIII, but they were of a less bellicose, more devout stamp, and what with a pious Spanish queen and two outcasts from the previous regime at the helm, the prospects for a change of direction seemed great indeed.3) Many expected that Richelieu's successor, Cardinal Mazarin, would also be sent packing. He seemed at first sight like the weakest, the most isolated member of the old administration. His origins - whether on the Sicilian or Umbrian side of his family - were obscure. He had risen by dint of his capacity in the service of Francesco Barberini, nephew of Pope Urban VIII, the first pro-French pope since the Babylonian Captivity. As a creature of the Barberini, Mazarin had developed strong hostilities toward the Spanish, viewing them as insatiable aggressors. His was not, however, the patriotic Italian Hispanophobia of the Machiavelli variety. And in the years 1639 to 1642 during which he made the transition from pontifical diplomat to successor of Cardinal Richelieu, Mazarin merely transferred his undivided loyalty to the French monarchy while leaving his Hispanophobia undiminished. He was, in other words, a representative of the harshest possible anti-Habsburg line, bound both by gratitude and principle to the policies of his predecessor. That, plus 2
) Lavisse, Histoire de France (note 1), Vol. 6/2, bk. Ill, chs. IV, IX, XI; Vol. 7/1, eh. I. See also Giustiniani to Senate, May 19, 1643: Archivio di Stato di Venezia (ASVen), Francia 99, no. 3291. . 3 ) Chéruel, Histoire de France (note 1), Vol. 1, 145-148. See also Giustiniani to Senate, June 9, 16, and 26, 1643: ASVen, Francia 99, nos. 344 III, 347 III and 355 III.
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Mazarin's participation in the preparation of the will, should have been the end of him. Yet, he was not dismissed, which was especially surprising since, as the weeks went on, he seemed to be gaining influence with the Queen. What was happening? Apparently, since the birth of her children, she had undergone something of a political conversion. She had become less Spanish and more French. But also, she was powerfully attracted to Mazarin. Whether this attraction was physical or not, it is impossible to say. But, at the very least, she found courage in his skill, and in his total dependence on her, independence from the Duke d'Orléans and the Prince de Condé. Indeed, it seems to me that without constantly keeping in mind the bond of union between Anne of Austria and Mazarin, it becomes extremely difficult to account either for the French policy at Westphalia or for the ultimate incapacity of the Frondeurs to dislodge him. 4 ) Even his influence over the Queen, however, did not give Mazarin full control over French policy. He had to contend with an expanded conseil d'en haut in which the Duke d' Orléans, and the Prince de Condé, the Duke de Longueville, the Chancellor, the two Superintendants of Finances, the four Secretaries of State, even Chavigny, had the right to participate. He was faced, therefore, with what amounted to a coalition government in which a variety of interests were always clamoring for satisfaction. The fickle Orléans and the pacific Condé, each with a huge aristocratic clientele, blew hot and cold in support of the war. D'Avaux had powerful connections in the parlement through his brother, President de Mesmes. Bailleul was himself a judge. The house of Condé acted as protectors of d'Avaux and Mesmes. Mazarin could only stay on top of this coalition by bribery, by promises, and by playing off one faction against the other. He also had cabals of disaffected nobles constantly plotting to overthrow him. He therefore had a good number of reasons for switching to a more pacific policy. Notwithstanding his previous ideas and loyalties, getting out of the war as quickly as possible was, under the present circumstances, very much to his advantage. 5 ) We can also observe a coalition government at work in the choice of the plenipotentiaries for the peace conference. One of the first choices fell on d'Avaux, a darling of both parlement and of the house of Condé. In pursuing the policies of Richelieu and Father Joseph in Germany, d'Avaux had managed to combine his courtship of the Swedes with the life-style of a monk. For 4
) See Giustiniani's letter of June 9, cited above; Victor Cousin, La Jeunesse de Mazarin. Paris 1865; Chéruel, Histoire de France (note 1), Vol. 1, chs. Ill—IV. Bibliothèque Nationale (BN), Ms. Baluze 174 (Carnet 8,14): ,,Ma [the Duchess d'Orléans, P.S.] ha più di gioia e di dolore nelli buoni e cattivi successi della casa d Austria che non haveva la Regina quando non haveva figli". 5 ) Chéruel, Histoire de France (note 1), Vol. 1, chs. II-IV. See also Giustiniani's letters of June 9 and July 28, cited above, as well as his letters to the Senate of June 26, August 4, 11 and 25, 1643: ASVen, Francia 99, nos. 355 III, 375 IV, 379IV, and 387 IV.
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his associate the choice fell on Chavigny, who represented the legacy of Richelieu in its most unvarnished form. And to lead the delegation the choice fell on the Duke de Longueville, a great magnate and son-in-law of the Prince de Condé. But Chavigny not wanting to absent himself from the court, the choice then fell upon Abel Servien, who was completely in Mazarin's dependence. By the end of September of 1643 their instruction was ready. Its main thrust was that the French wanted any settlement to be guaranteed by their allies, that they wanted to keep almost all of their conquests, including Lorraine, and that they wanted some advantages for the Catalan and Portuguese rebels. This instruction is extremely revealing, for it shows us that Mazarin, all the reasons for becoming more moderate notwithstanding, was still following a Richelieuan line of demands and was able to bring his coalition with him. Also by introducing Servien into the delegation, Mazarin, through his own secretary Lionne who was Servien's nephew, now had two confidants with whom he could always bypass the council in case of need. 6 ) When, late in 1643, d'Avaux and Servien arrived in The Hague for consultations with their Dutch allies, they immediately discovered some portents of things to come. The Dutch were more interested in ending the hostilities by a truce than by a peace. And they were not prepared to go through with those provisions of their alliance with France which called for a mutual guarantee of any future treaty. A further portent was the first argument between d'Avaux and Servien, each of whom considered himself God's gift to diplomacy. D'Avaux took it upon himself to present a philosophical speech to the States General in which he asked them to expand their toleration of their Catholic subjects. Servien was horrified. Then, as soon as the plenipotentiaries got to Münster they fell to arguing over the wording of a letter to the princes of the Empire. Finally, Servien began complaining about d'Avaux' indolence. There followed an exchange of insulting letters between them, which Servien did not fail to communicate to Lionne for the consumption of Mazarin, the clash of egos quickly becoming public both in Münster and in Paris. On the more substantive issues, however, they managed at first to maintain a united front. It was Servien's opinion, in keeping with Mazarin's, that, in order to obtain a peace, the principal pressure had to be applied upon the Emperor, and d'Avaux seemed to agree. Late in 1644 the plenipotentiaries sent d'Avaux's right hand man, Antoine de Fouquet-Croissy, to get the Protestant Prince of Transylvania 6
) For the appointments of d'Avaux and Chavigny, see Giustiniani to Senate, July 21,1643: ASVen, France 99, no. 367. For the appointment of Longueville, see Giustiniani to Senate, June 23, and 26, 1643: ibid. nos. 352 IV and 355 III. For the appointment of Servien, see Giustiniani to Senate, September 15,1643: ibid. no. 397 III. For the instruction see: Instruction donnee a Messieurs le Duc de Longueville ... September 30, 1643: Paris, Archives du Ministère des Affaires étrangères (AAE), Correspondance Politique (CP), Allemagne 17, fol. 194-258 (published in: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. I. Bd. 1. Münster 1962, 38-123).
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to move against the Emperor. The same period also saw the first written exchanges of proposals between the enemies, through the mediators, with neither side yet willing to show its hand.7) As time went on, the discord between the French plenipotentiaries intensified. It seemed as if d'Avaux was attempting to advance the French cause with conviviality, Servien with arrogance, and by March their squabbling had reached such a point that d'Avaux began to solicit his own recall. But as the French and Swedes were trying to concert a set of demands for peace in the Empire, the more substantive issue of religion reemerged between the French plenipotentiaries. The Swedes wanted to go back to the religious situation in 1618, the French held out for 1635. D'Avaux wanted absolutely no mention of religion in their joint proposals, while Servien was willing to allow a vaguely worded article supporting the Protestant claims. Apparently, as the dangers to the French monarchy shrunk, the memory of Father Joseph was becoming ever more vivid in d'Avaux's mind. Not, however, in Servien's, who was afraid of losing the Protestant allies.8) 7
) For the negotiations with the Dutch, see d'Avaux, Servien, and La Thuillerie to Brienne, December 14: AAE, CP, Allemagne 21, fol. 137-139, and to Anne, December 23, 1643: ibid. fol. 141-149. See the speech on toleration cited in Willem Pieter Cornelius Knüttel, Catalogus van de Pamfletten-Verzameling. Vol. 1/2. 's-Gravenhage 1889, nos. 5105-5109, dated March 3, and reproduced in: Jean Le Clerc (Ed.), Négociations Secrètes touchant la Paix de Munster. 4 Vols. La Haye 1725-1726, Vol. 1,193, dated March 5,1644. See copies of the circular letter, dated April 6, 1644: AAE, CP, Allemagne 26, fol. 341-343, fol. 3 4 5 349; Allemagne 32, fol. 150-154; Allemagne 37, fol. 30-35 (copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes, Vol. 1,247-250). For the insulting letters see Servien (own hand) to d'Avaux, June 27, 1644: AAE, CP, Allemagne 29, fol. 273-275 (copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes, Vol. 1,75-76 and APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1. Münster 1979, 295-298); d'Avaux to Servien, July 6, 1644: AAE, CP, Allemagne 33, fol. 110-123 (copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes, Vol. 1,77-82 and APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1, 317-328), and Servien (copyist hand) to d'Avaux, August 6, 1644: AAE, CP, Allemagne 30, fol. 42-140. For Servien's view of harassing the Emperor see his letter to Mazarin, June 11, 1645: ibid. Allemagne 29, fol. 205-206 (copy sent published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1, 265-266). For the mission to Transylvania see loan Hudita, Repertoire de documents concernant les négociations entre la France et la Transylvanie au XVIIe siècle. Paris 1926. For the first written proposals, exchanged on December 4, 1644, see the French proposal: copy in AAE, CP, Allemagne 34, fol. 370, or other copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes, Vol. 1, 318, or in Johann Gottfried von Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Tie. Hannover 1734-1736, T. 1,320-321 ; Imperial proposal: copy in AAE, CP, Allemagne 34, fol. 360, or the copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes, Vol. 1, 321, or Meiern, Acta Pacis Westphalicae, T. 1, 317-318; Spanish proposal: copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes, Vol. 1, 318-320, or in Meiern, Acta Pacis Westphalicae, T. 1, 318-319. 8 ) On the petty squabbles see d'Avaux (letter sent) to Mazarin, February 3, 1645: AAE, CP, Allemagne 43, fol. 115-119, and d'Avaux (letter sent) to Brienne, February 7, 1645, with Servien's criticisms in the margin: Assemblée Nationale (Ass. Nat.), Ms. 274, fol. 127-129, published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1976, 108-112 and 123-126. For the more substantive differences, see d'Avaux and Servien to Brienne, March 3, 1645: AAE, CP, Allemagne 46, fol. 136-168 (copy in Ass. Nat., Ms. 274, published in APW Ser. II. Abt.
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By the middle of 1645 the heads of each delegation began to make their appearances. The Duke de Longueville arrived on June 30, torn between his admiration for d'Avaux and his dependence on Mazarin. A few days later, Count Peñaranda, head of the Spanish delegation, arrived, and, in the course of the summer, the Duke d'Orléans' conquest of Mardyck, the spectacular victory of Condé's son, the Duke d'Enghien, at Nördlingen, and the taking of Rosas on the Mediterranean coast by Harcourt, all improved the French bargaining position, but each of these offensives soon stalled, thus giving the mediators a good opportunity to begin talking terms. It was Contarini who first floated the idea of basing the reconciliation between France and Spain on a marriage settlement, in which the young Louis XIV would wed the Infanta and obtain the Spanish Low Countries as a dowry, while, presumably, returning the remainder of his conquests. We are extremely fortunate, in view of the notoriety that both of these issues subsequently acquired, to know exactly how Servien reacted to them when they first came up. He was extremely dubious about them. He feared that they would alarm not only the Dutch, but also the Italians. He was still very much afraid of a change of fortune, including the possibility of domestic unrest. His suggestion was to conclude the peace first, after which it would be much easier to proceed to secret negotiations over such things as marriages and exchanges.9) Mazarin, it would seem, thought differently. He never considered himself as some fly-by-night parvenu whose first and only concern should be to protect his own short-term interests. He considered himself as a superman who was duty bound to achieve immortality through his service to the French monB. Bd. 2, 150-166, with some omissions). On the recall, see d'Avaux (own hand minute) to Brienne, March 3,1645: AAE, CP, Allemagne 46, fol. 135 (copy sent in Ass. Nat., Ms. 274, fol. 252). See the interesting analysis of their differences in Rosenhane to Oxenstiema and Salvius, March 1/11, 1645: Svensk Riksarkivet, Johan Oxenstiernas Sämling, B II, No. 321 (published in APW Ser. II. Abt. C. Bd. 1. Münster 1965, 526-532). See also Chigi to Panfili, May 12, 1645: Biblioteca Vaticana, CCL A. I, fol. 187-189 (letter sent ASVat, Germania 18, fol. 152-155, published in Vlastimil Kybal/Giovanni Incisa della Rocchetta, La Nunziatura di Fabio Chigi [1640-1651], Roma 1943-1946, pt. I, 1075-1080). 9 ) For the arrival of Longueville, see Longueville, d'Avaux, and Servien (letter sent) to Brienne, July 4,1645: AAE, CP, Allemagne 55, fol. 134-139 (copies published in Le Clerc, Négociations Secretes [note 7], Vol. 2, pt. 2, 87-88; Carl Wilhelm Gärtner, Westphälische Friedens-Cantzley. 9 Bde. Leipzig 1731-1738, Bd. 5, 383-388; APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 [note 8], 498-499). For the arrival of Peñaranda, see Peñaranda to Coloma, July 11, 1645: Biblioteca National (Madrid), Ms. J 12 (published in: Colección de documentos inéditos para la historia de España [CODOIN], 112 Vols. Madrid 1842-1895, Vol. 82, 88-90). For Gravelines and Nördlingen, see Lavisse, Histoire de France (note 1), Vol. 7/1, bk. I, ch. I, 11. For the marriage proposals, see plenipotentiaries to Brienne, August 12, 1645: AAE, CP, Allemagne 55, fol. 263-285 (published in Le Clerc, Négociations Secrétes [note 7], Vol. 2, pt. 2, 114-119; Gärtner, Westphälische Friedens-Cantzley, Bd. 5, 702-726, and APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 [note 8], 582-592). For Servien's reaction, see Servien (minute) to Lionne, September 9, 1645: AAE, CP, Allemagne 52, fol. 462-A67 (published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 [note 8], 678-683).
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archy. During the fall and winter of 1645, he was at the height of his self-confidence. He had received information, moreover, that the Spanish were desperate for peace, and that the Emperor, disgusted with them, was about to send his closest confidant, the Count von Trauttmansdorff, to Miinster, with massive concessions. Mazarin's own reaction to the combined marriage and exchange proposals, however, was strictly in line with the reservations of Servien. „France", Mazarin wrote in the name of the king, „has experienced notable prejudices from similar subterfuges". However, the particular proposal of an exchange for the Low Countries was a different matter. It flattered his passion for glory.10) In the council, with his coalition, he did not show his full hand, and this is seen in a new set of instructions which he prepared for the plenipotentiaries about the same time. It held fast to the principle that France wished to retain its conquests and contemplated a number of options for achieving this end, a comprehensive peace, partial truces, or a combination of the two. It merely touched on the marriage and exchange proposals as an afterthought. In his correspondence with his plenipotentiaries, however, he revealed himself. At the beginning of 1646 he communicated to them an amazing mémoire, not mentioning a word about the marriage proposal, but in enthusiastic support of the exchange, pointing out with the same breath: (1) how the acquisition of the Spanish Low Countries would free France from any further dependence on any allies; (2) how convenient it would be for the Spanish monarchy to exchange them; and (3) how placidly the Dutch should view the prospect of having the French monarchy as its next-door neighbor. And he was prepared to sacrifice everything: Lorraine, Catalonia, Portugal, if the Spanish would only let France have their Low Countries!11)
10 ) For Mazarin's initial reaction to the marriage offers, see Lionne's minute of the „Mémoire du Roy pour M rs les Plénipotentiaires", September 30,1645: AAE, CP, Allemagne 44, fol. 402-404 (copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 2, pt. 2, 160-161, and Gärtner, Westphälische Friedens-Cantzley [note 9], Bd. 6, 330-335). Servient copy in AAE, CP, Allemagne 52, fol. 524-525, is published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 8), 722-724. For Mazarin's information from Spain see BN, Ms. Baluze 174 (Carnet 7) fol. 16r: „che le cose di Spagna vanno peggio che mai e che ci si scrive che si devono scriver ordine a Pegnarada di stringer il trattato". For his second thoughts about the exchange see ibid. fol. 37 v : „Pensiero di Mandare 1 Estrada p~ il partito de' Paesi Bassi sotto pretesso di aggiustar le cose della Campagna et addunarse al P ce d Oranges p~ farne il mediatore et darli in proprio Anversa con che lo rileva dalla francia". n ) For the instruction see Lionne's minute, November 22, 1645: AAE, CP, Allemagne 45, fol. 168-184, Servien's copy: ibid. Allemagne 53, fol. 276-284, is published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 8), 872-890. For the exchange proposal, see Mazarin (Lionne's minute) to Plenipotentiaries: AAE, CP, Allemagne 59, fol. 82-87, and Lionne's minute „Raisons qui semblent devoir persuader aux Espangols le parti dont est question": ibid. fol. 88-90, both dated January 20, 1646 (copies published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 3, 20-24 and 24-25; Gärtner, Westphälische Friedens-Cantzley [note 9],
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Mächte
In view of Mazarin's reputation as one of the great Realpolitiker of all time, I hope I may be excused if I raise some questions about his reasoning at this point. Mazarin stated quite bluntly to d'Avaux in a letter of February 3, 1646 that „there can never be a true and cordial friendship between the French and the Spanish". Now if the acquisition of their Low Countries would indeed have put the French on top of the world, what possible reason would their irreconcilable enemies have to contribute to it? And then there were the Dutch. Considering that the Dutch had fought for over 70 years in order to achieve their independence from Catholic Spain, by what stretch of the imagination could Mazarin imagine that they now would countenance an all powerful Catholic France as their next-door neighbor? Servien continued to believe that the suggestion was crazy, but Lionne, on behalf of Mazarin, kept pressuring him to make the overture. When the plenipotentiaries, through the mediators, and the Count d'Estrades, through the Prince of Orange, finally did so, the Spanish, not surprisingly, exploited it to the fullest. It was the cornerstone of their policy to separate the Dutch from the French, and this proposal was manna from heaven. With crowds in The Hague threatening to lynch any Frenchman they could find, Mazarin had to beat a hasty retreat. But the damage was done. The French had shown their hand. The Dutch and the Spanish now rushed to come to terms. 12 ) Mazarin refused to worry. He could not believe that the Dutch would ever develop the gumption to abandon their French allies. He went back to a policy of holding firm and putting his trust in future military successes. And indeed, little by little the Spanish did give way, offering the entire county of Artois, some towns in Hainault, and the entire county of Roussillon. The French rejected these offers, coming out with their demand for all their conquests, plus truces in Catalonia and Portugal. But while the negotiations with the Spanish progressed at this snail's pace those with Trauttmansdorff were beginning to show promise. Here the French had come out with their demands for Alsace, the Sundgau, Breisach, Philippsburg, Pinerolo, and the Emperor was giving Bd. 8, 585-588 and 590-660, and'to be published in the forthcoming APW Ser. II. Abt. B. Bd. 3). 12 ) For Mazarin's anti-Spanish quote, see Mazarin (Silhon minute) to d'Avaux, February 3, 1646: AAE, CP, Allemagne 75, fol. 183-186 (copy published in Adolphe Chéruel [Ed.], Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère. 9 Vols. Paris 1872-1906, Vol. 2, 281284). For Mazarin's pressures see Lionne to Servien, February 3, 1646: AAE, CP, Allemagne 75, fol. 190. See also Lionne to Servien, March 8, 1646: ibid. fol. 374, where Lionne advises him to write a letter to Mazarin „en vous rétractant de l'opinion que vous avez tousjours eue que M rs les Estatz n'y consentiront jamais", and Servien's exculpatory letter to Lionne, March 17, 1646: ibid. fol. 436-437. All these letters will be published in the forthcoming APW Ser. II. Abt. B. Bd. 3. For the position of the Spanish see Consulta of March 13, 1646: Archivo General de Simancas (AGS), Estado 2348 (published in CODOIN [note 9], Vol. 82, 279—287). For the reactions in The Hague and Mazarin's quick withdrawal see Nani to Senate, March 20, 1646: ASVen, Francia 104, no. 311.
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way inch by inch, ready to sacrifice the frontiers of the Empire, the Spanish monarchy, and the interests of the Catholics to the preservation of his hereditary lands. In April Trauttmansdorff abandoned Alsace to the French, in May an eighth electorate for the Elector Palatine to the Swedes and Breisach to the French. But whereas prosperity only served to raise Mazarin's expectations, it served to make d'Avaux more magnanimous. D'Avaux apparently believed that the time was ripe to strengthen the resolve of the Emperor - particularly where it involved the interests of the Catholics - , not weaken it. The king of France, - accordingly, now needed to demonstrate his moderation, and d'Avaux's choice fell, believe it or not, on the turbulent Duke of Lorraine. D'Avaux began thinking about the possibility of giving him Alsace in compensation for Lorraine. D'Avaux was prepared, in fact, to sacrifice Alsace and all the other French conquests in the Empire in the interest of making the king of France look like a saint. 13 ) Mazarin was correct in one regard. The Dutch had no desire to abandon the French. During the campaign of 1646, while the Duke d'Orléans was besieging Courtrai in Flanders, the Count d'Harcourt Lerida in Catalonia, and Prince Thomas of Savoy Orbitello in Italy, the Dutch sought desperately to bring the French and Spanish together before the Spanish military situation deteriorated any further. They therefore volunteered, in all secrecy, to bypass the mediators and assume the role of „interposers". This might have been considered as a dangerous suggestion because whereas the Pope and the Venetians were only in a position to exert moral pressure upon the French, the Dutch were in a position to back up their entreaties with the threat of abandoning them. Yet, amazingly, the French plenipotentiaries, and Mazarin himself, swallowed the offer whole, Mazarin expressly writing that the Dutch plenipotentiaries Pauw and Knuyt were „the best mediators that we could have in order to conclude an advantageous peace with Spain". Aftgr the outcome of the exchange proposal, one might have expected a more wary attitude toward the Dutch. But the condescending idea that they would never dare to make a separate peace prevailed. The Duke d'Orléans had just taken Courtrai, and Mazarin was confi13 ) See a text of the Spanish offer of April 27, 1646, with the French reply in the margin: AAE, CP, Allemagne 60, fol. 208-210. For the cession of Alsace, see „Mémoire des Plénipotentiaires" (copy sent), April 14/19,1646: Ass. Nat. 275 (to be published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 3), or the duplicata for Mazarin, dated April 13-18, 1646: AAE, CP, Allemagne 60, fol. 138-146. For the eighth electorate see „Mémoire des Plénipotentiaires" (copy sent), May 7, 1646: Ass. Nat. 275, fol. 301-310 (to be published in APW Ser. II. Abt. B. Bd. 3), or the duplicata for Mazarin: AAE, CP, Allemagne 60, fol. 233-237. For the cession of Breisach, see „Reponse au Mémoire du Roy du demier de May" (duplicata), June 14,1646: ibid. Allemagne 61, fol. 12-17 (copy published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 3, 214-216). For d'Avaux' ideas about the Duke de Lorraine, see d'Avaux (own hand minute) to Mazarin, October 8,1646: AAE, CP, Allemagne 67, fol. 7 1 - 7 4 (letter sent: ibid. Allemagne 62, fol. 51-55) where d'Avaux says that „cette pensée m'est venue dans l'esprit il y a six mois".
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dent that in order to prevent further French gains, the Dutch would force the Spanish to accept his terms. 14 ) As the negotiations with Trauttmansdorff were progressing, the Emperor even offered the French a choice as to whether they wanted to receive Alsace in full sovereignty or as a fief of the empire. This option produced further evidence of the direction of d'Avaux's thinking and of the growing substantive divisions within the French delegation. Servien argued in favor of full sovereignty. With his affection for arrogance, he didn't want to see the king of France sitting modestly as an imperial prince in the Reichstag. That, however, was precisely what d'Avaux envisaged. Clearly what he wanted was a France which did not threaten the weak and which could function with them as an advocate for Catholic interests and, at the same time, as a counterweight to Habsburg power.15) With the prospects for peace brightening, the Dutch made every possible effort to bring the Spanish to make further concessions. And, whether out of craftiness or out of desperation, they proceeded to do so. In September, they authorized the Dutch to make a verbal offer that seemed to satisfy every major French demand. The Spanish offered to surrender all of their losses in their Low Countries, they offered the entire county of Roussillon, they acquiesced in the French possession of Pinerolo, and most astonishingly of all, they agreed to a long truce, ultimately for 30 years, in Catalonia. Permit me to stop for a moment to reflect upon the implications of these offers and particularly of the Catalonian truce. Imagine what advantages Mazarin might have drawn from a thirty-year period in which the Spanish could not intervene in Catalonia! He could, the moment that the peace was concluded, have begun conspiring patiently with the Spanish to sell out the Catalans, to sell out the Portuguese, to accommodate the Duke of Lorraine, in order to obtain his coveted prize of the Spanish Low Countries, if that was indeed what he wanted, and this at a time when no one would have been in the remotest position to stop him! So what did Mazarin do? Rather than ordering the plenipotentiaries to cement these conditions with the Dutch, he calmly instructed his plenipotentiaries to delay the negotiations for six weeks, until the French could conclude 14
) See d'Avaux (own hand minute) to Mazarin, July 9,1646: AAE, CP, Allemagne 66, fol. 168-171 (letter sent: ibid. fol. 132-135) and Mazarin (secretary's minute) to d'Avaux, July 20, 1646: in the same Allemagne 66, fol. 178-182: „Je croy bien que luy & Knut Soient les meilleurs Médiateurs que Nous Scaurions avoir". ,5 ) Plenipotentiaries (duplicata) to the court, July 9, 1646: AAE, CP, Allemagne 61, fol. 110-122. See also d'Avaux's own hand mémoire: ibid. Allemagne 66, fol. 171-173, arguing against sovereignty which was attached to this letter. Copies are published in Le Clerc, Négociations Secrètes (note 7), Vol. 3,247-251, 244-245, but the copy of the mémoire, containing both pros and cons, is much more ample than the original. See also d ' A v a u x ' s „Raisons pourquoy il vault mieulx pour la France d e recognoistre le Landgravat
d'Alsace en fief de l'Empire que non": AAE, CP, Allemagne 68, fol. 183.
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their current sieges of Dunkirk in Flanders, Porto Longone on Elba, and Lerida in Catalonia. Nor had he for an instant abandoned his idea of the exchange! But he seemed to assume that the more humiliations he could inflict upon his irreconcilable enemies, the better chance he had of bringing them to reason immediately! He had forgotten, apparently, that he just placed himself in the hands of the Dutch, the only people in the world who were still in a position to breathe new life into the Spanish monarchy.16) Rather, therefore, than making every effort to demonstrate their good faith, the French plenipotentiaries proceeded to an exchange of writings with which they perpetually complicated the settlement. And this at a moment when the threat from the Spanish monarchy seemed to be evident only in the minds of Mazarin and Servien. On October 9,1646 Philip IV's only son, Balthazar Carlos, suddenly died, leaving hopes for Spanish resurgence either in the hands of a twelve-year-old Infanta or of a yet unborn son of a widower king. Moreover, once Dunkirk and Porto Longone fell, the French plenipotentiaries laid claim to these two strongholds as well. But didn't, one might ask, Longueville and d'Avaux urge any restraint? Apparently they did not. It would seem, on the contrary, as if they had been so overawed by the success of Mazarin's policy, that they were rushing to get on his bandwagon. And Servien's own self-confidence became even greater when on December 9, Antoine Brun, Penaranda's right hand man, paid him a visit, and dropped broad hints that if the French softened their terms now, particularly in regard to Porto Longone, the marriage and the exchange would indubitably follow. Servien was jubilant. „1 am certain", he wrote to Lionne, „that the first time I see Brun again we will conclude all the remaining differences". However, just as he was abandoning his goddess Fortuna, she was repaying him in kind. On November 21 Leganez had raised siege of Lerida, the news reaching Munster on December 17. The Spanish monarchy had lived to negotiate for another year.17) 16 ) The Dutch intervention began by producing the French demands of September 23, 1646 (AAE, CP, Allemagne 77, fol. 387-389) and the Spanish response of October 1 (ibid. Allemagne 78, fol. 56-57, 54-55 and Allemagne 62, fol. 45-46). There is a version in combining the French demands and Spanish response in AGS, Estado 2347, dated September 26. See the description of these exchanges in Plenipotentiaries (duplicata) to Brienne, October 1, 1646: AAE, CP, Allemagne 62, fol. 16-22 (copy published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 3, 337-338). For the orders to delay, see „Mémoire [Lionne's minute] du Roy aM r e les Plenip res ", October 14,1646: AAE, CP, Allemagne 62, fol. 77-85. 17 ) For the continuation of these exchanges, see the French response of October 3: ibid. Allemagne 78, fol. 58-60; Allemagne 62, fol. 47-50; Allemagne 67, fol. 24-26, 27-30. Spanish response of October 11: ibid. Allemagne 78, fol. 129-131; Allemagne 62, fol. 67-68; Allemagne 67, fol. 79-80. French response of October 14: ibid. Allemagne 78, fol. 134— 135; Allemagne 62, fol. 71-74; Allemagne 67, fol. 83-87 and 93-94. Spanish response of October 18: AGS, Estado 2348 and in AAE, CP, Allemagne 78, fol. 200-201; Allemagne 62, fol. 124-125, dated October 22. French response of October 25: ibid. Allemagne 62, fol. 155-156; Allemagne 67, fol. 156 and 157-158; and in AGS, Estado 2348, dated October 27. Spanish response of November 8: ibid. Estado 2348. French article on Casale:
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Immediately after this n e w s reached Münster, the blame game began. This was not merely the familiar finger pointing between d'Avaux and Servien. This was the establishment of the responsibility for w h o had bungled the peace. Servien seems to have started it. After having tamely gone along with Mazarin's orders to delay, he now attempted to lay the entire burden for the delays upon d'Avaux. D'Avaux became an even easier target after his protector, the Prince de Conde, died on December 26, his son being a young warrior of a considerably more militant stamp. But the blame game was not merely an intradelegational sport. The moment they got the news from Lerida, the Spanish plenipotentiaries transformed the blame g a m e into a public spectacle. They had no lack of ammunition, and their agent in The Hague, Philippe Le Roy, packed it into a blistering broadside against the French, recounting, with only a minimal need for exaggeration, the entire history of Spanish concessions and French procrastination. There was no doubt as to his purpose. It was to bring the Dutch to a separate peace. And it succeeded. On January 8, 1647, at Münster, the Spanish and Dutch put their signatures to a preliminary agreement. 1 8 )
AAE, CP, Allemagne 62, fol. 188-191, with Servien's own hand remarks: fol. 219-222, and AGS, Estado 2848. Spanish response of November 12: AAE, CP, Allemagne 78, fol. 349-351; Allemagne 62, fol. 252-253, dated November 11; Allemagne 67, fol. 284-285. French response of November 16: ibid. Allemagne 78, fol. 373-374; Allemagne 62, fol. 277-278; Allemagne 67, fol. 310-311. Spanish response of December 9: ibid. Allemagne 78, fol. 498-499; Allemagne 80, fol. 41-42; Allemagne 68, fol. 6-7, also inserted in Le Roy's writing cited in note 18 below. French reply of December 9: ibid. Allemagne 78, fol. 500-501 ; Allemagne 80, fol. 67-68; Allemagne 68, fol. 8, also inserted in Le Roy's writing cited in note 18 below. French „Article de la retention des conquestes" of December 20: ibid. Allemagne 80, fol. 126-128, inserted in the Le Roy writing cited in note 18 below, and, dated December 24, in Guillaume Hyacinthe Bougeant, Histoire du Traité de Westphalie. 6 Vols. Paris 1744-1751, Vol. 4, 460-468. Spanish reply of December [23]: AGS, Estado 2350; AAE, CP, Allemagne 78, fol. 647-654, also inserted in Le Roy's writing cited in note 18 below. Dunkirk fell on October 13, Porto Longone on October 29, 1646. For d'Avaux' conciliatory attitude, see Servien (own and secretary's hand minute) to Lionne, November 6, 1646: ibid. Allemagne 78, fol. 307-322, 325-326. For the visit of Brun, see Servien (secretary's hand and own hand minute) to Lionne, December 11, 1646: ibid. Allemagne 78, fol. 518-532: „Je crois certainement que la premiere fois que ie revois brun nous terminerons tout le different qui reste". I8 ) For the beginning of the blame game, see Servien (secretary's and own hand minute) to Lionne, December 24, 1646: AAE, CP, Allemagne 76, fol. 621-625, 627-629. For the Le Roy diatribe, see ibid. Allemagne 80, fol. 427-453, titled „Pertinent et Veritable récit de ce qui s est passé iusques au troisiesme Décembre en la negotiation de la Paix entre Messieurs les Plenipotens d Espagne et ceux de france, Scavoir depuis la mediation des Plenipot s de Mess rs les Estats Généraux des Provinces Unies". On the top of the page is written .Janvier 1647" and in another hand „Escrit de Philippe Le Roy". On fol. 441 in Lionne's hand we have „Ecrit de Philippe Le Roy pnté a M rs les Estats" [page cuts]. On fol. 299, we have Le Roy's dedicatory letter to the States-General, also dated Jan er 1647. Two other versions are published in Le Clerc, Négociations Secrètes (note 7), Vol. 3,461-466 and Vol. 4,391—401.
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The Spanish-Dutch agreement destroyed any appearance of collaboration between the French plenipotentiaries. Servien found himself at The Hague, importuning the Dutch for a new treaty of guarantee, while insisting that they repudiate Pauw and Knuyt. D'Avaux went off to Osnabriick, where he intimated to the Swedes that the French were about to abandon them unless they moderated their demands on behalf of the Protestants. Longueville remained at Miinster and attempted, on January 26, to appease Pauw and Knuyt with some definitive articles for the Franco-Spanish treaty. As to Mazarin, the onetime superman was now reduced to obtaining his inspiration from the hand of Providence, considering it „a visible declaration of Heaven that whenever the Spanish gained any advantages, this only served to throw them into greater embarrassments". When, moreover, he discovered that Longueville had attempted to placate Pauw and Knuyt, Mazarin was furious, all the more since Longueville insisted on defending his decision. The coalition that Mazarin had so carefully nurtured was falling apart, not only at the peace conference, but also at the court. The finger in the blame game was pointing directly at him. There were stories that even the queen had lost faith in him, and the common opinion in every quarter was that he was prolonging the war for his own selfish reasons. 19 ) The negotiation with the Spanish now reverted to the original mediators, and by the end of April d'Avaux rejoined Longueville at Miinster, but now it was the issue of Portugal that came to the forefront. Not satisfied with a vague article that permitted each king to aid his allies, Mazarin insisted that the mediators provide the French with a certificate to the effect that this article specifically permitted them to assist Portugal. The Spanish offered to submit every remaining issue to the arbitration of the Dutch except for the certificate, and when Mazarin finally did relent on this issue, Longueville accused him of having delayed the peace by his intransigence. There followed a series of recriminating letters between them, Mazarin insisting that Longueville had always been empowered to give up the certificate, Longueville angry and sullen >9) For Longueville's communication of the articles, see Longueville (letter sent) to Mazarin, January 28, 1647: AAE, CP, Allemagne 80, fol. 407. On fol. 408-412 there are 21 draft articles, although in ibid. Allemagne 82, fol. 95-99, there are Spanish replies to 76 articles. For Mazarin's reaction to the Spanish-Dutch accord, see Mazarin (Lionne's minute) to Servien, January 25, 1647: ibid. Allemagne 80, fol. 349-355 (published in Chéruel, Lettres [note 12], Vol. 2, 372-382). For Longueville's efforts to justify his communication of the articles, see Longueville (letter sent) to Mazarin, February 11, 1647: AAE, CP, Allemagne 81, fol. 78-79, which Mazarin begins to contradict on fol. 140, his letter to Longueville, February 22, 1647. For Longueville's insistence, see Longueville (copy in Mazarin's possession) to Brienne, March 11, 1647: ibid. Allemagne 82, fol. 18-24 (copy published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 4, 99-100). For Mazarin's rage see Mazarin (Lionne's minute) to Longueville, March 22, 1647: AAE, CP, Allemagne 82, fol. 118-121 (published in Chéruel, Lettres [note 12], Vol. 2,402-412). For Mazarin's problems with the queen, see Nani to Senate, April 2, 1647: ASVen, Francia 106, no. 508.
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because Mazarin had constantly been pressuring him to do just the opposite.20) Once more, everything depended on the military situation. If the French could demonstrate that they were unstoppable, the Spanish would have no alternative but to cave in. For the second year in a row, however, French arms could not deliver. On the contrary, in the campaign of 1647 the Archduke Leopold managed to keep the French at bay in the Low Countries, the new Prince de Condé suffered a humiliating setback before Lérida, and on the heels of a truce with the Duke of Bavaria, the German mercenaries under Turenne's command revolted and the French army in Germany disintegrated. Peñaranda was jubilant. He was not merely anticipating better terms. He was anticipating a revolt in France which would permit the Spanish to recover all of their losses. When Servien reappeared at Miinster in August, he found that Longueville was about to return to France in disgust.21) In the fall of 1647 Avaux and Servien, rejoined in September by Longueville, found themselves having to recommence the negotiation from scratch, with the Spanish becoming more difficult every day. By November the negotiation had come back to a point where only six issues were still in contention, the notorious certificate among them, but Servien had few hopes that they would be settled. At the same time the French court, desperately seeking to prevent the final signing of the Spanish-Dutch Treaty, made what it thought was a major concession on the issue of Lorraine, offering to the Duke to return his territories to him or his successors within a period of ten years. But this was hardly good enough for the Spanish, who insisted that he should be reinstated in his duchy. The situation, in other words, was now completely reversed from the previous year. The French were trying to impress the Dutch and the Spanish were stalling.22)
20
) For d'Avaux' return see d'Avaux (own hand minute) to Mazarin, April 29, 1647: AAE, CP, Allemagne 88, fol. 168-171 (letter sent: ibid. Allemagne 83, fol. 79-84). For the certificate see „Response aux Mémoires du roi du 6,12 et 19 Avril 1647" (copy sent), April 29, 1647: ibid. Allemagne 83, fol. 85-98 (other copy published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 4, 89-92). For the Spanish agreement to everything except Portugal see „Mémoire des Plénipotentiaires de France", May 27, 1647: AAE, CP, Allemagne 83, fol. 201-206 (other copy published in Le Clerc, Négociations Secrètes [note 7], Vol. 4, 104106, incorrectly dated). For the recriminations, see Longueville (letter sent) to Mazarin, June 10, 1647: AAE, CP, Allemagne 84, fol. 63-64; Mazarin (Lionne's minute) to Longueville, June 22, 1647: ibid. fol. 99-102 (extract published in Chéruel, Lettres [note 12], Vol. 2,440-445). 21 ) For these general developments, see Lavisse, Histoire de France (note 1), Vol. 7/1, bk. I, ch. I, 12-14. For Servien's return, see Servien (own hand minute) to Lionne, August 27, 1647: AAE, CP, Allemagne 101, fol. 349-350. 21 ) Servien to Lionne, November 5,1647: AAE, CP, Allemagne 103, fol. 78-92 (secretary's minute) and fol. 93-100 (own hand minute): „11 ne se fera rien avec l'Espagne, ni peut etre mesme avec l'Empire".
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All this time, Mazarin's position in France was deteriorating rapidly. On November 26, Lionne related to Servien rumors of a major plot, involving, not the usual suspects, but d'Avaux's own brother, the President de Mesmes, on whom Mazarin had always counted in order to keep the parlement in line, and the Duke d'Elbeuf, one of the favorites of the Duke d'Orléans. Lionne was not sure about the truth of these rumors, but it is clear that Mazarin, at least, now saw the very center of his coalition collapsing within France itself.23) And, as opposed to the year before, it was now d'Avaux who was receiving the critical visits. On December 28 he was visited by the infamous Knuyt. Knuyt, shedding crocodile tears over the predicament of his republic, expostulated one by one on the insignificance of the remaining issues, and what a bad impression the French refusal to concede on them was making on everyone concerned. In regard to the Duke of Lorraine, Knuyt proposed the immediate restitution of his territories, or at least an arrangement that would restore them to him within a year. As d'Avaux reported on this visit to his colleagues, Servien had no doubt that this was all part of a grand scheme by d'Avaux to present himself to the world a peacemaker and to foment the conspiracy against Mazarin. This much was true. D'Avaux had managed to put both Servien and Mazarin in an extremely embarrassing situation.24) In 1648 Mazarin was faced with another year of war and another round of taxes, with no end in sight. On January 15 the boy king had to go before the parlement in order to enforce the registration of a number of fiscal edicts. On this occasion, the avocat général gave one of those meandering and subversive speeches for which the robe was famous. He devoted a large part of it to praising the French monarchy for its absolutism, but then went on to warn that „the good will of the people diminishes when men are persuaded that the government brings misery upon them". Fifteen days later the Dutch and the Spanish signed their peace, leaving Mazarin with the problem of what to do next. He was still able to hold the princes, and especially the Prince de Condé, whose best hope of replacing Mazarin lay in the war. When Longueville returned on February 27, Condé prevailed on him not to break with Mazarin. And the princes also agreed that d'Avaux should be recalled in disgrace.25)
23
) Lionne (letter sent) to Servien, November 29,1647: AAE, CP, Allemagne 103, fol. 274. ) D'Avaux (own hand minute) to Mazarin, December 30,1647: AAE, CP, Allemagne 90, fol. 301-308 (letter sent: ibid. Allemagne 85, fol. 410-419). 25 ) Omer Talon, Mémoires. 4 Vols. Paris 1827-1828, Vol. 2, 114-121: „la bienvillance des peuples se diminue lorsque les hommes sont persuadés que l'ordre du gouvernement public attire sur eux les misères qu'ils ressentent". See also the versions of this speech cited in Knuttel, Catalogus (note 7), nos. 5622-5623, and the one published in Le Clerc, Négociations Secrètes (note 7), Vol. 4, 478-480. On the return of Longueville and on Condé's influence upon him, see Nani to Senate, March 3 and 10,1648: ASVen, Francia 107, nos. 578 II and 602 II. 24
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
But the judges were a different matter. On May 13, the parlement of Paris issued its invitation to the other sovereign courts to join it in reforming the state. On August 26 the government arrested two of the most vociferous judges. On the 27th the barricades went up in Paris. The Fronde had begun. And one of the first nobles to make common cause with it was the Duke de Longueville. The peace with the Emperor that Servien managed to retrieve on October 24, 1648 was not enough to reverse the tide of public opinion. As the first Mazarinades began to appear, one of the most popular and wittiest was the „Courrier du Temps". Its author? Antoine de Fouquet-Croissy, d'Avaux' right hand man. One of the principal themes of the „Courrier" was a detailed criticism of the „resolutions that Cardinal Mazarin had taken in order to render the war interminable". The same was true of the critique that Chavigny wrote of Mazarin's ministry around 1649. He was not sure, Chavigny said, whether Mazarin had ever wanted to make the peace or not, „but if he didn't want to make peace, he was a fool, and if he did want to make peace, he was incompetent". Chavigny specifically cited the decision to accept the interposition of the Dutch as Mazarin's greatest error. The deaths of d'Avaux and his elder brother in 1650 have deprived us of two more possible denunciators of Mazarin's policies. Still, it became one of the principal rallying cries of the Fronde that Cardinal Mazarin, whether out of his own personal interest or out of sheer incompetence, had failed to conclude a comprehensive peace at Westphalia. 26 ) And this was the accusation that kept echoing in Mazarin's mind throughout the rest of his life. After his triumph over the Fronde, he spared no effort to collect every possible document that could justify his conduct in the eyes of posterity. If anything had gone awry, it was because he had been betrayed by the Dutch and by the French judiciary. It is an interesting question, therefore, as to how he interpreted the Peace of the Pyrenees in 1659, whose terms paled by comparison with his expectations of 1646. Catalonia, Rosas, and Porto Longone remained in the hands of the Spanish. Dunkirk was in the possession of Protestant English republicans. The Duke of Lorraine was reinstated in his duchy. The only improvement was the marriage with the Infanta which he had
26
) „Le Courrier du Temps, Apportant Ce Qui Se Passe de Plus Secret en la Cour des Princes de l'Europe", Moreau no. 825: „Les resolutions que le Cardinal Mazarin prenoit de rendre la guerre immortelle". Chavigny's mémoire is published at the end of: Olivier Lefèbvre d'Ormesson, Journal. Ed. by Adolphe Chéruel. 2 Vols. Paris 1860-1861, Vol. 2, 746-758: „Je dirai seulement que, s'il n'a jamais eu dessein de la faire, il a esté très-malhabile de ne pas connoistre qu'elle seule pourroit affermir son establissement dans l'Estat. S'il avoit résolu de la faire, faut il pas avouer que c'est le plus présomptueux et le plus incapable de tous les hommes par les voyes dont il s'est servi? ... On ne peut excuser la faute qui a esté faite d'avoir receu Messieurs des Estats pour médiateurs de nostre traité entre nous et les Espagnols". Lettres de Messieurs d'Avaux et Servien, ambassadeurs pour le Roy de France en Allemagne, concernantes leurs différents & leurs responses de part & d'autre en l'Année 1644. S.l. [1650],
Sonnino, Prelude to the Fronde
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previously disdained. Yet he professed to be very satisfied with this achievement. Does this mean that in his later life he had changed his views and had become converted to the idea of working within the system of Europe? It is very difficult to say, but one thing is certain: Even if Mazarin had concluded from the negotiations at Westphalia, that it was wiser to work within the system of Europe, his young student Louis XIV had not. 27 )
27
) For the preservation of the negotiations, see Colbert to Mazarin, June 6, 1656: BN, Ms. Baluze 176, fol. 216 (published in Pierre Clément [Ed.], Lettres, Instructions et Mémoires de Colbert. 8 Vols. Paris 1861-1882, Vol. 1, 242); Colbert to Mazarin, June 14, 1657, and Mazarin's reply of June 17: BN, Ms. Baluze 176, fol. 304—305, which discusses collecting missing pieces of the negotiation from Servien, and Colbert to Mazarin, June 22, 1657, and Mazarin to Colbert, June 25, 1657: ibid. fol. 308-309 (published in Chéruel, Lettres [note 12], Vol. 7, 528-533).
The Peace Treaties of Westphalia and the French Domestic Crisis By
Lucien Bély
The interaction of international and domestic affairs in France was quite obvious once the kingdom became involved in the European war, especially after its official entrance in 1635. As a consequence, the fiscal burden was heavy for the French people.1) This situation explains the popular riots at the end of the thirties.2) The Fronde in 1648 also had fiscal roots, after Mazarin tried to compel the city of Paris, which enjoyed great privileges, to shoulder its share of the tax burden.3) The parlement de Paris, as other parlements in the provinces, were considered protectors of the subjects against the financial auxiliaries of royal power, the traitants and partisans. But the Fronde can also be analysed as a trial for the new type of monarchy that appeared in France in the seventeenth century, „administrative" or „absolute" monarchy. French historiography dwells on this domestic aspect especially and often neglects the international context. And the main sources which have been used are memoirs and mazarinades, those libels against Mazarin, which were numerous.4) Yet it may be useful to consider Mazarin's own correspondence, to analyse the official point of view, but also the intimate reactions of the main target of the Fronde. For during the year 1648, the prime minister lost in the political conflict in France, but, at the same time managed to prepare a favourable peace in Münster and Osnabrück. I will examine the links between domestic affairs and ') Richard Bonney, The King's Debts. Finances and Politics in France, 1589-1661. Oxford 1981; Françoise Bayard, Le monde des financiers au XVIIe siècle. Paris 1988. 2 ) Yves-Marie Bercé, Histoire des croquants. Etude des soulèvements populaires au XVIIe siècle dans le sud-ouest de la France. Paris 1974; idem. Révoltes et révolutions dans l'Europe moderne, XVIe-XVIIIe siècles. Paris 1980; Madeleine Foisil, La révolte des Nu-Pieds et les révoltes normandes de 1639. Paris 1970; Roland Mousnier, Fureurs paysannes. Les paysans dans les révoltes du XVIIe siècle. Paris 1967; René Pillorget, Les mouvements insurrectionnels de Provence entre 1596 et 1715. Paris 1975. 3 ) Emst Kossmann, La Fronde. Leiden 1954; Robert J. Knecht, The Fronde. London 1975; Hubert Méthivier, La Fronde. Paris 1984; Roland Mousnier, Quelques raisons de la Fronde. Les causes des journées révolutionnaires de 1648, in: XVIIe siècle 2, 1949, 33-78 (also in: idem, La plume, la faucille et le marteau. Paris 1970, 265-300); Michel Pemot, La Fronde. Paris 1994. 4 ) Hubert Carrier, La presse de la Fronde (1648-1653): les mazarinades. Vol. 1: La conquête de l'opinion. Genève 1989; Vol. 2: Les hommes du livre. Genève 1991; Christian Jouhaud, Mazarinades: la Fronde des mots. Paris 1985.
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
the international situation, and I will also try to reintroduce this international dimension in the analysis of the Fronde in 1648. Finally I want to emphasize this relationship between domestic and foreign affairs, which was one of the main concerns of the monarchy and which played an important role in the political ideas and theories in France. 5 ) It is clear that Mazarin had the negotiations in Westphalia constantly in mind when he was negotiating with the magistrates of the Paris courts. Yet Mazarin was not familiar with the traditions and the psychology of the gens de robe, that is the magistrates, and he was absorbed by the international peace negotiations. Thus he did not respond appropriately to the grievances of the royal officers. The Roman cardinal had been chosen by Louis XIII and Richelieu because his knowledge of European affairs was remarkable and because his links with many Italian princes or prelates could help him implement the political, military and diplomatic strategies employed since 1630. He had not been chosen for his ability to understand French society.6)
I. The Possible International Consequences of the Domestic Division After the political struggle in the spring of 1648, a letter, signed by the king, was sent to Servien, the French negotiator, at the end of July. The parlement now seemed to have been placated and the resolution of the conflict could be accelerated. It was asserted that the king preferred a conciliatory attitude, „les voyes de douceur", since a firm attitude, showing the royal indignation, would have dried up all the sources of income „en un Instant et sans ressource tous les moyens d'avoir de l'argent". And the conclusion was clear: Spain would be the sole beneficiary from such political squabbling: „.. .l'Espagne seule en aurait profité". 7 ) On 3 August 1648, Servien wrote to the king and showed how much he was puzzled about the link between Mazarin's enemies in France and the enemies of France in Europe. He could not understand who had been able to inform the enemies, six months before, about the possible conflicts in France: „Je ne puis comprendre qui avoit peu avertir les Ennemis, il y a plus de six mois, que ces divisions arriveraient". The negotiator thought that the members of the parlement might be useful allies for the enemies of Louis 5
) Lucien Bély, Les relations internationales en Europe XVIe-XVIIIe siècles. Paris 1992. ) Richard Bonney, Political Change in France under Richelieu and Mazarin, 1624-1661. Oxford 1978; Georges Dethan, Mazarin. Un homme de paix à l'âge baroque 1602-1661. Paris 1981; Pierre Goubert, Mazarin. Paris 1990; Madeleine Laurain-Portemer, Etudes mazarines. Vol. 1. Paris 1981. Vol. 2. Paris 1997; eadem. Questions européennes et diplomatie mazarine, in: XVIIe siècle 42, 1990, 17-55; Mazarin. Homme d'Etat et collectionneur 1602-1661. Exposition pour le troisième centenaire de sa mort. Paris 1961. 7 ) „Mémoire du Roi au sieur S.r Servien du 24 juillet 1648": Archives du Ministère des Affaires étrangères, Paris (AAE), Corr. pol. (CP), Allemagne 114, fol. 80v. 6
Bély, The Peace Treaties of Westphalia
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XIV: „Messieurs du Parlement doivent bien prendre garde qu'il n'y ait des personnes dans Paris qui se servent de leur Zèle, pour les porter aux deliberations qui se font, affin de ruyner contre l'Intention des gens de bien les affaires de Sa Ma t é ". But he thought that nobody in this assembly could be an enemy of the State. However, he wanted to warn them and at the same time frighten them: as political opponents, they could become traitors, even if he recognized that they may have been deceived into doing this: „Je croy bien qu'il n'y a personne dans cette grande compagnie, qui ayt dessein de nuyre a l'Estat". For him, the sign of this possible treason was the change in the negotiations: „Mais s'ils sçavoient le notable changement que nous remarquons depuis ces mouvemens, dans l'Esprit de nos Allies et les dangereuses resolutions que cela leur peut faire prendre, ils avoueraient eux mesme qu'on ne pouvoit Jamais rendre un plus favorable service a l'Ennemy, ny rien faire qui fut plus capable d'esloigner la paix". The rivals of Mazarin, the royal officers and the people of Paris were presented as accomplices in the crime against the king, and their actions were portrayed as impediments to the conclusion of the peace. And he described the extreme consequences of such an attitude which must lead to disastrous concessions. Peace did not depend on the French will alone: „Car il faut recognoistre qu'elle ne depend pas de nous seuls". The king might be obliged to renounce his conquests to achieve peace, and this might even promote a Spanish invasion of the kingdom: „et que quand nous aurions rendu honteusement a l'ennemy toutes les conquestes qui ont esté faites sur luy, pendant cette guerre, Cela ne luy donneroit que plus de facilité de tirer avantage de nos divisions, et de porter la guerre dans le coeur du Royaume, au lieu que nous la faisons aujourd'huy glorieusement par tous ses Estats, et la pourrions faire de mesme sy nous n'y apportions pas nous mesmes des obstacles".8) The diplomat wanted to show that political divisions would compel France to make diplomatic concessions and that such concessions would lead to a military disaster. The French themselves would be responsible for such a defeat, and for a possible invasion of the country. According to Servien, this political turmoil was much talked about abroad, and might well have international repercussions. This analysis seemed obvious to Servien who was, like Mazarin, more sensitive to international.affairs than to domestic ones. He also wanted to stress the relationship between the two types of affairs, a permanent temptation in European diplomacy. In France, the wars of religion had shown that the European princes could exploit the domestic conflicts in France to intervene with their money, their soldiers or their ambassadors in the land's affairs. In England, in the days of Elizabeth I, conspiracies also had foreign roots and sponsors, and those examples remained present in the political thinking of the second quarter of the seventeenth century: the papers of the Dupuy
8)
„Mémoire de M r Servien au Roi du 3 aoust 1648": ibid. fol. 91 v -92 r .
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Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
brothers show a tendency to dwell on such old affairs.9) As Servien was far away from Paris, this letter tried to place French affairs and their international consequences in the broader context of the European negotiations. It was also a way to test, for a faithful collaborator, ideas or arguments which could be used later in political debates or in conversations with grandees for example.10) In the letters he sent abroad, Mazarin gave his own interpretation of the domestic situation. This Machiavellian point of view has rarely been noticed. Some of the domestic disorders were due to the financial politics of the superintendant Particelli d'Hémery. Mazarin tried to use the turmoil for his own international politics. In a letter to Chanut (dated 31 July 1648), he revealed his hidden motivations. The opposition of the parlements to the taxes frightened the traitants and partisans - the main instruments of the French financial system, so well analysed by Richard Bonney, Françoise Bayard and Daniel Dessert. They would accept delays for their assignations and their remboursement, since the levy of taxes would reimburse their own advances, and they would be satisfied „parce qu'ils aprehendoient pis", for they feared something worse - perhaps trials. And so they would give to the king the financial means to continue the war against Spain by insuring „un fonds certain pour la continuation de la guerre tout autant de temps que l'opiniastreté des Espagnols nous forcera de la faire". 11 ) Such an interpretation shows how the cardinal tried to change a failure into a success. This would be useful for his own political position, and it would transform the impression that the allies - namely Sweden - had of the events in France. The same idea appeared in a letter sent by Mazarin to his brother, the cardinal of Santa Cecilia, on 2 August 1648: he 9
) Lucien Bély, La place de l'étranger dans les conspirations, in: Yves-Marie Bercé/Elena Fasano Guarini (Eds.), Complots et conjurations dans l'Europe moderne. Roma 1996,393410. 10 ) About Servien: Louis Bassette, Abel Servien et Hugues de Lionne. Grenoble 1952; Daniel Dessert, Fortune politique et politique de la fortune: à propos de la succession du surintendant Abel Servien, in: La France d'Ancien Régime: Etudes réunies en l'honneur de Pierre Goubert. Paris 1984, 207-214; Carl J. Ekberg, Abel Servien, Cardinal Mazarin and the Formulation of French Foreign Policy, 1653-1659, in: The International History Review 3,1981,317-329; Anne-Marie Enaux-Moret, Abel Servien. Négociateur des traités de Westphalie. Du Parlement de Grenoble à la surintendance des finances. 1593-1659. Thèse de l'Ecole des Chartes. Paris 1968; A. Helly, Deux diplomates dauphinois au XVIIe siècle, in: Bulletin de l'Académie delphinale, 5e série, 13, 1922, 159-182; 14, 1923, 301-341; René Kerviler, Abel Servien, négociateur des traités de Westphalie, l'un des quarante fondateurs de l'Académie française. Le Mans 1877; Robert Lavollée, Un collaborateur de Richelieu: Abel Servien (15917-1636), in: Positions des thèses de l'Ecole des Chartes. Toulouse 1902, 70-71. Some information can also be found in Jérôme Cras, Hugues de Lionne (1611-1671). Thèse de l'Ecole des Chartes. Paris 1995. " ) Mazarin to Chanut, French envoy in Sweden, 31 July 1648, in: Adolphe Chéruel (Ed.), Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère. Vol. 3: Janvier 1648 - décembre 1650. Paris 1883, 159-160.
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wrote ,,confidentemte": ,,ho' lasciato correre il disgusto del Parlam'0. con Li tratta(n)ti". So Mazarin's letters showed his desire to find a balance between the partisans and the royal courts even though he was accused by his opponents of being the supporter of all „maltôtiers". His only care was to give France the means to continue the war, for many years, since Spain obstinately refused the peace „dar modo alla Francia di continuar La Guerra molt anni". He nevertheless was aware that the situation was very delicate, „in congiunture tanto delicate". He asserted his desire to give peace to the Christian world, to work „al riposo della Christianità". He especially wanted to show the enemy, that is the Spaniards, that the treaty with the United Provinces did not give them the ability to dictate European affairs, that they could not hope for the French realm to be divided „che non deveno sperare divisione nel Regno" and that France would have the ways and means to continue the war.12) The prime minister tried to convince those around him that only Spain was eager to prolong the conflict and that he himself favoured peace. But he was also eager to demonstrate that, while the domestic divisions did weaken the country, paradoxically this might improve the financial situation of the king. On the same day, he wrote to the duke of Modena and repeated these same arguments: the disorders would create a new order, and in financial terms, without breaking the king's promises, it would then be possible to find new means for the war.13) In a long letter to Servien (14 August 1648), Mazarin described his own paradoxical situation in France. He asserted once more his will to conclude the peace - that his „passion" for peace had never been so strong - , but he thought that the State would perhaps not need to do so too soon. First he underlined the unity in the royal family: in Richelieu's days the division in this family had been one of the weaknesses of the kingdom, the reason behind many conspiracies, especially those of Gaston d'Orléans. The cardinal also insisted on France's favorable international situation:, Jamais nos affaires ne furent dans un Estât plus riant, et qui nous deut fair esperer de remporter plus d'avantages sur nos ennemis, s'ils s'opiniastrent a vouloir continuer la guerre, ou de meilleures conditions pour cette Couronne s'ils se resolvent a la paix". Either the peace would be signed and the king would benefit from it, or the war would continue, and the armies could make new gains. Indeed, at the same time he was preparing an attack on the kingdom of Naples - as a letter to Prince Tho12) Mazarin to the cardinal of Santa Cecilia, 2 August 1648: Folger Library, Washington, W.b.132, Vol. 117, fol. 76 r -78 v . I read these letters first in this library - 1 thank Ms Laetitia Yeandle for her help. Another copy of Mazarin's Italian letters is located in the Archives of the Ministère des Affaires étrangères, Paris. For this quotation, see ibid. Mémoires et documents France 263, fol. 47 v -50 v . 13 ) Mazarin to the duke of Modena, 2 August 1648 : Folger Library, Washington, W.b. 132, Vol. 117, fol. 86v—91v.
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mas of Savoy proves. But the prime minister was obliged to compare this encouraging situation outside with the dismal situation inside: „Mais certes Je voy et je pleure avec des larmes de sang, qu'en mesme temps que le dehors nous paroist si beau, le dedans est extraordinairement gasté". The opponents of the government were doing „par une fatalité deplorable" the evil that France's enemies had not managed to do. The prime minister gave a pessimistic description of French society, of its general corruption: „11 n'y a presque partie de nostre corps qui ne se corrompe chaque Jour; quelqu'un parmi les grands qui croiroient estre plus considéréz et fair mieux leurs affaires, sy elles estoient troublées, connive desia sous main en cette disposition, et pense cependant pouvoir se servir de la coniunctur pour tout demander, et tout pretendre". That was the first accusation - one directed against the grandees of the realm. Then came the accusation against the parlement of Paris as setting a bad example for those of the provinces - , then against the other jurisdictions which „osent aussi faire les singes des autres", and dare to ape these other authorities. Everywhere, the catch-word was disobedience and the victims of this agitation were the farmers of the king, those who were gathering money for him. The hope of not paying taxes was spreading among the French people. For Mazarin, violence was the only possible result of such aspirations. The ill-intentioned, les „mal affectionnés", were numerous whereas the „bien Intentionnez" were few and quite impotent. After this picture of the political situation, Mazarin described his own personal position in relation to his rivals and opponents: those who were enemies of the State or those who hated him. First he insisted on his work - „.. .ie me tuë, travaillant sans cesse nuict et Jour, pour la grandeur de cette Couronne, et pour le bonheur particulier de chaque françois". Indeed his vast correspondence, partly published, often copied, shows his wish to be informed of all the events in France and in Europe, to be aware of the situation and to be able to react at once. And he asserted that his opponents could not criticize him for his own social position in France: „.. .comme ils voyent que Je n'ay ny places, ny charges, ny gouvernements, ny Duchés, ny terres, ny establissemens, dont j'aye profité...". That was an interesting defense since one of the main themes in the attacks against him later would be his own greed. From his perspective, his position was not at all secure since he did not get from the king a permanent estate with charges, jurisdictions or land. His family was of no help to him and had not turned his situation to their own advantage: he had ,,ny pas un parent enrichy depuix dix huict ans que Je serts la France & six que Je suis au poste de premier Ministre, tous mes proches vivans a Rome comme ils faisoient II y a quarante ans". That was the common view of the social position of a statesman who relied on a large family. This letter also showed the cardinal's confidence in Servien: he was writing to a friend „comme a un de mes meilleurs amis sans tenir ce discours a qui que ce soit". For him such a disinter-
Bély, The Peace Treaties of Westphalia
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ested attitude should be approved and applauded after his own death: „esperant que cette conduitte pourra bien meriter quelque aplaudissement après ma mort". This also would be a good lesson for the future. Mazarin considered that he would be obliged to change his way of life and that Servien would advise in favour of such a change: „.. .mais peut estre que Je seray obligé et que vous me le conseilleréz le premier a la changer et a n'avoir pas tousiours recours a mes devoirs puisqu'il semble que le service mesme du Roy le requiert ainsy".14) In fact, in a Mémoire of the 24th of August, Servien thanked the cardinal for his confidence and wrote that all Mazarin's faithful friends, all his „serviteurs", would advise him to accept some rewards: „.. .tous ses serviteurs luy conseilleront de bon coeur, et avec raison, de fair cesser ce reproche & ne différer pas plus longtemps de recevoir en charges et en gouvernemens les recompenses que meritent les grands et incomparables services qu'elle a rendu à l'Estat, affin de se mettre a couvert de ses envieux et de leur calomnie".15) Mazarin also described the accusation levelled at him of exporting wealth outside the kingdom: „Comme ils voyent / desia/qu'ils ne peuvent pas me prendre par cet endroict Ils ont la malice de semer dans le peuple que J'ay amassé des trésors, et les ay envoyés en Italie pendant qu'en effect et sans exagération J'emprunte tous les Jours, pour avoir moyen de vivre, et de fair subsister ma maison". And Mazarin would insist later that the presents for the foreign diplomats in Münster and Osnabrück were paid for by himself. And he would also ponder the ways to create some gratefulness among the diplomats in Münster. Servien would be free to grant some presents in money or plate, which should be proportionate to the services rendered. Indeed the main charge against Mazarin was that he was a foreigner. „II n'est d'ailleurs meschanceté, dont ils ne s'avisent pour me rendre odieux aux peuples, qui se laissent aisément abuser ne penetrans pas plus avant que l'escorce, et sur tout m'attaquent principalement sur ma qualité / d'/estranger, mais pleut a Dieu que tous les françois eussent la mesme passion que moy, pour le bien de cet estât".16) Again later, in his notebooks, the Carnets, Mazarin claimed that his 14 ) „Memoire de Son Em. ce a Mons r Servien du 14 aoust 1648": AAE, CP (note 7), Allemagne 114, fol. 125r-126r. This text can be found in Chéruel, Lettres (note 11), 173-181. A letter to the Prince Thomas of Savoy and to du Plessis-Besançon about the military operations in Italy (15 August 1648) is analysed by Cheruel, ibid. 1051. 15 ) „Mem re de M. Servien à Monseigneur le Cardinal [Mazarin, L.B.] du 24 aoust 1648": AAE, CP (note 7), Allemagne 114, fol. 140. About the link between a statesman and his „serviteurs", see Yves Durand (Ed.), Clientèles et fidélités en Europe à l'époque moderne. Paris 1981; Charles Giry-Deloison/Roger Mettam (Eds.), Patronages et clientélismes 1550-1750: France, Angleterre, Espagne, Italie. Villeneuve d'Ascq/London 1995. 16 ) „Memoire de Son Em. ce a Monsr Servien du 14 aoust 1648": AAE, CP (note 7), Allemagne 114, fol. 126r/v. On the status of foreigners in France, see Jean-François Dubost, Etrangers en France, in: Lucien Bély (Ed.), Dictionnaire de l'Ancien Régime. Paris 1996, 518-522; Charlotte C. Wells, The Language of Citizenship in Early Modern France: Implications of the droit d'aubaine. Indiana 1992. On the presents for the diplomats, see in the
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most violent opponents wanted to compel the Queen Mother to enforce a decree which had been pronounced against foreigners at the time when Concini was killed, „.. .de faire instance à la Reine de l'exécution d'un arrêt donné, lorsque le maréchal d'Ancre fut exécuté, par lequel les estrangers étoient, etc.".17) And this „et cetera" is significant. He would indicate that his opponents tried to use a decree which prohibited any foreigner from participating in State affairs or even enjoying ecclesiastical benefits in France. Mazarin could justifiably fear suffering the same fate as Concini - a shameful death. This death had also been Richelieu's greatest fear ever since this cardinal had witnessed popular anger. Indeed this decree was renewed against Mazarin and discussed on the 22nd and 23rd of September. Maybe Mazarin hoped to prevent such an accusation, such a condemnation, by accusing and condemning before his own opponents did. He considered the French situation as a wonder, a miracle, but he was not sure that this miracle could last: „Enfin c'est une espece de miracle comme parmy tant d'obstacles que nous mesme nous formons, les affaires peuvent aller et avec la prospérité qu'elles font; mais la prudence ne permet pas ainsy qu'on se confie entièrement, que ce miracle puisse durer long temps...". He was especially puzzled about the financial situation: „... tout le crédit est a sec, les sources d'argent sont taries, et toutes les bources fermées". But this analysis was still optimistic: „Ce n'est pas que les choses soient gastées a un poinct qu'elles ne puissent être redressées en un Instant...". For Mazarin, „La fin de tout ce discours est pour vous fair veoir la nécessité que nous avons d'avoir la paix au plustot et que pour y parvenir, pourveu que les choses solides et essentielles soient bien establies, Il ne faudra pas désormais prendre garde de si prés aux autres. Ce n'est pas comme J'ay dit les Ennemis qui me font peine: Car il me semble qu'on pourrait facilem'. les reduir en plus mauvais Estât qu'ils n'ont jamais esté, et peut estre tel qu'ils ne s'en releveroient Jamais; mais ce sont les françois mesme qui me donnent aprehensión, estant ce semble lasses de leurs prospérités, et se conduisans en sorte qu'il paroist qu'ils veulent le desordre a quelque prix que ce soit. Ainsy il se peut dir que le Roy aura l'obligation au parlement qui a donné le branle a tous ces mouvemens des desavantages que Sa Maiesté aura dans la paix, si on est
same Mazarin's letter, fol. 129v, andalsoon21 August 1648, fol. 168: „Car par exemple s'il faut faire un present de cinq cens Escus a un Député, vous pourrez prendre une esguiere, & un bassin de cette valeur, à un autre quatre chandeliers & ainsy selon que vous adviserez, et que chacun meritera par ses services, ou par ceux qu'il promettra de rendre. Il m'a semblé qu'il estoit plus de la dignité du Roy de donner de ces sortes de presens que de l'argent, que quelques uns mesme pourroient faire difficulté de recevoir. Il y a des croix de Diamans qu'on pourra donner à des Catholiques". 17 ) Adolphe Chéruel, Les Carnets de Mazarin pendant la Fronde (septembre-octobre 1648), in: RH 2, 1877, 103-138.
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contrainct de relascher les choses qu'on auroit obtenues si chacun estoit demeuré dans son devoir". 18 ) Mazarin was well informed about the attitude of the provincial parlements, and he tried to smother any signs of independence and to provide the heads of those assemblies with arguments, especially the premiers présidents. For example he wrote on 25 August 1648 to the premier président of the parlement of Bordeaux that he was surprised by the attitude of the assembly towards the levying of taxes. He could not understand how a „corps si célébré et remply de personnes si sages et si zelées pour le bien de l'estât" intended to change the tax system, that is the farming of the taxes, which had been established for twelve years. This ambition seemed dangerous according to the „nécessitez de la guerre". Mazarin asserted that the king had agreed to lighten the burden by granting his subjects large tax cuts, some „descharges". He urged the parlement to consider the resentment, „ressentimens", and anger of the Queen Mother and of the king, since such an enterprise could threaten the royal authority. In view of this argumentation, this was a veiled threat. The main thing for Mazarin was to compel the enemy to sign a treaty, „une paix seure honeste et glorieuse pour cette Couronne", and the success of the French armies gave reason to hope for peace in this very year ,,au point qu'est avancé la négociation a l'assemblée générale". 19 ) Such a letter was designed to provide the premier président with political arguments and those arguments were international ones. On 24 August, he wrote that it was true that there had been some „esmotion pendant deux ou trois jours que des personnes mal Intentionnés avaient excités par leurs artifices", but at that time he was satisfied: „Dieu mercy ils se sont desabusez". The idea of a conspiracy was natural in a context where they were frequent. But at the same time, the cardinal admitted that he had been very busy with this little domestic war, this „petite guerre domestique". 20 ) In a Mémoire for the king (10 August 1648), Servien had explained that Sweden wanted to sign the treaty with the Emperor and the princes of the Holy Empire, and that a declaration had been signed to show that the peace with
18 ) „Mémoire de Son Em. ce a Mons r Servien du 14 aoust 1648": AAE, CP (note 7), Allemagne 114, fol. 126 v -127 r . 19 ) Mazarin to the premier président of the parlement of Bordeaux: AAE (note 7), Mémoires et documents France 264, Lettres françaises du cardinal Mazarin à divers, fol. 167v, 25 August 1648. 20 ) Mazarin to M. des Roches Baritaut: ibid. fol. 166v, 24 August 1648. In the „Historiettes" written by Tallemant des Réaux, we can see that a man called des Roches-Baritaut „de la maison de Chateaubriant" was „lieutenant de roi de Poitou" (Tallemant des Réaux, Historiettes. Ed. by Antoine Adam. Vol. 2. Paris 1961). Mazarin, in the letter, wrote that he was „fasché d'apprendre ce qui vous est arrivé a Niort et a quel point les desordres s'augmentent dans le Poitou". According to Chéruel, Mazarin's correspondent was Gabriel de Châteaubriant, seigneur des Roches-Baritaut, lieutenant de roi en Poitou (d. 1653).
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France was also quite certain, all considering „tous fort bien de ne pouvoir establir un repos asseuré dans l'empire que la france ne fut contente aussy bien que la Suede". As a proof of this good will, „on se donna parolle de part et d'autre, en touchant dans la main selon la coustume du pays, que tout ce qui estoit dans ce traitté demeureroit ferme et stable, sans qu'on y peut apporter aucun changement, quelque succès qui peust arriver dans les armes, pour avoir son effect et estre signé, lorsque le traitté de la france seroit en estât d'estre signé". 21 ) This custom of touching each other's hand is a convincing detail. And Servien also added a personal comment. This Swedish and Imperial promise would have domestic implications, namely that everybody in France would do his duty and obey the king. Servien declared finally: „.. .cela estant la paix de l'Empire que les Espagnols ont tant apprehendée ne peut faillir. . ,". 22 ) For Mazarin, in August this meant that the peace must be signed. And once again it underlined a link between the domestic opponents and the Spaniards who were said to fear a separate peace. This definite separation between the two branches of the Habsburg family was a remarkable success for the cardinal, since the entire Thirty Years' War had been based on this familial alliance between Madrid and Vienna. 23 ) The Condé victory in Lens was the second cause of satisfaction for Mazarin: a military success after a diplomatic one. At once he informed Servien, introducing the idea of a „crisis" in the negotiations. The word „crisis" had not at all the same meaning as nowadays. It meant that now was the time for a decision, either peace or war, just as in the sense of an illness, where either life or death might follow a crisis. He had just received the news from Arras that Monsieur le Prince had won a battle against the Archduke and he sent the letter „affin que dans la conioncture presente, qui est la crise de la négociation, vous soyéz Informé le plustost qu'il sera possible d'un evenement si important & qui peut avoir tant de suittes en toutes façons". 24 ) On the 24th of August, Mazarin expressed his joy about this victory, writing to his brother. His satisfaction was based on the military situation. The cardinal of Santa Cecilia could imagine how important this success was for domestic and foreign affairs, for „gli affari di dentro e di fuori del Regno", and we discover once more this parallel or this political dialectic. This success was important „in questi tempi et in questa congiunture". This battle had taken place in the middle of the campaign: so there was time enough and an opportunity to progress in Flanders „qualche progresso considerabile in fiandra", because the enemies had lost all their best infantry, and especially the Duke of 21)
„Mémoire de M. Servien pour le Roy du X e Aoust 1648": A A E , CP (note 7), Allemagne 114, fol. 96r. 2 2 ) Ibid. fol. 99r. 23) Jean Bérenger, Histoire de l'Empire des Habsbourg 1273-1918. Paris 1990. 2 4 ) Mazarin to Servien, 21 August 1648: A A E , CP (note 7), Allemagne 114, fol. 176r/v.
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Lorraine's. The French army was indeed „intiero e vittorioso". The domestic events in fact would postpone the achievement of such progress. Mazarin wrote that he could answer his opponents who maintained that he did not want peace, since he would declare to the nuncio in Miinster that all the French proposals, presented before the return of the duke of Longueville, were still valid in spite of the military change. 25 ) Such a declaration perhaps meant that the prime minister intended to take advantage of the victory in domestic affairs to improve the political and financial situation of the monarchy. And Mazarin was in the same situation as was Richelieu in 1630, when the king had had to choose between involvement in the European wars and the reformation of the kingdom. This crisis in the negotiation also explained Mazarin's own attitude. He succeeded in hiding his secret purposes and deceived his interlocutors such as Paul de Gondi: the coadjutor of the archbishop of Paris reveals in his Mémoires that he trusted Mazarin's words, that he would not use this victory to oppress his ennemies. 26 ) In fact the Te Deum for this victory was also the occasion used to display guards in the city and arrest the leaders of the parlement. This decision was a „coup de majesté". 27 ) The king was entitled to punish one of his subjects without following the usual proceedings of royal justice: Henri III got rid of the duke of Guise and Louis XIII of Concini, his mother's favourite. But Mazarin was not the king, and a regency was not an opportune time for such a political „coup". The old Broussel - always called Bruxelles by Mazarin - was very popular due to his modest way of life and his frequent criticism of taxes. Mazarin's decisions provoked a revolt in Paris, the three days of turmoil: for the second time in French history, the streets were blocked by „barricades". Just as the turmoil shocked Paris, Mazarin tried, on 28 August, to test the loyalty of the duke of Epernon, governor of Guyenne, who was very hostile to the parlement just as his father used to be - that famous archminion of Henri III. Mazarin had reason to be afraid since, some days before, he had refused the duke the right to pass on to his son, „en survivance", his position as general colonel of the infantry - one of the most important Crown Offices, giving the duke the responsibility to recruit all foot-soldiers. Mazarin wanted to thank Epernon for his firm stance towards the parlement of Bordeaux. The cardinal stressed the will of the king to relieve the burden of his people and to grant them some relief - le „soulagem 1 du peuple". But more concessions would 25 ) Mazarin to the cardinal of Santa Cecilia, 24 August 1648: Folger Library, Washington, W.b.132, Vol. 117, fol. 136v. This letter is also located: AAE (note 7), Mémoires et documents France 263, fol. 137v—140. Mazarin's brother died on 31 August 1648. 26 ) Cardinal de Retz, Mémoires. Ed. by Maurice Allem/Edith Thomas. Paris 1956, 86. 27 ) Yves-Marie Bercé, Les coups de majesté des rois de France, 1588,1617, 1661, in: idem/ Elena Fasano Guarini (Eds.), Complots (note 9), 491-505.
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weaken the monarchy: „Leurs Majestés" would be „hors d'estat de plus soustenir les despenses de la guerre si l'opiniastreté de nos Ennemis nous force encore a la continuer quelque temps". 28 ) The international situation was presented as a political argument to support the main representatives of the royal power in the provinces. It is clear also that the prime minister tried to convince the country that the revolt in Paris was immaterial. Again, in the letter to the duke of Epernon, Mazarin wanted to inform without creating trouble: „Nous avons eu ces deux Jours cy un peu de trouble en quelques quartiers de cette Ville après la resolution que S.M. avoit esté obligée de prendre envers deux ou trois personnes du parlement qui se rendaient promoteurs de tous les mauvais avis.. ,".29) This is at the same time a justification of the royal decision, that is Mazarin's, and an incrimination of two or three members of the parlement of Paris who were accused of „mauvais avis", or spreading progaganda and misinformation. In 1649, the duke of Epernon would create a „bureau de presse"30), a news-office, according to Hubert Carrier's phrase, to print his decrees and some pamphlets against the Frondeurs in Bordeaux. Mazarin tried to give his own version of the events. For example in a supplement to a letter on 28 August 1648, it is stated: „Nous avons eu ces Jours passez Une petite guerre en cette ville...". This little war was linked with the audacious schemings of the parlement: „Sa Majesté ne pouvant souffrir cette entreprise sur son authorité résolut de faire arrester le president de Blancmesnil et le sieur de Bruxelles qui estoient tousiours les principaux autheurs des mauvais avis...". The prime minister showed that the magistrates came to the Palais-Royal to make supplications to the Queen and that they used the riot in the town as an argument: „Tout ce que le parlement pût dire de l'esmeute qui s'estoit faite par le bas peuple au quartier du palais et en quelques autres ne fut pas capable de faire changer de resolution a S.M...". Then they talked, changed their minds, promised not to assemble and asked for the liberation of their colleagues. „Dans ce temps là il s'estoit fait esmotion au quartier du palais et du pont nostre dame, on avoit fermé les boutiques, tendu les chaisnes, et fait mesme des baricades en quelque endroicts, Il est vray que cestoit les marchands et les bourgeois pour la crainte qu'ils avoient d'estre pillez par les vagabons et le bas peuple, aussy comme c'estoit plustost par precaution et pour leur Interest propre que po. faire aucun mal...". This social analysis is interesting: it emphasizes the fear of the merchants and the bourgeois, when confronted by the tramps and of the vulgum pecus, „le bas peuple". Mazarin saw the Fronde as a social revolt, not as a political one. He wanted to frighten the Parisian bourgeoisie, the rentiers who were in fact the 28
) Mazarin to the due d'Epemon, 28 August 1648: AAE (note 7), Mémoires et documents France 264, Lettres françaises du cardinal Mazarin à divers, fol. 169r/v. » ) ibid. fol. 169 v -170 r . 30 ) Carrier, Presse (note 4).
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supporters of the parlement against the government. Mazarin also wanted to minimize the trouble: „... tout a cessé en un Instant aujourd'huy et dez midy il ny a plus ny boutique fermée, ny baricade, ny chaisne tendue, et toutes choses sont au mesme estât qu'elles estoient avant l'esmeute sans aucune difference". 31 ) Such an account was also an attempt to state an official point of view. Broussel had become a hero after the barricades, as Roland Mousnier has shown. And in his own Carnets, Mazarin wrote that the ennemies drank to Broussel's health „qui les a, avec grande usure, reparés / de / la perte de la bataille de Lens". 32 ) The cardinal thought that Broussel and the parlement were looking for the support of public opinion, but, according to Mazarin „il n'y a rien de plus court et de plus incertain que l'affection de cette bête à plusieurs têtes". This multi-headed beast would attack Broussel and the parlement if the king decided to punish his people for providing aid to the rebels - at least if the king left Paris. The letters signed by the king and sent to Servien also emphasized the calm in France after the turmoil. On 4 September, the sovereign considered that the news about the victory of Lens had arrived in Westphalia at a time of crisis for the negotiations, „dans une conioncture de crise pour nos interrestz", and must have contributed to impressing the general assembly and facilitating the imposition of French demands, „toutes nos pretentions dont les questions s'agitoient". As for the riot, „la petite esmeutte qu'il y eut dernièrement en cette ville", it must have been described by the Spaniards as an important event, „que les Espagnols auront sans doute relevee comme une chose de grande consideration". According to the king's letter, it was only a flash in the pan, a „feu de paille aussitost Esteint qu'alumé" 33 ) and the same phrase appears in Mazarin's letters, for example to the princess of Phalsbourg34). Nothing remained of the uprising, only sorrow and pity for the actors in this event. But all would be reconciled thanks to royal magnanimity „par les marques de confiance"35),
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) Mazarin to Brasset, 28 August 1648: AAE (note 7), Mémoires et documents France 264, Lettres françaises du cardinal Mazarin à divers, fol. 171 r -172 r . Brasset was the french resident in The Hague. 32 ) Chéruel, Carnets (note 17), 126. 33 ) „Mémoire du Roy [Louis XIV, L.B.] au sieur Servien", sent by Loménie, 4 September 1648: AAE, CP (note 7), Allemagne 114, fol. 209 v . 34 ) AAE (note 7), Mémoires et documents France 264, Lettres françaises du cardinal Mazarin à divers, fol. 175r/v: „sur le petit desordre qui arriva Icy dernièrement, ca este un feu de paille aussy tost estient qu'allumé, et dont il ne reste plus aucun vestige que dans la repentance et l'estonnement de ceux qui y ont eu quelque part. Si les Ennemis de cette Couronne font grand fondement sur les suites de cette affaire, aussy bien que sur les offices que la Duchesse de Chevreuse et S. Ibar n'auront pas manqué de faire très grandes au au secrétaire Galareta a leur conference de Spa, il leur en arrivera comme par le passé quand ils ont reculé la paix sur de semblables esperances, ce qui na servi qu'a mettre de plus en plus leurs affaires en mauvais estât". 35 ) Louis XIV à Servien, 4 September 1648.
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and any resentment would quickly fade. One week later (11 September 1648), the king dictated Servien's own words: „car pour les divisions // dans ce Royaume et le desordre qui arriva dernièrement en cette Ville, que l'on ne doubte pas que les Ennemis ne relevent fort. Il sera aise au Sieur Servien de faire remarquer a un chacun qu'outre que ce n'a esté qu'un feu de paille, qui ne peut avoir de suitte, Toutes ces prétendues divisions qui ont duré toute cette campagne n'ont pas empesché que la france n'ayt eu des armees en Allemagne, en Lombardie, à Naples, a la mer, en Catalogne et en flandres aussi puissantes quelle ayt jamais eues que nous n'avons remporté des advantages considerables et qu'en fin nous en faisons nous mesme si peu de cas que toutes les levees destinees pour le renfort des armees sur la fin de la campagne marchent continuelement vers lesdites armees, sans qu'on en ayt destourné aucune pour lenvoyer ailleurs".36) This display of assurance was a sign of weakness, but also a hint that the French mobilization would not be over quickly. At the same time, the secretary of State, Brienne, described to Servien the new attitude of the parlement which had been the engine of disorder, „moteur du desordre", and was now at the feet of the Queen Mother. He referred to the evidence given by the diplomats of foreign princes and invoked the character of the French people, „la legereté de notre nation". But he considered that the new attitude of the magistrates might be deceitful: they still could spread misinformation which might give Spain some hope, either to continue the war with success or force France to accept a shameful peace. Brienne took care to convince the diplomats in Paris of the actual status of the parlements in the State. He had to give his own interpretation of the French constitution. But in fact he revealed the link between the remontrances of the parlements and the aspirations of the French people: „Le peuple ... s'imaginant que le Parlement est en disposition de faire de continuelles remonstrances pour leur soulagement".37) 36
) „Mémoire du Roi [Louis XIV, L.B.] au sieur Servien, 11 September 1648": AAE, CP (note 7), Allemagne 114, fol. 227v. ) Loménie de Brienne to Servien, 4 September 1648: ibid. fol. 210r—21 l r : „.. .puisque les Espagnols ne se sont renduz difficiles que sur l'esperance qu'ils avoient de voir un mouvement dans Testât, Celuy qui a paru semble calme, et les Ministres des princes Estrangers sont estonnez qu'il nayt paru d'autres suites, quand les mesmes sçauront que ce Parlement qui menassoit en priant et qui sembloit estre le moteur du désordre a esté hier aux pieds de la Reyne louer sa sage conduitte et son administration, faire des suplications en faveur des officiers subalternes Et quelques remontrances en faveur du peuple de la campagne et de cette ville que ne diront ils point de la legereté de notre nation, Mais s'ils penetrent que ces soubmissions peuvent estre feintes et faictes a des fins bien différantes de ce qui en paroist, il y a sujet de craindre qu'ils donneront des informations peu favorables et que les Espagnols y prenans plus de creance quils ne deuvroient croiront que l'heure est venue quils ont si longuement attendue ou de continuer la guerre avec Esperance de bon succedz ou de nous reduire a faire une paix honteuse. Vous ne doubtez pas que nous ne fassions nostre possible pour tirer advantage de cette belle aparance Et c'est ma plus grande occupation estant avec les Ministres des Princes de leur faire comprendre que des officiers qui n'ont d'auctorité 37
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As the prime minister was always under attack and as the crisis deepened, the princes of the royal family tried to organise new conferences which opened in Saint-Germain en Laye on the 25th of September. Writing to the premier président of the parlement about the death of his own brother, Mazarin repeated that the opposition of the officers of justice was groundless: ,,Je ne scache pas d'avoir jamais desobligé ces Messieurs la". He added his panegyric: „Car pour le bien public, pour la Grandeur de l'Estat et pour la gloire du Roy, Je suis trop fort pour croire d'avoir donné le moindre suiet depuis que Je suis dans les affaires de mattaquer, et Je vous le dis hardiment sçachant que vous serez ravy d'avoir un serviteur de cette trempe...". 38 ) For Mazarin, his own services deserved some rewards that he had always refused up until that time. Servien himself felt in danger. In a letter (19 September 1648) he informed Mazarin that the letters from Paris announced that he had been dismissed and would be replaced by M.D., without any doubt d'Avaux, „avec pouvoir de faire la paix". It was obvious that Servien was not sure of his own situation, since he reminded Mazarin that their interests were bound together: their common enemies often accused Servien of working to delay the conclusion of the peace. Thus Mazarin should work to defend Servien's honour „a la conservation duquel jose dire que S.E. a quel e Interest en cette occasion puisque ses Ennemis et les miens ont eu la malice de publier que je l'ay servy icy pour empescher la conclusion de la Paix". 39 ) This was a bit of discreet blackmail. The declaration registered on 24 October by the parlement made the victory of Mazarin's opponents apparent, on the very same day when the Westphalia treaties were signed. At the beginning of 1649, supported by Condé, Mazarin began to take his own political revenge by deciding to blockade Paris. On 15 January, he wrote to Servien that he wanted the diplomat to come home. An official letter would que de remonstrer ce qu'ils jugent du bien du service du Roy Et qui ne sont considérez que pour estre revestuz du caractère de ses Juges ne seront jamais capables de se porter a une telle extremité que l'Estat puisse tomber en peril Et qu'ils ont du regret d'avoir mal usé de leur pouvoir pour les mauvaises suittes qui en pourraient estre aprehendées Le peuple faisant difficulté de contribuer leurs moyens pour sa deffence s'imaginant que le Parlement est en disposition de faire de continuelles remonstrances pour leur soulagement. Si ie réussis en sorte avec Eux que je les persuade j'auray bien employé ma peyne et mon temps". This letter reveals how Brienne, the Secretary of State for foreign affairs, tried to convince the foreign diplomats in France that the magistrates of the parlement were royal officers and could not threaten the political order. 38 ) Mazarin to the premier président of the parlement (Mathieu Molé), 23 September 1648: ibid. Mémoires et documents France 264, Lettres françaises du cardinal Mazarin à divers, fol. 182r. 39 ) „Mémoire de M. Servien à Son Eminence" (Mazarin), 19 September 1648: ibid. CP, Allemagne 114, fol. 31 l v .
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contain instructions as to the last negotiations to carry out and on how Servien was to return quickly from Westphalia. This return was not to be interpreted as unwillingness to make peace but was to be explained by the fact that Spain did not accept the peace. So Mazarin was still eager to show that France was ready for a general peace in Europe, and indeed he would be obliged later on to demonstrate that he himself had not impeded the peace with Spain. The prime minister gave some news about the events in Paris: „Nous sommes icy embarquez a une affaire de l'evenement de laquelle personne ne sçauroit respondre". Now the Queen had decided to leave Paris and the reason was that, according to Mazarin, there was a plot to kidnap the young king, again recalling the times of the religious wars. If the king had been the hostage of the Frondeurs, the monarchy would have to obey the parlement throughout his minority. Mazarin listed all the princes and the grandees tempted by the rebellion. For the prime minister, one of their main motivations to join the uprising was his own refusal to grant them the governorship of military places. His hope was that Paris would not agree to suffer for the interests of some noblemen. He asked Servien to speed up the negotiations with the soldiers of „Mme la Landgrave", that is the army of Hesse-Cassel. It was not a time to be thrifty, but as money was difficult to find, Servien would have to promise an extra supply for the time when the king's authority was restored „aprez que l'autorité du Roy sera pleinem'. restablie et qu'il aura mis toutes choses dans la premiere abondance".40) At the beginning of 1649, the parlement received a so-called envoy, a monk, from the archduke, governor of the Spanish Netherlands. The Frondeurs who organised such a masquerade wanted to demonstrate that the cardinal was responsible for the failure of the negotiations with Spain. To celebrate the peace of Westphalia, a letter was prepared in March 1649 for the bishops so that a Te Deum could be celebrated after the exchange of the ratifications. Different versions of this letter can be found, for example, the one sent to the bishop of Vence. The king intended to solemnise a day which would bring precious happiness „.. .solemniser par des tesmoignages de joye le jo[ur] qui commence a nous fr. gouster un bonheur si precieux". That was a step on the road to the peace with Spain „.. .qui nous rendra le chemin plus facile a la Paix d'Espagne". But before this conclusion, the domestic matters had to be resolved, „aussy tost que la chaleur de l'esmotion de ceux de Paris sera esteinte et que mes sujects rebelles retourneront a leur debvoir et joindront a moy leurs coeurs et leurs forces pour nécessiter mes Ennemis du dehors a ne plus différer l'achevement du traicté general".41) Once more, the two 4°) Mazarin to Servien, 15 January 1649: ibid. Mémoires et documents France 264, Lettres françaises du cardinal Mazarin à divers, fol. 244. This letter can be found in Chéruel, Lettres (note 11), 266-268. 41 ) Letter to a bishop in March 1649 to prepare the celebration of a Te Deum for the peace of Westphalia: AAE (note 7), Mémoires et documents France 290, fol. 58. It is difficult to
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spheres of domestic and foreign affairs were connected in a political approach to the events.
II. Conclusion In spite of domestic unrest, Mazarin succeeded in concluding the treaty with the Imperial forces and in separating the Habsburg powers. This diplomatic success was also a military one since Condé had gained the victory in Lens, and several armies could be paid in Europe. Of course the war was not finished. Nevertheless, the French monarchy seemed about to win the struggle begun in the time of François I against the House of Austria. But this success was of no benefit to Mazarin who was accused of all the evils in France. He was a convenient scapegoat since he was a foreigner. Perhaps this also occurred because, when success seemed near, the burden of the war seemed most unbearable for society, and the tenseness was destined to end up in a political conflict, and finally in a riot. Mazarin's letters showed his strategy of using the domestic unrest to accuse Spain of helping his opponents and of rejoicing in his difficulties, and to use the international situation to accuse his opponents of favouring the enemies of the State. The prime minister emphasized the „crisis" in the negotiations to solve the political crisis in France. His argumentation failed, for the French people refused to accept such logic any longer. Mazarin himself was accused of not wanting the peace, and his design was indeed intricate. He wanted to sign the peace with the Emperor but intended to use this separate peace to carry on the struggle against Spain and to gain new victories against this country with the several additional armies which the French king now had at his disposal. The continuation of the war meant that the fiscal burden on the French people would not be lightened and that the general dissatisfaction would persist. By keeping Mazarin, Richelieu's political heir, Ann of Austria decided to maintain the politics of grandeur. These expensive politics are one reason why the treaties did not cause any real rejoicing. This analysis of the letters prepared or written by Mazarin, or received by him, shows his effort to understand the events and to control them. His main concern was to react to events as they developed, both to the final negotiations and to the domestic riots. In these texts, he tried to develop arguments and
know whether this letter has actually been sent since several drafts of it exist. I would like to thank Isabelle Bour, Maître de conférences à l'Université de Versailles/ Saint-Quentin, for her help in preparing the translation of this text.
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ideas. He stated again his own point of view and his own defense, in his notebooks preparing the Queen's answers and in his letters preparing the diplomats' answers. He tried to cap off his diplomatic and military success with personal and political success. Finally, he was reproached for prolonging the hardships of the people by failing to sign the peace with Spain: his own success was considered a failure.
La paix occulte: propagande, information et politique autour des négociations de Westphalie Par
Maria Victoria Lôpez-Cordôn
Cortezo
I. Introduction 1643 fut une année dramatique pour la Monarchie espagnole. Tandis que la guerre se poursuivait dans la Péninsule comme au dehors, trois événements, d'ailleurs liés entre eux, monopolisaient l'intérêt des publicistes et des courtisans: la chute du comte-duc le 17 janvier, la déroute des tercios à Rocroi le 19 mai et l'ouverture du Congrès de Westphalie le 10 juillet. Sans doute, des trois, était-ce du dernier dont on s'occupait le moins, parce que l'on pensait que ce ne serait qu'une trêve, dont les effets ne seraient, en outre, pas immédiats. Or, à cette date, l'inquiétant, c'était le présent: le commencement de l'offensive diplomatique portugaise, le mécontentement populaire, la révolte catalane et la confusion générée par les écrits pour et contre le valido destitué jetaient un grand trouble dans le gouvernement. La paix était certes très importante, mais elle arrivait trop tard pour soulager véritablement la Monarchie espagnole: ses adversaires les plus anciens, les rebelles hollandais, n'étaient déjà plus de véritables ennemis. Nombreux étaient ceux qui, à l'intérieur et hors de la Cour, considéraient comme insensée la rupture de 1609, et demandaient compte du coût énorme qu'avait supposé la reprise de la guerre pour l'Empire. Cette réaction remontait à 1635. La France, bien que catholique, était alors devenue l'adversaire principal. Elle menait la guerre sur toutes les frontières, dans la Péninsule comme en Flandres. C'est elle qui représentait pour Philippe IV le problème principal. Du coup, les autres fronts, spécialement le front hollandais, avaient perdu de leur intérêt. Tout cela contribue à expliquer le scepticisme dont faisent preuve les plénipotentiaires espagnols quant aux résultats de la conférence. „C'est tout hypocrisie" écrira Saavedra, qui qualifiait de „feinte" la volonté de paix affichée. 1 ) Cette attitude a influencé les historiens d'aujourd'hui, qui se sont moins intéressés à la Paix de Westphalie qu'à celle des Pyrénées. Moins pessimistes que Saavedra, les négociateurs postérieurs s'inquiéteront, plus que des intentions, de l'étroitesse de leur marge de manoeuvre, ') Diego Saavedra Fajardo, Locuras de Europa, dans: idem, Obras Complétas. Ed. par Angel Gonzalez Palencia. Madrid 1946, 1200 sqq.
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comme le démontre leur correspondance. On ne pouvait conclure un accord avec la France sans abandonner les territoires qu'elle avait occupées. On n'avait pas confiance en l'Empereur, que l'on considérait comme incapable de continuer la lutte et prêt à abandonner l'alliance espagnole au moment où les princes allemands l'exigeraient. La prétendue neutralité des médiateurs italiens éveillait encore plus de soupçons. L'Espagne n'avait qu'un seul atout: conclure un accord avec la Hollande et rendre le plus difficile possible l'inévitable rapprochement entre la France et l'Empire. Ses négociateurs se sont appliqués à le jouer le mieux possible, utilisant Munster comme un „accessoire", afin de „conserver du moins l'espoir de changer la fortune" en reconnaissant de droit ce qui l'était déjà de fait et en préparant la voie au retournement de la politique étrangère de Philippe IV. Entravée par l'intransigeance de leurs partenaires et par l'absence d'instructions claires de la part de leurs supérieurs, la tâche de ces hommes ne fut pas facile, mais en fin de compte ils conclurent un accord. Celui-ci impliquait un changement significatif des méthodes et des principes sur lesquels s'était fondée jusqu'alors l'action extérieure de la Monarchie.
II. Négocier, consulter, décider L'action extérieure espagnole vers le milieu du XVIIe siècle est caractérisée par le fait qu'elle dépend tant de pouvoirs centraux, à savoir le roi, le valido et le Conseil d'Etat, organisme compétent en matière de politique exterieure2), que d'autorités périphériques, telles que les vice-rois, les gouverneurs et les représentants diplomatiques, dont l'activité et les opinions sont des facteurs essentiels. Un échange intense de papiers, de lettres, d'ordres et de rapports entre les acteurs fait partie de la praxis politique de l'époque et constitue un élément intéressant d'analyse, tant du fait de son caractère réticulaire que par les nuances multiples qu'indique la variété de l'écriture en fonction de l'interlocuteur. Le gouvernement accorda peu d'importance aux négociations de Miinster pendant la phase préparatoire, jusqu'en juillet 1645, Saavedra Fajardo étant plénipotentiaire, Zapata et Brun ses adjoints. L'insuffisante définition des pleins pouvoirs3) dont ils étaient munis et les frictions constantes entre les délégués eux-mêmes marquent assez ce manque d'intérêt. Les trois délégués 2
) D'après les auteurs de l'époque, „était à sa charge tout ce qui concernait la paix et la guerre. Il traitait les affaires d'Etat, correspondant avec les vice-rois et les généraux ... Il examinait les actions des princes étrangers, amis ou ennemis" (Francisco Bermudez de Pedraza, El secretario del Rey. Madrid 1620, fol. 2). 3 ) Manuel Fraga Iribarne, Diego de Saavedra Fajardo y la diplomacia de su época. Madrid 1956, 397, si Jorge Castel, España y el tratado de Munster. Madrid 1956, 10-13.
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jouissaient d'une grande culture, d'une large expérience de la diplomatie, d'une formation juridique poussée. Ils parlaient plusieurs langues et travaillaient depuis longtemps sur le théâtre si complexe de l'Empire et des PaysBas.4) Ils étaient liés non seulement par les directives de Madrid, mais aussi par celles de Bruxelles, où commandait le marquis de Castel-Rodrigo avec le titre de gouverneur. Il venait d'être nommé à ce poste. C'était un personnage de premier plan, membre du Conseil du Portugal et du Conseil d'Etat, influent à la Cour, bien que ses missions diplomatiques récentes à Rome et dans l'Empire eussent été considérées comme une mise à l'écart. 5 ) Ses relations avec Saavedra, qu'il avait rencontré à Rome, n'étaient pas bonnes6), et sa compréhension de la situation limitée, ce qui compliqua sa mission, pris qu'il était entre les hésitations françaises et la méfiance des médiateurs. La situation changea avec l'arrivée du comte de Peñaranda et de son adjoint Joseph de Bergaigne, archevêque de Cambray, muni de pouvoirs plus larges et fermement décidé à conclure un accord avec les Hollandais. Le comte de Peñaranda était le cadet d'une famille noble. Il avait une formation juridique, mais n'avait aucune expérience en matière diplomatique. Il fut accusé par ses contemporains d'être „réservé". Cette réserve et sa „dissimulation" sont les traits qui le caractérisent le mieux comme négociateur.7) Il s'intéressa surtout aux aspects juridiques de la négociation, et il avoue lui-même avoir fait du tourisme en Westphalie le Covarruvias&) à la main et avoir profité de son séjour pour compléter sa bibliothèque par l'acquisition d'oeuvres aussi fondamentales que celles de Grotius.9) Pendant le séjour du comte en Westphalie, ses positions évoluèrent. Bien qu'il sût toujours exposer ses vues avec prudence et employer le ton qui convenait à chacun de ses interlocuteurs à la Cour, il plaida efficacement la politique du „possible", dans un style sobre et en général assez direct, sans dissimuler le profond malaise que lui causait la situation de la Monarchie. Les contacts pris par Miguel de Salamanca, supervisés par Castel-Rodrigo, ouvrirent la route à des pourparlers, entrepris en avril 1646, qui débouchèrent 4
) Saavedra et Brun avaient assisté en 1640 à la Diète de Ratisbonne, Zapata au Congrès de Cologne, bien qu'il semble s'être fondamentalement consacré à l'étude (Quintín Aldea Vaquero, Introducción, dans: Diego de Saavedra Fajardo, Empresas políticas. Vol. 1. Madrid 1976,9-65). 5 ) On vit dans cette mise à l'écart l'oeuvre du Comte-Duc (John Huxtable Elliott/José F. de la Peña [Eds.], Memoriales y cartas del Conde-Duque de Olivares. 2 Vols. Madrid 1978— 1981, Vol. 2,246). 6 ) Fraga lribarne, Saavedra Fajardo (note 3), 188. 7 ) Guillaume Hyacinthe Bougeant, Histoire du Traité de Westphalie. 6 Vols. Paris 1751, Vol. 3, 491-493; Feliciano Barrios, El Consejo de Estado de la Monarquía española. Madrid 1984, 377. 8 ) C'est-à-dire, avec les oeuvres du juriste Diego de Covarrubias y Leyva (1512-1577). 9 ) Archivo Histórico de la Nobleza, Colección Frías, caja 27.
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sur la signature du traité de janvier 1648. De Münster le premier plénipotentiaire mit en marche une vraie correspondance avec le roi, le valido, le secrétaire du Conseil d'Etat, le gouverneur des Pays-Bas et les ambassadeurs à Vienne et à Rome. Il y avait déjà trois ans qu'était tombé Olivares, et un nouveau valido, Luis de Haro, avait assumé la plus grande partie de ses fonctions, sans opposition aucune. C'était le neveu du comte-duc. Sa volonté de discrétion rencontrait heureusement le désir du roi d'accomplir ses devoirs de gouvernement, comme l'opinion le lui demandait par les voies les plus variées. Tout comme le monarque cherchait à „fuir les inconvénients du passé" 10 ), ainsi son ministre avait-il l'intention d'agir de façon à ce que „l'on juge vacant le poste [de valido], non seulement sous le rapport des tâches du ministère, mais aussi sous celui de la faveur et du crédit personnel auprès de Sa Majesté", en évitant notamment toute nomination susceptible de provoquer un conflit institutionnel. 11 ) Bien que le nouveau favori, tout en jouissant de larges pouvoirs, n'ait pas suscité la même animosité que son prédécesseur, il était loin de faire l'unanimité. Il y avait toujours une opposition et, jusqu'entre ses proches on entendait des critiques. 12 ) Peñaranda lui-même, pourtant une de ses créatures 13 ), le jugeait davantage bureaucrate qu'homme d'Etat et émit plusieurs fois des doutes sur sa capacité à diriger la machine de la Monarchie: „Je vois notre Don Luis chargé d'une affaire plus grande que lui.. ,". 14 ) Haro n'était pas conseiller d'Etat. De ce fait, jamais il ne fit obstacle à la communication entre le monarque et cet organisme, bien qu'il a exercé sur les papiers qui circulaient entre eux un contrôle semblable à celui qu'avait exercé son oncle. Comme son oncle, il correspondait directement et de façon permanente avec les ambassadeurs. En un sens, cet interventionnisme était rendu presque nécessaire par le mode de fonctionnement du Conseil et son caractère d'institution active, certes, mais isolée, surtout depuis 1635, date à laquelle il fut interdit aux conseillers absents de donner leur opinion par écrit. Cette mesure priva de toute influence tant les plus qualifiés de ses membres, en mission au dehors, que les plus critiques, volontairement éloignés. 15 ) En d'autres termes, le Conseil restait officiellement le principal organisme consultatif du monarque en matière de politique étrangère, pour les nominations de diplomates et en ce qui concernait „tous les postes militaires de Naples, de Sicile, de l0 ) Francisco Tomás y Valiente, Los validos de la Monarquía española en el siglo XVII. Madrid 1963, 98. 11 ) P. Agustín de Castro, Carta a don Luis de Haro: BNM Mss. 18202, fol. 94. 12 ) John Huxtable Elliott, El Conde-Duque de Olivares y la herencia de Felipe II. Valladolid 1977, 64 sqq. 13 ) Lettre au Marquis de Castel-Rodrigo (28-X-1647): Colección de documentos inéditos para la historia de España [CODOIN], 112 Vols. Madrid 1842-1895, Vol. 84, 33. 14 ) Lettre de Peñaranda à Castel-Rodrigo (29-VIII-1647): ibid. Vol. 83, 437. 15 ) Barrios, Consejo de Estado (note 7), 131 sqq.
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Milan et Flandres"16); mais ses délibérations étaient fondées sur l'information que lui donnait le valido, puisque toutes les consultations passaient par ses mains avant d'arriver au roi17). Pour les affaires importantes, Haro continuait à faire appel à la Junte d'Etat, dont il était membre, et qui n'était composée que de quelques conseillers de son entière confiance. 18 ) A l'époque, il s'agissait de Monterrey, d'Oñate et de Castañeda. C'est elle qui nomma les premiers plénipotentiaires à Münster, le 6 juin 1643. 19 ) Monterrey, dont les avis furent décisifs ces années-là, le comte de Castrillo et celui de Chinchón, le marquis de Leganés, ceux de Miravel et de Santa Cruz, Francisco de Melo, tels sont les hommes constamment présents dans ces institutions tout au long de la période.20) Bien que le valido, le Conseil ou la Junte soient des pièces importantes de la direction de la politique étrangère, les secrétaires du Conseil d'État n'en avaient par moins un rôle capital. A l'origine, la clef de leur influence résidait dans leur étroite relation avec le roi et dans leur position comme intermédiaires naturels entre le monarque et le Conseil. 21 ) Cela signifiait la lecture préalable de la correspondance concernant les affaires d'Etat et de Guerre: non seulement ils rédigeaient minutes et résumés, mais encore ils instruisaient les 16 ) Alonso Nuñez de Castro, Libro histórico político. Sólo Madrid es Corte y el cortesano en Madrid. Madrid 1658,96, et Gil Gonzalez Dávila, Teatro de las grandezas de la villa de Madrid, Corte de los reyes Católicos de España. Madrid 1622, 512. 17 ) Tomás y Valiente, Validos (note 10), 81 sqq. 18 ) La Junte la plus importante en dehors de celle d'Etat était la Junte d'Exécution, créé en 1637 et constituée alors par Olivares, Villahermosa, Carlos Coloma et Jerónimo de Villanueva, protonotaire d'Aragon. Elle était la véritable inspiratrice de la politique de la Monarchie, dont elle surveillait par ailleurs la mise en oeuvre (Barrios, Consejo de Estado [note 7], 136-150). 19 ) Archivo General de Simancas (AGS), Estado, leg. 2344. Le Vème Comte de Oñate (11644) fut aussi ambassadeur en Savoie (1603-1610), dans l'Empire (1616-1624) et à Rome (1626-1628). Celui de Monterrey ( t 1653) fut ambassadeur à Rome et vice-roi du Naples (1631-1637) et président du Conseil de l'Italie. Et le Marquis de Castañeda (t 1646) avait été ambassadeur en France et dans l'Empire entre 1633-1641 (Barrios, Consejo de Estado [note 7], 356, 373 et 375). 20 ) Castrillo (1588-1670) était un juriste, ancien recteur de l'Université de Salamanque. Il fut aussi conseiller de Castille, président du Conseil des Finances et du Conseil des Indes, vice-roi de Naples de 1653 à 1658, plus tard membre de la Junte de Gouvernement. Chinchón (1589-1647) appartenait aux Conseils d'Aragón et d'Italie; il avait été vice-roi du Pérou entre 1629 et 1639. Leganés (t 1666), un parent du comte-duc, avait appartenu à la Chambre de l'archiduc Albert en Flandres; il fut général de la cavalerie et gouverneur de Milan entre 1635 et 1641. Miravel (t 1650), majordome du cardinal-infant Ferdinand, avait été ambassadeur en France entre 1620 et 1632. Santa Cruz (1571-1646) avait été gouverneur de Milan en 1630-1631 et, par la suite, commandant de l'escadre de Méditerranée. Francisco de Melo (1597-1651) avait été vice-roi de la Sicile entre 1639 et 1641, gouverneur des Flandres en 1641 et vice-roi de Catalogne en 1645. 21 ) Entre 1630 et 1661, le Conseil d'Etat avait trois secrétariats: celui du Nord, celui d'Italie et celui d'Espagne, bien que ce dernier fût dépourvu de titulaire de 1643-1648 (José Antonio Escudero, Los secretarios de Estado y del Despacho. 4 Vols. 2ème édition. Madrid 1976, Vol. 2, 502 sqq.).
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affaires.22) Par extension, ils étaient aussi la voie par laquelle les lettres des vice-rois, gouverneurs, ambassadeurs et autres agents arrivaient aux mains du roi. C'étaient des hommes puissants mais obscurs, „et qui s'en accommodaient", autrement dit des techniciens. Quoiqu'ils aient perdu leur rôle d'interlocuteurs du roi au profit du valido, ils étaient toujours indispensables pour l'exécution des résolutions gouvernementales. Les affaires de Miinster dépendaient du „secrétariat du Nord" du Conseil d'Etat. Son titulaire était donc un personnage clef dans la négociation. Le poste fut occupé par Pedro Coloma entre 1644 et 1648. Celui-ci avait une grande expérience administrative. Il joua un rôle très important de coordination et dans le partage des maigres ressources disponibles.23) Ce qui, pourtant, devint vraiment décisif à cette époque, c'est le choix d'un secrétaire qui aiderait le roi dans l'exécution matérielle de son travail de bureau et la naissance d'un nouveau secrétariat, indépendant des Conseils, dit du „Bureau Universel" (Despacho Universal).24) Le roi, le favori et les secrétaires directement, et le Conseil et la Junte indirectement, furent donc les artisans de la politique espagnole en Westphalie. Les uns et les autres donnaient le ton des négotiations et en suivaient le déroulement à travers les informations que leur fournissaient les délégués.
III. L'écriture complexe Gouverner la monarchie espagnole, c'était d'abord lire. Ses diplomates n'étaient pas en reste dans ce culte de l'écrit, rédigeant presque tous les jours rapports et missives et se battant contre les difficultés de la poste. Ils avaient beaucoup d'informations à envoyer, et ils le faisaient selon une triple voie, feignant d'ignorer que toutes les trois aboutissaient à un filtre unique, celui du valido. La décision finale appartenait au roi. C'est à lui donc qu'on adressaient les rapports les plus détaillés et les plus secrets, censés lui fournir des données 22
) Bermudez de Pedraza, Secretario (note 2), fol. 69-70. ) Il avait été désigné secrétaire du roi en 1623, puis Officier Majeur du Secrétariat de l'Italie (1625), de l'Espagne (1631) et du Secrétariat de la Guerre et de la Mer. Il fut responsable de servir le roi pendant la .journée de 1644", comme le secrétaire unique et par conséquent il obtint en propriété le Secrétariat du Nord qu'il abandonnerait en 1648 pour arriver à ceci de l'Italie où il resta jusqu'à sa mort en 1660 (Manuel Danvila y Collado, El poder civil en España. 6 Vols. Madrid 1885-1886, Vol. 6, 993, et Escudero, Secretarios [note 21], Vol. 2, 489). 24 ) Son titulaire fut toujours un secrétaire du Conseil d'État. Ainsi, en 1643, J. Villanueva, qui cumulait les secrétariats du Nord et d'Espagne, était en même temps Secrétaire de Bureau, tandis que P. de Arce s'occupait de celui d'Italie, qu'il exerça jusqu'en 1648. En 1644 A. de Rozas prit le Bureau, tandis que le Secrétariat du Nord était confié à P. Coloma (ibid. Vol. 1,241 sqq.). 23
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sûres sur lesquelles bâtir sa politique. C'est aussi le roi qui distribuait faveurs et récompenses. Tout l'effort des négociateurs tendait à savoir „ce que le roi pensait"25), c'est-à-dire, à obtenir son consentement et ses ordres. Le style de ces lettres est toujours impersonnel et mesuré, comme si elles s'en tenaient à des renseignements objectifs, et quand elles expriment des opinions subjectives, c'est toujours avec des circonlocutions. Ainsi, après avoir rendu compte des entretiens qu'il a eu avec les médiateurs et des offres désavantageuses qu'ils ont faites, Peñaranda écrit: „Me trouvant au coeur de cette affaire et ayant quelques lumières sur les intentions profondes tant de nos ennemis que de nos amis et médiateurs, on excusera la liberté que je prends de faire part à V.M. de mon opinion personnelle. Si nous avions les moyens nécessaires à la poursuite de la guerre pendant une année encore, il ne faudrait pas signer jusqu'à ce que nos armées améliorent notre position, humilient et mortifient quelque peu l'orgueil de nos ennemis; mais comme il est presque impossible que nos ressources l'an prochain égalent celles de cette année, il y a peu d'apparence que l'on puisse raisonnablement espérer qu'il en soit ainsi. Il conviendrait donc de faire la paix cet hiver, de quelque manière qu'on envisage les choses".26) Telle était la première voie. Une copie de la correspondance échangée avec les autres diplomates était remise au valido, considéré comme un „coordinateur général", mais dont le rôle institutionnel était plus sous-entendu que réel, parce qu'il n'était pas un vrai premier ministre. Il recevait aussi des rapports précis, qui portaient toujours un jugement personnel sur la situation et dont la fréquence dépendait de la bonne entente personnelle entre lui-même et son correspondant. Or, jamais ne fut clairement établie la limite entre ce que l'on devait communiquer au roi et ce que l'on devait communiquer au valido. En ce sens la demande d'explications que Saavedra Fajardo, à l'époque ministrerésident à l'Allemagne, adressa au secrétaire Rozas en 1641 est très édifiante. Il semble que le nouvel ambassadeur, le marquis de Castel-Rodrigo, lui avait demandé d'unifier sa correspondance et de ne s'adresser qu'à Olivares, alors premier ministre, ce qui ne lui plaisait pas. Le roi lui répondit que la correspondance entre lui-même et ses ministres était toujours possible, mais qu'il convenait d'éviter les doublons, que de toutes façons le valido lisait en premier tout ce qui lui était adressé. Il ajoutait: „Si, toutefois, il est question d'un sujet qui me soit personnellement reservé, on pourra écrire au comte-duc, qui me rendra compte.. .".27) A Miinster Saavedra agit en conséquence, en dépit de ses réticences face à l'interposition du favori. Peñaranda, à l'inverse, employa fréquemment cette 25
) Lettre au Roi (ll-VI-1648): CODOIN (note 13), Vol. 84, 247. ) Ibid. 217. 21 ) Tomás y Valiente, Validos (note 10), 174-175. 26
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voie, surtout pour exprimer ses impressions personnelles sur la négociation ou des considérations politiques plus larges, étant donné les bonnes relations qu'il entretenait avec D. Luis de Haro. C'était le conduit le plus efficace, tant du point de vue de la rapidité, de la „briéveté", que pour exposer avec rigueur la situation: „Don Luis", écrit Peñaranda, „si nous faisions l'histoire des grands princes qui ont été obligés de se soumettre à la loi, non seulement d'autres princes, mais de leurs propres sujets, ce sont de bien gros livres qu'il nous faudrait pour l'écrire. A ce propos je dois vous dire (et vous le savez déjà) que jamais aucun prince ne s'est trouvé dans une situation si délicate que le nôtre". 28 ) D'autre part, les demandes les plus matérielles - argent, personnel, chiffre, etc. - étaient toujours adressées au secrétaire du Conseil d'Etat, qui fournissait une troisième voie. Là ne s'arrêtait pas son rôle. Il recevait aussi des correspondances qui contenaient des appréciations très subjectives sur des personnes ou des situations concrètes. 29 ) Il arrivait que les négociateurs formulent auprès de lui leurs plaintes sur la mission qu'ils devaient remplir. Peñaranda avait de très bonnes relations avec Coloma, forgées probablement durant son passage au Conseil de Castille. Sa correspondance révèle une confiance qu'il ne marque pas à ses autres interlocuteurs. Elle est très éclairante, en outre, sur la nature de ce que l'on peut dire par une voie ou par une autre: „Dieu sait que c'est bien malgré moi q u e j e me mêle de dicourir des affaires de ces Etats, car n'étant pas venu pour cela et n'ayant pas eu le temps de m'informer pour en parler en toute connaissance de cause, je sais combien il me sera facile de me tromper et même de paraître m'occuper de ce qui ne me regarde pas. Cette crainte m'empêche d'écrire directement à Sa Majesté, mais je n'ai pu me résoudre à ne point vous faire part, Monsieur, de mes observations afin que vous en fassiez l'usage qui bon vous semblera". 30 ) Il est impossible de déterminer selon quel critère étaient répartis les rapports entre le Conseil et la Junte, et pourquoi quelques-uns étaient considérés, tandis que d'autres ne l'étaient point. Même s'ils arrivaient, l'opinion de la Junte était fondamentale, puisque ses consultations avaient un grand poids auprès du roi comme du valido. S'ils les approuvaient, elle prenaient un vrai caractère exécutif. La Junte, cependant, était une institution plurale, soumise aux pressions des différents partis, dont les décisions tardaient inutilement. 31 ) Et une fois prises, elles s'adaptaient mal 28) (2-XII-1645): CODOIN (note 13), Vol. 82, 221. 29 ) Lettre à Pedro Coloma ( 11-VII-1645): ibid. 95. 30 ) Lettre à Pedro Coloma (l-VI-1645): ibid. 31 ) Séance d'Octobre 1648. Des cinq assistants à la Junte, le Comte de Monterrey, le Marquis de Leganés, le Marquis de Miravel, le Comte de Castrillo et D. Francisco de Melo, deux sont dehors la Cour depuis un an et, par suite, ne connaissent ni la marche des négociations, ni les instructions données aux plénipotentiaires (ibid. Vol. 84, 14 sqq.).
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à la réalité. Peñaranda se plaignit souvent au valido de cette situation: „On veut nous lier les pieds et les mains, et nous priver de toute liberté, nous qui connaissons cette affaire mieux que quiconque et qui sommes parfaitement informés de circonstances tous les jours changeantes". 32 ) Les méthodes de travail du Conseil l'obligeaient à soupeser longuement toutes les informations qui lui parvenaient, qu'il ne considérait jamais isolément, mais toujours en rapport les unes avec les autres, qu'elles soient de source officielle ou officieuse. Cet aspect transparait dans le texte même des consultas, qui rendent compte, dans la première partie du texte, de l'ensemble des documents sur lesquels elles se fondent. 33 ) La mobilisation de sources diverses était explicitement recommandée pour parvenir à la plus grande objectivité, à la plus haute „prudence", en soupesant les forces et les opinions qui selon les assistants pourraient prédominer. C'est à la lumière de ces considérations qu'il faut lire la correspondance qu'envoyèrent à la Cour, Saavedra d'abord, et après lui Peñaranda, entre 1643 et 1648. Des lettres „différentes", selon le destinataire, tout en sachant qu'elles feraient le tour des bureaux. Non seulement elles veulent informer, mais encore suggérer et transmettre une opinion, transformant ainsi l'écriture en un instrument fondamental de la diplomatie. Elles témoignent du double front sur lequel les négociateurs développaient leur action, à Miinster et à Madrid. Elles recherchent la conviction des uns, l'assentiment des autres. Leur contenu, en fin de compte, éclaire l'habitude qu'avait fit la Monarchie de confier les postes diplomatiques à des juristes.
IV. Monarchie Catholique versus Monarchie Espagnole Si bien connaître le pourquoi et le comment des choses est important, s'il ne l'est pas moins de bien connaître les hommes, on ne peut cependant oublier les grandes questions politiques qui pèsent sur les accords. Il en est d'évidentes, comme la marche de la guerre ou la situation critique provoquée par les rebellions intérieures. Il en est que leurs implications diplomatiques rendent difficile de passer sous silence, comme la présence de délégués des royaumes rebelles, portugais et catalans, aux négociations. Il en est d'autres enfin, tout
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) Lettre du 18-IV-1648: ibid. Vol. 84, 163. ) „Avec la poste qui arriva de Miinster et de Bruxelles le 2 courant, on avait reçu, entre autres communiqués, onze lettres du Comte de Peñaranda pour V.M. et pour le secrétaire Pierre Coloma; deux de D. Diego Fajardo, du Marquis de Castel-Rodrigo quatre et en plus quatre autres du Duc de Terranova, toutes pour V.M.: ce qu'elles contiennent a rapport aux négociations de paix; et comme V.M. les envoya à cette Junte après les avoir vues, on écrira ici un bref résumé des points afin de faciliter l'intelligence de ce que l'on vote" (Copie d'une consultation à la Junte d'État de 8 janvier 1646: ibid. Vol. 82, 244). 33
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aussi fondamentales, sur lesquelles nous insisterons davantage, car elles conditionnent le repli tactique de la Monarchie Catholique sur des positions péninsulaires, commencé à cette époque, et la crise de l'idéologie confessionnelle et dynastique qui avait sous-tendu jusqu'alors l'hégémonie espagnole. La Monarchie espagnole, écrivait Campanella, a trois „têtes": le Saint Empire, les royaumes espagnols et l'Italie. En Westphalie et pour différentes raisons, toutes les trois furent sur le point de se perdre, et cela obligea à transformer un monstre tricéphale en un corps normal. Ce ne fut pas simple. L'élément décisif consista à donner plus d'importance au caractère territorial et atlantique d'une Monarchie qui abandonnait de plus en plus le principe confessionnel comme élément d'identité. Trois questions étroitement liées aux négociations de Münster conditionnent ce processus. La première est une crise des relations hispano-romaines, qui provoqua la rupture de l'équilibre italien et l'abandon progressif d'une politique confessionnelle; la deuxième est une crise dynastique, qui se manifeste par des discussions sur l'opportunité de soutenir l'Empire; la dernière, dont je ne parlerai pas, concerne la pacification du territoire péninsulaire et la réorganisation de la vie politique. Les rapports entre le Roi Catholique et le Souverain Pontife n'ont pas toujours été bons, mais les tensions furent rarement si continues qu'à l'époque de Philippe IV et d'Urbain VIII, où aux conflits juridictionnels chroniques s'ajouta la complexité de la situation internationale suscitée par la Guerre des Trente Ans et la participation de la France aux hostilités. La position du pape Barberini n'était pas simple, pris comme il était entre différentes solidarités. Indépendemment des interprétations postérieures34), il est évident que pour les observateurs espagnols sa neutralité était feinte. Saavedra Fajardo l'a défini d'une manière précise: „11 aime les Français et il déteste les Espagnols; mais il ne voudrait voir en Italie ni les uns ni les autres".35) Un pasquin romain disait de la même manière, en répondant à la question: le pape, est-il catholique?: „Allons-donc, tais-toi, il est très chrétien".36) Ce qui est certain, c'est que dès la guerre de Mantoue et du Monferrat, l'affrontement entre les deux pouvoirs, tant en l'Italie qu'au dehors, fut constant. Le nonce Bagno était accusé d'avoir favorisé le parti hostile aux Habsbourg à la Diète de Ratisbonne et le rapprochement entre la France et la Bavière à Fontainebleau un an après. C'est ainsi „voix et opinion publique et générale que Sa Sainteté aide aux hérétiques, ou ce que personne ne peut nier en ce monde, qu'il se range et se rallie à ceux-là qui aident aux hérétiques, dissimulant, tolérant et permettant leurs actions détestables au scandale de l'univers en34
) Antonio Domínguez Ortiz, Regalismo y relaciones Iglesia-Estado (siglo XVII), dans: Historia de la Iglesia en España. Vol. 4. Madrid 1979, 73-121, 78 sqq. 35 ) Cit. apud Quintín Aldea, Iglesia y Estado en la españa del siglo XVII. Santander 1962, 14. 36 ) Ibid.
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tier". 37 ) L'intervention de Mazarin, alors nonce à Casal, empêchant l'affrontement entre espagnols et français, fut qualifiée comme un abus de l'immunité diplomatique, et la vente par la Savoie de Pignerol à la France comme une utilisation frauduleuse de la médiation pontificale. A ces incidents diplomatiques s'ajoutaient les réticences de la papauté à concéder à l'Espagne les subsides ecclésiastiques nécessaires au financement de la guerre, ce qui provoqua une furieuse protestation de Madrid, déposée par son ambassadeur le cardinal Borja, et la présentation en 1633 d'un mémoire détaillé des offenses que l'Eglise et la Monarchie du royaume avaient subies de la part de l'administration romaine. Quand la France entra en guerre, les occasions d'affrontement ou de manoeuvres hostiles se multiplièrent. Bien que les problèmes liés à la question de la Daterie eussent été partiellement résolus par l'Accord Fachinetti, les tensions diplomatiques s'accrurent avec le soulèvement de la Catalogne et du Portugal, à propos de la reconnaissance de leur indépendance et de la provision des bénéfices ecclésiastiques sur leur territoire. Sans parler de l'inutile guerre de Castro. 38 ) Avec de tels précédents, la méfiance des espagnols envers la médiation pontificale, d'abord à Cologne puis à Miinster, ne pouvait être que marquée. La neutralité des délégués pontificaux fut mise en doute dès le début des négociations. Même le nonce Fabio Chigi, le futur Alexandre VII, était considéré comme favorable à la France. Les rapports de Saavedra expriment bien ce point de vue, tout en suggérant une solution: „Si le nonce ne sort pas de sa neutralité, nous ne traiterons pas avec lui, mais avec l'ambassadeur de Venise". 39 ) La mort de Urbain VIII et l'élection d'Innocent X, qui avait été nonce à Madrid, furent considérées comme des changements positifs, mais les plaintes sur les médiateurs pontificaux ne disparurent pas de la correspondance des négociateurs espagnols. 40 ) La confirmation de Chigi à son poste fut jugée peu favorable pour la paix, mais sa réputation personnelle s'améliora. On le taxa plutôt, désormais, de „naïf et crédule", et d'une soumission exagérée aux opinions de l'autre médiateur, le vénétien Contarini, que de partialité. 41 ) Peñaranda, qui eut de longues conversations avec lui, tâcha toujours de lui faire parvenir ses observations par autres voies, en lui suggérant que l'ambassadeur et les cardi-
Saavedra Fajardo, Obras (note 1), 360. Cet affrontement entre le Pontife et le Duc de Parma fut considéré comme une affaire particulière, qui n'était pas en accord avec sa dignité ecclésiastique. 39) Saavedra Fajardo, Obras (note 1), 1368. 4 0 ) Sur la labeur de Fabio Chigi, Laura Schiavi, La mediazione di Roma e di Venezia nel Congresso di Miinster per la pace de Vestfalia tra Francia e Allemagna. Bologna 1923. Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. III. Abt. C. Bd. 1. Münster 1984. 41) Stefano Andretta, La diplomazia veneziana e la pace di Vestfalia (1643-1648). Roma 1978. 37)
38)
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naux espagnols à Rome appuyaient son point de vue auprès du Pape. 42 ) Et à son avis: „Le nonce a ici si peu d'autorité que c'en est incroyable; mais tant que Sa Sainteté agira aussi lentement et avec une si grande réserve et une si grande peur des français, il ne faut pas s'étonner de trouver chez ses ministres l'abattement et le manque d'enthousiasme que nous éprouvons ici". 43 ) Les conflits répétés avec Rome et le rôle ambigu que joua le représentant pontifical à Münster ont ébranlé l'un des principes que jusqu'à ce moment-là la cour de Madrid avait toujours avancés pour justifier sa politique: la défense de la religion. Cette dernière impliquait le maintien de relations amicales avec le Souverain Pontife. 44 ) Elle impliquait aussi, inversément, que le pape adopte des positions claires en ce qui concerne la politique religieuse européenne. Or, tant Urbain VIII qu'Innocent X, chacun à sa manière, avaient pratiqué une neutralité que l'on jugeait, du point de vue espagnol, peu amiable, comme „une sorte de cruauté quand on voit les malheurs des autres". 45 ) Pire encore, ils avaient permis que dans leur propre capitale on tramât la plupart des complots qui agitaient les domaines espagnols d'Italie. Pour comble, la conduite de leurs représentants avant et pendant la conférence de Münster mettait en évidence que „Sa Sainteté, soit méfiance des français, soit raison d'Etat, ne recherche pas la pacification de la chrétienté avec toute l'efficacité à laquelle elle est obligée". 46 ) Cette atmosphère de méfiance déçue explique que le monarque commençât à se dégager de l'accomplissement de ses obligations envers le Pontife, en se désintéressant ostensiblement de certaines questions, ou en conditionnant sa collaboration à la résolution des problèmes les plus urgents. C'est ce qui arriva au moment de la menace d'une offensive turque et de la tentative des médiateurs d'amorcer les négociations de paix en traitant d'abord de la question italienne. Ni Peñaranda, ni le Conseil d'Etat, ne consentirent à prendre en considération cette proposition, faisant ressortir, non sans ironie, l'amitié éprouvée qui unissait l'Empire Ottoman au Roi Très-Chrétien. Les appels pressants de Rome au combat contre l'infidèle sont accueillis avec froideur: on ne s'inquiète pas de la présence des Turcs à la Canée. 47 ) Mieux, l'ambassadeur proposa au roi „de tenter une sorte de trêve ou paix avec eux" avant que „les vénetiens ne se sauvent et laissent Sa Majesté en danger". Son raisonnement est assez intéressant pour mériter citation: „J'ai cru de mon devoir de soumettre à 42
) Lettre à don Antonio Briceño Ronquillo (24-XI-1645): CODOIN (note 13), Vol. 82, 205-206. 43 ) Ibid. 208. 44 ) Beaucoup, en Espagne et au dehors, interprétaient cette position comme un simple masque de la raison d'Etat. Cependant, malgré son potentiel de propagande, elle ne manquait pas de sincérité. 45 ) Saavedra Fajardo, Obras (note 1), 636. 46 ) Consulta de la Junta de Estado (8-1-1646): CODOIN (note 13), Vol. 82, 260. 47 ) (24-XI-1645): ibid. 209.
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l'attention de Votre Majesté la possibilité de négocier une trêve, voir une paix, avec le Turc, avant que les Vénétiens ne se mettent à l'abri en laissant Votre Majesté assumer seule le danger ... Je sais combien il sera difficile d'incliner Votre Majesté à ce parti, mais l'obligation où elle se trouve d'assurer sa propre défense et celle de ses Etats, qui est aussi celle de notre religion catholique, servira bien à attirer son attention. Par les temps qui courent, chacun essaye de sauver sa barque du mieux qu'il peut. C'est mus par la seule ambition de faire des nouveaux préparatifs et d'usurper le bien d'autrui que les ennemis de Votre Majesté ont attaqué tous ses Royaumes et ses Etats, et c'est pour cela qu'ils ont fait alliance, non seulement avec le Turc, mais encore avec tous les hérétiques d'Europe, et c'est appuyés sur ces alliances qu'ils refusent de faire la paix avec Votre Majesté. Votre Majesté ne fait que se défendre. En conséquence, quel que soit le parti auquel Elle s'arrête, la légitimité morale de sa décision sera bien plus grande que la leur". 48 ) Vers le milieu des années quarante, non seulement la guerre contre le Turc n'était plus prioritaire pour l'Espagne, mais encore se désintéressait-elle d'un autre problème qui, quoiqu'ancien, connaissait alors un regain d'actualité: la question irlandaise. Solidarités religieuses et rivalités politiques s'y mêlaient dans un jeu complexe qui opposait Rome, Madrid et Paris. La guerre civile anglaise relança la rébellion entre 1642 et 1647. On craignit que Philippe IV ne cherchât qu'à en profiter. Or, dans une conjoncture très difficile, non seulement pour l'Angleterre, mais encore pour l'Espagne, celle-ci n'avait d'autre objectif que d'obtenir de l'Angleterre une garantie de neutralité, tant continentale qu'océanique, et ses intentions n'allaient pas au-delà d'un certain harcèlement, essentiellement verbal, à l'égard de Londres, qui servit d'avertissement permanent à Charles I dans sa politique portugaise. Quant aux intérêts espagnols en Irlande, ils se limitaient à en obtenir un rendement maximum comme source de recrutement. Il n'était pas question de restauration catholique. En conséquence, jusqu'à la fin de 1643, les secours espagnols furent réduits. Les agents irlandais firent alors pression sur la cour d'Espagne en donnant pour argument que les Français „faisaient ce qu'il fallait pour s'implanter dans l'île", en procédant à des envois beaucoup plus généreux. Le nonce Rinuccini contribua à exciter la diplomatie espagnole avec l'intention délibérée d'impliquer fermement Philippe IV dans cette affaire: manière de déplacer la rivalité hispano-française vers l'île. On proposa au roi deux options: l'une axée sur le recrutement de troupes et l'autre, plus hypothétique, sur sa possible proclamation comme roi d'Irlande. 49 ) 48
) Lettre de Peñaranda au Roi (18-XI-1645): ibid. 232. ) Et pour lui résister on envoya un agent, Eugenio O'Neill (Enrique de Tapia Ozcariz, Eugenio O'Neill, caudillo delà independencia de Holanda. Madrid 1969). Sur l'activité du nonce, Michael J. Hynes, The Mission of Rinuccini, Nuncio Extraordinary to Ireland, 1645-1649. Lovaina 1932. Pour l'approfondissement de ce thème, Rafael Valladares, In49
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A Madrid la question fut étudiée par le „chargé des affaires irlandaises", Fray Juan de San Agustín, et l'on arriva à la froide conclusion que seul le recrutement de troupes intéressait la Monarchie. Néanmoins, comme elle avait des obligations envers les catholiques et qu'elle pouvait craindre qu'ils ne se tournassent finalement vers la France, on envoya un autre délégué, pourvu d'argent, pour faire la démarche d'obtenir des nouvelles levées de soldats et pour aficionarlos, c'est à dire, pour les incliner à Philippe IV.50) Indépendamment des secours que l'on accordait aux irlandais, la vrai bataille pour le contrôle de l'île se livrait à Rome, contre le pape Innocent X. L'ambassadeur d'Espagne, le comte de Oftate, posa la candidature au trône du monarque ou de son fils bâtard, Juan José de Austria, en s'appuyant sur les rapports du nonce. Les circonstances semblaient jouer en faveur de tels plans, au moment où l'on commençait à entrevoir le désastre de la monarchie anglaise et où l'on éprouvait de vives craintes pour la situation du catholicisme en Grande-Bretagne. Plus que les intrigues de Mazarin, comme le soutenait un bulletin de l'époque 51 ), c'est la volonté politique du Conseil d'Etat qui, en juin 1647, enterra définitivement l'affaire. Il rejeta l'entreprise à l'unanimité 52 ), en exprimant sa conviction que ce n'était guère le moment de se lancer dans des aventures ou des provocations. Lorsqu'il prit sa décision, le Conseil n'était pas encore informé du soulèvement de Naples et de la Sicile, ce qui n'en rend que plus éclatant son refus catégorique de toute obligation confessionnelle au nom d'impératifs politiques. Postérieurement, ni la crainte de voir Dublin tomber au pouvoir du Parlement, ni les appels du nonce, ni même l'argument, toujours efficace, d'endiguer l'influence française, ne modifièrent cette position. Curieusement, quand en 1648 Philippe IV envoya une mission secrète en Irlande, elle échoua parce qu'on voyait en lui un allié du Parlement: son silence pendant le procès de Charles I, qui contrastait avec l'attitude de la France, lui avait fait cette réputation.53)
glaterra, Portugal y la Monarquía Hispánica. Felipe IV y la alianza Anglo-Portuguesa. Madrid 1992, 112 sqq. 50 ) Archivo Histórico Nacional (AHN), Estado, leg. 3455, „Instrucción de lo que ha de hacer D. Diego de la Torre en el viaje a Irlanda..." apud Valladares, Inglaterra (note 49), 115. 51 ) AGS, Estado, Inglaterra, leg. 2529, „Memorial de Fray Francisco MacGruairk" apud Valladares, Inglaterra (note 49), 124. 52 ) AGS, Estado, Roma, Conseil d'État 16 juillet 1647. Etaient présents les marquis de Leganés, Villafranca, Valparaíso et Torrelaguna. 53 ) Plus tard, sous Cromwell, les ambassadeurs du futur Charles II Stuart cherchèrent à Rome et à Madrid un appui pour leurs coreligionnaires, mais sans succès. Cela explique, peut-être, que le duel hispano-français ait finalement tourné à l'avantage de la France (Albert J. Loomie, Spain and the Early Stuarts, 1585-1655. Norfolk 1996, 289-307, et Valladares, Inglaterra [note 49], 120-123).
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V. Les problèmes dynastiques Toutes les obligations anciennes se relâchent donc, tant celles contractées avec l'Empire, que celles qui impliquent la Monarchie dans la défense du monde catholique, sinon toujours dans les faits, du moins dans l'esprit de beaucoup d'espagnols. On avait longtemps dit que l'axe Madrid-Vienne était „le rouage majeur" „qui marquait la cadence" de toute la Monarchie espagnole. Son coût, en fait, était élevé, et son fonctionnement posait de nombreux problèmes. Pendant les années trente, les allusions à la „Très auguste Maison d'Autriche", expression par laquelle on exprimait l'union entre la Monarchie catholique et le Saint Empire, sont constantes dans la propagande et dans la correspondance diplomatique. A la veille de la décennie suivante, cependant, l'adhésion à la politique des Habsbourg de Vienne se fit moins nette. Des motifs dynastiques, politiques et religieux sont à l'origine de ce changement, clairement perceptible chez les négociateurs à Westphalie, sans qu'il soit facile de peser leur importance respective. Déjà en 1638 Saavedra plaidait pour qu'on considérât comme distincte la guerre contre la France de celle que se livraient l'Empereur et la Suède.54) A ce moment, beaucoup pensaient encore que Ferdinand III devait rester „la ferme colonne et le principal pinacle de l'Eglise". 55 ) Ainsi de la même façon que le terme de „chrétienté" laisse place définitivement à l'idée d'Europe 56 ), dans la correspondance diplomatique et dans les consultations s'évanouissent les expressions grandiloquentes appliquées à l'Empire, que cependant on utilise encore lorsqu'il s'agit de demander des subsides aux Cortes57). Bien que l'on respectât l'Empire, „la situation en l'Allemagne" inquiétait les espagnols, parce qu'ils doutaient non seulement de sa capacité, mais encore de sa volonté à tenir ses engagements. Double langage aussi à propos de l'Empereur. Peñaranda en parle quelquefois comme du „pauvre Empereur", qui manque tellement d'argent „que certains jours ils sautent le repas, lui et l'Impératrice". 58 ) D'autres moments, il se gargarise de ronflants „Sa Majesté le César", pour s'insurger par ailleurs contre le fait que, malgré sa très haute dignité, il n'hésite pas à traiter avec la France.59) L'Empire étant sans ressources matérielles pour soutenir la guerre et réprésenté à Munster par un ambassadeur prêt à conclure la paix à n'importe quel prix, avec lequel d'ailleurs les Espagnols jamais ne sympathisèrent, on commençait à considérer que 54
) Diego Saavedra Fajardo, Discurso sobre el estado presente de Europa, dans: idem, Obras (note 1), 1199 sqq. 55 ) José María Jover Zamora, 1635. Historia de una polémica, semblanza de una generación. Madrid 1949,172-173. 56 ) Intéressant parallèle entre les deux idées dans les „Relaciones..." de Peñaranda (CODOIN [note 13], Vol. 84, 511 sqq.) et, bien entendu, dans Saavedra Fajardo. 57 ) Danvila y Collado, Poder civil (note 23), Vol. 6, 294 (Proposición a las Cortes, 1646). 58 ) Lettre au Roi (1-12-1645): CODOIN (note 13), Vol. 82, 213. 59 ) Consulta de la Junta de Estado (5-1-1645): ibid. 478.
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les liens qui unissaient les deux branches de la dynastie ne se fondaient pas sur des obligations réciproques, puisque c'étaient toujours les mêmes qui en résolvaient les problèmes et toujours les mêmes qui en récoltaient les fruits. 60 ) Dès 1645 aux nombreuses difficultés qui entouraient la mission des négociateurs espagnols s'en ajouta une autre imprévue: la crainte que Vienne ne signât une paix séparée, en un moment spécialement délicat pour la monarchie de Philippe IV.61) Peñaranda l'exprime clairement dans une lettre adressée à Castel-Rodrigo en juillet 1646: „La situation, Monsieur, ne peut plus durer. Le roi doit vivre par lui-même, puisqu'il n'y a plus d'Empire en Allemagne, puisque pour eux ne comptent plus la parenté, les liens de sang, l'amitié, plus l'honneur, ni le respect". 62 ) Malgré cette désaffection, les circonstances exigèrent le maintien de ces liens et, au premier chef, la question dynastique. Au début de la Conférence de Miinster les spéculations matrimoniales se centrèrent sur la princesse MarieThérèse. Sur elles reposait l'espoir d'une réconciliation avec la France. La cession des Pays-Bas en dot compenserait l'évacuation de la Catalogne par les Français. Soit Louis XIV, soit „le fils cadet du Roi très Chrétien" 63 ), épouserait Marie-Thérèse. Envisagée depuis longtemps, l'affaire ne plaisait pas à Peñaranda, bien qu'il fut chargé de la mener à bien. C'est lui d'ailleurs qui avait montré le risque que cette option impliquait quant à la „séparation des deux Maisons". Si les Couronnes de France et d'Espagne fusionnaient, „tout l'Empire passerait à la France". Il proposait donc une alliance en sens contraire, qui éviterait les risques successoraux et lierait de nouveau les Allemands à la Monarchie espagnole: „Puisque nous ne pouvons comme autrefois leur donner de l'argent ni des troupes, je n'escompte pas qu'ils voudront se maintenir dans les obligations qu'ils ont à V.M., et je ne sais du tout comment nous pourrions les arrêter si ce n'est par l'espoir du mariage de la princesse; s'ils apprenaient que Votre Majesté accepte de la marier en France et de lui donner en dot les Pays Bas, je crois que non seulement ils feraient une paix séparée, mais encore ils s'estimeraient libérés de toute obligation d'alliance avec nous". 64 ) La position de Peñaranda était partagée par quelques conseillers, comme le comte de Chinchón et Francisco de Melo, qui ne voulaient pas jouer avec le futur tant que l'héritier de la Couronne d'Espagne n'était qu'un enfant. Le mariage français comptait en revanche quelques partisans, tel que le comte de Castrillo, car un nouveau mariage de Philippe IV, veuf dès 1644, empêcherait une possible „réunion". Le but était certes de faire échouer les projets de la 60
) Matías de Novoa, Historia del reinado de Felipe IV: ibid. Vol. 80, 52 sqq. ) Consulta de la Junta de Estado (8-1-1646): ibid. Vol. 82, 261. « ) Ibid. 353. 63 ) Robert A. Stradling, Felipe IV y el gobierno de España, 1621-1665. Madrid 1989, 346-347. M ) Lettre au Roi (l-XII-1645): CODOIN (note 13), Vol. 82, 213. 61
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France, mais en tout état de cause, que le mariage se fasse avec un Habsbourg ou avec un Bourbon, sa simple éventualité était un moyen de pression décisif sur les Hollandais, car: „En tous cas, les droits sur les Pays-Bas devraient échoir à des princes très puissants, voisins des Dix-sept provinces, et qui n'ont pas besoin de la maîtrise de la mer pour les conquérir".65) Le mariage de la princesse dut attendre. Mais on ne pouvait pas oublier la question successorale. En 1646, Luis de Haro exposait au monarque le besoin impérieux de marier le prince héritier, Baltasar-Carlos, pour éviter toute spéculation sur la succession à la Couronne, ou le danger de voir celle-ci ceindre le front de sa soeur, la princesse Marie Thérèse, ou de quelque prince étranger. En outre, l'existence d'un bâtard reconnu, qui faisait une carrière militaire et qui jouissait d'appuis, pouvait compliquer la question successorale. Les candidates étaient nombreuses, et les conseillers réfléchirent beaucoup avant de faire connaître leur opinion sur les avantages et les inconvénients de chacune. Ils choisirent finalement la fille de l'empereur Ferdinand III, Marianne. La Junte d'Etat avançait trois raisons à ce choix: renforcer l'alliance entre Madrid et Vienne, dans un moment difficile pour tous les deux, favorisant ainsi les négociations de Westphalie en rehaussant la position des deux cours face aux Provinces-Unies et à la France respectivement. Eviter, en deuxième lieu, une paix séparée qui se solderait par le mariage de Louis XIV avec la princesse autrichienne. En troisième lieu, consolider l'union des deux branches de la monarchie, qui s'étaient dégradées, et maintenir la tradition dynastique des Habsbourg.66) En outre, ce mariage rendait possible une union future entre la princesse espagnole et le monarque français, si l'on signait un accord avec la France. En octobre de cette année-là, le prince mourut d'une pneumonie. La „très malheureuse nouvelle"67) provoqua la réunion urgente d'un Conseil d'Etat traumatisé par le fait que l'avenir de la monarchie dépendît d'une petite fille. On décida de marier le roi veuf à sa nièce d'Autriche, renforçant ainsi l'alliance avec Vienne, de peur que l'option française n'ouvrît la porte à l'installation des Bourbons sur le trône d'Espagne. En 1647 les Cortés reconnurent Marie-Thérèse comme l'héritière du trône, et le roi se fiança avec l'ancienne fiancée de son fils, Marianne d'Autriche, avec qui il se marierait en 1649. Un an avant, alors que reignait la crainte bien fondée d'une défection de l'empereur, celui-ci avait fait part à Madrid de son désir de voir Léopold Guillaume nommé gouverneur des Pays Bas. Le roi accepta après avoir hésité, à condition qu'il y allât accompagné d'une armée bien équipée. En 1647 le prince autrichien entra à Bruxelles. Castel-Rodrigo 65
) AGS, Estado, leg. 2347. ) Valladares, Inglaterra (note 49), 195-196. 67 ) Lettre de Peñaranda à Coloma (12-XI-1646): CODOIN (note 13), Vol. 82, 443. 66
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fut relevé de ses fonctions. Commença ainsi une période de tutelle partagée entre Madrid et Vienne. C'était un signe de repli aussi significatif que la paix avec la Hollande, mais cela signifiait aussi une utilisation intéressée des obligations dynastiques. Le transfert de la flotte de Dunkerque en Méditerranée et de soldats du nord de l'Europe en Catalogne, à Naples et en Sicile sont le symptôme le plus clair de ce repli tactique vers le sud.68) S'agissait-il d'un simple repli militaire? Certes non. La chose allait plus loin. C'était l'abandon progressif d'engagements impossibles à tenir et l'adaptation, imposée par les faits ou volontairement consentie, à une nouvelle réalité.
VI. Conclusion: Le dilemme espagnol à Miinster: le prestige ou la paix? Ce qui est évident après la lecture de la documentation espagnole concernant les traités de Westphalie, la correspondance diplomatique et les consultes du Conseil d'État, c'est le pari pour la paix. Une paix recommandée par tous, mais que personne ne se décide à mettre en route. Elle découlera finalement de la paralysie des armées et du constant appui que la Monarchie trouvait dans ses alliés naturels: „En fin de compte", écrit Peñaranda en décembre de 1645, „il est indispensable de faire la paix. S'il fallait donner des instructions à un nouvel ambassadeur, je lui dirais de faire une bonne paix, ou une paix médiocre, ou une mauvaise paix, mais de faire la paix, car il n'est plus temps d'ergoter, arrivés comme je crois que nous en sommes au point de ne plus avoir aucun moyen de poursuivre la guerre".69) Cette opinion est répétée dans tous les rapports et elle est partagée par tous les conseillers d'Etat, bien qu'avec des nuances. Combattue pourtant par l'invocation du „discrédit", de 1'„honneur", du „prestige" perdus, des „engagements" rompus, elle s'impose finalement. Cependant, l'impression générale des contemporains et même de l'historiographie postérieure, a toujours été que la délégation espagnole a rendu l'accord aussi difficile qu'elle l'a pu, en soulevant des difficultés pour des questions formelles de protocole et de représentation. Les deux impressions ne sont pas contradictoires, parce que toutes les deux étaient des pratiques habituelles à la diplomatie de l'époque et, bien entendu, elles n'étaient pas fortuites mais tactiques. Mais si au début élever des obstacles a été un but en soi, à partir du printemps de 1646 l'objectif fondamental était bien de s'entendre, au prix de quelques cessions territoriales. En même temps que leur position s'assouplissait, 68
) José Alcalá Zamora, España, Flandes y el mar del Norte. Barcelona 1974,467. ) CODOIN (note 13), Vol. 82, 224.
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les diplomates espagnols effectuaient des gestes spectaculaires, telle leur proposition de se soumettre à l'arbitrage d'Anne d'Autriche, régente de France et soeur de Philippe IV, ou celle de publier la proposition française d'échanger la Catalogne contre les Pays-Bas. Cette dernière décida les Dix-sept Provinces à négocier séparément la paix avec l'Espagne. Pourtant, si à Münster on fit la paix avec la Hollande, la paix avec la France ne fut obtenue que dix ans plus tard. Si nous considérons les graves problèmes qu'affrontait la Monarchie espagnole à ce moment-là, la guerre en Catalogne et au Portugal, les révoltes de la Sicile et de Naples, la conjuration du duc de Hijar, la crise économique... l'accord est rendu plus significatif. Le traité signé, l'Espagne abandonna la conférence, consciente qu'elle était d'avoir agi de la seule manière possible. Indépendamment des résultats, je crois que l'on doit relever quatre points: 1. la complexité du système de prise de décision et ses conséquences, tant en ce qui concerne l'élaboration d'une ligne générale de politique extérieure que d'une stratégie de négociation; 2. la crise d'une politique fondée sur l'identité confessionelle, évidente dans les rapports avec le Saint-Siège, mais aussi dans l'absence d'intérêt pour le problème turc ou la situation en Irlande. Il s'agissait certes de problèmes périphériques, mais ils présentaient beaucoup d'intérêt pour les médiateurs; 3. la nouvelle orientation des rapports avec l'Empire et l'option en faveur d'un renforcement de cette alliance, mais dans une perspective différente, fondée sur l'intérêt et la raison plus que sur les sentiments dynastiques; 4. l'adéquation entre les objectifs et les résultats, étant donné les problèmes intérieurs de la Monarchie et l'internationalisation de quelques-uns de ces conflits.70)
70
) La traduction a été supervisée par Jean Pierre Dedieu à la Maison des Pays Ibériques (Bordeaux).
The Future of Catalonia A sujet brûlant at the Münster Negotiations* By Fernando
Sánchez-Marcos
I wish to make clear from the start which are the aims, scope, and approach of this paper: I will present a panorama of the complex and thorny negotiations on the future of Catalonia, between 1643 and 1648, at the Münster Peace Congress. I also offer a balance of both their continuities over this five year period and their occasional variations according to the changing fortunes of battle, inside and outside Catalonia. And by way of epilogue, in order to explain the result of the Franco-Spanish contest in which we must frame this theme, I shall briefly deal with the decade after 1648 until the Peace of the Pyrenees of 1659, because the future of Catalonia was to be shaped by the latter. My interest in this topic comes from the research I undertook on the relationships between Catalonia and the central Spanish Government after the revolt of the Catalans1) (especially from 1652 to 1656). So I am taking again the subject matter of my lecture, delivered in Münster in 1994, on the Peace of Westphalia, the Spanish debate and Europe.2) „Truth is that who dictates, I am he who writes" („la verdad es la que dicta, yo quien escribe") - happy epistemological ingenuousness of Francisco Manuel de Melo in his history of the War of Catalonia!3) Yet this ingenuousness is * In respect to the collaboration I have received to write this paper, I want to thank the valuable help which Fernando Anglada, Jaime Reula and Fernando González del Campo have given me. My gratitude too to Xavier Gil, professor of the Barcelona University, for his criticism. I also benefitted from the classical books and editions of sources reviewing for the Congress of Nijmegen-Cleve: Fernando Sánchez-Marcos, La historiografía española sobre la Paz de Münster (Congress Vrede van Munster - 350 jaar Nederland in Europa). Nijmegen/Cleve 1996 (forthcoming). ') This revolt or revolutionary war is also known as Reapers' War (Guerra dels Segadors in Catalan, Guerra de los Segadores in Castilian). The complete title of my thesis is: Cataluña y el gobierno central tras la Guerra de los Segadores, 1652-1679. El papel de don Juan de Austria en la relaciones entre Cataluña y el gobierno central, 1652-1679. Barcelona 1983. 2 ) Femando Sánchez-Marcos, Der Westfälische Friede, die spanische Diskussion und Europa. Münster 1995. 3 ) Francisco Manuel de Melo (or Mello), Historia de los movimientos y separación de Cataluña, y de la guerra entre la majestad católica de D. Felipe IV, rey de Castilla y de Aragón, y la Diputación general de aquel Principado. Barcelona 1981, 5 (Editio princeps: Lisboa 1645). The Diputación del General (Diputado del General in Catalan) or Generalitat was the executive and permanent committee of the Catalan estates' Parliament, situated in Barce-
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forbidden to us after the postmodernist storm. The question is quite more complex. My approach tries to combine two perspectives, as Golo Mann advises us4): the one is the perspective of the men of the period, to „swim with the stream of events", and the other is the one that the passing of centuries provides us. To consider present-day Catalonia only as a consequence of the events that happened in 1640-1652 would make no sense; yet to omit that confrontation in trying to understand the political culture of Catalonia, and her positions on Spain within her conception of Europe would be equally senseless. We would be making a mistake, both if we do not take into account the shared experiences and if we translate automatically to the present the attitudes of rough confrontation between most of the Catalans and the Spaniards during the period under discussion. In order to explain the Catalan issue at the Westphalian Peace Congress - given the factors of the strong Catalan sense of a collective identity and their constitutionalism - , we must consider briefly what the political situation of Catalonia was by the time the negotiations began at Münster in 1643, and especially the events between 1640 and 1643. In addition, my subject matter is closely related to that of other papers delivered at this conference on the Peace of Westphalia: those by Maria Victoria López-Cordón5) - who deals with the issue from a Spanish perspective - , Pedro Cardim about Portugal6), Horst Lademacher on the Dutch approach to the Peace, and those of Paul Sonnino and Lucien Bély on France, since it was the power which most influenced negotiations on Catalonia. This was so not only because, as we know, Catalonia had proclaimed as her count in 1641 the French king Louis XIII - by means of a constitutional and voluntary pact (according to the official and original Catalan interpretation) - , but also because France, until 1645 at least, had won decisive military triumphs and thereby directed the negotiations to a great extent. Finally it is also possible to establish some similarities between the Catalan question and the Bohemian one, although there is doubtless a major difference between both developments: the absence of a confessional confrontation in Spain, in contrast the importance of this factor in Bohemia.
lona. About Melo, his context and historiographic discourse, see the studies of Maria Teresa Amado and Antonio Bernat Vistarini, besides the classical ones of Edgar Prestage. 4 ) Golo Mann, Wallenstein. London 1976, foreword to the English translation. Quoted by Peter Burke (Ed.), New Perspectives on Historical Writing. Cambridge 1991, 239. 5 ) This author has remarked already the importance that the experience of the Peace of Westphalia had in the evolution of the Spanish thought on international relations; cf. Maria Victoria López-Cordón Cortezo, Equilibrio y alianzas: Holanda en el pensamiento internacional español posterior a Westfalia, in: Jan Lechner/Harm den Boer (Eds.), España y Holanda. Amsterdam/Atlanta, GA 1995, esp. 55 and 82. 6 ) Portugal's uprising against Philip IV's monarchy broke out in the same year 1640, only six months after the violent events of the Corpus de Sang-day (June 7) in Barcelona, which marked the beginning of the revolt.
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I. The Situation of Catalonia in the European Concert until 1643 What was the situation of Catalonia in the European concert - it would perhaps be better to say arena - at the beginning of the Münster negotiations? For more than one and a half centuries, since the time of the Catholic kings, Catalonia had been integrated into the Spanish composite Monarchy.7) This stemmed from a dynastic and voluntary marriage, but there were some subsequent moments of tension between Catalonia and the Spanish Court, increasingly dominated by the Castilians.8) In June 1640, a revolutionary movement broke out in the Principality, which led in the Reapers' War. This was sparked by the misconduct and abuses of peasants by the tercios billetted in northern Catalonia to fight against France, during the last phase of the Thirty Years' War. However, as Elliott explained, the problems began long before.9) In the alteraciones (quarrels) of Catalonia of 1640, there have been singled out rightly the dimensions of a social, politico-constitutional, and protonationalist conflict.10) After the Corpus de Sangn) and a few months of certain impasse, the breaking-off between the Generalitat12) and Philip IV occurred when the 7
) The idea that Ferdinand II the Catholic had founded a monarchy or empire composed of several provinces and nations was expressed, among the writers contemporary to the Münster negotiations, by the Aragonese Baltasar Gracián, El Político: D. Fernando el Católico. Huesca 1646, 9 and 11. More recently, John Huxtable Elliott and Xavier Gil have contributed to revitalize the term of composite monarchy in order to designate the Spanish Monarchy amongst other ones of Early Modern Europe; see John Huxtable Elliott, Catalunya dins d'una Europa de monarquies compostes, in: Pedralbes. Revista d'Histöria Moderna 13/1, 1995, 11-23, and Xavier Gil Pujol, Visió europea de la monarquía espanyola com a monarquía composta, segles XVI i XVII, in: Recerques 32, 1995, 19-43. A synthetic and clear exposé of the status of Catalonia in the territorial organization of the monarquía hispánica is to be found in Pere Molas, Catalunya i la Casa d'Austria. Barcelona 1996, 1121. For my own part, I showed the significant terminological oscillation in those years - and in the text of the Spanish-Dutch treaty signed at Münster itself - between the terms Spain (in the singular) and the Spains (in the plural), cf. Sánchez-Marcos, Westfälischer Friede (note 2), 12. 8 ) See Ernest Belenguer Cebriä, La Monarquía hispánica vista desde la Corona de Aragón. Valencia 1994, 57-82. 9 ) John Huxtable Elliott, The Revolt of the Catalans - A Study in the Decline of Spain (1598-1640). Cambridge 1963. This famous monograph has been published in Catalan (first edition 1966) and also in Spanish (first edition 1977). 10 ) For the bibliographical status quaestionis and the interpretative debate on the Reapers' War, see A. Simón Tarrés, La revuelta catalana de 1640. Una interpretación, in: John Huxtable Elliott/Rosario Villari/Antonio M. Hespanha et al. (Eds.), 1640: La Monarquía hispánica en crisis. Barcelona 1992, 17-43. See also in Eva Serra (Ed.), La revolució catalana de 1640. Barcelona 1991. " ) Cf. note 6. 12 ) The current publication of the Dietaris de la Generalitat de Catalunya (which present the records of its sessions) will allow us to know better its practice of political power. The latest volume appearing in this series, with an introductory study by Ernest Belenguer, covers the years 1578-1611. For the participation of the different social groups in the key political institutions of Catalonia see Joan Lluis Palos, Catalunya a l'Imperi dels Austria.
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Madrid Government (still led by Olivares) chose the hard line. 13 ) Soon after, Catalonia placed herself under the protection of France and, by the Treaty of Peronne (1641, October 19), she recognized the agreed sovereignty of Louis XIII as count of Barcelona, Rosselló and Cerdanya.14) The first general instruction given by the French Court to its plenipotentiaries in Münster (1643, September 30) reflects in some of its versions this constitutionalist or contractualist (pactista) approach in the treatment which was to be given to the issues of Catalonia - section thirteen - , at least at the beginning. 15 ) Thus we read in the first paragraph expressly mentioning Catalonia (significantly in a different paragraph than the one devoted to Rosselló): „L'on sçait que d'ancienneté ilz [les Catalans, F.S.] se gouvernoient par des fors et coustumes, qu'eux mesmes se sont donnéz des Princes, mais soubz des conditions, privilèges, et libertés" [„It is known that since ancient times they [the Catalans] governed themselves by means of statute laws and customs, they gave princes themselves, but under conditions, privileges and liberties"].16) However, a few paragraphs further on, the dynastic legitimacy is also emphasized as the foundation of the right of France to Catalonia: „Pour ce qui est de la Catalogne, Sa Majesté ne peut l'abandonner, estant engagée à la conserver tant par le droict qui lui appartient que par celuy que les Catalans luy en ont donné en se soubsmettant librement et volontairement soubz sa domination" [„As far as Catalonia is concerned, His Majesty cannot abandon her, for he has committed himself to conserve her, both by the right that belongs to him and La práctica del govern (segles XVI i XVII). Lleida (name of the Catalan city known in Castilian as Lérida) 1994. 13 ) This impasse and the later secession in 1640 are discussed, besides in the works mentioned in the notes 9 and 10, by Maria Angels Pérez Samper, Catalunya i Portugal: El 1640. Barcelona 1992. On the attempts of mediation between Barcelona and Madrid carried out by the Viceroy of Aragon, cf. Enrique Solano Camón, Coste político de una discrepancia: la caída del duque de Nochera, in: Actes del Primer Congrès d'Histöria Moderna de Catalunya. Vol. 2. Barcelona 1984,79-88. On Olivares and his attitude to Catalonia see especially John Huxtable Elliott, The Count-Duke of Olivares. New Haven/London 1986 (Spanish edition 1990); and also Eulogio Zudaire Huarte, El Conde-Duque y Cataluña. Madrid 1964. 14 ) The Catalan County of Rosselló receives in French the name of Roussillon (in Castilian, Rosellón). The French name of Cerdanya is Cerdagne (in Castilian, Cerdaña). 15 ) The proliferation of versions and modifications in some paragraphs is so extensive, that in some pages of the critical edition of the Acta Pacis Westphalicae [APW], there are more footnotes than text. It is a clear manifestation of the special complexity that the Catalan question meant to Paris. See e.g. APW Ser. I. Bd. 1. Münster 1962, 103. This volume includes the French instructions between 1636 and 1643. One or two volumes are yet to be published. The APW - co-ordinated by Konrad Repgen - comprise three series. Series II (Korrespondenzen) gathers, in its Section B (Die französischen Korrespondenzen) four volumes with the letters received from and sent to by the French representatives; the two first volumes (years 1644 and 1645) have already been published. Section C of Series III (Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia) is devoted to the diaries of several diplomatic representatives at the Miinster Congress. Its vol. 1 collects the edition of the Diarium Chigi, 1639-1651. Only its first part, the text, has been published. ') APW Ser. I. Bd. 1 (note 15), 191.
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by the one which the Catalans have given him by subjecting themselves freely and voluntarily under his domination"].17) We see here the attempt to resolve the internal tension between the discourse of the leading political institutions of Catalonia, the Diputado and the Conseil de Cení18), and the absolutist tendencies of the French Government - a tension and even contradiction which we shall come back to later. At this time, a good part of the Catalan nobility and high clergy had emigrated from Catalonia to the Court of Madrid or other near dominions of the Spanish Monarchy (especially Saragossa and Naples). 19 ) Moreover, Philip IV kept on deeming himself the legitimate monarch of the Catalans, and indeed from a military viewpoint his troops dominated a not negligible part of Catalonia (including some important cities, as Tarragona, and the stronghold of Roses). 20 ) However, most of the Principality, with Barcelona itself, and the Earldoms of Rosselló 21 ) and Cerdanya, was under the power of the FrenchCatalan army. Furthermore, after the downfall of Olivares, Philip IV was advised by a more ductile favourite, Luis de Haro, even if the Spanish Court continued to claim strongly its aspirations to recover the entire Catalonia. It was foreseeable (and it is reflected in the testimonies of the representatives of several powers in Münster) that the matter of Catalonia's future would be one of the most difficult issues to be dealt with 22 ) - beginning with 17) Ibid. 102-103. 18 ) The Conseil de Cent (The Hundred [People]'s Council) was the civil organ for the Barcelona Government. 19 ) Jordi Vidal Pia, Guerra dels Segadors i crisi social. Els exiliats felipistes (1640-1652). Barcelona 1984, esp. 85-134. 20 ) In Castilian, Rosas. 21 ) In August 29, 1642, Perpinyà - Perpignan in French - was conquered by France. King Louis XIII was personally present during the campaign of Rosselló until June of that year (significantly, the only time he trod Catalan ground). The rest of Rosselló passed to French hands in the second half of the same year: Alicia Marcet-Juncosa, Le rattachement du Roussillon à la France. Perpignan 1995. 22 ) So, in the main instruction for the French envoys dated 1643, Sept. 30, we read: ,,1'affaire des Catelans et des Portugais est extrêmement difficile de sa nature" [„the matter of the Catalan and the Portuguese is extremely difficult by its nature"]: APW Ser. I. Bd. 1 (note 15), 129. And another source reports with hyperbole, that „la opinio que tenen los mes politichs es, de que se tindran [a Münster, F.S.] mes conferencies per las cosas de Cathaluña, que per totas las de Europa juntas" [„the opinion which most political men have is that there will be held more conferences [at Münster] for the things of Catalonia than for all of the European ones together"]: Isidoro de Pujolar (agent in Paris of the Catalan institutions) to the consellers (the Barcelona councillors), 1643, April 28: Arxiu Historie Municipal de Barcelona (AHMB), Secció Conseil de Cent (CC), Sèrie Cartes Comunes Originals (CCO), cota x-78, fol. 36. The Cartes Comunes Originals were the original common letters received by the consellers from any people outside Barcelona, including their agents and ambassadors in other countries. Unlike the previous letters, the royal ones were gathered in a special series (Cartes Reials [CR]). Among others interesting are the series which collects the closed letters sent by the consellers themselves, often with instructions to their envoys and representatives (Lletres Closes [L1C]).
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the question which diplomatic rank it was possible and rightfull to give to the representatives of Catalonia and Portugal. The position of Madrid was categorical in this respect: it opposed resolutely the presence of formal delegates of its rebel territories 23 ) - at least the ones from Catalonia and Portugal - , for the case of the United Provinces of the Northern Low Countries had a significantly different trait: defacto, the independence of the United Provinces - the Netherlands - had in some ways been implied by the truce of 1609. The attitude of Madrid did not totally clash, in some ways, with the interests of the French Government; the latter could and did negotiate to gain as much support as possible from the institutions of the Catalan estates, but the French Court did not really want either an independent or an unguided action of the Catalan (or Portuguese) representatives at Münster. In any case, though it is difficult to determine if it was more by necessity or by conviction, Paris asked the Catalan institutions, on July 15,1643 24 ), to send one representative to Münster in order to advise the plenipotentiaries of France in the matters concerning Catalonia, and to give them arguments against the foreseeable diplomatic offensives of Madrid. The Diputado and the Consell de Cent agreed very quickly, by mid August, to choose Dr. Josep Fontanella. 25 ) Anxious to be in Münster, the Catalan representative was already in Paris by 10 September of that same year. He arrived at the Westphalian city via The Hague - where the Catalan had remained several months - from 17 March 1644 onward, in the retinue of one of the French representatives. For its own part, the Spanish delegation - led at that time by Diego Saavedra Fajardo 26 ) - awaited Fontanella's entrance in the city with great interest and not without distrust. 27 ) 23 ) Cf. the copy of a letter from Saavedra Fajardo to Manuel de Moura y de Cortereal, Marquis of Castel-Rodrigo and Governor of Flanders, Münster, 1643, Dec. 3: Biblioteca Nacional de Madrid (BNM), Sala de Manuscritos (SM), E. 68 (Colección de documentos inéditos para la historia de España [CODOIN], 112 Vols. Madrid 1842-1895, Vol. 82, 7). Other writings gathered in vols. 82-84 come from the dossiers (legajos [leg.]) of the Secretary of State (SE) of the Archivo General de Simancas (AGS). About Saavedra, see note 26. 24 ) José Sanabre Sanromà, La acción de Francia en Cataluña en la pugna por la hegemonía en Europa, 1640-1659. Barcelona 1956, 355. 25 ) Regent of the Audiencia (High Court) of Catalonia, Fontanella was the Catalan representative in Münster from March 1644 to January 1645. On his qualification and difficult task at Münster, see 286 ff. 26 ) Spanish writer and diplomat, Don Diego Saavedra Fajardo (1584-1648) was Knight of Santiago and Councillor of Indies. Saavedra served as Plenipotentiary at Münster from the second half of 1643 to July 1645. After he fell into disgrace, he was substitued by the count of Peñaranda (see note 56), and returned to Spain in 1646. Most prominent among his writings on political thought is: Idea de un Príncipe Político Cristiano representada en 100 Empresas. Münster/München 1640. His diplomatic labour was studied by Manuel Fraga lribarne, Don Diego de Saavedra Fajardo y la diplomacia de su época. Madrid 1955. Francisco Murillo Ferrol analyzed his politicai theories: Francisco Murillo Ferrol, Saavedra Fajardo y la política del barroco. Madrid 1989 (first edition 1957). 27 ) Cf. copy of a letter from Saavedra to Castel-Rodrigo, Münster, 1643, December 3: AGS, SE (note 23), leg. 2345 (CODOIN [note 23], Vol. 82, 7).
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II. Continuities Persistant despite the Changing Dynamics of the Negotiations We shall now consider the continuities from the point of view of the global trajectory of the negotiations. We will later deal with the continuities that we can find by paying attention to the attitudes of the different polities. In the global evolution of the negotiations, the first continuity we note is that, for both the most directly interested polities (Catalonia herself, the Spanish Monarchy and the French Kingdom) and the Italian mediators, there was the continual awareness, as we said28), that the future of Catalonia was one of the most thorny and delicate themes to settle. As we know, this had been the case since the discussions about the official recognition of the Catalonian and Portuguese representatives even before the formal start of the negotiations, and it remained so until their partly fruitless end in regard to this particular point.29) Spain and France took fully contradictory attitudes30); in fact, they concluded the negotiations without reaching any agreement. The second continuity is that Catalonia remained more an object than a subject in the conferences. Her future was determined above all by Spain and France, without the representatives of the Catalan institutions that we could consider the most legitimate ones - according to the criterions of legitimacy of the period - making themselves directly heard. Catalonia was but one piece among many, on the chessboard where the contest for hegemony in western Europe was played between two great powers: the kingdom of France and the Spanish Monarchy.31) The fact that it was a negotiation between Catholics, including an important contingent of clergymen and Italians, would be the third continuity. Rome's
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) See 277 f. ) Only partially, since in fact - although it would be in an opposite sense to the wishes of the Catalan institutions - there was an approximation of attitudes between France and Spain; and in the Münster negotiations prefigured the later division of Catalonia, settled with the Franco-Spanish Peace of the Pyrenees. 30 ) One example of this disagreement is evident in a conversation between the French plenipotentiaries in Münster, Claude de Mesmes, Count of Avaux, and Abel Servien, Mr. de la Roche des Aubiers, and the Spanish ones - mediated by the Venetian Alvise Contarmi. The French wrote to Brienne, the Secretary of State in Paris, that Contarmi had told them how the Spaniards stated that, without giving back Catalonia to Philip IV, there would be no peace; the French representatives replied to the Spanish that under this condition, there could be no peace: letter from d'Avaux and Servien to Brienne, Münster, 1645, October 14: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1986,757. Servien was a Councillor of Louis XIV, and d'Avaux was the Superintendent of the French Finances and Commander of the Orders of His Majesty. 31 ) This idea, common in the historigraphy from early on, appears already in a certain way in the title of the work of Sanabre Sanromà, Acción (note 24). This study is the largest and most detailed exposé of the political evolution of Catalonia during the Reapers' War. 29
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presence was felt by everybody 32 ), and the papal nuncio Fabio Chigi - later to become pope Alexander VII - played an outstanding role as an official mediator. Two plenipotentiaries of Philip IV were also clergymen - although in very different degrees: Saavedra 33 ) and the elected archbishop of Cambrai, Joseph Bergaigne. Other ecclesiastical mediators participated in an informal but important way (e.g., according to Saavedra 34 ), a German Jesuit confident of both Spaniards and Catalans). And almost since the start of the negotiations, besides the continous intervention of the Italian mediators - Chigi and the Venetian Senator Contarini - , there was the very important participation of Cardinal Mazarin or Giulio Mazzarino (or Mazzarini), also born in Italy. He guided every step of the negotiations from the French Court. We must also take into account the particular place where the congress was held, a city located in an episcopal territory. Finally, though not an exclusive characteristic of these negotiations, the demands of the powers most directly confronted in the conflict for Catalonia varied substantially, according to the fortune of battle. In some ways, war was unfortunately the continuation of the Münster diplomacy by other means. 35 ) Let us explain now the continuities in the positions maintained by all the polities directly involved in the future of Catalonia. We will begin by the essential attitudes that were kept jointly, in a predominant way, by the Consell de Cetifö) and the Diputaciö del General - because there were some significant tensions between them during the Münster negotiations. Both institutions gravitated in the orbit of the French Crown. They guided their attitude according to the criteria of defence of a marked identity of Catalonia and a pactista constitutionalism. By means of their common representatives in Münster or before the French king, both entities wanted to avoid any infraction of the Catalan statute laws - especially in regard to the billeting of soldiers (French by then) which had caused so much unrest and suffering to
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) The Catalan representative even said that he supposed that there would be more negotiations on the peace at Rome than at Münster: Fontaneila to the consellers, Charleville, 1643, October 18: AHMB, CC, CCO (note 22), cota x-78, fol. 227. 33 ) Saavedra had received a canonry in Santiago de Compostela. His family had sent him to the ecclesiastical career, although he was never ordained as a priest. He lived many years in Rome, holding posts in the curia. 34 ) Copy of a deciphered letter from Saavedra to Philip IV, Münster, 1644, April 23: AGS, SE (note 23), leg. 2345 (CODOIN [note 23], Vol. 82, 37). 35 ) As we will see later, information about military successes and defeats constitued one of the most diplomatic resorts. Cf., for example, the expectatives and the attention paid to the fight for Lleida/Lerida (see end of the note 61). 36 ) On this subject, see Josep M. Torras Ribe, Els municipis Catalans de l'Antic Regim, 1453-1808. Barcelona 1983. Although Torras primarily covers above all the Bourbon period (the eighteenth century), in the chapter on the previous phase there are some pages about the power mechanisms of the Consell de Cent, and its ups and downs in the revolutionary decade of 1640 (68-75).
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the peasants. That pactisme (contractualism) expressed itself in the claim of the right of Catalonia to decide freely her linking to the French Monarchy. 37 ) Another guiding thread no less important was that the Diputado and the Consell de Cent worried about the guarantee of Catalonia's unity and indivisibility, for she comprised of the Principality itself (the present Spanish autonomous community of Catalonia, essentially) and the Counties of Rosselló and Cerdanya. The fact that Catalonia was divided during the whole time that the negotiations took place was a major threat to her unity in the future. Even if most of the country was controlled by French forces, we should keep in mind that a good part of it, including the important cities of Tarragona and Lleida (since summer 1644), was in the hands of Philip IV's army. With the aims mentioned before, the Catalan institutions tried to follow a policy of their own and to overcome, as much as possible, the compromised position that the weakness of their politico-military situation, and their subjection de facto to France, imposed on them. Moreover, the domestic divisions of the Catalan ruling class were reflected in the action of its institutions and representatives; I not only refer to the pro-Spanish sectors within this élite (both outside and inside Catalonia) 38 ) but also to the unresolved contests between different francophile groups 39 ). Though not within my specialty, the major concern about the economic implications that the Münster decisions could carry for Catalonia, especially with respect to trade, is also notable. When Josep Fontaneila was in the Netherlands, he discovered the Dutch political and economic model. 40 ) We can compare his discovery with the Austro-Dutch option taken by Catalonia in 1705. 37
) There was a strong juridical, historical and propagandistic polemic between the supporters of France and those of Spain. A good part of this polemic was centred on who was the legitimate sovereign of Catalonia and whether it was by right of inheritance or by election of the estates. Cf. Sánchez- Marcos, Westfälischer Friede (note 2), 13-14. On this debate, see Jaime Reula Biescas, Una aproximado a la publicística de la Guerra dels Segadors, in: Pedralbes. Revista d'Història Moderna 11, 1991, 640-647; Xavier Torres (Ed.), Escrits politics del segle XVII. Vol. 1 : Noticia Universal de Cataluña, de Francese Martí Viladamor. Vie 1995; and Ricardo García Cárcel, Historia de Cataluña. Siglos XVI-XVII. Vol 1. Barcelona 1985, 137-138. On Martí Viladamor see note 51. 38 ) There were more groups inside Catalonia since the Spanish conquest of Lleida, and principally after Philip IV renewed his oath of the Catalan constitutions, in that city, on 7 August 1644. 39 ) In spite of it, Sanabre provides some information, for instance in Acción (note 24), 330ff. and 388. See also A. Serrano, Josep Margarit, un patriota català a la revolta dels Segadors, in: Manuscrits 7, 1987, 219. 40 ) Fontanella wrote of his stay in the Netherlands „per ventura aprofitará ... tanbe pera establir la negociatio en Cataluña, que es lo unic remey per axir de la miseria en que estam, que los olandesos en lo[ Jprincipi de la guerra estavan molt mes pobres i espatllats que nosaltres, i ab[ ]la negociatio se[ ]son fets en breu temps los mes richs i poderosos del mon" [„perhaps it will be useful ... in order to establish trade in Catalonia, that is the only solution to escape the penury in which we find ourselves, since the Dutch at the beginning of the war were much poorer and in a much sorrier state than we were, yet with trade they have
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As for the kingdom of France, the most remarkable continuities maintained by its Court and representatives towards Catalonia were the following ones: first, and in clear contrast with the priorities of the Catalan institutions, a different approach in respect to Rosselló and the Principality. It was apparent in the language itself of the Paris Government, which differentiates often between the County of Rosselló and Catalonia41) - despite Catalan claims that that County was an integral part of Catalonia. In relation to Rosselló there was a precise and clear French position: it was a territory belonging to France by indisputable right, whose recovery was a must. The supplement to the instruction to the plenipotentiaries - containing the intentions of the French Court on the Miinster negotiations on 23 November 1645 - insists on the need to make a distinction between Rosselló (plus the stronghold of Roses) and Catalonia: France is determined „de ne pas souffrir qu'on nous mette en dispute la retention du Roussillon et de Roses avec toutes les dépendances"42) [„not to allow the dispute of our retention of Roussillon and Roses with all the dependencies"]. On the other hand, the Principality - which is called Catalonia in this instruction - was the point „qui est le plus délicat à traicter et à conclure" [„which is the most delicate to handle and resolve"].43) That is why the French ministers were examining different possibilities, more and more conciliatory in respect to Spain, principally orientated to „la satisfaction et à la seureté de ces peuples [les Catalans, F.S.], et à l'honneur de cette couronne à qu'ilz ont recouru et confié leur salut" [„the satisfaction and the security of these peoples [the Catalans], and to the honour of this Crown [France] to which they are inclined and to which they have confided their health"].44) One of these expedients - if it was the last resort to reach peace - would be to make the Catalans again subjects of the Spanish king, with all the guarantees that their privileges would not only be retained, but increased, and that France would vouch for this.45) One way to obtain this would be to involve themselves in the negotiations for peace, because they recognized their need to cease hostilities. The become in a short time the most rich and powerful men in the world"]: letter from Fontanella to the consellers, Dordrecht, 1643, November 17: AHMB, CC, CCO (note 22), cota x78, fol. 269. 41 ) See 276. 42 ) Supplement to the instruction to the plenipotentiaries, Paris, 1645, November 23: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 30), 875. Though Rosselló was doubtless an unrenounceable long-term possession, we must be precise with this point by recalling the stage when Mazarin intended to exchange Catalonia, and even Rosselló if need be, for the Spanish Low Countries (the other great objective of France beyond her frontiers). See the precedents and the continuity of the French aspiration to control Rosselló, in Marcet-Juncosa, Le rattachement (note 21). 43 ) Ibid. **) Ibid. 45 ) Ibid.
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French thought that in that case the Catalans would look for moderate solutions, „d'autant plus que parmi eux il n'y a que trop de personnes qui quoyqu'ilz ne l'ozent dire ne seroient pas marries de retourner soubz la domination d'Espagne à quelque prix que ce fust, et la plus grande partie des autres pourveu que ce fust avec seurété" [„all the more because among them there are all too many people who, although they did not dare to say it, would not be sad to return under the domination of Spain at any price, and [so would] the majority of the others [too], provided that it was with security"]. 46 ) However, regarding the Principality - the Catalan territory south of the Pyrenees - the French approach was less precise, and there were larger vacillations (the complex and diverse transcriptions about this are also a significant evidence). A second likely criterion, scarcely compatible with the previous one, was the need of keeping, as far as possible (principally for the sake of public opinion) 47 ), the commitments to defend Catalonia and her integrity, which the French Crown had ever since Catalonia decided, by free agreement, to recognize Louis XIII as her sovereign. It is also possible to mention the internal tension - noticed not only by Diekmann 48 ) - between the absolutist tendencies of the French Monarchy (under the Richelieu and Mazarin governments) and the constitutionalism or theory of elective kingship argued for by the Generalitat and the Consell de Cent.49) We can even realize that tension - as we said 50 ) - in the French general instruction of 30 September 1643. Though the constitutions of Catalonia were an important consideration for France, they were not the main one; the main consideration was the sovereign's orders (or those given in his name), determined by the military control enjoyed by him. If we consider the reluctance of the French Monarchy to accept the justification of its rule in Catalonia solely by a voluntary pact, we can understand much better the great anger of the Barcelona institutions when one of their envoys to the French Court, Dr. Francese Martí, published without their permission, in 1646, a pamphlet dedicated to Mazarin 51 ) where he justified, by means of hereditary rights 46
) Ibid. 876. Though when I wrote Cataluña (note 1) I had not yet consulted the APW, this analysis of the state of opinion in Catalonia coincides with my idea of three parties (or rather attitudes) during those years: pro-Spanish, pro-French and the ambiguous majority one. See esp. Sánchez-Marcos, Cataluña (note 1), 44—47. 47 ) The preservation of the union of Catalonia to the French Crown was the first Leitmotiv of the gazettes collected in Henry Ettinghausen (Ed.), La guerra dels Segadors a través de la premsa de l'època. 3 Vols. Barcelona 1993. Cf. also the dispatch of the French plenipotentiaries to their king, 1647, January 14: BNM, SM (note 23), E. 68 (CODOIN [note 23], Vol. 83, 36). 48 ) Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992, 232. 49 ) The theory justified the transference of sovereignty from Philip IV to Louis XIII. 50 ) See 276 f. 51 ) Francese Martí Viladamor, Manifiesto de la Fidelidad Catalana, Integridad Francesa, y Perversidad Enemiga. De la Iusta Conservación de Cataluña en Francia, Purgatorio de los
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(from Charlemagne to Louis XIII), the recovery of French control over Catalonia. 52 ) A permanent characteristic was the treatment of Catalonia by Paris in the light of an overall strategy, in which the former did not always play the principal part. A revealing fact is that, in the previously mentioned first general instruction to its representatives in Münster, dated 1643 53 ), the issue of Catalonia (or of Rosselló and Catalonia if we prefer) is widely mentioned only in section number XIII; however this does not necessarily mean that it was so secondary a question to the French Court.54) In regard to the Spanish or Catholic Monarchy of Philip IV, it is also possible to point out some main tendencies: in the negotiations with France, Catalonia was always a worrisome priority. According to the French, the Catalan issues were the ones „les Espagnolz ont plus ä coeur et qui les pressent le plus" [„the Spaniards have most at heart and which stress them most"].55) The definitive and irreversible loss of Catalonia was never accepted by the Madrid Government. Of course, the former was also (just as it was to France) only a part of the Spanish Monarchy56) - a worldwide monarchy in this case - , but an engaños que la offenden en el tratado de la Paz general en Munster. Amberes 1646. Martí was a public prosecutor (advocat fiscal) of the Batllia General (the General Bailiwick) of Catalonia. He had been one of the greatest propagandists of the Catalan uprising, and he was one of the most fervent supporters of France. In 1641 Marti had published his Noticia universal de Cataluña, in which he upheld the right of Catalonia to elect a prince who respected her liberties. About the action of Marti in the French Court, see 289. 52 ) The steps taken later against Marti by the Diputado and the Consell de Cent were not only due to theoretical-constitutional arguments but also due to the struggles for power among different groups of Francophile Catalan leaders (since in that manifesto Marti argued against the Governor of Catalonia, Josep Margarit, and the former French vice-roy La Mothe). « ) See 276. 54 ) This relative relegation was partly caused by the fact that the French Government prefered to reserve the complex theme of Catalonia to be played as a last trump card. 55 ) Letter from Servien to his nephew Hughes de Lionne, Councillor of State, Münster, 1645, September 9: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 30), 680-681. 56 ) However, to the Spanish politicians Catalonia was doubtless an inseparable part of Spain. On the other hand, the latter was considered the core of the Monarchy. In order to clarify these points it is useful to consider a letter of Don Gaspar de Bracamonte, Count of Peñaranda, to the General Luis Benavides, Marquis of Caracena (Peñaranda, a member of the Spanish Councils of Chamber and Justice, was the main Plenipotentiary of Philip IV in Münster from 5 July 1645 until the end of the negotiations); in that letter Peñaranda said: „es menester... aprender de una vez que en España hubo grandes Reyes sin Flandes ni Italia, y que así como los tesoros y la sangre de España han conservado todas esas otras provincias y Reinos, es menester que todos sirvan y se sacrifiquen si fuere necesario por el bien y conservación de E s p a ñ a , . . . y si se pierde Lérida, yo me río, señor mío, de Armentiers y de Lens, porque allá se disputará inmediatamente Aragón, Valencia y Navarra" [„It is necessary . . . to learn once and for all that in Spain there were great kings without Flanders or Italy, and that, just as the treasures and the blood of Spain have conserved all those other provinces and kingdoms, it is necessary that all of them serve and sacrifice themselves for the good and conservation of S p a i n , . . . and if Lérida is lost, I laugh, Dear Sir, at Armentiers
Sánchez-Marcos,
The Future of Catalonia
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essential part, the recovery of which demanded the aid of the other territories of the Aragonese Crown, both in the Iberian Peninsula and in Italy. 57 ) We said earlier that Philip IV thought always of himself as the legitimate sovereign of Catalonia (just as he did for Portugal); for this reason, the Madrid orders to its representatives in Münster were strict 58 ) - to refuse the recognition of any formal representation granted to Catalan and Portuguese subjects. Thus Madrid continued to appoint its viceroys and authorities for Catalonia, and some Catalans, as we have seen, engaged in a lively propaganda battle. 59 ) Last but not least, the Spanish Monarchy was aware of that it could not aspire to win completely the contest with France. 60 ) That is why Spain had to accept some territorial losses to reach peace. In this horizon, the renunciation of Rosselló - though with the purpose of recovering it at a more propitious juncture later - was a possibility accepted relatively soon. Moreover, that Earldom was in fact firmly controlled by the French-Catalan armies; consequently, the division of Catalonia was also a distinct option for the Spanish Monarchy.
III. Attitudes and Positions during the Different Phases of the Negotiations On paying attention - as we intend - to the negotiations on the future of Catalonia, it is helpful perhaps to differentiate three phases in the attitudes and positionings of the polities most directly implicated. The first phase would be the period, from March 1644 to January 1645, when Josep Fontanella, the common representative of the Consell de Cent and the Generalitat, was at Münster intervening directly, in some way, in the peace negotiations. We must determine, in view of the plain refusal of the Spanish Monarchy to recognize him as a delegate, on the one hand that Fontanella (like and Lens, because there [in Lérida] it will be disputed immediately about Aragon, Valencia and Navarre"], Münster, 1647, June 17: AGS, SE (note 23), leg. 2350 (CODOIN [note 23], Vol. 83,312-314). 57 ) On the attitudes of Aragon and Valencia, see Xavier Gil, „Conservación" y „defensa" como factores de estabilidad en tiempos de crisis: Aragón y Valencia en la década de 1640, in: Elliott/Villari/Hespanha et al. (Eds.), 1640 (note 10), 44-101. 58 ) Saavedra even threatened the pontifical mediator to leave the congress if the Portuguese and the Catalans were accepted as formal representatives: copy of a deciphered letter from Saavedra to Philip IV, Münster, 1645, May 29: AGS, SE (note 23), leg. 2346 (CODOIN [note 23], Vol. 82, 537-538). 59 ) Cf. notes 19 and 37. 60 ) The politician Cánovas del Castillo defended, in the nineteenth century, the idea that to sign a peace in that critical juncture was the best solution to save the most of the Spanish Empire. Cánovas was very influential in popularizing the idea of the Spanish decadence or decline, concerning the period then starting: Antonio Cánovas del Castillo, Historia de la decadencia de España desde el advenimiento de Felipe III al trono hasta la muerte de Carlos II. 3rd ed. Madrid 1992 (first 1854).
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the Portuguese envoy) was formally regarded as part of the entourage of the French plenipotentiaries; and on the other hand, that the regent of the Catalan High Court was treated with scant regard.61) We must also recall that in this period the negotiations went through channels not totally formalized.62) When the French Court asked the Catalan institutions to send one representative to Münster in order to advise its plenipotentiaries on Catalonian matters, the Barcelona organs chose Dr. Josep Fontanella. He was a prominent lawyer and one of the most determined supporters of breaking the links with the Spanish Monarchy.63) Two of the most important goals assigned to Fontanella, just as he wrote, were to end the French army's outrages against the peasants64), and to prevent the signature of a peace or truce between France and Spain, which did not respect the unity of Catalonia. Fontanella's correspondence re-
61
) As an example, in a report to the consellers on a conversation Fontanella kept with d'Avaux, he writes that the latter „no me ha dit quan[t] partiriam [de L'Haia, F.S.], ni yo lo[ ly he demanat q[ue] tinch proposat de no demanar cosa a estos Señors, ni voler saber dells sino lo que[ e]m voldran dir q[ue] si[ ]be me fan sobrada merce vull aguardar lo importunarlos pera quant se tractaran las cosas de Cataluña en Monster" [„he has not told me when we are to leave [from The Hague], nor have I asked him, since I am determined to ask nothing of these Sirs and to want to know nothing else from them but whatever they will want to tell me, since even if they do me more than enough favour, I want to wait to importune them only when the things of Catalonia are treated in Münster"]: AHMB, CC, CCO (note 22), x-79, fol. 4 r . As Sanabre and Serra remember us, Fontanella felt hurt because Chigi did not want to receive him: letter of Fontanella to the consellers, Münster, 1644, July 9: AHMB, CC, CCO (note 22), cota x-79, fol. 124 r/v . See Sanabre Sanromà, Acción (note 24), 355; and Jaume Costa/Artur Quintana/Eva Serra, El viatge a Münster dels germans Josep i Francese Fontanella per a tractar les paus de Catalunya, in: Brigitte SchliebenLange/Axel Schönberger (Hrsg.), Polyglotte Romania. Homenatge a Tilbert Didac Stegmann. Bd. 1: Beiträge zu Sprache, Literatur und Kultur Kataloniens sowie zur Geschichte der deutschsprachigen Katalanistik. Frankfurt am Main 1991, 257-294, esp. 266 ff. But the pontifical mediator had a scant margin of manoeuvre, because Saavedra had threatened him with leaving the congress if Chigi received the representatives of Catalonia and Portugal (see note 58). The nuncio could even have given a compensation to Fontanella, scarcely one month later: on 30 July the „teologo catalano" (the Catalan theologian), Joan Ayats, who went to Münster with Fontanella, visited the Italian: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 1.1. Münster 1984, 225; two days later Chigi met „fuor di porta [della città, F . S . ] . . . il reg[gen]te [della Corte di Cassazione, F.S.] di Catalogna [Fontanella, F.S.]" [„outside the gates [of the city] . . . the regent [of the High Court] of Catalonia"], 1644, August 1: ibid. 226. That same day, the mediator went to visit Servien and, also outside the city, he met sooner than Fontanella „i gentil[uomin]i del s[ig]. Saavedra" [„the gentlemen of M[r]. Saavedra"]: ibid. The news of victory of Philip IV's army near Lleida against the troops of Marshall La Mothe (the French Viceroy of Catalonia) had reached Münster at least one month earlier; the fate of Catalonia then came to the forefront of the negotiations. 62
) E.g. the debate about recognition of full powers continued until well into the year 1645. On the biographical evolution of Josep Fontanella's father, one of the best Catalan jurists in the epoch and Conseller en cap (mayor) of Barcelona, see Joan Lluís Palos/Ramón Ragués, L'hora dels juristes: Joan Pere Fontanella (1575-1649). Cultura jurídica i imaginan politic a la Catalunya del Segle XVII (forthcoming). 64 ) Letter from Fontanella to the consellers, Paris, 1643, September 28: AHMB, CC, CCO (note 22), x-79, fol. 164.
Sánchez-Marcos, The Future of Catalonia
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garding Münster - as well as that of his youngest brother, Francesc65) - has been studied by Eva Serra in „El viatge a Münster dels germans Josep i Francesc Fontanella"66); the letters of the former transmit to us, in a certain way, the perceptions of Catalan authorities of the debates at the Congress, which they followed from Barcelona with great interest. On 14 December 1644, the Queen regent of France, Anne of Austria, wrote to Fontanella asking him (with flattering words) to leave Münster, in order to return to Catalonia.67) This caused an evident disruption of the Catalan institutions.68) It is debated whether Fontanella had in Münster a certain degree of freedom to manoeuver, and to what extent the suspicions of the French Court Mazarin's exactly - about his hypothetical contacts with the Spanish representatives were grounded. According to Saavedra Fajardo's letters, he occasionally contacted Fontanella in an indirect and exploratory way, for example by means of a German Jesuit.69) But it seems that the Catalan did not want, or did not dare, to have a personal interview with Saavedra.70) The fact is that a few months after the Spaniard wrote that the negotiation with Fontanella was on the right track (1644, May 21) 71 ), and he said that the Catalan representative showed himself a supporter of La Mothe and was upset by the French action in Catalonia72), Paris decided to order Fontanella to leave Münster. Moreover,
65
) Francesc Fontanella accompanied his brother as a secretary; cf. Costa/Quintana/Serra, El viatge (note 61), 262. A playwright, Francesc composed during the travel to Münster- in Catalan language - three narrative poems and one sonnet which he sent to his friends in Barcelona. 66 ) See note 61. 67 ) AHMB, CC, CR (note 22), 1641-1646, fol. 72, in: Sanabre Sanromä, Acción (note 24), 356. This author even spoke of dismissal. 68 ) They declared repeatedly their annoyance about this to the French ministers in Paris. Cf. AHMB, CC, L1C (note 22), 1641-1646, fol. 34, in: ibid. 357. Fontanella himself had already warned - albeit with moderate words - the French representatives in Münster on the possibility ofthat risk. Cf. APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 30), 34. 69 ) See 280. 70 ) We say cautiously „it seems" for two reasons: First, we must examine more closely and deflate that diplomatic achievement, considering Saavedra's logic tendency to exaggerate it. Also, there is a gap in the letters of the CODOIN (note 23), Vol. 82, written by Saavedra in 1644 (from June 3 until July 1 - both inclusive - and from July 7 until November 9 idem), and they probably contained some complementary information. Perhaps in the future the mediators' correpondence, or other sources, will allow us to precise more the scope of these indirect contacts. 71 ) Copy of a letter from Saavedra to Philip IV, Münster: AGS, SE (note 23), leg. 2345 (CODOIN [note 23], Vol. 82, 58). 72 ) See the copy of a letter from Saavedra to Philip IV, Münster, 1644, July 9: AGS, SE (note 23), leg. 2345 (CODOIN [note 23], Vol. 82,503). It was rumoured, and it happened so really, that La Mothe would be removed from Catalonia because of his defeat in the front of Lleida. About the action of the French, Fontanella himself wrote: ,,Se que en Paris no[e]ns fan ningún be, ans be causan molt gran disgust y cuidado" [„I know that in Paris they [the French] do us no good, on the contrary they cause very great displeasure and worry"], letter
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the French Government was probably afraid, for good reason, of the conquest of Lleida by Philip IV's troops, and of his new solemn oath to the Catalan constitutions (7 August 1644), which caused the most tepid followers to hesitate the linking with France. The second stage would cover the years 1645 and 1646, until the signature of an agreement between the United Provinces and the Spanish Monarchy. 73 ) The future of Catalonia, without there being in Münster a direct representative of the Catalan institutions - although the brother of Josep Fontanella, Francese, was there for a short time as an observer 74 ) - , was widely discussed between the plenipotentiaries of France and Spain, and their positions varied according to the latest events and fortunes of battle. 75 ) During this period, the ideas of the possession of Rosselló by France and a truce in the Principality were frequently debated, especially after the Catholic Monarchy suffered its worst defeats in battle. 76 ) These plans, with the consequent division of Catalonia - temporary at least - , conflicted completely with the aspirations of the Barcelona ruling class. This was especially so in the case of Mazarin's plans 77 ), on January 1646, to explore a possible cession to Spain of the part of Catalonia controlled by France - including Rosselló if need be in exchange for the Spanish Netherlands. Of course France would demand that Philip IV make clear guarantees of the Catalan constitutions. Rumours about these projects - in spite of Mazarin's express orders to keep them secret would sow distrust towards France in Barcelona and The Hague, and it would help increase the division within the Catalan ruling élite - especially after the failures of the Franco-Catalan army to conquer Lleida and Tarragona in 1645 and 1646.
from Fontanella to the consellers, Münster, 1644, November 12: AHMB, CC, CCO (note 22), x-79, fol. 261. 73 ) On 8 January 1647, a document with the provisional articles for the Peace was signed, although the solemn ratification of the definitive treaty did not come until May 1648. See the general negotiations between the Netherlands, Spain and France - from a Spanish perspective - in Jorge Castel, España y el Tratado de Münster, 1644-1648. Madrid 1956. 74 ) On this one, see note 65. 75 ) According to the French plenipotentiaries, Saavedra recommended they not take advantage of their current favorable position, reminding of them that „les choses du monde sont subjettes à des grandes revolutions" [„the things of the world are subject to great revolutions"], letter from the French plenipotentiaries to Brienne, 1645, November 8: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 30), 822. 76 ) As an example, the Duke of Longueville, Henri d'Orléans - the chief plenipotentiary of France - , wrote to Mazarin, on 9 September 1645, that the count of Peñaranda insisted on a truce (in view of the devastating French campaign on the Lleida front). According to Longueville, this showed that the Spaniards would never accept to leave Catalonia to Louis XIV: ibid. 674. 77 ) Consultation from Mazarin to the French plenipotentiaries, 1646, January 20, in: Adolphe Chéruel (Ed.), Lettres du Cardinal Mazarin pendant son ministère. 6 Vols. Paris 1872-1890, Vol. 5 / 2 , 7 1 0 .
Sánchez-Marcos,
The Future of Catalonia
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In order to prevent the signing of the truce and to help raise reinforcements for the next campaign, the Catalan institutions elected Josep of Ardena, Commander of the Catalan Cavalry and Count of Ilia, as an Ambassador Extraordinary at the French Court. The instructions given to him are dated 1645, November 29. However, during Ardena's stay in Paris, Mazarin's secret handlings continued as did the suspicions of the Catalan ruling class. With the aim to reassure the latter, in February 1646, the French Court (by means of its Minister Le Tellier) asked the Diputado del General to send one or two persons to Paris - not to Münster - who were to report to the French plenipotentiaries at the congress about the matters of Catalonia. The Catalan institutions chose the jurist Dr. Marti Viladamor to defend their rights78); but they were very surprised when it was discovered that Mazarin had persuaded Marti and Ardena, on May 12, to accept his plans for a truce. Both of them were dismissed from their offices by the Diputado and the Consell de Cent. At the initiative of Peñaranda and Antoine Brun 79 ), the Spanish diplomacy gave clear priority, after the summer of 1645, to arranging a separate and urgent peace with Holland. This search for an agreement with the Northern Netherlands was carried out not only at Münster but also from Brussels and The Hague. 80 ) Meanwhile, the desire to come to an agreement with France on Catalonia - at least from the Spanish perspective - was somewhat dampened, since Madrid, expectating the failure of the alliance between France and Holland, hoped to improve its fortunes in the confrontation with Paris. Otherwise, at the moment when the French army proved irresistible in Flanders and the peace with the United Provinces appeared likely the necessity of accepting a truce in Catalonia again became apparent. 81 ) Finally, from January 1647 onward, once the Netherlands and Spain had agreed to the peace, including the recognition by Philip IV of the indepen78
) About his merits, see note 51. Marti's father, of the same name, was an important regalist jurist. He was the judge in charge of the prosecution against those involved in the proSpanish king plot of the summer of 1645. One of the accused was the Generalitat (and Church estate's) President, Gisper Amat, Abbot of Galligans. 79 ) Brun was a member of the Supreme Council of Flanders. 80 ) Cf. Peñaranda's reasons to the Flanders Governor in favor of a treaty with the Dutch: letter from Peñaranda to Castel-Rodrigo, 1645, August 28: AGS, SE (note 23), leg. 2063, in: Jonathan I. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606-1661. Oxford/ New York 1982, 359. By order of Philip IV, Peñaranda had to take all his decisions in accordance with Castel-Rodrigo. 81 ) In fact, the Spanish Government accepted at several junctures the possibility of a truce in Catalonia, parallel to the peace in Flanders: Royal Decree of Philip IV, Madrid, 1647, January 5, at the margin of a copy of an original Consultation of the Junta de Estado: AGS, SE (note 23), leg. 2350 (CODOIN [note 23], Vol. 82, 483 ff.). Thanks to later reports, we know that the Spaniards talked seriously with the French about the perpetual cession of Rosselló and the agreement of a truce in Catalonia for thirty years: copy of a Consultation of the State Council, Madrid, 1647, October 4: AGS, SE (note 23), leg. 2350 (CODOIN [note 23], Vol. 83, 540ff.).
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dence of the United Provinces, France supported the uprisings in the south of Italy against the Spanish Government. This had indirect negative repercussions on the possible rapprochement between both powers and their ability to solve the pending cases (amongst them Catalonia's). Spanish arrogance and the French desire to get the most out of her military triumphs frustrated the resolution of a long confrontation between both kingdoms, when even Catholic German princes (and finally the Emperor Ferdinand III himself) were determined to agree to the peace. Thus the beneficial and necessary Peaces of Munster and Osnabriick which we are now commemorating failed to extend their reach to Catalonia.
IV. Concluding Epilogue The agreements which were ratified at Münster and Osnabriick in 1648 could not bring the obstinate fight between Spain and France to an end. As I wrote on another occasion82), it was probably a judicious decision to ensure at that moment the possible and immediate peace - even if not a total one - , instead of delaying it until an uncertain agreement could also be reached between Paris and Madrid. This did not come until 1659, and it meant the division of Catalonia - a division which, in a good measure, was already prefigured during the course of the Münster conversations. But in the Peace of the Pyrenees the division was agreed to on different terms, more favourable to the Spanish Monarchy than the ones considered, for example, in 1645. This raises the question of why. The explanation lies to a large extent in the domestic evolution of France. Paul Sonnino and Lucien Bély have written in other papers about the Fronde, which began a few months before the end of the negotiations in Westphalia. The Fronde influenced in a very important way the historical fate of Catalonia. The resulting disruption to the French military occupying army in Catalonia together with the major efforts made by the Spanish King - was the main reason Barcelona rejoined the Spanish Monarchy in 1652 (and subsequently a large part of the Principality). This reincorporation was executed by means of an ambiguous process, partly by military force, partly by means of a pact between the majority of the Catalan ruling élite and the general and Philip IV's bastard son, Don Juan (or Juan José) of Austria, appointed plenipotentiary by his father. When the Fronde ended, the military advantage of France in Flanders and in northern Catalonia was again evident. Mars continued to whip her until 1659. In 1659, Philip IV, heeded the clamour directed at the whole government, de82
) Sänchez-Marcos, Westfälischer Friede (note 2), 27 ff.
Sánchez-Marcos, The Future of Catalonia
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termined to make peace with France. This meant accepting Spanish defeat, including the surrender of some border territories in Artois and in Catalonia. This resulted in the transfer of Rosselló, a part of Cerdanya and some little territories to Louis XIV's sovereignty. But if Catalonia did not succeed in preserving her politico-territorial unity after those decades of conflict, she succeeded in maintaining in a good measure - at least in regard to the Principality - her historical and constitutional structure, her language and her institutions of self-government - although with some significant and important reductions of these, made by the Spanish Crown. I have studied this new situation in my previously mentioned work „Cataluña y el gobierno central". 83 ) The Peace of the Pyrenees, immortalized by Velázquez, concluded with the marriage of the young Louis XIV of Bourbon to the Spanish Infanta Maria Teresa of Austria or Habsburg. From this marriage would arise the possible claims, vigorously discussed after Carlos II's death, of the French dynasty to the Spanish throne. Some centuries after, a king of that dynasty, Juan Carlos I, would be - and at present is - an important instrument of reconciliation and concord amongst the different Spanish territories and nationalities in a democratic system. All of them, and of course also Catalonia, can now find themselves again and project themselves beyond the state frontiers, in a politically united yet cautiously diverse Europe. Diverse because she has learned, after a century of hard totalitarian experiences of all kinds, that only a free and voluntary union is firm, a union based on mutual acceptance. United, because Europe is more conscious of her common heritage. Though from an exclusively nationalist perspective - either the Catalan or the Spanish one there are less reasons to celebrate the Peace of Miinster, seen from this perspective of cautious European unity the constructive achievements at Miinster indeed merit commemoration.
83
) See note 1.
Portuguese Rebels" at Münster The Diplomatic Self-Fashioning in mid-17th Century European Politics* By
Pedro Cardim
In the years that followed the Lisbon revolt of December 1640 against the Spaniards, the Portuguese diplomacy struggled to establish an alliance with France. However, such an alliance proved to be an extremely difficult goal to achieve, and in the two decades that followed 1640 the endeavours of the diplomats of the rebellious Duke of Braganza, enthroned as King John IV of Portugal, engendered nothing but frustrating results. Only in 1666 did France at last agree to sign a formal alliance with Portugal. The path to the treaty of 1666 was full of difficulties, and the peace congress at Münster was, perhaps, the event that most clearly showed how weak the position of John IV and his followers was. However, during the more than four years of their stay in Westphalia, the envoys of the rebellious Duke of Braganza worked very hard, and the intensity of their activity is clearly perceptible in the hundreds of letters sent from Münster and Osnabrück. 1 ) Besides which, they also wrote and published many propaganda texts and books. The ensemble of these writings provides us with a vivid picture of the major issues under discussion and of the character of those who played a major role in the Münster peace congress. This article, therefore, aims at studying the intense activity of the Duke of Braganza's envoys to Münster. It will benefit from the works so far published on this issue, but it will also make use of archival documentation, barely
* This research was supported by the Instituto Camöes and by the Junta Nacional de Investigado Científica e Tecnológica (Programa Lusitánia). Many useful comments and suggestions for improving the text I owe to Fernando Bouza Alvarez and Rafael Valladares Ramírez. The following abbreviations are used in the notes: AGS = Archivo General de Simancas; ANTT = Arquivo Nacional da Torre do Tombo, Lisbon; BA = Biblioteca da Ajuda, Lisbon; BNL = Biblioteca Nacional, Lisbon; BPADE = Biblioteca Pública e Arquivo Distrital de Évora. ') For an overview of the sources relevant to this theme, see Edgar Prestage, Ministros Portuguezes nas Cortes Estrangeiras no reinado de D. Joäo IV, e a sua correspondencia, in: Revista de Historia 4, 1915, 218-228; Moses Bensabat Amzalak, As relagöes diplomáticas entre Portugal e a Franca no reinado de D. Joäo IV. Lisboa 1934; another relevant correspondence is in BPADE, CVI/2-1 a CVI/2-9.
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studied by those interested in examining the role of Portugal at the Miinster peace congress. Furthermore, the printed texts and engravings, commissioned or written by the Portuguese diplomats, and published during or just after the peace congress, will also be taken into account. Such material is a highly valuable data source, because it provides a great deal of information, not only on the several phases of the negotiations, but also on the strategy of the Portuguese both at Miinster and at Osnabriick.
I. The Protagonists The works of José Ramos Coelho, Edgar Prestage and Eduardo Brazáo 2 ) have already drawn the profiles o f the representatives of the Portuguese rebels that were dispatched to the peace congress. Luís Pereira de Castro 3 ) and Francisco Andrade Leitáo 4 ), two royal officers, were sent to Miinster and given the rank of plenipotentiaries by John IV. Rodrigo Botelho de Moráis 5 ) was dispatched to Osnabriick. H e was later substituted by Cristóváo Soares de Abreu, a jurist and a royal officer. It is important to stress that the majority o f the participants 2
) Cf. Edgar Prestage/Karl Mellander, The Diplomatic and Commercial Relations of Sweden and Portugal from 1641 to 1670. London 1930; Edgar Prestage, As relafoes diplomáticas de Portugal com a Franca, Inglaterra e Holanda de 1640 a 1668. Coimbra 1928; idem, As duas Embaixadas do I o Marqués de Niza a Franca (1642 a 1646-1647 a 1649), in: O Instituto 66, 1919, 225-241; Eduardo Brazáo, A acfáo diplomática de Portugal no Congresso de Vestefália, in: Anais da Academia da Historia 7, 1942, 491-533; idem, A Diplomacia Portuguesa nos Sécutos XVII e XVIII. Vol. 1: 1640-1700. Lisboa 1979; see also José Ramos Coelho, História do Infante D. Duarte, irmáo de el-rei D. Joao IV. Vol. 1-2. Lisboa 1889; Edgar Prestage/Pedro de Azevedo/Possidónio M. Laranjo Coelho (Eds.), Correspondencia diplomática de Francisco de Sousa Coutinho durante a sua Embaixada em Holanda. 3 Vols. Lisboa 1920-1955. 3
) The diplomatic instruction given by John IV to Pereira de Castro was published by Brazáo, Acfáo diplomática (note 2), 498 ff.; the Portuguese diplomat wrote a description of his experience at the Miinster negotiations, entitled „Relafao do que eu Luis Pereira de Castro ... passei na Embaixada de Franga aonde fuy por Embaxador extraordinario, e na de Munster aonde fuy por Plenipotenciario ao Tratado geral da Paz": BNL, PBA 606 (there is a manuscript copy of this text: BNL Caixa 199 no. 42). One of the best works on the diplomatic relations between Portugal and France is Amzalak, Relaijóes (note 1). 4 ) Apart from his career in the administrative apparatus of the Portuguese Crown, Andrade Leitáo also contributed to the propaganda of the Portuguese rebels; he is the author of a Oragao recitada a 15. de Dezembro de 1640 no Auto do Juramento Del Rey D. Joao o IV. Lisboa 1641; in 1641 he was dispatched to England (BNL cod. 282 fol. 284) and to The Hague as a diplomat of John IV. Thereafter, he published an account of that diplomatic mission: Andrade Leitáo, Discurso político sobre se aver de largar a coroa de Portugal, Angola, S. Thome e Maranhao exclamado aos Altos e Poderosos Estados de Olanda. Lisboa 1642. 5 ) Botelho de Moráis was dispatched Resident in Stockholm, as representative of John IV (cf. Prestage/Mellander, Relations [note 2], 48 ff.).
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in the peace congress refused to acknowledge the right of the Duke of Braganza's envoys to the rank of plenipotentiaries. Neither Spain nor the central European kingdoms recognised the right of the rebellious John IV to play an active role in the peace congress. In any case, in the various instructions that he sent to Miinster, John IV firmly urged his envoys not to be submissive, and to behave as if they were representatives with a rank recognised by everyone else. 6 ) In the meantime, in Paris, Vasco Luis da Gama (Marquis of Niza and Portuguese ambassador to the French kingdom 7 )) and Älvaro Pires de Castro (Marquis of Cascais and Envoy Extraordinary dispatched to France in February 1644 8 )) co-ordinated the background diplomatic action. Another important figure of the Portuguese strategy was Antonio Moniz de Carvalho, secretary of the Marquis of Niza and later Resident in Paris. During the years of the Miinster peace congress, Moniz de Carvalho struggled to obtain comprehensive and up-to-date information about everything that was going on at Miinster, and he constantly put a great deal of pressure on the French ministers at the Court of Paris, with whom he had to speak either in Castilian or in Latin. Far away from Miinster, but still influencing the action of the envoys of the Duke of Braganza, the so-called „prince" Edward also played an active role at the Miinster peace congress. Due to the fact that he was the brother of the rebellious John IV of Portugal, he had been imprisoned by the Spaniards and taken to a fortress in Milan. The Frenchman François (or Francisco) Taquet, an „agent" in Edward's service, provided him with detailed information about the negotiation process. Through Taquet, Edward made many suggestions about what the Portuguese should do at Miinster, and kept constant contact with the diplomats in Paris and in Westphalia. Taquet himself also played an important part in the Portuguese strategy, for he frequently commented on the course of events and discussed it with the emissaries of John IV. The Frenchman was also responsible for a crucial connection with one of the peacemakers at Miinster, Contarini, through the Italian writer and pro-Portuguese pamphleteer Giovanni Battista Birago. As we will see, throughout the years of the Miinster peace congress the envoys of the Duke of Braganza were often driven to despair because of the enormous difficulties they faced, not only on their journey to Westphalia, but also during the time they spent at Miinster and at Osnabrück. Their situation 6
)Amzalak, Relaçôes (note 1), 114. ) The Marquis of Niza was a kind of leader of this ensemble of diplomats - he was granted the power to decide in more urgent matters, especially when there was no time to send a request for instructions to Lisbon; tljis is clearly stated in the instruction he was given by John IV, dated 26 September 1646: BA 51-11-28 fol. 106. About the role of the Marquis of Niza as a diplomat, see Prestage, Embaixadas (note 2). 8 ) The Marquis of Cascais was dispatched to Paris on a visit of condolence on the death of Louis XIII. 7
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was very uneasy due to the following reasons: the shortage of money, the lack of support from Portugal, the extremely cold weather in Westphalia, and all the threats made by the officers of the Holy Roman Empire and by the delegates of the King of Spain. Furthermore, the relationship between the Portuguese dispatched to Münster was far from being peaceful, and various conflicts took place. 9 ) Some of the tensions were motivated by the desire and the necessity of receiving a reward from the rebellious John IV in return for rendering diplomatic services in Westphalia. In fact, one should not forget that most of the Portuguese diplomats had to pay almost all of their expenses with their own money, which is why they all tried to prove to John IV that their contribution was the most vital for the full accomplishment of the mission. As we will see, this fact also contributed to the deterioration of the atmosphere within the Portuguese delegation. The envoys of the rebellious John IV also lacked experience in international negotiations. They were facing the mighty and highly experienced diplomacy of the Habsburgs, which comprised very prestigious ministers such as Don Diego de Saavedra Fajardo, dispatched to the Münster peace congress in July 1643 as chief of the embassy of Philip IV of Spain. 10 ) Don Diego was categorically instructed not to allow any mention of the events that had taken place in Portugal in December 1640, and to reject the participation of the Portuguese as legitimate plenipotentiaries to the Münster peace congress. The envoys of Ferdinand III, the Holy Roman Emperor, in particular the Count Maximilian von Trauttmansdorff and Isaak Volmar, fully supported the Spaniards in their struggle against the Portuguese rebels. The Habsburg delegation - which also included Gaspar de Bracamonte y Guzman, Count of Peñaranda, the Counsellor Antoine de Brun (a high officer of the Duchy of Bourgogne) and also some Portuguese nobles who had remained loyal to Philip IV of Spain, such as Don Manuel de Moura Corte-Real, Marquis of Castel-Rodrigo - frequently opposed the French envoys 11 ), no9
) Amzalak, R e l a t e s (note 1 ), 106 ff. ) See Diego de Saavedra Fajardo, Obras Completas. Ed. by Ángel González Palencia. Madrid 1946, 83; see also Quentin Aldea Vaquero (Ed.), España y Europa en el siglo XVII. Correspondencia de Saavedra Fajardo. Madrid 1986; and Colección de documentos inéditos para la Historia de España [CODOIN], 112 Vols. Madrid 1842-1895, esp. Vols. 82 to 84. ") On the Spanish strategy in the Münster peace congress, see Fernando Sánchez Marcos, Der Westfälische Friede, die spanische Diskussion und Europa. Münster 1995; Jorge Castel, España y el tratado de Münster (1644-1648). Madrid 1956; José María Jover Zamora/ Maria Victoria hópez-Cordón Cortezo, La imagen de Europa y el pensamiento político-internacional, in: Historia de España. El Siglo del Quijote (1580-1680). Vol. 1: Religión, Filosofia, Ciencia. Madrid 1986, 355-522; Jonathan Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World, 1606-1661. Oxford 1989; John Huxtable Elliott, Foreign Policy and Domestic Crisis: Spain, 1598-1659, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik, 16181648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 185-202; the contribution 10
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tably Henry d'Orléans (Duke of Longueville and of Estouteville), Claude de Mesmes (Count d'Avaux) and Abel Servien (Count of la Roche des Aubiers). In the early days of the negotiations, the French ministers presented themselves as defenders of the Catalan 12 ) and the Portuguese causes, and for that reason they frequently provoked the Spaniards' anger. At the same time, d'Avaux was constantly receiving instructions regarding the attitude towards Portugal that he should adopt. These instructions were sent by Brienne (the French Secretary of State) and by Cardinal Mazarin himself, and they forced d'Avaux to act in a rather unstable way. As regards the other French diplomat, Servien, he showed some interest in the Portuguese affairs, perhaps due to the great amount of „gratifications" he received from Pereira de Castro, one of the envoys of John IV. Nevertheless, and as we will see in the following pages, the more the negotiations progressed at Münster, the weaker the situation of the rebellious Duke of Braganza became. As to the Swedish delegation, both Johan Axelsson Oxenstierna (Count of Södermöre and son of the Chancellor Axel Oxenstierna) and Johan Adler Salvius demonstrated a moderate commitment to the Portuguese cause. Regarding the several peacemakers working at Münster and at Osnabrück, the Italians, Fabio Chigi, Bishop of Nardo and papal ambassador (who was to become Pope Alexander VII in 1655) and Alvise Contarmi, the Venetian ambassador, were the ones who dealt with the affairs of the Portuguese rebels. 13 )
II. The Slow Pace of the Negotiations The very beginning of the negotiations proved to be highly problematic for the envoys of the Duke of Braganza: the so-called „preliminary agreement", signed in Hamburg on December 25, 1641, limited the participation in the of Diego de Saavedra was studied by González Palencia in his edition of the writings of Saavedra Fajardo (note 10), and also by Manuel Fraga Iribarne, Don Diego de Saavedra Fajardo y la diplomacia de su época. Madrid 1956; Geoffrey Parker, The Thirty Years' War. London 1984. 12 ) France and the Diputado General de Catalunya signed an agreement in 1641. The Catalans thereafter dispatched Josep Fontanella to the Münster negotiations (cf. Jaume Costa/ Artur Quintana/Eva Serra, El viatge a Münster dels germans Josep i Francese Fontanella per a tractar les paus de Catalunya, in: Brigitte Schlieben-Lange/Axel Schönberger [Hrsg.], Polyglotte Romania. Homenatge a Tilbert Dídac Stegmann. Bd. 1 : Beiträge zu Sprache, Literatur und Kultur Kataloniens sowie zur Geschichte der deutschsprachigen Katalanistik. Frankfurt am Main 1991, 257-294; see also Jover Zamora/López-Cordón Cortezo, Europa [note 11], 474 ff.). About the French strategy regarding Catalonia, see Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 2. Aufl. Münster 1965, 97ff. On his way to Münster, Luís Pereira de Castro, one of the Portuguese envoys, met Josep Fontanella in Charleville, and the two made the rest of the journey together („Relafäo da jornada", fol. 38). 13 ) For a comprehensive list of the participants in the Münster peace congress, see Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. III. Abt. D. Bd. 1. Münster 1964, 345 ff.
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Münster peace congress to the plenipotentiaries. Such a rank, however, was only granted to those who had been sent by rulers and governments recognised by the international community. The Spanish diplomacy welcomed this decision, because it automatically excluded the emissaries of the Duke of Braganza as well as the ministers that Catalonia was planning to dispatch to Westphalia. At this time, the Portuguese rebels were expecting staunch support from the French and from Sweden. In fact, these two kingdoms decided to include the emissaries of John IV in their retinues to Münster, so that they could fight for a safe-conduct and for the recognition of their rank of plenipotentiaries. Pereira de Castro was the first one to travel to Münster: thanks to the efforts of the Marquis of Niza (the ambassador of John IV in Paris), he was allowed to make the journey as part of the French entourage, and left Paris in July 1643.14) Botelho de Morais managed to travel in the Swedish retinue, from Stockholm to Hamburg, and from there to Minden and Osnabrück. As for Andrade Leitäo, the third emissary dispatched to Münster, at first he planned to make the journey with the delegation of the United Provinces, but given their delay he ended up travelling by himself. Leitäo, like Botelho de Morais, did not arrive in Münster before 1644, but since the end of 1643 the moves of the three Portuguese were being carefully monitored by the authorities of the Holy Roman Empire, through a series of agents spread throughout the northern European region.15) The emissaries of John IV had three fundamental goals: to achieve the recognition of Portugal as a legitimate participant in the negotiations, separated from the Spanish delegation; to obtain the inclusion of Portugal in the peace treaty that was due to be signed after the negotiations (and consequently ensure the safety of the Portuguese overseas colonies); to accomplish the release of Prince Edward, the brother of John IV, prisoner of the Spaniards in Milan. The issue of Prince Edward's release was discussed throughout the Münster peace congress, but with no positive results. Via the French and the Swedish, in March 1645 the Portuguese suggested an exchange of prisoners from the battle of Jankau (Bohemia, March 1645); Andrade Leitäo offered 200 000 cruzados for the release of the Portuguese prince; the Swedes proposed the exchange of Edward for the Archbishop of Prague, imprisoned some time be14 ) In a letter sent from Vienna, dated 24 October 1643, the Marquis of Castel-Rodrigo warns the Spanish Consejo de Estado that „tres del de Berganza" were about to arrive at Münster integrated in the French entourage: he also urges the Spanish diplomats in Westphalia to convince the French that they should stop supporting the Portuguese rebels (AGS - Estado, Leg. 2345; this legajo includes many letters of Saavedra Fajardo, with plenty of information on the arrival of the Portuguese at Münster). 15 ) Auersperg to Ferdinand III, Osnabrück, 23 August 1643: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1. Münster 1969, 44-45.
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fore. 16 ) The Spaniards, however, did not even agree to discuss the matter, and firmly rejected all the proposals. The unfortunate prince died in the Milanese prison (September 1649).17) The two other major goals of the Duke of Braganza's envoys also met with fierce opposition from the Spanish delegation. Effectively supported by the officers of the Holy Roman Empire, Don Diego Saavedra Fajardo and the other Spanish diplomats rejected each single one of the dozens of proposals to discuss Portugal, put forward either by the French or by the Swedes. As Saavedra Fajardo put it, he did not want the name of the „Tyrant of Portugal" to dishonour the treaty.18) Judging from the documentation produced during the Münster peace congress, it seems that at the beginning of the negotiations the envoys of the Duke of Braganza expected firm support from France. Parallel to the congress, as we have already mentioned, the Portuguese rebels were struggling to establish an alliance with France and trying to prevent the French from signing any kind of peace agreement with the representatives of Philip IV of Spain. John IV had given explicit instructions to his envoys on that matter.19) In addition, the Marquis of Niza, the Portuguese ambassador in Paris, exerted strong pressure on Brienne, on Mazarin and even on Anne of Austria, the Regent of France, in order to convince them not to stop supporting Portugal. In 1646, when the Marquis of Niza returned to Portugal, his task was continued by his secretary, Antonio Moniz de Carvalho, appointed Resident on the Marquis' departure. On the French side, the first instructions given to the plenipotentiaries of Louis XIII stressed that the Portuguese affair was of no priority. From the available evidence it seems that the French wanted to leave the discussion about Portugal to the last part of the negotiations. However, Brienne's instructions concerning Portugal were rather ambiguous: though portraying those issues as non-vital for the French diplomacy, Brienne urged his plenipotentiaries at the same time, not to give up the right to help the states which had a friendly relationship with France. Such an ambiguity was noticed by Luís Pereira de 16
) Cf. Prestage/Mellander, Relations (note 2), 56ff. ) See Ramos Coelho, Historia (note 2). Counsellor Brun, in a letter to Philip IV, argued that Edward should never return to Portugal, ,,y si se juzga por mas apropriado se podra meter en un Articulo aparte y secreto per no manchar el tratado con el nombre de Don Duarte..." (Letter of 16 October 1646: AGS - Estado, Leg. 2348). 18 ) Cf. Saavedra Fajardo, Obras (note 10), 1418ff.; see also CODOIN (note 10), Vol. 82. 19 ) John IV, in his „Instrucijäo Secreta que S. Magestade deu ao Conde Almirante para guardar na Embaixada com que foi a Franía, em 26 de Mar^o de 1642" predicts what would happen to Portugal in case such an agreement between Spain and France was signed: „porque se acontecesse fazer El-Rey Christianissimo paz ou tregoa com Castella e a Caza de Austria, ficando eu de fora della, he certo que se converteriäo todas as armas de sua fac§ao contra estes Reynos..." (cf. Prestage, Embaixadas [note 2], 377-384). About the causes of the conflict between Spain and France, see Jover Zamora/López-Cordón Cortezo, Europa (note 11), 355ff.; see also Sánchez Marcos, Westfälischer Friede (note 11), 18-22. n
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Castro, who classified as „unequal" the conditions set by France for supporting Portugal during the Münster peace congress. That explains, I think, Pereira de Castro's prediction that the French support to Portugal would be highly unstable.20) 1644 was not a quiet year for the Duke of Braganza's cause in Westphalia: by February, Isaak Volmar, representative of the Holy Roman Empire, firmly declared that the Portuguese had no legitimacy to take part in the negotiations, due to the fact that they did not possess any mandate given by any ruler recognised by the international community. In the following month, the Imperial plenipotentiaries protested in a more determinate way, when they learned that Botelho de Morais was soon to arrive at Hamburg. As mentioned before, Morais was travelling as part of the Swedish retinue, and during the trip from Stockholm to Osnabrück he developed close friendship bonds with Oxenstierna. Highly concerned by all these facts, the representatives of the Emperor requested instructions on how the Portuguese envoys should be treated. From his Viennese court, the Emperor and his officers repeatedly gave the same reply: the men dispatched by the Duke of Braganza had no right to remain in Westphalia. Although the Imperial authorities systematically refused to give a safe-conduct to the Portuguese, by May of 1644 Botelho de Morais had arrived in Osnabrück. He was to remain there in the following months, strictly surveilled by the Imperial authorities. In the meantime, Francisco de Andrade Leitäo - the third Portuguese dispatched by John IV - was still in The Hague waiting for some opportunity to make a safe journey to Münster. Leitäo was visibly nervous, not only because of the delay in his mission but also because of the lack of results in his contacts with the French authorities. In fact, Leitäo repeatedly demanded that the French ought to treat him as if he were a legitimate diplomat (in spite of the fact that almost nobody in Europe recognised the legitimacy of the new ruler of Portugal). For Leitäo the reputation of John IV was at stake, and it was therefore crucial not to exhibit a subaltern attitude in front of the representatives of the European states. Nevertheless, the French firmly refused to treat the envoys of John IV as legitimate diplomats, and that made Leitäo very angry. However, he became even angrier when he learned that Pereira de Castro had accepted the offer to enter Münster as part of the French entourage, „as if he was one of their servants" - as Leitäo put it.21) As a result of this Leitäo 20
) „Escrito deste embaixador acerca do Tratado Geral de paz em relagäo a Portugal" (1643): BNL Caixa 13 nos. 23-24. The same expression appears in a letter sent by John IV to Pereira de Castro, dated 16 December 1643 (BNL caixa 13 no. 21); and throughout his „Rela£äo...", Pereira de Castro often mentions the „... incessantes variedades de Franca..." (see, for instance, fol. 93v). 21 ) The French plenipotentiaries prefered Pereira de Castro to Andrade Leitäo, which is clearly noticeable in a letter of d'Avaux and Servien to Brienne, dated 18 June 1644 (APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1. Münster 1979, 283); see also Manuel F. Visconde de Santarem (Ed.),
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announced, in a rather arrogant fashion, that he was going to enter Münster with great pomp, as a means of asserting the rights of the new ruler of Portugal. The announcement worried the French greatly, for they feared that it could radicalize the conflicts between the Spaniards and the rest of the negotiators. They thus tried to dissuade Leitäo from his intentions, but he insisted on his pretentious attitude, saying that he preferred to be a „velho gaiteiro" rather than a submissive servant of the French. 22 ) He arrived in Münster in the last days of September, the whole time under strict surveillance of the Imperial authorities. However, his entry was timid and discreet, in total contrast to his previous announcement. In May the French diplomats complained about the fact that Philip IV presented himself as „King of Navarra and Portugal, and Count of Barcelona". They claimed that those territories were no longer under the authority of the Spanish king. 23 ) At the same time they took the opportunity to submit a proposal for a discussion on Portugal. Once again, however, the reply both of the Spaniards and of the Imperial delegation was unwavering: the Spaniards steadfastly refused to discuss the matter 24 ), and the Imperial plenipotentiaries urged France to stop supporting the Duke of Braganza and his envoys. According to them, the affair of the Portuguese rebels was a highly conflictive issue that would most likely paralyse the negotiations. 25 ) In the weeks that followed, no relevant decision was made at Münster, and that lack of activity created an atmosphere of anxiety among all the diplomats. In the letters written by Botelho de Moráis one can clearly notice his tediousness because of that lack of action, but one can also sense his growing fear of leaving Osnabrück. In fact, since May 1644 the cavalrymen of the Bishop of Bremen had been threatening the Portuguese envoy, claiming that he had no safe-conduct and therefore did not have the right to remain at Osnabrück. In addition to that, Moráis faced another major difficulty: he had not succeeded in being received by Auersperg, the representative of the Emperor Ferdinand III at Osnabrück. The Imperial officer remained loyal to his Spanish allies and Quadro Elementar das Relaföes Políticas e Diplomáticas de Portugal com as diversas potencias do Mundo, desde o principio da Monarchia Portugueza até aos nossos dias. Vol. 4. Paris 1843,96. 22 ) „E por isto se disse E bem cabe aqui, depois de velho gaiteiro: muito estimarei que seia bem ouuida a minha gaita; E nao cessarei de a tanger onde entender que gostäo della; E ainda farei mais. E consentirei se fa?a menos de mim, por seruir a El Rey nosso Senhor E ao Reyno..." (letter to the marquis of Cascais, written in Deventer: BNL caixa 14 no. 65). On Leitäo's Character, see Prestage/Azevedo/Laranjo Celho (Eds.), Correspondencia (note 2), Vol. 1. 23 ) Cf. Prestage, R e l a t e s (note 2), 18 passim. 24 ) Saavedra Fajardo's comprehensive knowledge about international politics most impressed Servien (Servien to Brienne, Münster, 9 April 1644: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1 [note 21], 68-71). 25 ) Auersperg to Kurz, 18 August 1644: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (note 15), 588.
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systematically rejected any discourse with anybody sent by the Duke of Braganza, whom he considered a rebel against the legitimate king of Portugal, Philip IV. The only comfort for the unfortunate Portuguese was the friendly support granted by the Swedes: in his letters, Morais constantly praises Oxenstierna and the rest of the Swedish envoys, and seems to be completely convinced that they were going to give unconditional support to the Duke of Braganza.26) He also says that, unlike the French, the Swedes at times honoured him with the title of „excellency", a title reserved solely for plenipotentiaries. Obviously, the attitude of the Swedes made Botelho de Morais even more disappointed with the French, whom he often strongly criticised.27) It is important to stress that the action of both the French and the Swedish envoys was strongly influenced by the news they were constantly receiving from the war that was going on in many parts of the Iberian Peninsula. In fact, since lune 1644 several important military actions had been taking place along the Portuguese border, and at Miinster the negotiators often received contradictory information about the result of battles. Because of this, the French were notoriously interested in assessing, whether or not the Portuguese army was capable of fighting the Spaniards. They therefore urged Leitao and Castro to persuade their ruler to undertake offensive military operations against the Spaniards, instead of limiting his war effort to defence. 28 ) By October 1644, Pereira de Castro and Andrade Leitao had repeatedly requested an audience with the peacemakers. These requests were, nevertheless, unsuccessful and that worried the Portuguese even more.29) In addition, by that time the relationship between the two envoys was increasingly conflictive: Leitao was still annoyed with the French diplomats because they insisted on not treating him as a plenipotentiary. Likewise, Leitao was also very angry with Pereira de Castro, whom he strongly criticised because of his passive attitude towards the French.30) Botelho de Morais, at Osnabriick, expressed the same views about Pereira de Castro and often criticised his submissive attitude
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) „Os nossos suecios estäo firmissimos em nos ajudar", writes Botelho de Morais on 20 June 1644: BNL Cod. 2665, fol. 334; in October 1644 he praises Oxenstierna for all his support (BNL Cod. 2665, fol. 352). 27 ) In July 1644, Botelho de Morais strongly criticises the French plenipotentiaries in several letters written in code (BNL Cod. 2665, fol. 323 and 327). 28 ) In Paris, the Resident Antönio Moniz de Carvalho regularly received news of the military actions, and in a letter to the Marquis of Cascais he wrote that „em Munster se näo fas ainda nada, e os animos de huns, e outros estäo agora mais agros que nunca, e a pas esta no ceo" (Letter to the marquis of Cascais, Paris, 14 August 1644: BNL caixa 14 no. 57). 29 ) The peacemakers refused to talk directly with Andrade Leitao; nevertheless, he managed to transmit his proposals to Chigi and Contarini through some clergymen he met at Münster (BPADE cod. CVI/2-6, fol. 380 ff.). 30 ) Letter to the marquis of Cascais, Miinster, 5 October 1644: BNL Caixa 14 no. 95.
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towards the French.31) Botelho de Morais also stressed that it was useless of Pereira de Castro to spend so much money bribing Servien and his wife. 32 ) From the available evidence, it seems that by the end of 1644 there was a deterioration of the atmosphere within the Portuguese delegation; the same can be said about their relationship with the French. The relations between d'Avaux and Servien were also far from being harmonious, and their distress became worse with the successive requests from the Portuguese. When, a few weeks later, the Portuguese pressed the French to support them in a more determinate way, d'Avaux classified such requests as „irrealistical".33) In Paris, at the same time, Brienne and Mazarin were being pressured by the Portuguese ambassador, and Brienne often complained of the lack of patience demonstrated by the Portuguese diplomats.34) In a letter sent to d'Avaux and Servien, in November 1644, Brienne said that the Portuguese seemed to have forgotten that in the previous week the French diplomacy had submitted yet another memorandum to the negotiators about the right of Portugal to take part in the Münster peace congress.35) The only exception to this pessimistic mood of the Portuguese were the discreet festivities organised by Andrade Leitäo on December 1 and 15, 1644, celebrating the „Restoration of Portugal" and enthronement of the Duke of Braganza as King John IV of Portugal. The festivity consisted of a small banquet which brought together Leitäo, Pereira de Castro, the envoy of Catalonia and the Swedish Resident. As for the French delegates, Leitäo decided not to invite them, because he knew from the past, they would not treat him as a plenipotentiary.36) 1. „France and Portugal are not interested in achieving 31
peace!"
) Rodrigo Botelho de Morais, Osnabrück, 20 October 1644: BNL Cod. 2665, fol. 354; by that time, Botelho de Morais seemed to be very disappointed with the course of events at Münster. In a letter to a friend who was in Rome, he argued that „tern el Rej nosso senior dous plenipotenciarios em Munster, e hum em Osnabrug, em forma de familiares dos legados [of France, P.C.] a que assistem, sem outra utilidade que a perda de sua authoridade Real, e de tanta fazenda..." (letter to Dr. Manoel da Nöbrega, Osnabrück, 16November 1644: BNL caixa 13 no. 16). In a letter dated 24 June 1645, Servien informed Lionne that there were many conflicts among most of the plenipotentiaries (APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1986, 482). 32 ) Similarly, the Portuguese diplomats in Paris often distributed gratifications amongst the French ministers (see, for instance, a letter of the resident Antonio Moniz de Carvalho, dated 20 May 1646: BPADE cod. CVI/2-7, fol. 546 ff.). 33 ) D'Avaux and Servien to Oxenstierna, 4 November 1644: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1 (note 21), 588. 34 ) Brienne to d'Avaux and Servien, Paris, 26 November 1644: ibid. 667. 35 ) The Imperial envoys, nevertheless, rejected the proposal (Franz Wilhelm, count of Wartenberg and Bishop of Osnabrück, letter of 27 November 1644: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1. Münster 1987, 24). 36 ) Letter to the Marquis of Cascais, Münster, 17 December 1644: BNL Caixa 14 no. 121.
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On the very same day of the Portuguese celebration, Rodrigo Botelho de Moráis died in Osnabrück from a disease caused by the extremely cold northern German winter temperatures. With the death of Botelho de Moráis, the Duke of Braganza lost a crucial contact with Oxenstierna, and from that time on, the Swedish support gradually decreased. In addition, John IV also lost his only representative in Osnabrück. D'Avaux and Servien rapidly proposed the name of Leitäo to replace the unfortunate Portuguese. In doing so, they were surely aiming at removing the conflictive Portuguese envoy from the negotiations. 37 ) Leitäo, nevertheless, refused to go and remained at Münster. A few weeks after the death of Botelho de Moráis, a group of cavalrymen, by order of the Bishop of Osnabrück, seized his corpse and all his personal papers. As is known, this capture was requested by the Spaniards. They were interested in examining the private writings of the Portuguese diplomat, but the papers proved to be useless. 38 ) Thereafter, the Swedes strongly complained about this action, but that was to be their last gesture clearly in favour of the Portuguese. As mentioned earlier, at the beginning of the negotiations the Swedish representatives demonstrated a certain degree of interest for the cause of the Duke of Braganza, in part motivated by their rivalry with the Dutch. Nevertheless, as the negotiations progressed, the Swedes often hesitated about supporting Portugal, maybe because the envoys of John IV soon demonstrated a certain reluctance to relinquish overseas territories in return for military and diplomatic support. 39 ) This point may also explain the behaviour of all the other states, which at first promised an unconditional help to the Duke of Braganza, but later decided not to give that support. 40 ) Partly because of these difficulties, in 1645 the envoys of the Duke of Braganza changed their strategy: not only did they increase the pressure on the French, but they also tried to gain the attention of the two Italian peacemakers, the Venetian Contarini and the Nuncio Chigi. Until then Contarini had barely
37
) D'Avaux and Servien, in a letter to Brienne dated 7 January 1645, report the death of Botelho de Moráis, and admit that they prefered Pereira de Castro to Andrade Leitäo. According to them, Pereira de Castro was „beaucoup plus commode et raisonnable que son compagnon..."; for that reason, they suggest that Leitäo should be dispatched to Osnabrück (APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 [note 31], 34). 38 ) For more information on this issue, see Saavedra Fajardo's letter to Philip IV, dated 28 January 1645 (Saavedra Fajardo, Obras [note 10]; and APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 [note 31], 36-38). 39 ) Prestage/Mellander, Relations (note 2), 60 ff. 40 ) Concerning Sweden, this point is illustrated by the content of the 51 letters that Luis Pereira de Castro and Joäo de Guimaräes (Portuguese diplomat in Sweden) exchanged from 20 May 1644 to 30 May 1648; these letters were published by Fidelino de Figueiredo, R e l a t e s diplomáticas entre Portugal e a Suécia (1644-1652) - Subsidio documental, in: Revista de Historia 14/15, 1925/26, 266-307. See also Carlos Roma du Bocage, Subsidios para o estudo das R e l a t e s exteriores de Portugal em seguida ä Restaurado (1640-1649). Lisboa 1915, 123 ff.
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talked about the issue of Portugal, whereas Chigi had shown slightly more interest. In January 1645 the nuncio requested an audience concerning Portugal with Nassau and Volmar. Despite the lack of success of this request, Servien, the French plenipotentiary, was still optimistic about Chigi's opinion of John IV.41) At last, in the following month, Contarini gave the first statement concerning the Portuguese issue, and suggested to Servien that the only solution was to call for a truce with Spain. 42 ) But neither the Spaniards nor the Holy Roman Empire plenipotentiaries agreed to discuss the matter and would not even talk to the Portuguese, insisting that the envoys of the Duke of Braganza did not have the right to the rank of plenipotentiaries. Moreover, on February 8, 1645, Volmar declared that an audience would be granted to Andrade Leitâo only if he presented himself as „privatcavalier" or as „privatperson". 43 ) The Portuguese proudly refused the offer. Meanwhile, the situation of the Portuguese became even more difficult as the French and the Swedes also insisted on refusing to recognize their rank of plenipotentiaries. As we suggested earlier, since the beginning of the negotiations the French had frequently vacillated on this matter. 44 ) Their attitude towards the envoys of the Duke of Braganza was ambiguous, which was confirmed by the instruction given by Brienne to his ambassadors, in March 1645. Some weeks later, Servien timidly acceded to treat the Portuguese as ambassadors, but only on private occasions. 45 ) By that time, however, it was already well known that the French diplomats were trying to leave the Portuguese issue until the end of the negotiations, in order to avoid blocking other easier or more vital agreements. Both Servien and d'Avaux knew that the Spaniards would not accept a discussion, and therefore systematically tried to postpone the debate on the Duke of Braganza. This strongly distressed the Portuguese, but in the weeks that followed they continued to put pressure on the French authorities, both in Paris and in Miinster. In a letter to d'Avaux and Servien, dated 20 May 1645, Brienne complained about the enormous pressure the Portuguese ambassador was putting on him, and classified the behaviour of the Portuguese diplomats as „naive and thoughtless". 46 )
41
) Servien to Lionne, 11 February 1645: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 31), 132; see also the diary of Franz Wilhelm, Count of Wartenberg and Bishop of Osnabriick (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1. [note 35], 154). 42 ) Servien to Lionne, 6 February 1645: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 31), 122. 43 ) See APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1. Miinster 1984, 276-277. 44 ) See Visconde de Santarém, Relaçôes (note 21), 133. 45 ) John IV to the Marquis of Niza, 5 August 1645: Possidônio M. Laranjo Coelho (Ed.), Cartas de El-Rei D. Joâo IV ao Conde da Vidigueira (Marqués de Niza), Embaixador em França. 2 Vols. Lisboa 1940-1942, Vol. 1, 264. "6) Brienne to d'Avaux and Servien, 20 May 1645: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 31), 372-373; see also Visconde de Santarém, Relaçôes (note 21); d'Avaux and Servien to Brienne, 24 June 1645: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 31), 481.
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The Imperial plenipotentiaries, as well as the Spaniards, rejoiced over the conflicts between the French and the Portuguese. In addition, they took the opportunity to try to persuade d'Avaux and Servien to abandon the Portuguese. As a result, by August 1645 the negotiations were almost blocked, and rumours circulated that the French were eventually going to abandon John IV. Although Servien rapidly denied it, such rumours made the relationship between the French and the Portuguese delegation even more conflictive. In fact, since the beginning of the negotiations the Spaniards were well aware of the fragility of this French support of Portugal. Saavedra Fajardo knew very well that the prime motivation of the French was to put pressure on Philip IV of Spain. He also knew that the French were trying to assure their predominance in the internal affairs of Portugal, because by that time the English were, as well, trying to play a major role in Portuguese domestic politics. Nevertheless, in several of his letters sent from Miinster, Saavedra often expressed his doubts about the effective capacity of France to provide military support to Portugal, due to the poor condition of her economy.47) Like Sweden, France was interested in gaining possession of some territories of the Portuguese colonies, and on many occasions both d'Avaux and Servien made this known to Leitao and Castro.48) They also urged the Portuguese to help France in the war of Catalonia, and to undertake offensive military actions along the western Spanish border. Regarding the first demand, the Portuguese diplomats replied once again ambiguously, because they had been instructed not to cede any part of the colonies.49) Regarding the further demands, the Portuguese did not feel motivated to fight in the war of Catalonia; therefore they answered positively concerning the war effort against Spain: they repeatedly assured the French that they were engaged in massive offensives against the Spaniards. They often made strenuous efforts to prove that their army was strong enough to conquer significant parts of the Spanish territory.50) 47
) Letter of Saavedra Fajardo, dated 10 November 1644, published in: Saavedra Fajardo, Obras (note 10), 1395ff. See also Saavedra to Pedro Coloma, 7 October 1645: CODOIN (note 10), Vol. 82, 92 ff. 48 ) „Copia de hum Papel em que o Márquez de Niza dá conta a El-Rey do Estado em que deixou os negocios de Franga, e de tudo o que passou nelles, no tempo de suas Embaixadas naquella Corte", published by Prestage, Embaixadas (note 2), 305-317. For the political and economical significance of Brazil during this period, see Rafael Valladares Ramírez, El Brasil y las Indias españolas durante la sublevación de Portugal (1640-1668), in: Cuadernos de Historia Moderna 14, 1993, 151-172. 49 ) Nevertheless, on many occasions the Portuguese proposed the exchange of certain Brazilian territories for military assistance (cf. Rafael Valladares Ramírez, Sobre Reyes de Invierno. El Diciembre Portugués y los cuarenta fidalgos [o algunos menos, con otros más], in: Pedralbes. Revista d'Historia Moderna 15, 1995, 103-136, esp. 128 ff.). 50 ) The Marquis de Rouillac, dispatched ambassador extraordinary to Portugal (1644), was explicitly instructed to urge the rebellious King of Portugal to intensify the military actions
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In the last months of 1645 the Spaniards repeatedly accused the French of not being genuinely interested in reaching peace, and declared that Portugal was the major obstacle to an agreement. 51 ) As before, the Spanish legation was engaged in presenting France as the major impediment responsible for the lack of success in the negotiations. At the same time, the Portuguese once more asked for safe-conducts, but the Duke of Longueville answered that such a request was unfeasible. 52 ) From the correspondence of d'Avaux and Servien we can see that the atmosphere within the French delegation was becoming more and more pessimistic: Brienne considered that the only hope for Portugal was to negotiate a truce, because he believed that it was impossible for Portugal to participate in the negotiations. Nevertheless, in the last weeks of 1645 the French delegation finally managed to bring the issue of Portugal to the attention of the mediators. On that occasion the Italian peacemakers envisaged the possibility of treating the Duke of Braganza's emissaries as plenipotentiaries, but the Spaniards were violently opposed to that intention. In a memorandum entitled „Sobre las Diligencias que ha hecho para estorbar que los medianeros en sus proposiciones no incluyan al Tirano de Portugal", dated 18 November 1645, Saavedra Fajardo expressed his strongest concern about the mediators' statements regarding the Portuguese affair. Maybe as a result of the pressure mounted by the Spaniards, shortly after the memorandum the Nuncio Fabio Chigi and the Venetian Alvise Contarini relinquished their intention to accept the Portuguese as plenipotentiaries. As is known, Saavedra Fajardo and Chigi were close friends, and judging from their correspondence they always shared the same opinion about the Portuguese rebels. 53 ) By December 1645 the Swedes and the French requested, one more time, against Spain (see Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traités de Westphalie jusqu'à la Révolution Française. Vol. 3: Portugal. Ed. by Amédée Visconde Caixde Saint-Aymour. Paris 1886, 6). 51 ) See the diary of Franz Wilhelm, Count of Wartenberg and Prince-Bishop of Osnabriick, 4 October 1645: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1 (note 35), 294. Saavedra Fajardo was of the same opinion (letter to Philip IV, 11 July 1645: CODOIN [note 10], Vol. 82, 91 ff.). 52 ) Longueville, d'Avaux and Servien to Brienne, 11 November 1645: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2 (note 31), 835. See also the instruction to the French envoys, dated 23 November 1645: „Les Portugais vont bien plus avant, (mais assez légèrement à ce qu'il semble) car il n'y en a aulcun qui ne se flatte quoy qu'il arrive de pouvoir se conserver malgré toute la puissance d'Espagne non seulement parce qu'ilz prétendent d'avoir fort bien fortiffié leurs frontières, mais pour la grande estendue de pays que leur roy possède aux Indes qui donnent de notables advantages dans le commerce et de très grandes richesses et en effect les dernières nouvelles sont que il en a eu deux millions d'or de présent, mais plus que tous parce qu'ilz croyent qu'à l'amour qu'ilz ont pour leur roy et leur hayne contra Castille sont des places inexpugnables pour leurs ennemis" (ibid. 877-879). 53 ) Manuel Fraga lribarne, Saavedra Fajardo y las Negociaciones de Miinster (1643-1645) atraves de los documentos relativos a la mediación del Nuncio Chigi, in: Cuadernos de Historia Diplomática 3, 1956, 97-138.
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safe-conducts for the Portuguese. The Spaniards gave them their usual reply: they threatened to abandon the negotiations if the issue of Portugal was mentioned again. In a pamphlet distributed in Münster, „Discurso para refutar la demanda de Franceses y sueceses a los Estados del Jmperio, en que se con§edan passaportes ä los Deputados del Tyranno de Portugal para uenir a este Congresso de la paz general"54), a pro-Spanish pamphleteer recalls the terms of the „Hamburg agreement" of 1641, which automatically excluded Portugal from the negotiations. He also stressed that a change in the terms of that agreement, five years after its approval, was out of the question and „mucho menos en lo con§eder ä los Rebeides de Portugal, lo que pretienden agora tan fuera de raso, tiempo, y justi?ia". The author of the pamphlet explained his point: ,,su proposition offiende ä quantos Prin^ipes legitimos y Soberanos ai en el mundo, de quien la dignidad peligra si los deputados de vn Regien vsurpador, de vn vassallo Rebeide, han de passar por embaxadores, o personas publicas, y que assi sea licito a los sujetos de qualquier estado, leuantar se contra sus soberanos, y al conspeto de otros Potentados traer como trofeos los despojos de la soberania que uienen de hurtar a su Principe natural". Regarding the requests for a safe-conduct, the pamphlet recalls that the Emperor „dixo expresamente que ningun Rey de Portugal conocia, sino don Felipe quarto Rey de Espana, su Primo, y Cunado.. ,".55) The Spaniards thus considered that granting the safeconduct to the representatives of the Duke of Braganza, a rebel king - recognised by nobody - , was equivalent to rewarding a rebellion and an uprising against a legitimate monarch, a dishonour to all the vassals that were faithful to their ruler. The pamphleteer also argued that the French themselves should be ashamed of their behaviour and urged them to stop supporting the unjust cause led by ,,un tirano como el duque de Berganza".56) As before, this pamphlet emphasizes that the main concern of the Spanish delegation was to make sure that nothing relating to the Portuguese Rebels would „blemish"57) the agreement, not even Prince Edward's name. The representatives of Philip IV frequently recalled that before coming to Münster they had been assured that the issue of Portugal would never be under discussion.58) 2. Striving for a Truce (1646-1648) In 1646, a drastic change in the relations between the United Provinces and the 54 55
) AGS - Estado, Leg. 2347.
) Ibid. ) Saavedra Fajardo to Philip IV, Münster, 11 November 1645: CODOIN (note 10), Vol. 82, 9Iff. 57 ) „Blemish" is precisely the verb used by the Spanish ambassador (AGS - Estado, Leg. 2348). 58 ) Ibid. Leg. 2347. 56
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Portuguese took place. Such a change was caused not only by the rapprochement of the United Provinces and Spain, but also by the intensification of the combats between the Portuguese and the Dutch in South America and in Africa. The climax of that conflictive atmosphere occurred in February 1646, when rumours circulated that France was at last going to abandon Portugal. 59 ) As a response, the French envoys issued a firm denial and, together with the Swedes, requested, once again, the safe-conducts for the Portuguese. As before, however, those requests were useless. The Imperial and the Spanish delegations, now led by the Counts of Trauttmansdorff and Peñaranda, vehemently rejected them. 60 ) Regarding d'Avaux and Servien, they seemed more and more worried with the approach between the Spanish and the Dutch, and suggested to Brienne that the only chance of the Portuguese was to cede some part of their overseas colonies to the Dutch. 61 ) The last months of 1646 and the first half of 1647, therefore, did not bring any positive news to the representatives of the Duke of Braganza at Münster. The French envoys went on requesting the safe-conducts for the Portuguese; the representatives of John IV in Paris went on „tormenting" Brienne 62 ); and the only relevant occurrence was the dispatchment of Cristóvao Soares de Abreu as representative of John IV to Osnabrück. By August 1647 Soares de Abreu, though reluctantly, was already on his way to Westphalia. 63 ) Contrary to what the Portuguese envoys might have hoped, the agreement between the United Provinces and Spain was effectively signed on 8 January 1647 and, as a result, the situation of the Portuguese Rebels became even more precarious. 64 ) Rumours circulated saying that by the terms of the agreement the Spaniards had ceded some of the Portuguese colonies to the Dutch, which was distressing news for the followers of the Duke of Braganza. 65 ) 59
) In a letter to the Emperor, dated 12 February 1646, Trauttmansdorff rejoices over the conflicts between Portugal and the United Provinces (APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3. Miinster 1985, 234-235). 60 ) [Nicolas Clément (Ed.),] Mémoires et négociations secretes de la cour de France, touchant la paix de Munster. 4 Vols. Amsterdam 1710, Vol. 1, 350; Peñaranda rejoiced over the refusal of the German princes to discuss the matter of Portugal (March 8, 1646: APW Ser. III. Abt. A. Bd. 1. Münster 1975, 517-521). 61 ) D'Avaux and Servien to Brienne, 6 August 1646: Clément (Ed.), Mémoires (note 60), Vol. 3, 173 ff. 62 ) On 19 October 1646, Brienne informed Mazarin that he has been „tormented" by all the requests of Moniz de Carvalho (Visconde de Santarém, Relaçôes [note 21], 186). 63 ) In 1641 Soares de Abreu had returned to Portugal almost running out of money, after paying all the expenses of his diplomatic mission to France. For that reason, he did not want to be dispatched in another diplomatic mission. 64 ) Visconde de Santarém, Relaçôes (note 21), 198. 65 ) Don Francisco de Melo, the ambassador of Philip IV to the United Provinces in 1642, assured that the Portuguese overseas territories were part of the agenda of the negotiations between Spain and the Dutch (CODOIN [note 10], Vol. 82, 314-315). On the Spanish strategy towards Brazil, see Valladares Ramírez, Brasil (note 48).
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It must be stressed that, since 1641, the relationship between John IV and the Dutch was a very peculiar one: in Europe there was a temporary suspension of the hostilities between the two states whereas in the colonies the war continued, especially in Brazil. From the correspondence of the Portuguese envoys we learn that, since the early moments of the Münster peace congress, they had tried to please the Dutch delegation, in order to reach an agreement. In January 1646, an irritated Count of Peñaranda informed his king that when the Dutch plenipotentiaries arrived in Münster, the French forced them to get into „... sus carrosas y de las de los ministros de Portugal con los quales entraron. . ,".66) A few months later, in May, rumours circulated at Münster announcing that the Portuguese and the Dutch were close to signing an agreement. Thereafter, on June 7,1646, the Dutch plenipotentiaries proposed a oneyear truce between Spain and the Portuguese, but the representatives of Philip IV firmly declared that such an agreement was impossible, and classified the proposal as „scandalous".67) However, as the negotiations progressed, the views of the Dutch deputies became more comparable to those of the Spanish legation, and soon they started to complain deploring the moves of the Duke of Braganza's representatives. This whole process culminated in the above mentioned agreement between Spain and the United Provinces. It must be stressed that the dispute between the Dutch and the Portuguese over the Brazilian Region of Pernambuco was still to be settled and, in mid-1646, several of the representatives of the United Provinces at Münster declared that they were ready to resume a military offensive against Portugal.68) As for the French, they did not seem particularly interested in an agreement between their Dutch rivals and the Duke of Braganza. This may explain the distress of the Jesuit Antonio Vieira, envoy of the Duke of Braganza to The Hague. In a letter written in February 1648, he argued that the Dutch and the Portuguese had been unable to reach an agreement due to the actions of two diplomatic delegations: openly by the Spanish, and secretly by the French ambassadors.69) From 1647 onwards, the negotiations were reaching their final phase. By 66
) Peñaranda, letter of 13 January 1646: AGS - Estado, Leg. 2348; some weeks later, in a letter to Philip IV (dated 4 February 1646), Peñaranda informs his monarch that the Portuguese envoys „hacian dones y promesas á todos estes Diputados" to the Münster peace congress (CODOIN [note 10], Vol. 82, 276 ff.). 67 ) Ibid. 328 and 345. 68 ) Brun, letter dated 16 October 1646 (AGS - Estado, Leg. 2348). About the relations between Portugal and the United Provinces after 1640, see Rafael Valladares, Felipe IV y la Restauración de Portugal. Malaga 1991, 109ff. The Portuguese overseas territories were omnipresent until the last moments of the Münster negotiations. In October 1646 rumours circulated that the French, the Swedes and the Portuguese had reached an agreement to defend the overseas territories. 69 ) Letter of 3 February 1648: Antonio Vieira, Cartas. Ed. by Joao Lucio de Azevedo. Vol. 1. Lisboa 1971.
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that time, an agreement between the United Provinces and France seemed almost impossible to achieve in spite of the concessions of the French who had agreed to omit all references to the Portuguese affair. In the course of time, then, the Portuguese became more and more disappointed with the states that had promised to support them in the early days of the Münster peace congress. This impression is confirmed by the requests of the French envoys: by that time they no longer asked for the inclusion of Portugal in the negotiations; instead, their only request was a ten or a twelve-year-truce between Portugal and Spain.70) The Dutch, nevertheless, rejected the proposal, and the Spaniards did not even consider it worthwhile being discussed. The significant point here is that the Spanish delegation managed resolutely to maintain the same position towards the Portuguese rebels: Brun repeatedly insisted that the word „Portugal" ought to be omitted from every agreement with the French.71) Therefore, there was no significant change in the behaviour of the protagonists of the Münster peace congress: the support to Portugal, initially promised by almost all the adversaries of the Habsburgs, proved to be easily forgotten when a more vital agreement was at stake.72) The French plenipotentiaries themselves never regarded the Portuguese affair as highly crucial and, eventually, gave more significance to the cause of the Catalans. On the whole, the French were not able to do much against the Spanish strategy, which consisted in refusing to discuss the Portuguese issue. From the very beginning of the congress both the French and the envoys of John IV realised that this was going to be a highly controversial issue, which required strong determination to succeed. Maybe because of that, in January 1647 John IV decided to send the Marquis of Niza to Paris, specially commissioned to bribe Mazarin and other French ministers.73) In the meantime, at Münster, the representatives of the „Portuguese tyrant" were in a desperate situation: the new peacemakers were Dutch, and the French rapidly accused them of not being impartial. In March 1647 the Spaniards announced that they were going to provide military support to Venice. The Republic was then engaged in a war against the Turks and, according to the available evidence, it seems that this decision had a significant effect on Contarini's opinion about the parties involved in the negotiations. In fact, from 70
) See Brazäo, Diplomacia (note 2), 90 ff.; see also „Sobre lo que contienen las cartas del conde de Peñaranda Marq. de Castel Rodrigo Duque de Terranoua y Don Diego Saauedra que se han refeuido con el Vltimo correo y tratan de las negociaciones de la Paz. La Junta de estado, 8 de Henero de 1646": AGS - Estado, Leg. 2348. 71 ) Ibid. 72 ) This strategy is described in detail by the Count of Peñaranda in a letter he sent to the Marquis of Castel-Rodrigo, Münster, 18 June 1646: CODOIN (note 10), Vol. 82, 368 ff. 73 ) This mission was unsuccessful (Visconde de Santarém, Rela?öes [note 21], 200). For the reaction of Mazarin to this offer, see the letters of the Portuguese diplomats in Paris: BPADE, cod. CVI/2-1, 107 ff.
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that day on, the Venetian peacemaker became more and more identified with the Spanish cause. 74 ) As a result, the French and the Swedes became even more pessimistic about the negotiations, and in April 1647 their requests became increasingly timid: they asked for a one-year truce for the Portuguese, and some weeks later they only requested a 6-month truce. However, the Spaniards did not even consider the proposal, and the Imperial delegation gave the same reply to the Swedes. 75 ) As before, in May 1647 the Spaniards categorically rejected all the requests for a truce and sustained a propaganda campaign against France, accusing her envoys of not being genuinely interested in reaching an agreement. 76 ) By this time, the Portuguese started to openly criticise the behaviour of the French diplomats, now that it was clear that they were ready to leave the Portuguese out of the agreement. The declarations of Andrade Leitäo and Pereira de Castro became more aggressive, accusing the French envoys of doing nothing for the cause of Portugal. 77 ) However, that accusation proved to be exaggerated, for the French went on trying: they even attempted to introduce an article on Portugal into the treaty's preparatory text, but without success. In fact, in July 1647 Trauttmansdorff was substituted by Volmar and, as a result, the Spaniards achieved full control of the negotiations. 78 ) During the last months of 1647 no progress was made in the negotiations, and once again France (together with the Portuguese issue) was blamed. To the followers of John IV, it was clear that from that time on, Paris, and not Münster, was the place where their problems ought to be solved. In fact, in Westphalia all the opponents of the Duke of Braganza were already discussing openly the war they were planning to undertake against Portugal. This was the position of the Dutch, against whom the Portuguese were still fighting in South America. 79 ) Thereafter, several delegations started to leave Münster and
74
) Maria Emilia Madeira Santos, Relaçôes diplomáticas entre Portugal e Veneza (16411649). Lisboa 1965. ) On 18 April 1647 Isaak Volmar wrote in his diary that he had made the following suggestion: „Nos hielten es zwar für guett, aber nit fur gnugsamb, sondern möchte post incluendos a parte Caesaris noch dise clausul hinzugesetz werden: ,Et quamvis a parte reginae Sueciae includatur dux Bragantinus tanquam rex Lusitaniae, tarnen ex parte Imperatoris declaratur, quod per hoc nihil iuris ipsi tácito assensu attributum velit nec pro rege legitimo habendum censeat'" (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1 [note 43], 831). 76 ) Trauttmansdorff declared: „die Franzosen sind intractabiles, sie wollen sich den Sukkurs nach Portugal offenhalten und ihn dem Kaiser gegenüber dem eigenen Hause verwehren", reports Franz Wilhelm, Count of Wartenberg, Prince-Bishop of Osnabrück (21 May 1647: APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/2. Münster 1988, 876). 77 ) See, for instance, Possidónio M. Laranjo Coelho (Ed.), As Embaixadas a França do 1° Marqués de Niza - documentos complementares, in: Anais, Academia Portuguesa da Historia. 1. Sér. 13, 1976, 74. 78 ) See Ramos Coelho, História (note 2), Vol. 2, 421. 79 ) See the comments on that issue by Franz Wilhelm, Count of Wartenberg and Prince75
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some of the Portuguese envoys did the same. Judging from their correspondence, most of the Portuguese were extremely angry with the behaviour of the French diplomats. They were also almost running out of money as a result of the disorganisation of the system of remittances. 80 ) Within the Portuguese delegation itself the atmosphere was highly conflictive, as Andrade Leitäo ended relations with Pereira de Castro and Soares de Abreu. For the Duke of Braganza, the real negotiation was thus transferred to Paris, the place where the diplomats of the Portuguese rebels sought to reach an agreement with the French government. However, from 1648 on, the Portuguese tended to regard the French in a rather suspicious way, quite probably because of the discouraging experience of the Münster negotiations. In any case, in September 1648, the French representatives tried for the last time to introduce a clause about Portugal into the treaty between France, Sweden and the Holy Roman Empire, but without success. On 24 October 1648, at a time when the Spanish diplomats were no longer in Westphalia, the peace treaty between the Holy Roman Empire and Sweden was signed, only after the name of Portugal was omitted from the text - a condition posed by the representatives of the Emperor. The French envoys still struggled to introduce a reference to Portugal into the various bilateral treaties signed at Münster, but also without success. For the Portuguese who were still in Westphalia those events marked the end of the „purgatorio ou jnferno de Osnambrugh", as put by Lopo Ramirez (one of the Sephardi Jews that took the responsibility for the finances of the Portuguese delegation to the Münster peace congress). 81 ) „Pouco se fez nesses congressos" - says Lopo Ramirez, in a letter to Cristöväo Soares de Abreu written in Amsterdam in February 1648 ,,e creo que so delles saira acordada Castella com este estado.. .". 82 ) However, in a recent study, Jover Zamora and Lopez-Cordon argue that the experience of the Duke of Braganza's envoys at the Münster peace negotiations was highly valuable, especially because of what they learned about international politics. As is argued by Jover Zamora
Bishop of Osnabrück (APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/2. [note 76], 991); see also Laranjo Coelho (Ed.), Cartas (note 45), Vol. 2. 80 ) Duarte da Silva, one of the major Jewish merchants of Lisbon, was arrested by the Inquisition in December 1647 (cf. ANTT, Inquisigäo de Lisboa, Processo no. 8132). As a result, a complete disorganisation of the system of remittances to the Portuguese diplomats in Northern Europe took place. 81 ) Lopo Ramirez to Cristöväo Soares de Abreu, 31 December 1647: BA 54-V-30, letter la. Cristöväo Soares de Abreu frequently complained about the delays of Ramirez (cf. BPADE cod. CVI/2-7, fol. 285 ff.). Feliciano Dourado was also responsible for the finances of the Portuguese diplomats. See Jonathan Israel, European Jewry in the Age of Mercantilism, 1550-1750. Revised Edition. Oxford 1991, 108 ff. 82 ) BA 54-V-30 carta ( l g l ) ; Lopo Ramirez deliberately writes „the peace congress of Monster" instead of „Münster".
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and López-Cordón, on that occasion the Portuguese envoys „rediscovered" the complex milieu of European politics. 83 ) On the other hand, there is no doubt that, in diplomatic terms, the Duke of Braganza suffered a major defeat at Münster. Although the majority of the studies on this epoch consider Münster as the beginning of the Spanish decadencia^), the strategy of Philip IV and his plenipotentiaries was particularly successful and won a significant victory at the negotiations, of which the Portuguese were never a part. In this respect, the victory of the Spaniards was clear, as the Count of Peñaranda recognised already on 15 October 1646: „la gran victoria que habernos alcanzado ... en conseguir que no se hable de Portugal". 85 ) However, concerning the echoes of the diplomatic activity that took place at Münster 86 ), the result was not so clear. In fact, the portraits of two of the Duke of Braganza's envoys were included in the ensemble of engravings entitled „Celeberrimi ad pacificandum Christiani Nominis orbem Legati Monasterium et Osnabrugas ex omni pene gentium nationumque genere missi ad vivum Anselmi Van Hulle pernicillo expressi eiusque cura et aere per insignores huius aevi sculptures caelo representati" (Antwerpen 1648), and they stand side by side with the portraits of the rest of the plenipotentiaries. 87 ) The caption under the portrait of Luis Pereira de Castro says: „Serenissimi Regis Portugalliae ad Tractatus Pacis Vniversalis Legatus Plenipotenciarius", and the same rank is granted to Francisco Andrade Leitäo, whose motto says: „Melior est tuta Pax quam sperata victoria". The only information we have about the reactions to these portraits is given by Diogo Barbosa Machado, an eighteenth century Portuguese scholar. When visiting F. Buffa & Fils, a bookseller of Amsterdam, Barbosa Machado examined a copy of this ensemble of portraits, and next to one of the portraits of the two Portuguese he found the following handwritten commentary: „Este es el Embaxador que fue a Munster per el Duque de Braganza, Intruso, Rey de Portugal, y aunque esta aqui con los demás Embaxadores no tubo voz ni voto en el congresso ni fue oydo en materia ninguna, de que doy fee con testigo de vista". 88 ) According to the art his-
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) lover Zamora/López-Cordón Cortezo, Europa (note 11), 480 ff. ) The decadencia is no doubt a topic of the historiography that studies the Spanish history of the second half of the 17th century (cf. Sánchez Marcos, Westfälischer Friede [note 11], 26). 85 ) Letter to the Marquis of Castel-Rodrigo, Münster, 15 October 1646: CODOIN (note 10), Vol. 82,433. 86 ) On the significance of the Münster peace congress, see Heinz Duchhardt, Westfälischer Friede und internationales System im Ancien Régime, in: HZ 249, 1989, 529-543. 87 ) On the portraits of the Portuguese envoys (signed by P.D. Bailliu or Bailleul?, engraver in Antwerp during the decade 1640), see Ernesto Soares, Dicionário de Iconografía Portuguesa. Vol. 1. Lisboa 1947. 112-113 and 292; idem. Historia da Gravura Artística, 2274. 88 ) Catálogo dos Retratos Colligidos por Diogo Barbosa Machado. Rio de Janeiro 1843,53. 84
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torian Ernesto Soares, the author of these words is Counsellor Brun, one of the most important members of the Habsburg delegation at Munster. 89 )
III. The Miinster Diplomacy in Texts and Images „navegan embustes Castellanos desde Vinarios, o, Alicante con mayor riesgo, y menos crédito, porque las gazetas en que se divulgan trahen el vicio de su naturaleza, en que se atiende mas a lo útil, que a lo honesto, a la dependencia, que a lo verosimil.. ,"90)
„Verdades Portuguesas contra Calumnias Castelhanas", a pamphlet printed in 1645, is a good example of a controversy between pamphleteers with opposing views about the course of events. It is widely known that the use of the printing press for propaganda purposes is one of the most striking aspects of the early modern political history, and recent studies have already analysed the main features of this activity. In this section we will, therefore, consider the books, pamphlets and engravings printed during the Miinster peace congress. A great deal of this printed material circulated among the negotiators and played a fundamental role in shaping the image the contemporaries had of that diplomatic event. Similarly, we can also say that the image we have today of the Miinster peace congress is partly shaped by this printed material. The author of „Verdades Portuguesas..." had a controversy with a certain „Señor Gazetero", whom he accused of writing nothing but lies and malicious things about the followers of the Duke of Braganza. According to this pamphleteer, Castile was solely responsible for the lies that circulated about Portugal, and the only intention of the Castilian writers was to deceive the naive and rustic public. By this time, the pamphlet war was reaching its climax and these Castilian writers were thus accused of being „gazeteros, y relatores que vendem gato por liebre comprados, y asalariados para mentir por officio, y engañar por ocupación.. ,". 91 ) Throughout the decade of 1640, both Castilians and Portuguese commissioned a large number of propaganda texts and engravings from some of the most talented writers and artists. The outcome of this is a fairly large ensemble 89
) Soares, Gravura (note 87), Vol. 1, 87 note 1. ) Verdades Portuguesas contra Calumnias Castelhanas escritas en Relaciones y gazetas para desengaño de los que las leyeren. Lisboa 1645, 2. Apologia Militar en Defensa de la Victoria de Montiio. Contra las Relaciones de Castilla, y gazeta de Genova, que la calumniaron mordaces, y la usurpan maliciosas. Lisboa 1644, a book written by Luís Marinho de Azevedo, presents the same kind of accusations. 91 ) Verdades Portuguesas (note 90), 11. Antonio Moniz de Carvalho, Resident in Paris, in a letter to the Marquis of Cascais strongly criticises the lies of the Spanish gazettes: „Grandissimos inuenijioneiros sao os nossos enemigos os Castelhanos, e ridiculos sao os metamorphoseos, que tem dado a victoria de Portugal, escreuendo cartas a todos os reinos estranhos..." (BNL Caixa 14 no. 36). 90
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of books, whose common feature is the struggle to impose a particular image of the course of events. Although it is difficult to fully understand what motivated these writers, it is clear that the nationalist motivation does not explain everything and it is known that many polemicists disputed chiefly because of „private reasons". In a sense, each one of these propaganda books has its own history and motivations, and it is important to be aware of that. 92 ) The main feature of these texts was, therefore, the polemical purpose and the prompt reply to the books published or commissioned by the Castilians. Francisco de Santo Agostinho de Macedo, for instance, in his book „Philippica Portuguesa, Contra la Invectiva Castellana" (Lisboa 1645), begins by listing 44 attacks of the Castilians against the Portuguese and thereafter tries to reply to each one of them. Each side involved in the conflict thus tried to control the information that circulated, not only in the places near the regions where the combats were taking place, but also in many areas all over Europe, especially in the ones that were most sensitive in diplomatic terms. Therefore, both in Paris and at Münster this kind of propaganda literature played a fundamental part. Let us consider an example: The „Declaration des Ambassadeurs d'Espaigne. Touchant une Trefve pour Portugal", published in Münster on 14 August 1647, is a pamphlet commissioned by the Spanish delegation and consists of a firm reply to another text signed by two French diplomats, Servien and de la Thuillerie, which stated that the Spaniards had conceded an eighteen-month truce to Portugal and, for that reason, the Dutch military action in Brazil should be halted. The Spanish „Declaration" asserts vehemently, that the Spanish delegates to Münster would never accept a discussion on the issue of Portugal. It also suggests that the publication of those texts full of lies was a „artifice pour empescher d'un costé la conclusion des Traictéz, & retarder de l'autre les préparatifs nécessaires & l'action requise pour le recouvrement des dites places du Brasil". 93 ) As mentioned above, the authors of this „Declaration" were the main actors of the diplomatic struggle, and this fact plays a significant role in this kind of literature. Interestingly enough, a great number of the authors of these texts were simultaneously pamphleteers and prominent participants in the political and diplomatic process. Indeed, they were acutely aware of the impact of this printed material and, to a large degree, they were the ones who could best re-
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) See Jean-Frédéric Schaub, La vice-royauté espagnole au Portugal au temps du comteduc d'Olivares (1621-1640). Le conflit de jurisdiction comme exercise de la politique. Thèse de doctorat. Vol. 1. Paris 1995, llOff. 93 ) „Discours de la paix contre le Portugais" ( 1647) is another pamphlet on the conflicts between Portugal and the United Provinces; in 1647 and 1648 a great number of pamphlets about Brazil were published, addressed to the Dutch public. Judging from his correspondence, it is clear that Hugo Grotius, for instance, usually read this kind of literature, in particular the one dealing with Portugal (see Hugo Grotius, Epistolae. Amsterdam 1687).
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cognise how important it was to disseminate their own version of the course of events. 94 ) Similarly, apart from being one of the most important Spanish diplomats at work at Münster, Diego Saavedra Fajardo was also a brilliant polemicist during the years of the peace congress. Among his best known works, „Locuras de Europa" and „Corona Gothica, Castellana, y Austriaca" (Antwerpen 1658) are the books that best plunge us into the atmosphere that was then prevailing at Münster. Before examining Saavedra's views, it might be helpful to stress that he also commissioned several pamphlets, such as „Carta de un francés a otro del Parlamento de Paris", published in Frankfurt am Main in 1644. The main purpose of this pamphlet was to disseminate the idea that the French diplomats were responsible for the lack of peace and success in the Münster negotiations. 95 ) It also asserted that France was solely responsible for the war that was taking place in Western Europe and recalled the fact that it had been the French army that first attacked the Spanish territory, back in 1635. Indeed, this idea of the French as enemies of peace was soon to become a topic of the Spanish propaganda. During the long periods of inactivity at the Münster negotiations, don Diego Saavedra Fajardo found the time to write a short dialogue entitled „Locuras de Europa". 96 ) In this book Saavedra begins by examining the role played by France as the major enemy of peace and responsible for all the unwise conflicts - locuras - between the several Christian nations. Saavedra also criticises the choice of Münster as the seat of the peace congress, because of its proximity to the front line. Furthermore, when analysing the many aspects of the French strategy, he calls it „Machiavellian", for the only purpose of the French is to encourage the Christians to behave in a thoughtless way and to stimulate their locuras. Among the many European locuras, Saavedra stresses the one of Portugal. According to Saavedra, the Portuguese vassals are ungrateful to Philip IV and to the Habsburg monarchs, who always did their best to improve the living conditions in Portugal. In Saavedra's view the Habsburg dynasty ruled Portugal in a totally just way, and tried as hard as possible to keep the Portuguese out of all the wars and conflicts that took place in Europe. That is to say, the Portuguese rebels lacked gratitude, and for that reason 94
) Inocencio F. Silva, Dicionário Bibliogáfico. Vol. 18. Lisboa 1906, 174ff., includes a list of works written by Portuguese diplomats. 95 ) In a letter dated 6 May 1644, Saavedra Fajardo writes that „.. .luego que llegué aquí imprimí, en Francfort, una Carta de un francés a otro del Parlamento de París, que remito a don Jerónimo Villanueva, en que se descubre la culpa de franceses en no hacer se la paz, y los daños de proseguir la guerra: la cual carta espero que hará buenos efectos en Francia por lo que aquellos vassallos aborrecen la guerra..." (Saavedra Fajardo, Obras [note 10], 1383ff.). 96 ) This dialogue was printed for the first time in 1748. In this study we use the following edition: Locuras de Europa. Ed. by José M. Alejandro. Salamanca 1965.
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Saavedra depicts them as locos, thoughtless. He also predicts that the rebels would not succeed, not only because they lacked the capacity to undertake a war against Castile 97 ), but also because justice was on the side of the Spaniards: according to Saavedra the Portuguese territory was an ancient manor of the kings of Castile, a topic that is given more detailed attention in another book written by don Diego, „Corona Gothica, Castellana, y Austríaca, Politicamente ilustrada" (Antwerpen 1658). 98 ) There is no doubt that the case of Diego Saavedra Fajardo is most significant: the quality of his writings is remarkable and, in addition, he is perfectly conscious of the power that the printed material has to influence the course of events. 99 ) During the time he spent at Münster, Saavedra often expressed his concern about the propaganda campaign conducted by the Portuguese and by the French, aimed at influencing the negotiators. In the last days of August 1645, in a letter to the Marquis of Castel-Rodrigo, Saavedra confessed that he was extremely worried because he had learnt that the envoys of the Duke of Braganza had commissioned „... un memorial probando que en virtud del tratado de Hamburg están incluidos [in the peace congress, P.C.]". 100 ) In the prologue of his above cited book, „Corona Gothica, Castellana y Austríaca", entitled ,,A1 Lector", he laments the confusion provoked by the excessive number of writings published during the time the peace congress was in session: in these „tratados, aviendo visto publicados algunos libros de pretensos derechos sobre casi todas las Provincias de Europa, cuya pretension dificultava, y aun imposibilitava la conclusión de la paz, y que era conveniente que el mismo hecho de una Historia mostrase claramente los derechos legítimos en que se fundo el Reyno, y Monarquía de España, y los que tiene á di-
«7) Ibid. 52. 98 ) Corona Gothica, Castellana, y Austríaca, Politicamente ilustrada. Antwerpen 1658; in the prologue, entitled „Al Lector", Saavedra writes: „Obra es esta que requería mas tiempo, y menos ocupaciones, pero aviendo venido á este Congreso de Munster por Plenipotenciario de su Magestad para el tratado de la paz Vniversal, halle en el mas ociosidad, que la que convenia á vn negocio tan grande, de quien pende el remedio de los mayores perigos, y calamidades que jamas a padecido la Christiandad, pasando se los dias, los meses, y los años sin poderse adelantar na negociación por las causas que sabe el Mundo, con que me halle obligado á trabajar en algo que pudiese conducir al fin dicho del servicio del Principe Nuestro Señor, y también a estos mismos tatados...". In the second part of the book, Saavedra Fajardo declares that Portugal is an ancient manor of the monarchs of Castile (270). Throughout the negotiations, this very same topic appears in many statements of the Imperial delegation; see, for instance, „Resposta da Escritura feita a favor dos Castelhanos contra os Portugueses, estampada sem nome, e sem lugar, donde foi impressa": BA 51-VI5, 147-160. " ) The most famous book of Diego de Saavedra Fajardo, Idea de un principe politico christiano representada en cien empresas. München 1640, is another splendid example of how conscious he was of the power of the printing press. 10 °) Saavedra Fajardo, Obras (note 10), 1429.
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versas Provincias, los quales consisten mas en la verdad de la Historia, que en la sutileza de la leyes...". In fact, Saavedra had plenty of reasons to be worried: From 1643 on, there was an intensification of the propaganda of John IV, disseminating, all over Europe, positive and confident news about the diplomatic activity conducted by the envoys of the ruler of Portugal, especially in Paris, in Italy and in northern Germany. 101 ) Furthermore, the diplomats and the envoys of John IV did their best to spread favourable news about Portugal and the war against the Spaniards. The majority of the books and pamphlets favourable to the new king of Portugal were published in Paris 102 ), Amsterdam, Hamburg, Venice and Genoa 103 ), in part because some of the most talented writers, engravers, bookbinders and printers resided in these cities. The portraits of the Portuguese monarchs, as well as of other members of the royal family, were particularly requested by the French and Swedish diplomats, since many of them were interested in learning the history of such a small country, about which they knew so little. During his first mission to France as an ambassador, the Marquis of Niza commissioned an engraving representing a family tree of the Portuguese royal dynasty. In a letter to John IV, dated 12 December 1645, the Marquis stressed that the engraving was a complete success and a major contribution to „... dar lus das successôes Reaes e direitos del Rey Nosso Senhor [D. JoàoIV, PC.]". 1 0 4 ) A large number of engravers and pamphleteers were commissioned to work for the propaganda of John IV, and the diplomats were usually the ones responsible for the selection of such artists. These are some of the writers and artists who worked for the Portuguese during the time the Miinster peace congress was in session: the French historian Théodore Godefroy 105 ); François de Chateaunier de Grenaille, translator into French of two works: „Résolution prise en l'assemblée des États de Portugal, en faueur du très haut et très puissant prince le Roi Dom Jean IV du nom..." (Paris 1641), and „Mercure Portugais" (Paris 1643); Jean Doiiet, a Frenchman „wise in foreign languages" who helped Cristóvào Soares de Abreu, translating texts into French and Latin; and 101
) For an overview of the most important propaganda works published during this period, see Luis Reis Torgal, Ideologia Política e Teoria do Estado na Restauraçâo. Vol. 1. Coimbra 1981, 134ff.; at the same time, the propaganda struggle in Catalonia was also reaching its climax (see Javier Antón Pelayo/Jiménez Sureda, Francisco Martí Viladamor: un profrancés durante la Guerra dels Segadors, in: Manuscrits 9, 1991, 289-304; and Jover Zamora/López-Cordón Cortezo, Europa [note 11], 474 ff.). 102 ) See Bernardo Xavier Coutinho, A revoluçâo de 1640 na literatura francesa, in: Boletim Cultural da Cámara Municipal do Pòrto 3, Fase. 3, 1940, 362-379; see also idem, Bibliographie Franco-Portugaise. Oporto 1939. 103 ) Cf. Francisco Moráis (Ed.), Relaçôes Italianas da Restauraçâo, in: Estudos Italianos em Portugal 2, 1940,1-CXXII. 104 ) Letter of John IV, 12 December 1645: BA 49-X-ll fol. 28. >05) Cf. note 103.
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M. Soyer, a Flemish illuminator and the genealogist of the Court of France. 106 ) It is interesting to point out that the envoys of John IV often carried with them many books and engravings about Portugal, in order to provide the indispensable information to the writers and artists that were going to work for the Portuguese propaganda. The bulk of the books they carried consisted mainly of historiographical works, but they also took with them Portuguese literature. Camôes and his very famous and patriotic epic ,,Os Lusiadas" was the most requested item, not only for its international prestige, but also because the poem provided plenty of information about the history of Portugal. Camôes' epic also included an eloquent portrait of the Portuguese accomplishments in India and in other overseas territories, a sensitive issue at a time when those very same territories were being disputed by many foreign states. It is significant to note that several of the Portuguese envoys were book collectors and bibliophiles too, and they often purchased large quantities of rare or luxury books and engravings. In so doing, they were looking for a particularly successful edition that could provide inspiration for the pamphleteers who worked for John IV. At Miinster the Portuguese envoys to the peace congress placed dozens of orders for books at the booksellers Simon Beckenstein and Bernardus Raesfeldt. 107 ) One of the more frequent topics of the propaganda literature commissioned by John IV and his envoys concerned the relationship between Portugal and France. As we suggested in the beginning of this study, from 1641 to 1666 this was the most important goal of the Portuguese diplomacy and the literature made an important contribution to the diplomatic work. The propaganda books systematically displayed a rather harmonious and idealistical image of the relationship between the two kingdoms, and spread the impression that there had always been a great affinity between them. The Capuchin friar, Francisco de Santo Agostinho de Macedo, for instance, when preaching a sermon in the Royal Chapel of Lisbon (on 17 July 1643), stressed that Portugal and France had many affinities with each other, a link that was just as natural as the antipathy between the Lion (Castile) and the Cock (France). And after paying homage to the late King Louis XIII of France, Macedo eloquently predicted that the French armies would once again defeat the Spaniards. 108 ) 106 ) Godefroy, Grenaille and Soyer are mentioned in an „Aviso" written by a Portuguese diplomat that depicts the Court of Paris; the author of such a document underlines that it is vital to maintain a close relationship with those three men, given their usefulness for propaganda purposes (BNL caixa 14 no. 2). 107 ) See Cristôvào Soares de Abreu correspondence: BA 49-X-l 1, fol. 93ff. 108 ) Sermâo que fez o R.P. Frey Francisco De S. Agostinho, nas honras, que a naçâo Francesa celebrou à memoria Del Rey Christianissimo Luis XIII. O Iusto, na sua Capella Real desta Cidade de Lisboa em 17. dias do mes de Iulho. Anno de 1643. Lisboa 1643,130. In 1649 the Capuchin friar, Francisco de Santo Agostinho de Macedo, became „cronista mor do reino" (cf. Claude-Henri Frèches, L'Oraison funèbre de Louis XIII prononcée à
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The very same image is provided by Luís Marinho de Azevedo in his „Exclamaciones Políticas, Iuridicas, Morales, Al Summo Pontífice, Reyes, Principes, Respublicas amigas, y confederadas con el Rey do luán IV. de Portugal en la injusta prizion, y retención del serenissimo Infante D. Duarte su hermano. .." 109 ), a book written in Castilian and, therefore, most probably addressed to the Spanish and northern European public. Throughout his book, Marinho de Azevedo urges the French and the Swedish plenipotentiaries at the Münster peace congress, not to forget the unfortunate brother of John IV, Prince Edward, imprisoned in Milan by the Spaniards. 110 ) The Münster peacemakers were also influenced by this type of literature, and the Venetian Contarini was particularly under the pressure of the Portuguese in Münster and in Italy. In fact, Giovanni Battista Birago, a friend of the Venetian peacemaker, regularly wrote to Contarini urging him not to forget the Portuguese cause. It must be stressed that Birago was also a polemicist and a pamphleteer working for the Duke of Braganza's cause. Among other works, he wrote a „Historia del Regno di Portogallo" (Lyon 1644). Three copies of this book were promptly sent to Münster, two of them to the mediator Contarini, so he could learn about the history of Portugal and become convinced of the justice of John IV's requests. 111 ) The pamphlets and gazettes circulating in Portugal usually reported on the course of the Münster negotiations and, not surprisingly, the image they provided was very positive, stressing that in Westphalia everything was going according to the wishes of King John IV and his followers. In 1642, as soon as the rebellious Portuguese authorities learned that the peace congress was going to be a major diplomatic event, they made the gazettes announce that Portugal was going to take part in the negotiations as a legitimate and independent state. In addition, they attempted to give the impression that such a congress was another symptom of Philip IV's weakness, who was in need of asking peace „.. .al Chritianissimo Rey de Francia, y sus Confederados, en la Ciudad de Munster, nel año de 1642". This same idea appears in a book written by Lisbonne en 1643, in: Arquivos do Centro Cultural Portugués 30, 1985, 593-602; about Francisco de Santo Agostinho de Macedo, see also Joäo Francisco Marques, A Parenética Portuguesa e a Restaurado, 1640-1668. Vol. 2. Oporto 1989, 368-369). 109 ) Luis Marinho de Azevedo, Exclamaciones Políticas, Iuridicas, Morales, Al Summo Pontífice, Reyes, Principes, Respublicas amigas, y confederadas con el Rey do luán IV. de Portugal en la injusta prizion, y retención del serenissimo Infante D. Duarte su hermano. Lisboa 1645. The reply of the Spaniards came with the book of Nicolau Fernandes de Castro, Portugal convenzida con la razón para ser venzida con las catholicas potentissimas armas de D. Philippe IV. el Pio N.S. Milano 1648. Fernandes de Castro declares that the imprisonment of Edward was entirely just. 110 ) Marinho de Azevedo, Exclamaciones (note 109), 157 ff.: „Exclamación XI - Al Christianissimo Luis XIV. Rey de Francia, para que no haga la paz sin poner se en libertad el Infante Don Duarte, y el deudo, que tiene con el". 1 ") Madeira Santos, Rela?öes (note 74), 49 ff.
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another pamphleteer, José Pellicer de Salas y Tovar, entitled „Relación de las causas que obligan a la Casa de Austria, a pedir pazes al Christianissimo Rey de Francia, y sus confederados, en la Ciudad de Munster, nel año de 1642" (Lisboa 1642). The many Gazetas printed after 1640 therefore regularly provided information on the progress of the negotiations at Münster and, as mentioned, always tried to give a highly confident impression of the course of events. That is the case of the „Gazeta do Mes de Agosto de 1645": „...Os negocios da Dieta [de Münster, P.C.] väo muyto deuagar, näo querendo os Franceses, & Suecos que se trate de pazes sem primeiramente restituirem os castelhanos o Infante D. Duarte no mesmo lugar de Alemanha aonde o tomaräo, & sem entrar nos concertos o Reyno de Portugal, & Catalunha.. .". 112 ) The „Gazeta de Novembro de 1646" includes one more reference to the inactivity of the Münster negotiations, and stresses, in a rather exaggerated way, the support the French were providing Portugal. The Gazeta's author also asserts that the Portuguese envoys were successfully coping with the dissimulated and aggressive behavior of the Spanish diplomats: „Os senhores Embaixadores de Portugal Francisco de Andrade Leitäo, & Luis Pereira de Castro, fazem neste particular marauilhas". 113 ) So, the Gazetas gave the impression that the French diplomacy was undoubtedly helping Portugal. However, and as we have already suggested, the situation was slightly different at the negotiations, due to the French hesitancy in supporting staunchly the Portuguese position. These hesitations were of course noticed by the Spaniards, and the pamphleteers of the Habsburgs tried to use it to their advantage. The fragility of the French help to Portugal is therefore a theme that appears in many texts published during the peace congress, and those pamphlets often provoked great distress among the Portuguese. An immediate reply was thus required, and such is the case of „Copia de vn capitvlo de vma carta escrita por el Embaxador ordinario de Portugal, que oy reside en Paris, al Embaxador de Portugal que va a Monster, con los Embaxadores Plenipotenciarios de Francia, que oy se hallan en la Ciudad de Haya" (Barcelona 1644), a two-page pamphlet that vehemently denies the rumours relating to the hesitations of the French delegation at Münster: „Francia
u2 ) Gazeta do Mes de Agosto de 1645. De Novas Fora do Reyno. Em quaes se dam as da armada do Gräo Turco da nossa India Orientai, da Dieta de Munster, & de Roma. E tambem se referem algumas da fronteira de Aientejo. Lisboa 1645; the Gazeta do Mes de Mayo, e Iunho de 1644 also gives news on the Münster peace congress. ll3 ) The „Libro Decimo" of the book of Giovanni Batista Birago, Historia del Regno di Portogallo. Lyon 1644 (reprinted in Genoa 1646; Lione 1646; Amsterdam 1647; and Venezia 1653) provided the same optimistic image of the Münster negotiations. It must be remembered that Birago's book is a reply to Franchi Conestagio, Dell'Unione del Regno di Portogallo alla Corona di Castiglia. Genova 1585.
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por ninguna via dezaria Cataluña, ni dexaria de assistir al rey de Portugal, como hasta agora". Among the several diplomats-pamphleteers who played a prominent role in the years of the Münster peace congress, there is one deserving special attention: Antonio Moniz de Carvalho, secretary of the Marquis of Niza (the Portuguese ambassador to France) and, from 1646 on, Portuguese Resident in Paris. Mazarin often complained about the insistence and obstinacy of Moniz de Carvalho, due to the many requests the Resident addressed to him. In such texts Moniz de Carvalho repeatedly urged the French to help in a more determinate way the cause of John IV at Münster. Along with that, Moniz de Carvalho also wrote books and pamphlets concerning the European political situation and the role the independent Portugal was to play in it. These writings were primarily addressed to the French public, but it is likely that the members of the delegations involved in the Münster negotiations also read them. Judging from his writings, Moniz de Carvalho had a thorough knowledge of the diplomatic relations between France and Portugal. In fact, that is the theme of two of his books, both published in Paris during the period he served in that city. The first to be published was „Francia interessada con Portugal en la separación de Castilla" (Paris 1644) 114 ), and was dedicated to Anne of Austria, Regent of France and sister of Philip IV of Spain. In this book Moniz de Carvalho provides a comprehensive examination of the strong affinity between the Portuguese and the French. As Moniz puts it, given that affinity, an alliance between the two kingdoms is extremely natural, because they share the same interests. It is just as natural as the hostility of those two nations to Spain. Moniz de Carvalho also stresses that an alliance between Portugal and France will be beneficial to all the European states, for it will give them a splendid example of peace and harmony between two kingdoms. 115 ) Another interesting aspect of Moniz de Carvalho's „Francia interessada con Portugal" is its illustrations. In fact, the book includes two engravings, one of them actually on the cover page (Fig. 1), depicting the coat of arms and the royal crowns of France and Portugal side by side, holding hands, an obvious representation of the friendship between the two kingdoms. Such an image was soon to become an icon, symbolizing the terms of the relationship that the Portuguese wanted to establish with France. This very same idea appears, not
1,4 ) Antonio Moniz de Carvalho, Francia interessada con Portugal en la separación de Castilla: con noticias de los intereses comuns de los Príncipes e Estados de Europa. Paris 1644; the book was reprinted in Barcelona 1644. Moniz de Carvalho was inspired by a Spanish propaganda book that, some ten years before, had shocked the French: Gerardo Hispano [alias Gonzalo de Céspedes y Menezes], Francia engañada Francia respondida. Zaragoza 1635. U5 ) Moniz de Carvalho, Francia (note 114), 81 ff.
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only in several books and pamphlets published during those years, but also in paintings and images displayed in public ceremonies promoted by the Portuguese Crown. 116 ) The motto associated with the image displayed by Moniz de Carvalho's book, Et iustitia de coelo prospexit, recalled that the alliance between Portugal and France was shielded by Providence. Both the image of Truth rising on Earth and the motto Veritas de terra orta est / in decima sexta generationem stressed the justice and the legitimacy of the Portuguese revolt. The engraving also includes another element that explains the terms of the alliance that should be established between France and Portugal: a portrait of King Alphonse I, the first monarch of Portugal. It was widely known that this king was of French ancestry, and his presence in this engraving recalled that the affinity between France and Portugal was based on family ties. The strength of such a link was thereafter proved and even reinforced by another providential element: Alphonse I is represented kneeling down in front of the crucified Christ, and next to this representation is the motto „Respiciam et videbo". The book of Moniz de Carvalho includes another interesting illustration: a map of the territories near the border of Spain and Portugal, where the most crucial battles were taking place (Fig. 2). This map displays a number of fortresses located in the Spanish provinces of Extremadura and Andalucía, which were allegedly conquered by the Portuguese armies, thus stressing the offensive nature of the military actions undertaken by the troops of the rebellious John IV. It is clear that this engraving is also addressed to the French, for it is an assertion that the Portuguese rebels were perfectly capable of attacking and occupying large parts of the Spanish territory. The caption of this map states that ,,el exercito del Serenissimo Rey de Portugal Don luan el 4 con cerca de veinte mil hombres de guerra, en menos de dos mezes de Campaña, entrando por Oliuença en la Estremadura dentro en Castilla, rendio, y sugetó todas las plaças, que están por numéros en esta carta según el orden délias". 117 ) Therefore, this printed map aimed at asserting that the Portuguese were capable of helping the French in their war against Spain. It must be stressed that this point 116 ) See Manuel Cesar de Miranda, Amicitia Gallica restaurata. Anno Romanae Redemptions 1641. Lisboa 1642; and A.B. Xavier/Pedro Cardim/Fernando Bouza Álvarez, Festas que se fizeram no casamento de Afonso VI. Lisboa 1996. 117 ) The other caption of this map says: „Nota, que las villas, y Castillos, de Alconchel, Figueira de Vargas, Villa Nueva del Fresno quedaron sustentadas, fortificadas, y presidiadas por su Magestad de Portugal, y todas las demás quedaron arruinadas por tierra". The chapter IX of the Livro III of Antonio de Sousa Macedo, Lusitania liberata ab iniusto castellanorum dominio restituta legitimo principi Serenissimi Joanni IV. London 1645, is entitled „Belli eventus Lusitanorum victoriae adversus Castellanos", and provides a detailed account of the most important military accomplishments of the Portuguese army in the war against Spain. On the political significance of the cartography during the early modern period, see F. Bouza (coord.), De Mercator a Bleau. España y la Edad de Oro de la cartografía en las diecisiete provincias de los Países Bajos. Barcelona 1995.
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Fig. 1 : Cover illustration of Moniz de Carvalho, Francia (note 114).
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Fig. 2: Map of the region along the border between Portugal and Spain, representing the cities allegedly conquered by the Portuguese army (in: Moniz de Carvalho, Francia [note 114]).
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was often invoked by the French ministers during the negotiations with Portugal, either in Paris or at Münster. The followers of John IV therefore believed that those images, although obviously exaggerated, had the power to convince both the French and the rest of the European states of the military capacity of the rebellious Portuguese and make them recognise the right of the new ruler of Portugal to take part in the Münster peace congress. 1 1 8 ) At this stage one conclusion may be drawn from all the documents we have examined: The ensemble of these books and engravings clearly shows that the propaganda effort carried out by the Portuguese, after 1640, was addressed not only to their enemies, but primarily to their potential allies. „Esfuerzos de la razón para ser Portugal incluido en la Paz General de la Christandad, Conformes a las Obligaciones, intereses, y empeños de Francia" (Paris 1647) is another book written by Antonio Moniz de Carvalho, and it may be considered the most important contemporary work written by a Portuguese about the Münster peace congress. 1 1 9 ) This book was published at a time when the peace negotiations were close to the end and the Portuguese had almost no hope of taking part in the congress. Hence, Moniz de Carvalho's book seems to be an almost desperate effort to convince the French ministers to stand by Portugal during the last weeks of the Münster negotiations. The book therefore includes the minutes of the most important meetings that took place at the Court of Paris between the French ministers and the diplomats of John IV. It also comprises a memorandum presented by Moniz de Carvalho to the French queen, entitled „Memoria de lo que representó Antonio Monis de Caruallo, Residente por la Magestad de Portugal a la Reina Cristianißima sobre la comprehension de Portugal en la Paz general, y un papel de Razones que le offrecio en audiencia que tuvo de su Magestad, en Noviembre de 1646". This memorandum lists all the things the French ministers had promised to the envoys of John IV since the very beginning of the revolt against Spain, thus urging the French authorities not to forget what they had promised. Moniz de Carvalho also predicts that terrible things would happen to the whole of Europe in the event of Portugal not being included in the peace treaty. In addition, Moniz de Carvalho examines the way the negotiations were being conducted at Münster. The Portuguese Resident in Paris analyses the ,18) Fernäo Hörnern de Figueiredo [alias Manuel Hörnern], Resorreijam de Portugal e Morte fatal de Castella. Nantes 1645, lists the 19 „pragas e villas principáis, que tern [Portugal, P.C.] tomado a Castella..." (103 ff.). I19) Antonio Moniz de Carvalho, Esfuerzos de la razón para ser Portugal incluido en la Paz General de la Christandad, Conformes a las Obligaciones, intereses, y empeños de Francia. Paris 1647. This book was dedicated to Vasco Luís da Gama, Marquis of Niza, ambassador of John IV in Paris. Moniz de Carvalho also wrote a short Latin account on the rights of the Duke of Braganza to the throne of Portugal: [Antonio Moniz de Carvalho,] Brevis assertio et apologia acclamationis, et justitiae Serenissimi, et pottentissimi Portugaliae Regis Joannis inter veros, & legítimos Lusitaniae Reges nomine Quarti. S.l. [ca. 1645].
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strategies of the various delegations, and once again stresses the dissimulated attitude of the Spanish plenipotentiaries. 120 ) Then, he insists on a topic that has just been mentioned: According to Moniz de Carvalho, „apocalyptic" events would surely take place in the case that Portugal was not included in the peace treaty that was to be signed at Münster. He also underlines the significance of the protective role that was being played by France, a nation that stands by „.. .todos sus aliados, y amigos, que se publica, y empeña por defensora, y libertadora de todos los Principes oprimidos...". 121 ) Thereafter, he urges the French to increase the military pressure in Catalonia and to coordinate their offensives with the war that was taking place along the Portuguese border. He also recalls that, throughout history, the Spaniards had never respected the treaties they signed or the oaths they made. That is to say, Moniz de Carvalho considered that it was useless to go on trying to reach agreement with the Spaniards at Münster, because he was sure that they would not respect it. The last section of the book is dedicated to an examination of the contemporary political situation in Europe. According to Moniz de Carvalho, those days witnessed the definitive decadence of Spain and the advent of France as the most powerful state in Europe. For that reason, Moniz de Carvalho argued that the Münster peace negotiations were an opportunity not to be wasted: „pues siendo cierto, que lo que se pretende en Munster con los ardentes deseos de todos, es la paz general de la Christiandad, paz general digo, y no tratados particulares, como podria ser paz general, si quedase de fuera el Rey, y Reyno de Portugal? siendo una Monarchia tan considerable, tanto en si misma, como en sus dilatadas conquistas". 122 ) Quite probably, this reference to „tratados particulares" might be understood as a criticism of the treaty that the United Provinces and Spain had just signed, a treaty that, as stated earlier, did not include any mention of Portugal. Far from being an exception, Antonio Moniz de Carvalho's contribution to his ruler's propaganda was a frequent gesture of the diplomats of John IV. Once again, we are confronted with a diplomat well prepared to write or commission works which included detailed descriptions of his action, aiming at improving the situation of the Portuguese rebels. Needless to say, however, such printed works were also directed at improving the prestige of the Portuguese diplomat at the Lisbon Court - it is important not to forget that most of the envoys were hoping for the rewards John IV would bestow on them for their contribution. 123 ) „Propugnaculum Lusitano-Gallicum contra calumnias Hispano-Belgicas in quo forme omnia utriusque Regni tum domi tum foris praeclare gesta conti120
) Moniz de Carvalho, Esfuerzos (note 119), 19. 121) Ibid. 31. 122 ) Ibid. 64. 123 ) On the impact of this book, see Laranjo Coelho (Ed.), Cartas (note 45), Vol. 2, 146.
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nentur" (Paris 1647), written by the Capuchin friar, Francisco de Santo Agostinho de Macedo, is another book that provides an interesting account of the Portuguese rebels' propaganda campaign during the Miinster peace congress. Santo Agostinho de Macedo dedicated his work to Vasco Luis da Gama, Marquis of Niza, Count of Vidigueira who was sent to Paris as an envoy extraordinary. In this book, Macedo develops the argument of a text he had published some years before, „Philippica Portuguesa..." (Lisboa 1645), a book we have already mentioned: He presents a series of accusations made by the Spaniards against the Portuguese rebels and gives a firm reply to each one of them. In addition, he also praises - in a rather exaggerated way - the contribution of the envoys of John IV at the Miinster peace congress. 124 ) It must be stressed that Francisco de Santo Agostinho de Macedo was a member of the Marquis of Niza's retinue, on his second diplomatic mission to Paris. During his stay, he spent large periods of time following the Spanish propaganda moves. Macedo also tried to reply, as promptly as possible, to all the Spanish pamphlets that circulated in the capital city of France. In this respect, one of the most striking aspects of his „Propugnaculum Lusitano-Gallicum contra calumnias Hispano-Belgicas" is the outstanding engraving of the cover page (Fig. 3). It represents a triumphal arch decorated with emblems and other symbolical elements, an allegorical ensemble that summarises the fundamental features of the Portuguese diplomatic struggle in Central Europe during the decade of 1640: the providential nature of the bond that linked France and Portugal, represented by an angel that stands on the top of the arch holding the royal coats of arms of France and Portugal; the portraits of two famous men-at-arms of France and Portugal - Charles Martel and Nuno Alvares Pereira - and of two men that most contributed to the prestige and reputation of the two kingdoms - Vasco da Gama and Gaston de Foix. Other attributes of that alliance are represented in allegorical terms: a Portuguese dragon victoriously fighting the Spanish lion; a balance held by the divine hand, an image that asserts that the link between France and Portugal was supported by God's will, and ought to be based on fair and just conditions. This meaning is reinforced by the motto Vtraque de coelo. In the lower part of the front cover we see the monarchs of the two kingdoms, dressed in Roman fashion and holding their sceptres: John IV, rex promissus, and Louis XIII, rex iustus, cross their two sceptres under two celestial hands. This image is reinforced by the motto l24 ) Before praising the noble character of the families of the envoys of John IV to the Miinster peace congress ( 2 1 6 - 2 1 7 ) , Francisco de Santo Agostinho de M a c e d o stresses the importance of their contribution: Non possumus omnia expendere, ne vel transeunde quidem commemorare. Sed piaculum esset praeterire, quos habeat Rex noster Legatos, quam sibi fideles, quam peifectus quam probatus! Quanta prudentia, quanto usu rerum! quanta peritia, quanta dexteritate! Quae summa certe instituti Regni felicitas est. Ac quod de aliis iam dixit, quanti illi quaeso sunt viui, qui Monasterij summus de communi Pace consiliis Plenipotentiarij assistunt? (216).
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Foedera Firmat, meaning „strengthens the alliances". And next to the title of the book, two suns shine together. The virtuous character of such a bond of friendship is expressed by the motto Mvtva Lvce Beati. In the opening page of the book, the cover illustration is explained to the readers, and a motto once again stresses the affective dimension of the bond that linked France and Portugal: Ioannes, Ludouicus, amant haec faedera: firmat / Quae videt ex alto mutua verba Fides. The illustration of this book's cover thus emphasizes the topic of the friendship between Portugal and France, but at the same time it comprises certain warnings to the potential ally of Portugal: the image asserts that such an alliance should be established on a just and fair basis. One cannot forget that this book was published at a time when the relations between the French diplomats and the Portuguese envoys to Miinster were becoming more conflictive. The focus of the diplomatic activity of John IV was by that time being transferred to Paris, a city that was to be the main stage for the meetings, preparatory to signing the formal alliance between France and the Portuguese rebels.
IV. Conclusion: From Miinster to the Pyrenees The news of the failure of the Miinster negotiations soon arrived in Portugal. Many Spanish pamphlets circulated in the Portuguese territory, spreading the news of the agreement between Philip IV and the United Provinces, an agreement that seriously menaced the Portuguese interests in South America. 125 ) Significantly enough, in the text of the treaty Philip IV triumphantly presented himself as the King of Castile, Aragón, Catalonia and Portugal. In the weeks that followed, the Portuguese rebels tried to minimise the effects of this diplomatic defeat, and resumed the propaganda struggle in several pamphlets that asserted that a confederación between Portugal and France was likely to be signed shortly. The book of Fulgencio Leitáo, „Reducción, Restituycion del Reyno de Portugal a la Serenissima Casa de Bragada", focuses precisely on this topic, and has many aspects in common with the above mentioned works of Moniz de Carvalho. 126 ) Fulgencio Leitao discusses the issue
125 ) See Capitulaciones de la Paz hecha entre el Rey nuestro señor, y los Estados Unidos de las Provincias de Olanda. Madrid 1648; Traicté de la Paix, conclu le trentjesme Ianvier de la presente Année 1648 en la Ville de Munster en Westphalie, entre le Tres-Illustre & trespuissant Prince Philippe quatriesme de ce nom Roy d'Espagne, & c. d'une & des Hauts & Puissants Seigneurs les Etats Généraux des Provinces Unies des Païs-bas de l'autre part. Den Haag 1648. 126 ) Fulgencio Leitâo, Reducción, Restituycion del Reyno de Portugal a la Serenissima Casa de Bragança en la Real Persona de D. Iuan IV. Rey de dicho Reyno, con las razones, y causa de la Confederación, que celebró con el Rey christianissimo, y otros Principes Dis-
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axis;
Fig. 3: Cover illustration of Propugnaculum Lusitano-Gallicum contra calumnias HispanoBelgicas in quo forme omnia utriusque Regni tum domi tum foris praeclare gesta continentur (Paris 1647), a book written by the Capuchin friar Francisco de Santo Agostinho de Macedo.
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of the natural affinity and animosity between certain European states, and emphasizes the ancient bonds of friendship that linked France and Portugal, reinforced by the family ties of the two royal dynasties. 127 ) According to Leitâo, these two kingdoms had always had virtuous rulers, and, for that reason, their friendship had always been a true and loyal one. In contrast, Leitâo argues that throughout history the Spanish monarchs have always been evil, unjust and dissimulate, thus incapable of respecting the „leyes de amistad". 128 ) Leitâo adds that both France and Portugal share a „natural" hostility towards the United Provinces, and that explains the many conflicts between those two states and the Dutch. From Fulgêncio Leitâo's book, then, we see that the propaganda literature was still insisting on the very same topics, in spite of the recent diplomatic defeat at Miinster. 129 ) The decade of 1650 witnessed the degradation of the Portuguese diplomatic and military situation. After the victory over the Catalans, Philip IV concentrated his military force in the war against the Portuguese rebels, and soon achieved the first important victories. In addition, the Spanish diplomacy succeeded in reaching agreement with France, an agreement that was most dangerous to John IV and his followers. The Peace of the Pyrenees (1659) most disappointed the Portuguese ruling elite, who felt abandoned by France. In fact, the peace treaty between Philip IV and Louis XIV, together with the marriage between the French monarch and Maria Teresa, the eldest daughter of Philip IV, shocked the Portuguese, because under the terms of that agreement France compromised and agreed to not assist Portugal any longer in its war against Spain. Duarte Ribeiro de Macedo, a jurist and a diplomat of John IV, was urgently sent to Paris in 1659, and his task was to dissuade the French from signing the agreement with Spain. His mission, however, was unsuccessful, and the treaty was eventually signed. Nevertheless, Ribeiro de Macedo left a testimony of his anger in a book he published some years later, entitled „Iuizo Historico, Iuridico, Politico sobre a Paz celebrada entre as Coroas de França, & Castella, no anno de 1660". 130 ) In this book Ribeiro de Macedo recurso Moral, y Politico: Por Iuan Baptista Moreli Doctor In Utroque, y en la Sagrada Theologia. Torino 1648. 127 ) On the topic of the natural hostility between states in seventeenth century Europe, see Jover Zamora/López-Cordón Cortezo, Europa (note 11); see also Carlos Garcia, Antipatía de los Franceses y Españoles. Obra apacible y curiosa (French translation: Rouen 1627). 128 ) Leitâo, Reducción (note 126), 280ff. 129 ) Ibid. 41 Iff. 130 ) Duarte Ribeiro de Macedo, Iuizo Historico, Iuridico, Politico sobre a Paz celebrada entre as Coroas de França, & castella, no anno de 1660. Que escreue, & offrece a D. Rodrigo de Menezes, Duarte Ribeyro de Macedo Desembargador dos Aggravos da Relaçâo do Porto. Lisboa 1666. The Peace of the Pyrenees motivated the intensification of the propaganda war; see, as an example, Raisons fort puissants pour faire voir l'obligation qu'a la France d'appuyer l'intérêt du Portugal dans le traité de la Paix. Paris 1659; see also Les
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calls all the diplomatic activity of the Münster peace congress and stresses that, as a result of the negotiations, France and Spain had agreed that „pegando Castella primeiro nas armas, ficaria liure a França, dar a Portugal todas as assistencias, que pudesse" 131 ), a compromise that was to be totally contradicted by the terms of the Peace of the Pyrenees. In fact, a strong feeling of indignation and anger is omnipresent in the book of Ribeiro de Macedo. Paradoxically enough, the Münster negotiations, ten years after the end of the peace congress, were regarded by Ribeiro de Macedo as a victory for Portugal: „Nam teue execuçam este tratado [de Münster, P.C.], & nam he facil de aueriguar, quai das Cortes o desprezou: porque os Ministros de huma, & outra publicaram différentes escritos, lançando a culpa ao partido contrario". 132 ) This statement once again indicates that the contemporaries were fully aware of the mighty power of the propaganda literature and its capacity to shape (and distort) the image of past events. It must be stressed that Ribeiro de Macedo wrote his book during the years 1663-64, when the most crucial battles of the war with Spain were taking place. However, a German engraving of the Münster peace congress was still circulating by the time the military conflict reached its climax. This engraving was entitled „Gross Europisch Kriegs Balet getantzet durch die Könige und Potentaten Fürsten und Respublicken auff dem Saal der betrübten Christenheit" 133 ), and allegorically represented the European rulers that took part in the peace congress, all of them dancing together. Right next to the young Louis XIV of France is the rebellious John IV of Portugal, side by side with the rest of the rulers who confronted the Habsburgs in the peace congress. It is reasonable to argue that this engraving asserts the effective participation of the envoys of John IV in the Münster peace congress. From this perspective, then, we can say, as a conclusion, that although the envoys of John IV did not manage to play an active part in the negotiations, their presence at Münster was of crucial importance bringing the cause of the Portuguese rebels to public notice.
raisons qui obligent le roy de France d'assister le roy de Portugal si le roy d'Espagne continue de luy faire la guerre. Paris 1659. 131 ) Ribeiro de Macedo, Iuizo Historico (note 130), 2 1 4 - 2 1 6 . 132 ) Ibid. 2 1 6 f f . 133 ) Stadtarchiv Münster, No. 104 of the exhibition catalogue entitled Der Westfälische Frieden. Stadtmuseum Münster 11. März-30. Oktober 1988. Bd. 1: Krieg und Frieden. Greven 1987.
„Ein letzter Schritt zur Unabhängigkeit" Die Niederländer in Münster 1648 Von
Horst Lademacher
„Spanje kust de Nederlanden, Nederlandt op Spanjes mondt. In de liefde schynt te branden, door 't oneyndigh vree-verbondt" - dies ist einer der Sprüche, die sich auf einem Kupferstich des Rombout van de Hoeye zum niederländisch-spanischen Frieden finden: ein Kupferstich, der den Ratifikationsakt vom 15. Mai 1648 im Ratssaal des Münsterschen Rathauses darstellt und versucht, die ganze Bedeutung und Feierlichkeit des Augenblicks in Wort und Bild zu vermitteln. 1 ) Der neutestamentarische Text in Lucas 2.14 gab das Leitmotiv in der frohen Botschaft zur Weihnacht: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden". 2 ) Die Emotionalität des Kupferstechers war durchaus nicht Ausdruck von Visionen eines freischöpfenden Künstlers, sondern schlichte Umsetzung eines Aufatmens, von dem Augenzeugen des Ereignisses berichten. Am Tag nach dem feierlichen Schwur auf den niederländisch-spanischen Frieden lasen Legationssekretäre von einer eigens hierfür vor dem Rathaus errichteten Bühne herab in niederländischer, spanischer und französischer Sprache den Vertragstext - in Gegenwart der Gesandten und der Münsterschen Bevölkerung, die zusammengeströmt war. Und was die Sekretäre da verlautbarten, wurde von Trompetern, Trommlern und Schützen unterbrochen oder begleitet, mit Schall und Schlag und Salven. Im spanischen Quartier, im Observantenkloster, ließ der spanische Unterhändler, Graf Peñaranda, ein Te Deum Laudamus singen. Die Glocken aller Kirchen Münsters wurden geläutet. Der Graf dankte der Stadt Münster für dieses gelungene „happening", und in all der Freude scheinen sich lediglich die Franzosen über die Stadt Münster gegrämt zu haben, weil sie den Spaniern zu Ehren „so großen Pomp" gemacht habe. Tatsächlich setzte die Stadt noch eins obendrauf, als sie für den 5. Juni ein allgemeines Volks- und Jubelfest arrangierte - neuerlich zum Unwillen der Franzosen, die darin einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht der Stadt sahen. Das Fest fand statt, nachdem Franz Wilhelm von Wartenberg, Fürstbischof von Osna-
') Der Kupferstich bei Helmut Lahrkamp, Der Westfälische Friede. Zur Kulturgeschichte des Friedenskongresses. Dokumente, Fragen, Erläuterungen, Darstellung. Münster 1983. 2 ) Ebd. als Unterschrift des Kupferstiches.
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brück, dem Magistrat erklärt hatte, schon wegen des nachbarlichen Handelsverkehrs mit den Niederlanden sei man an der niederländisch-spanischen Freundschaft sehr interessiert und dürfe daher die Pläne nicht ändern. Der päpstliche Nuntius Chigi ließ wenige Tage nach dem Schwur wissen, die Bevölkerung hätte sich am liebsten mit dem gesamten Westfälischen Reichskreis unter den Schutz der Generalstände stellen wollen, „um nicht länger ausgeschlossen zu bleiben von dem Handel mit der Republik und dem daraus fließenden Gewinn". 3 ) So gab es ein gewaltiges Fest mit Freudenfeuer und Freudentrunk, den die Spanier aus einem Brunnen im Observantenkloster ausschenkten und die Niederländer aus einer Nachbildung des Brüsseler Manneken-Pis fließen ließen. In den Niederlanden erfolgte die Verkündung des Friedensschlusses am 5. Juni in Den Haag, vielerorts begleitet von Freudenfesten und dem großen Aufatmen, wie es sich in einer Vielzahl von Festgedichten und Theaterstücken über den gegenwärtigen und den ewigen Frieden äußerte. 4 ) Was als Jubel, Trubel und Umtrunk eher erleichtert als leichtfüßig daherkam, diese Feier der „grande accolade" zwischen den niederländischen Rebellen und dem ehemaligen spanischen Landesherrn, war nur der Nachschlag zum Schwur auf den Vertrag im Münsterschen Ratssaal. Der niederländische Maler Gerard ter Borch hat diese Szene, die Eidesleistung, in Farbe und relativ kleinformatig festgehalten. Ter Borch, in jener Zeit einer der bekanntesten Porträtisten der Niederlande, weilte auf Geheiß des Amsterdamer Bürgermeisters Adriaan Pauw, Hauptfigur der niederländischen Friedensdelegation, in Münster, einfach mit dem unausgesprochenen Auftrag, das Friedensgeschehen, seine Menschen und sein Kolorit, in Form und Farbe festzuhalten. Der Porträtmaler als Publizist! Den Rathaussaal gab er in allen Einzelheiten naturgetreu wieder, künstlerische Freiheit ließ er freilich bei der Aufstellung der Personen walten. Anstatt die Figuren um den runden Tisch zu gruppieren, wie es der Realität entsprochen hätte, stellte er die Delegationen frontal auf, um jedem Mitglied ein Gesicht geben zu können: für Porträtist und Porträtierte eine gleichermaßen attraktive Lösung. Vom Betrachter aus gesehen links steht die niederländische Delegation, rechts die spanische. Die niederländische Delegation hat die Schwurhand erhoben, der spanische Wortführer, Graf Peñaranda, hält eine Kopie des Vertrages in der linken Hand und leistet mit der anderen den Schwur auf die Bibel. 5 ) 3 ) Zitat s. Anm. 1, ferner Helmut Lahrkamp, Münster als Schauplatz des europäischen Friedenskongresses (1643-1649), in: Franz-Josef Jakobi (Hrsg.), Geschichte der Stadt Münster. Bd. 1. Münster 1993, 301-324, hier 319; vgl. auch ders., Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Frieden. Münster 1997, 255 f. 4 ) Vgl. bei Jan J. Poelhekke, De Vrede van Munster. 's-Gravenhage 1948, 533. 5 ) Zu Gerard ter Borch und seiner Porträtmalerei sowie zum Auftrag von Adriaan Pauw siehe Bob Haak, Hollandse schilders in de Gouden Eeuw. 2. Aufl. O.O. 1987, 394-399.
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Der Historiker Fritz Dickmann hat das Bild mit folgenden Worten gedeutet: „Zwei Welten begegnen sich hier, die farbenfrohe Pracht des südländischen Katholizismus und die düstere Strenge des Calvinismus, dort Evangelienbuch und Kreuz als Symbole, auf die die Spanier den Eid leisten, hier gilt jedes Wort und wird jedes sinnliche Zeichen verschmäht". 6 ) Solche Deutung leitet sich her aus der Auffassung vom 80jährigen Krieg als einer konfessionell geprägten Auseinandersetzung. Das entsprach sicher weitgehend dem Empfinden der Öffentlichkeit - für den 30jährigen und 80jährigen Krieg gleichermaßen. Auch dort, wo ganz konkrete, etwa wirtschaftliche, Interessen die Richtung und Entscheidungen bestimmt hatten, traten diese gegenüber der religiösen Konfliktkonstellation in den Hintergrund. Wer sich für oder gegen den Frieden entschied, mußte den Nachweis des Vorteils seiner Entscheidung für die eigene Religion erbringen. 7 ) Aber ganz abgesehen von der in der Öffentlichkeit äußerst lebendigen Religiosität und der Religion als Instrument der Propaganda in Fragen von Krieg und Frieden, stellten sich für die Republik ganz andere, für das Selbstbewußtsein seiner Regenten äußerst relevante und im Vorfeld des Friedens zu lösende Probleme. Die städtischen Regenten wären nicht die von ihrer Qualität überzeugten und sich ihrer auch außenpolitischen Machtposition bewußten Politiker gewesen, wenn sie sich nicht in die Rangeleien um Titel und Rang eingemischt hätten, wie sie nun einmal zur Entwicklung des Gesandtenwesens und des europäischen Staatensystems gehörten 8 ), das bis dahin noch offen war und in das immer wieder neue Staaten drängten. Genau hier versuchten die Niederländer, einen ersten Rang einzunehmen. Sie wollten „ambassadeurs" sein, nicht „Agenten", „Deputierte" oder „envoyés" genannt werden. Sie fühlten sich als Vertreter einer ebenso freien Republik, wie das in den Jahrhunderten zuvor Venedig gewesen war. Unter den Verhandlungspartnern gab es jedoch deutlichen Widerstand. Nicht etwa von spanischer Seite, was man in erster Linie hätte erwarten können. Die Spanier erkannten den Niederländern von Beginn an gleiche Rechte und gleichen Rang zu. Das zeigte sich dann auch darin, daß die niederländisch-spanischen Gespräche abwechselnd in den Quartieren der beiden Delegationen stattfanden. Der Eile der Spanier, die auf ein starkes Bedürfnis nach Frieden schließen läßt, stand die Zögerlichkeit der Franzosen gegenüber - eine nachgerade unverständliche Haltung dieses niederländischen Bündnispartners, der sich auf die Gleichstellung seines nördlichen Nachbarn überhaupt nicht verstehen konnte, obgleich ihm sehr daran gelegen sein mußte, einen spanisch-nieder6
) Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992,470. ) Vgl. Arie Th. van Deursen, Die immer aktuelle Vergangenheit. Europa, die Niederlande und der Westfälische Friede. Münster 1993, 8. 8 ) Zum „Zeremoniell" insgesamt hier Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 6), 206-212. 7
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ländischen Teilfrieden zu verhindern. Als man 1644 im Haag über die Erneuerung des niederländisch-französischen Bündnisses von 1635 verhandelte, ergriffen die Niederländer die Gelegenheit, die Gleichstellung der künftigen Delegation für Münster zu verlangen. Sie wurden an den Pariser Hof verwiesen, wo man solches Ansinnen nur sehr zögerlich behandelte. Fürwahr, eine dem Selbstbewußtsein der Niederländer nicht sonderlich zuträgliche Haltung, und die Franzosen setzten noch eins obendrauf, als sie durchsetzten, daß ihre Namen unter dem erneuerten Vertrag in der ersten Zeile standen und erst in der folgenden Zeile die des niederländischen Partners. Die Konsequenz lautete schlicht, daß die Niederländer sich erst nach Münster begaben, als diese Formfrage, die mehr darstellte als nur eine läppische Prestigefrage, endgültig in ihrem Sinne geregelt war. Tatsächlich traf erst 1645 die schriftliche Mitteilung vom Pariser Hof ein, daß den Niederländern der Titel „Exzellenz" zukomme und daß sie Anspruch darauf haben sollten, als Letztangekommene den Begrüßungsbesuch der vor ihnen Eingetroffenen zu erwarten. Gerade dieser letztgenannte Bereich hatte als Prestigebereich im diplomatischen Verkehr höchste Priorität. 9 ) Erst nach der Zustimmung Frankreichs begaben sich die Niederländer an die internen Beratungen über Grundsätze und Inhalte des mit Spanien zu schließenden Friedens oder jedenfalls: Waffenstillstands. Als die acht Delegierten im Januar 1646 nach Münster abreisten, wurden sie dort empfangen, wie es Vertretern einer erstrangigen, souveränen Macht zukam. Sie beeilten sich dann auch, einen entsprechenden Bericht nach Den Haag zu schicken, der dort sofort gedruckt und als Flugschrift verbreitet wurde. Es war eine Erfolgsmeldung, deren Inhalt jedem, der lesen konnte, noch einmal so recht ins Bewußtsein gerückt werden sollte. Es war alles Glanz und Gloria, was sich da vor den Toren Münsters und im Logis zu Ehren der Niederländer abspielte. Der Leser spürt förmlich, wie zwischen den Zeilen der Stolz über die erstrangige Behandlung durch die Partner durchdringt. Den Empfang im einzelnen vorzustellen, würde hier zu weit führen; gesagt sei, daß schon eine halbe Kutschenstunde vor der Stadt die Delegation von den französischen und portugiesischen „Ambassadeurs" sowie dem Kommandeur der Stadt Münster empfangen wurde. Und in der Stadt selbst kamen die einzelnen Delegationen zur Begrüßung der lange erwarteten Niederländer in deren Quartier im Kramer-Amtshaus. Eine kleine Wortanalyse zunächst einmal nach Häufigkeit der verwendeten Begriffe würde eine hohe Trefferquote für das Wort „Exzellenz" feststellen. Es gab keine der so zahlreichen ersten Begegnungen, in denen die Niederländer nicht mit „Exzellenz" angeredet wurden. Jede fand Erwähnung. 10 ) 9
) Vgl. hierzu das grundlegende Werk von Poelhekke, Vrede (wie Anm. 4), vor allem Kapitel VI. 10 ) Willem Pieter Cornelius Knüttel, Catalogus van de Pamfletten-Verzameling. T. 1/2: 1621-1648. 's-Gravenhage 1890, Nr. 5271: Relaes Hoe en in wat manieren hare Excellen-
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Den Einzug nun nicht der gesamten Delegation, sondern den der niederländischen Hauptfigur, des Amsterdamer Bürgermeisters Adriaan Pauw, hat wiederum Gerard ter Borch gemalt, den der Amsterdamer selbst für die künstlerische Manifestation des großen Geschehens eigens mit nach Münster beordert hatte. Er malte den „Einzug Pauws in Münster", der heute als eines der Schlüsselbilder der Münsterschen Kunstgeschichte gilt. Im Vordergrund des Bildes erstreckt sich ein breiter Sandweg, auf dem sich eine prächtige Kutsche, von sechs Pferden gezogen, zur Stadt hin bewegt. In der Kutsche befinden sich Adriaan Pauw, seine Frau Anna von Ruytenburg und deren Enkelkind. Ein in festliches Rot gekleidetes Gefolge und eine berittene Vorhut begleiten die Kutsche. Dieser „Einzug" des Adriaan Pauw stellt eben nicht nur ein szenisches Familienporträt dar, vielmehr enthält das Gemälde eine „politisch-programmatische Aussage". 11 ) Die Darstellung der Familie entspricht in Komposition und Form der Darstellung eines Fürsten. Das Bild ist ein Auftragsbild 12 ), und der Auftrag ist eben gegeben worden vor dem Hintergrund der Querelen um den diplomatischen Status und die damit verbundenen Rechte, die letztlich nichts anderes enthielten als die Ehrbezeugungen gegenüber einer erstrangigen Macht Europas. Es stellt sich im Blick gerade auf die beiden letzten drei bis vier Jahrzehnte des 80jährigen Krieges der niederländischen Rebellen gegen den spanischen Landesherrn, die nichts anderes darstellen als eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte, die Frage, was denn die von Macht und Selbstbewußtsein geprägten niederländischen Regenten überhaupt dazu bewogen haben mag, nach Münster zu reisen, um dort Frieden mit den Spaniern zu schließen. Konnte von einer allgemeinen Friedenssehnsucht in der Republik überhaupt die Rede sein? Ist es zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß Frieden kein Wert an sich war, auch wenn 1648 Freudenfeste gefeiert wurden? Die Greuel des Krieges ereigneten sich schon lange nicht mehr im Herzen des Landes. Alles spielte sich an der Peripherie ab. Im Gegenteil: Im Schatten des Krieges entfaltete sich eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte - zur höchsten Bewunderung des Auslands^ und seiner Reisenden. Ein Grimmelshausen ist den Niederländern nicht entstanden - er hätte lediglich in den ersten drei Jahrzehnten des Aufstandes entstehen können. Zudem konnte man bei der Reise nach Münster von der spanischen Schwäche ausgehen, denn Frieden zu schließen, war ein originär spanischer Wunsch. Dieses Land hatte allen Grund dazu, seinen Friedens-
cien de Heeren Ambassadeurs Extraordinair vande Ho:Mo: Heeren Staten Generael der Vereenighde Nederlanden, tot Munster zijn gekomen, daer ingehaelt, ontfangen en gecongratuleert, volgens haer eygen schrijven. O.O. 1646. ") So Angelika Lorenz, Barockmalerei und „wissenschaftliche" Kunstsicht im 17. Jahrhundert, in: Franz-Josef Jakobi (Hrsg.), Geschichte der Stadt Münster. Bd. 3. 2. Aufl. Münster 1993, 425-437, hier 435. I2 ) Ebd.
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wünsch möglichst rasch zu realisieren. Das große Weltreich, das in den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts noch einmal seine ganze militärische Macht präsentieren konnte - Heidelberg, Jülich und Breda fielen in spanische Hand - und zugleich eine hohe kulturelle Blüte entwickelt hatte, erfuhr herbe Rückschläge. Der Gang von Rom nach Karthago, wie es Cánovas de Castillo genannt hat, war nur ein kurzer Weg. Da wurde 1639 zunächst die spanische Flotte in der Schlacht bei Downs vom niederländischen Admiral Maarten Tromp schwer geschlagen - eine mit Hilfstruppen für die südlichen Niederlande beladene Flotte, die angesichts der gemeinsamen französisch-republikanischen Erfolge in diesen noch spanischen Provinzen erforderlich waren. Die spanische Macht in den Gewässern des Nordens war damit endgültig gebrochen. Auf der iberischen Halbinsel selbst kam es zu einem von Frankreich erfolgreich unterstützten Aufstand der Katalanen gegen Madrid, und zur gleichen Zeit sagte sich Portugal von Spanien los. Schließlich folgte 1643 die Niederlage des bis dahin als kaum überwindlich geltenden spanischen Heeres gegen die Franzosen in der Schlacht bei Rocroy. Das war insofern niederschmetternd, als das spanische Heer noch nie eine Niederlage gegen die Franzosen erlitten hatte. Für die Spanier bestand ein echtes Friedensbedürfnis, und es kam gut aus, daß die Vertreter der Kriegführenden schon seit 1641 über Friedensmöglichkeiten diskutierten, die in den sogenannten „Präliminarvereinbarungen" von Hamburg 1641 in einem ersten Schritt konkretisiert wurden, übrigens auf Vorschlag des Hugo Grotius, der sich für Münster und Osnabrück als Orte der künftigen Friedensverhandlungen ausgesprochen hatte. Und die zahlreichen Versuche Spaniens, zuvor schon mit Friedrich Heinrich ins Gespräch zu kommen, zeigen recht eigentlich, wie sehr Madrid am Frieden gelegen war. 13 ) Der ausgeprägte Friedenswunsch der Spanier mochte beim ersten Hinsehen ein günstiger Ausgangspunkt für die Niederländer sein, tatsächlich aber gestaltete sich der Friedensprozeß, wenn man es auf niederländischer Seite denn so nennen kann, aus außen- und innenpolitischen Gründen gleichermaßen schwierig. Der Vertrag mit Frankreich von 1635, der beide Staaten zu gemeinsamem Vorgehen in Kriegs- und Friedensangelegenheiten verpflichtete, konnte im Jahr seines Abschlusses durchaus als Zeichen einer neugewonnenen Stärke gedeutet werden - im Augenblick der Friedensgespräche erwies er sich als hinderlich, denn Frankreich war an nichts weniger gelegen als an
13 ) Über dieses spanische Friedensbedürfnis siehe intensiv und gerafft Jonathan I. Israel, The Dutch Republic and the Hispanic World 1606-1661. Oxford 1982, vor allem 347-374. Zur Schlacht bei Downs zwischen Tromp und der unter dem Befehl von Oquendo stehenden Armada siehe ebd. 268-271. Zum spanischen Niedergang aus spanischer Sicht vgl. Antonio Cánovas de Castillo, Historia de la decadencia de España desde Felipe III hasta Carlos II. 2. Aufl. Madrid 1900. ND 1992.
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einem Frieden mit Spanien. 14 ) Spaniens Diplomaten und Politiker, denen es vor allem auf die Behauptung der Spanischen Niederlande ankam, zielten auf Trennung der niederländisch-französischen Allianz; sie hatten theoretisch die Möglichkeit der Option zwischen beiden Partnern, entschieden sich aber eindeutig für die Republik, die ehemaligen Rebellen. Die Gründe hat der hier schon mehrfach genannte spanische Unterhändler Peñaranda 1645 dargelegt. Die Niederländer seien zuverlässiger, vertrauenswürdiger, wenn es um die Einhaltung von Verträgen gehe; ihre Macht könne niemals den Umfang der französischen Entfaltungsmöglichkeiten annehmen, man habe in der Republik keinen Sinn für nationale Rivalität, sie grenze außerdem nicht unmittelbar an Spanien und schließlich - das dürfte der wichtigste Punkt gewesen sein trete man den Franzosen Territorium in den Spanischen Niederlanden ab, dann gebe man ihnen jegliches Instrument in die Hand, sich bald der ehemaligen 17 Provinzen des burgundisch-habsburgischen Reiches zu bemächtigen. Umgekehrt würden Gebietszessionen an die Niederländer aus der Republik einen starken Gegner Frankreichs machen, zumal die Malkontenten und Hugenotten auf der Seite der Republik stünden. 15 ) Für die Regenten der Republik stellte sich in den 1640er Jahren die Frage, was denn der Krieg noch zu bieten habe. Die Zeit der großen Entscheidungen zu Lande war vorbei. Wer im 17. Jahrhundert etwas gelten wollte, benötigte eine starke Flotte, zum Flottenbau mußte Holz eingekauft werden, das über die Ostsee transportiert wurde. Als in den 40er Jahren die Dänen den freien Verkehr durch den Sund einschränkten, wandte sich das kriegerische Interesse der Republik eben diesem Territorium zu. Was galt demgegenüber die Eroberung brabantischer oder flandrischer Städte? Der Krieg gen Süden brachte nichts Neues, ja, er hatte eigentlich schon zuviel gekostet. So öffneten sich die wichtigsten Regentenkreise dem Friedensgedanken, dem die Bindung an Frankreich dann auch nur lästig sein konnte, zumal Spanien, wie es Peñaranda einmal ausdrückte, mit der Schlinge um den Hals antrat. 14 ) Zum französisch-niederländischen Abkommen von 1635 aus niederländischer Sicht siehe Algemene Geschiedenis der Nederlanden. Bd. 6. Bussum 1979, 3 5 6 - 3 5 8 , mit im Anhang des Bandes reichen Literaturangaben; ferner Simon Groenveld/H.LPh. Leeuwenberg, De bruid in de schuit. De consolidatie van de Republiek 1609-1650. Zutphen 1985, 1 0 8 126; zur genauen Beurteilung des Abkommens siehe vor allem Jan J. Poelhekke, Frederik Hendrik, Prins van Oranje. Een biografisch drieluik. Zutphen 1978; die französische Werbung um Friedrich Heinrich in Kurzfassung bei Horst Lademacher, Statthalter Friedrich Heinrich - Monarch in der Republik? Zur höfischen Attitüde einer Verhinderung, in: Jahrbuch des Zentrums für Niederlande-Studien 2, 1991, 2 1 - 3 7 , hier 2 8 - 3 0 ; dazu auch Werner Hahlweg, Barriere - Gleichgewicht - Sicherheit, in: HZ 187, 1959, 5 4 - 8 9 , hier 58 und 62. 15 ) Dazu Israel, Dutch Republic (wie Anm. 13), 3 5 8 f . Israel zitiert (359 Anm. 42) aus einem Schreiben Peñarandas an Castel-Rodrigo: „ . . . porque tengo a los holandés por mas religiosos y seguros en observar la promesa y juramenta de la Paz que a los franceses, y assi se pudiera quedar con mas seguridad en lo que con holandeses se astentase" (28. August 1645).
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Frieden mit Spanien war freilich in der Republik nicht unumstritten. Daß man einst auch aus konfessionellen Motiven zum Kampf gegen den Spanier angetreten war, erwies sich als langlebige Erinnerung, die im Laufe der Jahrzehnte seit dem Beginn des 80jährigen Krieges immer wieder neu beschworen und damit aufgefrischt worden war. Zur Dauerhaftigkeit des Denkens in Kategorien des konfessionellen Konflikts trug der Ausbruch des 30jährigen Krieges bei, der in der öffentlichen Meinung Europas gerne als die große Konfrontation der Konfessionen gedeutet wurde. Jeder kriegerischen Auseinandersetzung unterlag nach diesen Vorstellungen, wie oben schon angedeutet, ein religiöses Motiv. Es blieb dabei unbeachtet, daß etwa das katholische - wenn auch die protestantische Kirche tolerierende - Frankreich gegen das katholische Spanien stand, gegen den katholischen Kaiser und auf der Seite der calvinistischen Niederlande. Als sich die Niederlande schließlich 1643 dem allerorten in Europa spürbaren Friedenswunsch nicht mehr verschließen konnten, setzte sogleich im Lande eine hektische Diskussion um das Für und Wider eines Friedensschlusses ein. Das kann nicht überraschen, weil es in der Republik üblich war - und davon zeugen heute die höchst umfangreichen Bestände an Flugschriften in den großen Bibliotheken des Landes politische topics in ganzem Umfang in der Öffentlichkeit zu erörtern. Höhepunkte in der Flugschriften-Produktion lassen sich immer bei scharfen innenpolitischen Konflikten oder bevorstehenden außenpolitischen Veränderungen feststellen. Sie entwickelte sich in einer wahren Flut von Flugschriften, die sicherlich in ihrer Vielzahl auch Ausdruck verlegerischen Geschäftssinns waren, in erster Linie freilich die Gedanken und Empfindungen der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Friedensproblematik widerspiegeln. Das heißt zunächst einmal, daß Frieden nicht als Selbstverständlichkeit republikanischer Existenz empfunden wurde, und es heißt auch, daß Friedenssehnsucht zu diesem Zeitpunkt nicht zu den vorrangigen Empfindungen in der niederländischen Öffentlichkeit zählte. Das hatte sich schon zuvor gezeigt, bei den Waffenstillstandsverhandlungen von 1609, als Frieden als Normalzustand christlicher Moral nur selten öffentlich gefordert worden war. 16 ) Und in den Jahren unmittelbar vor dem Abschluß des Waffenstillstandes hatte man praktisch noch in unmittelbarer Nähe des Kriegsgeschehens gestanden. Ab 1643 war es freilich mehr denn je deutlich, daß Frieden in der öffentlichen Diskussion zunächst eher eine politische als eine moralische Kategorie darstellte. Das galt für die Verfechter eines Friedensschlusses ebenso wie für deren Gegner. Die Befürworter standen auf der Seite der Spanier, die Kontrahenten führten für Frankreich das Wort; insge16 ) Vgl. van Deursen, Vergangenheit (wie Anm. 7), 17-19; Beispiele für die Verhärtung auf niederländischer Seite durch die Verbindung der katholischen Konfession mit der weltlichen Macht Spanien zur Zeit des Waffenstillstandsvertrages von 1609 siehe ders., Honni soit qui mal y pense? De Republiek tussen de mogendheden (1610-1612). Amsterdam 1965, 24-33.
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samt insofern eine seltsame Konstellation, als beide Länder katholisch waren - „allerkatholischst" oder „allerchristlichst". Und dort, wo die Pamphletisten für Frankreich auftraten, da ließ sich mit Leichtigkeit die gar nicht einmal so weit zurückgreifende Tradition des gleichsam gegenreformatorischen Feldzugs der Spanier mit allen dazugehörigen Greueln, die ganze Bedrohlichkeit der Großmacht Spanien anführen, was Zeitgenossen durchaus noch in der Erinnerung sein konnte oder was auf jeden Fall in einschlägigen Schriften und Almanachen sich aufgezeichnet fand. Friede nur dann, so hieß es schon 1643, wenn auch die spanischen Niederlande sich vom spanischen „Joch" befreiten und die Jesuiten „ausrotteten". 17 ) Und wenn es um Kriegsmüdigkeit und Mutlosigkeit ging, weil das Gewerbe verarmte oder verkam, da hielt man entgegen, daß Gott das Land zur Überraschung der ganzen Welt so konstruiert habe, daß es im Gegensatz zur Situation anderer Länder vom Kriege profitiere, durch ihn reich und wohlhabend werde. Bellum securitas lautete die Devise. 18 ) Lug und Betrug wurde Spanien unterstellt - aus politischer, wirtschaftlicher und militärischer Schwäche. Die Analyse des Pamphletisten war teilweise richtig, er würzte sie freilich mit spanischer Betrugsabsicht; nun, da der Löwe sich die Zähne ausgebissen habe, führe Madrid den Fuchs ins Feld, der den mit dem spanischen Katholizismus identischen Jesuiten mitbringe und damit war alles gesagt. „Gott bewahre uns vor spanischem Betrug und päpstlicher List". 19 ) Sobald sich ein niederländisch-spanischer Sonderfriede sichtbar abzeichnete, wurde auch die Liste der spanischen Vergehen in der Vergangenheit umfangreicher - und damit die historische Ableitung oder Rechtfertigung der gegen den Sonderfrieden gerichteten Haltung unversöhnlicher. Die für eine Ablehnung des Friedens plädierenden Autoren unterstrichen die betrügerischen Motive Spaniens, und dies, obgleich sie sehr wohl ihr Wissen um pax optima rerum bezeugten oder Krieg allgemein als häßliches Tier verdammten. Bellum quasi minime bellum et pessima buella.20)
I7 ) Knüttel, Catalogus (wie Anm. 10), Nr. 5014: Noodige bedenckingen der Trouhertighe Nederlanders, over de aen-staende Munstersche Handelinghe van Vrede ofte Treves om van alle Regenten, die Gods Kercke en't Vaderlant lief hebben, rijpelijck en conscientieuselijck overdacht te worden. O.O. 1643, 32 Seiten. 1S ) Ebd. Nr. 5015: Bedenckingen over het thien-hoornigh en seven-hoofdigh Treves ofte Pays Munsters-Monster, by den Paus Urbanum ontfangen. Om het welcke inde verlossinghe by te staen ende te omhelsen de Geunieerde Nederlanden beneven andere Potentaten van Europa van den Köninck van Spagnien werden ghenoodicht, door E.P. O.O. 1643. Bellum securitas als letzte Zeile mit niederländischer Übersetzung. 19 ) Ebd. Nr. 5102: Dialogus oft T'samensprekinge, ghemaeckt op den Vrede-Handel. Ghestelt by Vrage ende Antwoorde door een Lieft-hebber vande gemeene Vrijheydt. O.O. 1644, 16 Seiten; auch ebd. Nr. 5312: Suchtich, en Trouwhertich Discours, over deze tegenwoordige gestalte des Lants, in bedenckinge van Onderhandelinge zijnde met den Coninck van Spaengien. In een t'samen-spraeck, tusschen een Nederlander, Spaengiaert, Fransman, ende Sweed. Door E.P. O.O. 1646, 24 Seiten. 20 ) Ebd. Nr. 5317: Hollands Praetie. O.O. 1646, 32 Seiten.
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Für die Befürworter des Friedensschlusses, die weniger pro-spanisch als anti-französisch gesinnt waren, ergab sich die Notwendigkeit, in Münster zu einem guten Abschluß zu kommen, mit der zusätzlichen Einsicht in die Gefahr, Frankreich als Nachbarn zu haben. Gallia amicum, non vicinum. Ja, dies wurde als das größte Übel überhaupt angesehen, da Frankreich über die durchaus noch starken Katholiken in der Republik und vor allem in den bei Fortführung des Krieges zu erobernden südlichen Niederlanden eben mehr Einfluß haben konnte, als es den Republikanern lieb war. Die an anderer Stelle genannte Demarche des Comte d'Avaux in Den Haag zugunsten der niederländischen Katholiken bot da schon den letzten Beweis. 21 ) Ein sich „krene" nennender Autor ließ in diesem Zusammenhang in einem als Brief an die Generalstaaten deklarierten Pamphlet wissen: „... un accommodement avec l'Espagne est l'unique moyen d'esloigner de nous un voisinage si pernicieux, de pourvoir ä la conservation de cest Estat, de soulager nos peuples et d'arrester l'ambition d'un serviteur, qui soubs espoir de se faire le maistre, s'oppose si violemment si ouvertement en bien public". 22 ) Weniger auf die herrschende Parteiung als vielmehr auf die Interessen der sozialen Schichten abhebend, gab sich die 24-seitige Flugschrift „Munsters Pratie", die in neun Auflagen erschien und demnach ein viel gelesenes Werkchen gewesen sein muß. Es war eine Schrift, in der tatsächlich der Friedensgedanke im Sinne von Frieden als einzige menschenwürdige Lebensform zum Ausdruck kam. Aber eine solche Argumentation fand ihre Basis wohl weniger in der Moral als in der Politik der regentistischen Richtung. Der Autor hält es in dieser in der beliebten Gesprächsform verfaßten Schrift mit dem Frieden - nach Abwägen aller Interessenlagen. Es ist auffällig, daß stärker als bis dahin auch die wirtschaftlichen Nachteile des Krieges und seiner Folgen Beachtung finden, und wenngleich sehr wohl die Existenz von Profiteuren bekannt war, galt wirtschaftlicher Niedergang als das wirkliche Merkmal des Krieges. Es klingt aber auch durch, wie relativ solche Sichtweise vorgetragen wurde, wenn der Autor sich die Frage stellt, was man in Friedenszeiten nicht alles hätte erreichen können, wenn man sich schon in Kriegszeiten bewährt habe. Zur Wirtschaft und deren Möglichkeiten trat dann tatsächlich der Hinweis auf den Frieden als eine Forderung der Moral. „Gott ist ein Friedensgott", heißt es da; der Teufel der Urheber des Krieges. Das gab sich alles gewichtig, so daß auch die Argumente eines orthodoxen Calvinisten für eine Fortsetzung des Krieges einfach nicht akzeptiert wurden. Abgesehen davon, daß die verstümmelten Körper von Soldaten neuerlich ins „Feld" geführt wurden, bediente sich der Autor eines publizistischen Tricks, um sein Plädoyer zu stützen. Die reine Begründung 21
) Ebd. Nr. 5304: Hollandsche Sybille. Amsterdam 1646, 32 Seiten. ) Ebd. Nr. 5309: Copie d'une lettre envoyée de la Haye aux Deputez des Etats d'Hollande, pour la Paix ä Munster. O.O. [1646], 7.
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schien nicht zu reichen, daher wurden Argumente für den Krieg mit Attributen wie religiösem Fanatismus, schlichter Voreingenommenheit, Hab- und Trunksucht behaftet, während der Part des alles abwägenden, ausgleichenden Friedensanwalts von einem städtischen Regenten übernommen wurde. Es ist eindeutig, daß der Autor ganz in der Nähe vor allem der holländischen Regenten stand. 23 ) Ganz im Hinblick auf die vertraglich festgeschriebene Bindung an Frankreich, ließ der Autor den Regenten sagen: „Jeder, groß und klein, arm und reich, Prediger und Laie, betet für den Frieden und wünscht ihn sehnlichst herbei. Sollten wir ... wegen des Ehrgeizes und der Habsucht weniger, die durch den Krieg fett und reich werden, oder wegen der Habsucht Frankreichs und Schwedens ... die Bitten jener überhören, die Tag und Nacht um Frieden bitten und sie noch länger in ihrer Trauer lassen?" Die seit 1643 geführte Auseinandersetzung, die hier angesichts der hohen Zahl von Flugschriften nicht im Detail dargestellt werden kann, setzte sich bis in die Monate zwischen Paraphierung und Eidesleistung im Münsterschen Rathaus fort, ohne daß die Inhalte sich wesentlich geändert hätten, mit der Ausnahme vielleicht, daß gerade in der letzten Zeit der Gedanke an Frieden als moralische Forderung vermehrt in die Texte eingeführt wurde. 24 ) Zurück zur außenpolitischen Praxis, die selbstverständlich ihre inneren Voraussetzungen hatte. Es mußte einiges im Hinblick auf die künftige Binnenstruktur der Republik geklärt werden. Bevor man eine Delegation nach Münster schickte, mußte klar sein, daß bei den Friedensverhandlungen weder die Union noch die Religion und auch nicht die militärische Stärke aufs Spiel gesetzt werden durften. Die Union, das war die von Utrecht von 1579, Religion, das hieß das Bekenntnis, wie es auf der Dordrechter Synode 1619 festgelegt worden war, die militärische Stärke spielte an auf die schon seit mehreren Jahren laufenden Versuche der Provinz Holland, das Militär auf einen geringeren Bestand zu reduzieren. Tatsächlich war die Utrechter Union zunächst nichts anderes als ein aus dem gemeinsamen Kampf gegen Spanien erwachsener Zusammenschluß von Provinzen, die jede für sich ein hohes Selbstbewußtsein pflegten. Selbst in Kriegszeiten hatte es manchen Krakehl zwischen ihnen gegeben, und verwunderlich ist es nicht, daß ausländische Beobachter prognostizierten, das Ende des Krieges werde auch die Utrechter Union wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Wenn Union auch Eintracht heißen sollte, dann durften künftig keine konfessionellen Kompromisse gemacht werden - schon gar nicht gegenüber dem Katholizismus - und durften gerade angesichts der Unzuverlässigkeit Spaniens keine provinziellen Alleingänge bei der Reduzie-
23
) Ebd. Nr. 5290: Munsters Pratie. O.O. 1646, 24 Seiten. Titelmotto: Deliberant dum fingere nesciunt. 24 ) Vor allem zum Umfang der Pamphletistik der Zeit siehe Craig E. Harline, Pamphlets, Printing and Political Culture in the Early Dutch Republic. Dordrecht 1987.
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rang des Truppenbestandes unternommen werden, wie das seit Beginn der 1640er Jahre thematisiert worden war. Es vermittelt einen tiefen Einblick in die innere Verunsicherung des nach außen so erfolgreichen Staates, wenn befürchtet wurde, daß nur der Krieg ein einigermaßen einigendes Band zwischen den Provinzen flechten konnte. Andererseits, so verwunderlich war das nicht, wenn die den Statthalter gegen die Regenten stützenden calvinistischen Volksschichten mit ansehen mußten, wie das Haus Oranien, der Statthalter also, mit dem Haus Stuart anbandelte, oder Frankreich, der Verbündete der Republik, über seinen Gesandten d'Avaux in den General ständen in Den Haag im Frühjahr 1644 empfehlen ließ, man solle doch das Los der Katholiken etwas erleichtern: „les noms des Catholiques et Hollandois ne sont pas incompatibles". Man könne auch Gegner Spaniens sein, ohne Protestant zu sein. 25 ) Das war ein großer Fehler der französischen Diplomatie, kaum wiedergutzumachen bei einer ohnehin keineswegs uneingeschränkt pro-französischen Haltung in der Republik. Sprüche, wie sie der Franzose vortrug, ließen am Wert französischer Freundschaft zweifeln und zeigten tatsächlich geringe Sensibilität gegenüber einem so hoch empfindlichen Bereich wie der Religion der Republik. Dazu traten 1646 plötzlich Pläne einer dynastischen Verbindung zwischen den Höfen Spaniens und Frankreichs, die die Franzosen in den Besitz der Spanischen Niederlande gebracht hätte. Lauter hätte zu diesem Zeitpunkt das abwehrende Motto von „Gallien als Freund, aber nicht als Nachbarn" nicht klingen können. Es schien jedenfalls an der Zeit, ohne Frankreich in einfacher Ignorierung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber diesem Land zu einem günstigen Abschluß mit Spanien zu gelangen. Und so geschah es. Von der Abreise im Januar 1646 bis zum Schwur auf den Friedensschluß sind lediglich knappe zweieinhalb Jahre vergangen. Wenn man berücksichtigt, daß die Entscheidungsfindung in Den Haag bei dem eingefleischten Föderalismus der auf ihre Souveränität pochenden Provinzen ein zeitraubender Prozeß war, dann handelt es sich hier um eine relativ kurze Verhandlungsperiode. Sie erstreckte sich ganz wesentlich über diesen Zeitraum, weil die Franzosen alles daran setzten, einen Abschluß zwischen Spanien und der Republik zu verhindern, indem sie nicht nur selbst in den Generalständen vorstellig wurden, sondern auch eine intensive Flugschriftenpropaganda inspirierten oder gar inszenierten, was schließlich auch die Spanier ihrerseits zu publizistischen Gegenaktionen auf den Plan rief. Diese sowohl im direkten politischen Gespräch oder eben über die Flugschriften geführte Auseinandersetzung wurde auch insofern in aller Prinzipienhaftigkeit geführt, als seit dem September 1646 der Vorschlag der Provinz Hol25
) Knüttel, Catalogus (wie Anm. 10), Nr. 5105: Extrait de l'Harangue du Comte d'Avaux, Ambassadeur Extra-ordinaire du Roy Tres-Chrétien Louys XIV; faite en l'Assemblée des Tres-hauts et Puissants Messieurs, les Estats Generaux des Provinces Unies, en la Haye le 3 du mois de Mars. O.O. 1644, 2. niederländische Übersetzung: ebd. Nr. 5106.
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land auf dem Tisch lag, die ursprünglich nur als weiterer Waffenstillstand vorgesehene Vereinbarung schlicht in einen Friedensvertrag umzuwandeln. Die Verhandlungen in Münster gestalteten sich zu einem vollen Erfolg nicht nur in ihrem Ergebnis, sondern auch, weil die Delegation der Republik in dieser Periode als Vermittlerin zwischen Spanien und Frankreich auftreten durfte, ohne Erfolg zwar, aber doch mit einem weiteren Beitrag zum ohnehin hohen Selbstbewußtsein. Denn man stelle sich vor: inmitten dieser barocken, monarchisch bestimmten Welt kamen die weithin als Parvenüs empfundenen republikanischen Kaufleute daher, um zwischen den mächtigsten Häuptern Europas zu vermitteln. Das Ergebnis der spanisch-niederländischen Verhandlungen war letztlich nichts anderes als eine Bestätigung des Status quo, und damit konnte der Friedensschluß für die Niederlande durchaus als Siegfrieden gelten. Zunächst und vor allem anerkannte der spanische König offiziell die Souveränität der Republik. Aber das konnte nun kaum noch überraschen. Es gab keine territorialen Zessionen. Die von der Republik eroberten Gebiete in Brabant und Flandern blieben in ihrer Hand, ohne daß Klarheit über die künftigen Möglichkeiten der katholischen Kirche geschaffen wurde. Von Gewissensfreiheit war keine Rede. Die Republik begann dann auch wenig später mit der Protestantisierung der Gebiete. Die VOC- und WIC-Monopole wurden insofern ausgedehnt, als es den Spaniern verboten wurde, in den Monopolgebieten Handel zu treiben. Die Scheide-Mündung blieb geschlossen, mit der Maßgabe im übrigen, daß der Handelsverkehr auch der übrigen flandrischen Häfen (der spanischen Niederlande) vom spanischen König mit den gleichen Abgaben oder Steuern belastet wurde wie der Handelsverkehr auf der Scheide. Die Häfen Spaniens und der spanischen Niederlande waren nun auch wieder für niederländische Schiffe zugänglich, deren Geschäfte bis dahin vor allem deutsche Hafenstädte übernommen hatten. 26 ) Der Friedensschluß hat die heutige niederländisch-belgische Grenze in ihrem West-Ost-Verlauf festgelegt. Es war eine Scheidung, die noch einmal zwischen 1815 und 1830 überwunden worden ist, um dann mit der Revolution der Belgier endgültig festgeschrieben zu werden. Der Frieden brachte darüber hinaus die völkerrechtliche Anerkennung der Niederlande. Das mag nichts Überwältigendes gewesen sein, aber insgesamt setzte sich hier doch das für das gesamte Friedenswerk gültige Grundprinzip durch, nach dem zwischen der Wirklichkeit und der Rechtmäßigkeit Übereinstimmung herrschen solle. Das Prinzip hieß Anerkennung der völkerrechtlichen Gleichheit der Staaten, die sich auch in der formellen Anerkennung der schweizerischen Unabhängig-
26
) Zusammenfassung der und Kommentar zu den Ergebnissen u.a. in Algemene Geschiedenis (wie Anm. 14) sowie bei Groenveld/Leeuwenberg, De bruid (wie Anm. 14), 122— 128.
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keit äußerte. 27 ) Was in den Tagen nach dem Schwur im Münsterschen Rathaussaal so überschwenglich in der Stadt und am 5. Juni dann auch in der Republik gefeiert wurde, galt in den Niederlanden sicherlich der völkerrechtlichen Anerkennung, die ja zugleich ein Stück Anerkennung einer Rebellion enthielt, und auch der Bestätigung des Status quo, die man als Erfolgsmeldung vortragen konnte, und war schließlich mehr eine Sieges- als eine Friedensfeier 28 ) - in Münster dürfte man in diesem Teilfrieden einen hoffnungsvollen Ansatz zu dem angestrebten Gesamtfriedens werk gesehen haben. Für die Republik freilich entpuppte sich der Münstersche Abschluß als ein Erfolgserlebnis von nur geringer Lebenskraft. Es mochte zwar die Gefahr einer habsburgischen Hegemonie gebannt sein, wenig später zog jedoch die Gefahr einer französisch-bourbonischen Hegemonie herauf, die von einigen Niederländern eben schon vor 1648 durchaus gesehen worden war und zunächst auch einer wachsenden Konkurrenzbereitschaft des Inselstaats England parallel lief. Gewiß, in Münster verabschiedeten die Diplomaten und ihre Berater die völkerrechtliche Gleichheit und eine auf Recht beruhende internationale Ordnung. So konnte sich im 18. Jahrhundert der konservative britische Staatsmann Edmund Burke auch ausdrücklich auf den Westfälischen Frieden berufen, als er sich über die Aufteilung des Königreichs Polen unter drei Großmächte empörte 29 ), aber schon bald nach dem Münsterschen Frieden stand neuerlich der politische Begriff vom „europäischen Gleichgewicht" im Zentrum außenpolitischen Denkens, und eben diese gleichsam semantische Konzentration läßt deutlich werden, daß eine internationale Rechtsordnung ein hehres Postulat bleiben mußte, wenn es Mächte gab, die dem Recht gegenüber der Macht eine nachrangige Bedeutung gaben. Der Friede von Münster hat der Republik keinen langen Frieden, sondern nach recht kurzer Dauer nur eine Neukonstellation kriegerischer Konflikte gebracht, aber vielleicht ist der Abschluß des Friedens eine Art Impuls gewesen für die Realisierung des Friedens auch zwischen den anderen Mächten.
27
) Vgl. zur Frage der völkerrechtlichen Anerkennung der Republik Franz Petri, Der Friede von Münster und die Selbständigkeit der Niederlande, in: ders., Zur Geschichte und Landeskunde der Rheinlande, Westfalen und ihrer westeuropäischen Nachbarländer. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Bonn 1973, 6 0 0 - 6 1 3 . Petri schließt sich hier Robert Feenstra, A quelle époque les Provinces-Unies sont-elles devenues indépendantes en droit à l'égard du Saint-Empire?, in: TRG 20, 1952, 3 0 - 6 3 , 182-218, 4 7 9 f . an, wenn er - m.E. zu Recht - davor warnt, die Bedeutung des Münsterschen Friedens an dieser Stelle zu überschätzen. 28 ) Dafür sprechen die vielen Pamphlete, die nach dem Schwur im Laufe des Jahres 1648 erschienen. 29 ) Elmer A. Beller, The Thirty Years' War, in: John P. Cooper (Ed.), N e w Cambridge Modern History. Vol. 4. Cambridge 1970, 3 0 6 - 3 5 8 , hier 358.
Die schwedischen Friedenskonzeptionen und ihre Umsetzung in Osnabrück Von
Sven Lundkvist
Die schwedischen Friedensvorstellungen und ihre Verwirklichung während der Friedensverhandlungen in Osnabrück sind selbstverständlich nicht leicht in einem kurzen Beitrag zusammenzufassen. In verschiedenen Zusammenhängen habe ich mich bereits früher dazu geäußert. 1 ) Diese Darlegungen, wie auch die Quellenausgaben der letzten Jahre und die wissenschaftliche Literatur, liegen meinen Ausführungen zugrunde. Es geht hier um folgende Fragen: 1. Welcher Art waren die schwedischen Friedensziele? 2. Was besagten sie? 3. Wie konnten sie während der Friedensverhandlungen formuliert werden? 4. Was hatten sie für den Frieden und für Schweden zu bedeuten? Die schwedischen Friedenskonzeptionen wurden in den im Oktober 1641 ausgefertigten Instruktionen für die schwedischen Gesandten zusammengefaßt. 2 ) Einige der Forderungen waren bereits in früheren Verhandlungen mit dem Kaiser durchgesetzt worden. Drei Hauptforderungen gab es jedoch, über die man sich nicht hatte einigen können: die assecuratio pacis, die satisfactio coronae und die satisfactio militum oder das contentement der Soldateska. Die assecuratio pacis war kurz vor Gustav Adolfs Tod auf folgende Weise beschrieben worden: Aufhebung des kaiserlichen Edikts über die Kirchengüter von 1629, Restitution der deutschen evangelischen Fürsten und Stände, denen ihre Gebiete und Rechte genommen worden waren, Wiederherstellung des geistlichen und weltlichen Friedens gemäß den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 sowie Aufhebung der Gravamina. 1637 hatte sich die Terminologie geändert; nun sagte man Amnestie, Restitution und Sicherheit, und man ging von den veränderten Verhältnissen nach dem Prager Frieden aus. Der Hauptinhalt aber war derselbe. In der Hauptinstruktion für die Friedensverhandlungen findet man 1641 diese Perspektive. Schweden und Frankreich müßten den Krieg ehrenvoll beenden. Da die ') Sven Lundkvist, Säkerhet och fred. Kring den westfaliska fredens problematik, in: Utrikespolitik och historia. Studientillägnade Wilhelm M. Carlgren den 6 maj 1987. Stockholm 1987, 163-173; ders., Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele 1632-1648, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 219-240. 2 ) Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. I. Bd. 1. Münster 1962, 231-266.
350
Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
Amnestiefrage die Ursache dafür sei, daß der Krieg so lange geführt wurde, müsse man die Amnestie nun im Interesse eines ehrenhaften Friedens durchsetzen. 3 ) Aus schwedischer Sicht war also die Rückkehr zu den früheren Verhältnissen eine Voraussetzung für Frieden und Sicherheit. Aus anderer Sicht bedeuteten die schwedischen Ziele, daß die vom Kaiser seit 1618 durchgesetzten Reichsreformen aufgehoben und Eingriffe in Deutschlands innere Verhältnisse vorgenommen werden mußten. Das Ziel war, die Dominanz des Kaisers, vor allem im norddeutschen Raum, zu brechen und das Gleichgewicht entlang der Südküste der Ostsee, der sog. „Seekante", unter gebührender Berücksichtigung der schwedischen Interessen wiederherzustellen. Die Amnestie hatte ein doppeltes Ziel: Sie sollte eine Balance zwischen Kaiser und Ständen und zugleich ein Gleichgewicht zwischen den Konfessionen und zwischen den verschiedenen Gruppierungen im Kurfürstenkollegium und im Reichstag herstellen. Nicht umsonst wurden die Worte „Gleichgewicht" und „Balance" in den Friedensverhandlungen unterstrichen, und alles zielte auf den Begriff der securitas, die mit Frieden und Sicherheit gleichgesetzt wurde. 4 ) Die schwedische Satisfaktion, die satisfactio coronae, enthielt ein starkes sicherheitspolitisches wie auch ein handelspolitisches Element. Die sog. „Seekante" bildete ein grundsätzliches Ziel aller territorialen Forderungen schwedischerseits. Es ging darum, den Frieden zu sichern, zugleich aber auch militärisch und ökonomisch ein Gegengewicht gegen den Kaiser und andere zu schaffen. Man wollte Schutz für das Mutterland in Form von Gebieten, die den ersten Stoß des Gegners abfangen konnten. In kritischen Situationen, wie in den Jahren um 1635, war man schwedischerseits bereit, die assecuratio pacis der satisfactio coronae zu opfern. Letztere sollte in Form von Land oder Geldern, deren Auszahlung durch in territorialem Besitz abgesicherte Hypotheken garantiert war, erfolgen. In der Hauptinstruktion für die Unterhändler auf dem Friedenskongreß wurde die Notwendigkeit der Satisfaktion ausführlich begründet. Die Unterhändler sollten hervorheben, daß die Satisfaktion nicht zu gering ausfallen dürfe, sondern am besten ein ansehnliches Fürstentum in Deutschland sub jure feude a caesare et imperio cognoscendi sein solle. Pommern war ein in diesem Sinne passendes Fürstentum. In den Nebeninstruktionen wurden die Ansprüche auf Pommern unterstrichen und präzisiert. Als Schweden zum Jahreswechsel 1645/46 seine territorialen Satisfaktionsforderungen überreichte, waren die Ansprüche gestiegen: nun wurden ganz Pommern, die Stadt Wismar mit den umliegenden Ämtern, Schlesien und die Bistümer Bremen und Verden
3
) Lundkvist, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 1), 224 ff. ) Ebd. 226ff., 235ff.; Lundkvist, Säkerhet (wie Anm. 1), 164ff.
4
Lundkvist, Die schwedischen
Friedenskonzeptionen
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verlangt. Das alles sollte als Lehen vom Kaiser empfangen werden und Teil des römisch-deutschen Reiches bleiben. 5 ) Das contentement der Soldateska war für Schweden sehr wichtig und hängt mit seinem militärischen Einsatz in Deutschland zusammen. Gustav Adolfs und Axel Oxenstiernas Grundsatz, daß der Krieg sich selbst ernähren sollte, bedeutete, daß die Kosten auf den Kriegsschauplatz abgewälzt wurden. Eine erfolgreiche Kriegführung erforderte große Armeen und auch entsprechende Gebiete, die die Soldateska versorgen konnten. Solange man Erfolg hatte, ließen sich die Versorgungsprobleme lösen. Als der Erfolg aber nachließ, wurden die Probleme größer. Auch die kaiserlichen und französischen Armeen führten Krieg nach diesem Prinzip. 6 ) Die Verhandlungen über die schwedischen Friedensziele fanden vor einem militärischen Hintergrund statt. Die militärische Stärke der Verhandlungspartner war in hohem Maße ausschlaggebend für den Verlauf des Friedenskongresses. Die kaiserliche Seite verfügte 1648 über 50000 bis 70000 Mann - die Zahlen sind nicht ganz sicher darunter 18000 bayerische und 1000 spanische Soldaten. Schweden dagegen hatte 63698 Mann, Hessen-Kassel ungefähr 11000 und Frankreich vielleicht 9000, d. h. im ganzen verfügten die Gegner des Kaisers über rund 84000 Mann. Hinzu kam, daß die Schweden gegen Ende des Krieges eine Reihe von wichtigen Festungen besetzt hielten, was nicht zuletzt für die Durchführung des Friedensvertrags von großer Bedeutung war. 7 ) Nach der Niederlage in der Schlacht bei Jankau 1645 sah der Kaiser ein, daß er sich ernstlich auf Verhandlungen einlassen mußte. Nach und nach wurde er militärisch immer mehr unter Druck gesetzt, was sich in seinen Anweisungen für seinen Hauptunterhändler Maximilian Graf Trauttmansdorff spiegelt. Als die Alliierten 1646/47 die Donau überschritten, löste das nicht nur in Wien Unruhe aus, sondern führte auch dazu, daß Bayern im März 1647 in Ulm einen Waffenstillstand mit Frankreich abschloß und folglich den Kaiser eine Zeitlang verließ. Der schwedische Feldzug gegen Prag im Sommer 1648 öffnete dann endgültig den Weg zum Frieden und zur Lösung der letzten Streitfragen. 8 ) Die assecuratio wurde in langen Verhandlungen durchgesetzt, u.a. auch beeinflußt durch die schwedischen Erfolge auf dem Schlachtfeld. Von Jankau an war man sich kaiserlicherseits darüber im klaren, daß die Stände nicht mehr von den Verhandlungen ferngehalten werden konnten und auf längere Sicht die Oberhand gewinnen würden. 5
) Lundkvist, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 1), 228 f. ) Vgl. ebd. 230. 7 ) Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991, 541 f., 550-567. 8 ) Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (16431648). Münster 1979, passim. 6
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
Die Ausdehnung der kaiserlichen Macht während des Dreißigjährigen Krieges war nicht unbemerkt geblieben. Wenige hatten ein Interesse daran, diese Entwicklung zu fördern. Im Gegenteil wünschten die meisten, sie zu verhindern. Das gilt nicht zuletzt für Schweden, Frankreich und die Niederlande, aber auch für andere Staaten wie Dänemark und Polen. Schweden und Frankreich waren beide an einem europäischen Gleichgewicht interessiert. Ihre Ziele stimmten darin überein, daß die Selbständigkeit und das jus pacis et belli der deutschen Fürsten und Stände anerkannt und der Kaiser in allen wichtigen Fragen an die Zustimmung der Stände gebunden werden sollte. Dagegen war Schweden nicht an der französischen Forderung interessiert, ein reines Wahlkaisertum einzuführen. 9 ) Zwischen den jura statuum der Stände und der assecuratio bestand ein enger Zusammenhang. Der kaiserliche Hauptunterhändler Maximilian Graf Trauttmansdorff vertrat den Standpunkt der katholischen Seite, wonach die auswärtigen Mächte nichts mit den inneren Angelegenheiten des Reiches zu tun hätten. Andererseits erkannten die evangelischen Stände die ihnen drohende Gefahr. Die deutschen Stände waren deshalb in ihrer Auffassung nicht einig. Sie sahen die Gefahr, aber auch die Notwendigkeit und die Möglichkeiten einer Einbeziehung der fremden Kronen. Wie man den schwedischen Standpunkt und das schwedische Interesse auch interpretiert, als Vörwand oder als Realität: für die Verhandlungen ergaben sich daraus Konsequenzen. 10 ) Am l . / l l . Juni 1645 überreichten Schweden und Frankreich ihre Friedensvorschläge. Sie unterschieden sich u.a. in der Religionsfrage, die Frankreich nicht berührte. Als Trauttmansdorff Ende November nach Münster kam, hatte er weitgehende Vollmachten für Zugeständnisse bekommen. Der kaiserliche Hof war sich nämlich darüber im klaren, daß der Krieg nicht mehr zu gewinnen und eine totale Niederlage nicht mehr ausgeschlossen war, falls der Krieg weiterging. Ein rascher Frieden war das kaiserliche Verhandlungsziel. 11 ) Trauttmansdorff wollte zunächst die Reichsstände einen, um eine kraftvolle Front gegen die ausländischen Mächte Frankreich und Schweden aufbieten zu können. Die Stände und der Kaiser verwarfen auch gemeinsam eine Änderung der Reichsverfassung, woraufhin Schweden und Frankreich die Frage fallenließen. Trauttmansdorff mußte jedoch den Gedanken aufgeben, die Stände zunächst zu einen und erst dann mit den Kronen zu verhandeln. Statt dessen mußte er nach und nach Zugeständnisse machen. Die ständischen Auffassungen waren kontrovers, und die Evangelischen schlössen sich immer mehr an die Schweden an. Schweden verband seine territorialen Forderungen mit den
9
) Lundkvist, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 1), 226. ) Ebd. ") Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 8), 129ff.; ders., Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3. Münster 1985, XXVI-XLVII. 10
Lundkvist,
Die schwedischen
Friedenskonzeptionen
353
ständischen Gravamina. Kaiserlicherseits war der Wille offensichtlich, eine Versöhnung zwischen Katholiken und Protestanten herbeizuführen. Um die Jahreswende 1645/46 konnte man die letzten Hindernisse überwinden. Auf einem Punkt beharrte der Kaiser jedoch unerschütterlich: In bezug auf die Erblande durften keine Zugeständnisse gemacht werden. Trauttmansdorffs Arbeit reichte indessen nicht bis in die Endphase des Kongresses. Statt dessen ergriffen die Stände immer mehr die Initiative und waren zu Kompromissen bereit, um sich einander annähern zu können. Gegen Ende der Verhandlungen wurde der Kaiser immer mehr isoliert. Schließlich gab es keine Frage mehr, die ihn und die Kurfürsten allein betroffen hätte. Die Stände wurden durch das ihnen zugebilligte Bündnisrecht zu völkerrechtlich handelnden Subjekten. Durch die Einführung des „Normaljahres" 1624, also nicht 1618, wie die schwedischen Abgesandten gewünscht hatten, konnten die katholischen Stände vor weiteren protestantischen Säkularisationen geschützt werden. Gleichzeitig verzichteten die katholischen Stände darauf, alle zuvor evangelischen Gebiete zurückzugewinnen. Die allgemeine Amnestie war die Voraussetzung für den politischen Frieden im Lande. Das neue Reichsreligionsrecht trug der Existenz von zwei Konfessionen Rechnung. Die kalvinischen Reichsstände wurden in die Augsburger Konfessionsfamilie eingefügt. Wichtiger war jedoch, daß die streng theologische Interpretation vieler Begriffe immer mehr beseitigt und statt dessen politisch-juristisch gewendet wurde. Die Vertragspartner erkannten sich gegenseitig an, übernahmen aber auch gemeinsame Aufgaben. 12 ) Für Schweden bedeutete das, daß die schwedischen Ziele zwar nicht alle erreicht waren, wichtige Ergebnisse aber doch erarbeitet worden waren. Der Kaiser war kein Alleinherrscher mehr. Durch die religiöse Gleichberechtigung zwischen Katholiken und Protestanten vom „Normaljahr" 1624 an und mit der veränderten Auffassung vom kirchlichen Eigentum hatten die Protestanten eine Reihe von Vorteilen errungen. Schweden hatte auf dem Friedenskongreß eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung gespielt. Schwedischerseits war man mit dem Endergebnis zufrieden. Bereits im Mai 1646 konnte Axel Oxenstierna im schwedischen Reichsrat mitteilen: „Nun ist securitas, daß Deutschland nicht absolut wird, sonst gehen die Schweden, Dänemark und die anderen unter". 13 ) Securitas bedeutete Frieden, dessen Voraussetzung ein Gleichgewicht war, das alle überwachten. Es lag andererseits im Interesse aller, daß Schweden keine dominierende Stellung eingeräumt wurde. Das zeigte sich u.a. während der Verhandlungen über die schwedische territoriale Entschädigung. 12 ) Für das Vorhergehende siehe Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 8), passim, besonders die Schlußbetrachtung, und Antje Oschmann, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1993, XLVIII-LXXV; dies., Exekutionstag (wie Anm. 7), 4 9 - 6 3 . 13 ) Svenska Riksrädets Protokoll [SRP], Vol. 11. Stockholm 1906, 359.
354
Der Westfälische Friede und die europäischen Mächte
Es gelang Trauttmansdorff, mit Schweden und Frankreich getrennt über die assecuratio coronae zu verhandeln. Dadurch konnte er die Verbündeten spalten. Geschickt schloß er zunächst ein Abkommen mit Frankreich, das er dann Schweden gegenüber als Hebel benutzen konnte. Mit Schweden wollte er gern zu einem schnellen und für die Schweden territorial günstigen Abschluß kommen. Der Kaiser war hier nicht an die Zustimmung der Stände gebunden. Frankreich hatte versprochen, die Schweden zu beeinflussen, und versuchte nachdrücklich, eine allzu starke schwedische Stellung zu verhindern. Für Schweden weist das Endergebnis deutliche Spuren dieses alles in allem negativen französischen Einflusses auf. Im Oktober 1646 war man sich im großen und ganzen über die Abtretung von Bremen, Verden und Wismar einig. Das eigentliche Hindernis bildete Pommern. Trauttmansdorff war bereit, Schweden ganz Pommern zu überlassen und die brandenburgischen Ansprüche zu übergehen. Frankreich und andere Länder, wie die Niederlande, Dänemark und Polen, widersetzten sich. Sie wollten Hinterpommern, das im Blick auf die schwedischen Schenkungen und für den Handel wichtig war, nicht an Schweden abtreten. Vermutlich wäre das ganze Herzogtum dennoch Schweden zugefallen, wenn nicht die schwedischen Gesandten Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius uneinig gewesen wären und ebenso wie die Regierung in Stockholm gezögert hätten. Die schwedische Reichsführung wollte das Verhältnis zu Brandenburg nicht gefährden. Am 8./18. Februar 1647 wurden die Verhandlungen beendet. Vorpommern und die Gebiete östlich der Odermündung fielen an Schweden, nicht dagegen die übrigen Teile Hinterpommerns.14) Im endgültigen Friedensvertrag wurde diese Regelung 1648 bestätigt.15) Schweden bekam das Land als kaiserliches Lehen (feudum), das zum römisch-deutschen Reich gehörte, also nicht - wie die Franzosen, die einen Teil des Elsaß übernahmen - als Eigentum (allodium). Schwedischerseits konnte keine Frage endgültig entschieden werden, bevor das Problem des contentement der Soldateska eine zufriedenstellende Lösung gefunden hatte. Teilweise ging es um frühere Erfahrungen, teilweise um die Zukunft. Es mag verblüffen, daß diese wichtige Frage in der Historiographie so lange nur am Rande behandelt worden ist oder als schwedischer Vorwand betrachtet wurde, hinter dem die Absicht stand, den Frieden zu verhindern. Das ist geschehen, obwohl die Frage nicht nur für Schweden, sondern auch für die anderen Kriegführenden - den Kaiser, Bayern und Frankreich - wesentlich war. Ohne Geld und Unterhalt für die Armeen konnte kein Krieg geführt wer-
14 ) Vgl. Wilhelm Kohl, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2. Münster 1971, XXI-XL; Gottfried Lorenz, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3. Münster 1975, XXV-LVI. ,5 ) Sverges Traktater med främmande magter. Vol. 6/1. Stockholm/Leipzig/Paris 1915, 373 ff.
Lundkvist, Die schwedischen
Friedenskonzeptionen
355
den. Darum werde ich im folgenden diese Problematik etwas ausführlicher erläutern. Im Sommer 1635 verlangte die Armee Sold und Belohnungen, wofür man Axel Oxenstierna persönlich haftbar machte. Schließlich kam es zu einer Vereinbarung zwischen Oxenstierna und dem Feldmarschall Baner einerseits und den führenden deutschen Offizieren im schwedischen Heer andererseits. Die Offiziere schworen der schwedischen Krone die Treue, bis man von schwedischer Seite einen sicheren Frieden und Satisfaktion erreicht habe. Oxenstierna und Feldmarschall Baner versprachen ihrerseits im Namen der Krone, keinen Frieden ohne Kenntnis und Beteiligung der Armee zu schließen. Außerdem versprach man schwedischerseits, daß die deutschen Offiziere nicht im Stich gelassen werden sollten, sondern ihren „refraicte auf die Cron Schweden nehmen, und alda nach eines jeden merite und der müglichkeit mit gelt oder güttern recompensiret werden soll". Während Axel Oxenstiernas politischer Führung blieben diese Forderungen ein wichtiger politischer Faktor. Letzten Endes übernahm das schwedische Mutterland die Garantie, falls die Last nicht auf andere abgewälzt werden konnte. Es handelte sich gerade um diese Gegebenheiten, die die Staatsmänner zu berücksichtigen hatten. Damit hing ein anderes Problem zusammen: die während des Krieges erfolgte Abwälzung der Kriegskosten auf die Zukunft. Anleihen und Kredite mußten zurückgezahlt werden. Das konnte, solange Krieg herrschte, im Rahmen des Kriegsfinanzierungssystems auf die eine oder andere Art erfolgen. Was geschah aber, wenn man eines Tages nicht mehr auf einen Kriegsschauplatz zurückgreifen konnte? Mit den Friedensverhandlungen war deshalb auch die Notwendigkeit verknüpft, die Armee bei guter Stimmung zu halten, damit sie der Führung vertraute. Eine Voraussetzung dafür war, daß den Offizieren Sold und bereits verliehene oder zukünftige Belohnungen und Schenkungen garantiert wurden. Das bedeutete für Schweden, daß man durch den Friedensschluß Gebiete in Deutschland und/oder große Geldsummen gewinnen mußte, um der Armee und der zivilen Verwaltung Genüge zu tun. 16 ) Auf diesem Hintergrund muß man die schwedischen Instruktionen in der Frage der satisfactio militum sehen. Sie gingen durchweg davon aus, daß diese Frage gelöst sein müsse, bevor man einen Friedensvertrag unterzeichnen könne. Im März 1647 äußerte Axel Oxenstierna im schwedischen Reichsrat, die satisfactio militum sei notwendig 1. wegen des Kredits und des guten Namens der Königin, 2. um der drohenden Gefahr zu entgehen, daß die Soldateska „das ganze Werk turbieren würde", falls sie nicht zufriedengestellt werden könne, und 3. weil man jetzt umso mehr an das contentement denken
l6
) Lundkvist, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 1), 230f.
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Der Westfälische
Friede und die europäischen
Mächte
müsse, da es in Deutschland nur zwei beachtenswerte Armeen gebe, die schwedische und die kaiserliche. 17 ) Im Sommer 1647 wurden die schwedischen Forderungen präzisiert: die Mannschaft sollte einen Jahressold erhalten, die Offiziere territoriale Entschädigungen in Form von aufgelisteten Gebieten bekommen, die Schenkungen sollten abgesichert und die sog. „Exulanten" restituiert werden. Die Mindestforderung belief sich auf zwölf Millionen Reichstaler, die notfalls auf zehn gesenkt werden könne. Weiterhin könne man auch den Anspruch auf bestimmte Gebiete und auf die Restitution der Exulanten aufgeben. 18 ) Der Kaiser vertrat zunächst den Standpunkt, daß die schwedische Armee keinerlei Vergütung bekommen solle. Auch die Stände waren nicht dazu bereit. Mitte Mai 1648 war man so Veit gekommen, daß man eine Summe von 1600000 Reichstalern anbot. 19 ) Die weiteren Verhandlungen standen deutlich unter dem Eindruck der Kriegsereignisse im Frühjahr und Sommer 1648. Die schwedische Königin drängte auf einen schnellen Abschluß. Sie war darum zu Zugeständnissen bereit. Im Endergebnis akzeptierten die schwedischen Unterhändler eine Entschädigung von fünf Millionen Reichstalern. Dieser Betrag war schon im Oktober 1647 von Königin Christine als unterste Grenze genannt worden. 20 ) Im Mai 1648 hatte auch die Armee dieser Summe zugestimmt. Man war auf Seiten des Kaisers und der Stände besorgt, daß das Ausbleiben der satisfactio militum zu unkontrollierbaren Ausschweifungen der Truppen und einem allgemeinen Chaos führen könnte. Außerdem erhielt Schweden auf Grund einer besonderen Übereinkunft mit dem Kaiser 600000 Reichstaler, um die besetzten Gebiete im Reich und den Erblanden zu räumen. 400000 davon sollten auf die vereinbarten fünf Millionen angerechnet werden, die restlichen 200000 wollte der Kaiser bar bezahlen. Damit konnten die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden. Mehrere praktische Fragen bezüglich des Unterhalts der Truppen in der Zeit zwischen dem Friedensschluß und seiner Ratifizierung waren jedoch nicht gelöst worden, was eine Verzögerung bei der Durchführung des Friedens nach sich zog. Die Verhandlungen lassen deutlich die Unstimmigkeiten innerhalb der schwedischen Führung erkennen. Die Königin war stärker profranzösisch orientiert als der alte Reichskanzler Axel Oxenstierna. Sie war jung und unerfahren, bisweilen ohne Kenntnisse und unberechenbar, was sich auch während der Verhandlungen um die satisfactio militum zeigte. Die Königin konnte Salvius für ihre Zwecke ausnutzen, der für seine Mission zwar durchaus geeignet war, sich aber bei verschiedenen Gelegenheiten für einen Diplomaten geral7
) SRP Vol. 12. Stockholm 1908, 60f. '«) APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3. Münster 1975, Nr. 274 (18-/28.7.1647). 19 ) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 7), 86. 20) APW Ser. II. Abt. C. Bd. 4/1. Münster 1994, Nr. 49 (30.10./9.11.1647).
Lundkvist,
Die schwedischen
Friedenskonzeptionen
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dezu unverzeihlich ungeschickt benahm. Johan Oxensticyna dagegen befolgte die Anweisungen und hatte, im Gegensatz zu dem, was viele meinten, eine Begabung, die Situation selbständig und geschickt zu analysieren. 21 ) Bei der Bewertung Salvius' ist aber auch zu berücksichtigen, daß er sich nicht vollständig über die Situation im klaren war, da er lediglich für die französischen Subsidien verantwortlich war, nicht aber für andere ökonomische Fragen. Seine Bedeutung ist darum bisweilen überschätzt, und Schwedens Abhängigkeit von ihm und den französischen Hilfsgeldern in gleichem Maße übertrieben worden. Hinzu kommt, daß er in den letzten Jahren der Friedensverhandlungen erkrankte und darüber klagte, alt geworden zu sein. 22 ) Am Ende des Krieges verfügte Schweden über ca. 64000 Mann, die über das ganze Reich verteilt waren, sowie über die meisten befestigten Orte. Keiner der anderen Kriegführenden hatte eine solche militärische Stärke und so gute Voraussetzungen für die weitere Entwicklung. Oberbefehlshaber war nun der Thronfolger Karl Gustav. Er achtete in den folgenden Jahren darauf, daß die Satisfaktionsvorschriften befolgt und durchgeführt wurden. Durch Antje Oschmanns große Untersuchung über den Nürnberger Exekutionstag wissen wir nunmehr sehr genau, was nach dem Friedensschluß geschah. In der ersten Hälfte des Jahres 1650 konnte der schwedische Thronfolger weitere 200000 Reichstaler erzwingen. Hinzu kamen gewisse andere Zahlungen der Stände, so daß die letzteren schließlich eine Summe von 5261041 Reichstalern bar bezahlten, größtenteils bis Dezember 1650. Nach Oschmanns Berechnungen kosteten der Unterhalt und die Einquartierung der schwedischen Truppen nach dem Friedensschluß bis 1650 weitere 15 bis 20 Millionen Reichstaler. Diese Summe rückt den Betrag der Satisfaktionsgelder wie auch die gesamten französischen Subsidien für Schweden zwischen 1638 und 1648 in Höhe von 5400000 Reichstalern in ein ganz neues Licht. Die Demobilmachung der schwedischen Truppen konnte geschickt und zielbewußt durchgeführt werden. Ende 1650 war sie im großen und ganzen abgeschlossen. Mindestens 70% der Geldmittel verwandte man für Abfindungen für die abgedankten Soldaten, die in schwedischem Dienst gestanden hatten. Die Abdankung wurde so auf eine für beide Partner zufriedenstellende Weise gelöst. Dem Wunsch der Königin, die Gelder teilweise anders zu verwenden, kam Karl Gustav nicht nach. Dadurch konnten die primären und direkten Ausgaben beglichen werden. Schweden hatte seine Ziele hinsichtlich der Satisfaktionsgelder erreicht. Die Voraussetzung dafür war die schwedische Militärmacht und der Wunsch des Kaisers und der Stände nach einem baldigen
21
) Vgl. Lorenz, Einleitung (wie Anm. 14). ) A P W Ser. II. Abt. C. Bd. 4/2. Münster 1994, z.B. Nr. 242 (8./18.5.1648), 251 (15./ 25.5.1648), 275 (5./15.6.1648), 4 4 0 (19./29.11.1648), 506 (8./18.1.1649), 527 (21./ 31.1.1649).
22
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
Abzug der Truppen gewesen. Die Gelder konnten beschafft und ausgehändigt werden, obwohl man das zuvor für unmöglich gehalten hatte.23) Der Westfälische Frieden war natürlich von großer Bedeutung für Schweden. Auf dem Friedenskongreß hatte Schweden seine Ziele hinsichtlich der assecuratio pacis, der satisfactio coronae und der satisfactio militum erreicht, obwohl die schwedischen Gesandten Johan Adler Salvius und Johan Oxenstierna sich nicht immer einig waren und die schwedischen Interessen nicht immer kraftvoll verteidigten. Die schwedischen militärischen Erfolge in den Jahren 1645,1646, 1647 und 1648 waren von um so größerer Bedeutung. Der Frieden bedeutete auch, daß die oft harten und unnachgiebigen Verhandlungen mit allen ihren Auseinandersetzungen und Einigungen erfolgreich beendet werden konnten. Die assecuratio hatte eine starke Einschränkung der kaiserlichen Macht zur Folge. In religiöser und politischer Hinsicht hatten die deutschen Protestanten dank des schwedischen Einsatzes im Krieg und bei den Friedensverhandlungen einen Teil ihres früheren Einflusses zurückgewonnen. Die satisfactio coronae führte abschließend dazu, daß ein wichtiger Teil der erstrebten sog. „Seekante" Schweden zufiel, was aus Sicherheitsgründen Dänemark und Polen gegenüber eine seit langem angestrebte Voraussetzung für die politische Zukunft war. Durch die Vereinbarung über das contentement der Soldateska konnten die Truppen ehrenvoll abgedankt werden. Die drei Hauptziele waren erreicht worden. Hinzu kamen einige andere Konsequenzen. Der Dreißigjährige Krieg ließ Schweden weit mehr als zuvor zu einem Teil Europas werden. Schon vor der Beteiligung am Krieg waren sich die leitenden schwedischen Persönlichkeiten darüber im klaren, daß die Kriege in Europa immer komplizierter wurden. Schwedens Krieg in Preußen und Polen in den 1620er Jahren war auch ein Kampf gegen die habsburgische Hegemonie in Europa. Die Beteiligung Schwedens am zentraleuropäischen Krieg ab 1630 war folglich logisch und in Übereinstimmung mit den schwedischen Interessen, sowohl politisch als auch dynastisch, konfessionell und ökonomisch. Der Streit um das dominium maris baltici und der Kampf gegen Habsburg verschmolzen. Was dann geschah, war bereits oder wurde zu einem Teil der europäischen Entwicklung: die zunehmende Ausrichtung der Randgebiete auf die Mitte Europas, der Kampf gegen die habsburgische Universalmonarchie, der Kampf um die Macht mit militärischen Mitteln, das Streben nach einem Gleichgewicht, einem equilibrium, die Lösung der Konfessionsfragen. Gleichzeitig führte die Entwicklung dazu, daß Schweden in mehrfacher Hinsicht ein Militärstaat wurde und das Militär auch im deutschen Reich durch seine Macht, seinen ökonomischen Einfluß und seine Verheerungen eine starke Stellung bekam. 23
) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 7), passim, bes. 86 ff., 473-498.
Lundkvist,
Die schwedischen
Friedenskonzeptionen
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Der Westfälische Frieden bestätigte Schwedens Stellung als Großmacht. Schweden war eine der beiden Garantiemächte des Friedensvertrags. In politischer Hinsicht hatte man Sitz und Stimme im deutschen Reichstag und in drei Reichskreisen erhalten, damit aber auch Verantwortung für die innerdeutsche Politik. Der Besitz der neuen deutschen Gebiete brachte bedeutende ökonomische und militärische Vorteile. Fast alle wichtigen Ostseehäfen wurden von Schweden kontrolliert. Dänemarks Stellung war erheblich geschwächt: in wirtschaftlicher Hinsicht dadurch, daß seine absolute Kontrolle über den Sundzoll gebrochen war, in militärischer dadurch, daß Schweden in ganz anderer Weise als früher über Interventionsmöglichkeiten in Deutschland verfügte, und in territorialer Hinsicht durch den Verlust von Hailand, Gotland und Jämtland-Härjedalen. 1660 verlor Dänemark auch noch die Landschaften Schonen, Blekinge und Bohuslän. Damit hatte Schweden seine gegenwärtigen Grenzen erreicht. Die Friedensschlüsse von 1660 und 1661 waren für Schweden eine Konsequenz des Friedens von 1648: das Verhältnis zu Dänemark, Polen und Rußland hatte eine dauerhaftere Lösung gefunden, wenngleich man die Herrschaft über die Ostsee nicht ganz erlangt hatte. Der Frieden bedeutete auch, daß der schwedische Vorschlag vom Sommer 1646 hinsichtlich eines deutschen Sicherheitssystems, nach dem Schweden, Frankreich und der Kaiser zusammen mit den Ständen den Frieden garantieren sollten, Wirklichkeit wurde. Der Frieden sollte als Gleichgewicht, equilibrium, von den wichtigsten Mächten garantiert werden. Durch seine Bedeutung als pactum pacis wurde er zu einer zukunftsträchtigen, langandauernden und bedeutungsvollen Plattform für die weitere Entwicklung Deutschlands und Europas. Der Westfälische Frieden war ein Versuch, eine dauerhafte Friedensordnung zu schaffen, die in zentralen Teilen rechtlich abgesichert war. Das deutsche Reich und dessen Teilgebiete wurden in eine völkerrechtliche Ordnung eingefügt. Der status quo in Mitteleuropa wurde von Frankreich und Schweden garantiert, wenn auch die Situation sich später durch die französische Politik unter Ludwig XIV. wieder ändern sollte.
Denmark and the Westphalian Peace By
Michael Bregnsbo
Denmark was not represented at the signing of the Westphalian Peace Treaty in 1648 but, nonetheless, Denmark had taken the initiative to instigate the preceding peace talks. Denmark had taken part in the preliminary peace negotiations in 1631 and 1633 and then in Hamburg in 1641. In the same year the peace congress assembled under Danish leadership. This Danish policy was by no means an idealistic peace policy, but should be seen in connection with the geopolitical situation of Denmark and with the aims of Danish foreign policy in the first half of the 17th century in general. Therefore, a few words about this policy are needed. 1 ) Denmark was at that time governed jointly by the King, Christian IV, and the aristocratic Council of the Realm. A coronation charter (händfcestning), agreed upon by the king, regulated the rights and duties and the power in general for these two parties. 2 ) But certainly, the king had more liberty of action than that by the charter, as we shall see. The first and foremost goal of Danish foreign policy was the dominium maris baltici, i.e. to keep control of the entrance to the Baltic Sea through the Sound. A tax (the Sound toll) was imposed on all ships passing through the Sound. This meant a formidable source of income which was the king's personal revenue and of no concern of the Council of the Realm. The king had thus a wide freedom of manoeuvrability. Denmark sought to remain the leading power of the Baltic area and was thus in harsh competition with Sweden. To be able to maintain the supremacy of the Baltic area, Denmark had to contain and encircle Sweden and Sweden actually felt contained and encircled by
') The Danish Kingdom of the 17th century was much more comprehensive than the present-day state named Denmark. In the 17th century, the Kingdom of Denmark also comprised the provinces of Scania, Halland and Blekinge at the other side of the Sound and the islands of Gotland and 0 s e l in the Baltic Sea. The King of Denmark was also the King of Norway, which incorporated Iceland, Greenland and the Faroe Islands in the North Atlantic. Furthermore, the King of Denmark was Duke of Slesvig and of Holstein, the latter of these duchies being part of the German Empire. In addition, Denmark had spheres of interest in Northern Germany. When reference is made to „Denmark" in this article, all the composite monarchy is meant unless otherwise stated. 2 ) Knud J.V. Jespersen, Herremand i kongeklaeder. Christian IV, rigsrädet og adelen, in: Svend Elleh0j (Ed.), Christian IVs Verden. K0benhavn 1988, 123-145; Steffen Heiberg, Christian 4. Monarken, mennesket og myten. K0benhavn 1988, 5 0 - 6 7 and passim.
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Denmark. 3 ) One of the means by which Denmark achieved this was the Stiftspolitik in Northern Germany, centering around the many secularized bishoprics there. The King of Denmark tried to fill as many of the secularized princebishops' positions as possible with his own relatives, especially with his younger sons, in order to provide them with support consistent with their princely status, but certainly also to create a Danish sphere of interest in that part of Germany and thus strengthen the encirclement of Sweden. 4 ) Especially important in that respect were the archbishopric of Bremen and the bishopric of Verden, where the king's second son, Frederik, had been elected as administrator in 1634 and 1623 respectively. Thus these two bishoprics were under control of the Danish king. They were of great strategic importance and gave Denmark control over the estuaries of the rivers Weser and Elbe, enabling Denmark to impose duties on the ships using these two rivers and strengthening the Danish position towards the city of Hamburg. 5 ) The dominium maris baltici and the encirclement of Sweden were the main goals of Danish foreign policy. Another goal was to be accepted as the protector of Lutheranism. This goal, however, was of lesser importance than the dominium maris baltici. Sweden, also a Lutheran country, was and remained the main enemy. 6 ) Denmark's decision to enter the Thirty Years' War in 1625 against the Emperor, should therefore be seen in connection with the Dano-Swedish antagonism. Fearing Swedish entrance into the war and subsequent Swedish dominance in Northern Europe, Denmark decided to anticipate this and enter the war herself. Denmark was supported by England and the Netherlands. However, their support was rather lukewarm and of financial nature, not military. The king was elected colonel of the Lower Saxon Circle, i.e. an alliance of North German Protestant princes. The Danish Council of the Realm strongly opposed Danish involvement, but the king, having substantial financial resources himself, entered the war in his capacity as Duke of Holstein and the Council could not do anything to prevent this. 7 ) The result for Denmark was 3
) Heiberg, Christian 4 (note 2), 145-157. ) Troels Dahlerup, Christian IVs udenrigspolitik. Set i lyset af de f0rste oldenborgeres dynastipolitik, in: Elleh0j (Ed.), Christian IVs Verden (note 2), 4 1 - 6 3 . 5 ) Heiberg, Christian 4 (note 2), 236-240; Laurs R. Laursen (Ed.), Danmark-Norges Traktater 1523-1750 med dertil h0rende Aktstykker. Vol. 4. K0benhavn 1917, 134-150 and 334-349; Leo Tandrup, Nar to traettes, sa ler den tredje. Christian IVs og rigsradets forhold til Det tyske Rige og isaer Sverige, in: Elleh0j (Ed.), Christian IVs Verden (note 2), 79-83. 6 ) Tandrup, Nar to tnettes (note 5), 80 ff. 7 ) Heiberg, Christian 4 (note 2), 267-287; Erling Ladewig Petersen, The Danish intermezzo, in: Geoffrey Parker (Ed.), The Thirty Years' War. London 1 9 8 4 , 7 1 - 8 1 ; Paul Douglas Lockhart, Denmark in the Thirty Years' War, 1618-1648. King Christian IV and the Decline of the Oldenburg State. Selinsgrove 1996, 74 f., 7 9 - 8 2 and 112. Lockhart is emphasizing that as Christian IV was also duke of Holstein he was a German Prince (Reichsfiirst) and as such had legitimate interests to pursue in the Empire. And Christian himself and 4
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disastrous. In 1626, the Danish army suffered a crushing defeat at Lutter am Barenberg in the Harz and afterwards the Danish peninsula of Jutland was occupied and pillaged by Imperial troops. 8 ) At the peace of Liibeck in 1629, Denmark did not have to cede any parts of the realm. The reason for such a gentle peace after such a disastrous defeat was the Imperialist fear of a DanoSwedish alliance against the Emperor. 9 ) In Danish historiography, the Danish entrance into the war and the foreign policy of Christian IV in general has been strongly debated. Historians of the late 19th and most of the 20th century, many of them committed pacifists themselves, have been very critical towards King Christian. He has been regarded as an irresponsible warmonger, jealous of his own honour. And consequently, the Council of the Realm has been regarded as the voice of moderation, reason and peace but unfortunately - according to traditional research unable to control the warlike king. 10 ) These attitudes are, however, strongly influenced by Denmark's position in the second half of the 19th century as a weak and minor state and this has been projected back by these historians onto the 17th century. 11 ) But in the first part of the 17th century, Denmark was by no means a minor state (Kleinstaat), but the leading power of the Baltic area and a middle-sized power by European standards. Recent research on King Christian and the Thirty Years' War does not share the attitude just mentioned. On the contrary, this research has pointed out that King Christian genuinely tried to defend his realm against external threats and a very real danger of Swedish aggression. The Council of the Realm, however, would not - for purely selfish reasons - grant the king the necessary resources. Doing so would have meant more centralization, more power to the king and thus the aristocracy and its position would have suffered. 12 ) many other contemporaries did not consider his interference in Germany as foreign intervention (unlike that of Gustavus Adolphus). Tandrup, Nar to traettes (note 5), 82-86. 8 ) Knud J.V. Jespersen, Slaget ved Lutter am Barenberg 1626, in: Krigshistorisk Tidsskrift 9, 1973; Heiberg, Christian 4 (note 2), 286-306; Lockhart, Denmark (note 7). 9 ) Knud J.V. Jespersen, Kongem0det i Ulfsback praestegard februar 1629 - en dansk diplomatisk triumf pa tragisk baggrund, in: Historie. Jyske Samlinger. Ny raekke 14,1981/83, 420-439; Laursen (Ed.), Traktater (note 5), 42-76. 10 ) ErikArup, Danmarks Historie. Vol. 3. Ed. by Aksel E. Christensen. K0benhavn 1955, 19-23; Julius Albert Fridericia, Danmarks ydrepolitiske Historie i Tiden fra Freden i Lybek til Freden i Kj0benhavn. 2 Vols. K0benhavn 1876-1881; idem, Danmarks Riges Historie. Vol. 4: Danmarks Riges Historie 1588-1699. K0benhavn 1896-1902. ") Leo Tandrup, En brav blakket eller brutal konge. Christian IV i den m0nsterdannende danske historieskrivning og litteratur fra Holberg til vor tid, in: Elleh0j (Ed.), Christian IVs Verden (note 2), 378-411, esp. 3 9 5 ^ 0 3 . 12 ) According to the peace treaty of Stettin of 1570 which ended the Nordic Seven Years' War between Denmark and Sweden (1563-1570), future border disputes between the two countries were t o t e settled by arbitration. Members of the Danish and Swedish Council of the Realm resp. would act as arbitrators. This institution of arbitration gave the aristocracy
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Recent research does by no means argue that the king always did the wisest things. Among other things, drastic increases of the Sound toll in the 1630s provoked the Netherlands, who had otherwise always sought to keep a balance between the powers of the Baltic area, and made her join the Swedish side. But according to recent research, the main goal of the king's foreign policy was not only the right one, it was the only possible policy to do in order to save the independence of the realm. 13 ) After Denmark had retired from the war in 1629, it was Sweden's turn to enter. This she did and she had a formidable success on the European continent. Sweden conquered the strategically very important lands on the Baltic coast of Northern Germany, among other places Pomerania. Now, everything had been turned upside down. Sweden was trying to encircle and contain Denmark - and with success. Denmark's position was seriously threatened and the Danish government was profoundly alarmed by Sweden's military success. In this situation, Denmark approached her former enemy, the Emperor. „My enemy's enemy is my friend" was the principle. The mediation efforts of the Danish King from 1641 on and earlier should be seen against that background. The Danish mediation was an attempt to isolate Sweden politically, an attempt to „clip her wings" by diplomatic means, since Denmark was unable to do that on the battlefield. Sweden, of course, knew of this. Therefore, in 1643 the Swedish army in Bohemia marched towards Denmark and launched a lightning attack without any preceding declaration of war. This war is called the „Torstensson War" in Danish historiography, named after the Swedish supreme commander. The attack took Denmark fully by surprise, the bishoprics of Bremen and Verden, the duchies of Slesvig and Holstein and the peninsula of Jutland were all conquered and occupied. After the outbreak of the „Torstensson War", the Danish negotiators withdrew from Osnabrück. And in 1644, after a disastrous Danish naval defeat, King Christian IV gave up all further mediating endeavours. By then, the Danish part in the Westphalian Peace negotiations was over and done with. 14 ) great influence on the foreign policy, as long as peace prevailed, but in the event of war the institution would, of course, immediately be annulled and, consequently, the influence of the aristocracy would dwindle. For that reason, the Council of the Realm had an obvious interest in keeping the peace (Leo Tandrup, Mod triumf eller tragedie. En politisk-diplomatisk Studie over forl0bet af den dansk-svenske magtkamp fra Kalmarkrigen til Kejserkrigen med saerligt henblik pä formuleringen af den svenske og isaer den danske politik i tiden fra 1617 og isaer fra 1621 til 1625. 2 Vols. Aarhus 1979 [with an English summary: Towards Triumph or Tragedy: Vol. 1, 103-107]). 13 ) Heiberg, Christian 4 (note 2); Ladewig Petersen, Intermezzo (note 7); Lockhart, Denmark (note 7), 227-256; Tandrup, Mod triumf eller tragedie (note 12); idem, När to traettes (note 5). 14 ) Klaus-Richard Böhme, Lennart Torstensson und Helmut Wrangel in Schleswig-Holstein und Jütland 1643^15, in: ZSHG 90, 1965, 41-82; Heiberg, Christian 4 (note 2), 3 7 9 ^ 3 5 ;
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What remained was the conclusion of a peace with Sweden. This came about in 1645 in Br0msebro and the result was disastrous for Denmark. The isles of 0sel and Gotland in the Baltic Sea and the Norwegian provinces of Härjedalen and Jämtland were all ceded to Sweden, and the Danish province of Halland was occupied by Sweden for 30 years. 15 ) The Danish position as the leading power in the Baltic region and a middle-sized European power had come to an end. From then on, Denmark was unable to secure her own independence without the support of other powers. 16 ) In international historiography concerning the Thirty Years' War in general 17 ) and the Westphalian Peace Congress in particular, there seems to be general agreement that Denmark could not - by modern or even by 17th century standards - be considered an impartial and unprejudiced mediator. Historians such as Fritz Dickmann 18 ), Karsten Ruppert 19 ), Gottfried Lorenz 20 ) and Michael Roberts 21 ) have all emphasized that Denmark and the Empire did in fact work on forming an offensive alliance against Sweden and even on initiating a war against that country in order to secure a favourable outcome of the peace congress. Consequently, Sweden could not trust Denmark and considered it necessary to make a pre-emptive strike. Lockhart goes a step further pointing out that Denmark did not only provoke Sweden through alliance talks with the Emperor, but also made herself untrustworthy in the eyes of the Emperor, of other German princes and the Netherlands. Christian IV provoked as mentioned earlier - the Netherlands by drastic Sound toll increases in the 1630s. After having become a mediator, King Christian still pursued interests in Northern Germany and even tried to bring the city of Hamburg under his sovereignty. Denmark actually tried to act as a third party between the Emperor and Sweden. Such actions by the Danish King annoyed the Emperor, and thus, King Christian made himself suspicious in the eyes of the Emperor as well as in those of Sweden. According to Lockhart, this policy made Den-
Lockhart, Denmark (note 7), 241-256; Gottfried Lorenz, Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich während des Westfälischen Friedenskongresses. Ein Beitrag zur Geschichte des schwedisch-dänischen Machtkampfes im 17. Jahrhundert. Münster 1969. 15 ) Laursen (Ed.), Traktater (note 5), 418-432. 16 ) This point has been especially emphasized by Heiberg, Christian 4 (note 2), 420. 17 ) Cicely Veronica Wedgwood, The Thirty Years' War. London 1938, 442 and 471 ff.; Georges Pages, The Thirty Years' War 1618-1648. London 1970, 219 (translated from French: La Guerre de Trente ans. Paris 1939); Michael Roberts, Countdown to Peace, in: Parker (Ed.), The Thirty Years' War (note 7), 154-198, esp. 174f. 18 ) Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 5th ed. Münster 1985, 79 and 120 ff. ,9 ) Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643-1648). Münster 1979, 40, 44 f., 50 ff. and 55 f. 20 ) Gottfried Lorenz, Die dänische Friedensvermittlung beim westfälischen Friedenskongreß, in: [Konrad Repgen (Hrsg.),] Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Münster 1981, 31-61. 21 ) Roberts, Countdown (note 17), 174.
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mark fall between two stools and made her „nobody's friend" and „everyone's enemy", thus making her international position even more hopeless than it was already.22) For Denmark, the Westphalian Peace did not mean security and peace quite the contrary. The Danish attempts to isolate and weaken Sweden by diplomatic means, i.e. by initiating the peace talks, had failed completely. Even worse, as a result of the Westphalian Peace Treaty, Sweden acquired strategically important areas along the German Baltic coast and southwest of Holstein. Something very close to the worst possible situation for Denmark had actually occurred. The weakening of the Imperial power, a consequence of the Peace, meant that Denmark could no longer play off the Empire against Sweden. On the other hand, the division of Germany into many politically independent small entities, also part of the Westphalian Peace, meant that the danger of a German invasion from the south no longer existed and that Denmark had thus gained a certain breathing space. Denmark's leading position in Northern Germany was gone and was - because of the peace treaty of Westphalia - taken over by Sweden and in the long run by the rising power of Brandenburg. The Danish aspiration of being the protector of Lutheranism - which had, of course, never been a main foreign policy goal, but had nonetheless been useful for ideological and propaganda purposes - no longer mattered so much as the antagonism between Catholicism and Protestantism had been dealt with in the peace treaty. Instead of bringihg peace and security, the Westphalian Peace actually paved the way for a new and even more fatal conflict with Sweden. This came about in 1657-58 and meant another disaster for Denmark, a dismembering of the Danish state in actual fact. Denmark lost the provinces of Scania, Halland and Blekinge. These provinces had formed a rich and very important part of Denmark. But worse still, the cessation of these provinces meant that Denmark no longer controlled the entrance of the Sound. The dominium maris baltici, which had for centuries been the leading principle of Danish foreign policy, was irrevocably lost. Now, the aim was primarily to maintain Denmark as an independent state. The next war with Sweden followed already later in 1658, when Sweden tried to conquer the whole of Denmark. Sweden failed, but only because Denmark received support - military and diplomatic - from other powers. These would not allow one of the two Nordic powers to control the entrance of the Sound alone since that would seriously disturb the European balance of power - another part of the Westphalian Peace Treaty. As a consequence, any Dano-Swedish conflict was from then on automatically an 22
) Lockhart, Denmark (note 7), 241-256; Hans-Dieter Loose, Hamburg und Christian IV. von Dänemark während des westfälischen Friedenskongresses. Ein Beitrag zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Ein Beitrag zur Geschichte der hamburgischen Reichsunmittelbarkeit. Hamburg 1963.
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affair of the utmost international concern and whatever the fortunes of war of either Denmark or Sweden were, the great powers decided the outcome. And the great powers were determined not to let any of the Nordic powers possess both sides of the Sound. Nevertheless, the Dano-Swedish antagonism went on. New wars followed in 1675-79 (Scanian War), 1700, and 1709-20 (Great Northern War), during which Denmark tried to reconquer the provinces on the other side of the Sound. Not until after the Great Northern War, when Sweden was seriously defeated and reduced to a third-rate European power like Denmark, did the Dano-Swedish antagonism and constant tension come to an end. And only then did Denmark obtain something similar to that security and stability which was the essential purpose and meaning of the Westphalian Peace. 23 ) In the short run, the Westphalian Peace Treaty had disastrous and dismembering consequences for the Danish monarchy, but in the long run, the international balance of power system as a result of the Westphalian Peace meant that the remaining parts of the Danish monarchy were saved from extinction as an independent state.
23
) Knud J. V. Jespersen, Rivalry without Victory. Denmark, Sweden and the Struggle for the Baltic, 1500-1720, in: Goran Rystad et al. (Eds.), In Quest of Trade and Security. The Baltic Power Politics 1500-1900. Vol. 1: 1500-1890. Lund 1994, 137-176, esp. 162-173.
Der Westfälische Friede und die Eidgenossenschaft Von
Peter
Stadler
I Die Eidgenossenschaft genoß im großen europäischen Krieg der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Privileg der Verschonung, trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer kontinentalen Mittellage. Eine Verwicklung, womöglich gar Besetzung des Landes hätte die internationale Gleichgewichtslage empfindlich gestört. Zudem verhinderte der territorial verankerte Schweizer Bikonfessionalismus die zeitweilig auf katholischer wie reformierter Seite latente Bereitschaft, sich in die Auseinandersetzung einbeziehen zu lassen: die Folge wäre ein innerer Krieg und damit zwangsläufig auch der Zerfall dieses Staatsgebildes gewesen. Immerhin erlitt ein Teil der Konföderation das bittere Schicksal der Heimsuchung: Graubünden, das ja nicht vollberechtigter Kanton der Schweiz war, sondern ein sogenannter „zugewandter" (also verbündeter) Ort; nicht nur geographisch zerklüftet, auch konfessionell zweigeteilt und überdies dreisprachig (deutsch, rätoromanisch und italienisch), dazu noch mit dem schwierig zu verwaltenden, dezidiert katholischen und der italienischen Kultur zugehörigen Veltlin als Untertanenland. So bot sich das Graubünden jener Zeit als Eidgenossenschaft im kleinen dar, dessen schlimmes Schicksal dem deutschen Bildungsbürgertum dank Conrad Ferdinand Meyers Roman „Jürg Jenatsch" nahegebracht worden ist. Das war und blieb ein beängstigender Ausnahmefall, der den Eidgenossen das Glück ihrer Friedensinsel umso anschaulicher vor Augen führte. Nicht nur ihnen: in Grimmelshausens „Simplizissimus" (V. Buch, 1. Kap.) spürt man einen deutlichen Nachhall davon, wenn der Titelheld anläßlich einer Pilgerfahrt nach Einsiedeln seine Eindrücke wiedergibt: „Da war nun ganz und gar keine Furcht vor dem Feinde, keine Sorge vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib und Leben zu verlieren. Ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstocke und Feigenbaume, und zwar, gegen andere deutsche Länder zu rechnen, in lauter Wollust und Freude, also daß ich dieses Land für ein irdisches Paradies hielt, wiewohl es von Natur rauh genug zu sein schien". Liest man diese Sätze, so ist man versucht, von einer Vorwegnähme des Sonderfalls zu sprechen, als welcher die Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert hin und wieder in ihrem Selbstverständnis erscheint. Eine Absonderung zeichnet sich ab, als Folge eines historischen wie
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rechtlichen Prozesses, deren einer Ausgangspunkt die Friedensordnung von 1648 bildet. Sehen wir etwas näher zu. Die damals politisch noch deutschsprachige dreizehnörtige Eidgenossenschaft (französisch- und italienischsprachige Teile bildeten nur Untertanengebiete oder Zugewandtschaften) war schon im Spätmittelalter zunächst fast unmerklich, aber faktisch unverkennbar aus dem Reich hinausgewachsen. Man könnte diesen Vorgang unter die Stichworte „von der Reichsunmittelbarkeit zur Freiheit vom Reiche" setzen. Seit der Bundesgründung um 1300 war es darum gegangen, die Freiheit im Reich durch das Mittel der Reichsunmittelbarkeit zu erlangen - an sich nichts Außergewöhnliches, sondern eine Analogie zum Territorialisierungsprozeß, wie er sich fast überall in Deutschland' vollzog. Daß er anderswo nicht zu einer Emanzipation, zu einem Hinausstreben aus dem Reichsverband führte, ergab sich aus der dynastischen Verfestigung der Territorien. Im Fall der werdenden Eidgenossenschaft war dieser Prozeß allerdings verbunden mit einem dezidierten Nein gegen die drohende Integration in einen dynastischen Territorialstaat, wie er sich durch die sich straffende Verwaltung und die Expansion des Hauses Habsburg abzeichnete. Im Zuge dieser Auseinandersetzung war die Eidgenossenschaft zu einem regionalen Machtfaktor geworden; sie entwickelte eine ausgreifende Eigendynamik und genoß dank ihres Söldnerpotentials wachsendes, und zwar europäisches Ansehen. So wuchs sie in eine starke, ja mitgebietende Stellung inmitten des sich herausbildenden europäischen Staatensystems und der Spannungen zwischen Frankreich, dem Hause Habsburg und den oberitalienischen Staaten hinein. Ihr entscheidender Anteil am Untergang Karls des Kühnen förderte indirekt auch die Grenznachbarschaft und damit die Rivalität, ja Konfrontation zwischen Frankreich und dem Reich. Von solchen Voraussetzungen her ist die kurze, doch folgenschwere Kraftprobe des.(je nach Standort sogenannten) „Schwaben-" oder „Schweizerkrieges" von 1499 zu bewerten - dieser letzte gewaltsame Versuch, die Schweiz doch noch sowohl unter die Herrschaft des Reiches als auch des Hauses Habsburg zu bringen. Ein Sieg Kaiser Maximilians hätte einmal die Reichsrechte südlich des Rheins reaktiviert, vor allem aber Österreich im deutschen Südwesten auf eine ganz neue territoriale Basis gestellt. Diese Aussicht schwand nun dahin, für immer, wie sich zeigen sollte. Die Eidgenossenschaft ihrerseits war binnen eines Vierteljahrhunderts - eigentlich ohne zielbewußte oder einheitliche Politik, lediglich dank einer Reihe von spektakulären Siegen - zu einem zentralen Kraftfeld Mitteleuropas geworden und zu großmachtähnlichem Prestige herangewachsen - ich sage „großmachtähnlich", weil ihr die räumliche, demographische und finanzielle Infrastruktur einer wahren Großmacht eben doch abging. Kraftmindernd wirkten zudem Richtungsdivergenzen zwischen den verschiedenen Orten der Innerschweiz, Zürich und Bern, aber auch die Spannungen zwischen den mehr bäuerlichen und den städtischen Kantonen,
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gelegentlich überdies chaotische Turbulenzen in Form jugendlicher Ausbrüche zu ungeregelten Solddiensten. Also äußerlich machtvoll und wenig konsolidiert zugleich - so präsentierte sich die Schweiz zu Beginn der Neuzeit. War sie überhaupt ein Staat, auch nach damaligen Maßstäben? Zu Beginn dieses Jahrhunderts und aus dessen Optik hat ein führender Historiker des demokratischen Liberalismus, Wilhelm Oechsli (1852-1919), die Frage eher verneint oder doch offengelassen. Für ihn war die alte Eidgenossenschaft eigentlich kein Staat, sie habe lediglich Elemente eines solchen besessen und sei im übrigen von tausend feudalen Bestandteilen durchsetzt gewesen. 1 ) Für den Anhänger des jungen Bundesstaates, der gewichtige Abhandlungen zu Themen wie die „Beziehungen der schweizerischen Eidgenossenschaft zum Reiche bis zum Schwabenkrieg", „Orte und Zugewandte" und über die „Benennungen der alten Eidgenossenschaft und ihrer Glieder" verfaßte, mochte es sich in der Tat so ausnehmen. 1938, in veränderter und bedrohlicher Zeit, entwickelte der Berner Historiker Werner Näf (1894-1959) in einem Vortrag „Die Eidgenossenschaft und das Reich" die umgekehrte These: Die Schweiz konnte im Rahmen von 1500 durchaus als Staat gelten, ja er zitierte einen ausländischen Zeitgenossen des späten 15. Jahrhunderts, der sie „eines der lebenskräftigsten und leistungsfähigsten Gemeinwesen Europas" nannte. 2 ) Ihr genossenschaftliches Organisationsprinzip sei effizienter als das damalige monarchische gewesen, aber nicht nur das. Sie verweigerte 1499 dem Reich die Gefolgschaft, weil dieses mit seinen Reichsreformen im Begriff gewesen sei, sich eine neue Gestalt zu geben - eine Gestalt mit zentralistischen Elementen, denen sich der alte Staatenbund nicht unterziehen wollte, weil er davon einen Autonomieverlust befürchtete. Wir wissen freilich, daß dieser Modernisierungsprozeß des Reiches dann doch nicht recht vorankam, sondern schon bald nach dem Start steckenblieb - aber damals sah es eben anders aus. Was die Eidgenossen 1499 wollten - und jetzt zitiere ich wieder Werner Näf - , sei nicht so sehr eine Veränderung als vielmehr der Verzicht auf Veränderung gewesen. Tatsächlich war es (und darauf hatte schon Oechsli in seiner erwähnten Abhandlung hingewiesen) ein entscheidendes Ergebnis des Friedens von Basel vom 22. September 1499, daß ein noch in den Vorverhandlungen stipulierter Passus, in welchem Maximilian die Eidgenossen wieder zu Huld und Gnaden aufnahm, entfiel: nicht so sehr die Trennung wurde sanktioniert, vielmehr wurden die Eidgenossen sich selber überlassen. Wenn Näf, der im Jahre 1938 seinen Vortrag hielt und ihn 1940 publizierte, dann für diese Zeit auch eine geistig-kulturelle Eigenart der Schweiz glaubt feststellen zu können, so erweist er sich wohl als Repräsentant jener „geistigen Landesverteidigung", die damals durchaus ihre
') Wilhelm Oechsli, Geschichte der Schweiz im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1. Leipzig 1903,76. 2 ) Werner Näf, Die Eidgenossenschaft und das Reich. Zürich 1940, 6f.
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Berechtigung und Notwendigkeit hatte. Ging es doch um die Selbstbewahrung der Schweiz gegenüber dem erneut expandierenden Großreich, das ihre Existenz einstweilen nicht - noch nicht - in Frage stellte, vor dem man aber auf der Hut sein mußte. Jahrzehnte später, in wieder beruhigter Zeit, konstatierte Karl Mommsen, daß die Geschichte der Ablösung der Eidgenossenschaft vom Heiligen Römischen Reich noch geschrieben werden müsse - er selbst ist nicht mehr dazu gekommen. 3 ) Der Mediävist Bruno Meyer wiederum stellte in einem Buch über die Bildung der alten Eidgenossenschaft einen „engen Zusammenhang mit dem Wandel der Verfassung des deutschen Reiches im 13. und 14. Jahrhundert" fest. 4 ) Anders gesprochen: Die Eidgenossenschaft entwickelte sich selbst als eine Art von Reich im kleinen mit einer ähnlich föderalistischen Struktur, sie besaß ja bis zu ihrem Untergang keinen gemeinsamen Bundesbrief, sondern bestand aus einer Vielzahl von Bünden - eben deshalb widersetzte sie sich dann modernisierenden Anpassungen und Vereinheitlichungen. Wie man das alte Deutschland als „Reich ohne Hauptstadt" bezeichnet hat, so ermangelte auch die Eidgenossenschaft einer solchen; sie umfaßte neben Zugewandten (dazu zählten auch Mülhausen im Elsaß und Rottweil) überdies Untertanengebiete, die von allen oder einem Teil der Orte erobert, gemeinsam verwaltet bzw. ausgebeutet wurden - davon findet sich im Reich bekanntlich nichts, eher dann in den niederländischen Generalitätslanden. Die Eidgenossenschaft zeigte im Vergleich mit dem Reich also Übereinstimmungen und Abweichungen, sie war aber eben doch ein Staatskörper, der sich selber trug, in sich ruhte und keiner Verbindung mit einem anderen mehr bedurfte. Dennoch kam man innerlich nicht sogleich und nicht ganz problemlos vom Reich los. Daß es nach 1500 gelegentlich noch zur Beschickung von Reichstagen kam, besagt wohl nicht allzu viel, zumal diese immer auch den Charakter von Gesandtschaftskongressen hatten und ein Besuch sich zur Wahrung konkreter Interessen empfahl. Die Reformation, die sich frühzeitig in der Eidgenossenschaft ausbreitete und mit Zürich sogar die erste ehemals reichsfreie Stadt überhaupt erfaßte, fiel mit schweren militärpolitischen Rückschlägen in Oberitalien (Stichworte: Marignano, Bicocca) zusammen, was die Polemik Zwingiis gegen das Söld3
) Karl Mommsen, Eidgenossenschaft, Kaiser und Reich. Studien zur Stellung der Eidgenossenschaft innerhalb des heiligen römischen Reiches. Basel/Stuttgart 1958, 298. 4 ) Bruno Meyer, Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert. Vom Zugerbund zum Pfaffenbrief. Zürich 1972, 269. Für die geopolitischen und geschichtlichen Grundlagen der älteren Geschichte bleibt maßgebend: Karl Meyer, Geographische Voraussetzungen der eidgenössischen Territorialbildung, in: Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz 34, 1926, 29-224; wiederabgedruckt in: ders., Aufsätze und Reden. Zürich 1952, 215-354. Emil Dürr, Von Morgarten bis Marignano. Bern 1933. Das im Rahmen der „Schweizer Kriegsgeschichte" publizierte „Heft" ist ein Band von über 700 Seiten. Vgl. im übrigen durchwegs Hans Conrad Peyer, Verfassungsgeschichte der alten Schweiz. Zürich 1978. Peyer behandelt auch das Verhältnis zum Reich.
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nerwesen verstärkte und gesamtschweizerisch eine Art Identitätskrise auslöste. Der Nimbus der soldatischen Überlegenheit war dahin, wenn auch der Bedarf an Söldnern noch anhielt; vor allem in den reformierten Orten aber finden wir ein eigentliches Insichgehen, eine Abkehr von der Machtpolitik, ein Verzicht auf Risiken, eine informelle Praxis der Neutralität. So ließ man im Schmalkaldischen Krieg das verbündete und glaubensverwandte Konstanz dem Hause Habsburg anheimfallen. Auch wenn die Schweiz das Schicksal einer konfessionell geteilten Nation mit Deutschland teilte, so kam es doch auch innerprotestantisch zu einer Abgrenzung gegenüber dem Reich. Die zwinglianisch-calvinistische Confessio helvetica vermochte dort nur sehr begrenzt Raum zu gewinnen; eine Scheidewand der Mentalität begann sich abzuzeichnen. Die Durchsetzung des Lutherdeutschen jenseits des Rheins akzentuierte diesen Befund, wenn auch von einer strikten Rheingrenze nicht gesprochen werden darf: es gab Ausbuchtungen nach Süden (das erwähnte Konstanz und der österreichische Brückenkopf um Rheinfelden und Laufenburg, der sogenannte Frickgau) und nach Norden (Schaffhausen mit seinem Territorium). Das 17. Jahrhundert zog eine Bilanz dieser spätmittelalterlich-reformationszeitlichen Entwicklung. Der Dreißigjährige Krieg markiert, alles in allem, eine Verstärkung der Bereitschaft zur Neutralität, mit der man ja gut gefahren war. Einzelne Grenzverletzungen und Krisen vertieften dieses Bewußtsein; sie führten gegen Kriegsende erstmals zur Schaffung gesamtschweizerischer Verteidigungsvorkehrungen in Gestalt eines sogenannten Defensionales. Am Westfälischen Frieden aber blieb die Eidgenossenschaft - um die Pointe des Beitrags hier schon vorwegzunehmen - marginal. Die in den Acta Pacis Westphalicae veröffentlichten Instruktionen der drei Hauptmächte erwähnen ihren Namen höchstens beiläufig. Warum dieses Desinteresse angesichts der doch europaweiten Bedeutung des langersehnten Ereignisses? Nun, seit 1499 galt die Schweiz ja als exemt vom Reiche, und so bestand ihrerseits kein unmittelbarer Anlaß, den ganzen Problemkomplex ihres völkerrechtlichen Status - anders als etwa im Falle der Niederlande - nochmals aufzurollen. Vor allem die katholischen Orte wußten sich sicher in der Gunst des Kaisers Ferdinand III. und wurden von Wien aus in ihrer Passivität bezüglich der sie ja nicht direkt betreffenden Friedensverhandlungen bestärkt. Das hat Frieda Gallati in ihrem etwas weitschweifigen, aber ganz auf den Akten beruhenden und ablaufgeschichtlich wesentlichen Werk „Die Eidgenossenschaft und der Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III." (Zürich/Leipzig 1932) dargelegt. Man darf nicht vergessen, daß es so etwas wie eine langfristig planende eidgenössische Diplomatie noch gar nicht gab; nur von Fall zu Fall konnten kurzfristig Gesandte zu Verhandlungen entsandt werden, und die Kostenfrage spielte in den an Sparsamkeit gewöhnten Orten eine ganz andere Rolle als im reichen Holland. Lagen keine bestimmten Zielsetzungen vor, so vermied man Missio-
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nen, die bestenfalls der Präsenz und Repräsentanz dienten. Das gab wohl den Ausschlag zur Zurückhaltung auch seitens der Protestanten. Nun existierte allerdings ein wichtiger Kanton mit einem Sonderanliegen, nämlich Basel. Diese alte Reichs- und Bischofsstadt war - wie übrigens auch Schaffhausen - erst 1501 der Eidgenossenschaft als Vollmitglied beigetreten, befand sich somit nicht im Genuß jener Exemtion, die den Orten von 1499 zuerkannt worden war. Daraus erwuchs eine ganz handgreifliche Benachteiligung. Immer wieder war es vorgekommen, daß Basel - durch Krieg, Versorgungsengpässe und die Kämpfe um das Elsaß und am Oberrhein ohnehin in schwierige Situationen geraten - seine Kaufleute gegenüber denen der Miteidgenossen benachteiligt fand. Das erst nach 1499 im Zuge der Reichsreformen geschaffene Reichskammergericht belastete Basler Kaufleute wiederholt mit Vorladungen. Nach einem ruhigen 16. Jahrhundert häuften sich die Prozesse und Arreste auf Waren in der Spätphase des Krieges, so 1641/42 und eben wieder 1646. Zudem forderte das Gericht von Basel wie von Schaffhausen die Anteilbeiträge ein, die sich 1647 im Falle Basels auf immerhin 14295 Reichstaler beliefen. Der weitgehende Zusammenbruch des Zinsendienstes für die nach Deutschland (insbesondere an den Markgrafen von Baden) geliehenen Guthaben hatte im Lauf des Krieges zu erheblichen Verlusten geführt. Mit dem von ähnlichen Belastungen heimgesuchten Schaffhausen ergab sich während der späteren Kriegsjahre eine ziemlich enge Zusammenarbeit. 5 ) Unter solchen Voraussetzungen versteht sich das verstärkte Bedürfnis der beiden Rheinstädte, bei der bevorstehenden internationalen Friedensregelung mit von der Partie zu sein; angesichts der Zersplitterung der eidgenössischen Verhältnisse konnte eine derartige Partizipation freilich nur unter dem Schutz einer der europäischen Hauptmächte Erfolg verheißen. Dafür kam nach Lage der Dinge in erster Linie Frankreich in Frage. So wandten sich im Februar 1645 auf der Badener Tagung die reformierten Kantone - veranlaßt durch die Beschwerde Basels über das Verfahren des Speyrer Kammergerichts - an den französischen Ambassadeur, er möge sich bei seinem Hof dafür verwenden, daß des Königs Bundesgenossen - und dazu gehörten seit dem Ewigen Frieden von 1516 die Eidgenossen - von allen beschwerlichen Prozessen ver5
) Zur Gesamtorientierung vgl. meinen Beitrag: Das Zeitalter der Gegenreformation, in: Handbuch der Schweizer Geschichte. Bd. 1. Zürich 1972,571-672, bes. 619ff. (mit weiteren Literaturangaben). Die sozialgeschichtlich orientierte Geschichte der Schweiz und der Schweizer. Bd. 2. Basel 1983, geht auf diese Thematik kaum ein. Die Auseinandersetzung um Graubünden fand bereits 1639 im Mailänder Kapitulat bzw. 1641 im Vertrag von Feldkirch ihren Abschluß. Sie braucht im folgenden nicht mehr behandelt zu werden. Vgl. Zeitalter, 633 (mit Quellenhinweisen in Anm. 191 f.). Dazu noch Mathias Tony, Prättigauer Geschichte. 2. Aufl. Schiers 1991,121 ff. (Der Loskauf des Prättigaus von Österreich zog sich - ohne Bezug zu den Westfälischen Verhandlungen - bis 1649 hin). Zum Vorverständnis der Bündner Wirren und ihres europäischen Rahmens bleibt wichtig: Rudolf Bolzern, Spanien, Mailand und die katholischen Orte der Eidgenossenschaft (1594-1621). Luzern 1982.
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schont und bei ihren Freiheiten belassen würden.6) Nun begann ein diplomatisches Verwirrspiel, das hier nur in großen Linien nachgezeichnet werden kann.7) Daß Frankreich sich für die Einbeziehung der Eidgenossenschaft in den Frieden einsetzte, lag nahe und entsprach seinen vertraglichen Verpflichtungen von 1516 (Art. 14). Gesamtschweizerischen Sicherungsbedürfnissen wäre damit wohl hinreichend Rechnung getragen gewesen. Anders verhielt es sich nun freilich mit den spezielleren Anliegen Basels und Schaffhausens, zumal die jüngsten Forderungen des Reichskammergerichts auf fiskalischen Nachholbedarf schließen ließen. Aber nun gab es Schwierigkeiten. Hinweise der französischen Diplomatie in Westfalen alarmierten Frankreichs Gesandten in der Schweiz, Caumartin, und ließen ihn befürchten, der Zweck der schweizerischen Mission - und einer baslerischen im besonderen - ziele darauf hin, Frankreichs Festsetzung im Elsaß und am Oberrhein zu behindern. „Tous les Suisses en général aymeroient mieux que Brisach fust entre ses mains" - will sagen: den Händen des Kaisers - „qu'entre les nostres", schrieb Jean de la Barde, Frankreichs Resident in Osnabrück (nachmals Ambassadeur in der
Amtliche Sammlung der altern Eidgenössischen Abschiede. Bd. 5/2. Basel 1875, 1344. Tagsatzung vom Februar 1645. Zum Arrest auf Basler Waren vgl. Caspar Constantin Amrein, Sebastian Peregrin Zwyer von Evibach. St. Gallen 1880,45. 7 ) Für die Spätphase der Verhandlungen vgl. das zeitgenössische Quellenwerk: Acta und Handlungen Betreffend Gemeiner Eydgenossenschafft Exemption. O.O. 1651. Vgl. außer dem im Text genannten Werk von Gallati, Eidgenossenschaft, und der die französische Seite herausarbeitenden, materialreichen Darstellung von Edouard Rott, Histoire de la représentation diplomatique de la France auprès des cantons suisses. T. 6. Berne/Paris 1927, 133 ff., die vor allem auf Basel konzentrierten Darstellungen bei Julia Gauss/Alfred Stoecklin, Bürgermeister Wettstein. Der Mann, das Werk, die Zeit. Basel 1953. Weitere, kürzere Untersuchungen sind verzeichnet bei Stadler, Zeitalter (wie Anm. 5), 640 Anm. 221. Eine gute Zusammenfassung findet sich bei Julia Gauss, Die westfälische Mission Wettsteins im Widerstreit zwischen Reichstradition und Souveränitätslehre, in: Zeitschrift für schweizerische Geschichte 28, 1948, 177-190. Vgl. auch Frieda Gallati, Die formelle Exemtion der Schweiz vom Deutschen Reich im Westfälischen Frieden, ebd. 453-478. Seither vgl. vor allem Herbert Viehl, Die Politik des Basler Bürgermeisters Wettstein in Münster und Osnabrück 1646/47 und die Reichsstände. Phil. Diss. Mainz 1967. Eine knappe Zusammenfassung bei René Teuteberg, Basler Geschichte. Basel 1986, 252 ff. Zu Schaffhausen: Karl Schib, Schaffhausen und die Mission Bürgermeister Wettsteins in Münster und Osnabrück, in: Jahrbuch des historischen Vereins Glarus 52, 1946 (zugleich Festgabe zum siebzigsten Geburtstag von Frieda Gallati), 105-121. Zu den schwedischen Rahmenbedingungen vgl. Leonhard Haas, Schwedens Politik gegenüber der Eidgenossenschaft während des Dreißigjährigen Krieges, in: Schweizer Beiträge zur Allgemeinen Geschichte 9, 1951, 68-160, bes. 136 ff. Haas geht mehr auf die militärischen Aspekte als auf die Friedensverhandlungen ein. Für Bern: Richard Feller, Geschichte Berns. Bd. 2. Bern 1953, 520ff. Zum wenig hervortretenden Anteil Zürichs habe ich einige ergänzende Recherchen vorgenommen. Die z.T. immer noch wichtige ältere Literatur ist verzeichnet bei Johannes Dierauer, Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bd. 3. 2. Aufl. Gotha 1921, 605ff. Wichtig bleibt August von Gonzenbach, Rückblicke auf die Lostrennung der schweizerischen Eidgenossenschaft vom Reichsverband durch den Friedens-Congress von Münster und Osnabrück 1643-1648, in: Jahrbuch für Schweizerische Geschichte 10,1885,129-250 (mit Aktenbeilagen und Lebensskizzen der wichtigeren Kongreßteilnehmer, 226 ff.).
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Schweiz) etwas später an den Staatssekretär Brienne. 8 ) Besorgnis vor bedrängender Expansion des Siegers im Krieg war sicherlich vorhanden - 1648 ebenso wie dann 1871 gab man ungern gewohnte und harmlos gewordene Nachbarschaft preis. Für Basel kam noch die Bedeutung des Elsaß als eines Brotkorbes hinzu, die man gerade in den Kriegsjahren neu erfahren hatte. Nicht zu vergessen, daß Mülhausen als zugewandter Ort der Eidgenossenschaft mit den reformierten Kantonen besonders eng verbunden war und es bis zur Französischen Revolution auch blieb. Es war also nicht die Belastung durch das Reichskammergericht allein, die Basel in Bewegung setzte. Schaffhausen, durch die neuerlichen Prozesse ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen und in seinem Rheinhandel beeinträchtigt, unterstützte Basels Wünsche uneingeschränkt und verfolgte obendrein wie aus seiner Instruktion an die zur reformierten Tagsatzung delegierten Gesandten hervorgeht - den Zweck, daß „dan der seyt anno 1555 wolhergebrachte religion- wie auch profan frieden wider uffgericht und erhalten und darbey die genante calvinische religion zumahln admittirt und zugelassen werde, worbey zumahln die vorwendung zu procurieren, das die vestung Hohentwiel endtweders gar rasiert oder gemeiner Eydtgenossenschafft, als wenigste den vier evangelischen Stetten, zu unpartheyischen handen überlassen oder dem hertzogen zu Würtenberg mit dem beding wider eingehendiget werde, das die in vorigen alten stand gesetzt, aber keinen kriegenden theil, wie der nammen haben mag, eingeräumt noch übergeben werden solte". 9 ) Der seit Ekkehards Zeiten als Feste bekannte Hohentwiel hatte gerade im Dreißigjährigen Krieg eine für Schaffhausen bedrohliche Rolle gespielt; seine Schleifung oder doch Neutralisierung erschien deshalb wünschenswert. Somit bestand seitens der Grenzkantone entschiedene Bereitschaft zum Engagement, aber auch das Risiko der Zersplitterung in Sonderinteressen. Daß sich aus alledem dann doch eine Einheit der Handlung und trotz aller Hemmnisse und Gleichgültigkeiten auch eine solche der Entscheidung ergab, ist wesentlich das Verdienst einer Persönlichkeit gewesen. Johann Rudolf Wettstein (1594-1666) war der Sohn eines aus dem Kanton Zürich eingewanderten und eingebürgerten Handwerkers; sein Aufstieg markiert soziale Aufstiegsmöglichkeiten, die in anderen Schweizerstädten wie Zürich oder Bern für homines novi bereits nicht mehr bestanden hätten. Nach Überwindung gewisser Anfangsschwierigkeiten, die ihn sogar in den venezianischen Kriegsdienst führten, bewältigte er - reich verheiratet - ziemlich rasch die baslerische Ämterlaufbahn, wurde Münzverwalter, Landvogt und Mitglied der Militärkommis8
) Zitiert bei Rott, Représentation (wie Anm. 7), 135 Anm. 1. Zum Arrest auf Basler Waren vgl. Amrein, Zwyer von Evibach (wie Anm. 6), 45. 9 ) Zitat aus der Instruktion vom 24.4.1646 bei Schib, Schaffhausen (wie Anm. 7), 107f. Über den Hohentwiel vgl. ders., Geschichte von Stadt und Landschaft Schaffhausen. Schaffhausen 1972, 303 f. Die endgültige Schleifung der Feste erfolgte erst im Jahre 1800.
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sion; in diesen Stellungen erkannte er - Zeitgenosse des großen und nahen Krieges vom ersten Tag an - die Schwächen sowohl der versorgungs- und militärtechnischen Vorkehrungen wie auch die durch die schweren, z.T. importierten Währungskrisen bedingten. Schließlich stieg er zum Oberstzunftmeister und damit zum Tagsatzungsgesandten auf, was ihm diplomatische Erfahrung eintrug, dazu persönliche Kontakte, die sich in der Folge als wertvoll erwiesen. 1645 wurde er Bürgermeister und stieg damit ins höchste kommunale Amt auf, das er nun in entscheidender Zeit - allerdings gemeinsam mit einem ihm wenig wohlgesinnten Kollegen - wahrnahm. Er war einer der wenigen „Staatsmänner" der damaligen Eidgenossenschaft. Der andere, der Urner Sebastian Peregrin Zwyer von Evibach (1597-1661), Sohn eines Offiziers in spanischen Diensten, war ganz nach Wien orientiert und durch seine Stellung als kaiserlicher Feldmarschall-Lieutenant in die Hierarchie der Habsburgermonarchie eingegliedert. Doch wirkte auch er - wie wir aus einer kaiserlichen Verlautbarung vom Herbst 1646 wissen - zugunsten einer international verstärkten Stellung der Eidgenossenschaft, obwohl verdeckter, weil dies in der Innerschweiz sehr umstritten war. Jedenfalls wandte er sich gleichfalls gegen eine eidgenössische Gesandtschaft an den Friedenskongreß, wohl aus Bedenken gegenüber der französischen Diplomatie. Zu Wettstein unterhielt er, der überhaupt kein konfessionalistischer Politiker war, gute Kontakte und unterstützte Basel auch gegenüber den Ansprüchen Speyers. Sein Anteil müßte monographisch noch intensiver erfaßt werden; bisher aber fallen darauf nur gelegentliche Schlaglichter. 10 ) Doch damit stehen wir bereits im Ablauf der Verhandlungen selbst.
II Nach vorfühlenden Sondierungen und Versuchen ging die diplomatische Offensive eindeutig von Basel aus, beschleunigt durch die bedrohliche Entwicklung, die sich während des Winters 1645/46 abzeichnete und eine Festsetzung 10 ) Die sehr positive Beurteilung durch Amrein, Zwyer von Evibach (wie Anm. 6), 37 ff., ist durch Frieda Gallati modifiziert worden. Eine moderne Neubewertung bereitet vor: Anselm Zurfluh, Sebastian Zwyer von Evebach. Eine sozio-kulturelle Biographie eines innerschweizerischen Kriegsmannes im Dienste der Habsburger während des Dreißigjährigen Krieges. Zürich 1993 ff. Hinweise z.B. in Bd. 4/B 2 : 1642-1656 (Kriegskorrespondenz). Zürich 1996, bes. 272 ff. In einem Antwortschreiben Kaiser Ferdinands III. an die Eidgenossenschaft nimmt das Reichsoberhaupt ausdrücklich Bezug auf „unsern getreuen lieben Sebastian Bilgrim Zwyer von Evibach Zweyer von Efebach, unsern bestehen Obristen"; er habe die Klagen wegen des Reichskammergerichts „mündlich in dieser seiner allhier Anwesenheit vorgetragen und ganz beweglich zu Gemüth geführt". Gedruckt bei Ludwig Friedrich von Jan, Staatsrechtliches Verhältnis der Schweiz zum deutschen Reiche. Bd. 3. Nürnberg/Altdorf 1803, 208 f. Zu Wettstein außer der in Anm. 7 erwähnten Literatur noch knapp zusammenfassend Allgemeine Deutsche Biographie [ADB]. Bd. 42. 1897,240-248.
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Frankreichs an beiden Rheinufern befürchten ließ. 11 ) Wie Frankreich, wahrte aber auch Wien einen gewissen Argwohn und fürchtete Basels Ambitionen auf die linksrheinischen sogenannten Waldstädte, also auf das Gebiet um Rheinfelden, das dann erst in der Napoleonzeit der Eidgenossenschaft (und nicht mehr Basel) wirklich zufiel. Auch der Kaiser schien (wie der König von Frankreich) nur bereit, die Eidgenossenschaft in den Frieden aufzunehmen, ohne ihr weitere Zugeständnisse machen zu wollen. Eine wenig verheißungsvolle Pattsituation somit, die auf eine Isolierung der Eidgenossenschaft im Interesse der Großen hinauszulaufen drohte. Angesichts der sich verstärkenden Aktivitäten des Kammergerichts und der Gefahr einer unabsehbaren Lähmung des baslerischen Rheinhandels geriet nun Wettstein unter Zugzwang. Nur im Zusammenhang mit der bevorstehenden Friedensordnung konnte, wenn überhaupt, in dieser Richtung etwas erreicht werden; hinter dieser Priorität hatten Sonderwünsche zurückzutreten. Im Mai 1646 aber waren die Bemühungen auf einem toten Punkt angelangt, da selbst Schaffhausen (in der Person seines Bürgermeisters Johann Jakob Ziegler) zögerte, gegen den Willen der französischen Diplomatie in eine Mission einzuwilligen. 12 ) Wesentlich für die sich im Sommer des Jahres 1646 abzeichnende Wendung zu Wettsteins Gunsten war zweierlei. Einmal schwenkte Caumartin ein und kam von seinem Widerstand gegen eine eidgenössisch-baslerische Mission ab; er konnte das unbedenklich tun, da die französischen Expansionsziele im Zuge der Verhandlungen sich zu realisieren begannen und irgendeine Gefährdung durch die Eidgenossen - die machtpolitisch ja ohnehin ein Leichtgewicht bildeten - nicht mehr zu befürchten stand. Ein weiteres kam hinzu. Bern zeigte sich zwar - wie wir hörten - kaum an einem Engagement in dieser Sache interessiert. Um so initiativer verhielt sich dafür ein prominenter Berner in französischen Diensten, der Generalmajor Hans Ludwig Erlach von Kastelen, Befehlshaber der Festung Breisach und in Paris sehr angesehen. Seiner Stellungnahme war es nämlich ganz wesentlich zuzuschreiben, wenn diese rechtsrheinische Bastion Frankreich erhalten blieb. Ihn konnte Wettstein, der mit ihm schon als Oberstzunftmeister wirtschaftliche Verhandlungen gepflogen hatte, ins Vertrauen ziehen. 13 ) Im Laufe des Sommers war Paris auch durch einen Sonderbeauftragten in Speyer über die Tragweite des bisher wohl als quereile allemande eingestuften Exemtionsstreites informiert und alarmiert worden: bestanden weiterhin reichsrechtliche Ansprüche auf Basel, so drohte in Zukunft auch den französischen Interessen am Oberrhein Gefahr. Denn die Schweiz war für Frankreich nur insoweit ein valabler Allianzpartner, ") Zum folgenden insbesondere Gauss/Stoecklin, Wettstein (wie Anm. 7), 265ff., sowie die detailreiche und sorgfältig gegliederte Untersuchung von Viehl, Wettstein (wie Anm. 7). 12 ) Vgl. Schib, Schaffhausen (wie Anm. 7), 109f. 13 ) August von Gonzenbach, Der General Hans Ludwig von Erlach von Castelen. Bd. 2. Bem 1881, bes. 492 ff.
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als sie zuverlässiger Söldnerlieferant blieb - und das hieß: nicht bedroht wurde, etwa durch ein womöglich wiedererstarkendes Österreich. Dieser Meinungsumschwung erfaßte von Paris aus den französischen Chefunterhändler, den Duc Henri de Longueville, der neben etlichen sonstigen Titeln auch den eines Fürsten von Neuchätel und Valangin führte und somit den eidgenössischen Angelegenheiten auch räumlich nahestand: bildete doch Neuenburg einen der zugewandten Orte. Angesichts solcher Gegebenheiten war es nun Caumartin selbst, der auf die Entsendung einer eidgenössischen Delegation drang, wobei er - ohne die katholischen Kantone ausdrücklich auszuschließen - vor allem die reformierten im Auge behielt. Der weitere Verlauf der Verhandlungen bestätigte diese Haltung vollauf. Im November 1646 fielen die Vörentscheide: Zürich wie Schaffhausen und selbst das zögernde Bern erteilten der von Basel initiierten und damit auch zu bezahlenden Mission ihre Zustimmung. Luzern dagegen verweigerte sie in beinahe brüsker Form, so daß Wettstein sein Anliegen nicht einmal vor dem dortigen Rat vorbringen konnte, sondern im Gasthaus den Bescheid des zuständigen Schultheißen abwarten mußte. Vielleicht wäre das Nein etwas weniger schroff ausgefallen, hätte man im katholischen Vorort schon gewußt, daß sich eben damals der Kaiserhof anschickte, Frankreichs Vorgehen nachzuvollziehen und die doch nicht mehr aufzuschiebende Gesandtschaft ihrer Zustimmung zu versichern, um sie somit gleichsam zu neutralisieren. Wegbereitend wirkte in dieser Richtung der Baron Isaak Völmar, einer der kaiserlichen Bevollmächtigten bei den Verhandlungen zu Münster und Osnabrück, der das Risiko einer zu engen und ausschließlichen Kooperation der Eidgenossen mit Longueville erkannte. S o war man in Wien bereit, die Ansprüche des Speyrer Reichskammergerichts fahren zu lassen. Möglicherweise spielten auch Befürchtungen hinsichtlich der militärischen Gesamtlage eine Rolle. Wieder einmal wurden die Schweden offensiv, fast wie zu Gustav Adolfs Zeiten; im Januar 1647 erreichten sie sogar den Bodensee bei Bregenz - bei längerwährendem Krieg drohte die Zeit gegen das Haus Habsburg zu arbeiten. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation traf Wettstein nach einer zweiwöchigen Reise am 2 8 . Dezember 1646 (gregorianischen Kalenders) in Münster ein. Sein Gefolge war klein; als Sekretär und täglicher Botengänger fungierte Johann Rudolf Burckhardt, Sohn des B a s l e r Stadtschreibers; dazu kamen zwei Bedienstete und sein eigener jugendlicher Sohn. Das war sehr wenig, wenn man den reichen Aufzug etwa der Niederländer bedenkt; entsprechend bescheiden war das Logis, das sich in Osnabrück sogar ärmlich ausnahm. Derartiges zählte zu einer Zeit barocker Prunkentfaltung, die eben mehr war als nur Äußerlichkeit, sondern Status und Ansehen
widerspiegelte.
Ebenso prekär stand es um die Legitimation. Unter großen Mühen hatte Wettstein eine solche der vier reformierten Orte (nebst den Zugewandten St. Gallen und B i e l ) zusammengebracht, wozu dann im letzten Augenblick noch eine
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solche Mülhausens gekommen war, das durch den Übergang des Oberelsaß an Frankreich ohne eidgenössische Beschirmung in Bedrängnis zu geraten besorgte. Mit einigem Recht (obgleich nicht ganz ohne kulturkämpferischen Unterton) konnte 1873 der Historiker Daniel Albert Fechter von der Exemtion als einem „Verdienst der evangelischen Städte" sprechen. Was eben fehlte und gezählt hätte, war ein gesamtschweizerisches Mandat; dieses Manko durfte nicht an die große Glocke gehängt werden. Indem Wettstein dem Herzog von Longueville erklärte, seine Abordnung sei „von einer Stadt Basel auf Gutachten mehrentheils Orthen" erfolgt, verwischte er etwas den wahren Sachverhalt, da die katholische Mehrheit ja eben nicht zugestimmt hatte. 14 ) Die Instruktionen waren im wesentlichen von Wettstein selbst redigiert und vom Rat zwei Tage vor seiner Abreise in Kraft gesetzt worden. Sie markierten im wesentlichen die Schwerpunkte, die sich aus der vorausgegangenen Diskussion ergaben: Verhinderung von Entscheiden zuungunsten der Eidgenossenschaft, Abwehr der Ansprüche des Reichskammergerichts und endlich Einschließung der Eidgenossenschaft in den allgemeinen Frieden. 15 ) Von seinem Schaffhauser Kollegen Dr. Ziegler, einem gewieften Juristen - dessen Präsenz in Westfalen dem Nichtjuristen Wettstein in manchen Fällen wohl behilflich gewesen wäre - kam ihm eine „Deduction" zu. Über die Reise, die Verhandlungen und Aufenthalte Wettsteins orientiert dessen ausführliches Diarium, das 1962 von Julia Gauss ediert wurde. 16 ) Instruktionsgemäß und auch in Übereinstimmung mit dem Empfehlungsschreiben des Ambassadeurs an den Herzog von Longueville, diesen zu kontaktieren „sans avoir recours ä autre puissance si ce n'est que votre Altesse lui prescrive", sprach er zuerst beim französischen Chefunterhändler vor, der ihm dann selbst riet, die Speyerische Angelegenheit „bey den Kayserlichen Herrn Plenipotentiariis anzebringen"; damit war für Wettstein die Gefahr gebannt, als bloßer „Satellit" Frankreichs in Erscheinung treten zu müssen. So kam er alsbald auch mit den kaiserlichen Kongreßgesandten, dem Grafen Maximilian von Trauttmansdorff und dem Juristen Dr. Isaak Volmar ins Gespräch; er kannte diesen ehemaligen Freiburger Universitätsprofessor und Kanzler in Ensisheim von früher her. Mit ihm hatte Wettstein am meisten zu konferieren, da Trauttmansdorff als großer Herr zwar freundlich, aber etwas entrückt blieb. Volmar hingegen engagierte sich persönlich: „Ich habe einmahlen Hand an dass Werckh gelegt, ich will es mitt Gottes Hülff zu euerer Herren und der Eydtgnoschafft contento aussfüehren; dess seytt versicheret". Das war nicht einfach persönliche Sympathie; die Ar14
) Gonzenbach, Rückblicke (wie Anm. 7), 157 f., 171, 194. ) Wortlaut der Instruktion bei Daniel Albert Fechter, Die im westfälischen Frieden ausgesprochene Exemtion der Schweiz, ein Verdienst der evangelischen Städte, in: Archiv für Schweizerische Geschichte 18, 1 8 7 3 , 7 6 - 1 0 8 , hier 101-104. 16 ) Johann Rudolf Wettsteins Diarium. Bearb. v. Julia Gauss. Bern 1962 (mit konzentrierter Einleitung). Zitate vgl. 11 f., 33, 55 f., 65, 115, 171. 15
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gumentation wurde vielmehr gestützt durch den historischen Hinweis, daß die Eidgenossen und Habsburg im beiderseitigen Interesse aufeinander angewiesen seien. „Habe dabey dass Exempel dess Hauss Österreych und der Eydtgnossen eingeführt mitt Anzeyg, so lanng dass Hauss Österreych mitt den Schweytzern, alss von anno 1310 bis 1474 in Krieg und Missverstandt gewesen, so lang habe es nicht fortkhommen khönnen; wann sie auch in solchem geblieben, wehre es gewiss bey jetzigem Krieg dess Hauss Österreych gentzlicher Unndergang und Verderben gewesen". Daß es nicht so weit kam, sei die glückliche Folge der Erbeinung - ein bemerkenswertes Urteil sowohl über die praktischen Auswirkungen der schweizerischen „Neutralität" im zuendegehenden Dreißigjährigen Krieg (das Wort selbst kommt nicht vor) als auch ein Reflex des Geschichtsbildes und Geschichtswissens eines höheren Beamten und Diplomaten. Die Sache selbst nahm keinen ganz glatten Verlauf. Das in der Instruktion niedergelegte Vorhaben, alles auf höchster Ebene der großen Mächte unter Beiseitelassung der Zwischengewalten und Stände regeln zu können, erwies sich als schwer durchführbar. Die Exemtionsfrage berührte nun einmal Kaiser und Reich und erzwang damit eine gewisse Mitsprache der föderalistischen Kräfte. Das war grundsätzlich nicht anders als in der Eidgenossenschaft auch, was ja Wettstein eben in seinen Bemühungen um eine Legitimation noch selber hatte erfahren müssen. So notiert er in seinem Tagebuch, „dass es die Churfürstlichen Gesantten zimlich wider den Kopff gestossen, dass ich kheinen visitiert noch dorunder angesprochen, weilen sonsten es gebreuchig und dass Churfürstliche Collegium glychsam absolute seye und khein Befelch von Ihr Mayestet in dergleychen Fählen anemme" (20./ 30.1.1647). Wettstein gab sich Mühe, seine instruktionsverordnete Zurückhaltung nicht mit „Verachtung", sondern mit eidgenössischer Unkenntnis des Stylus Curiae zu begründen; zudem stammten die für die Schweiz maßgebenden Privilegien allesamt vom Kaiser (20./30.1.1647). Während er den kurmainzischen Gesandten, dessen Herr als Erzkanzler des Reiches kaum zu umgehen war, mit höflichen Worten hinzuhalten suchte, wandte er sich an Zürich als eidgenössischen Vorort mit der dringenden Bitte, weitere Orte für die Erweiterung seiner schmalen Legitimationsbasis zu gewinnen. Das war umso dringlicher, als seine Mission in den nächsten Wochen in eine eigentliche Krise geriet, die in den älteren Forschungen - vor allem von Julia Gauss - eingehend dargestellt wurde. Mit der Exemtion vom Reichsgebiet, wie sie die kurbrandenburgische Gesandtschaft vorschlug, war es nicht getan, da eine solche auch Sachsen und Brandenburg selbst zugestanden worden war; sie hätte die grundsätzliche Frage der Exemtion vom Reich weiterhin unentschieden gelassen. Gerade da aber gab es Schwierigkeiten. Waren die in Kopien mitgebrachten alten Privilegien überhaupt von Wert, wenn der Basler Gesandte gar nicht von den Eidgenossen mandatiert war? So mußte er wenigstens ein Dankschreiben Zürichs zur Verbesserung seiner credentialia gebrauchen. Sogar Graf Trautt-
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mansdorff gab ihm vertraulich den Rat, besser zuzuwarten, bis aus Wien eine Entscheidung zu seinen Gunsten erfolgt sei. Freundlich und unverbindlich verlief eine in Osnabrück stattfindende Unterredung mit dem Grafen Oxenstierna, nicht nur, weil dieser „Leibshalber zimblich übel disponirt gewesen". 17 ) Im Grunde hatte Schweden weder Grund noch Interesse, der Eidgenossenschaft sonderlich weit entgegenzukommen, zumal diese ja in der schwierigen Zeit nach Gustav Adolfs Tod auch nicht aus ihrer Neutralität herauszulocken gewesen war. Gesprächen mit deutschen Diplomaten entnahm Wettstein zudem, wie wenig die Soldaten der nordischen Großmacht sich beliebt gemacht hatten. „Wo sie hinkhommen, machen sie alles zu Sclaven, wie man dann in den Inseln, so sie von Dennemarkh bekhommen, gesehen. Im Erzstifft Bremen hausen sie dergestalten, dass, wann die gueten Leuth den Gewalt nicht ersorgeten, solche lengstens revoltiert hetten; khönne derhalben villeycht dieses alles nicht lanng dauren". Also war von dieser Seite noch weniger zu erhoffen als von Seiten der beiden anderen, immerhin nachbarlich vertrauten Mächte. Vor dem Krieg war die Eidgenossenschaft zwar bewahrt geblieben, dafür blieb sie jetzt auch einer gewissen Indifferenz ausgesetzt. Ganz auf sich gestellt, von Basel zwar mit zusätzlichen Verhandlungskompetenzen versehen, zugleich aber von seinen dortigen Rivalen mit Argwohn und auf Zusehen hin in seinen Erfolgschancen bewertet, wuchs nun Wettstein mit seinen höheren Zwecken über sich selbst hinaus. Der große Augenblick, der ihm den Durchbruch ermöglichte, kam am 20. Februar 1647 (gregorianischen Kalenders), als ihm aus der Schweiz endlich das ersehnte „Favorschreiben" zukam, welches seine Legitimation unterbaute. 18 ) Dabei enthielt dieses umständlich redigierte Dokument, das einerseits den „Kaiserlichen Plenipotentiariis" zugedacht war und obendrein eine „recommendation" an die französischen Bevollmächtigten umfaßte, grundsätzlich wenig Neues: die Erinnerung an frühere Beschwerden, vor allem die Hoffnung auf eine endgültige Friedensregelung und - damit verbunden - die Erwartung, daß „es nicht die Meinung bei Ihr Majestät und dem Reich haben würdt, uns dasjendige, was wir rhumblich her r gebracht und erlangt, zu entziehen und uns gemeinlich oder sonderlichen an unseren Freyheiten zu schwechen". Fast am wichtigsten war, daß als Absender des Schreibens „Burgermeister, Schultheiss, Landammann und Räth der dreyzehn und zugewandten Orten der Eydgnoschafft" figurierten - damit hatte Wettstein endlich das in der Hand, was er brauchte, nämlich das gesamtschweizerische Mandat - auch wenn es eigentlich nur der Luzerner Schultheiß gewesen war, der (immerhin als Vertreter des Vororts der katholischen Kantone) sich die Zustimmung hatte abringen lassen. Gerade weil das „Favorschreiben" außer dem Hinweis auf Herkommen und alte Freiheiten wenig 17 18
) Abschiede (wie Anm. 6), 2264 f. ) Wortlaut bei Gonzenbach, Rückblicke (wie Anm. 7), 246 f.
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Konkretes enthielt, konnte es nützlich sein. Jedenfalls erkannte Wettstein seine Chance, die bisherige Ausweglosigkeit zu durchstoßen. „Den gantzen Morgen hab ich geschriben, biss gegen 11 Uhren die Post khommen und mich interrumpiert", meldet er folgenden Tags in seinem Diarium. Das widerspiegelt die fast hektische Aktivität, die ihn nun überkam. Es war hohe Zeit; ein früherer Bescheid aus der Heimat wäre wirkungsvoller gewesen. „Hätte ich es anfangs haben können, was einige übel Affektionierte verhindert haben, so glaube ich, ich wäre schon auf der Heimreise oder gar schon zu Hause. Doch ich hoffe, es werde mir noch zur völligen Erörterung, vornehmlich am kaiserlichen Hof dienen". 19 ) Darum ging es in der Tat. Möglicherweise hatte der schwedische Vorstoß bis zum Bodensee, welcher erstmals das eidgenössische Defensionale spielen ließ, die katholische Schweiz aus ihrer Geborgenheit aufgeschreckt; in Wien trug er gewiß dazu bei, die Einsicht in die Bedeutung des eidgenössischen Flankenschutzes zu erhöhen. Bisher hatte sich das „Reich", d.h. die Vertreter der Reichsstände und insbesondere der Kurfürsten (mit denen Wettstein instruktionsgemäß nicht verhandeln durfte), auf den Standpunkt gestellt, Exemtion vom Reichskammergericht und Exemtion vom Reich seien verschiedene Dinge; die letztere könne nur auf der Ebene des Reiches entschieden werden. Das hätte einen Rattenschwanz künftiger Verhandlungen nach sich gezogen und in der Praxis womöglich das Ergebnis von 1499 wieder in Frage gestellt. Nun wirkten sich die guten Beziehungen des Baslers zu den kaiserlichen Bevollmächtigten aus. Bereits hatten Trauttmansdorff und Volmar dem kurmainzischen Direktorium - zweifellos in Absprache mit Wettstein - kundgetan, „dass die Statt Basel nuhn über 140 Jahr ,in possessione vel quasi omnimodae libertatis' gewesen, vor ein Glied der Aidgnoßschaft gehalten und niemalen zu einigen Dienstbarkeiten des Reichs bekhantlich gezogen worden, noch auch nimmer zu gedenkhen, dass die Schweitzer dergestalt einen Bruch und Eingriff in ihren freyen Stand werden machen lassen, sondern nichts Gewissers zu erwarten steth, als, wann man mit dergleichen cameralischen informationibus sich aufhalten und dieser Statt ihre Freyheit disputierlich machen wolte, dass der Abgeordnete Ursach nemmen wurde und vielleicht auch bereits darauf instruirt sein möchte, sich dessentwegen alsobald bei dem Königl. frantzösischen und schwedischen Gesandten zu beschwehren, welche dann sonder allem Zweifel bey diser Statt und gemeiner Aydgnoßschaft einen mehrern Gunst und Zuneigung dem Heyl. Rom. Reich zum höchsten Nachtheil zu gewinnen nit underlassen werden, sich der Sachen (wie von den Frantzosen albereit zwar nur privato nomine beschehen) anzunemmen und dahin zu arbeiten, dass man solche ihre ,omnimodam exemptionem et libeitatem' in das Instrumentum pacis als ein pactum publicum wurde einkommen lassen oder, wo man sich darwider setzen solt, mit disem Stand in l9
) Zitat bei Gallati, Eidgenossenschaft (wie Anm. 7), 202 Anm. 72.
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neue Unruhe gerahten müsste, denen man aber bey jetzigem gefährlichem motu des Reichs gar nicht bedürfftig ist". 20 ) Ein (auch abgesehen vom lateinischen Formelgut) hochbedeutsames (und deshalb etwas langgeratenes) Zitat, vielleicht etwas vom wichtigsten in diesem Zusammenhang, weil es eine Deduktion beinhaltet, die den weiteren Ablauf teilweise antizipiert. Österreichs Chefunterhändler identifizierten sich darin weitgehend mit dem Standpunkt Wettsteins, indem sie dem Vertreter der Reichsstände die Folgen weiterer Obstination vor Augen führten: Basels Interessen deckungsgleich mit denen der Eidgenossenschaft, die Gefahr eines engeren Zusammenschlusses derselben mit Frankreich und Schweden bis hin zur totalen Exemtion, ja - falls weiterhin Widerstand erwachse - die (angesichts der Frontlage keineswegs illusorische) Gefahr neuer Unruhen, was immer das auch bedeuten mochte. Natürlich war bei der Entfaltung dieses Szenariums einiges an Bluff im Spiel, denn so handlungsentschlossen präsentierte sich die Schweiz keinesfalls - und konnte es bei ihrer föderalistischen Struktur auch gar nicht tun. Immerhin war damit eine Eventualität aufgezeigt, mit welcher man - trotz laufender Friedensverhandlungen - beim Fortgang des Krieges rechnen mußte. Noch stand die kaiserliche Willensäußerung aus. Am 21. März 1647 lag jedoch ein Gutachten des Reichshofrats zuhanden des Reichsoberhauptes vor, das keineswegs auf Rückzug und Verzicht gestimmt war, vielmehr festhielt, „dass vor der Zyth die Statt Basel notorie under dass Reich gehörig gewesen" sowie „von dem Cammergericht zu Speir und je und allwegen vorzeiten und biss anharo Process wider sy erkenndt worden"; deshalb müsse das jetzige Kammergericht pflichthalber in „ihrer Antecessorn Fußstapfen" treten. Zwar wurden auch Gegengründe ins Feld geführt; die Stellungnahme gipfelte aber doch in der Ermahnung, die Stadt Basel zwar künftig mit solchen Prozessen zu verschonen - das war die Konzession - , im weiteren aber müsse die Majestät doch der Wahlkapitulation eingedenk bleiben, nämlich „alles dasjenige, was von dem Reich kommen, nach möglichstem Flyss und Ernst widerum darzu zubringen". 21 ) Das beinhaltete natürlich keine Aufforderung zu einer „Reconquista", sondern lediglich die Aufforderung, das Kammergericht nicht durch zu weitgehendes Entgegenkommen gegenüber den Eidgenossen zu desavouieren. Man kann eine derartige Hinhaltetaktik bedauern, sollte ihr aber auch (worauf Viehl zu Recht hinweist) mit Verständnis begegnen: es war ja nicht Aufgabe der Reichsinstanzen, eidgenössische Politik zu treiben. In dieser trotz des „Favorschreibens" kritischen Phase war es vor allem die französische Diplomatie, die das Anliegen Wettsteins weiter voranbrachte, und zwar weniger der Herzog von Longueville als dessen engster Mitarbeiter 20
) Abschiede (wie Anm. 6), 2269 f. ) Ebd. 2272-2274. Vorangegangen war: Gutachten der Kurfürsten und Stände zuhanden des Kaisers. Münster, 18.2.1647: ebd. 2270 f. 21
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Graf d'Avaux, in welchen Wettstein - seinem Tagebuch zufolge - förmlich drang, sich der schweizerischen Angelegenheiten anzunehmen, wobei er seinerseits betonte, daß die französische Festsetzung am Oberrhein die Schweiz nicht beeinträchtige; lediglich Mülhausens Berücksichtigung im Frieden werde gewünscht. Es brauchte noch Wochen der Verhandlungen und des Wartens, bis die Einbeziehung der Schweiz in das Friedensinstrument - nicht nebenbei, sondern in einem gesonderten Artikel - gesichert war: gemäß den ausdrücklich erwähnten Verträgen von Cateau-Cambrésis und Vervins, welche als Modellfriedensschlüsse des 16. Jahrhunderts Präzedenzcharakter aufwiesen. Longueville selbst erteilte etwas leichthin die französische Zustimmung und erbat die Aufsetzung einer Formel, was prompt geschah, dann endlich kam die Zusage d'Avaux'. „Als ich aber nochmahlen zue wüssen begerth, ob ich mich sicher darauff verlassen khönne, dass Frankhreych sichs werde mitt Ernst anemmen und es werde machen ins Instrument zue setzen, hatt er zuem anndern Ja, im Wegg gehen noch zuem dritten Mahl gesagt: Ja, Ja, ich solle mich dessen versichern und darauff verlassen. Nicht weniger verhiesse er auch Mühlhausern speciatim zuegedenkhen etc. Alss ich heimkhommen, schikhte mir der Hertzog Flaschen mit Französischem Wein". Dies als kleines Beispiel, das über die amtlichen Akten hinaus zeigt, wie es wirklich zuging, bis etwas erreicht war, vor allem dann, wenn die Verhandlungspartner Staaten ungleichen Ranges vertraten. Aus dem folgenden erhellt dann auch, daß die von ihm aufgesetzten Bestimmungen des Artikels „vom Vetter Ruedolph inn Latein" transferiert wurden - der Vetter war Burckhardt, der junge gelehrte Sektretär. Im Juli erschien der französische Friedensentwurf mit einem speziellen Artikel „De Helvetiis", worauf die Schweden ihrerseits in ihrem Projekt nachzogen. Die Kaiserlichen folgten und stellten in einem nach den Eingangsworten „Et quoniam" betitelten Artikel, den Wettstein am Abend des 5. August 1647 zur Kenntnis nehmen durfte, die Exemtion außer Frage. Damit war dank Wettsteins persönlichem Einsatz der Durchbruch erzielt. „Toute la Suisse vous aura non seulement l'obligation d'avoir fait cesser les entreprises de la Chambre de Spire, mais encore d'avoir fait recognoistre dans un traité si solennel... un Estât libre et souverain", schrieb Caumartin dem Basler Staatsmann am 15. August 1647 aus Solothurn, der Residenz des französischen Gesandten in der Schweiz. 22 ) In aller Form, auch um den Eindruck des Zögerns und der Verspätung zu vermeiden, erließ dann der Kaiserhof noch ein (den improvisierten Artikel „Et quoniam" bekräftigendes) Exemtionsdekret, fälschlicherweise datiert auf den 16. Mai 1647, in Wirklichkeit aber aus dem Herbst stammend; das kaiserliche
22
) Zitat bei Rott, Représentation (wie Anm. 7), 149 Anm. 5. Die übrigen, dem Diarium Wettsteins entnommenen Zitate: vgl. Anm. 16. Zu Schweden vgl. Gallati, Eidgenossenschaft (wie Anm. 7), 2 3 4 f.
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Begleitschreiben vom 19. Oktober 1647 besagt nämlich kurzerhand: „Dieses haben Wir zuruck zu setzen bevohlen, auf dass es vor der Exhibition des Frantzösischen Instrumenti pacis gesetzt seye". Anders formuliert: man wollte den Wettlauf um die künftige Gunst der Schweiz wenigstens nicht zu offensichtlich verlieren, da der Hofburg Frankreich doch schon zuvorgekommen war und die reichsrechtlichen Positionen sich ohnehin nicht mehr halten ließen. Ein solches Verfahren hatte zudem den Vorteil, daß man den Schweiz-Artikel des französischen Projekts getrost ignorieren konnte. Das kaiserliche Exemtionsdekret, das sich im Einleitungssatz ausdrücklich auf die Darlegungen der Gesandten und Generalbevollmächtigten in Westfalen berief, sodann auf die Eingabe Wettsteins „in Nahmen der Statt Basel, auch gemainer dreizehen Ortten der Aydtgnoßschafft" verwies und daraus das Ersuchen ableitete, „bemelte Aydtgnoßschafft bey ihrem freyen souverainen Standt und Herkommen fürbas ruhig und unturbiert bleiben zu lassen und ieztgemeltem Cammergericht aus Römischer Kayserlicher Mayestät Vollkommenheit zu gebietten und anzubevehlen, so balden alle wider aine Statt Basel geführte Process gänzlich zu cassieren und abzustellen, auch deme ernstlich aufzulegen, dass sy weder iezt noch künfftig, unter was Schein und Vorwandt das auch immer zugehen oder geschehen möcht, wider sie, noch übrige Ort der gesambten Aydgnoßschafft vorzunemmen und zu versuechen nicht mehr underfangen sollen". 23 ) Was an dieser in schönstem Juristendeutsch' abgefaßten Disposition erstaunt, ist das Vorkommen eines neuen Begriffs, der eben damals in die staats- und völkerrechtliche Diktion der Zeit Eingang fand und auch nicht ganz unbelastet war, nämlich der des souveränen Standes. Es liegt nahe, darin eine Anwendung der Lehre Bodins zu sehen, die ziemlich genau siebzig Jahre zuvor in seinem staatstheoretischen Werk „Les six livres de la République" formuliert worden war, welches die Souveränität in ihrer Einheit und Unteilbarkeit - so unteilbar wie ein Punkt in der Geometrie! - als „die absolute und ewige Macht des Staates" kraftvoll herausarbeitete. Karl Mommsen hat jedoch in einer scharfsinnigen Untersuchung gezeigt, daß der Begriff damals zwar schon verbreitet, aber wesentlich diffuser in seiner Bedeutung war, und nicht so sehr einheitliche Macht von oben als die Summe von einzelnen Herrschaftsrechten und Privilegien beinhaltete, die mit der Zeit eine Umschreibung der Unabhängigkeit des Staates nach außen wurde. Einem ähnlichen Prozeß des Wandels und der Modernisierung war auch der Begriff der Exemtion unterworfen, der ursprünglich die Befreiung von bestimmten 23
) Abschiede (wie Anm. 6), 2275. Ebd. 2 2 7 4 der Artikel „Et quoniam". Kaiserliches Exemtionsdekret angeblich vom 16.5.1647, in Wirklichkeit vom 19.10.1647 mit erklärendem Vermerk (Nr. 18). Zu den hinhaltenden Bedenken der katholischen Stände vgl. Gallati, Eidgenossenschaft (wie Anm. 7), 229 f., 236 ff. Von Prag aus bestätigte der Kaiser am 27.11.1647 in einem Diplom zuhanden des Kammergerichts seine Entscheidung, vgl. Abschiede (wie Anm. 6), 2276. Zum Ganzen vgl. Viehl, Wettstein (wie Anm. 7), 198 ff.
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Gerichten und vom üblichen Instanzenzug des Gerichtswesens bedeutete, bis dann die exemtio extra imperium eine Nichtanerkennung des Kaisers als oberstem Lehensherrn und damit eine totale Verselbständigung meinte. Das war nicht unbedingt identisch mit der Souveränität im modernen Sinne, lief aber in der Praxis doch immer mehr darauf hinaus. 24 ) So beriefen sich auch die Niederlande auf ihre Souveränität, obwohl sie einst zum Reich gehört hatten, von diesem aber in ihrem Kampf gegen die spanische Unterdrückung sich selbst überlassen worden waren. Noch spielten also feudalrechtliche Kriterien mit; wenn der oberste Lehensherr versagte, entstand ein Vakuum, das sich mit neuem staatsrechtlichem Gehalt füllte. Mit der kaiserlichen Entscheidung, die am Abend des 6. November 1647 in Münster eintraf und folgenden Tages Wettstein überreicht wurde, war der Zweck seiner Mission im wesentlichen erfüllt, die Eidgenossenschaft als souveräne Staatlichkeit in die europäische Friedensordnung integriert. Feierlich empfangen, kehrte der Basler am 5. Dezember in seine Vaterstadt heim. Fast elf Monate hatte seine Abwesenheit gedauert, und nochmals elf Monate sollten verstreichen, bis der Friedensvertrag in Münster unterzeichnet wurde.
III „Was eine gemeine löbl. Eidgnoßschaft bewegt", hatte es zu Eingang des an Wettstein gerichteten „Favorschreibens" geheißen. Ob und in wie weit das, was von ihm in Westfalen ausgehandelt worden war, in der Schweiz überhaupt Resonanz fand, wäre eine fesselnde, aber kaum zu beantwortende Frage. Eine „Öffentlichkeit" im Sinne des späteren 18. Jahrhunderts gab es noch nicht; das Interesse dürfte sich auf eine kleine Spitzengruppe von Ratsherren und Bürgermeistern, natürlich auch von betroffenen Kaufleuten beschränkt haben. Für das eigentliche Volk war die Zugehörigkeit zum Reich schon längst kein Thema mehr; da stellten sich andere Prioritäten. Zumal für die Bauern, die unter den Preiszusammenbrüchen der Agrarprodukte bei Kriegsende litten und unter denen es sehr wohl noch Kunde gab, daß man den gnädigen Herren gegenüber vor nicht allzulanger Zeit - nämlich im frühen 16. Jahrhundert eine andere und stärkere Stellung innegehabt hatte. Man muß nicht gleich den Begriff des „Absolutismus" bemühen, um den Wandel zu konstatieren, der mit der Konfessionalisierung - die eben stets auch verstärkte Obrigkeitskontrolle beinhaltete - Hand in Hand ging. Schon 1645 gab es bäuerliche Unruhen auf
24
) Karl Mommsen, Bodins Souveränitätslehre und die Exemtion der Eidgenossenschaft, in: Discordia concors. Festgabe für Edgar Bonjour zu seinem siebzigsten Geburtstag am 21. August 1968. Bd. 1. Basel/Stuttgart 1968, 433-448.
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der Züricher Landschaft; sie erscheinen rückblickend als Auftakt zum großen Bauernaufstand von 1653, der von den Machthabern als bedrohliche Herausforderung empfunden wurde und gesamteuropäisch wohl ein Nebenzentrum des großen sozialen Bebens darstellt, das um die Jahrhundertmitte den Kontinent erschütterte. Da ging es um viel vitalere Anliegen als bei den staats- und völkerrechtlichen Spitzfindigkeiten, die in Münster und Osnabrück zur Diskussion standen und die außerhalb der Tagsatzung nur wenigen Zeitgenossen als das erschienen, was sie wirklich waren: die völkerrechtlich abgesicherte Erhebung der Eidgenossenschaft zur souveränen Staatlichkeit, so daß sie fortan „vollkommen aus eigenem Rechte" lebte (Edgar Bonjour) 25 ). Im Jahr 1648 gab es noch allerhand Nachspiele und Nachwehen, die aber wesentlich waren zur Sicherung des Gewonnenen. Wir halten (angesichts überquellender Spezialliteratur) nur die wichtigsten Punkte fest. Bemerkenswert ist immerhin ein Bedenken, das der Schaffhauser Jurist Ziegler an einer (auch von späterer Forschung erörterten) Wendung nahm: „in der general clausul von der herren Eidtgnossen exemption will bei dem pass ,in possessione vel quasi plenae' mir das wörtle ,quasi' nit recht ansthen, dan es würt opponirt und entgegen gesetzt rechtmässiger und wahrhaffter possession"; das aber könnte als Vorwand dienen, „die libertet und exemption lobl. Eidtgenoschafft in controversiam zu ziehen". Gestützt auf das Gutachten zweier Basler Juristen, konnte Wettstein ihn beschwichtigen: possessio sei der Besitz einer Sache, quasi possessio hingegen derjenige einer Gerechtsame. 26 ) Das waren Formalitäten, hinter denen sich konkrete Probleme abzeichneten. Während Wettstein auf eidgenössischen Tagungen den Erfolg seiner Mission erläuterte, blieben die Gegenkräfte aktiv. Die kaiserliche Politik zielte dahin, mittels eines Diploms, das als Konzession erschien, die Souveränität jedoch ausklammerte und die Zugewandten unerwähnt ließ, die Einfügung in den Friedensvertrag zu unterlaufen; das hätte einen gravierenden Rückschlag bedeutet. Ein weiteres Risiko drohte von schwedischer Seite, indem - noch im Juli 1648 - der Schweiz-Artikel zwar beibehalten blieb, durch den zweiten Bevollmächtigten der Dreikronenmonarchie, Johan Adler Salvius, aber im Sinn eines Entgegenkommens an das Reich umredigiert wurde und von der gänzlichen Exemtion absah. 27 ) Glücklicherweise blieb die Schweiz auch nach Wettsteins Abreise durch gewandte Vertreter am Spiel beteiligt. Beide waren promovierte Juristen: Dr. Jeremias Stengelin aus Augsburg, als Dolmetscher 25
) Edgar Bonjour, Die Loslösung der Eidgenossenschaft vom Reich und J.R. Wettstein, in: Die Schweiz und Europa. Ausgewählte Reden und Aufsätze. Basel 1958, 173-183, hier 182. 26 ) Vgl. Schib, Schaffhausen (wie Anm. 7), 111-113, Brief Zieglers an Wettstein, Schaffhausen, 20.12.1647. Vgl. auch Gallati, Eidgenossenschaft (wie Anm. 7), 307 f. 27 ) Vgl. Gallati, Eidgenossenschaft (wie Anm. 7), 288 f. Wortlaut des schwedischen Artikelentwurfs ebd. 383 f.
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des Herzogs von Longueville vertraut mit der französischen Diplomatie, sowie Dr. Valentin Heider aus Lindau und dortiger Syndikus, der sich zudem das besondere Vertrauen der protestantischen Städte Oberdeutschlands erworben hatte und als hervorragender Kenner des Reichsrechts galt. 28 ) Daneben aber war es vor allem einmal mehr die französische Diplomatie, die - in dieser Endphase vor allem vertreten durch den dritten Delegierten, Graf Abel Servien - den kaiserlich-reichsständischen Opponenten und schwedischer Indifferenz entgegenwirkte und zur Sicherung des gewonnenen Terrains beitrug. 29 ) Stärker als jede andere europäische Macht war Paris an einer souveränen Eidgenossenschaft interessiert, da sie sich so französischem Einfluß eher öffnen konnte als eine Staatlichkeit, die selbst in gelockerter Form immer noch Sonderbeziehungen zum Reich aufrechterhielt. Der Kaiserhof wiederum hatte bei allem grundsätzlichen Einlenken doch längere Zeit am Widerstand gegen eine separate Schweizerklausel im Friedensinstrument festgehalten. Im Mai 1648 willigte Ferdinand III. dann doch ein, da eine weitere Verzögerung den Schweiz-Artikel zu sehr als einseitige Errungenschaft Frankreichs und Schwedens hingestellt hätte. Eine derartige Isolierung der Habsburgermonarchie lag nicht im Interesse Wiens, zumal das Nein kaum noch einen Gegenwert verhieß. Triumphiert hätten dann allenfalls die Reichsstände und das Reichskammergericht, aber das bot keinen Ersatz für eine in die Gefolgschaft Frankreichs abdriftende Eidgenossenschaft mit ihrer mitteleuropäisch zentralen Lage und ihrem Söldnerreichtum. So setzte sich also realpolitische Einsicht durch, die dem Hause Habsburg ohnehin kein wirkliches Opfer mehr abverlangte. Zudem drängte die Zeit; der Krieg nahm seinen Fortgang; einmal mehr stand - fast wie zu seinem Beginn Prag im Mittelpunkt der Operationen. Am 6. August 1648 kam es in Osnabrück vor der Vollversammlung der kaiserlichen, schwedischen und reichsständischen Abgeordneten zur Verlesung der Friedensbestimmungen mitsamt dem schweizerischen Artikel. Die Reichsstände nahmen diesen nicht einfach hin, sondern beharrten auf schon früher formulierten einschränkenden Bedingungen, die vor allem auf finanzielle Abgeltungen hinzielten. Mehr als ein Rückzugsgefecht war das nicht mehr; auf die große Politik einwirken konnten weder Mainz noch Speyer. So fand der Schweiz-Artikel Eingang in das Instrumentant Pacis Westphalicae, und zwar gleichlautend in Artikel VI des Friedens von Osnabrück (zwischen dem Kaiser und Schweden) und in Paragraph 61 des Friedens von Münster (zwischen dem Kaiser und Frankreich). Dem Wortlaut nach: „Da die kaiserliche Majestät auf die Beschwerden die ihren auf diesen Kongreß delegierten Bevollmächtigten im Namen Basels und der gan-
28
) Vgl. die biographischen Beiträge bei Gonzenbach, Rückblicke (wie Anm. 7), 213 ff., 228 ff. 29 ) Rott, Représentation (wie Anm. 7), 156ff.; Gauss, Wettstein (wie Anm. 7), 182.
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zen Eidgenossenschaft wegen etlichen Prozessen und Exekutionsmandaten des kaiserlichen Kammergerichtes gegen die genannte Stadt und andere Verbündete Orte der Eidgenossenschaft und ihre Bürger und Untertanen vorgebracht wurden, nach Einholung eines Gutachtens der Reichsstände durch ein besonderes Dekret vom 14. Mai des jüngstvergangenen Jahres erklärt hat, daß die Stadt Basel und die übrigen Orte der Eidgenossen sich im Besitze voller Freiheit und der Exemtion vom Reich befinden und auf keine Weise den Reichsgerichten unterworfen sind, so beschloß man, daß dies auch diesem öffentlichen Friedensvertrag einverleibt werde und rechtskräftig und gültig verbleibe und demgemäß alle derartigen Prozesse nebst den dabei wann immer erlassenen Arrestmandaten gänzlich kassiert und ungültig sein sollen". 30 ) Der Text widerspiegelt in einem einzigen langgezogenen Satz die verschlungene Vorgeschichte: von Basel ging der Anstoß aus, und so stellt das originale Dokument denn auch praedictam civitatem Basileam caeterosque Helvetiorum cantones in entsprechender Reihung hintereinander als in possessione vel quasi plenae libertatis et exemptionis ab imperio esse ac nullatenus eiusdem imperii dicasteriis et iudiciis subiectos, womit die abschließende Einfügung in den Friedenstraktat motiviert erscheint. Einer längeren Darlegung folgt die schlüssige Konklusion. Der Artikel holte so Basels Beitritt zum Schweizerbund mit allen völkerrechtlichen Konsequenzen in aller Form und vor internationalem Forum nach und rief damit die Zugehörigkeit der Rheinstadt der europäischen Welt in Erinnerung. Daß in possessione vel quasi plenae libertatis keine Einschränkung des Vollbesitzes meinte, darüber hatte ja Wettstein schon den etwas beunruhigten Dr. Ziegler aufgeklärt, und die neuere Forschung (Konrad Müller) lieferte - in Korrektur gelegentlicher Unsicherheiten - dazu die zusätzliche Bestätigung. Als am 24. Oktober 1648 in Münster der Frieden feierlich geschlossen wurde, war zwar kein Schweizer unter den Unterschriftleistenden. Ihren Zweck aber hatte die Delegation gleichwohl erreicht. 1648 wurde zum Epochenjahr der europäischen Schweizergeschichte, weniger im Sinn eines Neuansatzes als einer abschließenden Klarstellung und terminologisch fixierten Legalisierung eines geschichtlich feststehenden Sachverhaltes. 31 ) Definitive Abschlüsse sind in der Historie eher selten, übergreifende Kontinuitäten und Nachwirkungen häufiger. Auch weiterhin gab es noch Schikanen und vereinzelt Beschlagnahmungen von Basler Kaufmannsgütern. In der 30
) Übersetzung nach Gallati, Exemtion (wie Anm. 7), 476. Vgl. auch: Konrad Müller (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Bern 1949, 131 f., im lateinischen Original 46. Zum Textverständnis auch ders., Die Exemtion der Eidgenossenschaft 1648, in: Schweizer Beiträge zur Allgemeinen Geschichte 4, 1946, 216-228. 31 ) Ich entnehme diese Formulierung meinem Beitrag im Handbuch (wie Anm. 5), 642. Fürs übrige Gallati, Eidgenossenschaft (wie Anm. 7) und Gauss, Wettstein (wie Anm. 7).
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Reichspublizistik machten sich tendenziös verwertete Unklarheiten noch im 18. Jahrhundert geltend, ja fast bis zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. 32 ) Das zeigt sich in dem materialreichen Aktenbandwurm des württembergischen Geheimrates Ludwig Friedrich Freiherr von Jan, betitelt „Staatsrechtliches Verhältnis der Schweiz zum deutschen Reiche" (Nürnberg/Altdorf 1803). Selbst in der Schweiz brauchte es einige Zeit, bis man die Emanzipation voll in sich aufnahm. So strich Solothurn den Hinweis auf das Heilige Römische Reich in seinem Bürgereid erst 1681, in Schaffhausen fiel dieses Juramentum sogar erst 1714 dahin. Beim Rathausneubau von 1698 ersetzte Zürich den Reichsschild durch die beiden von einem Löwen flankierten Zürichschilde und markierte damit seinen Wandel der Einstellung. 33 ) Die Franzosen realisierten im Zeichen einer neubeginnenden Ära etwas rascher, worum es ging. Als 1648 der neue Ambassadeur Jean de la Barde, bisheriger Mitarbeiter an den Friedensverhandlungen, sein Amt antrat, hieß es in seiner Instruktion knapp und ohne barocke Wendungen: „Le but de l'alliance est de pouvoir tirer des hommes de Suisse pour servir dans les armées du Roy". 34 ) Das hieß: die Eidgenossenschaft war wie eh und je für Frankreich in erster Linie Lieferantin von Söldnern und gewann an Gewicht, wenn keine Reichsinstanz mehr zu befürchten war. Deutlicher konnte der Wert gerade einer souveränen Schweiz als eines Rekrutierungsreservoirs im Blick auf künftige Kriege kaum ausgesprochen werden.
32 ) Karl Mommsen, Auf dem Wege zur Staatssouveränität. Bem 1970, 269 f. Es bedurfte einer gemeinsamen Vorsprache Wettsteins und Zwyers von Evibach am Kaiserhof in Wien anfangs 1651, um vom Reichskammergericht endlich die Einstellung der Konfiskationen baslerischer Handelsgüter zu erwirken: Gauss/Stoecklin, Wettstein (wie Anm. 7), 222 ff. 33 ) Belege bei Stadler, Zeitalter (wie Anm. 5), 643 Anm. 228; dazu Anton Largiadèr, Geschichte von Stadt und Landschaft Zürich. Bd. 1. Zürich 1945, 414; Rainer Christoph Schwinges, Solothurn und das Reich im späteren Mittelalter, in: SZG 46, 1996, 451-473. Zur allmählichen Durchsetzung der Souveränitätsidee im Spiegel der Staatssymbole: Hans Conrad Peyer, Der Wappenkranz der Eidgenossenschaft, in: Vom Luxus des Geistes. Festgabe zum 60. Geburtstag von Bruno Schmid. Zürich 1994, 121-138. 34 ) Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traités de Westphalie jusqu'à la Révolution Française. Vol. 30: Suisse. T. 1. Ed. par Georges Livet. Paris 1983, 7.
Feind im Frieden Die Rolle des Osmanischen Reiches in der europäischen Politik zur Zeit des Westfälischen Friedens Von
Istvän
Hiller
Hostis naturalis totius Christianitatis - Jahrhunderte hindurch waren diese vier Worte für Herrscher und Bürger, für Heerführer und einfache Söldner, für einflußreiche Politiker und Prädikanten, die die Änderungen der Zeitläufe erklären wollten, gleichbedeutend mit dem Osmanischen Reich. Andere Denkart und Religion, andere Kleidung und anderes Schönheitsideal, verschiedene Traditionen und ein unterschiedliches Zukunftsbild - kurzum alles, was an Wochentagen und besonders an Feiertagen dem oberflächlichen Betrachter in die Augen fiel, erhob sich wie eine Scheidewand zwischen den beiden Kulturen, der christlichen und der islamischen Welt. Auf der Ebene der Politikgeschichte spiegelte sich dieses Bild am stärksten: minuziöse Kriegspläne und erfolglose Verhandlungen, blutige Kämpfe und ehrgeizige Eroberungen, Augenblickserfolge und anhaltendes Fiasko waren die Begriffe, womit die Geschichtsschreibung lange Zeit hindurch das Kontaktsystem der Hohen Pforte bezeichnete. War aber dieses System tatsächlich dermaßen einfach und farblos? Welche Rolle konnte Konstantinopel in den schicksalsschweren Kämpfen Europas und zur Zeit der westfälischen Verhandlungen spielen? Welche Wechselwirkungen vermochten in dieser anhaltenden Konfliktsituation zu entstehen? Es sei vor allem festgestellt, daß das Osmanische Reich beinahe während des ganzen Dreißigjährigen Krieges - bis zum Ausbruch des Krieges mit Venedig - mit keiner europäischen Macht im Kampf stand. Zum Abschluß des „Langen Türkenkrieges" wurde im Herbst 1606 mit der Habsburgermonarchie Frieden geschlossen (11. November 1606, Zsitvatorok); bis 1649 verhandelten die Delegationen siebenmal über die Weitergeltung des Friedensschlusses, die sie mit geringen Modifizierungen immer wieder bekräftigten. 1 ) Wir sollten
') Karl Nehring, Der Friede von Zsitvatorok, in: Adam Freiherrn zu Herbersteins Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel. Ein Beitrag zum Frieden von Zsitvatorok (1606). München 1983, 15-71. Die Bestätigungen des Friedens von Zsitvatorok: Erseküjvär (Nove Zämky, Slowakei) 1608, Wien 1615, Komärom 1618, Gyarmat 1625 (nicht ratifiziert), Szöny 1627, Szöny 1642, Konstantinopel 1649.
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daher von der Tatsache ausgehen, daß sich die Hohe Pforte direkt in den europäischen Konflikt nicht eingemischt hat. Da die Geschichtsschreibung die Gründe dieser Haltung bereits eingehend analysiert hat, möchte ich an dieser Stelle nur die wichtigsten kurz erwähnen. Das bedeutendste Motiv ist in den inneren Verhältnissen des Reiches zu suchen, wo die anhaltende Machtkrise, die politische und wirtschaftliche Instabilität für die Türken unübersteigbare Hindernisse darstellten, nach anderthalb Jahrzehnten der Kämpfe um die Jahrhundertwende erneut gegen den Westen Krieg zu führen. Andererseits war Konstantinopels Streitkraft bis 1639 durch den persischen Krieg in Anspruch genommen, der mit wechselndem Erfolg geführt wurde. So wollten die Türken primär die Möglichkeit eines Zweifrontenkrieges vermeiden und betrachteten die Einhaltung und Verlängerung des Friedens von Zsitvatorok als ihr grundlegendes Interesse. 2 ) Freilich ergaben sich Situationen - etwa die Feldzüge der siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen und Georg I. Räköczi gegen Habsburg in denen sie ihre Patronate mit Hilfstruppen unterstützten, doch im Verhältnis zu seiner Machtstellung blieb das Osmanenreich an den Waffengängen des Dreißigjährigen Krieges so gut wie unbeteiligt. 3 ) Es nahm weder an den diplomatischen Verhandlungen noch an den Friedensgesprächen teil, war folglich weder in Osnabrück noch in Münster vertreten und erfüllte dennoch eine wichtige Funktion, die meines Erachtens zum Verständnis der Prozesse des Dreißigjährigen Krieges und der Pax Optima Rerum unentbehrlich war. Das Problem erfordert die Analyse der frühneuzeitlichen politischen Informationsströme und Entscheidungsmechanismen. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts wurde unübersehbar, daß die im Italien der Renaissance entstandene neue Formation, die Institution der ständigen Gesandtschaften, grundlegende Änderungen in der Diplomatie herbeiführte. Zwischen den europäischen Machtzentren und Staaten wurde ein derart vielfältiges Beziehungssystem ausgestaltet, daß die Bearbeitung der Tagesgeschäfte und die Sicherung der erforderlichen ununterbrochenen Kontakte nur durch ständige Vertretungen möglich wurden. 4 ) Die mittelalterliche Institu-
2
) Mit ausführlicher Bibliographie: Herbert Jansky, Das Osmanische Reich in Südosteuropa, in: Theodor Schieder (Hrsg.), Handbuch der europäischen Geschichte. Bd. 3. Stuttgart 1971, 1170-1188, und Klara Hegyi, A Török Birodalom a 16-17. szäzadban (Das Osmanische Reich im 16. und 17. Jahrhundert), in: Magyarorszäg törtenete (Geschichte Ungarns). Vol. 3: 1526-1686. Red. v. Zsigmond Päl Pach. Hrsg. v. Ägnes R. Värkonyi. Budapest 1985, 101-147. 3 ) Gyula Szekfü, Bethlen Gabor. Budapest o.J.; Sändor Szilägyi, I. Räköczi György es a diplomäczia (Georg I. Räköczi und die Diplomatie). Budapest 1878; Ldszlö Nagy, A „bibliäs orällö" fejedelem (Der „bibelfeste, wachestehende" Fürst). Budapest 1984. 4 ) Garrett Mattingly, Renaissance Diplomacy. Boston 1955, und Josef Engel, Das ständige Gesandtschaftswesen, in: Theodor Schieder (Hrsg.), Handbuch der europäischen Geschichte. Bd. 3. Stuttgart 1985, 377-387.
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tion der gelegentlichen Gesandtschaften blieb zwar noch eine Weile erhalten, hatte aber ihre Bedeutung verloren. Durch das Institut der ständigen Gesandtschaften entstanden Systeme und Kanäle, die die politischen Informationen hin und her beförderten und dadurch eine Verbindung zwischen den inländischen Zentren und den ausländischen Entscheidungsinstanzen schufen. Die ausgebauten Informationskanäle boten gegenüber allen früheren Formen der Informationsübermittlung unbestreitbare Vorteile: auf diesen Wegen gelangten die Nachrichten am schnellsten und sichersten an den jeweiligen Adressaten, wodurch die aus dem Ausland kommende Information die beste Chance hatte, ihr Ziel zu erreichen. Der Vorteil der Tätigkeit dieser Vertretungen bestand aber hauptsächlich in der Regelmäßigkeit und Übersichtlichkeit des Informationsflusses. Keine andere, spontan geschaffene oder überkommene Kontaktkette vermochte mit der Infrastruktur der politischen Informationskanäle, mit dem Post- und Kurierdienst, mit den materiellen Bedingungen und dem bewaffneten, durch die Staatsmacht gesicherten Schutz mitzuhalten. Obwohl in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an den meisten europäischen Höfen bereits mehrere ständige Gesandtschaften arbeiteten, wurde die Entwicklung und Aktivität eines netzartigen Systems kontinentalen Ausmaßes durch zwei sich wechselseitig aufeinander auswirkende Herausforderungen bestimmt: den Dreißigjährigen Krieg und die Präsenz des Osmanischen Reiches. Im diplomatischen Leben kam dem Krieg eine trennende Funktion zu, da er die Aufrechterhaltung ständiger Vertretungen zwischen sich offen bekriegenden Staaten verhinderte. Mitte des Krieges hatte z.B. die Hofburg, ohne die jegliche Abstimmung in der Frage der Konfliktregelung von vornherein unmöglich und sinnlos gewesen wäre, nur an der Kurie, in Madrid, Venedig und in Konstantinopel eine ständige Gesandtschaft, und auch in Wien unterhielten nur der Papst, Spanien, Venedig und die Toskana ständige Vertretungen. Doch auch in der frühen Neuzeit war eines der wichtigsten Kennzeichen bewaffneter Konflikte ihre Multipolarität, die Erkenntnis, daß Lösungen nicht auf einem einzigen Punkt zu fokussieren waren, sondern vielmehr neben der Kriegführung, oft sogar gleichzeitig, auch die politische Abstimmung erforderlich war. Zum kontinuierlichen und vielseitigen Informationsaustausch und zur Abstimmung verschiedener Meinungen war ein Forum nötig, auf dem die gegnerischen Parteien vertreten waren und, wenn sie auch nicht von vornherein mit dem Ziel der Friedensstiftung zusammentrafen, doch immerhin die Möglichkeit gegenseitiger Kontakte schaffen konnten. Vor der Mitte der 1640er Jahre waren die Voraussetzungen gewiß noch nicht gegeben, daß an einem eigens dafür bestimmten Ort alle oder die meisten Kriegsteilnehmer direkte Gespräche über den Frieden hätten führen können. Im vom Krieg zerrissenen Europa war wohl kaum ein Schauplatz zu finden, an dem die ausschlaggebenden Mächte des Kontinents eine ständige Vertretung gehabt und
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diese auch weiterhin aufrechterhalten hatten, wo es also möglich gewesen wäre, die differierenden Meinungen zu erörtern oder auch nur einen weniger formalisierten Meinungsaustausch herbeizuführen. Ganz anders war die Lage in bezug auf das Osmanische Reich, dfen am Dreißigjährigen Krieg unbeteiligten „gemeinsamen Feind". Aus den unterschiedlichsten Gründen maß fast jede Macht Europas der Aufrechterhaltung der Kontakte mit der Hohen Pforte in ihrem ureigenen Interesse größte Bedeutung bei. Die Beibehaltung ständiger Vertretungen am Bosporus war für England und die Republik der Niederlande vor allem durch ihre wirtschaftlichkommerziellen Interessen motiviert, für Frankreich und Venedig durch wirtschaftliche und mehr noch durch politische Interessen, für das Habsburgerreich und Siebenbürgen durch ihre unmittelbaren militärisch-politischen Ziele, für die Walachei, Moldau und die Republik Ragusa durch ihr spezifisches Verhältnis zur Pforte. Polen und Schweden schickten zwar nur gelegentlich Botschafter ins Osmanische Reich, aber immerhin so häufig, daß die Repräsentanten der beiden Länder am Goldenen Horn fast immer zu finden waren, ganz zu schweigen davon, daß der moskowitische und der persische Herrscher infolge der riesigen Entfernung zu ihren Höfen am ehesten hier über ihre gelegentlichen Gesandten erreichbar waren. Jedenfalls arbeiteten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts unvergleichlich viele europäische Gesandtschaften in Konstantinopel und schickten ihre Nachrichten durch die ausgebauten Informationskanäle. 5 ) Während aber gemäß der ursprünglichen Funktion der ständigen Gesandten und Gesandtschaften diese mit den entscheidungsberechtigten Körperschaften und ausschlaggebenden Politikern des Osmanischen Reiches in ständigem Kontakt zu bleiben hatten, schuf die bereits erwähnte, für das europäische diplomatische Leben bezeichnende Zerteilung in der Praxis eine neue Situation und eröffnete weitere Möglichkeiten. In den Berichten der in Konstantinopel residierenden Gesandten wie auch in den an sie gerichteten Weisungen war seit dem Ende des zweiten Jahrzehnts des 17. Jahrhunderts über Dezennien hindurch wenigstens ebensoviel Raum wie dem Kontakt mit den Türken der Arbeit und den Verhandlungsergebnissen der übrigen Gesandtschaften, dem Verhältnis zu ihnen und den spontanen und im voraus abgestimmten Treffen und Gesprächen gewidmet. Es entstand die seltsame Situation, daß infolge der trennenden Rolle des Dreißigjährigen Krieges und der Beziehungen der christlichen Mächte zum Osmanischen Reich gerade in der Hauptstadt des hostis naturalis ein hochbedeutendes Zen5
) Bertold Spuler, Die europäische Diplomatie in Konstantinopel bis zum Frieden von Belgrad, in: Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slawen NF. 11, 1935, 5 3 - 1 1 5 , 171-222, 3 1 3 - 3 6 6 , und ders., Europäische Diplomaten in Konstantinopel, in: JbbGOE 1, 1936, 383—440. Über die politischen Informationskanäle: Istvdn Hiller, Palatin Nikolaus Esterhäzy. Die ungarische Rolle in der Habsburgerdiplomatie 1625 bis 1645. Wien/Köln/ Weimar 1992, 17-22.
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trum der europäischen Diplomatie entstand. Die vielfache Kreuzung der politischen Informationskanäle brachte dieses Zentrum zum Blühen. Hier verhandelten Philippe de Horlay, Frankreichs Gesandter, und Sir Thomas Roe, Englands Gesandter, mit siebenbürgischen Diplomaten, Cornelis Haga, erster Gesandter der Republik der Niederlande in Konstantinopel, informierte sich hier über die östlichen Interessen und Entscheidungen der Habsburgermonarchie, die Gesandten Venedigs, Englands, Siebenbürgens und auch des Kaisers trafen hier zusammen und schickten dann lange Berichte an den entscheidungsberechtigten Apparat ihres Heimatlandes. 6 ) Regelmäßig wurde hierbei die europäische Kriegslage besprochen, und Länder, die voneinander weit entfernt und durch eine feindliche Macht getrennt waren, stimmten hier sehr oft ihre Friedensprojekte aufeinander ab oder verhandelten über finanzielle Fragen, wie dies zwischen Gabriel Bethlen und der Haager Koalition geschah. 7 ) Wiederholt kam es vor, daß Diplomaten von Staaten, die einander auf den Kriegsschauplätzen bekämpften, durch den ständigen Gesandten eines dritten Landes in direkter oder indirekter Weise miteinander verkehrten. Zugleich war Konstantinopel eine wichtige Informationsstelle für die westeuropäischen Mächte, von wo aus sie die Geschehnisse in den östlichen Gebieten der Habsburgermonarchie, im königlichen Ungarn, in Siebenbürgen und in den rumänischen Fürstentümern beobachten und darüber berichten konnten. 8 ) Nicht uninteressant wäre es, zu fragen, wie die Hausherren, d.h. die führenden Politiker des Osmanischen Reiches, auf all dies reagierten. Die Struktur, das Informationssystem und der Entscheidungsmechanismus der türkischen Diplomatie kann nicht nach europäischen Normen beurteilt werden. Konstantinopel unterhielt nirgends eine ständige Gesandtschaft und hatte auch gar keine derartigen Absichten. Die türkischen Diplomaten hielten sich in keiner europäischen Hauptstadt wesentlich länger auf als unbedingt notwendig. Jenseits der offiziellen politischen Sphäre betätigten sich freilich immer Geschäftsleute und Reisende, die auch Informationen für die Türken beschafften, 6
) Sir Thomas Roe, The Negotiations of Sir Thomas Roe in his Embassy to the Ottoman Porte 1621-1628. London 1740; über Hagas Tätigkeit: A.H. de Groot, The Ottoman Empire and the Dutch Republic. A History of the Earliest Diplomatie Relations 1610-1630. Leiden/Istanbul 1978. Über Frankreich: Gerard Tongas, Les relations de la France avec l'Empire ottoman durant la première moitié du XVIIe siècle et l'ambassade à Constantinople de Philippe de Horlay Comte de Césy 1619-40. Toulouse 1942. Über Venedig: Niccolo Barozzi/Guglielmo Berchet (Eds.), Relazioni degli stati Europei lette al Senato dagli ambasciatori veneziani nel secolo decimosettimo. Ser. V: Turchia. 2 Vols. Venezia 1871-1872. Über Siebenbürgen: Vencel Biro, Erdély követei a Portân (Die Gesandten Siebenbürgens bei der Pforte). Kolozsvâr 1921. Der Kaiser: Peter Meienberger, Joh. Rudolf Schmid zum Schwarzenborn als kaiserlicher Resident in Konstantinopel 1629-1643. Bern/Frankfurt am Main 1973. 7 ) Agnes Hankó, Bethlen Gâbor és a Hâgai Koalició (Gabor Bethlen und die Haager Koalition). Diss. masch. Budapest 1993. 8 ) Hiller, Esterhäzy (wie Anm. 5), 6 9 - 8 0 .
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aber offiziell anerkannte und akzeptierte Diplomaten, die ständige Verbindungen zu unterhalten gehabt hätten, arbeiteten auf dem Kontinent nicht. Etwaige protokollarische oder politische Probleme wurden von den sogenannten „Tschausen" erledigt, d.h. von Beauftragten, denen in einer bestimmten Situation einmalig eine diplomatische Aufgabe oblag. Im eigentlichen Sinn sind auch die Delegierten als solche zu betrachten, die über die Verlängerungen der Friedensverträge verhandelten. In dieser Situation lag es im Interesse Konstantinopels, daß die europäischen ständigen Gesandten an Ort und Stelle nicht nur ihre Beziehungen zur Pforte pflegten, sondern sich auch in bezug auf die spezifischen „eigenen" Probleme - Dreißigjähriger Krieg, Mächtebeziehungen - betätigten. Natürlich achteten die Türken sorgsam darauf, daß diese Aktivitäten nicht auf ihre Kosten gingen, und vereitelten jede Aktion, die ihnen verdächtig oder gar gefährlich erschien. Es kam wiederholt vor, daß der eine oder andere europäische Gesandte bei der Ankunft des persischen Gesandten und während seines Aufenthaltes in „Hausarrest" genommen wurde es war ihm also nicht erlaubt, das Gesandtschaftsgebäude zu verlassen - , damit es nicht zu emsthaften Gesprächen zwischen den Vertretern zweier an das Osmanische Reich angrenzender Staaten kommen konnte. Zugleich versuchten die Türken, die Tätigkeit und die wechselseitigen Beziehungen der ständigen Gesandtschaften zu überwachen, sich über die Unterredungen und die bei den Begegnungen behandelten Themen zu informieren, sich in Audienzen nach Standpunkten zu erkundigen, kurzum, jede Möglichkeit zu nutzen, die ihnen die skizzierte Situation an die Hand gab. Eine besonders wichtige Rolle spielten hierbei die Dolmetscher der Gesandtschaften und der Pforte, die fast immer zwei Herren dienten. Es finden sich ebenso Beispiele dafür, daß der Dolmetscher einer ständigen Gesandtschaft die von ihm in Erfahrung gebrachten Nachrichten den Türken weitergab, wie es Beweise dafür gibt, daß der türkische Hofdolmetscher in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges gleich mehrere europäische Gesandtschaften mit Informationen „beglückte" - natürlich für entsprechende Gegenleistungen. 9 ) Das Bild wäre aber nicht vollständig, untersuchten wir nur die Beschaffung von Informationen und das Funktionieren der politischen Informationskanäle. Die Information ist zwar eine notwendige und unentbehrliche Voraussetzung der Entscheidungsfindung, gewinnt aber erst dann ihren wirklichen Wert, wenn sie sich auf der Ebene der Entscheidungen materialisiert, wenn sie, in den Entscheidungsmechanismus eingefügt, dessen organischer Bestandteil 9
) Opinio von Michael d'Asquier und Joh. Rudolf Schmid an Gerard Questenberg: Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) Türkei I. Turcica 1640-41. 1640, fol. 228-232, Punkt 4. Über die Tätigkeit der Dolmetscher: Istvdn Hiller, A tolmäcsper. A becsi Haditanacs es a Habsburgok tolmäcsai a 17. szäzad elsö feieben (Der Prozeß der Dolmetscher. Der Wiener Hofkriegsrat und die Dolmetscher der Habsburger in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts), in: Törtenelmi Szemle 1 9 9 1 / 3 ^ , 203-214.
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wird. In dieser Hinsicht hatte Konstantinopel als diplomatisches Zentrum zahlreiche Nachteile. Die Hauptstadt des Osmanischen Reiches war von allen europäischen Ländern sehr weit entfernt, was selbst den besten Kurierdiensten erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Auf dem Seeweg wie auch auf dem Landweg bedurfte es mehrerer Wochen, unter den unwirtlichen Verhältnissen des Winters sogar etlicher Monate, ehe die Gesandtschaftsberichte auf den Tisch der Entscheidungsberechtigten gelegt werden konnten. Nehmen wir zum Beispiel die Habsburgermonarchie, genauer: die Residenzstadt Wien. Von Wien über Preßburg - Komorn - Buda - Belgrad bis Konstantinopel brauchte ein diplomatischer Kurier zwei bis fünf Wochen. Es wäre allerdings möglich gewesen, einen Bericht von Konstantinopel bis Venedig auf dem Seeweg und von dort auf dem Landweg in die Hofburg zu bringen, wodurch die Reisezeit im günstigsten Fall nur zwischen zehn Tagen und zwei Wochen betragen hätte. Doch war damit zu rechnen, daß die Serenissima Repubblica die durch ihre Hände laufenden Schriften überprüfte und dadurch die Geheimhaltung schweren Schaden erlitt. 10 ) Eine weitere Schwierigkeit ergab sich daraus, daß die Kuriere unterwegs von den Türken sehr oft aufgehalten wurden, obwohl im Wiener Friedensvertrag von 1615 in einem eigenen Artikel festgehalten worden war, daß die diplomatischen Kuriere frei und unbehelligt verkehren sollten. 11 ) Diese Probleme tauchten im Osmanischen Reich zwar in zahlreichen Variationen auf, doch hatten sich im wesentlichen alle europäischen ständigen Gesandtschaften mit solchen und ähnlichen Schwierigkeiten zu plagen. Ein anderes Problem war die Struktur des diplomatischen Entscheidungsmechanismus. In Wien war die wichtigste entscheidungsberechtigte Körperschaft der Geheime Rat. Hier wurden die strategischen Entscheidungen getroffen, der grundlegende Rahmen der kaiserlichen Politik fixiert und die in der politischen Praxis zu verfolgenden Richtlinien bestimmt. Natürlich liefen hier auch die Fäden der Diplomatie zusammen: das Gremium nahm Stellung zur Außenpolitik und zur Tätigkeit der ständigen Gesandtschaften. In jeder Hinsicht eine Ausnahme bildete hierbei das Osmanische Reich. Nach dem Frieden von Zsitvatorok und während der ganzen Dauer des Dreißigjährigen Krieges war nämlich für die Lenkung und den Entscheidungsmechanismus der habsburgischen Politik eine eigenartige Bipolarität bezeichnend. Der mit den Türken geschlossene und immer wieder verlängerte Friede ermöglichte es dem Kaiser, sich mit ganzer Energie dem westlichen Kriegsschauplatz zu widmen, während die Türkenpolitik von sekundärer Bedeutung war. Die Lenkung 10
) Michael d'Asquier an Gerard Questenberg, o.O. u.J.: HHStA Türkei I. Turcica 1640-41. 1640, fol. 233. ") Wiener Friede von 1615, Art. XI., in: Ferencz Salamon, Ket magyar diplomata a tizenhetedik szäzadbol (Zwei ungarische Diplomaten aus dem 17. Jahrhundert). Budapest 1884, 270.
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und komplette Koordinierung der „östlichen" Angelegenheiten, also des Grenzschutzes, der ungarischen Grenzfestungen und der Arbeit der ständigen Gesandtschaft in Konstantinopel, bildeten nun die Aufgabe des Hofkriegsrates. Die Hierarchie blieb unverändert, der Hofkriegsrat fungierte als eine untergeordnete Institution des Geheimen Rates. In der Praxis war es aber so, daß der Geheime Rat vom zentraleuropäischen Krieg und all seinen Konsequenzen dermaßen in Anspruch genommen wurde, daß er sich mit der Türkenpolitik gar nicht beschäftigte, während der Hofkriegsrat seiner Funktion nachkam und alles, was in Zsitvatorok beschlossen worden war, umsetzte. Zwar nicht de jure, wohl aber de facto handelte der Hofkriegsrat im Bereich der Ostpolitik mit den gleichen Kompetenzen wie der Geheime Rat in anderen Fragen; nur konnte er keine Entscheidungen strategischer Art treffen und an dem festgesetzten Rahmen nichts ändern. Die Tätigkeit der Gesandtschaft in Konstantinopel mochte noch so bedeutend und das dortige diplomatische Leben noch so akzentuiert sein, all dies spielte im kaiserlichen Entscheidungsmechanismus nur eine sekundäre Rolle. In der überwiegenden Zahl der Fälle gelangten die erworbenen Informationen nicht einmal in konzentrierter Form an den Geheimen Rat, sie wurden also im Entscheidungsmechanismus als Informationen nachgeordneten Ranges behandelt, obwohl sie hinsichtlich ihres Wertes keineswegs nachgeordnet waren. 12 ) Vergeblich wurden Eingaben, mit größter Gründlichkeit und Umsicht erarbeitete opiniones, unterbreitet, die auch zu bedenken gaben, daß die hier investierten Mittel vielfach rückerstattet würden die Vorschläge weckten kein Echo. 13 ) Infolge seiner fehlenden Elastizität konnte der kaiserliche Entscheidungsmechanismus jene Vorteile nicht ihrem realen Wert entsprechend ausnützen, die von einem diplomatischen Zentrum angeboten wurden, in dem die Hofburg während der ganzen Kriegszeit über eine ständige Vertretung verfügte. Untersuchen wir jedoch den Wirkungskreis des Osmanischen Reiches, so müssen wir nicht nur die Möglichkeiten beachten, die der europäischen Diplomatie von Konstantinopel angeboten wurden, sondern auch die Art und Weise, wie die europäische Diplomatie Konstantinopel einschätzte. Die entscheidende Wendemarke in dieser Frage in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges und der westfälischen Verhandlungen liegt eindeutig im Jahre 1645, als der Krieg zwischen Venedig und der Türkei um den Besitz von Kreta ausbrach. 14 ) Natürlich hatte es auch in den zurückliegenden Jahrzehnten recht häufig Nach12
) Hiller, Esterhäzy (wie Anm. 5), 22-32. ) Istvän Hiller, Javaslat a Habsburg török-diplomäcia reformjära 1637 (Ein Antrag auf die Reform der habsburgischen Türkendiplomatie 1637), in: Scripta manent. Ünnepi tanulmänyok a 60. eletevet betöltött Gerics Jözsef professzor tiszteletere (Festschrift für Prof. Jözsef Gerics zum 60. Geburtstag). Budapest 1994, 177-187. 14 ) Ekkehard Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in SUdosteuropa 16451700. München 1970. 13
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richten über türkische Vorbereitungen und - besonders nach dem Ende des persischen Krieges - über eine etwaige türkische Offensive in Europa gegeben, doch hatten sie keinen realen Wahrheitsgehalt. Als wichtiger Faktor konnte hingegen gelten, daß die Delegierten der Wiener Hofburg und des Osmanischen Reiches im Jahre 1642 bei Szó'ny (Ungarn) ohne ernsthafte Diskussion - von einigen unbedeutenden Detailfragen abgesehen - den Frieden um weitere 20 Jahre verlängerten 15 ) und bei der Ratifizierung der Friedensdokumente zwei Jahre später in Konstantinopel erneut garantierten, daß bewaffnete Konflikte vermieden und auch die jeweiligen Verbündeten veranlaßt würden, Gleiches zu tun. (All dies wirkte sich im übrigen im Jahre 1644 wesentlich auf den Ausgang des Angriffes von Georg I. Rakóczi aus.) Der Beginn der westfälischen Verhandlungen führte im königlichen Ungarn zu einem Aufleben von Überlegungen, wonach mit dem Fortschritt der Friedensgespräche die internationale Lage die spätere Eröffnung einer antitürkischen Front begünstigen würde. Palatin Nikolaus Esterhâzy, nach dem König der höchste Würdenträger des Landes, der sein Amt seit 1625 bekleidete, war die maßgebende Persönlichkeit einer politischen Gruppierung, die sich die Förderung ungarischer Interessen nur im Einklang mit den Interessen des Habsburgerreiches vorstellen konnte. Solange die Kämpfe des mitteleuropäischen Krieges andauerten - so seine Konzeption, die er auch durchsetzte - , sollten die Energien des Landes nicht für die Illusion eines nah bevorstehenden Krieges gegen die Türken verschwendet, sondern vielmehr für dessen Vorbereitung genutzt werden, damit sich Ungarn, sobald die Frage wirklich aktuell werden würde, an diesem Krieg seinem Gewicht entsprechend beteiligen könne. 16 ) Immerhin sah Esterhâzy bereits 1642 die Zeit für gekommen, dem Präsidenten des Geheimen Rates, Maximilian von Trauttmansdorff, in einem Brief mitzuteilen, daß Ungarn nach der etwaigen Beendigung des großen europäischen Konfliktes damit rechne, daß die türkische Frage erneut ein vorrangig zu lösendes Problem werden würde. 17 ) Seit 1645 und besonders seit 1646 wurde diese Auffassung sowohl im königlichen Ungarn wie im Fürstentum Siebenbürgen immer deutlicher zum Ausdruck gebracht. Offenbar hätte Venedig jede Konzeption unterstützt, die türkische Kräfte band und in Anspruch nahm. Hochinteressant sind vor diesem Hintergrund die Gespräche, die Trauttmansdorff als kaiserlicher Bevollmächtigter mit den französischen Gesandten Longueville, d'Avaux und Servien im März und April 1646 in Mün15 ) Béla Majlàth, Az 1642-ik évi szó'nyi békekôtés tôrténete (Die Geschichte des Friedensschlusses von Szöny im Jahre 1642). Budapest 1885. 16 ) Katalin Péter, Esterhâzy Miklós. Budapest 1985; Hiller, Esterhâzy (wie Anm. 5). 17 ) Maximilian Trauttmansdorff an Nikolaus Esterhâzy, Wien, 30. Juli 1642: Magyar Orszâgos Levéltâr (MOL) (Ungarisches Staatsarchiv), Budapest, FA Esterhâzy P108. Repos. 71, fase. 16, fol. 317. Der Originalbrief von Nikolaus Esterhâzy an Maximilian Trauttmansdorff aus Sempte, 17. Juli 1642, ist nicht überliefert, sein Inhalt und Datum sind aus Trauttmansdorffs Antwortbrief ersichtlich.
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Der Westfälische
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ster und Osnabrück geführt hat. Am 2. März aus Münster 18 ) und am 30. April aus Osnabrück 19 ) informierte Trauttmansdorff Kaiser Ferdinand III., Frankreich werde für einen Türkenkrieg ein Heer von 2 000 Mann zur Verfügung stellen, falls die französischen Forderungen erfüllt würden. Der bayerische Kurfürst Maximilian schrieb am 5. Mai dem Kaiser 20 ), die französischen territorialen Ansprüche seien ernsthaft zu erwägen, denn im Gegenzug gegen die Erfüllung dieser Forderungen habe die französische Seite bei den Osnabrükker Gesprächen zwischen Trauttmansdorff und Servien ihre Hilfe in einem Türkenkrieg angeboten; dieser Krieg würde zur Befreiung ganz Ungarns führen und Ferdinand III. dementsprechend viel gewinnen. Am 4. Mai wurde Ottavio Piccolomini von Walter Leslie verständigt, am kaiserlichen Hof würde man seine Rückkehr begrüßen, zumal der Kaiser keinen geeigneten Heerführer für einen Türkenkrieg zur Verfügung habe. 21 ) Stellt man alle diese Faktoren nebeneinander - Venedigs Politik, die ungarischen und siebenbürgischen Ansprüche, die Meinung des bayerischen Kurfürsten dann könnte man zu der Überzeugung gelangen, daß in dieser Phase der westfälischen Verhandlungen ein Abschluß des Dreißigjährigen Krieges eine reale Alternative gewesen wäre, der einerseits den französischen Ansprüchen Rechnung getragen und den Frieden geschaffen, andererseits im Rahmen einer kontinentalen Koalition im Osten einen Türkenkrieg in Gang gesetzt hätte, denn die Rückeroberung Ungarns wäre schließlich ja dem Kaiser zugutegekommen. Die Quellen beweisen jedoch, daß die Ende 1646 bzw. Anfang 1647 vorbereitete kaiserliche Gesandtschaft nach Konstantinopel nicht den Auftrag erhielt, den Bruch mit der Pforte irgendwie vorzubereiten. Vielmehr wurde der Gesandte unzweideutig angewiesen, den mit den Türken geschlossenen Frieden aufrechtzuerhalten und zu sichern. 22 ) Und obwohl die Gesandtschaft erst zwei Jahre später abreiste, wurde die Instruktion in diesem Punkt nicht geändert. Im Gegenteil: im Jahre 1649 wurde der Friede zwischen der Hofburg und der Pforte um weitere 20 Jahre verlängert - ein Akt von geradezu symbolischer Bedeutung, der übrigens durch nichts motiviert war, denn der 1642 erklärte und für zwei Jahrzehnte gültige Friede beging damals erst sein siebtes „Lebensjahr". Die in Westfalen von Dritten gemachten Vorschläge und deren strikte Ablehnung erfordern also unbedingt eine Erklärung. Den nächstliegenden Grund könnte man darin sehen, daß die Friedensver18 ) Maximilian Trauttmansdorff an Ferdinand III., Münster, 2. März 1646, in: Miroslav Toegel (Hrsg.), Der Kampf um den besten Frieden 1643-1649. Prag u.a. 1981, Nr. 789, 259. 19 ) Maximilian Trauttmansdorff an Ferdinand III., Osnabrück, 30. April 1646: ebd. Nr. 812, 266. 20 ) Kurfürst Maximilian von Bayern an Ferdinand III., München, 5. Mai 1646: ebd. Nr. 829, 269. 21 ) Walter Leslie an Ottavio Piccolomini, Linz, 4. Mai 1646: ebd. Nr. 818, 268. 22 ) Meienberger, Schmid (wie Anm. 6), 116-121.
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handlungen in Münster und Osnabrück einen anderen Weg einschlugen; dementsprechend kam es schließlich ja auch zum Friedensschluß. Ein weiterer Grund liegt andererseits darin, daß es infolge der Lage des Kaisers, vor allem in bezug auf seine Finanzen, ein irreales Unterfangen gewesen wäre, kurz nach dem Friedensschluß einen neuen, mutmaßlich schweren und langen Krieg zu beginnen. Die beiden Argumente könnten für sich schon als befriedigende Antwort genügen, würden jedoch der vollen Wahrheit nicht gerecht. Die in Westfalen gemachten französischen Vorschläge für die Lösung der Türkenfrage sind nämlich auch als Ouvertüre einer Machtpolitik zu verstehen, in der das Osmanische Reich eine wesentlich andere Rolle spielte als bisher. Die Hofburg wollte nicht nur deshalb keinen neuen Krieg mit den Türken, weil sie in jeder Hinsicht erschöpft war, sondern weil sie eine schwere Gefahr zu erkennen meinte, die ihrer seit Zsitvatorok bestehenden bipolaren Politik drohte: es hätten im Gefolge eines solchen Konfliktes Wechselwirkungen entstehen können, durch die ihre Position nicht nur im Osten, sondern auch auf dem westeuropäischen Schauplatz schwächer geworden wäre. Wien wollte keinen Krieg gegen die Türken, weder jetzt noch später, über drei Jahrzehnte hinweg nicht, denn man befürchtete in der Hofburg die nachhaltige Zunahme des französischen Einflusses. M^n befürchtete - und dies nicht zu Unrecht - , daß im Fall eines Türkenkrieges der französische Druck nicht bloß unmittelbar aus westlicher Richtung, sondern durch Polen auch aus nördlicher und durch Siebenbürgen aus östlicher Richtung, ja durch gewisse ungarische Kreise auch aus dem königlichen Ungarn derart stark werden könnte, daß er für Wien unberechenbar und unkontrollierbar würde. Die Rolle des Osmanischen Reiches in der europäischen Politik erreichte also gerade während der westfälischen Verhandlungen eine neue Phase, ganz unabhängig davon, ob sich die Hohe Pforte dort vertreten ließ oder nicht. Mitte des 17. Jahrhunderts erkannten immer mehr Entscheidungsträger - von Ungarn über Wien bis Paris daß das Osmanische Reich seine Glanzzeit bereits hinter sich hatte, daß seine Kraft und Organisation nicht mehr so beschaffen waren, wie sie einst gewesen waren, daß seine Verdrängung aus Ungarn und vom Balkan ein lösbares Problem war - doch war die Umsetzung dieser Lösung nicht einfach ein militärisches Problem, sondern eine Frage der europäischen Machtverhältnisse. Die Türkenpolitik und die Liquidierung der türkischen Präsenz in Europa wurden in Westfalen und fortan - weit über die Frühneuzeit hinaus - zum Problem der europäischen „Innenpolitik". 23 ) Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Osmanische Reich, obwohl es weder an den Kämpfen des zentraleuropäischen Krieges noch an den Verhand23
) Agnes R. Värkonyi, Török viläg es magyar külpolitika (Türkische Welt und ungarische Außenpolitik). Budapest 1975, und Istvän Hiller, Die Struktur der habsburgischen Türkendiplomatie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wien 1995.
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lungen in Münster und Osnabrück aktiv beteiligt war, dennoch eine Rolle spielte, die zur Erschließung der Zusammenhänge des Westfälischen Friedens organisch hinzugehört. Am Beispiel des Osmanischen Reiches zeigt sich ganz deutlich ein typischer Wesenszug der modernen Diplomatie Europas: die sich über jede ideologische Grenze hinwegsetzende integrierende Kraft, die imstande war, selbst in der Hauptstadt des hostis naturalis ein funktionierendes diplomatisches Zentrum zu schaffen. Zugleich waren die Verhandlungen in Westfalen ein Wendepunkt in der Beurteilung des Osmanischen Reiches, denn es wurde unübersehbar, daß in bezug auf die türkischen Eroberungen nicht die augenblickliche militärische Kraft der Pforte, sondern die Interessen und das Gleichgewicht der europäischen Mächte den Ausschlag gaben. Aufgrund dessen ist gerade das Osmanische Reich eines der besten Beispiele dafür, daß Westfalen nicht nur ein politisches Normensystem für die direkt Beteiligten, sondern etwas qualitativ Neues schuf: den Rahmen des neuen Europa.
Die Adelsrepublik und der Dreißigjährige Krieg Von
Henryk Wisner
Im Jahre 1618 umfaßte die Adelsrepublik eine Fläche von etwa einer Million Quadratkilometern. Größer waren in Europa nur Rußland und die Türkei. Die Bevölkerung zählte etwa zehn Millionen Menschen. Mehr Einwohner hatten Frankreich, Rußland, das Deutsche Reich und Italien, annähernd gleich viele Einwohner hatte Spanien. Die Bevölkerungsdichte variierte, in den ethnisch polnischen Gebieten lebten etwa zwanzig Menschen auf einem Quadratkilometer. 1 ) Grundlage des Reichtums des Landes war die Landwirtschaft mit dem Export von Getreide, Vieh und Forsterzeugnissen. Hieraus resultierten eine deutliche Sensibilität gegenüber Konjunkturwechseln auf den europäischen Märkten und die latente Sorge vor der Konkurrenz aus Rußland. Ein Zeugnis von der Macht des Staates Sigismunds III. (1587-1632) geben die den Schweden beigebrachten Niederlagen, so im Jahre 1601 in der Schlacht bei Kokenhausen (heute Kuoknese), 1604 bei Bialy Kamieri (Paide) und vor allem 1605 in der Schlacht bei Kircholm (Salaspils). 2 ) Die Kunde von diesen Siegen verbreitete sich in ganz Europa und weckte in den protestantischen Staaten eine feindliche Stimmung gegenüber der Adelsrepublik. „Tu nie do korica bezpiecznie mieszkac", hier lebt man nicht ganz sicher, schrieb im Januar 1602 Christoph Radziwill, der junge Sohn des siegreichen Feldherrn, aus Leipzig. 3 ) 1609 begann formell der Krieg gegen Rußland. Strahlender Höhepunkt war die Eroberung von Smolensk, der wichtigsten Festung des polnisch-russischen Grenzgebietes, im Jahre 1611. Am 11. Dezember 1618 wurde in Deulino, vor den Stadtmauern Moskaus, der Waffenstillstand geschlossen, der der Adelsrepublik riesige Landgewinne brachte. 4 ) Auch dieser Krieg wurde in Europa mit Blick auf die Konfessionsfrage verfolgt und sein Ausgang als Sieg des Katholizismus über das griechisch-orthodoxe Glaubensbekenntnis gewer') Gtöwny Urz§d Statystyczny (Ed.), Historia Polski w liczbach. Ludnosc. Terytorium (Geschichte Polens in Zahlen. Bevölkerung. Territorium). Warszawa 1983, 205. 2 ) Henryk Wisner, Zygmunt III Waza. Warszawa 1991, 260. 3 ) Krzysztof RadziwiH do Krzysztofa RadziwiHa Pioruna, Lipsk, 20.01.1602: Archiwum Glöwne Akt Dawnych. Warszawa. Dziat IV nr 297. 4 ) Wojciech Polak, O Kreml i Smoleriszyzng. Polityka Rzeczypospolitej wobec Moskwy w latach 1 6 0 7 - 1 6 1 2 (Um Kreml und Smolensk. Die Moskau-Politik der Adelsrepublik in den Jahren 1607-1612). Toruri 1995, 369.
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tet. So sind die auf die Nachricht von der Eroberung von Smolensk hin in Rom abgehaltenen Feierlichkeiten zu verstehen, wie auch die Tatsache, daß Papst Paul V., Kaiser Rudolf II. und Philipp III. von Spanien Sigismund III. Gratulationsadressen sandten, während die protestantischen Herrscher schwiegen. Polnische und litauische Einheiten waren es endlich auch, die 1621 dem Vormarsch der türkischen Hauptheeresstreitkräfte unter Führung von Sultan Osman II. Einhalt geboten. Die Adelsrepublik scheute die bewaffnete Auseinandersetzung mit den Habsburgern nicht, wie die Episode vom Einmarsch des polnischen Heeres unter Kanzler Jan Zamoyski ins kaiserliche Schlesien belegt, bei der es am 24. Januar 1588 bei Byczyna zur Niederlage und Gefangennahme des mit Sigismund III. um den polnischen Thron rivalisierenden Erzherzogs Maximilian gekommen war. 5 ) Alle diese Ereignisse waren von Bedeutung, als sich im Jahre 1618 die Königreiche Böhmen und Ungarn und besonders die Länder Schlesiens gegen die Habsburger, also gegen die Kaiser Matthias und Ferdinand II., erhoben und sich in den europäischen Hauptstädten die Frage stellte, welche Haltung Sigismund gegenüber den aufständischen Ländern einnehmen würde. Zwischen Sigismund und Matthias bestand ein Vertrag vom 22. März 1613, in dem sie sich zur gegenseitigen Hilfeleistung für den Fall eines Aufstandes ihrer Untertanen verpflichtet hatten. Am Rande sei vermerkt, daß es Sigismund dabei um Hilfe gegen seine schwedischen Untertanen gegangen war. Am 9. Juni 1618 nun, keine drei Wochen nach dem Prager Fenstersturz (23. Mai 1618), wandte sich Matthias an den König und bat ihn, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Über ein Jahr später, gegen Ende des Sommers 1619, trat Ferdinand auf den Plan. Er ließ Sigismund durch den anläßlich der Tauffeier von Prinzessin Anna Katharina Konstanze in Warschau weilenden Grafen Michael Althann seine Forderungen vorlegen: er bat um diplomatische Vermittlung in Böhmen, um Erlaubnis zur Werbung von Soldaten aus Polen und Litauen sowie um direkte militärische Unterstützung durch Sigismund III. Diese Forderungen wurden zum einen mit dem erwähnten Vertrag begründet. Ein zusätzliches Argument war ein Vorschlag, den der Bischof von Breslau (Wroclaw), Erzherzog Karl, am 14. August 1619 gemacht hatte. Er hatte sich bereit erklärt, sein Bistum in die Obhut Sigismunds zu geben, und weiter versprochen, die Abhängigkeit vom Erzbistum Gnesen (Gniezno) zu erneuern. Man kann hinzufügen, daß er am 20. Dezember 1619 den Sohn Sigismunds, den sechsjährigen Karl Ferdinand, zum Koadjutor in Wroclaw ernannte. Außerdem war Erzherzog Karl bereit, dem König, seinen Söhnen und sogar einzelnen mächtigen Bürgern in Schlesien und Ungarn ge5
) Kazimierz Lepszy, Walka stronnictw w pierwszych latach panowania Zygmunta III (Der Kampf der Parteien in den ersten Regierungsjahren Sigismunds III.). Krakow 1929, 227.
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legene Güter abzutreten, sei es als Pfand oder als Lehen, sofern sie sie den Aufständischen wegnähmen. Dem König und der Adelsrepublik hätte sich durch die Einmischung in die Auseinandersetzung die Chance geboten, sich, wenn nicht ganz Schlesiens, so eines erheblichen Teils davon zu bemächtigen. Damit war allerdings eine Gefahr verbunden: wie immer nämlich man auch vorgehen wollte, ein Konflikt, sei es mit den Gegnern der Habsburger, mit dem Haus Habsburg selbst oder gar mit beiden Parteien wäre vorprogrammiert gewesen. 6 ) Im August 1619 wurde Prinz Wladislaw, dem ältesten Sohn Sigismunds, die böhmische Krone angeboten. Nach Ansicht des russischen Historikers Boris Floria war das Angebot durch Vertreter des katholischen böhmischen Adels initiiert worden. Die Annahme der Krone hätte der Auftakt zur Erneuerung des jagiellonischen Imperiums, das in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts außer Polen und Litauen auch Böhmen und Ungarn umfaßt hatte, durch das Haus Wasa sein können. Allein die Annahme des Angebotes - es war ja noch nicht die Krone selbst - wäre einer Herausforderung der Habsburger gleichgekommen, und dies in einer Situation, in der sich weder Wladislaw noch Sigismund für ihre weiteren Pläne der Hilfe der Adelsrepublik sicher sein konnten. Ein schneller Sieg Böhmens mußte sichergestellt sein, denn sollte es zu einer Niederlage oder auch nur zu einer Verzögerung der Kampfhandlungen kommen, würde die Adelsrepublik ihre einzige sichere Grenze, an der ihr nicht der Angriff durch einen mächtigen Nachbarn drohte, verlieren. Zudem wäre ein solcher Schritt ja auch unweigerlich mit dem Verzicht auf jedwede weitere Unterstützung durch die Habsburger, besonders aus Spanien, verbunden gewesen. Auf sie wiederum stützten sich aber jene Pläne, die Sigismund zur Wiedererlangung der schwedischen Krone hegte. Soweit der Rahmen, innerhalb dessen Sigismund eine Entscheidung zu treffen hatte. Ohne die Ziele möglicher Aktionen, also die Zukunft, aus dem Auge zu verlieren, mußte er dabei selbstverständlich auch die Gegenwart berücksichtigen, also erstens die Reichweite seiner Macht, zweitens die Aussichten, den Adel seinem Willen gefügig machen zu können, sowie drittens die internationale Position der Adelsrepublik. Die Rechte, die dem König von Polen und gleichzeitigem Großfürsten von Litauen geblieben waren, ließen ihn eher als Garanten für das reibungslose Leben der Adelsgesellschaft seiner beiden Staaten erscheinen denn als deren Oberhaupt. Seine Wirkungsmöglichkeiten waren in der Praxis zwar weniger stark begrenzt; dennoch konnte der König nicht gegen den Willen des Adels handeln, schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt, nachdem er schon den Krieg
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) Boris Floria, Rossija i czeskoje wosstanije protiv Gabsburgow (Rußland und der böhmische Aufstand gegen Habsburg). Moskva 1986, 138. Josef Macurek, Ceske povstani r. 1618-1620 a Polsko (Der böhmische Aufstand 1618-1620 und Polen). Brno 1937, 15-23.
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gegen Rußland (1609-1618) ohne Zustimmung des Sejm begonnen hatte. Die späteren Erfolge ließen diesen Rechtsbruch zwar etwas in den Schatten treten, doch hatte der folgende Sejm, der 1611 zusammentrat, den König noch einmal ausdrücklich daran erinnert, daß er keine Befugnis habe, ohne Zustimmung der Untertanen einen Krieg zu führen. Der Adel sah den böhmischen Aufstand grundsätzlich ungern, richtete er sich doch gegen einen rechtmäßigen Herrscher und stellte somit die überkommene Weltordnung in Frage. Die katholischen Schriftsteller unterstrichen das konfessionelle Moment und argumentierten, die Protestanten seien schon aufgrund der Legitimierung ihres Daseins schuld an allen Unruhen. Deshalb wurden auch die von den sogenannten „Lisowczyköw", die in Polen in dem schlechtesten Rufe standen, in den aufständischen Ländern vollbrachten Taten als Verteidigung des Glaubens gepriesen. Die vertriebenen und geflohenen Nichtkatholiken aus den habsburgischen Ländern hingegen fanden in Polen wohlwollende Aufnahme. Einfluß auf die Stimmung des Adels hatte die Tatsache, daß für ihn in seiner Mehrheit, vor allem für den litauischen und russischen Teil, der territoriale Faktor - die schlesischen Länder, um die es hier ging - geringe Bedeutung hatte. Für eine Ausnahme kann man den Vorschlag halten, das Herzogtum Glogau (Glogöw) auf freiwilliger Basis an Großpolen anzugliedern. Der Adel wünschte den Aufständischen die Niederlage, konnte aber ein totales Scheitern der Gegner der Habsburger nicht wollen. Man sah hier eine Gefahr für die Adelsrepublik, vor der der Kastellan von Krakau, Jerzy Zbaraski, wie folgt warnte: „posigdzieli ten Cesarz ... a polamie te Lutry i Wggry a z drugiej strony Angielski z Hiszpanem Niderland occupuje, bgdziem mieli wiar? katolicka, ale tez i niewolg niemieck^" (wenn der Kaiser Lutheraner und Ungarn besiegt, die Engländer mit den Spaniern die Niederlande besetzen, werden wir den katholischen Glauben haben und zugleich in deutscher Gefangenschaft sein). 7 ) Es ist vielsagend, daß der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Friede in der zeitgenössischen polnischen Literatur kaum Widerhall fanden. Die wenigen diesbezüglichen Bemerkungen sind als Warnung oder als Lob des Adels für die Vermeidung der Kriegskatastrophe formuliert. In Briefen und Reiseberichten wird dieser Krieg nur dort zum Thema, wo er den Verfasser unmittelbar bedrohte oder als Quelle für das Studium der Kriegführung diente, nämlich in Form von Schlachtplänen oder Berichten über die Aufenthalte in den Militärlagern einer oder beider der kämpfenden Parteien.
7
) Jerzy Zbaraski do biskupa krakowskiego Marcina Szyszkowskiego. Bez daty: Biblioteka Polskiej Akademii Nauk w Körniku. Rgkopis nr 371 k. 29.
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Insgesamt muß man sagen, daß König Sigismund und seine Untertanen gerade zum damaligen Zeitpunkt keinen neuen Konflikt wünschen durften. Zum einen hatten sich die traditionell guten Beziehungen zur Türkei seit Ende des 16. Jahrhunderts zunehmend verschlechtert, so daß Ende der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts die Lage schon kritisch war. Zweitens hatte der Sieg über Rußland dessen Lebenskräfte nicht gemindert. Ganz im Gegenteil fürchtete man, daß Rußland in einem ihm geeignet erscheinenden Moment den Waffenstillstand brechen und versuchen würde, die verlorenen Gebiete zurückzugewinnen. Was drittens die Beziehungen zu Schweden betraf, so änderten die in den Schlachten errungenen Erfolge nichts daran, daß der Krieg insgesamt einen für die Adelsrepublik ungünstigen Ausgang genommen hatte, was sich in schmerzlichen Gebietsverlusten niederschlug, so im Verlust der bedeutenden Hafenstadt Parnawa (Pärnu) im Jahre 1617. Gerade die Konfrontation mit dem an Einwohnern wie Ressourcen ärmeren Schweden hatte deutlich werden lassen, daß die Adelsrepublik ihr Potential nicht zu nutzen verstand. 8 ) In seiner Antwort an Matthias vom 6. Juli 1618 teilte Sigismund mit, daß er Böhmen die Werbung von Soldaten im Gebiet der Adelsrepublik untersagt habe. Einige Wochen später, am 22. August, empfahl er dem Kaiser in einem weiteren Brief, sich um eine friedliche Lösung des Konflikts zu bemühen. An die Schlesier wandte er sich am 16. August und rief sie auf, sich nicht mit den Böhmen zu verbünden. Letztere ermahnte er einen Monat später, am 17. September, den rechtmäßigen Herrschern Gehorsam zu leisten. Die endgültige Entscheidung über die Haltung der Adelsrepublik fiel noch vor dem 30. September 1619 in den Beratungen Sigismunds mit den Senatoren. Man einigte sich darauf, den Habsburgern Hilfe zu leisten, allerdings unter dem Vorbehalt, damit keinerlei politische oder finanzielle Verpflichtungen auf sich zu nehmen. Die Aufständischen sollten noch einmal zum Gehorsam gegenüber Ferdinand aufgerufen werden. Am 15. November 1619 schickte der König Abgesandte zum Fürsten von Siebenbürgen, Gabor Bethlen, und verlangte eine Erklärung, warum dieser nahe der polnischen Grenze Truppen zusammenziehe. Man beachte, daß der Brief eine deutliche Drohung enthielt, nämlich den Hinweis, daß die Adelsrepublik durch ihre Verträge mit den Habsburgern gezwungen sei, sich für die Geschehnisse auf ungarischem Boden zu interessieren. Schließlich erhielten die Habsburger auch die Erlaubnis, in Polen und Litauen Soldaten zu werben. 9 ) 8
) Henryk Wisner, Opinia szlachecka Rzeczypospolitej wobec polityki szwedzkiej Zygmunta III w latach 1 5 8 7 - 1 6 3 2 (Die Meinung des polnischen Adels über die schwedische Politik Sigismunds III. in den Jahren 1587-1632), in: Zapiski Historyczne 38.2, 1973, 9-50. 9 ) Zygmunt III do kanclerza i hetmana wielkiego koronnego Stanislawa Zolkiewskiego, 30.09.1619: Biblioteka im Raczynskich. Poznan. Rgkopis nr 2, 294. Adam Szelqgowski, Sl§sk i Polska wobec powstania czeskiego (Schlesien und Polen und der böhmische Aufstand). L w ö w 1904, 423.
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Letzteres ist auf die innere Situation der Adelsrepublik zurückzuführen. Ein Teil der aus dem russischen Krieg zurückgekehrten Truppen nämlich hatte sich noch nicht aufgelöst. Die umherziehenden raubenden Soldaten stellten nicht nur eine Bedrohung für die Bevölkerung dar, sondern auch eine Gefahr für den Staat, denn nur zu leicht konnten sie, im Verein mit den Kosaken, auf einem Raubzug in türkisches Gebiet eindringen und so einen Krieg provozieren. Alle diese Soldaten wurden übrigens in Polen nach dem damals schon verstorbenen Obersten Alexander Jözef Lisowski „Lisowczykami" genannt. In Deutschland waren sie als „polnische Kosaken" bekannt. Indem der König nur eines der Regimenter, etwas mehr als 2000 Mann, in den Dienst Ferdinands stellte, konnte er sich dieser Bedrohung entledigen. Die Soldaten sollten sich nach Schlesien begeben und sich dort mit den kaiserlichen Truppen vereinigen. Infolge eines komplizierten Spiels der Interessen zogen sie jedoch zunächst in die Slowakei, wo sie in der Schlacht bei Humenne (21. November 1619) das siebenbürgische Heer, das unter dem Befehl Georg Räköcys stand, besiegten. 1620 tauchten sie vor Wien auf, später sollten sie an der Schlacht bei Biata Göra (Bila hora bei Prag) teilnehmen. 10 ) Das Auftauchen von einigen tausend ausgezeichneten Leichtkavalleristen in den aufständischen Gebieten hatte eine gewisse militärische Bedeutung. Wichtiger aber war für Ferdinand sicherlich die politische Dimension der Bereitstellung der „Lisowczyköw" als Zeichen der in Warschau gefallenen Grundsatzentscheidung, daß Polen weder mit den Aufständischen sympathisierte noch selbst nach der schlesischen Erde, dem ehemals polnischen Gebiet, streben würde. Es gelang der Adelsrepublik, die, wie die nahe Zukunft zeigte, an dem Krieg weder teilnehmen konnte noch wollte, eine Verwicklung in die Kampfhandlungen zu vermeiden. 1621 brach der Krieg gegen die Türkei aus. Bevor es am 9. Oktober zum Waffenstillstand kam, mußten polnische und litauische Truppen bei Chocim über fünf Wochen lang den türkischen Hauptstreitkräften standhalten. Rußland hatte einen Vorschlag Schwedens, sich gegen die Adelsrepublik zu verbünden, mißtrauisch abgelehnt, versuchte jedoch, eine Allianz mit Dänemark zu schließen. Im Sommer 1621 erklärte Schweden der Adelsrepublik den Krieg und besetzte am 25. September Riga. Der Waffenstillstand wurde am 11. August des folgenden Jahres geschlossen. Bereits 1625 jedoch flammte, zunächst in Livland und Litauen, später auch in Königlich Preußen, der Krieg wieder auf und wurde erst 1629 in Altdorf (26. September) durch einen neuen Waffenstillstandsvertrag beendet. 11 ) I0
) Henryk Wisner, Lisowczycy. Warszawa 1995, 152. ') Marian Cichocki, Mediacja Francji w rozejmie altmarskim (Die Mediation Frankreichs
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Im Jahre 1632 brach Rußland das bestehende Waffenstillstandsabkommen. Es kam zum sogenannten „Smolenskkrieg", der von manchen Historikern (Boris Porsnev, Zbigniew Wöjcik) für die zweite Front des Dreißigjährigen Krieges gehalten wird. Im Februar 1634 zwang der neue Herrscher der Adelsrepublik, Wladislaw IV., die russische Armee zur Kapitulation; im Sommer (13. Juni) wurde in Polanöw ein „ewiger" Friede geschlossen. Im selben Jahr erklärte die Türkei den Verzicht auf den bereits proklamierten Krieg gegen die Adelsrepublik. 1635 wurde in Stuhmsdorf (12. September) der polnisch-schwedische Waffenstillstand bis zum Jahr 1661 verlängert. Erst jetzt konnte in der Adelsrepublik ernsthaft an eine aktive Teilnahme am westlichen Konflikt gedacht werden. Wollte der König neben Frankreich gegen die Habsburger ziehen, so mußte er dem vom Krieg erschöpften Adel ein Ziel aufzeigen und erklären, warum sich die Adelsrepublik gegen ihren Alliierten wenden solle. Der Kampf an der Seite der Habsburger bedurfte ebenso der Legitimation und zudem der Zustimmung Ferdinands II., wobei zweifelhaft ist, ob der Kaiser überhaupt die polnischen Truppen sehen oder nicht vielmehr später eventuell erhobene territoriale Ansprüche vermeiden wollte. 12 )
Vom Staat besoldete polnische und litauische Truppen erschienen auf den Schlachtfeldern des Dreißigjährigen Krieges nicht. Am Rande sei vermerkt, daß Europa durch Kriege gebildet worden ist. Die Adelsrepublik nahm zwar nicht direkt am Kriegsgeschehen teil. Dennoch spielte sie eine bedeutende Rolle. Ihre flächenmäßige Größe und die im Sieg über Rußland und in der siegreichen Konfrontation mit der Türkei bestätigte Macht zeigten deutlich, was für ein Feind sie sein konnte. Andererseits war man sich weder in Wien, Paris, Madrid noch in Rom bewußt, wie begrenzt die Wirkungsmöglichkeiten des Königs und der Adelsrepublik tatsächlich waren. Dieses Mißverständnis führte dazu, daß beide Streitparteien sich über lange Zeit hinweg bemühten, wenigstens einen Übertritt der Adelsrepublik ins gegnerische Lager zu verhindern. Sigismund hatte noch eine eigenständige Politik verfolgt. Wladislaw machte ohne Vorteile für sich beiden Seiten Zugeständnisse. So billigte er 1635 sowohl den Durchmarsch schwedischer Truppen durch polnisches Geim Altmarer Frieden). Krakow 1928, 185. MaciejSerwaiiski, Francja wobec Polski w dobie wojny trzydziestoletniej (1618-1648) (Die französische Politik gegenüber Polen im Dreißigjährigen Krieg [1618-1648]). Poznan 1986, 50. 12 ) Jözef Leszczyriski, Wladyslaw IV a Sl^sk w latach 1644-1648 (Wladyslaw IV. und Schlesien in den Jahren 1644-1648). Wroclaw 1969, 229.
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biet wie auch habsburgische Werbungen in Polen und Litauen. Später verlangte er angesichts des Protests Ludwigs XIII., daß die polnischen Einheiten nicht auf französischem Boden kämpfen sollten, was übrigens keine Beachtung fand. Mitte der dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts versuchte Wladislaw, die Rolle des „großen Vermittlers" im europäischen Konflikt zu übernehmen. Die diplomatischen Bemühungen, die Jerzy Ossolinski 1635 an den Hof Ferdinands II. und später zum Reichstag nach Regensburg führten, blieben aber erfolglos. Der Kaiser schwieg sich zu den Vorschlägen aus, und die Kurfürsten erklärten, daß die ungeklärte Frage der Rechte des polnischen Königs auf den schwedischen Thron einer Verwirklichung des Vermittlungsangebots im Wege stehe. Gerüchteweise verlautete, die Kurfürsten fürchteten die engen Beziehungen, die zwischen Wladislaw und den Habsburgern bestanden. Wladislaw, dessen Ambitionen kein Ventil gefunden hatten, widmete sich nun ganz dem Kriegs vorhaben gegen die Türkei. Dieses beschäftigte ihn auch in den Jahren 1646-1648, als der später so benannte Dreißigjährige Krieg in seine Endphase überging. Was im Westen geschah, war für ihn wichtig nur im Hinblick auf seine türkischen Pläne. Am 20. Mai 1648 starb der König völlig unerwartet. Fast gleichzeitig entbrannte in der Ukraine der Kosakenaufstand. Anfang Oktober standen Kosaken bei Zamosc, etwa 250 Kilometer vor Warschau. Der Westfälische Friede wurde am 24. Oktober 1648 in Münster unterzeichnet. Der fremde Friede mußte im Schatten des eigenen Aufstandes stehen und war für den Adel von noch geringerer Bedeutung als vorher der Krieg. Eine ganz andere Frage ist, ob und welche Bedeutung der Westfälische Friede für die Adelsrepublik hatte. Im politischen Sinn etablierte der Westfälische Friede nicht so sehr eine neue Ordnung in Europa, wie man häufig hört, sondern man kann vielmehr sagen, daß er den Beginn eines Zeitraums markiert, in dem sich neue Machtverhältnisse herausbildeten. Erst jene neuen Machtverhältnisse brachten dann im 19. Jahrhundert eine neue Ordnung hervor. Etappen auf diesem Weg waren im 1-7. Jahrhundert der polnisch-russische (1654-1667) und der polnischschwedische Krieg (1655-1660), im 18. Jahrhundert der Nordische Krieg (1700-1721) und die Schlesischen Kriege (1740-1748). Diese Konflikte machten teils sichtbar, teils verursachten sie zum einen eine zunehmende Schwächung der Adelsrepublik, zum anderen den Verlust der Großmachtstellung Schwedens und schließlich eine Stärkung Preußens und Rußlands und deren Entwicklung zu europäischen Mächten ersten Ranges.
The Results of the Thirty Years' War in Russia and Ukraine and the Pereyaslave Treaty of 1654 By
Lyudmila
Ivonina
In the mid-seventeenth century the destinies of European countries in the East and the West became closely interwoven. The event of tremendous international significance that brought them dramatically into contact was the Thirty Years' War, when, in keeping with the spirit of the Baroque age, the medieval and the modern, traditionalism and the interests of the state, confessionalism and rationalism came together in a sophisticated pattern not unlike architectural decorations in a baroque cathedral. The following three major factors shaped international relations in the first decades and the middle of the seventeenth century. The first and foremost was the resistance of the young national absolutist states to the pressure of the universal catholic structure of the Habsburg Empire; the second was the political tension between the early capitalist trends and the absolutist tendencies, which finally came into the open during the revolutions in England and the Netherlands; the last but not the least was the antagonism between the Catholic Church and Protestantism, which had existed since the Reformation and had split Europe into two confessional communities. These were the three forces underlying the diplomatic relations and events during the Thirty Years' War that determined its all-European character as well as its outcome. The Westphalian Peace of 1648 not only put an end to the three decades of hostilities, it also summed up the political, confessional and economic confrontations which had originated in the sixteenth century. The war was succeeded by the English Revolution, the rise of France and Sweden and the emergence of Austria and Prussia, the two great German states within the boundaries of the Holy Roman Empire; it dramatically altered the whole system of international relations and allegiances in Europe for the period between the Westphalian Peace Treaty and the French Revolution. The Thirty Years' War also created prerequisites for the three major European conflicts in the second half of the seventeenth and the eighteenth centuries - between England and France, Austria and Prussia and in the Baltic region. The European wars of the jate seventeenth and the eighteenth centuries - the War of the Spanish Succession, the Northern War, the Seven Years' War,
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the War of the Austrian Succession - lost their confessional character and became a logical continuation of the Thirty Years' War which had marked the end of the first stage and opened up the second stage of early modern history. Many events in the European political life during the Thirty Years' War can be seen in a new light if the aspect of diplomatic relations is taken into consideration. For example, the war gave an impetus to the revolution brewing in England; the increase in taxes, necessitated by military expenses, caused peasant uprisings in France, followed by the Fronde, and so on. These and other events of a similar nature signified the so-called „European crisis" of the seventeenth century which brought about either a dismantling or a transformation of the old political structures and marked a new stage in the development of international relations in Europe. It was the same Thirty Years' War that undoubtedly provided the conditions, motivation and impetus for this crisis. So it was not at all accidental that the major events in eastern Europe, such as the liberation war in the Ukraine against Poland (1648-1654) and the unification of the Ukraine and Russia, coincided with the Thirty Years' War, the climax of the English Revolution, the Fronde in France and other events of allEuropean scope. No interstate conflict in the seventeenth century (and the triangle the Moscow State - the Ukrainian lands - Rzeczpospolita was obviously one of them) can be treated in isolation from other European states, for, since the late fifteenth century, all international as well as internal conflicts in Europe had been interrelated and interdependant. Some of the new publications show a deviation from the traditional schemes and myths of the Thirty Years' War. Thus the British researcher Nicola M. Sutherland in her article published in the early 1990s, stresses the fact that many international and internal tensions remained unsolved but, after the war, were transformed and carried on into the international conflicts of the second half of the seventeenth century, such as the confrontations in eastern Europe and later in the War of the Spanish Succession. 1 ) According to the German historian Heinz Schilling, religion and the Church were not subsidiary structures, but, on the contrary, formed the foundation of the whole system. 2 ) Schilling believes, and not without reason, that the idea of merging religious ideology with government encouraged particularism and investing resources both to good and evil ends. Apart from offering an explanation for the major events of the seventeenth century - the Thirty Years' War, the English Revolution, the war in the Ukraine and its unification with Russia ') Nicola M. Sutherland, The Origins of the Thirty Years' War and the Structure of European Policy, in: EHR 242, 1992, 5 8 7 - 6 2 5 . 2 ) Heinz Schilling, Nationale Identität und Konfession in der europäischen Neuzeit, in: Bernhard Giesen (Hrsg.), Nationale und kulturelle Identität. Frankfurt am Main 1991, 192-252, esp. 197-199.
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- , this thesis seems to project itself onto the latest developments in the contemporary world - the wars in Ireland and former Yugoslavia - , where confessional aspects play a rather prominent role. Schilling makes another important observation to the effect, namely, that „nation", as a leading category, belongs to the nineteenth century, while „confession" was the formative factor in the international policy of the seventeenth century. 3 ) That is certainly true in respect of the Ukraine whose rebellious population was drawn to Russia not by ethnic or national allegiances, but by confessional sympathies supported by linguistic proximity. Schilling's American colleagues Herbert Rowen and Craig E. Harline propose that we should distinguish between linguo-cultural nations and political nations, such as the United Provinces. However, the liberation war in the Netherlands against Spain can hardly be regarded as the right argument for the nationalistic conceptions of the nineteenth and twentieth centuries, because the creation of an independent nation was neither the first nor the main objective of the rebels in the Netherlands. The major elements of nationalism had not appeared before the eighteenth century. 4 ) In his article treating of king Philip's policy in the Netherlands, the British historian Helmut G. Koenigsberger observes that multiethnic monarchies had at all times been the scene of confrontations between centripetal and centrifugal forces, and the domination of one or the other varied depending on the historical circumstances. This point of view deprives of any foundations the assertions of some contemporary scholars who adhere to nationalistic conceptions. Modernizing history in order to suit their political concept, they transfer the nineteenth century traditions onto the seventeenth century. 5 ) However, it is true that during the Thirty Years' War confession was gradually losing its role as a formative historical category and was forced into the background by the permanent conflict between the Christian morality and norms of behaviour on the one hand, and the military and political reality on the other hand. 6 ) The government of Rzeczpospolita, in its attempts to spread Roman Catholic authority over the Ukraine by means of the Union, did not realise that the situation had changed. In order to retain stability in Europe, the Westphalian Peace Treaty had set a limit to forced conversion, hence after the 3 ) Heinz Schilling, Formung und Gestalt des internationalen Systems in der werdenden Neuzeit - Phasen und bewegende Kräfte, in: Peter Krüger (Hrsg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte des internationalen Systems. Marburg 1991, 19^46, esp. 24. 4 ) Herbert Rowen/Craig E. Harline, The Birth of the Dutch Nation, in: Malcolm R. Thorp/ Arthur J. Slavin (Eds.), Politics, Religion and Diplomacy in Early Modern Europe. Essays in Honour of De Lamar Jensen. Kirksville 1994, 67-81, esp. 67. 5 ) Helmut G. Koenigsberger, The Politics of Philipp II, in: Thorp/Slavin (Eds.), Politics (note 4), 171-189, esp. 171-172. 6 ) Schilling, Formung und Gestalt (note 3), 22.
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war no government was under any obligation to give support to Rzeczpospolita, and Bogdan Khmelnitsky was clever enough to benefit from the new situation. Commenting on the same problem, the German historian Volker Press observes that even after the Westphalian Treaty had been concluded, France and Sweden were still interested in further weakening the Habsburg Empire. Besides, these two countries, responsible for guaranteeing stability in Europe, had their own conflicting interests. Thus France was seeking for a counter-balance to the Swedish domination in northern Germany, and the Elector of Brandenburg was able to rely on her support. In consequence, Sweden was, for the time being, diverted from interfering in the Polish-Russian dispute not only by Brandenburg's claims for primacy in northern Germany, but also by the French stand, which was a source of permanent tension. 7 ) Another confirmation of that point of view is offered by the contemporary Spanish historian Fernando Sánchez Marcos who points out that the Westphalian Treaty concluded the epoch of Counter-Reformation. At the end of the Thirty Years' War and in the postwar years Protestants and most Catholics in Germany believed that their destinies should be separated from the Spanish monarchy. This situation gave Russia and the Ukraine better chances in their war against Rzeczpospolita who was allied with the Habsburgs. 8 ) In Russian historiography the opinion that neither Russia, nor the Ukrainian liberation movement could be viewed in isolation from the European situation as a whole was expressed by Sergej Vladimirovi Bachrusin as early as in 1941 in the first edition of a collective „History of Diplomacy". 9 ) A more complete and detailed analysis of the European situation in the mid-seventeenth century and the Russian position in it can be found in the works by Boris Fedorovic Porsnev, though he was often criticized for sociologising international relations. He was apt to schematize and simplify matters. According to his scheme, the role of Russia in the west-European conflict is much exaggerated; however, it was predominantly in eastern Europe where the Russian presence was much more manifest. 10 ) Sutherland's point of view mentioned above had been anticipated by Gennadij A. Sanin in his book treating of the relations between seventeenth century Russia, the Ukraine and the Crimean Khans. Sanin observes that in
7
) Volker Press, Kriege und Krisen. Deutschland 1600-1715. München 1991, 255 f. ) Fernando Sánchez Marcos, Der Westfälische Friede, die spanische Diskussion und Europa. Münster 1995, 15 f. 9 ) Istorija diplomatii. Vol. 1. Moskva 1941, 277. 10 ) Boris Fedorovic Porsnev, Francija, Anglijskaja revoljucija i evropejskaja pojitika v seredine XVII v. Moskva 1970; idem, Tridcatiletnjaja vojna i vstuplenie v nee Svecii i Moskovskogo gosudarstva. Moskva 1976. 8
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the mid and late seventeenth century the international conflict in Europe had disintegrated into local wars, both in the West and in the East of Europe. 1 ') Floria, in the collective „History of Europe", states that before the outbreak of the Thirty Years' War the Russian government had adopted a definite position in the network of political alliances in Europe, which manifested itself in the increasingly close ties with the countries of the anti-Habsburg coalition. As a result, Russia grew bitterly antagonistic to Rzeczpospolita, watching for any sign of the latter's weakness. 12 ) Ukrainian authors, who concentrate mainly on national history, are inclined to neglect the west-European factor in the history of the Ukraine. If a reference to mutual ties between the Ukraine and western Europe is ever made, it assumes a peculiar character. For instance, while it is true that all contacts of the Ukraine with western Europe were effected through Rzeczpospolita, the presentation of the latter on a level with the most powerful states in seventeenth century Europe seems an exaggeration. The most prominent example in this respect is found in the „Cossack Christian Republic" by Dmytro S. Nalyvajko, published in 1992. 13 ) The author believes that before the outbreak of the Ukrainian liberation war, Poland - a country with a vast territory at the height of its prosperity, ruled by the shlakhta (nobility) - figured among the most influential and powerful states. There is very little footing for the image of an increasingly powerful Rzeczpospolita, it being an ally of the Habsburgs who had suffered a defeat in the Thirty Years' War. Neither was there any reason for the French, who were the winners, to „appeal to Poland for help", as Nalyvajko insists. On the contrary, Polish diplomats were permanently stationed in Paris, seeking French support against Bogdan Khmelnitsky. This fact is constantly mentioned in the French annual „Gazette de France". Nalyvajko evidently wished to emphasize the force of the rebellion and the virtues of its leader. Yet the greatness of Khmelnitsky manifests itself in his sagacity and diplomatic ingenuity which enabled him to take advantage of the postwar European situation and Poland's weakness. Another Ukrainian historian now residing in Canada, Plochij, was one of the first to bring to light the significance of the Ukrainian struggle against the Catholic expansion in the sixteenth and seventeenth centuries and to show that the war for liberation merged with the war against the Union. 14 )
1 ') Gennadij A. Sanin, Otnosenija Rossii i Ukrainy s Krymskim chanstvom v seredine XVII veka. Moskva 1987. 12 ) Istorija Evropy. Vol. 3. Moskva 1993, 431. 13 ) Dmytro S. Nalyvajko, Kozac'ka chrystyjans'ka respublika: Zaporoz'ka Sic u zachidnojevropejs'kych literaturnych pam'jatkach. Kyi'v 1992. 14 ) S.N. Plochij, Bor'ba ukrainskogo naroda s katoliceskoj éxspansiej X V I - X V I I vv. Dnepropetrovsk 1987, 20.
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The international background of the Ukrainian liberation war was descernible to its contemporaries. The sources of French and German origin are especially articulate on this point. The most important among them is certainly the „Gazette de France", started by Cardinal Richelieu in 1631. 15 ) It offers a most complete and detailed record of the hostilities in the Ukraine in connection with other events in seventeenth century Europe. 16 ) The „Gazette de France" reports of the complicated political situation in France after the war, the developments of the revolution in England as well as Cardinal Mazarin's political steps with regard to other European states. It constantly mentions the arrival of diplomatic missions from Poland seeking help and support in the war against the Dnieper Cossacks and Muscovites. 17 ) However, the French authorities always found a polite pretext for declining their appeals and suggestions. It is fairly evident that the French made a clear distinction between the Cossacks and the Russians, yet they admitted their orthodox (confessional) preferences and their common features. As early as 1648, at the very start of the war in the Ukraine, the French annual points out that the Cossacks had always been a drawback in their wars against the Moscow State; in other words, there had always been a possibility of them taking the Russian side. 18 ) The French press revealed a considerable interest in the Ukraine and its inhabitants. As it was, to a great extent, determined by the existing balance of forces, there is every reason to suppose that France was inclined to favour the Moscow State. The war in the Ukraine is also mentioned in Pierre Chevalier's Mémoires, published as a monographic work, where the author describes the events against the background of the contemporary European situation. In the pages of his „Histoire", the author draws analogies with the English Revolution, when Bogdan Khmelnitsky is compared to Oliver Cromwell. Chevalier believes that the Cossack leader was victorious primarily due to the unfavourable domestic and international situation in which Rzeczpospolita found itself after the Thirty Years' War, with the disintegration of the Habsburg Empire and the growing power of Sweden on the one hand, and the Moscow-Zaporozhskaya Sech alliance on the other hand. He also attaches great importance to the confessional aspect, that is the aspirations of the two communities of Orthodox faith for unification. 19 ) The Ukrainian historian Mycyk in his work „Memories of Foreigners as a source on Ukrainian History" offers a detailed analysis of memories and diaries of the seventeenth century of German and Austrian authors. Those per15
) Gazette de France, 1645-1665. ) Ibid. 1648, 925-929. 17 ) Ibid. 1651,529. '8) Ibid. 1648, 989. 19 ) Pierre Chevalier, Histoire de la guerre des Cosaques contre la Pologne. Paris 1663. 16
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sons served in foreign countries, which in many cases were at war with Poland, and their attitude to Poland was hostile (J. Muller, K. Guildebrandt) or neutral (E. Lasota, I. Mayer). 20 ) It stands to reason that they were all Protestants. Thus Mayer was a Swedish diplomat of German descent, while Guildebrandt was a Protestant minister. 21 ) Some valuable information, though opposite in spirit, can be found in the Theatrum Europaeum, a substantial richly illustrated chronicle published in Frankfurt am Main in 1634—1738 by Matthäus Merian, a printer and artist. Volumes six and seven, describing the events of 1648-1657, were written by Johann Georg Schieder, a Roman Catholic from Regensburg, who took sides with Rzeczpospolita and German mercenaries serving in Poland and Lithuania. Consequently his attitude to the Moscow State and the Ukraine was hostile. 22 ) What was then the influence of the Thirty Years' War on the Moscow State, the Ukraine, Rzeczpospolita and their mutual relations? First of all it provoked a political crisis. In Russia the seventeenth century was in general a „times of troubles", a period of transition to an absolutist state, a process completed by Peter the Great. The governmental crisis which had brought the Romanovs to power and, among other things, created early prerequisites for capitalism, such as an inner market, confronted Russia with the following outstanding problems: 1. a territorial expansion, especially in the south; 2. the protection of the state borders against the Crimean Khans and the Osman Empire; 3. the recapturing of an access to the Baltic Sea. 23 ) Any attempts to achieve progress in these matters inevitably led to clashes with Rzeczpospolita, the Osman Empire and Sweden. Rzeczpospolita was a unique state of its own kind. It was a republic of nobles, guided by the liberum veto principle to elect their king. In the 14th16th centuries it had been at the height of its prosperity, but in the seventeenth century it was going through a slow crisis, resulting in its disintegration in the late eighteenth century and then lapsing into nonexistence for more than a hundred years. The process was precipitated by the liberation war in the Ukraine led by Khmelnitsky who took advantage of the decline of Rzeczpospolita threatened by Sweden from the North-West. The whole situation played into the hands of Russia, the more so as Khmelnitsky was striving for closer ties, an alliance and eventual unification (on the 20
) Ju. A. Mycyk, Zapiski inostrancev kak istocnic po istorii Ukrainy. Dnepropetrovsk 1981, 61. 21 ) Ibid. 29. 22 ) Ibid. 32. 23 ) Sanin, Otnosenija Rossii i Ukrainy (note 11), 112.
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principles of autonomy) with the Moscow state. There is no doubt that Khmelnitsky, inspired by his early victories, cherished the image of an independent Ukraine. The idea appealed to the ambitious leader himself as well as to the freedom-loving Cossack chiefs. Seeking support for his plans, the Ukrainian leader established diplomatic relations with the Moscow State, the Osman Empire, Transilvania, Moldavia and Valakhia. However, defeating Rzeczpospolita was not a simple matter, because Russian support could be secured only at the cost of unification. The problem was finally resolved in 1654 by the Pereyaslave Treaty, an event of international significance which brought together the Russian and Ukrainian peoples who thus solved their confessional problems and confirmed the tolerance proclaimed by the Westphalian Peace Treaty of 1648 as one of its basic principles. The seventeenth century was a confessional age, when religion formed an important aspect of social mentality. It stands to reason that economic, social and political discontent in the South-East regions of Rzeczpospolita assumed the appearance of a confessional conflict at the end of the Thirty Years' War, as did the War itself or, e.g., the English Revolution in mid-seventeenth century and later in 1688-1689. In conclusion it can be said that all wars provoke crises which, in most cases, involve both the losers and the winners; as a rule, crises, in their turn, cause reformation or transformation of governmental structures. Thus in conformity with this regularity, the liberation war led by Khmelnitsky and the unification of the Ukraine with Russia manifested the European political crisis of the seventeenth century, which was an outcome of the Thirty Years' War, whose echo reached eastern Europe. Seen in these terms the war in the Ukraine acquires a wider scope than has generally been recognized. It was not only a regional conflict involving the Moscow State, Rzeczpospolita and Khmelnitsky with a more or less active participation of the neighbouring countries; it was a product of general European policy in the early seventeenth century. The ultimate result of the Westphalian Peace Treaty for Russia was that it could expand in power and territory at the expense of Rzeczpospolita, its extremely dangerous neighbour and adversary. These are preliminary remarks on the problem which require further investigation in the context of the events in mid-seventeenth century Europe. A closer and more profound investigation may enrich and improve our knowledge of these events as well as of the Thirty Years' War and generally of the seventeenth century European crisis.
Die englische Republik und die Friedensordnung von Münster und Osnabrück Von
Ronald G. Asch Das Thema „England und der Westfälische Friede" konfrontiert den Historiker mit nicht unbeträchtlichen Problemen. Bekanntlich nahm England an den Friedenskonferenzen in Münster und Osnabrück nicht teil, gehörte also nicht zu den vertragschließenden Parteien. Auch enthielten die Friedensverträge keine Klauseln, die die englischen Interessen unmittelbar berührten - zumal wenn man bedenkt, daß die dynastischen Verbindungen des Hauses Stuart zu den pfälzischen Wittelsbachern, die vor 1642 am ehesten noch eine Anteilnahme Englands am kontinentalen Kriegsgeschehen begründen konnten, dem siegreichen englischen Parlament gegen Ende des englischen Bürgerkrieges weitgehend gleichgültig geworden waren. Dennoch besitzt dieses Thema eine gewisse Legitimität. Denn eines der Probleme, das sich im Zusammenhang mit dem Jubiläum der Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück stellt, ist sicherlich die Frage, inwieweit der Westfälische Friede wirklich ein europäischer Friede war, und nicht nur ein von Frankreich und Schweden maßgeblich mitgestalteter Frieden für Mitteleuropa. Die Frage nach dem europäischen Charakter des Friedensschlusses von 1648 wird man aber nur dann beantworten können, wenn man auch auf diejenigen Staaten blickt, die in Münster und Osnabrück nicht an den Verhandlungen beteiligt waren. An ihrer Haltung muß sich erweisen, ob die Verträge von 1648 wirklich die Grundlage einer neuen europäischen Ordnung bildeten. Im folgenden wird es daher um die Rezeption des Westfälischen Friedens gehen, nicht um seine Genese, für die die Beschäftigung mit der englischen Politik weitgehend unergiebig ist. Außenpolitisch war England spätestens seit 1642 gelähmt, wenn nicht schon seit 1639, seit der Eskalation des Aufstandes gegen die von Karl I. eingeführte neue Agende und Liturgie in Schottland. Im folgenden werden zunächst, nach einem kurzen Rückblick auf die Jahre vor 1648, die Grundprinzipien der Außenpolitik der englischen Republik seit 1649 und vor allem seit Errichtung des Protektorats 1653 dargestellt werden. Sodann wird die Beurteilung des Westfälischen Friedens durch Politik und Publizistik in England analysiert. Schließlich werde ich auf die Beziehungen Englands zu Schweden eingehen, die noch am ehesten Material für unsere Themenstellung liefern.
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I England hatte dem Kriegsgeschehen auf dem Kontinent nicht immer gleichgültig gegenübergestanden. Es gab aus der elisabethanischen Zeit eine Tradition der Zusammenarbeit mit den Niederlanden, aber auch mit den kontinentaleuropäischen Protestanten überhaupt. England war immerhin die bedeutendste protestantische Monarchie Europas (zumindest vor dem Aufstieg Schwedens in den 1630er Jahren), und im Land gab es unter den „godly", der „hotter sort of Protestants", oder, wie ihre Gegner sie nannten, den Puritanern, viele, die fest davon überzeugt waren, England dürfe nicht abseits stehen, wenn den Glaubensbrüdern jenseits des Kanals der Untergang drohe. Und ein solcher Untergang schien sich ja in den 1620er Jahren nicht nur für die evangelischen Gemeinden in den österreichischen Erblanden und die reformierten Christen der Pfalz, sondern unter Umständen sogar für den deutschen Protestantismus überhaupt abzuzeichnen. Es gab natürlich auch in England viele Angehörige der politisch-sozialen Elite, die dieses Urteil nicht teilten und entweder die Situation auf dem Kontinent für weniger dramatisch hielten oder aber die Ecclesia Anglicana als eine ganz autonome Glaubensgemeinschaft betrachteten, die mit den meisten Protestanten des Kontinents nicht viel mehr verband als mit Rom. 1 ) Gerade dieser Unterschied in der Beurteilung der Lage auf dem Kontinent sollte in England freilich seit 1618 zu einer erheblichen Erhitzung des politischen Klimas führen, die ganz unmittelbar zu jenen Spannungen beitrug, die schließlich zum Bürgerkrieg überleiteten. Die konfessionelle Identität der englischen Kirche war schon in der elisabethanischen Zeit nie ganz eindeutig gewesen. Falls es in England überhaupt so etwas wie einen Konfessionalisierungsprozeß gab, gelangte er jedenfalls nicht zu einem Abschluß - aber während noch zwischen 1603 und 1618/20 die innerkirchlichen Konflikte durch mancherlei Formelkompromisse entschärft werden konnten, war das nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges kaum noch möglich. Da man außenpolitisch, wie zumindest viele sogenannte Puritaner meinten, eindeutig Stellung beziehen mußte, verhärteten sich auch in den inneren kirchlichen Auseinandersetzungen die Fronten. In diesem Sinn kann der englische Bürgerkrieg der 1640er Jahre durchaus als Folge des Dreißigjährigen Krieges betrachtet werden, wenn nicht sogar als ein Teil dieses Krieges. 2 ) ') Vgl. dazu Anthony Milton, Catholic and Reformed. The Roman and Protestant Churches in English Protestant Thought, 1600-1640. Cambridge 1995, bes. 503-515; Kenneth Fincham/Peter Lake, The Ecclesiastical Policy of James I, in: Journal of British Studies 24, 1985,169-207, bes. 198-202; zu den Problemen der englischen Kirche vor 1640 siehe jetzt auch Kenneth Fincham (Ed.), The Early Stuart Church, 1603-1642. Basingstoke 1993. 2 ) Siehe dazu Ronald G. Asch, The Thirty Years' War. The Holy Roman Empire and Europe 1618-1648. Basingstoke 1997, Kap. 2; Fincham/Lake, Policy (wie Anm. 1).
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Karl I., der England seit 1625 regierte, hatte freilich zeitweilig versucht, unmittelbar auf das Kriegsgeschehen auf dem Kontinent einzuwirken. Nach dem Scheitern des Projektes einer dynastischen Heirat mit einer spanischen Habsburgerin hatte er 1624 seinen immer noch zum Frieden geneigten Vater zum Krieg gegen Spanien gedrängt, den er dann selber 1625 mit allen zur Verfügung stehenden Kräften aufnahm. Dabei war er weniger von den politischen Zielvorstellungen derjenigen beeinflußt, die in England die Schutzmacht aller europäischen Protestanten sahen, sondern von dynastischen Erwägungen. Der Kurfürst Friedrich von der Pfalz, der sich 1619 auf das böhmische Abenteuer eingelassen hatte, war mit seiner Schwester Elisabeth verheiratet. Den sich Mitte der 1620er Jahre abzeichnenden vollständigen Untergang der pfälzischen Wittelsbacher glaubte Karl daher nicht hinnehmen zu können. 3 ) Der Krieg gegen Spanien zeigte freilich rasch, daß England nach 20 Jahren Frieden kaum noch in der Lage war, überhaupt Krieg zu führen. Nennenswerte Erfolge konnten weder zur See noch bei Landungsunternehmen in Südspanien verbucht werden. Daß England 1627 darüber hinaus auch noch in einen Krieg mit Frankreich verwickelt wurde, das 1624/25 noch als Verbündeter im Kampf gegen Madrid vorgesehen war, gestaltete die diplomatische und militärische Lage auch nicht unbedingt günstiger. Die Befreiung La Rochelles, der Hochburg der französischen Hugenotten, mißlang 1628, nachdem der Architekt des Krieges gegen Frankreich, der Herzog von Buckingham, in England von einem unzufriedenen Offizier umgebracht worden war. Das englische Engagement im Dreißigjährigen Krieg war kurz gewesen, aber lang genug, um zu schweren innenpolitischen Konflikten zu führen. Das Parlament hatte sich geweigert, ausreichend Steuern für die Kriegführung zu bewilligen, sei es, weil die Einsicht in die wahren Kosten des Krieges fehlte, oder weil man die Strategie des Königs und seines Günstlings, des Herzogs von Buckingham, für falsch hielt - ein Urteil, das ja einiges für sich hatte. Der Versuch, die Befreiung La Rochelles durch Zwangsanleihen zu finanzieren, hatte zu einer Verfassungskrise geführt, deren Auswirkungen zu den Vorbedingungen des englischen Bürgerkrieges gehören. 4 ) Karl I. hatte sich freilich 1629/30 vollständig aus dem europäischen Kriegsgeschehen zurückgezogen und ganz auf die Stärkung seiner Autorität im eigenen Land konzentriert. Anfang der 1630er Jahre mochte es ja auch scheinen, als würde Schweden für England das erwirken, was der Seekrieg gegen Spanien nicht erreicht hatte: die Restitution des Kurfürsten von der Pfalz. Als sich 3
) Zur Wende von der Friedenspolitik Jakobs I. zur Kriegspolitik Karls I. siehe bes. Thomas Cogswell, The Blessed Revolution. English Politics and the Coming of War, 1621-24. Cambridge 1989. 4 ) Zu diesen Entwicklungen vgl. Richard Cust, The Forced Loan and English Politics 1626-1628. Oxford 1987; L.J. Reeve, Charles I and the Road to Personal Rule. Cambridge 1989.
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diese Hoffnung 1634/35 als Illusion erwies, hatte Karl I. freilich zeitweilig erwogen, doch noch einmal ein Bündnis mit Frankreich einzugehen und wieder in den Krieg einzutreten. Erst 1637 zerschlugen sich die Pläne eines Bündnisses, da keine der beiden Seiten wirklich bereit war, sich auf klar definierte Verpflichtungen festlegen zu lassen. 5 ) Danach versuchte Karl I. ein weiteres Mal, auf die spanische Karte zu setzen. Spanien hatte er in einem gewissen Umfang durchaus etwas anzubieten, nämlich die Sicherung des Nachschubs in die spanischen Niederlande mit Hilfe der englischen Flotte. 1639 sollte sich allerdings zeigen, daß selbst diese indirekte Waffenhilfe nicht viel wert war, denn der niederländischen Flotte unter Tromp gelang es, ein großes spanisches Geschwader unmittelbar vor der englischen Küste in den Downs vollständig zu vernichten. Die englische Flotte, die unweit der Downs kreuzte, griff nicht in das Kampfgeschehen ein. Seit dieser Seeschlacht war das außenpolitische Ansehen Karls I. ruiniert, auch und gerade in Madrid, wo man seine Niederlage im Bürgerkrieg sogar mit einer gewissen Genugtuung gesehen zu haben scheint. 6 ) Weitere Versuche des Königs, das Geschehen in Deutschland zu beeinflussen, waren schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil sich seit dem Ausbruch der offenen Rebellion in Schottland 1638 und dem Zusammentritt des „Langen Parlaments" in England Ende 1640 die innere Krise der Stuartmonarchie immer mehr zuspitzte. Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 1642 schied England dann vollständig aus der europäischen Politik aus. Freilich hatte in der Vorphase des Bürgerkrieges das Scheitern der Außenpolitik des Königs durchaus eine gewisse politische Rolle gespielt. Auch 1641 gab es in England - und wohl noch mehr in Schottland, wo das Gefühl der Solidarität mit den kontinentaleuropäischen Protestanten, zumindest den Calvinisten unter ihnen, noch stärker entwickelt war - viele Theologen und engagierte Laien, die Karl I. seinen Verrat an den Protestanten Europas vorwarfen. In der großen Protestresolution des Parlaments vom Dezember 1641, der sogenannten Grand Remonstrance, waren dem König ausdrücklich sein Verschulden am Schicksal der europäischen Protestanten und insbesondere der Friedensschluß mit Spanien von 1630, der die Pfalz ihrem Schicksal überlassen hatte, vorgehalten worden. 7 ) In den Bürgerkriegsjahren hatte man freilich kaum eine 5
) Zur Außenpolitik der 1630er Jahre vgl. Ronald G. Asch, Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und Patronage 1 6 2 5 ^ 0 . Köln 1993, 7 9 - 8 5 ; Kevin Sharpe, The Personal Rule of Charles I. N e w Häven, Conn./London 1992, 5 2 5 - 5 3 7 . 6 ) Sharpe, Charles I (wie Anm. 5), 8 2 5 - 8 3 4 ; Albert J. Loomie S.J., Alonso de Cárdenas and the Long Parliament, in: EHR 97, 1982, 2 8 9 - 3 0 7 . 7 ) Samuel Rawson Gardiner (Ed.), The Constitutional Documents of the Puritan Revolution 1625-1660. 3. Aufl. Oxford 1906. N D Oxford 1 9 7 9 , 2 0 8 f., Artikel 5. Auch im Solemn League and Covenant von 1643, dem Bündnis zwischen dem Parlament und den schottischen Covenanters, hatte es in der Schlußklausel geheißen, das Bündnis möge sein ein „encouragement to the Christian churches groaning under or in danger of the yoke of the Anti-
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Möglichkeit, sich um das Kriegsgeschehen und die diplomatischen Verhandlungen auf dem Kontinent zu kümmern, aber nach 1649 spielte die Erinnerung an das außenpolitische „Versagen" Karls I. für die europäische Politik der englischen Republik eine nicht unerhebliche Rolle. 8 ) Von einer solchen europäischen Politik konnte allerdings erst seit etwa 1651 die Rede sein. Nach dem Ende des Bürgerkrieges und der Hinrichtung des Königs im Januar 1649 galt es zunächst noch, Schottland und Irland unter die Kontrolle der parlamentarischen Regierung in London zu bringen. Erst mit dem Sieg Cromwells über Karl II. bei Worcester im September 1651 konnte das neue Regime als leidlich gefestigt gelten, so daß eine selbständige Außenpolitik entwickelt werden konnte. Diese Außenpolitik führte allerdings zunächst in eine etwas überraschende Richtung. Hatte man Karl I. seinerzeit vorgeworfen, nicht eng genug mit der Republik der Niederlande zusammenzuarbeiten, so führte die englische Republik in den Jahren 1652-54 nun selber Krieg gegen den potentiellen protestantischen Bundesgenossen. Die Deutung des ersten niederländisch-englischen Seekrieges ist durchaus kontrovers. Lange Zeit wurde in der Auseinandersetzung ein klassischer Handelskrieg gesehen. 9 ) Eine vor kurzem erschienene Studie von Stewart Pincus weist diese Interpretation allerdings zurück. Pincus kann plausibel machen, daß in den Kreisen, deren Unterstützung für die neu begründete Republik von entscheidender Bedeutung war - nämlich unter den radikalen Protestanten, die radikal vor allem in ihrem Antikatholizismus waren - , der Frieden, den die niederländische Republik mit Spanien im Januar 1648 abschloß, als ein Verrat an der gemeinsamen protestantischen Sache galt. Hinzu trat der Argwohn, der sich gegen die Niederlande richtete, weil sie dem exilierten Hof Karls II. zeitweilig eine Heimstatt boten und zumindest die Anhänger des Hauses Oranien auch
christian tyranny, to join in the same or like association and covenant, to the glory of God, the enlargement of the Kingdom of Jesus Christ, and peace and tranquillity of Christian kingdoms and commonwealths" (ebd. 271). 8 ) Noch Cromwell mußte sich vom schwedischen Gesandten Bonde 1655 vorhalten lassen, „that it is England alone who betrayed the general cause of protestantism", was von englischer Seite offenbar nicht geleugnet wurde (Michael Roberts [Ed.], Swedish Diplomats at Cromwell's Court 1655-1656. London 1988, 137, Bericht Christer Bondes vom 23. August 1655). John Dury, der sich im Auftrag Cromwells nach 1653 für eine Union aller protestantischen Kirchen einsetzte, meinte ebenfalls, es sei der Verrat an der gemeinsamen protestantischen Sache gewesen, der Karl I. ins Verderben gestürzt habe: „their [the king and the prelates, R.A.] betraying of the truth of the Protestant Cause was the great sin for which Christ had a quarrel with them" (John Durie, An Earnest Plea for Gospel Communion. London 1 6 5 4 , 7 6 ; vgl. auch 75 und [ders.,] The Interest of England in the Protestant Cause. London 1659, 2 1 - 2 3 , mit dem Verweis auf die „engagements" Englands in der Remonstrance von 1641 und im League and Covenant von 1643, sowie späteren Erklärungen des Parlamentes und der Feststellung: „God will not be mocked"). 9 ) Vgl. bes. die ältere Studie von Charles Wilson, Profit and Power. A Study of England and the Dutch Wars. 2. Aufl. Boston 1978 (zunächst 1957), bes. 4 8 - 7 7 .
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deutliche Sympathien für die englischen Royalisten zeigten. 10 ) Seit 1641 waren ja die Stuarts und die Oranier durch die Heirat der Prinzessin Maria, einer Tochter Karls I., mit dem späteren Statthalter Wilhelm II. von Oranien verbunden. Wenn man ihn in dieser Perspektive betrachtet, zeigt schon der englischniederländische Seekrieg von 1652-54, daß die Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück, zu denen ja auch der spanisch-niederländische Friede gehörte, durchaus dazu beitragen konnten, außerhalb Mitteleuropas neue Konflikte entstehen zu lassen. Die gemeinsame, teils offene, teils latente Gegnerschaft gegenüber Spanien hatte vor 1648 dafür gesorgt, daß sowohl die Handelsrivalitäten als auch die gegenseitigen ideologisch-konfessionellen Animositäten zwischen den Niederlanden und England nie so weit eskalierten, daß es wirklich zu einem Krieg zwischen den beiden Seemächten gekommen wäre. Nach 1648 war hingegen der Weg für eine offene Auseinandersetzung frei. 11 ) Der englisch-niederländische Seekrieg blieb allerdings Episode. Oliver Cromwell, der im April 1653 von der Armee unterstützt das 1640 gewählte Parlament auflöste und im Dezember als Lord Protector an die Spitze des englischen Staates trat, hatte den Krieg gegen die Niederlande stets mit Skepsis betrachtet. Ein klarer außenpolitischer Kurs der Protektoratsregierung Cromwell teilte sich die Macht unter der Verfassung von 1653, dem Instrument of Government, mit einem Staatsrat, in dem unter anderem eine Reihe von höheren Offizieren saßen - sollte allerdings erst im Laufe des Jahres 1654 sichtbar werden. Auf die Grundentscheidungen dieses Jahres muß kurz eingegangen werden, da sonst die Haltung Cromwells gegenüber der mitteleuropäischen Friedensordnung von 1648 nicht verständlich wäre. Im April 1654 schlössen England und die niederländische Republik Frieden. Die Niederländer sagten zu, Karl II. in Zukunft nicht mehr zu unterstützen, und die Provinzen Holland und Westfriesland versprachen überdies in einem Geheimartikel, das mit den Stuarts verbundene Haus Oranien von der Macht fernzuhalten; zu der in England ursprünglich gewünschten staatlichen Union zwischen den beiden Republiken kam es jedoch nicht. 12 ) Es stellte sich nun die Frage, welchen Weg England außenpolitisch beschreiten sollte. Da der französisch-spanische Krieg, der 1635 begonnen hatte, 1648 nicht beendet worden war, sondern mit unverminderter Heftigkeit fort10 ) Steven C.A. Pincus, Protestantism and Patriotism. Ideologies and the Making of English Foreign Policy, 1650-1668. Cambridge 1996, 4 0 - 7 9 und 87-101. 1 ') Zum Wandel der englisch-niederländischen Beziehungen nach 1648 vgl. Jonathan I. Israel, The Dutch Republic: Its Rise, Greatness, and Fall 1477-1806. Oxford 1995,713-726. Speziell zur englischen Entrüstung über die selbst Katholiken in den Niederlanden erwiesene Toleranz, die an sich schon von vielen als Abfall vom wahren Glauben gesehen wurde, siehe Pincus, Protestantism (wie Anm. 10), 88 f. I2 ) Timothy Venning, Cromwellian Foreign Policy. Basingstoke 1995, 161-171; vgl. Pincus, Protestantism (wie Anm. 10), 149-191.
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dauerte, wurde England naturgemäß von beiden Kriegsgegnern umworben. Im Rückblick mag es scheinen, als sei die Entscheidung Cromwells, auf die Seite Frankreichs zu treten, unvermeidlich gewesen. Die Kriegsreden, die er später hielt, erweckten tatsächlich diesen Eindruck. Es genügt, an die berühmte Rede Cromwells vom September 1656 bei der Eröffnung des Parlamentes zu erinnern. Hier hieß es: „Why truly your great enemy is the Spaniard. His is a natural enemy he is naturally so ... through that enmity that is in him against all that is of God that is in you ... this state is your enemy and is your enemy, as I told you, naturally by that antipathy that is in him providentially". 13 ) War hier, im Herbst 1656, von einer Feindschaft die Rede, die ganz unmittelbar dem Willen der göttlichen Vorsehung entsprach, so lagen die Dinge im Frühjahr und Sommer 1654 noch ganz anders. Die Debatten im Staatsrat 14 ) zeigen, daß auch ein Bündnis mit Spanien in England durchaus seine Befürworter hatte, zumal die Stuarts in den vergangenen Jahren in Paris mehr Unterstützung gefunden hatten als in Madrid oder Brüssel. Die Witwe Karls I., Henrietta Maria, war immerhin die Tante des jungen Ludwig XIV. Auch Cromwell selber, nicht nur die anderen Mitglieder des Staatsrates, zögerte 1654 zunächst noch, sich auf einen Krieg gegen Spanien einzulassen. Recht bald kam man jedoch zu dem Schluß, daß man in dem Kampf zwischen Spanien und Frankreich auf keinen Fall neutral bleiben dürfe. Denn dann hätte man damit rechnen müssen, daß die beiden Monarchien sich auf Englands Kosten einigten und womöglich gemeinsam eine Restauration der Stuarts unterstützten. Aufgrund ihrer Außenseiterrolle im überwiegend monarchisch regierten Europa konnte die englische Republik der „Königsmörder" an einem allgemeinen Frieden auf keinen Fall interessiert sein. Colonel Sexby, einer der außenpolitischen Berater des Staatsrates, brachte dies im Frühjahr 1654 auf 13 ) The Writings and Speeches of Oliver Cromwell. Ed. by Wilbur Cortez Abbott. 4 Vols. Cambridge, Mass. 1937-1947, hier Vol. 4, 261; vgl. die ähnliche Rede vom 25. Januar 1659: ebd. 712-721, bes. 712-716, w o von einer allgemeinen katholischen Verschwörung gegen den Protestantismus die Rede ist, an deren Spitze die beiden Zweige des Hauses Habsburg stünden. Dieser Rhetorik bediente sich Cromwell nicht nur im Parlament. Auch seine Befehle an seine Kommandeure und an die Flotte waren in der gleichen Sprache abgefaßt. Siehe dazu Hans-Christoph Junge, Flottenpolitik und Revolution. Die Entstehung der englischen Seemacht während der Herrschaft Cromwells. Stuttgart 1980, 285, der hier Cromwells Weisungen für den Befehlshaber des auf Jamaika stationierten Geschwaders in der Karibik vom Juli 1655 zitiert. Hier war davon die Rede, „the Lord himself has a controversy with your enemies; even with that Roman Babylon of which the Spaniard is the great underpropper". Junge wertet diese Rhetorik mit der Feststellung: „[Diese Zitate sind, R.A.] ein weiterer indirekter Beleg für die These von der Integrationsstrategie, die dem antispanischen Kurs zugrunde lag. Eine wirkungsvolle Demütigung Spaniens versprach aus der Sicht Cromwells eine Beruhigung der zahlreichen radikalen Heilserwarter, wenn nicht gar deren Frieden mit dem Regime des Protektors". u ) Zu den Debatten im Staatsrat siehe Junge, Flottenpolitik (wie Anm'. 13), 247-257; Venning, Policy (wie Anm. 12), 4 6 - 4 9 sowie 58-61.
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den Nenner: „the maine thing I hint at and desire your Highnesse to waygh, is the preventing a generali peace, which if accomplished will cause high words to be spoken abroad, which will very much heighten discontented spirits at home". 15 ) Vier Jahre später erklärte Cromwell seinem Parlament ganz in diesem Sinn: „should there be a peace made, that hath been and still is laboured and aimed at, a general peace, then will England be the general object of all the fury and wrath of all the enemies of God and our religion in the world". 16 ) Wenn man die englische Haltung zum Westfälischen Frieden analysiert, muß man stets im Auge behalten, daß ein allgemeiner europäischer Frieden, für den der Westfälische Friede zumindest ein Fundament gelegt hatte, so lange nicht im englischen Interesse war, wie sich die Republik durch royalistische Umsturzpläne mit möglicher ausländischer Unterstützung bedroht sah. Gegen eine Neutralitätspolitik sprachen aber auch noch andere Überlegungen. Während des Bürgerkrieges hatte man eine stehende Armee von beachtlicher Größe und eine schlagkräftige Flotte aufgebaut. Eine Abrüstung konnte man sich nicht leisten, solange weiter mit Umsturzversuchen und Aufständen zu rechnen war, aber es war andererseits auch unwahrscheinlich, daß sich diese Streitkräfte auf Dauer durch Steuern finanzieren ließen, wenn man nicht ihre Existenz gegenüber einem wie auch immer zusammengesetzten Parlament durch einen Krieg rechtfertigen konnte; abgesehen davon, daß ein Krieg auch ausländische Subsidien und eventuell, namentlich bei überseeischen Unternehmungen gegen die spanischen Kolonien, reiche Kriegsbeute versprach. 17 ) Neben finanziellen Erwägungen stand aber auch das Sendungsbewußtsein, das die englischen Republikaner und insbesondere Cromwell auszeichnete, einer untätigen Neutralitätspolitik entgegen. Cromwell faßte dies im Hinblick auf das geplante Unternehmen gegen Spanien im Juli 1654 in die Worte: „Wee consider this attempt, because wee thinke God has not brought us hither where wee are, but to consider the worke that wee may doe in the world as well as at home, and to stay from attempting it untill you have superfluitye is to putt it off for ever". 18 ) 15 ) The Clarke Papers. Selections from the Papers of William Clarke, Secretary to the Council of the Army 1 6 4 7 ^ 9 and to General Monck and the Commanders of the Army in Scotland 1651-60. Ed. by Charles Harding Firth. 4 Vols. London 1891-1901, hier Vol. 3, 197. 16 ) The Writings of Oliver Cromwell (wie Anm. 13), Vol. 4, 715, Rede vom 25. Januar 1658; hier weist Cromwell auch auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Frankreich hin, um diesen allgemeinen Frieden zu verhindern. 17 ) Zu diesen Überlegungen siehe „Edward Montague's notes on the debate in the Protector's Council concerning the last Indian expedition": The Clarke Papers (wie Anm. 15), Vol. 3, 203-206. Vgl. Junge, Flottenpolitik (wie Anm. 13), 258-286. 18 ) The Clarke Papers (wie Anm. 15), Vol. 3,207; dieses Argument Cromwells richtete sich gegen General Lambert, der gegen einen Krieg mit Spanien war. Zu Cromwells Glaube, die Vorsehung auf seiner Seite zu haben und das Werkzeug Gottes zu sein, aber auch zu seinen
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Wenn man aber überhaupt Krieg führen wollte, überwogen die Argumente für einen Krieg gegen Spanien. Das spanische Kolonialreich schien durch die englische Flotte leicht anzugreifen - dies erwies sich allerdings weitgehend als Fehlkalkulation Subsidien waren andererseits von der bankrotten spanischen Monarchie kaum zu erwarten, während Frankreich nach dem Ende der Fronde wieder über finanzielle Reserven zu verfügen schien. Schließlich, dieser Gesichtspunkt wurde von Cromwells Staatssekretär Thurloe nach der Restauration in einem Memorandum stark betont, war eine spanische Unterstützung für Karl II., mit der im Fall eines Krieges jedenfalls zu rechnen war, weniger bedrohlich als eine französische. Da Spanien als Hochburg des extremen Katholizismus und alter Feind Englands galt, war zu hoffen, daß sich Karl II. durch eine Zusammenarbeit mit Spanien selbst diskreditieren würde 19 ), während das zwar katholische, aber tolerantere Frankreich den Stuarts unter den Hugenotten rekrutierte protestantische Soldaten zur Verfügung stellen konnte, die in England weit weniger Schrecken auslösen würden als spanische oder gar irische Truppen. 20 ) Wie so oft in der Außenpolitik des Protektorats, traf hier eine pragmatische Interessen- und Sicherheitspolitik mit ideologisch-konfessionellen Motiven zusammen, denn daß Spanien, anders als Frankreich, nicht bereit war, Protestanten - und seien es auch nur englische Kaufleute - in irgendeiner Weise Toleranz zu gewähren, scheint es zumindest Cromwell erleichtert zu haben, zu der Überzeugung zu gelangen, daß tatsächlich Spanien und nicht Frankreich das Werkzeug des Antichristen in dieser Welt sei. 2 1 )
gelegentlichen Selbstzweifeln siehe: Blair Worden, Providence and Politics in Cromwellian England, in: P & P 109, 1985, 5 5 - 9 9 ; ferner ders., Oliver Cromwell and the Sin of Achan, in: Derek Beales/Geoffrey Best (Eds.), History, Society and the Churches. Essays in Honour of Owen Chadwick. Cambridge 1985, 125-145; sowie Barry Coward, Oliver Cromwell. London 1991, 132-137. 19 ) In diesem Sinn ist auch die Stellungnahme Cromwells in der Rede von 1656 zu verstehen, in der die Identität des spanischen, des „papistischen" und des royalistischen Interesses festgestellt wird und überdies Spanien als Instrument des Antichristen im eschatologischen Endkampf erscheint. Es heißt dann: „And truly he [the Spaniard, R.A.] hath an interest in your bowels. The Papists in England they have been accounted ever since I was born, Spaniolised. There is not a man amongst us can hold a face against it. They never regarded France, they never regarded any other Popish State"; und im folgenden dann die Feststellung: „can we think that Papists and Cavaliers shake not hands in England?" (The Writings of Oliver Cromwell [wie Anm. 13], Vol. 4, 264). 20 ) Thurloes Memorandum nach B[ritish] L[ibrary], Stowe Mss. 185, fol. 187 r ff., hier fol. 189 v : „and if his Majesties restoration should have been attempted upon a Spanish interest it was thought there could not be made a better state of the case nor a more effectual means found out for the uniting the divided interests of this Kingdom in opposition". Zur Einschätzung des Memorandums siehe Venning, Policy (wie Anm. 12), 32. Eine andere Version des Memorandums, das in verschiedenen Fassungen überliefert ist, findet sich in: The State Papers of John Thurloe. Ed. by Thomas Birch. 1 Vols. London 1742, hier Vol. 1, 759-763. 21 ) Siehe The Clarke Papers (wie Anm. 15), Vol. 3, 207 (Debatte vom 20. Juli 1654), und Venning, Policy (wie Anm. 12), 57.
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Dabei bleibt freilich die Feststellung richtig, daß die Entscheidung für den Krieg gegen Spanien, die im Sommer 1654 fiel, jedoch erst im Herbst und Winter durch eine Seexpedition gegen Santo Domingo umgesetzt wurde22), zunächst weitaus weniger durch einen prinzipiellen Antikatholizismus und durch Begeisterung für die Protestant Cause motiviert war, als dies im nachhinein scheinen mochte. 23 ) Nachdem die Entscheidung einmal gefallen war, stellte die Regierung des Protektorats, allen voran Cromwell, den Krieg allerdings schon bald als Teil eines eschatologischen Kampfes zwischen Licht und Finsternis dar.24) Auch hier spielten natürlich Gesichtspunkte der Propaganda eine Rolle. Angesichts der geringen Bereitschaft der englischen Bevölkerung, weiterhin so hohe Steuern zu zahlen wie in den vergangenen Jahren, und vor allem angesichts des Legitimitätsdefizits der Republik war ein antispanischer Kreuzzug eine ideale Rechtfertigung für die Politik und die Steuerforderungen des Protektorats, ja für seine bloße Existenz. 25 ) Cromwell hatte allerdings in außenpolitischen ebenso wie in innenpolitischen Fragen das große Talent, selber - zumindest im nachhinein - daran zu glauben, daß die oft genug machtpolitisch motivierten Entscheidungen, die er traf, einem höheren göttlichen Plan entsprachen und er selber in all diesen Dingen das Werkzeug der Vorsehung war.26)
22
) Junge, Flottenpolitik (wie Anm. 13), 273-279. ) Zu den Grundprinzipien der Außenpolitik Cromwells, die in der Praxis stets einen stark pragmatischen Zug behielt, vgl. auch Charles P.N. Korr, Cromwell and the New Model Foreign Policy. Berkeley 1977, 196-211; sowie Roger Crabtree, The Idea of a Protestant Foreign Policy, in: Ivan Roots (Ed.), Cromwell. A Profile. New York 1973, 160-189; vgl. ferner Derek Hirst, The Lord Protector, 1653-1658, in: John Morrill (Ed.), Oliver Cromwell and the English Revolution. London 1990, 119-148. 24 ) Siehe oben und Anm. 13. Diese Selbstdeutung der englischen Politik dominiert auch die von dem Dichter und Latin Secretary des Protektorats, Milton, konzipierten offiziellen Schreiben an die europäischen Mächte: Letters of State written by Mr. John Milton from the Year 1649 till the year 1659. Ed. by Edward Philips. London 1694. Siehe etwa Cromwell an Karl X. von Schweden, Februar 1655, wo dem schwedischen König zur Eroberung Polens gratuliert wird, durch die er ein „Horn vom Haupt der Bestie" (gemeint ist das Tier der Apokalypse) abschlage (ebd. 174f.). Zu Miltons Tätigkeit und Staatsschreiben vgl. Thomas R. Fallon, Milton in Government. Pittsburgh, Pennsylvania 1993. 25 ) Vgl. die Äußerung des schwedischen Gesandten Bonde vom 18. Juli 1656: „I cannot help deducing from their general behaviour [the English, R.A.] that the Lord Protector must have as his secret maxim a wish to see England in some danger, and the Protestant interest likewise, so that this state of affairs may the better advance his private interests with the parliament" (Roberts [Ed.], Diplomats [wie Anm. 8], 319). Vgl. den Bericht vom 3. Juli 1656: „nothing was more calculated to cement the feelings of his subjects with his own than that they should see that he was really concerned for the honour of God and the welfare of the country" (ebd. 313). 26 ) Zum Vorsehungsglauben Cromwells siehe oben Anm. 18. 23
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II Die Protestant Foreign Policy, mit der der Name Cromwell meist assoziiert wird, war also recht vielschichtig und darf keineswegs in einem grundsätzlichen Gegensatz zu einer rationalen Interessenpolitik gesehen werden. Nachdem die Entscheidung für den Kampf gegen Spanien gefallen war, mußte dies allerdings auch Rückwirkungen auf die Haltung Englands gegenüber der Friedensordnung haben, die 1648 in Mitteleuropa begründet worden war. Man kann freilich nicht davon ausgehen, daß die näheren Bestimmungen der Westfälischen Friedensverträge in England generell bekannt waren. Nicht nur weite Kreise der breiteren Öffentlichkeit, sondern auch hohe Amtsträger des Protektorats befanden sich noch Mitte der 1650er Jahre in Unkenntnis über die Bestimmungen des Westfälischen Friedens. Bezeichnend ist hier eine Passage aus Bulstrode Whitelockes Geschichte Englands während seiner Lebenszeit, den Memorials. Whitelocke war ein hochrangiger Jurist 27 ), der im Herbst 1653 sogar für einige Monate als außerordentlicher Gesandter nach Schweden geschickt wurde und 1655/56 an den Verhandlungen mit Schweden in London beteiligt war. Im Zusammenhang mit den Bemühungen des schwedischen Gesandten Christer Bonde, im Frühjahr 1656 ein Bündnis mit England zustande zu bringen, erwähnt Whitelocke den angeblichen schwedischen Vorschlag, den Frieden von Augsburg zur Grundlage dieses Bündnisses zu machen. 28 ) Im Hinblick auf die Tatsache, daß der Augsburger Religionsfrieden 1555 in Kraft getreten war, ist es erstaunlich, daß Schweden auf diese Vereinbarung, an der es nicht beteiligt war, zurückgreifen wollte. Bei einem Blick in die gleichzeitigen schwedischen Gesandtenberichte entdeckt man freilich, daß dies auch gar nicht der Fall war. Vielmehr berief sich der schwedische Gesandte auf den Vertrag von Osnabrück 29 ), von dem Whitelocke aber augenscheinlich noch nie etwas gehört hatte, so daß er ihn mit dem Augsburger Religionsfrieden verwechselte. Whitelocke war sicherlich kein Berufsdiplomat, aber über solche verfügte die englische Republik ohnehin kaum, und seine Ignoranz im 27
) Zeitweilig gehörte Whitelocke zu den Kommissaren für das Große Siegel, die die Funktionen des Lordkanzlers wahrnahmen; siehe The Diary of Bulstrode Whitelocke 1605-1676. Ed. by Ruth Spalding. Oxford 1990, Einleitung, 9, 14-17, und dies., The Improbable Puritan. London 1975. Vgl. den Eintrag in: The Dictionary of National Biography. Vol. 21. N D London 1938, 110-116. 28 ) Bulstrode Whitelocke, Memorials of English Affairs (1625-60). 4 Vols. Oxford 1853, hier Vol. 4, 238: „I asked why his Escellency put the business upon maintenance of the Treaty of Augsburg, whereto England was no party and why rather it might not be against the House of Austria". Ähnlich die entsprechende Passage in den Tagebüchern Whitelockes, auf denen die Memorials hier beruhen: The Diary of Bulstrode Whitelocke (wie Anm. 27), 435 (7. April 1656). 29 ) Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 276 (Unterredung Whitelocke - Bonde vom April 1656), vgl. 277 (Bericht vom 18. April 1656).
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Hinblick auf die politische Ordnung Mitteleuropas scheint in England selbst in den Kreisen der hohen Amtsträger des Protektorats keineswegs ein Einzelfall gewesen zu sein. 30 ) Dort freilich, wo der Friedensschluß in England zur Kenntnis genommen wurde, stieß er nicht unbedingt auf begeisterte Zustimmung. Zumindest in bestimmten radikalprotestantischen Kreisen fand die Kritik, die auch in Deutschland besonders von seiten der erbländischen Exulanten am Frieden geübt wurde, ihr Echo. John Dury, ein aus einer schottischen Familie stammender presbyterianischer Geistlicher, der sich, von den Jesuiten aus Elbing vertrieben, in England niedergelassen hatte, veröffentlichte etwa 1650 zusammen mit einem anderen Exulanten aus Elbing, Samuel Hartlib, die sogenannte „Clavis Apocalyptica". 31 ) Dieser Schlüssel zur Offenbarung war die Übersetzung eines deutschen Traktates, der aus dem Kreis um Johan Amos Comenius stammte und möglicherweise von dem schlesischen Mystiker Abraham von Frankenberg verfaßt worden war. 32 ) Die „Clavis Apocalyptica" sah in der Protestantenverfolgung in den österreichischen Erblanden, deren Beginn auf das Jahr 1598 datiert wurde, die letzte große Verfolgung des wahren Glaubens vor dem Ende der Welt. Diese Verfolgung, die der Westfälische Frieden nicht verhindert, sondern vielmehr noch legitimiert habe, erreiche jetzt in Schlesien ihren letzten großen Höhepunkt. 33 ) John Durys Einleitung zur „Clavis Apocalyptica" verriet zwar eine gewisse Distanz zu der heilsgeschichtlichen Weltsicht des Traktats34), aber der Gedanke, der Westfälische Frieden habe die ge-
30
) Michael Roberts, Cromwell and the Baltic, in: EHR 76, 1961, 402-446, hier 410, Anm. 5. 31 ) Samuel Hartlib/John Durie, Clavis Apocalyptica or a Prophetical Key Written by a German D[ivine] and now Translated out of High-Dutch. London 1650. Zu Hartlib und Dury siehe Hugh R. Trevor-Roper, Drei Ausländer: Die Philosophen der puritanischen Revolution, in: ders., Religion, Reformation und sozialer Umbruch. Die Krisis des 17. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1970 (englische Originalausgabe unter dem Titel: Religion, the Reformation and Social Change. London 1967), 221-270; sowie George H. Turnbull, Dury, Hartlib and Comenius: Gleanings from Hartlib's Papers. Liverpool 1947; J.M. Batten, John Dury, Advocate of Christian Reunion. Chicago 1944, und Anthony Milton, „The Unchanged Peacemaker"? John Dury and the Politics of Irenicism in England, 1628-1643, in: Mark Greengrass/Michael Leslie/Timothy Raylor (Eds.), Samuel Hartlib and Universal Reformation: Studies in Intellectual Communication. Cambridge 1994, 95-117. Für den HartlibKreis sind auch die anderen Beiträge zu diesem Sammelband von Bedeutung. 32 ) So Katherine R. Firth, The Apocalyptic Tradition in Reformation Britain 1530-1645. Oxford 1979, 243, Anm. 4. Zu Frankenberg siehe den Eintrag in: Neue Deutsche Biographie [NDB], Bd. 5. Berlin 1971, 348-350. 33 ) Hartlib/Durie, Clavis (wie Anm. 31), 80f., bes. 81: „When the treaties of peace shall bee fully executed, then shall the forreign nations which have maintained the Evangelical cause cleerly discover what they have neglected in that treatise and conclusion of p e a c e , . . . and how manie they have in the hereditarie provinces shut up and excluded by the pacification from the exercise of religion, from libertie of conscience . . . and deprived them of all hope, which before this pacification they yet had". 34 ) Die Einleitung Durys trug den Titel: An Epistolary Discourse from Mr. John Durie to
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meinsame protestantische Sache eigentlich verraten, war ihm doch keineswegs fremd. So hob er in einer 1655 gedruckten, für deutsche Leser bestimmten Druckschrift ebenfalls hervor, der Friede habe die Protestanten in den Erblanden „der Jesuiten Graussamkeit überlassen". 35 ) Dies waren nicht einfach unverbindliche Äußerungen eines Theologen ohne politischen Einfluß. Dury kann durchaus als einer der Vordenker der konfessionellen Außenpolitik Cromwells während des Protektorats gelten und bemühte sich mit Unterstützung des Protektors um eine Vereiniung aller protestantischen Kirchen unter englischer Führung. 36 ) Die Verfolgung der erbländischen Protestanten wurde von Cromwell auch in offiziellen diplomatischen Schreiben und öffentlichen Reden oft genug erwähnt, um damit und mit ähnlichen katholischen „Ausschreitungen" die Notwendigkeit eines engeren Zusammenschlusses aller evangelischen Staaten zu begründen. 37 ) Waren die Bestimmungen des Westfälischen Friedens aus englischer Sicht an sich schon unbefriedigend, so schien auch die Zuverlässigkeit der begrenzten Zugeständnisse, die von katholischer Seite in Osnabrück immerhin gemacht worden waren 38 ), zweifelhaft. Noch einmal sei hier Dury zitiert. In einer letzten großen Streitschrift für die Protestant Cause und die Union der evangelischen Kirchen wies er 1659 darauf hin, die Lage der Protestanten in Deutschland sei seit 1648 eigentlich immer prekärer geworden. Wegen des päpstlichen Protestes gegen den Westfälischen Frieden sei nicht damit zu Mr. Samuel Hartlib concerning this Exposition of the Revelation, und das Datum: 28. November 1650. Vgl. dazu Firth, Apocalyptic Tradition (wie Anm. 32), 243-245. 35 ) [John Dury,] Bewegliche Ursachen welche die fürnembsten Häupter der Republik ... in England bewegt haben, ein Religions-Correspondentz mit den Protestierenden ausserhalb GrosBritannien zu suchen. O.O. 1655, 9, hier zit. nach dem Exemplar in der Bodleian Library, Oxford, Western Mss. 33.557 (Ms. Lat. R.c.8). 36 ) Zu Dury vgl. Anm. 8 und bes. Batten, Dury (wie Anm. 31), 143 f. 37 ) Vgl. z.B. Cromwell an KarlX. von Schweden, August 1656: Letters of State (wie Anm. 24), 218-222, hier 220: „The Protestants have enemies everywhere enow to spare,... they never were known to have conspir'd more perniciously to our destruction, witness the valleys of Piemont, still reaking with the blood and slaughter of the miserable, witness Austria, lately turmoil'd with the Emperor's edicts and proscriptions, witness Switzerland". Ähnliche Anspielungen auf die erbländische Protestantenverfolgung finden sich auch in dem Brief an die Generalstaaten vom August 1656: ebd. 207, und an Friedrich III. von Dänemark vom Dezember 1656: ebd. 243. Vgl. auch die Äußerung Cromwells in seiner Rede vom 25. Januar 1658 (The Writings of Oliver Cromwell [wie Anm. 13], Vol. 4, 713), wo ebenfalls die Protestantenverfolgung in den Erblanden erwähnt wird. Zur Verfolgung der Waldenser in Savoyen und ihren Rückwirkungen auf die Politik Cromwells sowie die allgemeine Furcht vor einer katholischen Verschwörung in England vgl. Venning, Policy (wie Anm. 12), 91-101, und Korr, Foreign Policy (wie Anm. 23), 148-157. 38 ) Von diesen ist auch im Schreiben Cromwells an Karl Gustav von Schweden vom 26. Oktober 1656 die Rede (Letters of State [wie Anm. 24], 126-128, hier 127). Hier wird der Frieden von Münster erwähnt, „which it was thought would have proved an asylum and safeguard for all the Protestants", aber auch betont, die „Papists" nähmen ihre Verfolgung der Protestanten in Deutschland wieder auf, und „return to their intermitted for some time oppressions and their pristine violencies".
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rechnen, daß sich der Kaiser und die katholischen Fürsten an den Frieden halten würden. Überdies träten immer mehr protestantische Dynastien zum Katholizismus über - auch vom Kurfürsten von Sachsen sei dies für die nahe Zukunft zu erwarten - , und auch dies erschwere das Überleben des Protestantismus in Deutschland. 39 ) Zumindest mit seinen Sorgen über den päpstlichen Protest gegen den Westfälischen Frieden stand Dury in England nicht allein. In den Verhandlungen, die der bereits erwähnte schwedische Gesandte Bonde 1655 mit Cromwell über ein Bündnis führte, wies er auf den Protest des päpstlichen Vertreters bei den Friedensverhandlungen, der immerhin mittlerweile Papst geworden war, ausdrücklich hin, und Cromwell stimmte ihm sofort zu, daß diesem Protest eine „enorme Bedeutung" zukomme. Zusammen mit den Waldenserverfolgungen in Savoyen und ähnlichen Vorkommnissen sei dieser Protest ein Zeichen, daß die Katholiken den Plan einer völligen Vernichtung des Protestantismus noch nicht aufgegeben hätten. 40 ) Zusammenfassend kann man sagen, daß die englische Haltung zum Westfälischen Frieden einerseits durch Gleichgültigkeit und Unwissenheit, andererseits durch eine nicht zuletzt konfessionell motivierte Skepsis geprägt war. Diese Skepsis richtete sich gegen die Zugeständnisse, die der katholischen Seite gemacht worden waren, aber auch gegen die, wie man meinte, offensichtliche Gefährdung jener recht begrenzten Erfolge, die die Protestanten hatten erlangen können, durch eine erneute katholische Verschwörung, für die man allenthalben Anzeichen zu entdecken glaubte.
III Die entscheidende Frage war jedoch, ob England in irgendeiner Weise einen Beitrag zu einer Revision der Friedensverträge leisten konnte, oder zumindest zur Verteidigung jener Bestimmungen, die für die Protestanten günstig waren. Daß es dazu berufen sei, daran hatten viele der radikalen Protestanten in England keinen Zweifel, denn hier habe sich Gottes Gnade besonders deutlich gezeigt - aber zugleich sei England durch den ganz eigenen Weg, den es im Gefolge der kirchlichen und politischen Umwälzung beschritten habe („a pe-
39 ) Dury, Interest (wie Anm. 8), 15-18. Auch wenn die Dresdner Wettiner erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts konvertieren sollten: völlig falsch war Durys Einschätzung der Lage nicht. 40 ) Bericht vom 23. August 1655: Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 134; Vgl. Peter Coyets Bericht vom 18. Mai 1655: ebd. 70, in dem der Protest Chigis gegen den Westfälischen Frieden ebenfalls als ein Grund für den englischen Glauben an eine allgemeine, von Rom geführte katholische Verschwörung gegen die Protestanten angeführt wird. Zur englischen Angst vor einer katholischen Verschwörung vgl. auch Anm. 37 und 38.
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culiar way of acting against the world and against Antichrist", wie John Dury es nannte), in die Gefahr geraten, unter den Protestanten isoliert zu werden. Diese Isolation bedrohe die Godly Cause in England und damit die ganze protestantische Christenheit, deren wichtigstes Bollwerk die britische Republik sei, denn „it is without doubt, that the Godly party of this nation is most in the eye of the enemye and when the universall breach (which is near at hand) between Protestants and Papists shall be made, it will be must violently put at". Nur in der Verbindung der Godly in England mit den anderen europäischen protestantischen Kirchen könne für England selbst, aber auch für diese Kirchen Sicherheit liegen. Wie Dury es formulierte: „Help us to advance thy Kingdom in the communion of the Saints towards all thy Churches abroad whose outward safety is wrapp'd up in our peace and settlement". 41 ) Allerdings waren die Voraussetzungen für eine politische oder gar militärische Intervention Englands auf dem Kontinent und insbesondere in Deutschland, die den Commonwealth in die Lage versetzt hätte, wirklich die Führung des europäischen Protestantismus zu übernehmen, auch nach dem Ende des Krieges mit den Niederlanden alles andere als günstig. Eine solche Intervention war freilich zunächst auch nicht beabsichtigt, denn im Krieg gegen Spanien, für den man sich im Sommer 1654 entschieden hatte, sollte der Schwerpunkt der Operationen in der Neuen Welt, inbesondere der Karibik, liegen. Griff, was freilich zu erwarten war, der Krieg auf Europa über, war hier zunächst an eine eher defensive Kriegführung gedacht. 42 ) Cromwell war darauf bedacht, seine Position durch Allianzen mit anderen protestantischen Mächten abzusichern, gegen royalistische Umsturzversuche, aber auch für den Fall, daß der begrenzte Krieg gegen die spanischen Habsburger doch noch zu jenem apokalyptischen Endkampf werden sollte, den er selbst und die englische Propaganda nicht selten heraufbeschworen. Neben den Niederlanden, die seit dem 1648 geschlossenen Frieden mit Spanien aber als eher unzuverlässig gal-
41
) Dury, Interest (wie Anm. 8), 19-21, 28. Wie Dury betonte, „The Godly party living in this Commonwealth doth stand in more need of this correspondence [with other churches, R.A.] for the welfare of their cause and for their own safety then any other churches do", denn „if our enemies be able ... to represente us onto the world and to the professors of the Gospel as giddy and unsettled men, ... the course of Christian and civil liberty which we have undertaken ... cannot prosper but must needs at last miscarry" (19f.). Hier wird deutlich, wie sehr die dezidiert protestantische Außenpolitik, deren Vordenker Dury war, als Ausgleich für das Legitimitätsdefizit des revolutionären Regimes gedacht war, womit sich zugleich ein deutlicher politischer und konfessioneller Führungsanspruch in Europa verband. Dury selbst plädierte allerdings eher für eine friedliche Union der protestantischen Kirchen unter englischer Führung auf einer eindeutig religiösen Grundlage und nicht für eine politische oder gar militärische Intervention, die nur zu einem massiven Gegenschlag der Katholiken führen könne: „They will bee on horseback before wee can know where to find our horse" (Dury an Whitelocke, Kassel, 15. April 1656: B[ritish] L[ibrary], Add. Mss. 32.093, fol. 341 v ). 42 ) Venning, Policy (wie Anm. 12), 109f.
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ten, kam vor allem jene Macht als Bündnispartner für England in Frage, die im Dreißigjährigen Krieg zum eigentlichen Retter des deutschen Protestantismus geworden war: Schweden. Nach Schweden hatte man schon 1653 Bulstrode Whitelocke als Gesandten geschickt, um ein Handels- und Freundschaftsabkommen zustande zu bringen. 43 ) Whitelocke hatte noch mit Königin Christine verhandelt. Durch ihre Abdankung im Frühjahr 1654 und die Thronbesteigung Karls X. veränderten sich jedoch die Rahmenbedingungen für die englischschwedischen Beziehungen. Nun bestand auch auf schwedischer Seite ein Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit England, vor allem, seit der schwedische König durch seinen Einfall in Polen 1655 die bestehende politische Ordnung im Ostseeraum in Frage gestellt hatte und Rückendeckung gegen mögliche Verbündete Polens und prinzipielle Gegner einer weiteren schwedischen Machtausdehnung, etwa Dänemark oder die Niederlande, suchen mußte. Ein mögliches englisch-schwedisches Bündnis hätte zur Grundlage einer umfassenden Allianz der protestantischen Staaten Europas werden können, mit Rückwirkungen auch auf die Lage in Mitteleuropa und auf die Durchsetzung oder mögliche Revision des Westfälischen Friedens. In England gab es durchaus eine gewisse Sympathie für Karl X., der als Fortsetzer der Politik Gustav Adolfs, des großen protestantischen Heros, gesehen wurde. 44 ) Andererseits sah man aber auch die Gefahr eines Konfliktes des schwedischen Königs mit anderen protestantischen Staaten, die zu England freundschaftliche Beziehungen unterhielten, insbesondere mit den Niederlanden und Brandenburg. 45 ) Die englisch-schwedischen Verhandlungen waren daher nicht ganz unkompliziert. Der zeitweilige Vertreter Schwedens in England, Peter Coyet, hatte bereits im Mai nach Stockholm gemeldet, daß man in England schon aus innenpolitischen Gründen zumindest den Eindruck erwecken wolle, an einer allgemeinen protestantischen Allianz zu arbeiten. 46 ) Der außerordentliche Gesandte Graf Bonde war ebenfalls entschlossen, die konfessionelle Karte zu spielen; dies war allerdings nicht nur Taktik. Bonde scheint wirklich mit der 43
) Journal of the Swedish Ambassy in the Years MDCLIII and MDCLIV from the Commonwealth of England, Scotland and Ireland written by the Ambassador, the Lord Commissioner Whitelocke. Ed. by Charles Morton. 2 Vols. London 1772. 44 ) Zu Cromwells Haltung siehe den Bericht Bondes vom 23. August 1655: Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 133. Bonde zitiert Cromwell mit der Äußerung, „that all the days of his life, even when he was still a young man, he had been devoted to King Gustavus the Great, of glorious memory", und dem Bekenntnis, er hoffe, Karl X. werde das Werk Gustav Adolfs vollenden (133, 135). Vgl. zur britischen Haltung gegenüber Karl X. auch: The Letters and Journals of Robert Baillie. 3 Vols. Edinburgh 1842, hier Vol. 3 , 3 7 1 (ca. Juni 1658); vgl. Roberts, Baltic (wie Anm. 30), 406. 45 ) Zur Ostseepolitik Cromwells siehe Roberts, Baltic (wie Anm. 30), und Venning, Policy (wie Anm 12), 190 ff. 46 ) Bericht Coyets vom 18. Mai 1655: Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 70.
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Möglichkeit eines neuen gesamteuropäischen Religionskrieges gerechnet zu haben und war somit von der Vorstellungswelt seiner englischen Verhandlungspartner gar nicht so weit entfernt, vielleicht im Gegensatz zu Karl X. selber. 47 ) In England weckte der Vormarsch Karls X. in Polen jedenfalls große Hoffnungen. Man sprach von der Möglichkeit einer gleichzeitigen Landung englischer Truppen in- Flandern. England und Schweden könnten dann gemeinsam die Macht des Papsttums zerstören. Der schon zitierte Bulstrode Whitelocke sah sogar eine Chance, das habsburgische Kaisertum nach dem Tode Ferdinands III. durch ein schwedisches abzulösen. 48 ) Cromwell scheint diese eher phantastischen Vorstellungen nicht geteilt zu haben. Auch ihm kam es aber darauf an, Karl X. in einen Krieg gegen den Kaiser zu verwickeln, und er schlug eine entsprechende Defensiv- und Offensivallianz der beiden Staaten vor. 49 ) Damit sollte ohne Zweifel auch die Gefahr einer wirksamen Unterstützung der spanischen Habsburger durch Ferdinand III. vermindert werden. Karl X. hatte aber kein Interesse daran, sich ohne Not auf einen Krieg mit dem Kaiser einzulassen. Er ließ stattdessen vorschlagen, ein Bündnis zu schließen, dessen Zweck die Verteidigung des Friedens von Osnabrück sei. Dies hatte den Vorteil, daß damit die schwedischen Besitzungen in Deutschland auch gegen Angriffe protestantischer Staaten, etwa von Seiten Dänemarks, gesichert worden wären. Wie Bonde meinte, blieben dann immer noch genug Möglichkeiten für eine Offensive gegen das Haus Habsburg, da der Friede von Osnabrück von Seiten der Katholiken und des Kaisers ja bereits vielfach gebrochen worden sei, was allerdings nicht näher begründet wurde. 50 ) In England begriff man allerdings, daß eine Garantie des Vertrages von Osnabrück und damit auch der schwedischen Besitzungen im Reich England in einen Krieg gegen Dänemark und unter Umständen auch gegen die Niederlande hätte hineinziehen können. Schon deshalb ging man auf diese Idee nicht ein. Attraktiv an einem Bündnis zur Verteidigung des Westfälischen Friedens konnte allenfalls die Tatsache sein, daß der Vertrag von Münster dem Kaiser 47
) Ebd. 172 (12. Oktober 1655), und 188 (Bericht vom 2. November 1655). Vgl. Roberts, Baltic (wie Anm. 30), 408. 48 ) Bericht Bondes vom 9. November 1655: Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 197, und vom 14. Dezember 1655: ebd. 218; zu den Möglichkeiten eines protestantischen Kaisertums in dieser Zeit siehe Heinz Duchhardt, Protestantisches Kaisertum und Altes Reich. Wiesbaden 1977, 2 0 4 - 2 2 0 , bes. 213 (zur englischen Politik). 49 ) Bericht Bondes vom 11. Januar 1656: Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 2 3 4 - 2 3 8 , und vom 1. Februar 1656: ebd. 2 4 4 - 2 5 0 . Vgl. Venning, Policy (wie Anm. 12), 194-201. 50 ) Bericht Bondes vom 18. April 1656: Roberts (Ed.), Diplomats (wie Anm. 8), 2 7 7 - 2 8 0 . Bondes Begründung dafür, daß der Vertrag von Osnabrück die Grundlage für das englischschwedische Bündnis abgeben solle, war: ,,i) since nomen religionis would be too éclatant; (ii) the peace binds the emperor to grant freedom of religion to calvinists; (iii) and forbids him to assist Spain . . . (v) its violation is a justa causa belli in the eyes of both God and men; (vi) that the catholics had in facted sinned so much that way, that we had justam causam belli whenever an opportunity presented itself to avail ourselves of it" (ebd. 278).
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Mächte
verbot, in die Kriegshandlungen im Burgundischen Reichskreis zugunsten Spaniens einzugreifen. Auch diese Bestimmung hätte ihre aktuelle Bedeutung erst mit dem Einsatz englischer Truppen in Flandern erhalten. Das Bündnis mit Frankreich, das man im März 1657 abschloß, war auf dieses direkte Engagement englischer Truppen auf dem Kontinent berechnet 51 ), und entsprechend verstärkte sich auch das Interesse Englands und des englischen Staatsrates an den Vorgängen in Deutschland. Man erwog nun, sich von Schweden das Herzogtum Bremen als Gegenleistung für eine eventuelle Waffenhilfe abtreten zu lassen. 52 ) Cromwell, soweit es ihm denn mit dieser Idee ernst war, ging es offenbar darum, einen Brückenkopf auf dem Kontinent zu gewinnen, um auf diese Weise mögliche Verbündete und Protektoren der englischen Royalisten einschüchtern und selber Verbündete gewinnen zu können. Angesichts der kriegerischen Verwicklungen zwischen Dänemark und Schweden konnte der Besitz Bremens aber auch ein Mittel sein, die Niederlande von einer direkten Unterstützung des befreundeten Dänemark abzuhalten. 53 ) Etwa zur gleichen Zeit nahm das Interesse an den Vorgängen in Deutschland noch aus einem anderen Grunde zu. Der Tod Ferdinands III. im Frühjahr 1657 hatte im Heiligen Römischen Reich eine Thronvakanz geschaffen. In England erwog man, eine protestantische Thronkandidatur zu unterstützen. Auch wenn sich ein protestantischer Kandidat wie etwa der Kurfürst von Sachsen nicht durchsetzen ließ, konnte ein Krieg, der aus einer umstrittenen Kaiserwahl hervorging, doch die Macht des Hauses Habsburg endgültig zerstören, wie zumindest dem Protektor nahestehende Kreise hofften. 54 ) Kam es auch dazu nicht, war doch vielleicht die Wahl eines gemäßigten Katholiken durchsetzbar. Jedenfalls verband man in England und Schottland große Hoff51
) Korr, Foreign Policy (wie Anm. 23), 182-186. Korr betont, daß Cromwell durch die Erwerbung Dünkirchens, die in dem Bündnis vorgesehen war, auch ein Faustpfand gegen Frankreich in die Hand bekommen wollte, vor allem für den Fall eines von ihm befürchteten Ausgleichs zwischen Frankreich und Spanien. 52 ) Samuel v. Pufendorf, Sieben Bücher von denen Thaten Carl Gustavs Königs in Schweden. 2 Bde. Nürnberg 1697, hier Bd. 1, 378, 381, 389f. (Juli, November 1657). Vgl. Wolfgang Michael, Oliver Cromwell. 2 Bde. Berlin 1907, hier Bd. 2, 168f„ 223f. 53 ) Roberts, Baltic (wie Anm. 30), 430 f.; vgl. Charles Harding Firth, The Last Years of the Protectorate. 2 Vols. London 1909, hier Vol. 1, 320; und Venning, Policy (wie Anm. 12), 209. 54 ) Venning, Policy (wie Anm. 12), 133-136. Für die Hoffnungen radikaler britischer Protestanten im Zusammenhang mit der Thronvakanz im Reich und den schwedischen Erfolgen des Jahres 1657/58 siehe The Letters of Robert Baillie (wie Anm. 44), Vol. 3 , 3 7 0 f . (ca. Juni 1658), wo Baillie (ein schottischer Geistlicher) schrieb: „It seems no hard matter to get the Imperiall crowne and tume the Ecclesiastick Princes into Secular Protestants", und den Brief General Fleetwoods an Henry Cromwell, den irischen Statthalter, vom 21. Juni 1658: The State Papers of John Thurloe (wie Anm. 20), Vol. 7, 190, wo davon die Rede ist, jetzt biete sich eine Chance „for the carrying on that great cause of the Protestant interest which cryes aloud for helpe". Zur Kaiserwahl vgl. auch Anm. 48 (Duchhardt) und Firth, Protectorate (wie Anm. 53), Vol. 2, 245.
Asch, Die englische Republik und die Friedensordnung
439
nungen mit der bevorstehenden Kaiserwahl. Zum ersten Mal seit langem befaßten sich einzelne englische Publizisten in Abhandlungen ausdrücklich mit der Verfassung des Reiches. 55 ) Faktisch waren die englischen Einflußmöglichkeiten allerdings gering. Im Hinblick auf die Kurfürsten bestanden lediglich zu Brandenburg leidlich gute Kontakte, doch der Große Kurfürst entschied sich für den habsburgischen Kandidaten, den Erzherzog Leopold. 56 ) Als Erfolg, den man freilich in erster Linie der Diplomatie Mazarins verdankte, konnte man es in England allerdings ansehen, daß Leopold in seiner Wahlkapitulation noch einmal ausdrücklich zusagen mußte, Spanien nicht gegen seine Gegner, weder gegen Frankreich noch gegen die Verbündeten Frankreichs - also etwa gegen das nunmehr mit Frankreich alliierte England - zu unterstützen.57) Die Gründung des Rheinbunds, die sich an die Wahl Leopolds I. anschloß, machte andererseits englische Pläne, ein Bündnis protestantischer Staaten gegen das gesamte Haus Habsburg zustande zu bringen, zunichte, da es sich um eine überkonfessionelle Allianz handelte, die sich die Bewahrung des Westfälischen Friedens und die Sicherung der Neutralität des Reiches im spanisch-französischen Krieg zum Ziel gesetzt hatte. Freilich waren diese Pläne einer umfassenden protestantischen Allianz ohnehin nie mit letztem Ernst verfolgt worden, und
55
) James Howell, A Discourse of the Empire and of the Election of a King of the Romans, the Greatest Business of Christendom now in Agitation. London 1658. Howell kam allerdings zu dem Schluß, der Titel des Kaisers sei „an ayrie bare shadowy title for a skeleton of part of the old Roman monarchy". Die Stellung des Kaisers sei vergleichbar mit der des Dogen von Venedig (92). Zu Howell siehe Michael Nutkiewicz, A rapporteur of the English Civil War: the Courtly Politics of James Howell, in: Canadian Journal of History 25, 1990, 21—40. Vgl. auch die anonyme Denkschrift über die Kaiserwahl: B[ritish] L[ibrary] Add. Mss., 32.093 fol. 397 r -398 v , die wohl zu den Papieren des Staatssekretärs Thurloe gehörte. Auch hier wird darauf aufmerksam gemacht, daß sich nun eine Chance biete, die für die Protestanten unvorteilhaften Regelungen des Westfälischen Friedens zu revidieren. 56 ) Siehe die Proposition des englischen Gesandten Jephson an den Großen Kurfürsten, ohne Datum [Mai 1658]: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm [UA], 23 Bde. Leipzig 1864-1930, Bd. 7,793-795, und die Antwort des Kurfürsten: ebd. 795. Brandenburg hatte seinerseits zuvor versucht, englische Unterstützung für einen möglichen Erwerb von Jülich und Berg zu finden (Schlezer an den Lord Protector, ca. April 1657: The State Papers of John Thurloe [wie Anm. 20], Vol. 6, 242 f.). Zur Haltung Brandenburgs in der Kaiserwahlfrage vgl. Ernst Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst von Brandenburg. 2 Bde. Göttingen 1971-1978, hier Bd. 1, 365-367. 57 ) Bernhard Erdmannsdörjfer, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen 1648-1740. 2 Bde. Berlin 1892-1893, hier Bd. 1, 309, zur Wahlkapitulation Leopolds I., die vor allem auch auf französischen Druck hin zustande kam und eine Unterstützung Spaniens auch dann untersagte, wenn sie sich gegen die Verbündeten Frankreichs, nicht gegen Frankreich selbst richtete. Vgl. Jephson an Thurloe, 21. Juni 1658: The State Papers of John Thurloe (wie Anm. 20), Vol. 1 , 1 8 8 f . Der englische Gesandte machte darauf aufmerksam, daß der englisch-spanische Krieg auf keinen Fall einen Vorwand für den Kaiser liefern dürfe, doch noch in Flandern zu intervenieren. Vgl. zu diesen Fragen auch Firth, Protectorate (wie Anm. 53), Vol. 2, 245 f. und 253-256.
440
Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
das eigentlich vordringliche Ziel der englischen Politik - Sicherheit gegen den Einsatz kaiserlicher Truppen in Flandern - war auch so erreicht. 58 ) Aussichtsreicher im Sinne eines umfassenden protestantischen Allianzplanes mit dem möglichen Ziel auch einer Revision des Westfälischen Friedens schienen zunächst die erneuten Bündnisverhandlungen mit Schweden zu sein. Schweden sah sich mittlerweile von allen Seiten bedrängt; ein durchschlagender Erfolg in Polen war ausgeblieben, und Dänemark hatte Schweden Anfang Juni 1657 den Krieg erklärt. Überdies zeichnete sich in den nächsten Monaten eine polnisch-österreichisch-brandenburgische Koalition gegen Schweden ab, die im Februar 1658 auch zustande kam. 59 ) Im August 1657 schickte Karl X. seinen Rat Johann Friedrich von Friesendorf nach London, um ein Bündnis mit England zu erreichen. 60 ) Friesendorf versuchte ein letztes Mal, Cromwells Begeisterung für die vermeintlich gemeinsame protestantische Sache zu wecken. In einem Memorandum verglich er Schweden und England mit Jonathan und David: „come on therefore let us be Jonathan and David ... for the honour of God and for the safety of the Church". Im Folgenden wurde allerdings überdeutlich, daß Schweden England vor allem für einen eventuellen Krieg gegen die Niederlande gewinnen wollte. Dabei appellierte man bewußt an die im inneren Führungskreis des Protektorats, aber auch unter den Londoner Kaufleuten immer noch starken Ressentiments gegen die angeblich prinzipienlosen Holländer. 61 ) Cromwell selbst war allerdings nicht geneigt, sich in einen Krieg gegen die Niederlande, von denen zu erwarten war, daß sie der schwedischen Expansion früher oder später entgegentreten würden, hineinziehen zu lassen. Auch das zeitweilige Angebot der Abtretung des Herzogtums Bremen, das bereits erwähnt wurde, oder von Teilen des dänischen Festlandes war dann doch nicht
58
) Insoweit ist das Urteil von Firth, Protectorate (wie Anm. 53), Vol. 2, 256 („The formation of the League of the Rhine had knocked the bottom out of this policy [einer allgemeinen protestantischen Allianz, R.A.]. Oliver might continue to attack Spain but there was no corresponding attack against Austria") überzogen. Vgl. dazu aber Roberts, Baltic (wie Anm. 30), 440. 59 ) Erdmannsdörffer, Geschichte (wie Anm. 57), Bd. 1, 285, 291. 60 ) Ebd. 284; Venning, Policy (wie Anm. 12), 209-211; vgl. Pufendorf, Sieben Bücher (wie Anm. 52), Bd. 2, 493-505. 61 ) Memorandum Friesendorfs „The Justice of the Swedish Cause": B[ritish] L[ibrary] Add. Mss. 4.459, fol. 175-196, hier 192v. Des weiteren wurde vor allem den Niederländern - „whose present God is their ready money" - vorgeworfen, die protestantische Sache immer wieder verraten zu haben (1930- Zu der Rückwirkung der Konflikte im Ostseeraum auf die englisch-niederländischen Beziehungen vgl. Wilson, Profit (wie Anm. 9), 82-89, und Junge, Flottenpolitik (wie Anm. 13), 311-313, der die Verschärfung der Spannungen zwischen England und den Niederlanden Ende der 1650er Jahre, aber auch die relative Ohnmacht Englands angesichts unzureichender militärischer und finanzieller Ressourcen betont. Zu den englischen Ressentiments gegen die Niederlande siehe Roberts, Baltic (wie Anm. 30), 423.
Asch, Die englische Republik und die
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verlockend genug. 62 ) Spätestens als Cromwell vorschlug, in das gemeinsame Bündnis neben Brandenburg auch die Niederlande und Dänemark einzubeziehen, war Friesendorf klar, daß er nicht vorankommen würde. 63 ) Nachdem die Engländer im Februar einen vorübergehenden Frieden zwischen Dänemark und Schweden vermittelt hatten, den Frieden von Roskilde, der Schweden Schonen und Teile Norwegens einbrachte, aber immerhin die Existenz der dänischen Monarchie sicherte 64 ), unterbreiteten die schwedischen Abgesandten im Juli 1658 noch einmal neue Vorschläge, die jetzt auf eine Allianz abzielten, die nicht nur den Protestantismus verteidigen sollte, sondern auch die „Balance in Europa und insonderheit de[n] Friede[n] in Deutschland" und die „allgemeine Freiheit". 65 ) Ein letztes Mal sollte England hier zu einer Garantie des Westfälischen Friedens und damit auch der jetzt von Brandenburg und Österreich bedrohten schwedischen Besitzungen in Deutschland bewogen werden. Doch im Sommer 1658, kurz vor seinem Tode, hatte Cromwell bereits eine zunehmend kritische Haltung gegenüber der schwedischen Politik eingenommen. 66 ) Eine völlige und ausschließliche Beherrschung des Ostseeraums durch Schweden konnte kaum im englischen Interesse liegen. Unter Cromwells Sohn Richard sollte schließlich eine englische Flotte in den Sund einlaufen, die nicht zuletzt das Überleben der dänischen Monarchie sicherstellen sollte. 67 )
IV Wie diese knappen Darlegungen gezeigt haben, wurde die Friedensordnung von Münster und Osnabrück von den politisch maßgeblichen Kreisen der englischen Republik von Anfang an mit Skepsis betrachtet, soweit sie denn die Bestimmungen der Friedensverträge überhaupt näher zur Kenntnis nahmen. Die Männer, die in England Karl I. stürzten und die Republik begründeten, waren durch die gesamteuropäischen konfessionell-politischen Auseinandersetzungen der 1620er und frühen 1630er Jahre geprägt. Sie mißtrauten der Dauerhaftigkeit der 1648 geschaffenen Friedensordnung, die als ein fragwürdiger Kompromiß mit einem prinzipiell friedensunfähigen Katholizismus gesehen wurde. Versuche, diese Friedensordnung im Interesse der Protestanten 62
) Dazu vgl. Pufendorf, Sieben Bücher (wie Anm. 52), Bd. 2,493f.; vgl. Anm. 52 und 53. ) Ebd. Bd. 2,496. M ) Venning, Policy (wie Anm. 12), 212-214. 65 ) Pufendorf, Sieben Bücher (wie Anm. 52), Bd. 2, 505. 66 ) Venning, Policy (wie Anm. 12), 216 f. 67 ) Pufendorf, Sieben Bücher (wie Anm. 52), Bd. 2,581-583; vgl. auch: Account of Northern Affairs in 1658-59 by Sir Philip Meadowe: Public Record Office London, SP 95, 5 A, fol. 76ff., und Philip Meadowe, A Short Narrative of the Principal Actions in the Wars between England and Denmark. London 1677, 120-123. 63
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Der Westfälische Friede und die europäischen
Mächte
zu revidieren, wurden grundsätzlich begrüßt, und die anfängliche Sympathie, die man der Politik Karls X. von Schweden entgegenbrachte, rührte daher, daß man in ihm einen Nachfolger Gustav Adolfs und seiner antikatholischen und antihabsburgischen Politik sah. Zu einem wirksamen Engagement auf Seiten Schwedens war man freilich nicht bereit, zumal man nach 1654 einen erneuten Zusammenstoß mit den Niederlanden fürchtete. Insbesondere war man nicht bereit, sich von Schweden zu einer Garantie des Westfälischen Friedens Bewegen zu lassen. Waren hier auch pragmatische Gründe ausschlaggebend - die berechtigte Befürchtung, in einen Krieg hineingezogen zu werden, der die englischen Interessen am Ende ebensowenig berührte wie das Wohl des europäischen Protestantismus so gab es doch noch tiefere Gründe für eine Distanz gegenüber der Friedensordnung von Münster und Osnabrück; Gründe auch, die nicht eigentlich aus konfessionellen Vorbehalten zu erklären sind, deren Bedeutung für die Außenpolitik der 1650er Jahre zum Teil überschätzt worden ist. Ein allgemeiner europäischer Friede lag schlechterdings nicht im Interesse der englischen Republik, weil er sie weitgehend isoliert hätte und einer Restauration des Hauses Stuart den Weg hätte bereiten können. Nun war zwar der Westfälische Friede ohnehin kein allgemeiner europäischer, sondern bestenfalls ein mitteleuropäischer Friede, aber er hätte doch die Grundlage für einen solchen allgemeinen Frieden abgeben können. Und gerade dies mußte England bestrebt sein zu verhindern. Das Bündnis mit Frankreich 1657 hatte ja nicht zuletzt den Zweck, den spanisch-französischen Krieg zu verlängern, und wäre es in Deutschland zu einem Wiederaufflammen des Krieges in großem Stil gekommen, so hätte auch dies tendenziell eher den englischen Interessen dienen können. Die englische Revolution hatte sich im Windschatten des Dreißigjährigen Krieges vollzogen: es ist sehr wahrscheinlich, daß der Bürgerkrieg einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn Länder wie Frankreich oder Spanien in den 1640er Jahren zu einer Intervention in England in der Lage gewesen wären oder man in England auch nur Grund gehabt hätte, eine solche Intervention ernsthaft zu fürchten. Nur unter den Bedingungen eines allgemeinen europäischen Krieges konnte die Republik entstehen, nur im Schutze des Krieges konnte sie sich, ein wenig überspitzt formuliert, behaupten. Daß ihr Ende mit dem Beginn einer längeren Friedensperiode nach 1659 zusammenfiel, ist daher wohl auch mehr als nur ein Zufall. Zwar kam es 1660 nicht zu einer ausländischen Intervention, aber der Frieden nahm der antikatholischen und antispanischen Rhetorik, die ein Oliver Cromwell so gut beherrscht hatte, weil er selbst an sie glaubte, ihre Grundlage und damit der Republik ihre vielleicht wirksamste Legitimation. Die Verträge von Münster und Osnabrück hatten zwar die Unabhängigkeit der Republik der Niederlande nach einem 80jährigen Krieg anerkannt, aber für eine Republik von Königsmördern war in dieser letzten Endes doch durch-
Asch, Die englische Republik und die Friedensordnung
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weg konservativen, rechtsbewahrenden Friedensordnung, wenn sie denn zu einer allgemeinen europäischen geworden wäre, kaum ein Platz. 68 ) So war das Ziel der englischen Politik in den 1650er Jahren weniger die Stabilisierung des erreichten Friedens, sondern eher die Verhinderung eines wirklich allgemeinen europäischen Friedens, zumal eines Friedens, der nicht von England mitgestaltet war und der die Republik daher notwendigerweise weitgehend isoliert hätte.
68
) Zur europäischen Reaktion auf die englische Revolution vgl. Günter Berghaus, Die Aufnahme der englischen Revolution in Deutschland 1640-69. Bd. 1. Wiesbaden 1989.
III. Der Westfälische Friede und das Reich
Die böhmische Frage im Dreißigjährigen Krieg Von
Miroslav Hroch/Ivo Bartecek
Die böhmische Frage spielte im Dreißigjährigen Krieg eigentlich schon seit der Flucht des „Winterkönigs" nur noch eine marginale Rolle. Bekanntlich wurde jenes Land, das sich am Anfang des großen europäischen Konflikts im Zentrum der Aufmerksamkeit befunden hatte, am Ende dieses Konflikts (und eigentlich schon viel früher) fast völlig vergessen. Weniger bekannt und erforscht ist, wie und warum es zu diesem Wandel gekommen ist. Deswegen stellt sich unser Beitrag die Aufgabe, darzulegen, warum und unter welchen Umständen die Länder der böhmischen Krone immer schwächere Spuren in der internationalen Politik und im Kriegswesen hinterlassen haben. Dies kann allerdings ohne eine Analyse der internationalen Zusammenhänge des böhmischen Aufstandes nicht geschehen. Denn - und dies ist vorab zu konstatieren: schon im Verlauf dieses Aufstandes zeichneten sich die verschiedenen Positionen zur böhmischen Frage nach 1620 ab. Die revoltierenden protestantischen Stände waren vor allem bemüht, ihren Kampf gegen die österreichischen Habsburger als einen Kampf gegen die „katholische Gefahr" zu internationalisieren. Dadurch war auch die Wahl des Kalvinisten Friedrich V. von der Pfalz zum böhmischen König motiviert: er sollte nicht nur die Unterstützung der protestantischen Union sichern, sondern auch seinen Schwiegervater Jakob I. von England zur Hilfe bewegen. Dieses Kalkül schlug fehl. Jakob I. betrachtete den Aufstand als eine illegale Rebellion der Untertanen und mißbilligte das „Abenteuer" seines Schwiegersohns. 1 ) Die protestantischen Fürsten griffen nicht in den böhmischen Krieg ein: Die Union tendierte zur Neutralität, und der sächsische Kurfürst schloß sich sogar der Gegenseite an. 2 ) Nur vereinzelt kamen Zeichen der Solidarität, wie z.B. aus der Hansestadt Bremen oder von seiten des Halberstädter Administrators Christian von Braunschweig. Außerhalb des Reiches war die Lage nicht anders. Die französische Politik hatte schon früher von der antihabsburgischen Linie Heinrichs IV. Abschied
') Vgl. die materialreiche Analyse von Josef V. Polisensky, Anglie a Bilä hora (England und die Schlacht am Weißen Berge). Praha 1948. 2 ) Ivo Bartecek, Saskä politika a ceske stavovske povstäni, kveten 1618 - srpen 1619 (Die sächsische Politik und der Aufstand der böhmischen Stände, Mai 1618 - August 1619), in: Sbornik historicky 30, 1984, 5-^7.
448
Der Westfälische
Friede und das Reich
genommen. 3 ) Der dänische König Christian IV. erkannte zwar die Wahl Friedrichs an, versicherte aber zugleich den Kaiser seiner Loyalität. 4 ) Übrigens hat er den ständischen Aufstand ähnlich wie Jakob I. abgelehnt. 5 ) Der Schwedenkönig Gustav Adolf zeigte eindeutig Sympathie und versprach seine Hilfe, aber seine Möglichkeiten waren eng begrenzt, und auch die Entfernung vom böhmischen Schauplatz erwies sich als zu groß. 6 ) Die einzige Macht, die sich an die böhmische Seite stellte, waren die nördlichen Niederlande - dies allerdings erst nach der Niederlage Oldenbarnevelts und seiner Versöhnungspolitik gegenüber den Habsburgern. 7 ) Ergänzend soll auf den wichtigen Wandel in der außenpolitischen Repräsentation des Aufstandes nach der Wahl Friedrichs zum böhmischen König hingewiesen werden: die böhmische Frage wurde in die ehrgeizige pfälzische Außenpolitik integriert und durch pfälzische Diplomaten, wie Ludwig Camerarius, vertreten. 8 ) Die böhmische Diplomatie verschwand fast völlig aus der internationalen Szene. Diese Verschiebung blieb auch nach der Niederschlagung des Aufstandes bestehen: es gab keine böhmische Diplomatie als Subjekt der internationalen Beziehungen, sondern nur vereinzelte Exilböhmen, die ohne Einfluß blieben. Die böhmische Frage wurde auch in der folgenden Zeit durch die pfälzische Diplomatie vertreten. Diese Diplomatie gab sehr bald die Hoffnung auf die volle Restitution der böhmischen Länder auf, denn dieses Ziel hätte nur um den Preis eines großen antihabsburgischen Krieges verwirklicht werden können. Diese Auffassung hat vor allem Ludwig Camerarius vertreten. 9 ) Es setzte sich jedoch der realistische Kurs durch, der auch von Jakob I. und Christian IV. empfohlen wurde: Friedrich sollte vor allem seine pfälzischen Erblande behalten. 10 ) Der König selbst schwankte zwischen der maximalistischen und der realistischen Alternative nur kurze Zeit: solange noch eine Hoffnung auf militärische Erfolge bestand. Schon im März 1621 erklärte er seine Bereitschaft, auf die böhmische Krone zu verzichten, allerdings unter der Bedin3 ) Victor-L. Tapié, Bílá hora a francouzská politika (Die Schlacht am Weißen Berge und die französische Politik). Praha 1936. 4 ) Julius Otto Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg. Bd. 1. Halle 1872, 121; Karl Bruchmann, Die Huldigungsfahrt König Friedrichs I. von Böhmen nach Mähren und Schlesien. Breslau 1909, 74. 5 ) Miroslav Hroch, Ceská otázka v dánské politice 1619-1625 (Die böhmische Frage in der dänischen Politik), in: Studie muzea Kromérízska 1990, 6 7 - 7 5 . 6 ) Josef V. Polisensky/Miroslav Hroch, Svédská politika a ceské stavovské povstání 1 6 1 8 - 1 6 2 0 (Die schwedische Politik und der böhmische Ständeaufstand), in: Sbornik historicky 7, 1960, 157-190. 7 ) Josef V. Polisensky, Nizozemská politika a Bílá hora (Die niederländische Politik und die Schlacht am Weißen Berge). Praha 1958. 8 ) Vgl. die grundlegende Monographie von Friedrich Hermann Schubert, Ludwig Camerarius 1573-1651. Eine Biographie. Kallmünz, Opf. 1955. 9 ) Friedrich Hermann Schubert, Zur Charakteristik des Ludwig Camerarius, in: Personalhistorisk Tidskrift 49, 1951, 69. 10 ) Jaroslav Göll, Der Konvent in Segeberg. Prag 1875, 5.
Hroch/Bartecek,
Die böhmische Frage im Dreißigjährigen
Krieg
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gung, daß er die Pfalz behalten würde. 1 ') Andererseits berichtete der schwedische Agent in Dänemark im Juni 1621, daß Friedrich alle seine Titel behalten wolle. 1 2 ) Die persönlichen Vorstellungen Friedrichs waren übrigens von zweitrangiger Bedeutung. Entscheidend waren die Auffassungen und Zielsetzungen der anderen europäischen Herrscher, wie sie zum erstenmal auf dem Konvent in Segeberg dargelegt wurden. Die dort versammelten Fürsten beschlossen gemeinsam mit Christian IV., den Kaiser aufzufordern, die Reichsacht gegen Friedrich aufzuheben, diesen in der Pfalz anzuerkennen und in Böhmen die Religionsfreiheit zu erneuern. 13 ) Die politische Restitution Böhmens wurde jedoch nicht verlangt, obwohl klar sein mußte, daß die Religionsfreiheit für Böhmen nur bei einer militärischen Niederlage Ferdinands denkbar war. In diesem Sinn lautete tatsächlich die Proposition der gemeinsamen dänisch-englischen Botschaft an den Kaiser im Frühjahr desselben Jahres. 1 4 ) Als der Kaiser diese Vorschläge abgelehnt hatte, war klar, daß man von seiner Seite keine Kompromißbereitschaft erwarten konnte. 1 5 ) Die durch diese kaiserliche Politik aktualisierten englischen und dänischen Überlegungen hinsichtlich eines militärischen Eingreifens konzentrierten sich schon auf die Verteidigung der Pfalz. 1 6 ) Nur in der niederländischen Politik lebte im Jahre 1621 noch die Vorstellung, die Restitution könne auch Böhmen betreffen. 1 7 ) Die Einstellung der niederländischen Generalstände hat die streng monarchistisch denkenden Herrscher wie Christian IV. und Jakob I. nur wenig beeindruckt. Als Ludwig Camerarius im März 1622 erneut nach Dänemark geschickt wurde, hielt er es aus taktischen Gründen nicht für angebracht, die böhmische Frage in der ihm gewährten Audienz zu erwähnen. 1 8 ) Dies ent") Bedrich Mendl, Fridrich Falcky a ceske nadeje pobelohorske (Friedrich von der Pfalz und die böhmischen Hoffnungen nach der Schlacht am Weißen Berge), in: Cesky casopis historicky 24, 1918, 7 7 - 1 1 9 , hier 90f. Camerarius hat während des Jahres 1621 mehrmals von der Restitution des „böhmischen Königs" gesprochen, wobei unklar ist, ob er tatsächlich auch die Länder der böhmischen Krone meinte, vgl. Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 225 ff. 12) Leo Tandrup (Ed.), Svensk agent ved Sundet. Aarhus 1971, 107. 13) Laurs R. Laursen (Ed.), Danmark-Norges Traktater 1523-1750. Vol. 3. K0benhavn 1916, 406. Göll, Segeberg (wie Anm. 10), 23 f., Vinzenz Schweitzer, Christian IV. von Dänemark und die niederdeutschen Städte, in: HJb 25, 1 9 0 4 , 9 9 - 1 2 5 , 7 4 1 - 7 5 3 , hier 120. Eine interessante Modifizierung hat der Herzog von Wittenberg vorgelegt, in der die verlangte Restitution auf Schlesien begrenzt wurde: RA Kopenhagen, TKUA, Pfalz A I 3. 1 4 ) Kong Christian den Fierdes egenhaendige Breve. Vol. 1. K0benhavn 1848, 101. 1 5 ) Christian IV. berichtet darüber in seinem Schreiben an Friedrich von der Pfalz vom 2./12.6.1621: RA Kopenhagen, TKUA, Ausl. Reg. 56, fol. 378. 16) Mendl, Fridrich Falcky (wie Anm. 11), 90; Polisensky, Anglie (wie Anm. 1), 189 f. Der schwedische Agent in Dänemark, Svensson, meldete im Mai 1621: „Man sagt, daß der König von Böhmen seine Länder wieder bekommen soll, aber von Böhmen sagt man nichts", Tandrup (Ed.), Svensk agent (wie Anm. 12), 94. 17) Opel, Niedersächsisch-dänischer Krieg (wie Anm. 4), 150. ,8) Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 152 ff. Seine im dänischen Reichsarchiv erhaltene
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Der Westfälische Friede und das Reich
sprach übrigens auch dem Memorandum der pfälzischen Räte vom 13. Februar 1622, in dem mit einem Kampf um Böhmen nicht mehr gerechnet wird. 19 ) Bis zur Schlacht bei Wimpfen hat Mansfeld an die Wiederaufnahme der Kämpfe um Böhmen gedacht: diese Aufgabe sollte der Markgraf von Baden übernehmen. 20 ) Auch nach der Besetzung der Pfalz blieb jede Unterstützung durch England oder Dänemark aus. 21 ) Einer anderen Beurteilung der böhmischen Frage begegnen wir weiterhin in der schwedischen Politik. Schon während der Jahre 1622-23 berichtete der schwedische Agent in den Niederlanden, Rutgersius, im Zusammenhang mit dem Schicksal Friedrichs nicht nur über dessen Erblande, sondern auch über die böhmischen Länder. 22 ) Besonders aufmerksam wurde der Schwedenkönig Gustav Adolf, als er von den Plänen Christians von Halberstadt für eine „Diversion" nach Böhmen erfuhr. 23 ) In den dadurch inspirierten schwedischen Überlegungen sollte man allerdings zwei Ebenen unterscheiden, die auch später in der schwedischen Einstellung zur böhmischen Frage zu beobachten sind: es gab einerseits eine strategische, andererseits eine politische Ebene. In strategischer Hinsicht stand wegen der Nachbarschaft zu Polen vor allem Schlesien im Vordergrund der schwedischen Interessen. Da ein Angriff in Deutschland wegen des Zerfalls des evangelischen Lagers unmöglich war, sollte durch einen Einfall nach Schlesien - und eventuell auch nach Mähren sowohl der Kaiser als auch der polnische König getroffen werden. 24 ) Die politischen Ziele betrafen nicht nur die Restitution der Pfalz, sondern auch die der böhmischen Länder. An dieser Zielsetzung, wie sie in der oben erwähnten schriftliche Proposition vom 7. März 1622 enthält viele Informationen über die laufenden Rüstungen, sagt aber nichts über die Ziele der kommenden militärischen Aktionen: RA Kopenhagen, TKUA, Pfalz A II 14. 19 ) Otokar Odlozilik, Ze zäpasü pobelohorske emigrace (Aus den Kämpfen der böhmischen Emigration nach der Schlacht am Weißen Berge), in: Casopis Matice Moravske 56, 1932, 1-58, hier 34. 20 ) Opel, Niedersächsisch-dänischer Krieg (wie Anm. 4), 314. 21 ) Odlozilik, Ze zäpasü (wie Anm. 19), 63. Moriz Ritter, Die pfälzische Politik und die böhmische Königswahl 1619, in: HZ 79, 1897, 239-283. Christian IV. sagte in seiner Antwort auf die Hilferufe Friedrichs lediglich zu, beim Kaiser gegen die Verletzung der Religionsfreiheit zu protestieren, vgl. sein Schreiben an Friedrich vom 22. November 1622: RA Kopenhagen, TKUA, Ausl. Reg. 57, fol. 200ff. 22 ) Vgl. seine Relationen an Axel Oxenstierna im Riksarkiv Stockholm, Oxenstjernska samlingen. 23 ) Vgl. die Instruktion Gustav Adolfs für Rutgersius vom 7./17. August 1623: Universitätsbibliothek Uppsala, Hammarstrandska samlingen, E 379 f. Neben der grundlegenden Arbeit von Odlozilik, Ze zäpasü (wie Anm. 19), vgl. zu den Kriegszielen Christians von Halberstadt Julius Otto Opel, Elisabeth Stuart, Königin von Böhmen, Kurfürstin von der Pfalz, in: HZ 23, 1870, 289-328, hier 311; ders., Niedersächsisch-dänischer Krieg (wie Anm. 4), 433ff.; Mendl, Fridrich Falcky (wie Anm. 11), 90f. 24 ) Nils Ahnlund, Gustaf II. Adolf och tyska kriget 1620-1625, in: HistT Stockholm 37, 1917, 245-292, hier 260 f. Die Instruktion Gustav Adolfs an Rutgersius in: Axel Oxenstiernas Skrifter och Brefväxling. Afd. I. Vol. 2. Stockholm 1896, 283 f.
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Krieg
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Instruktion vom August 1623 formuliert wurde, hielt Gustav Adolf auch während der Verhandlungen mit Ludwig Camerarius im Herbst fest. 25 ) Zugleich rechnete er mit einer Ermunterung der „jetzt durch extreme Versklavung unterdrückten Böhmen, Mährer, Silesier und Österreicher" und mit der Teilnahme der Emigranten an einer möglichen Militäraktion. 26 ) Obwohl sich durch den Zusammenbruch der ganzen kompliziert geplanten „Diversion" nach der Schlacht bei Stadtlohn und durch die dänisch-schwedischen Gegensätze das schwedische Interesse an der böhmischen Frage stark reduzierte, hat Gustav Adolf noch während des Jahres 1624 über die militärische „Diversion" nach Schlesien verhandelt, diesmal mit mecklenburgischer bzw. auch englischer Unterstützung und mit dem bescheideneren politischen Ziel, Friedrich in seine Erblande zu restituieren. 27 ) Dies hieß allerdings nicht, daß die schwedische Politik hinsichtlich der Restitution der böhmischen Länder resigniert hätte. Die beiden genannten Ebenen der Kriegszielsetzung lebten auch in den folgenden Jahren weiter und wurden später - nicht nur in der schwedischen Außenpolitik - aktualisiert. 28 ) Die Idee, die böhmischen Länder und vor allem Schlesien um strategischer Ziele willen in die Kriegführung einzubeziehen, lebte auch in jenen Verhandlungen weiter, die in die Formierung der Haager Allianz mündeten. Schon im Sommer 1624 hatte der Prinz von Wales (der spätere Karl I.) in einer geheimen Instruktion den Schwedenkönig zu einem Kriegszug nach Schlesien „und in andere Habsburgische Erbländer" ermuntert. Gustav Adolf zeigte sich einverstanden - unter der Bedingung, daß ein verbindlicher Vertrag abgeschlossen würde. 29 ) Später hat Gustav Adolf in den Verhandlungen mit dem brandenburgischen und dem dänischen Botschafter sogar einen Kriegszug nach Böhmen an der Elbe entlang erwähnt. 30 ) Im Verlauf des bald danach ausgebrochenen „dänischen" Krieges setzte sich der niederländische Vorschlag 25
) Ahnlund, Gustaf II. Adolf (wie Anm. 24), 260. Friedrich Hermann Schubert, Die pfälzische Exilregierung im Dreißigjährigen Krieg, in: ZGO 102, 1954, 575-680, hier 672. Es ist allerdings symptomatisch, daß auch der radikale Camerarius die Expedition nach Schlesien ursprünglich nur in strategischer Rücksicht betrachtete: politisch sollte sie nur der Restitution Friedrichs in der Pfalz dienen. Erst durch die Argumente Gustav Adolfs ließ er sich für die Idee der vollen Restitution Friedrichs auch in Böhmen gewinnen. Vgl. Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 252 f. 26 ) So in der erwähnten Instruktion an Rutgersius vom 7./17. August. Rutgersius sollte sich auch in den Niederlanden kundig machen, ob Friedrich beabsichtige, sich persönlich an die Spitze des geplanten Militärunternehmens zu stellen. 27 ) Ahnlund, Gustaf II. Adolf (wie Anm. 24), 271 und 276. 2S ) Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 284 f. und 295. 29 ) Ebd. 276 ff. Aus taktischen Rücksichten wollte man dabei nicht die politische, sondern die religiöse Begründung in den Vordergrund stellen. Es ist symptomatisch, daß die englische Diplomatie schon ein halbes Jahr später die schlesische Variante als eine finanziell allzu anspruchsvolle aufgab und Kriegsoperationen im Westen des Reiches bevorzugte: ebd. 286 f. 30 ) Ahnlund, Gustaf II. Adolf (wie Anm. 24), 289 f.
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Der Westfälische
Friede und das Reich
durch, wonach es zwei unabhängig voneinander operierende Armeen geben sollte: die eine unter dem Befehl Christians IV. in Norddeutschland, die andere (im niederländischen Vorschlag rechnete man mit Gustav Adolf) in Schlesien. 31 ) Gustav Adolf hat immerhin in dieser Zeit eine Restitution des „Winterkönigs" in alle seine Länder (also auch in die Länder der böhmischen Krone) verlangt. 32 ) Angesichts der Tatsache, daß sich die diplomatischen Vorbereitungen der antikaiserlichen Koalition im Jahre 1625 endgültig auf Dänemark orientierten, wurde die ablehnende Haltung Christians IV. gegenüber dem böhmischen Aufstand entscheidend für das Programm der Koalition. Der Krieg sollte für die Restitution der widerrechtlich besetzten Pfalz an Friedrich geführt werden 33 ), dem Christian IV. empfahl, auf die böhmische Krone zu verzichten 34 ). Während dieser diplomatischen Verhandlungen scheint es von marginaler Bedeutung gewesen zu sein, daß die niederländischen Generalstände den böhmischen Ständeaufstand und auch die Wahl Friedrichs zum böhmischen König als legitim betrachtet haben. 35 ) Die militärischen Mißerfolge der Niederländer nach 1621 ließen ihnen bei den Verhandlungen übrigens nur einen geringen politischen Spielraum: es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die durch Dänemark und England vorgegebene Zielsetzung zu akzeptieren. 36 ) Wenn also die Verbündeten die Rückkehr Friedrichs in seine Länder als ihr Kriegsziel deklarierten, dann war die Pfalz gemeint, während die böhmische Frage nicht erwähnt wurde. 37 ) Selbst diese begrenzte Restitution wurde aufgrund des dänischen Wunsches vertraulich behandelt und war lediglich in einer Geheimklausel des Vertrags enthalten. 38 ) Das Kriegsinteresse Dänemarks war übrigens noch enger begrenzt: unter dem Deckmantel der Forderung nach Gerechtigkeit für die Protestanten im Reich kämpfte Christian IV. um den Erhalt und die Ausweitung des dänischen Einflusses im Niedersächsischen Kreis. 39 ) 31
) Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 299. ) Vgl. die Instruktion Gustav Adolfs für den Botschafter Rutgersius vom I3./23. März 1625: Universitätsbibliothek Uppsala, Hammarstrandska samlingen, E 379 f. Vgl. auch Sveriges Krig 1611-1632. Vol. 2: Polska kriget. Stockholm 1936, 168. Dieser Auffassung entspricht auch die wiederholte Betonung der Restitution der böhmischen Länder, die wir in dieser Zeit in den Relationen von Ludwig Camerarius finden: er stand damals schon in schwedischen Diensten. Vgl. Schubert, Charakteristik (wie Anm. 9), 72. 33 ) Breve (wie Anm. 14), 171, nach Laursen (Ed.), Traktater (wie Anm. 13), 621 ff. 34 ) Breve (wie Anm. 14), 169 ff. 35 ) Otokar Odlozilik, Z korespondence pobelohorske emigrace z let 1 6 2 1 - 1 6 2 4 (Aus der Korrespondenz der Emigration nach der Schlacht am Weißen Berge in den Jahren 1621-1624). Praha 1933, 172. 36 ) Polisensky, Nizozemskä politika (wie Anm. 7), 304 ff. 37 ) Laursen (Ed.), Traktater (wie Anm. 13), 643. 38 ) Ebd. 636. 39 ) Schweitzer, Christian IV. (wie Anm. 13), 753; vgl. auch Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 292. 32
Hroch/Bartecek,
Die böhmische
Frage im Dreißigjährigen
Krieg
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Die böhmische Frage blieb allerdings ein willkommenes Argument in den diplomatischen Verhandlungen, soweit es sich um entfernte Länder außerhalb des Reiches handelte. In diesem Sinn lautete z.B. die Versicherung des englischen Botschafters Gordon in seinem Memorial an den Stadtrat von Danzig im Dezember 1626. 40 ) Schon im Mai 1625 berichtete der niederländische Botschafter in Rußland dem Zaren Michail, daß der neue englische König Karl I. dem spanischen Botschafter gesagt haben solle: „sage deinem Herrn, daß der böhmische König mein Bruder ist: und der dänische König hat 30 000 Söldner geworben und wird sie ins Feld führen, um den böhmischen König in das böhmische Königreich wieder zu installieren". 41 ) Auch zwei Randfiguren der antihabsburgischen Koalition haben sich für die böhmische Restitution erklärt. Graf Mansfeld zeigte sich jederzeit bereit, für Böhmen zu kämpfen, soweit man ihm die Kosten erstatte. 42 ) Aus naheliegenden Gründen war Gabor Bethlen an der böhmischen Restitution viel stärker interessiert als an der pfälzischen. 43 ) Ein Fragezeichen hängt in dieser Hinsicht über der venezianischen Außenpolitik. 44 ) Es war vor allem die Hoffnung auf Gabor Bethlens militärische Unterstützung 45 ), die zu der berühmten schlesischen Expedition führte, die Graf Mansfeld und Johann Ernst von Sachsen-Weimar im Namen des dänischen Königs 1626-27 unternahmen. Ihre Truppen beherrschten vorerst Schlesien und einen großen Teil Nordmährens, aber die Hilfe Bethlens blieb aus, und damit brach die ganze Expedition zusammen. 46 ) Obwohl es sich vor allem um eine durch strategische Ziele bestimmte Militäraktion handelte, waren durch ihren zeitweiligen Erfolg auch politische Hoffnungen auf eine Erneuerung der alten Zustände wieder erwacht. Dies zeigt sich vor allem in der Reaktion der Mehrzahl der Städte und des Adels in Schlesien und Nordmähren. 47 ) 40
) Stadtarchiv Gdansk 300, 53, 626. ) Venjamin A. Kordt (Ed.), Donesenija poslannikov Respubliki Soedinennych Niderlandov pri russkom dvore. Sankt-Petersburg 1902, N D Nendeln/Liechtenstein 1971, CCCXXXIV. 42 ) Camerarius an Axel Oxenstierna, 15./25.10.1624: RA Stockholm, Oxenstjernska Sämlingen. 43 ) Bericht desselben vom 29.10./8.11.1624: ebd. 44 ) Vor allem die Tätigkeit des Grafen Mathias Thum in venezianischen Diensten ist bisher kaum erforscht. Otokar Odlozilik, Hrabe J.M. Thum v Carihrade 1 6 2 2 - 2 3 (Graf J. M. Thum in Konstantinopel 1622-23), in: Casopis Matice Moravske 56, 1932, 369ff., beschränkt sich auf die Zeit vor dem Aufenthalt Thums in Venedig. 45 ) Friedrich von der Pfalz hat Christian IV. im August 1626 aufgefordert, direkt mit Gabor Bethlen zu verhandeln. RA Kopenhagen, TKUA, Pfalz A I 3. Dasselbe hatte Camerarius dem dänischen König schon im Mai vorgeschlagen, ebd. Pfalz II A 4. 46 ) Über den Verlauf der Expedition Frantisek Roubik, Valdstejnovo tazeni na Slovensko roku 1626 (Wallensteins Feldzug in die Slowakei im Jahre 1626), in: Sbornik praci Archivu ministerstva vnitra 8, 1935, 145-232. Vgl. auch Josef Polisensky, Der Krieg und die Gesellschaft in Europa 1618-1648. Prag u.a. 1971, 134 ff. 47 ) Die bisher immer noch ausführlichsten Informationen dazu bietet Josef Zukal, Slezske 41
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Der Westfälische Friede und das Reich
Wie hat sich in dieser kritischen Situation jener Mann verhalten, um dessen Interessen es sich vor allem handelte? Obwohl er nicht nur in der dänischen, sondern auch in der französischen und englischen Außenpolitik bis 1625 eine völlig marginale Rolle gespielt hatte, richtete Friedrich seine Hoffnungen weiterhin fast ausschließlich auf England und Frankreich. 48 ) Während des Jahres 1625 allerdings scheint seine Bedeutung vor allem für die dänische Politik gestiegen zu sein. Christian IV. erwartete von ihm, an der abschließenden Phase der Verhandlungen mit England und den Generalständen mitzuwirken. 49 ) Nach dem Beginn der Kriegshandlungen stieg die Intensität der politischen Kontakte ganz eindeutig. Zeugnis davon legt die umfangreiche Korrespondenz zwischen Christian IV. und Friedrich aus den Jahren 1626-27 ab. So sollte z.B. Friedrich schon im Mai 1626 den englischen König wegen der ausbleibenden Geldsubsidien mahnen. 50 ) Die böhmische Königin sollte den dänischen Botschafter nach England entsprechend empfehlen, dasselbe wurde im August 1626 von Friedrich verlangt. Mehrmals sollte er auch bei den Generalständen vermittelnd tätig werden. 51 ) Besonderes Interesse verdient die Bitte Christians IV. an Friedrich vom Juni 1626, Geldmittel für die geplante Expedition nach Schlesien in den Niederlanden zu beschaffen. 52 ) Als dann nach der Schlacht bei Lutter die Lage für Christian IV. kritisch wurde, hat er sogar völlig unrealistischerweise von Friedrich erwartet, daß dieser durch seine (nicht vorhandenen) Vertreter in Venedig und Frankreich Geldmittel für die geschlagenen dänischen Truppen vermitteln würde. 53 ) Obwohl die Quellen nur in Bruchstücken erhalten sind, besteht kein Zweifel, daß Friedrich in der gegebenen Lage seiner Rolle nicht gewachsen war. Natürlich konnte er die von ihm erwarteten Vermittlerdienste nur sehr formell, wenn überhaupt, leisten, dennoch ist der Mangel an Energie und Selbstvertrauen, den wir in seinen Reaktionen beobachten können, bemerkenswert. Auch in der Zeit der vielversprechenden Erfolge des Herzogs von Sachsenkonfiskace 1620-1630. Pokutoväni provinile slechty v Krnovsku, Opavsku a Osoblazsku po bitve Belohorske a po vpädu Mansfeldove (Die schlesischen Konfiskationen 16201630). Praha 1916. Vgl. auch Frantisek Hruby, Ladislav Velen ze Zerotina. Praha 1930. 48 ) Polisensky, Anglie (wie Anm. 1), 189 ff.; Odlozilik, Korespondence (wie Anm. 35), 173 f. Ein charakteristisches Detail aus der dänischen Politik soll hier als Beispiel stehen. Im Konzept der Instruktion für die Gesandtschaft Chr. Sehesteds in die Niederlande hatte Christian IV. ausführlich ausgeführt, welche Begründung Sehested Friedrich von der Pfalz für die dänische Untätigkeit in seiner Sache geben solle. Später aber hat er den ganzen Punkt gestrichen und angemerkt, mit Friedrich solle über nichts anderes als über curialia gesprochen werden. RA Kopenhagen, TKUA, Nederlanden A II 10. 49 ) Christian IV. an Friedrich, 23.8./2.9.1625: Breve (wie Anm. 14), 207. Vgl. auch die Instruktionen für die dänischen Botschafter vom Dezember 1625: RA Kopenhagen, TKUA, Pfalz A l l 14. 50 ) Christians Brief vom 6./16.5.1626: ebd. TKUA, Ausl. Reg. 59, fol. 216. 51 ) Ebd. TKUA, Ausl. Reg. 59, fol. 291, Ausl. Reg. 60, passim. 52) Ebd. TKUA, Ausl. Reg. 59, fol. 296. 53) Ebd. TKUA, Ausl. Reg. 59, fol. 403.
Hroch/Bartecek, Die böhmische Frage im Dreißigjährigen
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Weimar und Mansfelds hat er sich nicht eindeutig zu einer - in jener Zeit scheinbar realen - Wiedergewinnung der böhmischen Länder geäußert. In den zahlreichen Briefen aus dieser Zeit wird zwar immer von der Restitution gesprochen, die böhmische Frage allerdings nicht explizit erwähnt. 54 ) Gleich nach dem Zusammenbruch der schlesischen Expedition zeigte sich Friedrich bereit, die Kompromißvorschläge einiger Reichsfürsten, die den Verzicht auf die böhmische Krone voraussetzten, zu akzeptieren. 55 ) Seit dem Sommer 1627 sah auch der Optimist Camerarius ein, daß die Lage für Friedrich hoffnungslos war, und zwar nicht nur aufgrund der militärischen, sondern auch aufgrund der internationalen Lage: England hatte sich völlig desinteressiert gezeigt und verfolgte bevorzugt seine Interessen in Frankreich und im Mittelmeer, die Protestanten im Reich waren völlig eingeschüchtert. 56 ) Während des Jahres 1628 verzichtete Christian IV. auf jede Unterstützung Friedrichs, was er diesem gegenüber ausführlich begründete. 57 ) Im Frieden von Lübeck wurde die pfälzische Sache nicht behandelt, und die dänische Resignation ging so weit, daß es der dänische Botschafter in den Niederlanden, Armfeld, im Jahre 1630 für notwendig hielt, seinem König die Frage vorzulegen: „wie soll ich in Kolloquien den König von Böhmen titulieren?" 58 ) Die englische Diplomatie hielt an der Forderung nach der Restitution Friedrichs in der Pfalz fest, beispielsweise in jenen Punkten, die in den Friedensverhandlungen mit Spanien auf dem Programm standen. 59 ) Diese Forderung äußerte auch der englische Botschafter Roe im Juni 1629 während seiner Verhandlungen in Schweden. 60 ) Diese Aktivitäten hat Camerarius bitter als „Spiel" bezeichnet. 61 ) Kein Wunder, daß Friedrich unter dem Druck der Ereignisse zusammenbrach und „krank auf Leib und Seele" wurde. 62 ) 54
) Friedrich an Christian IV., 28.11. und 17.12.1626, 16.2. und 23.3.1627: ebd. TKUA, Pfalz A I 3. 55 ) Über diese Vorschläge referierte Camerarius ausführlich in seinen Relationen an Axel Oxenstierna vom Juni und Juli 1627: RA Stockholm, Oxenstjernska samlingen. Vgl. auch Friedrich an Christian IV., 14./24.5.1627: RA Kopenhagen, TKUA, Pfalz A II 14. 56 ) Vgl. die Relationen von Camerarius an Oxenstierna, August und Oktober 1627: RA Stockholm, Oxenstjernska samlingen. 57 ) Christian IV. an Friedrich, 17./27.1.1629: RA Kopenhagen, TKUA, Ausl. Reg. 60, fol. 401 ff. 58) Ebd. TKUA, Nederlanden B 41. 59 ) D. Falkenburg an Johan Kasimir, 4./14.10.1629: RA Stockholm, Stegeborgska samlingen. 60 ) Sveriges Krig (wie Anm. 32), 557. 61 ) Camerarius an Oxenstierna, Januar 1630: RA Stockholm, Oxenstjernska samlingen. In diesen Zusammenhang gehört auch die Mitteilung des englischen Botschafters Roe an die Böhmenkönigin Elisabeth vom April 1630, daß er aus Preußen nach England an Bord eines Schiffes gekommen sei, das „King of Bohemia" heiße: dieses Schiff trage das Bildnis des Böhmenkönigs und die englische Flagge. Vgl. Sir Thomas Roe, Letters Relating to the Mission of Sir Thomas Roe to Gustavus Adolphus 1629-30. O.O. 1875, ND New York 1965, 83 f. 62 ) Camerarius an Oxenstierna, 24.2./6.3.1630: RA Stockholm, Oxenstjernska samlingen.
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Der Westfälische Friede und das Reich
Die schwedische Außenpolitik hat wohl als einzige die Restitution Friedrichs kontinuierlich verlangt. Als die Teilnahme Gabor Bethlens an der schlesischen Expedition 1626 aktuell wurde, ermunterte Gustav Adolf Camerarius, den Niederländern klarzumachen, daß die gemeinsame Aktion mit Bethlen nur dann Sinn haben werde, wenn sie auf die Wiederherstellung der Herrschaft Friedrichs in Böhmen ausgerichtet werde. 63 ) Diese Zielsetzung war tatsächlich Gegenstand der Korrespondenz mit Bethlen. Als ein Teil dieser Korrespondenz in Polen abgefangen wurde, hielt es König Sigismund III. für notwendig, die kaiserliche Seite von diesen Aktivitäten zu informieren, für die Camerarius als hauptverantwortlich bezeichnet wurde. 64 ) Nachdem der schwedische Reichstag im Jahre 1629 die Auffassung Gustav Adolfs gebilligt hatte, daß der Krieg gegen den Kaiser auf Reichsgebiet geführt werden solle, wurde die schwedische Diplomatie beauftragt, die kaiserlichen Friedensangebote zu torpedieren. Den kaiserlichen Vertretern sollten unannehmbare Forderungen gestellt werden, darunter auch jene nach der vollen Restitution der böhmischen Länder. 65 ) Obwohl Gustav Adolf in dieser neuen Lage seine Kriegspläne anders als früher gestaltete und auf eine militärische Expedition nach Schlesien verzichtete, spielten die böhmischen Länder in seinen strategischen Überlegungen weiterhin eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang rechnete einer seiner Diplomaten mit einem Aufstand in Böhmen und wollte zu diesem Zweck Geheimagenten dorthin schicken. 66 ) Die Frage wurde erst nach den ersten Kampfhandlungen Gustav Adolfs auf Reichsboden aktuell. Aus dieser Zeit stammt das undatierte Konzept eines Vertrags zwischen dem Schwedenkönig und Friedrich von der Pfalz. Darin verpflichtet sich Gustav Adolf, keinen Frieden abzuschließen, solange Friedrich nicht wieder in den Besitz seiner Erblande komme. Zugleich äußert der schwedische König seinen Wunsch, „die Wiedereroberung des Königreichs Böheimb" zu unterstützen. 67 ) Viel wichtiger war natürlich der Subsistenzvertrag Schwedens mit Frankreich vom Januar 1632. Hier sprach man nur ganz allgemein von der Notwendigkeit, die abgesetzten Reichsfürsten zu restituieren, ohne jemanden beim Namen zu nennen. 68 ) Aus der Zeit vor dem 63
) Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 309 f. ) Konzept ohne Adressat vom 7.1.1627: AGAD Warszawa, Metryka Krölewska, LL. 31, fol. 53ff. 65 ) Der englische Botschafter Roe berichtete darüber im Januar 1630, vgl. Rae, Letters (wie Anm. 61), 60 f. und 66. 66 ) Nils Ahnlund, Gustaf Adolf inför tyska kriget. Stockholm 1918, 124 und 310. Diese Überlegungen waren nicht ganz so unrealistisch, wie es scheint; schon während des Jahres 1628 waren sowohl der König als auch Oxenstierna über die Bauernaufstände in Böhmen informiert. Vgl. Svensson aus Hamburg an Gustav Adolf, 20./30.3.1628: RA Stockholm, Diplomatica, Germ. D II, Hamburg; Oxenstierna an Gustav Adolf, 24.4./4.5.1628: Axel Oxenstjernas Skrifteroch Brefväxling. Afd. I. Vol. 4. Stockholm 1909, 142. 67 ) Erhalten in RA Stockholm, Germ. A III. Strödda handlingar. 68 ) Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 379. 64
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Die böhmische
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Abschluß der Heilbronner Union stammt eine anonyme Denkschrift, in der die Kriegsziele reflektiert werden. Es wird empfohlen, nicht nur die Pfalz zu restituieren, sondern auch die Freiheiten „gewisser anderer Provinzen". Dabei hatte der anonyme Autor symptomatische Schwierigkeiten mit der Einordnung der böhmischen Länder in ihrer Beziehung zum Reich: es sollte überlegt werden, „ob auch Bohemia und andere Provinzen, teils im Reich, teils außerhalb dieses", restituiert werden sollten. 69 ) Aus allen diesen Überlegungen ist vorerst nichts geworden. Die Besetzung Böhmens wurde nach der Schlacht bei Breitenfeld der sächsischen Armee überlassen, und die Restitution Friedrichs in der Pfalz wurde durch seine vollständige Unterwerfung dem Schwedenkönig aufgetragen. 70 ) Friedrich selbst hat Ende November 1631 seine Hoffnung auf eine baldige Besetzung der Ober- und Unterpfalz geäußert, ohne dabei Böhmen zu erwähnen, das schon seit zwei Wochen durch die sächsische Armee besetzt war. 71 ) Die sächsische Okkupation schrieb ein eigenartiges Kapitel in der Geschichte der böhmischen Frage während des Dreißigjährigen Krieges. 72 ) Das Thema ist auch eng mit den Hoffnungen der Exulanten aus den Ländern der böhmischen Krone verknüpft, die Zustände in Böhmen und Mähren zu ihren Gunsten zu verändern. Nach der Niederwerfung des böhmischen Ständeaufstandes führten die Habsburger ein Programm der Konfiskationen und der Gegenreformation durch. Lediglich die protestantischen Stände in Schlesien blieben von dieser Politik einige Jahre lang verschont, nachdem der Kaiser ihnen durch den Dresdner Akkord (28.2.1621) ihre alten Privilegien bestätigt hatte. Die privilegierte Stellung Schlesiens wurde später durch die Vereinbarungen des sog. „Nebenrezesses" zum Prager Frieden (30.5.1635) ernsthaft beeinträchtigt. Das durch Kursachsen in den Krieg gegen den Kaiser gehetzte Schlesien wurde im Jahre 1635 bestraft; wogegen einer der Haupturheber jener Aktion gegen den Kaiser, der sächsische Kurfürst Johann Georg I., durch die Abtretung ehemaligen böhmischen Kronbesitzes - der Ober- und Niederlausitz eine mehr als reichliche Belohnung für sein früheres Verhalten erhielt. Und ebenso wie in Böhmen und Mähren, besonders nach der Veröffentlichung der „Verneuerten Landesordnung" (1627-28), kam es auch in Schlesien nach dem Prager Friedensschluß zu einer erheblichen Emigrationswelle der verfolgten Protestanten.
69
) RA Stockholm, Oxenstjernska samlingen C IX. Strödda handlingar. ) Schubert, Camerarius (wie Anm. 8), 377 f. 71 ) Friedrich an Johan Casimir, 20./30.1.: RA Stockholm, Stegeborgska samlingen. 72 ) Miroslav Toegel, Priciny saskeho vpädu do Cech v roce 1631 (Die Ursachen des Sachseneinfalls in Böhmen im Jahre 1631), in: Ceskoslovensky casopis historicky 21, 1973, 553-581. 70
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Der Westfälische Friede und das Reich
Die Hoffnungen der Exulanten aus den Ländern der böhmischen Krone richteten sich anfangs auf die protestantischen Reichsfürsten, von welchen sie im August 1634 anläßlich einer in Frankfurt am Main stattfindenden Tagung sogar ein urkundliches Versprechen erhielten. Die evangelischen Reichsstände erklärten darin, die böhmischen Exulanten bei den zukünftigen Friedensverhandlungen „in sonderbahrende Acht zu nehmen, und sich höchlichen bearbeiten, daß dieselben der Gebühr restituiret und zudem ihrigen wieder gebracht werden mögen". 73 ) Dieses Versprechen wurde allerdings bald darauf durch die Beschlüsse des Prager Friedens gegenstandslos. Nach dem Prager Frieden wurde das protestantische Schweden begreiflicherweise immer mehr zum „Hoffnungsträger" der böhmischen Exulanten. Dieser Umstand hatte zur Folge, daß die meisten böhmischen Exulanten den Militärdienst im Reich rasch quittierten, um ins schwedische Heer überzutreten. Die böhmischen Exulanten bildeten später einen beträchtlichen Teil der Schwedenarmee, insbesondere im Offizierskorps, und hatten dort zuweilen ein ziemlich starkes Mitspracherecht, das sowohl die schwedische Generalität als auch die Stockholmer Regierungskreise im Verlauf des Krieges oft berücksichtigen mußten. Unter den zahlreichen böhmischen Exulantengruppen im Ausland fiel insbesondere der in Kursachsen tätigen eine wichtige Rolle zu; außer den diplomatischen Vertretern Schwedens lieferten auch diese Exilgruppen den Protestanten im Reich wichtige schriftliche Unterlagen und Argumente für die Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück. 74 ) Eine Restitution „der exulierten böhmischen Kavaliere" und des Königreichs Böhmen in den Zustand von 1618 hatte bereits der Schwedenkönig Gustav Adolf versprochen. Nach seinem Tode übernahm diese Verpflichtung gegenüber den böhmischen Exulanten auch der neue Leiter der schwedischen Politik, der Reichskanzler Axel Oxenstierna. Er bekräftigte dieses Versprechen auch gegenüber dem Vertrauensmann Jan Arnos Komenskys im Sommer 1643, gerade zu jener Zeit, als in Münster und Osnabrück die Friedensverhandlungen begannen. 75 ) Zum Bild des Westfälischen Kongresses gehört der Umstand, daß man Friedensverhandlungen führte, ohne zuvor einen allgemeinen Waffenstillstand abgeschlossen zu haben. Der abwechslungsreiche Verlauf der Kriegsoperationen, d.h. Erfolge oder Mißerfolge, hatten infolgedessen entsprechende Rück73
) Bedrich Sindelär, Vestfâlsky mir a ceskâ otâzka (Der Westfälische Frieden und die böhmische Frage). Praha 1968, 49. 74 ) Vgl. Bedrich Sindelär, Die böhmischen Exulanten in Sachsen und der Westfälische Friedenskongreß, in: Sbornik praci filozofické fakulty brnënské univerzity 9, 1960, C 7, 215-251. 75 ) Zu Komenskys Biographie vgl. Josef V. Polisensky, Komensky, muz labyrintu a nadëje (Komensky, ein Mann der „Labyrinthe" und der Hoffnung). Praha 1996.
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Die böhmische
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Wirkungen auf die Entwicklung der Verhandlungen auch über die böhmische Frage am Friedenskongreß. Drei Monate nach der Schlacht bei Jankau in Böhmen legte die schwedische Delegation in Osnabrück ein formelles Friedensangebot vor (11.6.1645), das in bezug auf das böhmische Exulantenproblem die Forderung enthielt, daß man das „Königreich Böhmen, mit dessen incorporirten Landen ... sowohl an Landschaft und Güther, als Würden, Freyheit, Herrlich- und Gerechtigkeiten wieder einsetze, und völlig in Geist- und Weltlichkeit in den Stand stelle, worinnen sie vor der Anno 1618 eingebrochenen Unruhe glücklich gegrünet...". 7 6 ) Diese Forderung legten die Schweden am Friedenskongreß im Laufe der nachfolgenden Verhandlungen wiederholt vor und gaben ihren Verhandlungspartnern bei jeder passenden Gelegenheit zu verstehen, daß ohne die Restitution des böhmischen Exils kein gerechter Frieden Zustandekommen könne. In dieser Auffassung wurde die schwedische Diplomatie von sämtlichen protestantischen Ständen im Reich - mit Ausnahme Kursachsens - unterstützt, da die überwältigende Mehrheit der Protestanten damals an einer Schwächung der kaiserlichen Macht im Reiche mehr oder weniger interessiert war. Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. forderte lediglich eine Erneuerung der Zustände in Schlesien im Sinne des Dresdner Akkords von 1621. Hingegen lehnte er die schwedische Forderung nach einer Restitution der Verhältnisse in Böhmen und Mähren in den Status von 1618 entschieden ab, da sie seinen unlängst erworbenen Besitz der Ober- und Niederlausitz hätte in Frage stellen können. Somit war der Kurfürst - nach dem Prager Frieden wiederum die Hauptstütze der kaiserlichen Politik im Reich - eine ernstzunehmende Gefahr für die Bestrebungen der meisten aus den böhmischen Ländern stammenden Exulanten. Die Beweggründe für die Unterstützung des böhmischen Exils durch Oxenstierna und seine Kriegspartei auf dem Friedenskongreß sind in den strategisch-politischen Plänen dieser Machtgruppe zu suchen, welche vor allem eine starke und feste Stellung Schwedens an der Ostsee anstrebte. Diese Position mußte in Zukunft gegen die Ansprüche Polens, Kurbrandenburgs und auch des Kaisers abgesichert werden. Dafür wäre ein in den Grenzen und mit der politisch-religiösen Struktur von 1618 erneuerter böhmischer Staat ausgezeichnet geeignet gewesen, da er seine wiedererlangte Freiheit dem siegreichen Schweden zu verdanken gehabt hätte. Somit hätte das restituierte Königreich Böhmen als ein Bollwerk und Verbündeter im Rücken Brandenburgs, Polens und der Habsburger zugunsten Schwedens wirken können. Diese Pläne fanden unter anderem auch darin ihren Ausdruck, daß die Vertreter des böhmischen Exils mit einem schwedischen Kandidaten für den böhmischen Thron einverstanden waren; für einige Zeit war hierfür z.B. der bekannte schwedi76
) Sindelär,
Vestfälsky mir (wie A n m . 73), 122 f.
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Der Westfälische
Friede und das Reich
sehe General Johann Baner (gestorben 1641) im Gespräch. Die Formel von einer „evangelischen Solidarität" spielte hier nur eine untergeordnete Rolle. Die Haltung des Kaisers nach dem Ulmer Waffenstillstand vom März 1647, ebenso wie die gewaltig ansteigenden Kriegsschäden im Reich, außerdem das rücksichtslose Vorgehen der Schweden und insbesondere dann die Gewißheit, daß der Kaiser die Grundforderungen der evangelischen Reichsstände zu erfüllen bereit war: das alles führte schließlich dazu, daß die meisten Diplomaten die Vertreter Schwedens auf dem Friedenskongreß aufforderten, die Sache des böhmischen Exils aufzugeben und den Frieden rasch unter den Bedingungen zu schließen, auf die der Kaiser einzugehen bereit war. In diesem Sinne wirkte auch die schwedenfeindliche kursächsische Propaganda. Man konnte unter den Protestanten im Reich immer häufiger Stimmen vernehmen, man möge die schwedische Patronanz abschütteln und eine selbständige Haltung auf dem Friedenskongreß einnehmen, weil Schweden angeblich „nur den böhmischen Exulanten zuliebe" den Krieg weiterführe und die schreckliche Plünderung und Vernichtung vieler Reichsgebiete ganz überflüssig in die Länge ziehe. 77 ) Nach der Wiederaufnahme der Kriegsoperationen im Frühjahr 1648 erzielten die Schweden gegen die Kaiserlichen gewisse Waffenerfolge, waren jedoch nicht imstande, ganz Prag zu besetzen und danach in Verbindung mit den aufständischen oberösterreichischen Bauern bis nach Wien vorzustoßen. Zum Fehlschlag der schwedischen Pläne führten auch die Gegensätze innerhalb der antihabsburgischen Koalition. Frankreich war zwar bestrebt, eine Hegemonie der Habsburger auf dem europäischen Kontinent zu verhindern, war aber zugleich fest entschlossen, keine allzu starke Position der Schwedenmacht im Reich und in Mitteleuropa zuzulassen. Unter solchen Bedingungen war eine Fortsetzung des Krieges für die Schweden riskant. Der sich stets verstärkende Druck protestantischer Reichsstände auf die Vertreter Schwedens zwang schließlich die schwedische Diplomatie, am 18. März 1648 einen provisorischen Vertrag zu schließen, demzufolge für die Regelung der Religionsverhältnisse in den kaiserlichen Erblanden das Jahr 1624 ausschlaggebend sein sollte. Es handelte sich dabei mehr um einen taktischen Zug der Schwedendiplomatie als um ein ernst gemeintes Zugeständnis. Für die Pläne und Bemühungen der Exulanten aus den Ländern der böhmischen Krone bedeutete dies jedoch das Ende der böhmischen Frage während des Dreißigjährigen Krieges 78 ), die lediglich einen Nebenschauplatz am Rande der Hauptinteressen der europäischen Mächte gebildet hatte. 77
) Ebd. 143 ff. ) Zu den letzten Versuchen des böhmischen Exils nach dem Dreißigjährigen Krieg vgl. Jan Kumpera/Josef Hejnic, Posledni pokus ceskeho exilu kolem Komenskeho o zvrat v zemich ceske koruny (Der letzte Versuch des böhmischen Exils um Komensky um eine Wende in den Ländern der böhmischen Krone). Brno/Uhersky Brod 1988; Jan Kumpera, Jan Arnos Komensky. Ostrava 1992, 111 ff. 78
Bayern und die pfälzische Frage auf dem Westfälischen Friedenskongreß Von
Dieter
Albrecht
Kaiser Ferdinand III. hat in seiner eigenhändigen Geheiminstruktion für Graf Trauttmansdorff zu den Westfälischen Friedensverhandlungen auch der pfälzischen Frage gedacht 1 ): „Daß negotium Palatinorum betreffend, weilen es origo huius belli gewesen, so mueß es fast auch vor das endt desselben geachtet und notwendig bei disen tractaten verglichen werden". 2 ) Lassen wir dahingestellt, ob die pfälzische und nicht doch die böhmische Frage origo huius belli gewesen ist. Jedenfalls war mit dem negotium Palatinorum das Schicksal der pfälzischen Kurwürde sowie der Kurlande Rheinpfalz und Oberpfalz gemeint. Sie waren dem Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, dem „Winterkönig", durch die Ächtung von 1621 aberkannt worden und dem bayerischen Herzog Maximilian I. aufgrund des Münchner Vertrags von 1619 für seine Unterstützung Kaiser Ferdinands II. im Böhmischen Krieg und für die ihm entstandenen Kriegskosten in einem schrittweisen Verfahren übertragen worden. Definitiv im Jahre 1628 hatte Maximilian die erbliche Kur, die Oberpfalz und die rechtsrheinische Unterpfalz erhalten, während die linksrheinische Unterpfalz unter spanischer Besatzung verblieb. 3 ) Diese Regelung von 1628 war in den Prager Frieden von 1635 4 ) aufgenommen worden, und alle Unterzeichner des Friedensinstruments, also auch Kursachsen, Kurbrandenburg und die meisten übrigen evangelischen Reichsstände, hatten sie bestätigt. Man darf davon ausgehen, daß der nunmehrige Kurfürst Maximilian spätestens seit 1628 eisern entschlossen war, die Kurwürde und die Oberpfalz keinesfalls wieder preiszugeben und notfalls nur auf die entlegene Rheinpfalz zu verzichten. Die Münchner Wittelsbacher hatten seit Jahrhunderten auf die Kur reflektiert. Als sich im Jahre 1329 die Münchner und die Heidelberger Linie
') Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. Münster 1959, bes. 377 ff. und 398ff.; Jürgen Steiner, Die Pfälzische Kurwürde während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Speyer 1985; Dieter Albrecht, Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen Reichsstände, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 241-273, mit weiterer Literatur. 2 ) Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. I. Bd. 1. Münster 1962, Nr. 29 (16.10.1645). 3 ) Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges [BA] NF. Abt. 2. Bd. 4. Bearb. v. Walter Goetz. München 1948, Nr. 32 (22.2.1628). 4 ) BA NF. Abt. 2. Bd. 10. Bearb. v. Kathrin Bierther. München 1997, Nr. 564 A.
462
Der Westfälische Friede und das Reich
getrennt hatten, war im Hausvertrag von Pavia die Alternation der Kurwürde zwischen den beiden Linien festgelegt worden. Diese Regelung war aber nie eingehalten worden, da die Goldene Bulle 1356 die fünfte Kurwürde allein den Pfälzern zugesprochen hatte - Grund genug für Differenzen zwischen den beiden Linien, die im 16. Jahrhundert durch den Übergang der Pfalz zunächst zum Luthertum, dann zum Kalvinismus erheblich verschärft worden waren. Sie hatten schließlich große Dimensionen erreicht durch die Gründung der protestantischen Union unter pfälzischer Führung und mit Anlehnung an den europäischen Kalvinismus und der katholischen Liga unter bayerischer Führung mit Anlehnung an Spanien und das Papsttum. Der Gegensatz war schließlich akut geworden angesichts der Kühnheit Friedrichs V. von der Pfalz, unter dem Einfluß Christians von Anhalt die böhmische Königskrone anzunehmen und dadurch die Feindschaft und den Widerstand des Hauses Habsburg heraufzubeschwören. Dies war nun die Stunde der Münchner Linie, Maximilians von Bayern, gewesen, der, wie erwähnt, fest entschlossen war, die Kurwürde und die Oberpfalz keinesfalls wieder preiszugeben und notfalls nur auf die Unterpfalz zu verzichten. Tatsächlich fand sich dann genau diese Lösung zwanzig Jahre später in den Westfälischen Friedensverträgen niedergelegt. 5 ) Hierbei wurden allgemeine Prinzipien der Verträge zweimal durchbrochen. Unter Negierung des allgemeinen Restitutionsprinzips erhielten Maximilian und seine männlichen Nachkommen die ehemals pfälzische Kurwürde und die Oberpfalz zugesprochen (IPO Art. IV § 3), und zwar letztere mit der Formel „wie bisher, so auch in Zukunft" (sicut hactenus, ita ut imposterum) - d.h. unter Durchbrechung des Normaljahrsprinzips von Münster wurde die Rekatholisierung der Oberpfalz nicht rückgängig gemacht. Bis zu diesen durchaus nicht selbstverständlichen Festlegungen von 1648 hatte Maximilian aber einen weiten Weg zurückzulegen; wir haben uns die Hauptstationen zu vergegenwärtigen. Maximilian hatte seine Politik in der pfälzischen Frage gegen den Widerstand unterschiedlichster Kräfte zu führen, die darauf abzielten, den Pfälzer oder seine Kinder wieder ganz oder teilweise in die Kurwürde und Kurlande zu restituieren. Sie alle verwendeten das Argument, daß durch eine Restitution der allgemeine Friede rasch wiederhergestellt werden könne, Maximilian also das Haupthindernis auf dem Weg zum Frieden bilde. Noch in Münster erklärte der Nuntius Fabio Chigi, allerdings verärgert über religionspolitische Zuge-
5
) Konrad Müller (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. 2. Aufl. Bern 1966. Ein Auszug aus den wichtigsten allgemeinen sowie den auf Bayern bezüglichen Bestimmungen des IPO findet sich in Walter Ziegler (Bearb.), Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern. Abt. 1. Bd. 3: Altbayern von 1550-1651. München 1992, Nr. 348.
Albrecht,
Bayern und die pfälzische
Frage
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ständnisse Maximilians, „wan die chur nicht gewest, würde das reich lengst und schon anno 1630 ruhe und fried haben können". 6 ) Nun wird man nicht bezweifeln, daß die pfälzische Frage jahrelang einen Differenzpunkt zwischen den Kriegsparteien und sogar innerhalb der Kriegsparteien gebildet hat, einen „Dauerbrenner" in der europäischen Politik, und daß sie in dieser Weise mit dazu beigetragen hat, den Ausgleich zu erschweren. Aber wirklich entscheidendes politisches Gewicht hat sie bereits seit der Mitte der zwanziger Jahre nicht mehr besessen. Schon der Niedersächsischdänische Krieg und die eigentlichen Kriegsziele Christians von Dänemark hatten mit der pfälzischen Frage nichts mehr zu tun. Und weder ist ihretwegen Gustav Adolf 1630 an der deutschen Küste gelandet noch Frankreich ihretwegen 1635 in den Krieg eingetreten. Allerdings war die pfälzische Frage durch das Interesse der auswärtigen Mächte schon früh von einer innerdeutschen zu einer europäischen Frage erhoben worden, aber sie war gleichzeitig auch instrumentalisiert worden, also zum bloßen Spielmaterial und Kompensationsobjekt der großen Politik geworden. Weil dies so war, hätte auch ein früher Verzicht Maximilians auf Kurwürde und Oberpfalz nichts Grundsätzliches geändert und den Krieg nicht beendet, denn schon längst hatten sich andere Konfliktpunkte in den Vordergrund geschoben und beherrschten das Feld. Aber freilich wurde die pfälzische Frage benützt, um eigene Zielsetzungen zu fördern oder jedenfalls zu verbrämen. Sehr bezeichnend äußerte der kursächsische Gesandte Miltitz bei den Verhandlungen um den Prager Frieden, es sei den Protestanten wegen der Kurwürde „allermeist umb sie selbst und die maiora vota catholicorum im kurfürstlichen collegio zu thuen" und nicht um die Ansprüche der pfälzischen Kinder. 7 ) Das war das eine. Das andere war, daß angesichts der Interessen der auswärtigen Mächte die Festlegungen des Prager Friedens nicht der Schlußpunkt sein konnten, und selbst der Kaiser mußte sich die Frage stellen, inwieweit er angesichts der zahlreichen schwierigen Probleme, die ihm beim Friedenskongreß entgegentraten, die Prager Festlegungen behaupten konnte. Ich versuche zu skizzieren, auf welche Weise der bayerische Kurfürst sowohl Anforderungen des Kaisers als auch Frankreichs und Schwedens ausgesetzt war, sich ihnen gegenüber aber schließlich zu behaupten vermochte. Ferdinand II. und seit 1637 Ferdinand III. hatten zunächst versucht, die Pfalzfrage als ein innerdeutsches Problem zu deklarieren und aus allen Universalfriedensverhandlungen herauszuhalten. Entsprechende Separatverhandlungen mit pfälzischen und englischen Vertretern 1636 8 ) und 1641/42 9 ) waren
6
) ) 8 ) 9 ) 7
A P W Ser. III. Abt. C. Bd. 3/2. Münster 1988, 1030 f. B A NF. Abt. 2. Bd. 10 (wie Anm. 4), 1091 (8.7.1634). Heiner Haan, Der Regensburger Kurfürstentag von 1636/37. Münster 1967, 2 3 3 ff. Arthur Jüdel, Verhandlungen über die Kurpfalz und die Pfälzer Kurwürde von Oktober
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Der Westfälische
Friede und das
Reich
jedoch ergebnislos geblieben. Auf Drängen Frankreichs und Schwedens und schließlich auch mit Zustimmung des Kaisers und Bayerns gelangte die pfälzische Frage schließlich seit Ende 1645 auf die westfälische Tagesordnung. Ferdinand III. stand gewiß vor einem Dilemma. Denn gestand er den Pfälzern dies und jenes zu, widersprach er nicht nur dem Prager Frieden, sondern belastete auch sein Verhältnis zu seinem Hauptverbündeten Bayern in unerträglicher Weise. Darüber hinaus: Wenn er die Oberpfalz preisgab, würde sich Maximilian zur Begleichung der bayerischen Kriegskosten an das Land ob der Enns halten, wie im Münchner Vertrag 1619 festgelegt worden war. Auch das spanische Interesse an der linksrheinischen Unterpfalz war zu bedenken. Auf der anderen Seite war dem Kaiser klar, daß Zugeständnisse in der Pfalzfrage zur Kompensation in anderen Fragen dienen konnten, die dem Haus Habsburg mehr am Herzen lagen. Ferdinand suchte das Problem durch ein „Sowohl-Alsauch" zu lösen, das uns in der Instruktion für Trauttmansdorff entgegentritt: Hier hieß es zur Kurfrage 10 ), daß die pfälzische Kurwürde zwischen den Münchner und Pfälzer Wittelsbachern alternieren solle. Die Errichtung einer neuen, achten Kurwürde, wie sie König Jakob von England bereits 1623 als Ausweg vorgeschlagen hatte, wurde vom Kaiserhof abgelehnt - eine solche Lösung widerspreche der Goldenen Bulle, der durch langes Herkommen geheiligten Siebenzahl und bringe im übrigen das Haus Wittelsbach in den Besitz dreier Kurhüte (München, Köln, Heidelberg). Als Trauttmansdorff im Dezember 1645 auf dem Weg nach Münster durch Bayern reiste, wurde ihm aber erklärt, daß eine Alternation nicht in Frage komme. Maximilian zielte vielmehr auf die Errichtung einer achten Kur für die Pfälzer, um die fünfte Kurwürde, mit der auch das Reichsvikariat für Oberdeutschland verbunden war, auf alle Fälle zu behaupten. Die fünfte Kur für Bayern, eine neue achte für die Pfälzer, war bereits seit 1642 das bayerische Programm. Tatsächlich gelang es Maximilian noch im Dezember 1645, den Kaiser durch eine massive Intervention zu bewegen, in der Kurfrage auf die bayerische Linie einzuschwenken, sofern auch das Kurkolleg zustimme. 11 ) Was die Oberpfalz betraf, so hatte sich Maximilian schon wiederholt bereiterklärt, sie zurückzugeben, falls ihm dafür die 13 Millionen Gulden Kriegskosten ersetzt würden - wohl wissend, daß niemand diese gewaltige Summe bezahlen konnte. Hier hakte aber nunmehr der Kaiser ein, indem er vorschlug, den Betrag durch ein Konsortium aufzubringen: das Reich, England, die amici etfautores Palatini\ auch er selbst wollte bis zu drei Millionen beisteuern, und 1641 bis Juli 1642. Phil. Diss. Halle 1890; Kathrin Bierther, Der Regensburger Reichstag von 1640/41. Kallmünz 1971, 218ff.; Steiner, Kurwürde (wie Anm. 1), 131 ff. I0 ) A P W Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 2), Nr. 29 (16.10.1645), 443. 1 ') Gerhard Immler, Kurfürst Maximilian I. von Bayern und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Münster 1992, 196 ff.
Albrecht,
Bayern und die pfälzische
Frage
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Maximilian sollte einige Millionen nachlassen. 12 ) Diese Konstruktion konnte allerdings niemanden befriedigen, am allerwenigsten Maximilian. Sie ist daher auch nicht realisiert worden, Maximilian hat die Oberpfalz schließlich ohne Preisnachlaß und ohne Zuzahlungen behalten können, wenn auch erst nach einer Kette schwieriger Verhandlungen. Man wird sagen können, daß dieses Ergebnis in erheblichem Umfang das Werk Graf Trauttmansdorffs gewesen ist, der sich beim Friedenskongreß der bayerischen Anliegen in der Pfalzfrage mit ungewöhnlichem Einsatz angenommen hat - selbst dann, wenn er Grund hatte, der bayerischen Politik in anderen Fragen mit Kritik und Mißtrauen gegenüberzustehen. Als Trauttmansdorff nach dem Friedensschluß seine Geheiminstruktion wieder an Ferdinand III. zurückreichte, vermerkte er nicht ohne Genugtuung, daß er durch die spezifische Lösung der Oberpfalzfrage dem Kaiser mehrere Millionen Gulden erspart habe, die dieser ursprünglich habe zuschießen wollen. 13 ) Was Frankreich und die pfälzische Frage betraf, so hatten sich die Franzosen 1621/23 für die Kurübertragung auf Maximilian eingesetzt. 14 ) Auch Richelieu hatte Maximilian als „electeur" behandelt, weil er den neuen Kurfürsten für die Unterstützung seiner antihabsburgischen Politik zu gewinnen hoffte, oder jedenfalls dessen Neutralität in den französisch-habsburgischen Streitfragen. Im bayerisch-französischen Vertrag von Fontainebleau 1631 hatte er sich sogar zur Verteidigung der bayerischen Kur verpflichtet, war aber doch stets bemüht gewesen, sich in Rücksicht auf England immer auch eine andere Option offenzuhalten. Ungeachtet solcher Doppeldeutigkeiten der französischen Politik rechnete Maximilian beim Westfälischen Friedenskongreß in der Pfalzfrage (und ebenso in der Gravaminafrage) mit der Hilfestellung Frankreichs. Aber natürlich war er sich bewußt, daß Mazarin, der Nachfolger Richelieus, Gegenleistungen erwartete, nämlich die direkte oder indirekte Unterstützung der französischen Satisfaktionsforderungen. 15 ) Allerdings ist festzuhalten, daß Maximilian die französischen Kriegsziele in bezug auf das Elsaß nicht nur unter dem Gesichtspunkt der engeren bayerischen Interessen unterstützt hat, sondern ebenso, ja ich will sagen: in erster Linie, weil er in der territorialen Befriedigung Frankreichs den Schlüssel zum dringend erwünschten Friedensschluß gesehen hat. Letztlich aber war der Zusammenhang von Elsaßfrage und Pfalzfrage in den bayerisch-französischen Beziehungen während des Kongresses unübersehbar, er wurde von beiden Seiten genau ,2
) Geheiminstruktion für Trauttmansdorff (16.10.1645): A P W Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 2), Nr. 2 9 , 4 4 3 f. 13 ) Ebd. Nr. 30 (2.2.1649), 454. 14 ) Dieter Albrecht, Die auswärtige Politik Maximilians von Bayern 1618-1635. Göttingen 1962. 15 ) Maximilian an Mazarin, 18.1.1645, zit. bei Immler, Maximilian (wie Anm. 11), 65. Vgl. auch Andreas Kraus, Frankreich und die Pfalzfrage auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: ZBLG 53, 1990, 6 8 1 - 6 9 6 .
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Der Westfälische Friede und das Reich
kalkuliert und natürlich auch vom Kaiserhof wahrgenommen. Ihre Plausibilität und Rechtfertigung gewann diese Politik Maximilians aus der Tatsache, daß sie eben nicht nur auf die Sicherung der bayerischen Erwerbungen zielte, sondern mehr noch auf einen baldigen akzeptablen Frieden. Das war ein Weg, den der Kaiser hinsichtlich der französischen Satisfaktion bereits in der Instruktion für Trauttmansdorff selbst vorgezeichnet hatte. Warum sollte Maximilian ihn nicht ebenfalls gehen? Mazarin seinerseits war überzeugt, durch die Befriedigung Bayerns in der Pfalzfrage und in den konfessionspolitischen Fragen Maximilians Unterstützung der französischen Anliegen zu erhalten 16 ), wobei er sich nicht ganz in Übereinstimmung mit seinem skeptischeren Gesandten Servien in Münster befand. Der entscheidende Punkt in der französischen Meinungsbildung wurde bereits im November 1645 durch einen Zusatz zur französischen Hauptinstruktion erreicht, demgemäß sich die französischen Gesandten beim Kongreß „avec toute sorte d'affection" für die bayerische Kur verwenden sollten. 17 ) Nachdem dann im Sommer 1646 die französischen Elsaßforderungen mit tatkräftiger bayerischer Hilfe erfüllt worden waren und die Franzosen im Vorvertrag vom 13. September hierüber Brief und Siegel erhalten hatten, sagte Mazarin ausdrücklich zu, Maximilians Pfalzforderungen gegenüber den Schweden zu vertreten, und zwar in der Form, daß Maximilian die fünfte Kur und die Oberpfalz, der Pfälzer Erbe die achte Kur und die Rheinpfalz erhalten solle. 18 ) Hieran haben die Franzosen mit nur geringen Schwankungen bis zum Friedensschluß festgehalten, freilich nicht aus Dankbarkeit, sondern weil sie wie Mazarin wiederholt zum Ausdruck gebracht hat - in einem starken Bayern ein notwendiges Gegengewicht gegen das Haus Habsburg gesehen haben. Der französische Gesandte d'Avaux hat darüber hinaus die bayerischen Interessen gegenüber Schweden und den protestantischen Reichsständen auch betont unter konfessionellem Gesichtspunkt vertreten. Die hauptsächlichen Differenzpunkte zwischen Bayern und Schweden beim Friedenskongreß waren die Gravaminafrage, von der hier nicht zu sprechen ist, und die Pfalzfrage. Gustav Adolf hatte sie 1630 benützt, indem er seine Landung in Deutschland mit der Forderung nach Restitution Friedrichs V. zu rechtfertigen gesucht hatte. So forderten also die Schweden, entsprechend ihrer Hauptinstruktion von 1641 19 ), in der ersten Phase der Frie16 ) Kraus, Pfalzfrage (wie Anm. 15), 683 ff.; Mazarin an die französischen Gesandten (9.4.1644): APW Ser. II. Abt. B. Bd. 1. Münster 1979, Nr. 31. 17 ) APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1986, Nr. 267 (23.11.1645), 881. 18 ) Immler, Maximilian (wie Anm. 11), 279 mit Anm. 128. 19 ) Schwedische Hauptinstruktion vom 5./15.10.1641, Art. 7 , 2 5 und 31: APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 2), Nr. 17a. Vgl. auch Claes Theodor Odhner, Die Politik Schwedens im Westphälischen Friedenscongress und die Gründung der schwedischen Herrschaft in Deutschland. Gotha 1877, ND Hannover-Döhren 1974; Steiner, Kurwürde (wie Anm. 1), 172ff.; Immler, Maximilian (wie Anm. 11), 323 ff.
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densverhandlungen unentwegt die vollständige Restitution der Pfälzer nach dem Stand von 1618. 20 ) Noch in dem kaiserlich-schwedischen Vorvertrag vom 18. Februar 1647, der die schwedische Satisfaktion regelte 21 ), wurden die bayerischen Pfalzansprüche nicht erwähnt - obwohl sich Trauttmansdorff sehr darum bemüht hatte und obwohl Maximilian rasch bereit gewesen war, zugunsten der Schweden auf das ferne Pommern ganz oder teilweise zu verzichten. Der schwedische Gesandte Oxenstierna äußerte vielmehr, „sy [die Schweden, D.A.] Seyen nun mit dem Kaiser nicht mehr feindt, aber mit Bayern wol; ein jeder solte nachlassen und Bayrn allein gewinnen, das konten sy nit finden".22) Aber schon wenige Wochen später begannen die Schweden doch einzulenken, wohl vor allem aus drei Gründen: Erstens, weil ihnen sowohl von Trauttmansdorff als auch von Maximilian selbst Flexibilität in den noch ausstehenden konfessionspolitischen Fragen signalisiert wurde. Zweitens, weil sich Kurfürsten-, Fürsten- und Städterat, also sowohl katholische wie evangelische Reichsstände (außer Kurbrandenburg), mit der Einrichtung einer achten Kur und ihrer Zuweisung samt Rheinpfalz an die pfälzischen Erben sowie der fünften Kur samt Oberpfalz an Bayern einverstanden zeigten; dabei hatte sich Kurfürst Johann Georg von Sachsen besonders nachdrücklich für Bayern verwendet -*je sicherer Maximilian die Oberpfalz erhielt, desto gesicherter erschien der kursächsische Besitz der beiden Lausitzen. 23 ) Drittens hatte Maximilian am 14. März den Ulmer Waffenstillstand mit Frankreich und Schweden abgeschlossen. 24 ) Vielleicht spielte auch die bekannte Bestechlichkeit des schwedischen Hauptgesandten Salvius eine Rolle. Wie dem auch sei: Am 6. April 1647 erklärte Oxenstierna „pro formali declaratione der cron Schweden", daß dem Kurfürsten von Bayern und seinen Erben die fünfte Kur und die Oberpfalz verbleiben sollten, der Pfalzgraf Karl Ludwig die achte Kur und die Rheinpfalz (ohne die an Mainz zurückfallende Bergstraße) erhalten solle. 25 ) An den Hauptpunkten dieser Erklärung haben die Schweden nicht mehr gerüttelt. Im Sommer 1647 haben sie sie nochmals bestätigt 26 ), nachdem sich Maximilian bereit zeigte, bei der Rückgabe der rechtsrheinischen Unter20
) Unzutreffend Steiner, Kurwürde (wie Anm. 1), 174, daß die Schweden bereits im Juli 1646 der achten Kur für den Pfälzer zugestimmt hätten. 21 ) Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643-1648). Münster 1979, 223f. und 283. 22 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1993, Nr. 292 (4.3.1647). 23 ) Reichsgutachten vom 31.3.1647: Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlung und Geschichte. Bd. 4. Hannover 1736, ND Osnabrück 1969, 395 ff.; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 1/1. Münster 1975, Nr. 111 und 112 (16.3.1647 und 18.3.1647), mit informativem Kommentar zur Geschichte der Pfalzfrage; Steiner, Kurwürde (wie Anm. 1), 179ff.; Immler, Maximilian (wie Anm. 11), 374ff. 24 ) Immler, Maximilian (wie Anm. 11), 398 ff., der aber 486 zwischen dem Ulmer Waffenstillstand und dem Einlenken Oxenstiernas keinen Zusammenhang sieht. 25 ) Ebd. 389. 26 ) Vertragsentwurf vom 10.8.1647: Meiern, Acta (wie Anm. 23), 412.
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pfalz die dort seit 1620 im Zuge der Rekatholisierung entstandenen katholischen Gemeinden zu opfern. Mit der schließlich erfolgten Zustimmung Schwedens nach derjenigen des Kaisers, der Franzosen und der Reichsstände war die pfälzische Frage einer definitiven Regelung zugeführt und ein langer und beschwerlicher Weg Maximilians seit dem Münchner Vertrag von 1619 erfolgreich zu Ende gegangen. Maximilian hatte eines seiner zentralen Kriegsziele erreicht, um dessen rechtliche Absicherung er gegen zahlreiche Widerstände gekämpft hatte, stets in der Überzeugung, durch Verdienst, Vertrag und geschichtlichen Zusammenhang im Recht zu sein. In diesem Kampf waren ohne Zweifel mehrere Zielsetzungen miteinander verbunden gewesen, die Einlösung historisch begründeter Ansprüche der Dynastie, die Befriedigung persönlichen Ehrgeizes, die Bereinigung finanzieller Forderungen, aber ebenso auch allgemeine Gesichtspunkte konfessionspolitischer Natur, die Möglichkeit der dauerhaften Rekatholisierung der Oberpfalz und nicht zuletzt die Gewinnung einer Kurwürde, deren Bedeutung für die katholische Partei im politisch-konfessionellen Reichssystem gar nicht überschätzt werden konnte. Staatspolitische und konfessionspolitische Gesichtspunkte gingen Hand in Hand, sie waren nicht zu trennen. Die Vielzahl der bayerischen Gesichtspunkte in der pfälzischen Frage mag auf die Vielgestalt der Motive, Bestrebungen und Zielsetzungen verweisen, die beim Friedenskongreß überhaupt zur Geltung kamen und die als eines der Kennzeichen der Westfälischen Friedensverhandlungen angesehen werden müssen.
Kurbrandenburgs Kongreßdiplomatie und ihre Ergebnisse Von
Peter
Baumgart
Erstaunlicherweise hat die Position Kurbrandenburgs beim Westfälischen Friedenskongreß zu Münster und Osnabrück bisher keine heutigen kritischen Ansprüchen genügende monographische Darstellung gefunden. Zwar gehen alle älteren und neueren Synthesen brandenburgisch-preußischer Geschichte wie die Biographien des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688) mehr oder weniger ausführlich auf die Friedensschlüsse ein und suchen deren Auswirkungen auf die weitere Geschichte des Kurstaates zu würdigen - dies gilt für Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen, Otto Hintze und Reinhold Koser ebenso wie für die Biographik. 1 ) Aber sie unternehmen es nicht, Kurbrandenburgs Politik und Diplomatie auf dem Kongreß in den größeren Kontext des Gesamtfriedenswerkes, seiner reichischen und europäischen Dimensionen zu stellen. Lediglich Fritz Dickmann hat dies in seinem nach wie vor grundlegenden Werk getan, konnte dabei jedoch naturgemäß Kurbrandenburg nur als zwar recht bedeutenden, aber eben doch „mindermächtigen" deutschen Fürstenstaat im Rahmen des reichsübergreifenden Friedenswerkes der „Großen Mächte" berücksichtigen. 2 )
') Leopold von Ranke, Zwölf Bücher Preußischer Geschichte (zuerst 1847/48 bzw. 1874). Hrsg. v. Georg Küntzel. Bd. 1. München 1930, 253 ff.; Johann Gustav Droysen, Geschichte der Preußischen Politik. T. 3. Abt. 1.2. Aufl. Leipzig 1870,210ff.; Otto Hintze, DieHohenzollern und ihr Werk. 4. Aufl. Berlin 1915, 177ff.; Reinhold Koser, Geschichte der brandenburgischen Politik bis zum Westfälischen Frieden von 1648. 2. Aufl. Stuttgart/Berlin 1913,475 ff. - Neben den älteren Biographien und Teilbiographien von Martin Philippson, Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. 3 Bde. Berlin 1897-1903; Hans Prutz, Aus des Großen Kurfürsten letzten Jahren. Berlin 1897; Albert Waddington, Le Grand Électeur Frédéric Guillaume de Brandebourg. Sa politique extérieure 1640-1688. 2 Vols. Paris 1905-1908; Herman von Petersdorff, Der Große Kurfürst. Gotha 1926. 2. Aufl. Leipzig 1939, vgl. etwa Gerhard Oestreich, Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. Göttingen 1971; Emst Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie. 2 Bde. Göttingen 1971-1978; Ludwig Hüttl, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst 1620-1688. Eine politische Biographie. München 1981; zuletzt der Sammelband von Gerd Heinrich (Hrsg.), Ein sonderbares Licht in Teutschland. Beiträge zur Geschichte des Großen Kurfürsten von Brandenburg (1640-1688). Berlin 1990. 2 ) Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden (zuerst 1959). 6. Aufl. Münster 1992.
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Dennoch kam dem nordostdeutschen Kurstaat mit Schwerpunkt zwischen Elbe und Oder sowie wichtigen Außenbesitzungen an den westlichen wie östlichen Peripherien des Reiches während der langen und zähen, immer wieder vom wechselnden Kriegsgeschehen und Kriegsglück überschatteten Friedensverhandlungen zumindest zeitweilig eine zentrale Stellung zu. Die für die Alternative zwischen Krieg oder Frieden bedeutsame Frage der territorialen wie finanziellen Satisfaktion der Krone Schweden durch Kaiser und Reich stand und fiel mit der gänzlichen oder teilweisen Übertragung des alten Herzogtums Pommern, dessen Greifendynastie 1637 mit Bogislav XIV. erloschen war, an Königin Christine. An dem konkurrierenden Anspruch des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der seine legitimen, von den pommerschen Landständen akzeptierten Erbansprüche auf das Herzogtum 3 ) gegen die Übermacht der Großmächte, der Krone Schweden und des habsburgischen Hauses, möglichst zur Gänze zu wahren versuchte, hing zeitweilig die Entscheidung über Krieg und Frieden; der Friedensprozeß drohte zu stocken, bis durch die Vermittlung der Krone Frankreich und ihrer Münsterschen Gesandtschaft eine Kompromißlösung gefunden wurde, die den Frieden zu Osnabrück zwischen Schweden und dem Reich ermöglichte. Aus ihm ging der vorübergehend gänzlich isolierte Kurfürst von Brandenburg sogar noch als einer der Gewinner hervor. Bis dahin war es allerdings ein langer und mühseliger Weg, den in seinen wesentlichen Stationen knapp zu skizzieren meine Aufgabe ist. Dabei darf nicht einfach, wie in der älteren Historiographie 4 ) geschehen, die Stellung der preußischen Monarchie im 18. Jahrhundert, im Hochabsolutismus unter der Herrschaft des zweiten und dritten preußischen Königs, auf die Verhältnisse um die Mitte des 17. Jahrhunderts rückprojiziert werden. Ein dem Reich und seinen traditionellen Ordnungen weitgehend entwachsenes, außenpolitisch souveränes Staatsgebilde war der Kurstaat unter der langen Regierung Friedrich Wilhelms (1640-1688) ebensowenig wie die im Innern straff macht- und zentralstaatlich regierte, vergleichsweise effizient verwaltete und militärisch hochgerüstete Monarchie der Mitte des 18. Jahrhunderts. Vielmehr handelte 3
) Vgl. nach wie vor Martin Wehrmann, Geschichte von Pommern. Bd. 2. 2. Aufl. Gotha 1921, ND Frankfurt am Main 1982; Reinhold Petsch, Verfassung und Verwaltung Hinterpommerns im 17. Jahrhundert bis zur Einverleibung in den brandenburgischen Staat. Leipzig 1907; Max Bär, Die Politik Pommerns während des dreißigjährigen Krieges. Berlin 1896; jetzt: Gerd Heinrich, Ständische Korporationen und absolutistische Landesherrschaft in Preußisch-Hinterpommem und Schwedisch-Vorpommern (1637-1816), in: Peter Baumgart (Hrsg.), Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen. Berlin/New York 1983, 155-169; ferner Pär-Erik Back, Herzog und Landschaft. Politische Ideen und Verfassungsprogramme in Schwedisch-Vorpommern um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. Lund 1955. 4
) So namentlich bei Droysen, Preußische Politik (wie Anm. 1), vgl. dazu jetzt Peter Baumgart, Der Große Kurfürst. Staatsdenken und Staatsarbeit eines europäischen Dynasten, in: Heinrich (Hrsg.), Ein sonderbares Licht (wie Anm. 1), 33-57, bes. 34f. mit weiterer Literatur.
Baumgart, Kurbrandenburgs
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es sich um ein territorial ausgedehntes, aber zerrissenes, militärisch schwaches, wirtschaftlich durch die langen Kriegsjahre ausgeblutetes, subsidienabhängiges Kurfürstentum; es glich eher einer fürstlichen „Union von Ständestaaten", die unter der Dynastie der Hohenzollern zu einer fragilen Einheit zusammengefügt worden waren und in der die Landstände der geographisch weit auseinanderliegenden Territorien vom Niederrhein bis zum alten Herzogtum Preußen erhebliche Mitregierungsansprüche behaupten konnten. 5 ) Dies gilt insbesondere für die Periode vor dem Regierungsantritt Kurfürst Friedrich Wilhelms von 1640, acht Jahre vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, als die spätere Entfaltung eines landesherrlichen Absolutismus allenfalls in Ansätzen erkennbar war: etwa in der Einführung des später in Frage gestellten Primogeniturprinzips auf der Basis des Geraschen Hausvertrages von 1598/99, vielleicht auch in dem spektakulären Konfessionswechsel der Dynastie zum reformierten (calvinistischen) Bekenntnis von 1613. Dieses schloß gerade nicht das landesherrliche Reformationsrecht {ius reformandi) ein; der „Brückenschlag" zur modernen Staatsräson von Westeuropa, wie Otto Hintze formulierte 6 ), blieb nur schwer erkennbar. Allerdings konnte es wohl auf längere Sicht, zumal in der Person des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, des „Großen Kurfürsten", wie ihn selbst die mit solchen Epitheta sparsame moderne Historiographie noch immer apostrophiert 7 ), in Verbindung mit seinem calvinistischen Erwählungsbewußtsein wirksam werden. In den einzelnen Phasen des Dreißigjährigen Krieges verfügte Kurbrandenburg gegenüber den großen Mächten, dem Kaiser und Schweden, kaum über nennenswerten Entscheidungsspielraum; es spielte daher, zumal unter der Regierung des von seinem Günstling Adam Graf Schwarzenberg weitgehend abhängigen, schwachen Kurfürsten Georg Wilhelm (1620-1640), eine eher hilflose und klägliche Rolle; seine Politik schwankte zwischen strikter Neutralität, der von Schwarzenberg betriebenen Anlehnung an den Kaiser und einer zeitweiligen Annäherung an den königlich-schwedischen Schwager Gustav 5
) Zur knappen Charakteristik des Kurfürstentums vgl. Peter Baumgart, Zur Entstehung der Monarchie und des preußischen Staatsgedankens, in: Manfred Schlenke (Hrsg.), Preußische Geschichte. Eine Bilanz in Daten und Deutungen. 2. Aufl. Freiburg/Würzburg 1991, 122-134. Von einer „dynastischen Union von regional geprägten Territorialstaaten" spricht Johannes Kunisch, La guerre - c'est moi! Zum Problem der Staatenkonflikte im Zeitalter des Absolutismus, in: ZHF 14, 1987, 407-438, hier 427; zur Rolle der Stände vgl. Baumgart (Hrsg.), Ständetum (wie Anm. 3); neuerdings Wolfgang Neugebauer, Die Hohenzollern. Bd. 1: Anfänge, Landesstaat und monarchische Autokratie bis 1740. Stuttgart 1996, 127 ff. 6 ) Otto Hintze, Kalvinismus und Staatsräson in Brandenburg zu Beginn des 17. Jahrhunderts (1931), in: ders., Regierung und Verwaltung. Gesammelte Abhandlungen zur Staats-, Rechts- und Sozialgeschichte Preußens. 2. Aufl. hrsg. v. Gerhard Oestreich. Göttingen 1967,255-312. 7 ) So die Biographien von Oestreich, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1), Opgenoorth, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1), und Hüttl, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1).
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Der Westfälische
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Reich
Adolf, der durch seine Landung an der pommerschen Küste bei Peenemünde am 21. Juni 1630 das deutsche Kriegstheater bekanntlich grundlegend veränderte. Militärische Schwäche und eine schwer berechenbare „Schaukelpolitik" führten so zu einer Geringschätzung Kurbrandenburgs bei den kriegführenden Großmächten, durch die wechselnden fremden Heere auf märkischem Boden überdies zu erheblichen Verwüstungen und sehr hohen Bevölkerungsverlusten, die bis zu 50 % erreichten. 8 ) An dieser desolaten Situation vermochte auch der bei Regierungsantritt gerade zwanzigjährige, politisch unerfahrene, von den Geschäften bisher systematisch ferngehaltene Kurfürst Friedrich Wilhelm zunächst nur wenig zu ändern. Seine politische Konzeption war einerseits von den ungünstigen Jugenderfahrungen während des Krieges geprägt worden, außerdem von den für ihn entscheidenden Bildungseindrücken in den nördlichen Provinzen der ständisch-föderalistisch geprägten niederländischen Generalstaaten, wo er sich außer an der Universität Leiden auch im Umkreis des calvinistischen Hauses Nassau-Oranien bewegt hatte, das die Generalstatthalterwürde innehatte. Namentlich Prinz Friedrich Heinrich, der „Meister des Festungskrieges" gegen die Spanier und Vater seiner ersten Frau Louise Henriette, prägte den jungen Kurprinzen nachhaltig. Es war das Vorbild der Niederlande 9 ) als einer Seeund Handelsmacht großen Stils mit Kolonialbesitz, das den Kurfürsten für seinen Kurstaat auf der Basis des Erwerbs von Pommern, seiner Seehäfen (Stettin) und der Odermündungen eine Position als Ostseemacht anstreben ließ. An diesem eher utopischen Plan hielt er hartnäckig fest, so daß die Friedensverhandlungen in Westfalen stockten und er selbst in die politische Isolierung geriet. Auch über das Jahr 1648 hinaus hat er den Erwerb Pommerns in das Zentrum seiner Reichs- und Außenpolitik gestellt. Nach der Konsolidierung seiner Herrschaft nach innen, die er durch die vorläufige Rückkehr zu einer unbewaffneten Neutralitätspolitik erreicht hatte, suchte Friedrich Wilhelm - verbunden mit der Aufstellung eines eigenen kleinen Heeres (ab 1644) 10 ) - durch eine vorsichtige Wiederannäherung an Schweden, dann an die niederländischen Generalstaaten und schließlich an die Krone Frankreich neuen außenpolitischen Entscheidungsspielraum zu gewinnen. Auch ohne ein förmliches Bündnis fanden sich Kardinal Mazarin und auf dem Friedenskongreß selbst der französische Spitzendiplomat Graf d'Avaux im wohlverstandenen Eigeninteresse bereit, die brandenburgische Politik 8
) Vgl. Baumgart, Monarchie (wie Anm. 5), 129, sowie die in Anm. 1 genannte Literatur. ) Dies betont besonders Oestreich, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1), 18f., 38; vgl. ferner ders., Politischer Neustoizismus und Niederländische Bewegung in Europa und besonders in Brandenburg-Preußen (1964), in: ders., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 1969, 101-156, bes. 139ff.; vgl. auch Baumgart, Der Große Kurfürst (wie Anm. 4), 42. 10 ) Zu den Anfängen des stehenden Heeres und der kontroversen Literatur darüber vgl. ebd. 39 f. mit weiteren Nachweisen. 9
Baumgart,
Kurbrandenburgs
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zwar nicht direkt zu vertreten, aber doch gegen allzu starken Druck des schwedischen Alliierten oder des habsburgischen Gegners zu stützen und als Vermittler zu fungieren.") Ohne diese diplomatische Rückendeckung der Krone Frankreich wäre Kurbrandenburg bei den Friedensverhandlungen wohl leer ausgegangen, weil sich Schweden und der Kaiser auf Friedrich Wilhelms Kosten zu einigen drohten. Ferdinand III. und sein Chefunterhändler Trauttmansdorff zeigten sich bereit, den berechtigten brandenburgischen Erbanspruch auf Pommern zu opfern. 12 ) Schließlich widersetzten sich Ende 1646 nicht einmal mehr die „konfessionsverwandten" evangelischen Reichsstände um des endlichen Friedens willen, weil schon „genug Blut geflossen" sei, einer vollständigen Abtretung Pommerns an Schweden. Da der Kurfürst an seinem Anspruch auf das Herzogtum, jedenfalls auf Teile davon, einschließlich der Odermündungen und Stettins, hartnäckig festhielt, drohte ihm die vollständige Isolation, der Ausschluß vom „Generalfriedensschluß" und der Verlust jeder territorialen Kompensation. Diese war ihm von den Großmächten eher vage und in verschiedenen Varianten in Aussicht gestellt worden, und zwar in Form von säkularisierten Hochstiften. Historisch besser begründete oder strategisch vorteilhaftere Ansprüche auf schlesische Teilfürstentümer - neben dem 1623 depossedierten Jägerndorf vor allem Sagan und Glogau - waren hingegen am entschiedenen Einspruch des Hauses Österreich gescheitert, das für die Entschädigung Brandenburgs „von dem Seinigen nicht ein Dorf, ja nicht einen Bauern geben" wollte. 13 ) Eine derartige Entwicklung war allerdings noch nicht abzusehen, als die beiden Kronen Schweden und Frankreich die Teilnahme aller Reichsstände an den 1643 in den beiden Kongreßstädten eröffneten Friedensverhandlungen erzwangen. Zwar sollte Kurbrandenburg als Repräsentant des Kurfürstenrates zusammen mit Kurmainz und Kurköln unabhängig davon an den Verhandlungen beteiligt werden, aber erst diese Weichenstellung machte die Reichsstände zu vollberechtigten Verhandlungspartnern und selbständigen Gliedern eines europäischen Kongresses - gegen den kaiserlichen Willen. 14 ) Sie besaßen de facto also bereits zu Beginn der Verhandlungen das ihnen in Artikel VIII des Osnabrücker Friedensinstruments zugesprochene Bündnisrecht (ius foederis) und die Militärhoheit (ius armorum). ") Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 3 0 6 f . 12 ) Ebd. Zur Position Kurbrandenburgs vgl. den Bericht Wittgensteins an den Kurfürsten, Osnabrück, 6.12.1646: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg [UA], Bd. 4. Berlin 1 8 6 7 , 4 7 2 . 13 ) Vgl. Relation aus Osnabrück, 15.11.1646, nach einer Unterredung Wittgensteins mit den österreichischen Gesandten Graf Lamberg und Dr. Crane am 13.11.: U A (wie Anm. 12), 4 6 9 f. 14 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 163 ff., bes. 186 ff. (Entscheidung über das ius suffragii).
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Der Westfälische Friede und das Reich
Die brandenburgische Delegation 1 5 ) auf dem Friedenskongreß bestand größtenteils aus gelehrten Juristen adligen Standes. Als Prinzipalgesandter fungierte der erst kurz zuvor aus schwedischen in brandenburgische Dienste übergetretene Reichsgraf Johann (VIII.) von Sayn-Wittgenstein ( 1 6 0 1 - 1 6 5 7 ) , dem eine geschickte und energische Verhandlungsführung und Sachkenntnis auch in militärischen Fragen nachgesagt wurde. Wie wohl die meisten Repräsentanten des überregional orientierten Diplomatenadels, war er Geschenken fremder Mächte nicht abgeneigt; er selbst und seine Mitgesandten bedienten sich dieses Instruments bedenkenlos sowohl gegenüber den Schweden wie gegenüber den kaiserlichen Unterhändlern, ohne daß ihr Ansehen darunter gelitten hätte. Wittgenstein besaß als Vertreter des hohen Reichsadels die Autorität, die gerade in Rang- und Etikettefragen auf diesem stark zeremoniell geprägten Parkett erforderlich war, um die herausgehobene kurfürstliche Position, die bei aller Bereitschaft zur Koalition mit den Fürsten durchaus gewahrte kurfürstliche Präeminenz, zu wahren. Unter seinen Mitgesandten ragte in Osnabrück der 1632 aus kursächsischen Diensten übergewechselte Johann Friedrich von Löben ( 1 5 9 5 - 1 6 6 6 ) heraus, dessen Kenntnisse und diplomatische Gewandtheit ebenfalls gerühmt wurden. Neben Wittgenstein trug er nach Auskunft der „Urkunden und Actenstücke" die Hauptlast der Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten, mit Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius. Der Jurist Dr. Peter Fritze mußte schon bald durch den Kammergerichtsrat Matthäus Wesenbeck ( 1 6 0 0 - 1 6 5 9 ) ersetzt werden, einen Enkel des gefeierten Juristen, der später noch in wichtigen diplomatischen Missionen Verwendung fand und zum Kanzler des Fürstentums Minden ( 1 6 5 1 ) und zum Geheimen Rat ( 1 6 5 5 ) aufstieg. Wichtigste Stütze der brandenburgischen Delegation in Münster war neben Wittgenstein der Hofund Kammergerichtsrat Johann Fromhold ( 1 6 0 2 - 1 6 5 3 ) ; er wurde in Anerkennung seiner „treufleissigen und nützlichen Dienste" bei den „Generalfriedenstraktaten" im Mai 1648 zum Geheimen Rat, 1650 zum Kanzler des neu erworbenen Fürstentums Halberstadt ernannt. Die ausführlichen kurfürstlichen Instruktionen 16 ) für die Gesandten in Münster vom Dezember 1644 bzw. für die Gesandten in Osnabrück vom Januar 1645 gingen irrtümlich davon aus, daß es hinsichtlich der Ansprüche auf Pommern zu keinen größeren Komplikationen kommen werde. Kurbrandenburg war indes nur einer unter vielen Reichsständen und häufiger Objekt als Subjekt des Ringens der Großmächte um eine Friedensordnung. Die Auseinl 5 ) Einige Daten zu den Gesandten in: UA (wie Anm. 12), 347 ff.; ferner Opgenoorth, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1), Bd. 1, 148f.; allgemein Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 192ff., bes. 200; zur schwierigen Finanzierung vgl. einige Angaben bei Hans Saring, Die Kosten der brandenburgischen Gesandtschaften zur Zeit des Großen Kurfürsten, in: JbBrandLG 18, 1967, 6 3 - 8 2 , bes. 69f.; vgl. auch unten Anm. 40. '«) UA (wie Anm. 12), 351 ff. und 364 ff.
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andersetzungen auf dem Kongreß entzündeten sich aber gerade auch an brandenburgischen Forderungen und gerieten wiederholt ihretwegen in eine Sackgasse. Dies traf vor allem für die territorialen Veränderungen zu, die in der künftigen Friedensordnung fixiert werden sollten: Namentlich die pommersche Frage, die für den Kurfürsten über den Kongreß hinaus während seiner gesamten Regierungszeit einen Angelpunkt seiner Politik bildete, entfachte heftige Auseinandersetzungen. Es gab noch einen anderen Verhandlungsgegenstand, an dem der reformierte Kurfürst eines überwiegend von Lutheranern, daneben von reformierten und katholischen Minderheiten besiedelten Staatswesens vorrangig interessiert war, nämlich die Regelung der strittigen Religionsfragen 17 ), um derentwillen der Krieg mindestens teilweise geführt worden war. Friedrich Wilhelm konnte schwerlich darauf hoffen, die eigenen reformierten Glaubensgrundsätze in seinen Landen jemals als einzig verbindliche durchzusetzen; er praktizierte deshalb eine Politik der faktischen Duldung Andersgläubiger, die später sogar die Juden einbezog (ab 1671). 18 ) Um so mehr mußte er darauf drängen, das reformierte Bekenntnis in den Friedensverträgen reichsrechtlich abzusichern, also die volle Gleichberechtigung für die Reformierten neben den lutherischen „Konfessionsverwandten" durch eine eindeutige Interpretation des auslegungsfähigen Augsburger Religionsfriedens von 1555 festzuschreiben. Der Widerstand dagegen kam nicht allein vom Kaiser und der altgläubigen Partei, sondern nicht minder vom lutherischen Kursachsen, dessen Kurfürst Johann Georg und seine Theologen sich lange gegen eine völlige Gleichstellung der Reformierten sträubten; sie verneinten insbesondere ein reformiertes ius reformandi, das sie für die Lutheraner jedoch beanspruchten. Sie wollten nicht zugestehen, daß die Protestanten auf dem Reichstag hinfort eine einzige, zu einem Corpus zusammengeschlossene evangelische Partei bildeten. Ein erster Durchbruch wurde erzielt, als es der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen und dem Brandenburger 1645 gelang, die Forderung nach gleichberechtigter Anerkennung der Reformierten in die schwedische Friedensproposition einzubringen. 19 ) Immerhin mußte noch bis zum Frühjahr 1648 mit den Lutheranern verhandelt werden, ehe ein Kompromiß gefunden wurde. Er sah die Aufnahme der Reformierten in den Religionsfrieden vor 17
) Die Position des Kurfürsten dazu in seiner Resolution, Cleve, 4.4.1648: UA (wie Anm. 12), 686f.; generell Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 367 ff. 18 ) Dazu Gerd Heinrich, Toleranz als Staatsräson. Ursachen und Wirkungen des Potsdamer Edikts (1687), in: Wilhelm Treue (Hrsg.), Geschichte als Aufgabe. Festschrift für Otto Büsch. Berlin 1988, 29-54; vgl. auch Martin Lackner, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten. Witten 1973; zu den Juden: Peter Baumgart, Absoluter Staat und Judenemanzipation in Brandenburg-Preußen, in: JbGMOD 13/14, 1965, 60-87, bes. 64 ff. mit älterer Literatur. ,9 ) Schwedische Proposition vom Juni 1645; vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 369.
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(Art. VII IPO), verkündete einen wechselseitigen Verzicht von Lutheranern und Reformierten auf das Reformationsrecht des Landesherrn (ius reformandi), hielt die heftig umstrittene Frage der Zugehörigkeit der letzteren zur Augsburgischen Konfession aber weiter offen. Beide Bekenntnisse sollten hinfort das Corpus Evangelicorum bilden, so daß es im Ergebnis auch weiterhin nur zwei reichsrechtlich anerkannte Konfessionsparteien gab. Andere Religionsgemeinschaften hingegen blieben ausdrücklich vom Reichsreligionsfrieden mit seinem „Normaljahr" 1624 ausgeschlossen, dessen Geltung später auch Bedeutung für die katholische Minderheit in den westlichen Territorien Kurbrandenburgs gewann. 20 ) Die Gleichberechtigung der Reformierten bildete nur ein Teilproblem der komplizierten und brisanten Religionsfragen auf dem Friedenskongreß; sie betraf nur eine kleine Gruppe von Reichsständen. Hingegen rückte der Streit um Pommern, das zweite Hauptinteresse des brandenburgischen Kurfürsten, zeitweilig in das Zentrum der Verhandlungen, denn er berührte mit der Entschädigung Schwedens (Satisfaktion) für sein Eingreifen in den Krieg 21 ) zugleich die territoriale Neuordnung des Reiches überhaupt. Von Beginn der Verhandlungen an sprach alles dafür, daß die Schweden das von ihnen zunächst als Operationsbasis für ihren Feldzug ins Reich besetzte Territorium als Kriegsgewinn, als Satisfaktion für ihr Eingreifen auf Seiten der Gegner Habsburg-Österreichs, zu behalten gedachten. Allerdings hüteten sie sich, dies öffentlich preiszugeben, um nicht von vornherein die Mehrheit der Reichsstände gegen sich aufzubringen. Gustav Adolfs Adresse an die pommerschen Landstände in Stettin nach seiner Landung war jedoch unmißverständlich: „Nun seind arma nostra in urbe vestra, jure belli seid ihr Mein". Die schwedische, auf die Vorherrschaft im Ostseeraum gerichtete Politik schuf im Lande selbst vollendete Tatsachen, während sie ihre Annexionspläne mit Rücksicht auf die deutschen Verbündeten lange geheimhielt. 22 )
20
) Knappe, prägnante Zusammenfassung der Ergebnisse des Friedensschlusses bei Martin Heckel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter. Göttingen 1983, 198ff.; Textausgabe: Konrad Müller (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. 3. Aufl. Bern 1975. 21 ) Zu dem in der Forschung umstrittenen Problemkreis (Michael Roberts, Klaus Zernack, Fritz Dickmann u.a.) vgl. Sven Lundkvist, Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele 1632-1648, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 219-234; die Friedensziele wurden in der Hauptinstruktion für die schwedischen Gesandten vom Oktober 1641 formuliert: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. I. Bd. 1. Münster 1962, Nr. 17, 231 ff. 22 ) Zu den schwedischen Ansprüchen zusammenfassend Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 216ff., dort auch das Zitat; die Situation in Pommern sowie die Haltung der Stände zu den brandenburgischen Erbansprüchen und der faktischen schwedischen Besitzergreifung bei Wehrmann, Pommern (wie Anm. 3), 103ff., bes. 131 ff.; vgl. auch knapp Peter Baumgart, Schlesien und Pommern in der Politik des brandenburgisch-preußischen Staates, in: Schlesien und Pommern in den deutsch-polnischen Beziehungen vom 16. bis
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Klar und eindeutig formuliert finden sich die territorialen Ansprüche Schwedens im Reich erstmals in der geheimen Instruktion für die Unterhändler auf dem Friedenskongreß vom Oktober 1641. Aus diesem erst 1962 edierten Dokument 23 ) geht hervor, daß die schwedische Regierung sich der zu erwartenden Opposition gegen ihre Gebietsansprüche auf deutschem Boden sehr wohl bewußt war. Als Ziel der schwedischen Satisfaktionsforderungen wurde ausdrücklich Pommern, und zwar ganz Pommern einschließlich des Bistums Kammin, sowie die Erhebung von Seezöllen in den deutschen Ostseehäfen genannt. Eine geheime Nebeninstruktion 24 ) ließ nur geringen Spielraum für Konzessionen, nämlich einen Teilverzicht auf Pommern gegen eine hohe Geldabfindung. Als die verbündeten Großmächte nach langem Zögern und vorheriger Absprache Ende 1645 zum ersten Male ihre Satisfaktionsforderungen offenlegen mußten 25 ), erregten sie damit verständlicherweise ungeheures Aufsehen. Die schwedische Proposition beanspruchte nicht nur Pommern und Kammin, sondern auch die Stifte Bremen und Verden, dazu das Erzstift Magdeburg, Halberstadt, Minden und Osnabrück, ferner den mecklenburgischen Ostseehafen Wismar; dazu forderten die schwedischen Unterhändler noch ganz Habsburgisch-Schlesien. Vergebens hatten die brandenburgischen Kongreßgesandten die Aufnahme Pommerns in dieses Maximalprogramm zu verhindern gesucht. Nun war auch der Kaiser gezwungen, seinerseits Farbe zu bekennen. Bei der Vorlage der offiziellen Friedensvorschläge für das Reich mußte der kaiserliche Friedensunterhändler Maximilian Graf Trauttmansdorff, ein enger Vertrauter Kaiser Ferdinands III., zwischen den brandenburgischen Rechts- und den schwedischen Machtansprüchen entscheiden. Trauttmansdorff wurde instruiert 26 ), im Sinne der Macht zu verhandeln. Er bot den Schweden im Frühjahr 1646 ganz Pommern neben Wismar, Bremen und Verden an, während Brandenburg als Entschädigung das Stift Halberstadt erhalten sollte. Damit jedoch wollte sich der Kurfürst keineswegs zufrieden geben; sein Widerstand
18. Jahrhundert. 14. deutsch-polnische Schulbuchkonferenz der Historiker vom 9. bis 14.Juni 1981 in Zamosc. Braunschweig 1982, 1 1 - 3 0 , b e s . 15 ff. mit weiterer Literatur. 23 ) A P W Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 21), Nr. 17, 231 ff.; vgl. auch Nr. 14 (Instruktion vom März 1637) und Nr. 16 (Memorial vom September 1637). 24 ) Ebd. Nr. 19, 2 5 8 f f . (Stockholm, 5./15.10.1641). 25 ) Vgl. Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 248 ff. 26 ) Geheiminstruktion Ferdinands III. für Trauttmansdorff, Linz, 10.10.1645: APW Ser. I. Bd. 1 (wie Anm. 21), Nr. 29, 446: „...khundte ihnen also auch endlichen ganz Pommern verwilliget, auch die stift, wen es nicht änderst sein khundte", überlassen werden, ferner das Erzstift Bremen, Stralsund, Wismar und Rostock. Bereits Anfang 1641 hatte der Kaiser den Schweden in Separatverhandlungen zunächst Vorpommern und schließlich das ganze Herzogtum Pommern als Satisfaktion angeboten (ebd. 330 f.); vgl. Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß ( 1 6 4 3 - 1 6 4 8 ) . Münster 1979, 200ff.
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gegen das kaiserlich-schwedische Vorgehen versteifte sich. Die begrenzte diplomatische Rückendeckung Frankreichs kam ihm dabei zustatten. 27 ) Auf dem Friedenskongreß selbst geriet Kurbrandenburg so mehr und mehr in die Rolle des Friedensstörers, der allein noch den Abschluß des lang ersehnten Friedens verhinderte. In dieser Lage sah der brandenburgische Hauptunterhändler Sayn-Wittgenstein keinen anderen Weg mehr, als dem Kurfürsten zu einem Kompromiß zu raten und dazu, Äquivalente für einen Teilverzicht auf Pommern zu fordern. Friedrich Wilhelm möge es nicht „auf die Extrema kommen lassen. Denn es ist uns alles, was hier und zu Münster ist, zuwider; wir finden bei keinem Menschen einigen Rat, weniger Assistenz. Ein jeder sagt, es könne nicht anders sein, es wäre genug Blut geflossen, man müsse Frieden haben". Auch der Geheime Rat Friedrich Wilhelms gelangte nach mehrtägigen intensiven Beratungen zu dem Ergebnis, daß man die Hälfte Pommerns opfern müsse, um den Rest zu retten. 28 ) Bei einem Verzicht auf das ökonomisch entwickeltere Vorpommern blieben die Seeverbindungen ins Herzogtum Preußen über die hinterpommerschen Häfen offen, wurde aber zugleich die Chance auf eine territoriale Ausdehnung Kurbrandenburgs im nordwestdeutschen Raum eröffnet. Diesen auf der Linie einer ratio status Kurbrandenburgs liegenden Weg wies dem zögernden Kurfürsten sein alter Kanzler Götzen. Er empfahl ihm, seine augenblickliche Schlüsselstellung auf dem Kongreß zu nutzen, um nunmehr weitreichende Forderungen auf ein angemessenes Äquivalent zu erheben: Magdeburg, Halberstadt, Minden, Osnabrück, in Schlesien die geostrategisch günstig gelegenen Fürstentümer Glogau und Sagan. Diese politische Linie vermochte sich dann ein halbes Jahr später durchzusetzen. 29 ) 27
) Dazu die Resolution des Kurfürsten, Königsberg, 22.11.1645: UA (wie Anm. 12), 410; Berichte über die Besuche Wittgensteins bei den französischen Gesandten Longueville und d'Avaux, ferner beim kaiserlichen Gesandten Graf Lamberg, Münster, 2. und 9.12.1645: ebd. 411 f., 413 f.; Resolution des Kurfürsten, Königsberg, 13.12.1645: ebd. 414f.: „Pommern ist gleichsam eine Vormauer unseres Kurfürstenthums und die linea correspondentiae Unseres Etats in Preussen..."; Bericht aus Osnabrück, 2.2.1646: ebd. 421: Besuch Wittgensteins beim Grafen Trauttmansdorff, Kompromißvorschläge: „und wenn E.Ch.D. nicht mit Geld gedint wäre, so könnte man wol Lande finden...". Der Kurfürst hätte „ein grosses Land, das hätte an einem Ort hie einen Zipfel, dort wieder einen, dass sich gar wol ein Pfaffengut drein schickte". - „Aber wir müssten Frieden haben..."; Relation aus Münster, 6.4.1646: ebd. 433 f.: Audienz der brandenburgischen Gesandten bei Trauttmansdorff, dieser äußert sich cum aliqua impatientia über die nunmehr schon viermonatigen Verhandlungen, „man könnte die ganze und allgemeine Sache nicht länger in Hazard stellen...". 28
) Eigenhändiges Schreiben Löbens an Konrad von Burgsdorff, Osnabrück, 2.1.1646; Bericht Wittgensteins an den Kurfürsten, Osnabrück, 17./27.1.1647: ebd. 489f., 510f.: „wie gar hart sonderlich die evangelischen Stände uns entgegenarbeiten und die Herrn Schwedischen stetig anstrengen, ganz Pommern überhaupt zu nehmen...". Lediglich Graf d'Avaux setze sich noch für den Kurfürsten ein. - Gutachten der Geheimen Räte, Köln, 11.1.1647: ebd. 493 f. 29 ) Angemessene Äquivalente: Kurfürstliche Instruktion, Berlin, 2.7.1646; Resolution, Grüningen, 18.8.1646; Resolution, Duisburg, 7./17.11.1646: ebd. 446, 454, 467 f. u.ö.
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Auch auf schwedischer Seite zeichnete sich inzwischen eine größere Kompromißbereitschaft ab; sie hing mit innenpolitischen Kräfteverschiebungen zusammen, die sich wiederum auf dem Kongreß als Gegensätze zwischen den beiden Prinzipalgesandten widerspiegelten. 30 ) In dieser Situation unternahm die französische Kongreßdiplomatie auf Wunsch des Kaisers einen Vermittlungsversuch, der zunächst an der Hartnäkkigkeit Kurfürst Friedrich Wilhelms zu scheitern drohte, diesen damit aber nur in die völlige Isolierung manövrierte. Schließlich mußte Friedrich Wilhelm doch einlenken. D'Avaux konnte am 7. Februar 1647 nach wochenlangen Verhandlungen eine schwedisch-brandenburgische Punktation herbeiführen 31 ), die auf dem Prinzip der Teilung Pommerns beruhte. Demzufolge erhielten die Schweden ganz Vorpommern mit der Insel Rügen, dazu die zu Hinterpommern gehörige Insel Wollin, die Odermündungen samt Stettin, außerdem einen erst später näher zu bestimmenden Grenzstreifen rechts der Oder. Kurbrandenburg bekam das restliche Hinterpommern unter Einschluß des säkularisierten Bistums Kammin, wobei ein Teil der Stiftspräbenden der Krone Schweden zur Versorgung des vorpommerschen Adels vorbehalten bleiben sollte. An den Bedingungen dieser Punktation wurde in den folgenden Verhandlungen nichts mehr geändert. Sie fand Eingang zunächst in den Vorvertrag zwischen dem Kaiser und Schweden vom 18. Februar 1647 und kehrte dann als Artikel X des Osnabrücker Friedensinstruments wieder. 32 ) Diese Lösung der pommerschen Frage nun war gekoppelt mit der Regelung der Entschädigungen, die Kurfürst Friedrich Wilhelm für seine Zustimmung zur Teilung des Landes forderte. 33 ) Er wurde deswegen an Kaiser und Reich verwiesen, die für beide Seiten akzeptable Kompensationsobjekte erst noch ausfindig machen mußten. Bei den Verhandlungen darüber bot der kaiserliche Unterhändler Graf Trauttmansdorff den Brandenburgern die Stifte Halberstadt und Kammin sowie die Anwartschaft auf das inzwischen von einem sächsischen Prinzen administrierte Erzstift Magdeburg an. Dem standen aber sehr viel weitergreifende Forderungen Friedrich Wilhelms gegenüber. Er erhob neben einer gänzlich unrealistischen Geldforderung in Höhe von 1,2 Millionen Talern namentlich Gebietsansprüche in Schlesien. Die Krone Frankreich 30
) So Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 307f.; dazu aber Lundkvist, Kriegsund Friedensziele (wie Anm. 21), 238 f. 31 ) Vgl. Berichte der Gesandten Wittgenstein und Fromhold, Osnabrück, 1.2.1647; dazu die Resolution des Kurfürsten, Cleve, 16.2.1647: UA (wie Anm. 12), 534 ff. und 540 f.; dazu Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 314ff. 32 ) Zum Vorvertrag vgl. Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 26), 221 ff.; IPO Art. X: Müller (Bearb.), Instrumenta (wie Anm. 20), 50ff. 33 ) Siehe Anm. 29; dazu Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 316ff. mit Details, zugleich für das Folgende; ferner Ruppert, Kaiserliche Politik (wie Anm. 26), 214ff., 225 f.
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hätte eine solche Lösung vorgezogen, weil sich damit die österreichischen Habsburger in ihrer Hausmacht hätten schwächen lassen, der Kurfürst überdies in einen dauernden Gegensatz zum Kaiser geraten wäre und das geistliche Gut hätte geschont werden können. 34 ) Diese Vorschläge mußten jedoch trotz der Unterstützung durch Frankreich, wie sich denken läßt, am Widerstand der Habsburger scheitern, die jeden Eingriff in den territorialen Besitzstand der Erblande ablehnten und daher in eine Entschädigung durch die Säkularisation von geistlichen Reichsstiften einwilligten. Es war dies das erste Mal seit der Reformationszeit, daß ein deutscher Kaiser, der sich zugleich als Protektor der alten Kirche und ihres Besitzstandes im Reich verstand, die Säkularisation reichsunmittelbarer geistlicher Fürstentümer konzedierte. Trauttmansdorff bot Brandenburg selbstverständlich nur solche Reichsbistümer an, die bereits weitgehend evangelisch waren und seit Jahrzehnten von Administratoren aus protestantischen Fürstenhäusern regiert wurden, nämlich das Hochstift Halberstadt und das Bistum Kammin sowie die Anwartschaft auf das sächsisch verwaltete Erzstift Magdeburg. Er war bereit, diese ohnehin verlorenen Stifte zu opfern, um die entweder ganz oder doch teilweise katholisch gebliebenen geistlichen Territorien im Nordwesten des Reiches - Münster, Osnabrück, Hildesheim und Minden - dem brandenburgischen Zugriff zu entziehen. 35 ) Er verband sein Angebot außerdem mit der Forderung, den Bestand der Domkapitel und ihrer Einkünfte zu wahren, während ihr Wahlrecht beim Übergang in das erbliche Eigentum eines weltlichen Fürsten natürlich wegfallen mußte. In allen drei Stiften erhoben sich Widerstände, die sich nicht so sehr gegen die in Aussicht genommene brandenburgische Herrschaft als vielmehr gegen jegliche Umwandlung in ein weltliches Herzogtum bzw. Fürstentum richteten. Die Domkapitel als die eigentlichen bisherigen Landesherren sahen mit dem Verlust des Wahlrechts alle ihre Privilegien bedroht. In Halberstadt und Magdeburg suchten sie deshalb durch die Wahl von Koadjutoren aus dem Weifenhaus vollendete Tatsachen zu schaffen. 36 ) Ebenso nutzten einige Städte die Gelegenheit, um den Schritt aus der Abhängigkeit der Landstadt in die Freiheit einer Reichsstadt zu versuchen. Aber selbst der Stadt Magdeburg, der größten von ihnen, ist dies trotz der Hartnäckigkeit ihres Bürgermeisters Otto von Guericke nicht gelungen. Das Osnabrücker Friedensinstrument bestätigte der Stadt zwar ihre alten Privilegien, ohne ihr jedoch die Reichsfreiheit zuzu-
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) Dazu Koser, Brandenburgische Politik (wie Anm. 1), 500. ) Zur konfessionellen Situation in diesen Hochstiften jetzt William C. Schräder, The Catholic Revival in Osnabrück and Minden, 1591-1651, in: The Catholic Historical Review 78, 1992, 35-50. 36 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 319 f. 35
Baumgart,
Kurbrandenburgs
Kongreßdiplomatie
481
gestehen. 37 ) Den Rechtsgrund der Beschwerden der Stifte konnte niemand bestreiten, aber die Kaiserlichen sahen keinen anderen Weg, um den Friedensschluß zu ermöglichen. Der schwedische Kanzler stellte denen, die sich auf die alten Privilegien beriefen, die moderne Staatsräson entgegen. Überlieferte Rechte und Regierungsformen seien nicht ewig, sagte er, sondern dem Wechsel der Zeiten unterworfen. Mit diesem Argument rechtfertigte er die Umwandlung der geistlichen Fürstentümer in weltliche Staaten. 38 ) Nach einigem Zögern fand sich Kurbrandenburg am 6. Februar 1647 bereit, die drei Stifte als Entschädigung zu akzeptieren. Zusätzlich verlangte der Kurfürst aber das von den Schweden besetzte Stift Minden als Ausgleich für die späte Aussicht auf Magdeburg 39 ) In Minden stand in der Person des Fürstbischofs von Osnabrück, Franz Wilhelm von Wartenberg, ein entschiedener Vorkämpfer katholischer Belange einer lutherischen Mehrheit der Stiftsbevölkerung und des Domkapitels gegenüber. Der Konfessionsstatus von Minden war also noch unentschieden. Es gelang den brandenburgischen Gesandten tatsächlich, durch das auch sonst häufiger mit Erfolg praktizierte Instrument großzügiger Bestechung der kaiserlichen und schwedischen Unterhändler 40 ) die Weichen zugunsten Friedrich Wilhelms zu stellen. Damit fand das Entschädigungsproblem insgesamt eine für Kurbrandenburg denkbar günstige, vorher nicht absehbare Lösung. Artikel XI des Osnabrücker Friedensinstruments enthielt die endgültige, völkerrechtlich verbindliche Fixierung dieser Entschädigungen. Unmittelbar nach der Unterzeichnung der Westfälischen Verträge notifizierte die brandenburgische Gesandtschaft (Wittgenstein, Wesenbeck und Fromhold) mit ihrem Schreiben vom 15./25. Oktober 1648 das Ergebnis dem Geheimen Rat zu Berlin 41 ): Die langwierigen Verhandlungen seien „durch die Allmacht Gottes mit großer Arbeit, Mühe und Kosten ... nunmehro gestriges Tages endlich und völlig [abgeschlossen" worden. In seiner Antwort aus Cleve auf die lang ersehnte Nachricht zeigte sich Kurfürst Friedrich Wilhelm erleichtert 42 ): Er hoffe nun auf eine fristgerechte Ratifikation und anschlie37 ) Ebd. 3 9 3 f . , IPO Art. XI, § 8: Müller (Bearb.), Instrumenta (wie Anm. 20), 57: Pristina sua libertas et Privilegium Ottonis primi... 38 ) Oxenstiernas Position bei Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 320: „Er sprach damit das Urteil der Geschichte" (!). 39 ) Resolution des Kurfürsten, Cleve, 16.2.1647: U A (wie Anm. 12), 5 4 0 f . , vgl. dazu die Berichte der Gesandten aus Osnabrück vom Januar 1647: ebd. 512 ff., 526ff.; zu Minden jetzt Hans Nordsiek, Vom Fürstbistum zum Fürstentum Minden, in: WestfZ 140, 1990, 2 5 1 - 2 7 3 , bes. 2 6 4 f . und 266ff., dort auch zur Rolle Franz Wilhelms von Wartenberg als Koadjutor seit 1630 und als (nomineller) Landesherr. 40 ) Bestechung von Volmar und Salvius: Bericht Fromholds, Osnabrück, 18.1.1647: U A (wie Anm. 12), 512ff., 521; Bericht Wittgensteins, Osnabrück, 1.2.1647: ebd. 534ff.; vgl. auch Anm. 15. 41 ) Ebd. 733. 42 ) Ebd. 734 f.
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Der Westfälische Friede und das Reich
ßende „behörige Exekution", damit „dadurch Unser geliebtes Vaterland deutscher Nation dermaleinst nach so langen ausgestandenen großen Pressuren, Drangsalen und Zerrüttungen in beständige Tranquilität, Ruhe und Sicherheit gesetzet werden möge". Zwar hätte er es „lieber gesehen, daß man Uns Unsere so ansehnliche Lande gelassen und anderen die dagegen pro Aequivalente offerierte Stücke gegeben hätte", aber er sei dennoch „beharrlich entschlossen ... um Friedens willen solches alles zu vergessen und hingegen dasjenige, was bei den Tractaten ... verabredet und verglichen, steif, fest und unverbrüchlich zu halten". Ferner hoffe er auf den alsbaldigen Abschluß einer Allianz mit der Krone Schweden und auf eine einvernehmliche Grenzziehung in Pommern, obschon diese „noch schwere Difficultäten" verursachen könne, wie er zutreffend voraussah. 43 ) Mochte dies Versprechen kurzfristig und mit Blick auf die religionsrechtlichen Regelungen des Vertragswerkes auch aufrichtig sein, so kann doch kaum ein Zweifel daran bestehen, daß den Kurfürsten von Brandenburg die territorialen Bestimmungen von Osnabrück nicht wirklich befriedigten. Friedrich Wilhelm wollte den begründeten Rechtsanspruch auf das ganze Herzogtum Pommern nicht aufgeben; er zeigte sich entschlossen, die machtpolitische Entscheidung der Großmächte zu revidieren, wann immer sich eine Möglichkeit dazu bot. Denn das an Häfen reiche Pommern behielt eine Schlüsselstellung in seinen politischen Zukunftsplänen, die darauf abzielten, aus Kurbrandenburg nach niederländischem Vorbild eine See- und Handelsmacht an der Ostsee zu machen. Während der folgenden Regierungsjahrzehnte ist Friedrich Wilhelm in wechselnden Bündnissen und Konstellationen seinem Ziel wiederholt (1659 wie 1675) sehr nahe gekommen, bis hin zur fast vollständigen Besetzung des Landes; an der tatsächlichen Realisierung hat ihn jedoch stets die französische Hegemonialmacht, die alte Verbündete Schwedens, gehindert. 44 ) Im Hinblick auf eine derartige Konzeption vermochte er den Erwerb beachtlicher binnenländischer Stiftslande nicht als eine echte Kompensation für den Verlust des schwedisch gewordenen Vorpommern zu sehen. Er zeigte sich daher jederzeit zum Tausch bereit und bot der Krone Schweden sogar eine Geldentschädigung von zwei Millionen Reichstalern an, allerdings vergeblich, weil die schwedische Außen- und Wirtschaftspolitik beständig darauf gerichtet blieb, die Ostsee zu einem schwedischen Binnenmeer (mare nostrum) 43
) Über die Schwierigkeiten bei der Räumung der Stifte und zumal Hinterpommems durch die Schweden vgl. Opgenoorth, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1), Bd. 1,206 ff., 262 ff.; vgl. auch Petsch, Verfassung und Verwaltung (wie Anm. 3), 192f.; die Räumung erfolgte erst im Juni 1653 nach einer kaiserlichen Drohung gegenüber Schweden, die Anerkennung der Reichsstandschaft zu verweigern. 44 ) Zur Interpretation dieser Politik jetzt Johannes Kunisch, Kurfürst Friedrich Wilhelm und die Großen Mächte, in: Heinrich (Hrsg.), Ein sonderbares Licht (wie Anm. 1), 9-32, bes. 16f., 25ff.; vgl. auch Opgenoorth, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 1), Bd. 1, 383ff., 399ff., 403ff.; Bd. 2, 167ff„ 173ff., 180ff„ 187ff.
Baumgart, Kurbrandenburgs
Kongreßdiplomatie
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zu machen, bis sie damit an der aufsteigenden Großmacht des petrinischen Rußland scheiterte. 45 ) In der Beurteilung der Auswirkungen des Westfälischen Friedens auf Kurbrandenburg ist die ältere Historiographie der Sichtweise des Kurfürsten zumeist gefolgt. 46 ) Heute läßt sich jedoch deutlicher erkennen, daß sie den politischen Realitäten der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Reich und in Europa wenig entsprach. Für Kurbrandenburg erbrachte das Äquivalent der sog. „Entschädigungslande", der Erwerb der Stifte Halberstadt, Minden und Kammin, dazu die 1680 realisierte Anwartschaft auf Magdeburg zwar keinen nennenswerten territorialen Zuwachs gegenüber dem verlorenen Vorpommern. Aber die Stiftslande mit zusammen knapp 10 000 Quadratkilometern 47 ) übertrafen das etwa doppelt so große, wenig entwickelte, dünn besiedelte hinterpommersche Erbe nicht nur an wirtschaftlichem Potential und finanziellem Aufkommen, sondern auch an strategischer Bedeutung im Hinblick auf die westlichen Außenbesitzungen: Mit der Brückenbildung zu den westlichen Territorien wurde zugleich eine Schwerpunktverlagerung des bisher eher einseitig nach Ostmitteleuropa orientierten Kurstaats gefördert. Seine Kerngebiete wurden durch die Stiftslande nach Westen hin abgerundet, die brandenburgische Position im Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis durch das strategisch wichtige Minden erheblich gestärkt; mit der Festung Magdeburg erhielt Kurbrandenburg eine beherrschende Stellung an der Elbe. Die territorialen Regelungen von Osnabrück verwiesen Kurbrandenburg stärker auf das nordwestdeutsche Binnenland und bewirkten zugleich eine engere Verflechtung in die Reichsangelegenheiten. Der Kurfürst vermochte diese Ergebnisse der Friedensordnung von 1648 nicht zu revidieren, so sehr er sich während seiner langen Regierungszeit auch darum bemühte. Es bleibt deshalb zwar partiell richtig, wenn Reinhold Koser in seiner Torso gebliebenen Geschichte der preußischen Politik seinerzeit formulierte 48 ): Mit dem Frieden von Münster und Osnabrück „begann die europäische Politik des brandenburgisch-preußischen Staates". Aber das Scheitern der kurfürstlichen Politik hinsichtlich Pommerns und der Seemachtpläne zeigt doch zugleich die nach wie vor feste Einbindung Friedrich Wilhelms als Kurfürst und Reichsstand in die durch den Frieden gerade wieder bestätigte Rechts- und Rangord45
) Vgl. etwa Klaus Zemaclc, Schweden als europäische Großmacht der frühen Neuzeit, in: HZ 232, 1981, 327-357; ferner Michael Roberts, The Swedish Imperial Experience, 1560-1718. Cambridge 1979; außerdem Anm. 21 und die dort (Lundkvist) zitierte schwedische Literatur. 46 ) So von Droysen, Preußische Politik (wie Anm. 1), bis zu Koser, Brandenburgische Politik (wie Anm. 1). 47 ) Flächenangaben bei Gerd Heinrich, Geschichte Preußens. Staat und Dynastie. Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1981, 567; vgl. auch Heinrichs Beurteilung der Friedensergebnisse: man habe „einen geradezu glänzenden Abschluß erreicht" (ebd. 100). 48 ) Koser, Brandenburgische Politik (wie Anm. 1), 508.
484
Der Westfälische
Friede und das Reich
nung des Heiligen Römischen Reiches. In wechselnden bilateralen Verträgen mit europäischen Mächten bemühte sich dieser Kurfürst zwar um eine selbständige Politik im und neben dem Reich, aber er wurde dabei von den Großmächten immer wieder in seine Grenzen verwiesen. Er focht die nach dem Frieden alsbald wiederhergestellte Vorrangstellung des Kaisers nicht an. Die brandenburgische „Staatsräson" richtete sich in aller Regel nicht gegen das Reich; vielmehr hat sie selbst durch die zähe Verteidigung der Vorrangstellung der Kurfürsten, ihrer Präeminenz, gegen die Opposition der Fürsten eher zur Stabilisierung als zur Schwächung der traditionellen Reichshierarchie beigetragen. 49 ) Von einem deutschen Dualismus bereits nach dem Westfälischen Frieden, während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie ihn die ältere Historiographie gern rückprojiziert hat, kann mithin nicht die Rede sein. Dem durch die Friedensinstrumente von Münster und Osnabrück erneuerten Reichssystem konnte und wollte sich selbst eine so willensstarke und eigenständige Fürstenpersönlichkeit wie Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der „Große Kurfürst", nicht entziehen. 50 ) Den Strukturzwängen dieser gerade seit 1648 in die europäische Mächteordnung eingebetteten Reichsverfassung mußte er sich fügen; er konnte lediglich versuchen, sie für die Zwecke des Kurstaates Brandenburg zu instrumentalisieren. Im rückblickenden Urteil muß der Historiker mithin einen entscheidenden Unterschied zwischen Kurbrandenburg nach der Friedensordnung von 1648 und der preußischen Monarchie im Jahre 1740, am Beginn des österreichisch-preußischen Dualismus, konstatieren.
49
) Vgl. Anton Schindling, Der Große Kurfürst und das Reich, in: Heinrich (Hrsg.), Ein sonderbares Licht (wie Anm. 1), 5 9 - 7 4 ; ders., Kurbrandenburg im System des Reiches während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Oswald Hauser (Hrsg.), Preußen, Europa und das Reich. Köln/Wien 1987, 3 3 - 4 6 . 50 ) Baumgart, Der Große Kurfürst (wie Anm. 4), 45.
Die pommerschen Landstände und der Westfälische Friedenskongreß Von
Herbert
Langer
Die Gesandten, die der dänische König als Herzog von Holstein zum Kurfürstentag nach Regensburg im Jahre 1630 geschickt hatte, berichteten von dort folgendes: Anläßlich einer Audienz beim Reichsvizekanzler hätten sie diesen über die Landung einer schwedischen, von König Gustav Adolf kommandierten Armee im Herzogtum Pommern informiert. Die Reaktion befremdete die Gesandten: Man habe lachend geantwortet, daß man die Expedition für nichts halte. Der „Schwede" werde bald wieder vom Reichsboden geworfen werden. 1 ) - Die heitere Gelassenheit verging den Herren am Wiener Hof in dem Maße, wie umgekehrt die kaiserlichen Truppen zügig aus Pommern vertrieben wurden. Diese vom Sommer 1630 bis zum späten Frühjahr 1631 vollzogene Besetzung der pommerschen und mecklenburgischen Herzogtümer hielt Napoleon für eine Meisterleistung des Strategen Gustav Adolf. Dieser blieb nicht in Pommern stehen, sondern baute dessen Territorium zur Operationsbasis seines Offensivkrieges in Deutschland aus, nachdem er den Herzog mittels eines ProtektionsVertrages, der „Stettiner Allianz" vom 10./20. Juli 1630, an sich gebunden hatte. 2 ) Der nahezu unaufhaltsame, siegreiche Zug schwedischer Armeen durch das Reich, der von lebhaften Bewegungen in der gesamten Gesellschaft begleitet wurde, war ein beispielloser Vorgang, dessen Resultate und Folgen der gesamte Friedenskongreß zu bewältigen hatte. Frieden mit Schweden zu bewerkstelligen war unter allen seinen Herausforderungen wohl die größte, und das hieß, die pommersche Frage vom pomus Eridis in ein medium pacis zu wandeln. Schon in der Anfangsphase des „deutschen Krieges" war abzusehen, daß die Schweden sich dauerhaft in Pommern festsetzen würden, denn sie hielten damit ein weiteres Stück der für Schweden so wichtigen Ostseeküste in der
') Rigsarkiv K0benhavn, TKUA, Riksdagen Nr. 236, Diarium Henrik Ranzau etc., Eintragung vom 17./18.8.1630. 2 ) Der Wortlaut des Stettiner Vertrages, der in den Verhandlungen zwischen den pommerschen Ständen und schwedischen Repräsentanten unterschiedlich interpretiert wurde, in: Sveriges traktater med främmande magter. Vol. 5/1: 1572-1632. Stockholm 1903, 380-404.
486
Der Westfälische Friede und das Reich
Hand. 3 ) Auf dem Frankfurter Konvent des Heilbronner Bundes 1634 benannte Reichskanzler Axel Oxenstierna auf Drängen seiner deutschen Bundesgenossen Pommern als wichtigstes Objekt schwedischer Satisfaktionsansprüche. Die schweren Rückschläge für Schweden in den folgenden Jahren ließen die schwedische Macht bis auf einen Rest in Pommern schrumpfen, der Reichsrat erwog einen Verzicht auf Satisfaktionsobjekte in Deutschland. Mit französischer Hilfe rollte jedoch der „schwedische Krieg" seit dem Sieg über eine kaiserlich-sächsische Armee bei Wittstock am 4. Oktober 1635 wieder ins Reich zurück und begründete bis zum Ende des Krieges die überragende Siegerposition Schwedens. Auf sie gestützt, verfocht die schwedische Diplomatie auf dem Kongreß in Westfalen erst recht ihren Anspruch auf pommersches Territorium. 4 ) Dabei mußte sie sich aber mit dem Kurfürsten von Brandenburg auseinandersetzen, der sein Recht als legitimer Sukzessor der pommerschen Herzöge hartnäckig verteidigte. Als Repräsentanten des Herzogtums suchten als Dritte und mit einer betont eigenständigen Position die pommerschen Landstände an den Verhandlungen mitzuwirken, die ihr Mitentscheidungsrecht in gesamtpommerschen Fragen aus einer langen Verfassungstradition ableiteten. Ihr spezifisches Engagement für die Lösung der für den Frieden entscheidenden „Pommernfrage" soll hier zur Sprache kommen. 5 ) Am 26. Mai 1643 berichtete der Prälat des Stifts Kammin und spätere Abgesandte der pommerschen Stände zum Westfälischen Friedenskongreß, Marx von Eichstädt, vor dem Landtag zu Wolgast über seine Stettiner Verhandlungen mit dem Sohn des schwedischen Reichskanzlers, Johan Oxenstierna. 6 ) Dieser war „Königlich schwedischer Legat zu den Friedensverhandlungen in Deutschland" (sekundiert von Johan Adler Salvius), zugleich auch Sonderbeauftragter der schwedischen Krone für die Einrichtung einer provisorischen schwedischen Verwaltung in Pommern. Der Repräsentant der Protektionsmacht, die den „Kriegsestat" im Lande führte, sagte den Land3
) Sveriges krig 1611-1632. Vol. 3. Stockholm 1936, 380ff.; Vol. 4. Stockholm 1937, Kap. 1 und 2. ) Sven Lundkvist, Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele 1632-1648, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988,219-240; Gottfried Lorenz, Einleitung, in: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. II. Abt. C. Bd. 3. Münster 1975, XXVI-XLIV. 5 ) Zur Geschichte der pommerschen Stände bis 1648 siehe Rudolf Baier, Geschichte der Communalstände von Neuvorpommern und Rügen. Mit einem Rückblick auf die ständische Verfassung und Verwaltung der früheren Jahrhunderte. Stralsund 1881; Max Bär, Die Politik Pommerns während des dreißigjährigen Krieges. Leipzig 1896, ND Osnabrück 1966. Für die Zeit nach 1648 vgl. Wilhelm Blumenthal, Die Stände Vorpommerns von 1648 bis 1720. Phil. Diss. Göttingen 1903. Zum behandelten Thema durch neue Fakten und ihre Interpretation im Rahmen der Dualismustheorie sehr informativ: Pär-Erik Back, Herzog und Landschaft. Politische Ideen und Verfassungsprogramme in Schwedisch-Pommern um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. Lund 1955. 6 ) Protokoll des Landtags vom 26.5.1643: Stadtarchiv Greifswald, Landtag (LT), Rep. 5, 850.
4
Langer, Die pommerschen
Landstände
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ständen zu, ihr Begehren nach eigenständiger Beschickung des Kongresses vorbehaltlich einer entsprechenden königlichen Anweisung - befördern zu wollen. 7 ) Der Kurfürst von Brandenburg, dem die Landstände kraft seines Erbrechts auf die pommerschen Herzogtümer durch Eide verbunden waren, wurde ebenfalls über die Delegationsabsicht informiert. Er sicherte Beistand zu, denn er sah in einer ständischen Gesandtschaft eine ihm verpflichtete Stütze seiner legitimen Ansprüche und seiner seit langem verfochtenen Weigerung, auf das pommersche Erbe zu verzichten. Es war ihm, juristisch unanfechtbar, nach dem Tode des letzten Pommernherzogs, Bogislav XIV., 1637 zugefallen. Der Kriegsverlauf und die schwedische Dominanz hatten ihn allerdings an der Regierungsübernahme gehindert. 8 ) Schweden als faktischer Machthaber und Administrator des Herzogtums nach Bündnis- und Kriegsrecht, Brandenburg mit rechtlich gesicherten Ansprüchen auf eine Machtübernahme in Pommern, dazwischen die zweigeteilte „Landschaft", die sich als gleichberechtigt und die Landesinteressen wahrnehmende Körperschaft sah - das war die Konstellation, unter der die pommerschen Fürstentümer auf dem Friedenskongreß figurierten. Wir sehen die ständischen Abgesandten ausschließlich in Osnabrück und mit nichtkatholischen Partnern agieren, vor allem mit den brandenburgischen und schwedischen Gesandten. In Münster weilte - mit Residentenstatus - ein Beauftragter des Bischofs von Kammin, der hinterpommersche Adlige Balzer von Wedel. Er war den Ständedeputierten als Quartiermacher vorausgereist und versorgte sie mit Informationen. 9 ) Der erwähnte Wolgaster Ständekonvent vom Mai 1643 wählte für die schon im Januar 1642 anvisierte „hochnöthige Beschickung" des Friedenskongresses kompetente „Landespatrioten" (analog auch „Sympatrioten") aus, erörterte die Form ihrer finanziellen Ausstattung und bat die Landstände Stettinscher und Stiftischer Regierung (später „Hinterpommerns") um ähnliche Schritte. Die Stände beider pommerschen Herzogtümer einigten sich nach den üblichen Querelen über Zusammensetzung und Finanzanteile schließlich auf eine sparsame Delegationsvariante - auch aus taktischen Gründen, denn bei einer reichlicheren Ausstattung und größeren Anzahl von Delegierten wäre ihr anhaltender, zäher Widerstand gegen die wachsenden Forderungen der schwedischen Regierung im Lande unglaubhaft erschienen. Aus dem Herzogtum Pommern-Wolgast gewannen die Stände den schon in vielen Gesandtschaften (an den Kaiserhof, nach Spanien und Dänemark) erprobten Marcus von Eichstädt als ritterschaftlichen Vertreter und den Stettiner Syndikus Dr. Friedrich 7
) Oscar Malmström, Bidrag tili Svenska Pommerns historia 1630-1653. Phil. Diss. Lund 1892, 6 9 f. 8 ) Zu Brandenburg vgl. den Beitrag von Peter Baumgart in diesem Band. 9 ) Bär, Pommern (wie Anm. 5), 156.
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Der Westfälische Friede und das Reich
Runge für die Wahrnehmung hauptsächlich städtischer Interessen. Eichstädts Kamminer Prälatur sicherte zugleich, daß auch die teils ungeklärten Angelegenheiten des Stifts und des dortigen Relikt-Prälatenstandes angesprochen werden würden. 10 ) Der innerhalb des pommerschen Territorialstaates nahezu autonomen und durch einen eigenen Protektionsvertrag mit Gustav Adolf vom 23. Juni/3. Juli 1628 von den Ständen separierten Stadt Stralsund räumte die schwedische Königin das Recht ein, eine eigene Delegation zum Kongreß in Westfalen zu schicken. Wie deren Bericht, der in einer handschriftlichen Kopie vorliegt, zeigt, hofften die Stralsunder auf die Anerkennung ihrer Stadt als Reichsstadt - ebenso wie auch andere Städte, z.B. Magdeburg und Erfurt. Das Verhältnis der Stralsunder zu den ständischen Abgesandten wurde durch gelegentliche Konsultationen und partielle Kooperation bestimmt. 11 ) Pommern in seiner damaligen Vielgestaltigkeit war demnach auf dem Friedenskongreß mehrfach vertreten: als ein Ganzes, in seinen Teilen (Herzogtümer Stettin und Wolgast, Stift Kammin) und durch die Hansestadt Stralsund. Das Votum im Fürstenrat führten die brandenburgischen Gesandten. Die landständische Delegation war die einzige ihrer Art auf dem Kongreß und verdient auch deshalb besonderes Interesse. Die Instruktion für die beiden Bevollmächtigten bezeugt ein hohes Maß von grundsätzlicher Übereinstimmung seitens ihrer Auftraggeber. Man hielt gerade „zu dieser Zeit und Sache" (dem
10
) Zu Eichstädt (auch Eickstätt) siehe Allgemeine Deutsche Biographie [ADB] Bd. 5, 1877, 746; zu Runge ADB Bd. 29, 1889, 683 f. Die „hochnöthige Beschickung" des Kongresses hat eine jahrelange Vorgeschichte, die bis Anfang 1642 zurückreicht. Die definitiven Beschlüsse und rechtlichen Schritte erfolgten laut Landtagsakten beider Herzogtümer am 31.5., 3.6., 6.6. und 8.6.1643. Die Originalvollmachten der Abgesandten trugen 130 Unterschriften. Die daraufhin erfolgte erste Reise nach Osnabrück war verfrüht. Eichstädt und Runge kehrten im Juli 1644 zurück, nur der Resident von Wedel blieb - quasi als Beobachter, um den angemessenen Zeitpunkt für eine Wiederanreise mitzuteilen - in den Kongreßstädten. Dazu faßten die Landtage erneut Beschlüsse, so am 25.1.1645. Soweit aus den Akten zu ermitteln, wurden die Abgesandten mit folgenden Dokumenten ausgestattet: Auftrag, Erklärung über dessen Annahme, Schadlosversicherung, Kreditiv (Vollmacht), Geleitbrief (Paß) von Seiten des Kaisers oder eines Reichsstandes, Instruktion. Die Abgesandten erreichten Osnabrück nach beschwerlicher Reise am 21.10.1645, bei den Antrittsvisiten am 23. und 25.10. überreichten sie den Gesandten Schwedens und Kurbrandenburgs ihre Kreditive und waren damit (eingruppiert als Vertreter eines mediaten Reichsglieds) bei den Gesandtschaften dieser Mächte akkreditiert. 11 ) Der Stralsunder Rat hatte in Übereinstimmung mit dem Bürgerkollegium der Hundertmänner schon 1638 in Erwägung gezogen, den vorgesehenen Friedenskongreß mit eigenen Gesandten zu beschicken. Die praeparatoria pacis waren auf Grund des Allianzvertrages der Stadt mit Gustav Adolf von 1628 nur mit schwedischer Zustimmung möglich, die der spätere Sekundargesandte Johan Adler Salvius schon 1638 erteilte. Vgl. Nachrichten betreffend die von der Stadt Stralsund zu dem Friedenscongresse zu Osnabrügge in den Jahren 1645, 1646 und 1647 abgeordnete Legation (Abschrift durch Dinnies 1772): Stadtarchiv Stralsund, HS 6, 4-11. Instruktion für die beiden Abgesandten, die Ratsherren Joachim von Braun und Carsten Schwartze: ebd. 81-118. Ihr Bericht wird ergänzt durch zwei Bände mit Dokumenten: ebd. HS 7 und 8.
Langer, Die pommerschen
Landstände
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„hochnöthigen Frieden") die „einmüthige conjunction und correspondenc" für erforderlich. 12 ) Die Abgesandten wurden von ihren Auftraggebern auf eine Reihe von Forderungen und Grundsätzen verpflichtet, von denen sie nur nach Rückfrage bei den Landständen beider Herzogtümer abweichen durften. Nachteilige Erfahrungen mit dem daraus resultierenden Zeit- und Informationsverlust veranlaßten diese, einen Ausschuß von wenigen Personen zu bilden, mit denen die Abgesandten rascher kommunizieren konnten. Dieser Ausschuß nahm die wöchentlichen, per Post beförderten Schreiben entgegen; seine Antworten an die Abgesandten fielen oft weit kürzer aus, als diese wünschten. Ihre Berichte sind weitgehend erhalten, ein Großteil ist bereits ediert. 13 ) Ihre gründliche Durchsicht und das Studium weiterer Akten ermöglichen gesicherte Aussagen zur Präsenz landständischer Politik auf dem so umfangreichen, mit unzähligen Problemen beladenen Friedenskonvent. 14 ) Hier ist nur Raum, um Grundsätze und tragende Auffassungen landständischer Politik zu behandeln; die zu ihrer Durchsetzung angewandte Taktik und die menschliche Dimension der - wie sich zeigen sollte - wenig aussichtsreichen Aufgabe können nur gestreift werden. Der Forderungskatalog der Stände enthielt folgende Postulate: Die Herzogtümer sollten beim Reich bleiben und in die allgemeine Amnestie aufgenommen werden. Dadurch würde Pommern von allen kriegsbedingten Ansprüchen, Verträgen und Verpflichtungen befreit und auf den Vorkriegsstatus als Reichsstand zurückgeführt werden. Die Abgesandten sollten zudem eine kaiserliche Bestätigung der Privilegien von Land und Ständen erwirken. Dies stellt ein rechtssicherndes Novum dar, an dem sich die Hochschätzung der Reichsverfassung durch die Mediatstände Pommerns ebenso ablesen läßt wie die Erwartungshaltung gegenüber dem Kongreß. Dies offenbart sich auch darin, daß die Abgesandten beauftragt wurden, auf dem Kongreß für die Sanktionierung der autonom von den Ständen erarbeiteten grundgesetzlichen Ordnungen, die von den Schweden nicht anerkannt wurden, zu werben. Schweden wies die Instruktion einzig die Rolle einer Schutzmacht der lutherischen Lan-
12 ) Schreiben der Wolgastischen Landstände an die Stettiner Landstände vom 31.5.1643: LT (wie Anm. 6), 5, 850. 13 ) Verhandlungen der Pommerschen Gesandten auf dem Westphälischen Friedenskongreß, in: Baltische Studien 4/2, 1837, 16-99 (1. Abt.); 5/1, 1838, 1-130 (2. Abt.); 5/2, 1838, 5 0 - 1 5 0 (3. Abt.); 6/1, 1839, 1-127 (4. Abt.); 6/2, 1839, 17-122 (5. Abt.); 7/1, 1849, 115-217 (6. Abt.); 14/2, 1852, 4 3 - 2 0 0 (7. Abt.). Zum Vergleich und zur Ergänzung wichtig: Acta, betr. die zu Osnabrück statt gehabten Friedens-Unterhandlungen: Stadtarchiv Greifswald, Rep. 5, 525-527. 14 ) Die Akten des Stettiner Landtags harren noch einer genaueren Auswertung. Grundsätzlich neue Erkenntnisse sind nicht zu erwarten, da die Wolgaster Akten die Korrespondenz mit und einzelne Aktenstücke aus Stettin enthalten. Das Schriftgut des Stettiner Landtags wird im Wojewödzkie Archiwum Panstwowe w Szczecinie aufbewahrt.
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deskonfession zu. Eine Reihe von Instruktionspunkten stimmt mit denen anderer Reichsstände, vor allem des Städterates, überein: so die Ablehnung der Übernahme von Kriegskosten, die Forderung nach Aufhebung aller Besatzungen (praesidia) und Garnisonen, nach Befreiung von den Lasten zur Abführung der schwedischen Truppen und nach einer Entlastung der Produktion und des Handelsverkehrs von kriegsbedingten Zöllen (Lizenten) und Steuern (Trank- und Scheffelsteuer). Man setzte also voraus, daß die Präsenz der schwedischen Militär- und Zivilverwaltung mit dem Friedensschluß enden würde. 15 ) Daß die beiden Abgesandten mit einem solchen Forderungskatalog, der sich unmittelbar gegen die übermächtige schwedische Regierung richtete, zum Friedenskongreß beschieden wurden, bekräftigt wiederum, daß die Landstände die Möglichkeiten dieses Konvents außerordentlich hoch veranschlagten. Was man in zähen, kräftezehrenden Auseinandersetzungen mit den schwedischen Behörden im Lande kaum erreichen konnte, sollte mittels des Kongresses durchgesetzt werden. Man setzte also auf einen Rückwirkungseffekt der Kongreßverhandlungen auf die Landesprobleme. Eine ähnliche Taktik verfolgten die Stände gegenüber der schwedischen Königin, von der sie immer wieder Eingriffe zugunsten der Landes- und Standesinteressen gegenüber den örtlichen Gouverneuren und Behörden erwarteten. 16 ) Der Bericht der Abgesandten und andere Akten bezeugen, daß sie (vor allem in Osnabrück) unermüdlich um Unterstützung für das landständische Programm warben bei den Reichsständen, den Hansestädten und, über vermittelte Kontakte, auch bei Großmächten wie Frankreich und den General Staaten. Die wichtigsten Dialog- und Verhandlungspartner der beiden Landesdelegierten waren die Vertreter der Protektionsstaaten. Da Brandenburg und Schweden hinsichtlich Pommerns auf dem Kongreß unvereinbare Positionen verfochten, ergaben sich Chancen, sie gegeneinander auszuspielen: Zusagen der einen Seite konnten der anderen offeriert werden, um diese in Zugzwang zu setzen. Dabei gab es jedoch eine Konstante - das unerschütterliche Festhalten an der Eidesgebundenheit gegenüber dem landesherrlichen Eventualsukzessor, dem Kurfürsten von Brandenburg. Mochten die schwedischen Unterhändler auch noch so eindringlich argumentieren, daß der Kurfürst seine pommerschen Untertanen schmählich verraten, das Land den kaiserlichen Besatzern zum Verderb überlassen und durch den Beitritt zum Prager Frieden 15 ) Instruktion für die Abgesandten kurz skizziert bei Bär, Pommern (wie Anm. 5), 155 f. Die wichtigsten Punkte wurden im Verlauf der Verhandlungen immer wieder vorgebracht, vgl. Punktation der beiden Landstände, im Januar 1645 an den Legaten Oxenstierna gesandt: LT (wie Anm. 6), 5, 1248. Memorial der pommerschen Abgesandten an die schwedischen Kongreßgesandten vom 30.1.1646: Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 2, 98-107. Brief von Salvius an Königin Christine vom 28.12.1646/7.1.1647: APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3. Münster 1975, 188. 16 ) Ständische Gesandtschaften reisten in den Jahren 1641, 1644, 1645/46, 1648 und 1649 nach Stockholm; Bär, Pommern (wie Anm. 5), 154, 159,415,422^124.
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gegen Schweden Krieg geführt habe: die Argumente überzeugten die Landstände nicht, und erst recht nicht die ihnen von den Schweden nahegelegte Ableitung eines Widerstandsrechts gegenüber dem Kurfürsten. 17 ) Wegen der ungeklärten Schwebelage des Landes und aus dem grundkonservativen Zeitdenken heraus lehnten die Stände eine einseitige relaxatio iuramenti prinzipiell ab. Sie wollten, wie sie sagten, den „Frieden ihres Gewissens" nicht aufgeben. 18 ) Erst nachdem Kurfürst Friedrich Wilhelm - isoliert von den meisten Reichsständen und gedrängt von Frankreich - am 26. Januar 1647 in einer Punktation mit Schweden auf Pommern-Wolgast cum annexis (Stettin und die Odermündungen mit Landstreifen) verzichtet hatte, sahen sich die Stände dieses Landesteils von ihren Eiden entbunden. Sie verlangten aber vom Kurfürsten, die Preisgabe allenthalben im Lande zu publizieren, um jeden Verdacht einseitiger ständischer Eideslösung auszuschließen. Eine zukünftige Schutzverpflichtung glaubten sie jedoch vom Kurfürsten erbitten zu können, die auch dessen Beistand gegen den ihnen verordneten neuen Landesherrn in der bevorstehenden Transfersituation beinhaltete. 19 ) Angesichts der zu erwartenden einschneidenden Veränderungen schien es den verunsicherten Ständen wichtiger denn je, in das Osnabrücker Friedensinstrument oder zumindest einen Nebenrezeß einen articulus pomeranicus inserieren zu lassen. Damit sollten nicht nur die schriftlich fixierten Landes- und Standesprivilegien und leges fundamentales (ein seit der von den Ständen formulierten „Regimentsordnung" von 1634 eingeführter Terminus), sondern auch die zahlreichen (ungeschriebenen) „Landesgebräuche und Observancen" reichs- und völkerrechtlich verankert werden. Obwohl die Abgesandten den Text des articulus im Einverständnis mit ihren Prinzipalen wiederholt um den Preis präziser und detaillierter Aussagen kürzten und immer wieder verschiedenen Gesandten präsentierten, fand sich kein maßgeblicher Reichsstand, der den Antrag unterstützt hätte. Die Stände wurden auf die Landesebene zurückverwiesen, wo, insbesondere bei Huldigungen, die schwedische Königin und die künftige Provinzregierung ihre Verhandlungspartner waren. 20 ) 17
) Back, Herzog und Landschaft (wie Anm. 5), 54 f. ) Dazu ein geradezu beschwörendes Memorial der Abgesandten an die evangelischen Reichsstände vom 23.12.1646: Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 6, 211-217. Salvius hielten sie in einem Disput am 17.12.1646 entgegen, „das weder der Kayser oder die Reichstende oder die Geistlichkeit [!] macht hette, den Stenden das Juramentum zu relaxieren, es were den das S. Churfl. Durchl. zu Brandenburg, deren man geschworen, solches thette" (ebd. 140). 19 ) Landstände-Deputation zu Greifswald, Schreiben an die Abgesandten vom 27.1.1647: Acta (wie Anm. 13), 5,525. 20 ) Articulus Pomeranicus 16 et 18 Junii Anno 1646 Excell. Dn. Plenipotentiariis Suecicis exhibitus. Beilage 21: Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 3, 144-147. Nach Berichten der Abgesandten umfaßte der Artikel am 14.8.1646 15-20 Zeilen, am 21.1.1647 9 Zeilen. Acta (wie Anm. 13), 5, 525. Ein entsprechender articulus Stralsunds hatte Buchumfang 18
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Wie aus den Forschungen von Pär-Erik Back erhellt, der das Ringen der Landstände als „Verteidigungskampf' wertet, haben sie, nachdem ihnen das IPO nicht den erbrechtlich festgelegten Sukzessor, sondern eine neue Herrscherin gebracht hatte (die sich nachweislich nur eingeschränkt an die Verfassungstraditionen Pommerns gebunden fühlte), in zähen Verhandlungen und einem „Verfassungskonflikt" (bis 1663) den Grundbestand ihrer Privilegien und Mitwirkungsrechte bewahren können. Der zuweilen von den Ständen und ihren Abgesandten beschworene Popanz eines „schwedischen Dominats" war gebannt - und die schwedische Regierung ihrer neuen Provinz endlich sicher. 21 ) Nachdem am 8./18. Februar 1647 auch durch den kaiserlich-schwedischen Vorvertrag die Tatsache unumkehrbar geworden war, daß (laut späterem Text des IPO) Pomeraniam citeriorem vulgo Vor-Pommern dictam cum insula Rugia als „Kernstück" der schwedischen Satisfaktion an die Krone Schweden fallen würde (in der einzigartigen Rechtsgestalt eines ewigen Reichslehens), erachteten die Prinzipale und ihre Abgesandten eine weitere Vertretung der Landstände in den Kongreßstädten für überflüssig. Die Unterhaltskosten waren dabei ein wesentliches Argument. Die schwedischen und brandenburgischen Gesandten suchten die beiden Pommern noch zu halten, die auch noch Hoffnungen auf die Inserierung des articulus in den noch ausstehenden Friedensvertrag hegten, so daß sich ihre Abreise bis zum 1. Mai 1647 verzögerte. Der Resident von Wedel verließ Osnabrück im Januar 1649. 22 ) Für die weitere Beobachtung der Kongreßverhandlungen und die übliche wöchentliche Berichterstattung gewannen die Stände den in Westfalen verbliebenen Gesandten der Hanse und der Reichsstadt Lübeck, David Gloxin, der die pommerschen Vertreter vielfach beraten, mit Informationen versorgt und ihnen moralischen Beistand geleistet hatte. 23 ) Welche „dubia restierten" nach Ansicht der Stände noch? Es waren: die genaue Fixierung der territorialen „Annexe" Pommern-Stettins (tatsächlich erst nach sehr zähen Verhandlungen mit dem Grenzrezeß von 1653 zwischen Schweden und Brandenburg erledigt), das Schicksal des Stifts Kammin und des Bischofs Herzog Ernst Bogislav von Croy, die Entmilitarisierung des Landes, die Garantien für die Landes- und Standesprivilegien, die bei den schwedischen Legaten anzumahnenden Gravamina im Lande u.a.m. Innerhalb der rechtlichen Regelungen des Landes befand man auch die vor und am Ende des
( 1 2 B o g e n ) . Man w o l l e ein „ v o l l k o m m e n e s Instrument, kein clavichord", hieß es. Nachrichten ( w i e A n m . II), 3 3 4 f . 21 ) Back, Herzog und Landschaft ( w i e A n m . 5), Kap. 3 und 4. 22 ) Bär, Pommern ( w i e A n m . 5), 162. Die Stralsunder Vertreter reisten am 10. Juni ab. 23 ) Die Berichterstattung Gloxins, d e m Balzer von Wedel zur Assistenz beigegeben war, beginnt nach den Acta (wie A n m . 13), 5, 526, im Juni 1647. A m 14.1.1648 quittierte er für seine Dienste 2 0 0 Reichstaler.
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Krieges statuierte Bauern- und Schäferordnung für wichtig, die den Großteil der Landbevölkerung beider Herzogtümer in den Status von Leibeigenen (homines proprii et glebae adscripti) herabdrückte. 24 ) Ein weiteres Grundanliegen der Stände verlängerte die Präsenz der Abgesandten um eine Reihe von Monaten: die durch den Adelsstand dominierte Verfaßtheit des Landes mittels einer assecuratio in futurum zu erhalten. 25 ) Diesen Positionen und den vielfältigen Beziehungen der Landstände zu verschiedenen Reichsständen und Mächten lassen sich bestimmte landständische Friedensvorstellungen entnehmen, die in aller Kürze vorgestellt werden sollen. 26 ) Eine besonders wichtige Rolle spielte der „Friede des Gewissens" - Indiz für die konfessionelle Durchdringung jeglichen politischen Denkens. Nur wenn den Bewohnern des Landes die offene und uneingeschränkte Ausübung ihrer Religion nach Maßgabe der Confessio Augustana und der pommerschen Kirchenordnungen garantiert würde, sahen die Stände die pax conscientiae, einen wesentlichen Teil der pommerschen „Vaterlands"-Identität, gesichert. In der Tat hatte es während des Krieges Eingriffe in die Religionsausübung von „papistischer" Seite - durch die kaiserliche Besatzung und die als bedrohlich angesehene Rekatholisierung im benachbarten Königreich Polen, von dem die pommerschen Herzöge die Ämter Lauenburg und Bütow zu Lehen hatten gegeben. Entsprechende Befürchtungen weckte auch der Anspruch des polnischen Königs auf die drei hinterpommerschen Ämter Stolpe, Rügenwalde und Schlawe. Die von bayerischer Seite am Rande vorgebrachten Ansprüche auf die pommersche Sukzession hingegen fielen unter den Tisch, erst recht die des Fürstabts von Corvey. 27 ) Die am nächsten liegende Bedrohung des Bekenntnisstandes kam natürlicherweise am meisten zur Sprache - die von Seiten des reformierten brandenburgischen Kurfürsten. Sie wurde vor allem durch die scharfen antilutherischen Attacken des brandenburgischen Gesandten Matthäus Wesenbeck im Fürstenrat genährt. So kam den Abgesandten am 2. Dezember 1645 zu Ohren, Wesenbeck habe „pro reformati scharf geredet" und Luther mit Belial verglichen. 28 ) In dieser anhaltenden Gewissenssorge sahen die schwedischen Legaten eine Chance, die pommerschen Stände von Brandenburg ab- und zu sich hinüberzuziehen, indem sie auf das ius reformandi und den zu erwartenden Gewissenszwang hinwiesen. Die Abtretung Vörpom24
) Schreiben vom 25.3.1647 aus Greifswald an die Abgesandten: ebd. 5, 525. ) Diesen Begriff verwandten die Abgesandten bei der Ubergabe der ständischen desideria hinsichtlich des articulus am 17.12.1645: Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 6, 136. 26 ) Die wichtigsten Positionen dazu gebündelt in der Vorlage der Abgesandten für die schwedischen Legaten vom 24.10.1645: ebd. Abt. 1, 8 9 - 9 5 . 27 ) Bereits am 29.10.1645 fand ein kurzer discours de praetensione Ducis Bavariae mit Salvius unter Heranziehung pommerscher Chroniken statt: ebd. 31. 28 ) Ebd. 69, Beschwerde der Abgesandten über Wesenbeck beim brandenburgischen Prinzipalgesandten Graf Sayn-Wittgenstein am 15.12.1645, der die Pommern mit der Zusicherung beruhigte, ihnen werde das exercitium religionis gelassen. 25
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merns an das orthodox-lutherische Schweden machte dann die Sorge gegenstandslos, der Landfrieden könne durch eine konfessionell-politische Spaltung gefährdet werden. Die Sorge um eine einheitliche Landeskonfession ordnet sich in die fundamentale landständische Überzeugung ein, daß die Rückkehr zu den Vorkriegsverhältnissen in möglichst allen Bereichen des gesellschaftlich-politischen Lebens die optimale Garantie des Friedens darstelle. Diese Auffassung resultierte vor allem aus praktischer Erfahrung, denn die beiden Herzogtümer hatten seit dem Nordischen Krieg bzw. dem Stettiner Frieden von 1570, zu dessen Architekten Herzog Johann Friedrich als kaiserlicher Prinzipalkommissar gehört hatte, keine Kriegshandlungen mehr erlebt. Die innere Ausgestaltung des dualistischen Territorialstaates und eine kulturelle Blüte verliehen dem Halbjahrhundert vor dem Einbruch des Krieges (1627) den Glanz eines Modells, an dem sich die ständische Friedenssuche orientierte. Ein wichtiger Fluchtpunkt ihrer politischen Sicht und Mentalität war für die Stände und ihre Wortführer die als milde aufgefaßte Herrschaft des letzten Greifenherzogs Bogislav XIV., dessen feierliche Beisetzung die Stände dringlich einforderten, weil ein unbestatteter Landesherr auch auf die Ungelöstheit der Probleme des Landes schließen lasse. 29 ) Erst 1654 konnte der Herzog in Stettin im Beisein seiner beiden Nachfolger würdig beigesetzt werden. Seine vornehmlich im Einvernehmen mit den Landständen geführte, wenn auch schwache Regierung, die jene zu ihrem Vorteil genutzt hatten, mußte den ständischen Vertretern (und erst recht Stralsund) als lichtes Gegenbild zur als militärisches Härteregime und Dominat empfundenen schwedischen Administration erscheinen. 30 ) Zum rückwärtsgewandten ständischen Friedenskonzept gehörte auch die (aus taktischen Gründen verhalten erhobene) Forderung nach Rückgabe der Donationen, die die schwedische Krone an ihre schwedische und pommersche Klientel hier besonders reichlich vergeben hatte, und dies vor allem aus dem Fundus der geistlichen und domanialen Güter. Die Stände wollten den Nutznießern der Donationen diese allenfalls für die Dauer des Krieges zugestehen, da diese Güterkategorien im Frieden das wichtigste Fundament für Herrschermacht und Hofexistenz seien - also eine Bedingung für Stabilität und Ordnung. 31 ) 29
) Nach einem Landtagsbeschluß überreichten die Abgeordneten den brandenburgischen Gesandten ein Memorial vom 17.11.1646, das Sayn-Wittgenstein in die Verhandlungen in Münster einbringen sollte. Darin verbanden sie die Feststellung, daß ihr Land „ein corpus mit communia privilegia" sei, mit der Person des Herzogs, dessen Reputation durch die Klärung seiner Finanzverhältnisse und eine solenne Bestattung in der Stettiner Grablege gewahrt werden müsse; Acta (wie Anm. 13), 5, 525. 30 ) Memorial der pommerschen Delegierten an Johan Oxenstierna vom 5.12.1646: ebd. Abgedruckt in: Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 6, 168-187, insbes. 177. 31 ) Ebd. 185 f.
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Aus dem Geist des Rückwendens der Verhältnisse ergibt sich folgerichtig auch die ständische Forderung nach Wahrung der geistlichen Verfassung des Stifts Kammin, dessen Prälaturen und Präbenden einträgliche Versorgungsquellen des einheimischen Adels waren. Die Titulatur, die Prinzipale der Abgesandten seien „die Stände wolgastischer, stettinscher und stiftischer Regierung", korrespondierte mit der Absicht, die Wiederinstallierung des erloschenen Prälatenstandes einzufordern. Die Vereinbarungen über die schwedische Satisfaktion vom Januar/Februar 1647 stellten den Umgang mit dem Stiftskomplex quasi ins gemeinsame Belieben der künftigen Herrscher des geteilten Pommern. Damit schien das Schicksal des (außer der Johanniter-Komturei Wildenbruch) letzten Restbestandes geistlicher Güter und Verfaßtheit besiegelt, den Johan Oxenstierna wiederholt als „Keimzelle papistischer Prätentionen" bezeichnet hatte. 32 ) Der Artikel X des Osnabrücker Friedensinstruments, der die pommersche Sukzession regelt, räumt in § 4 Schweden das Recht ein, die zum Wolgaster Teil gehörenden Prälaturen und Präbenden des Kamminer Stifts einzuziehen und dem fürstlichen Tafelgut zuzuschlagen. Die Stände und ihre Abgesandten vertraten durchgehend das Prinzip, daß die Lösung aller offenen Fragen auf dem Kongreß, also auch die der satisfactio suecia, nur auf dem Wege des consensus interessatorum (Friede durch Einverständnis aller) möglich sei, sollten nicht wiederum semina discordiarum gesät werden. Sie wandten sich daher gegen jeden Versuch (des Kaisers oder der schwedischen Seite), über die pommersche Frage ohne oder gegen den Kurfürsten zu verhandeln und sahen sich selbst als dritten, mitspracheberechtigten Interessenten. Eine konfrontative, gewaltsame Lösung der Pommern betreffenden Satisfaktion, die Schweden wiederholt androhte, hielten sie für eine Katastrophe, die das Land nur noch tiefer ins Elend stürzen konnte. 33 ) Als sich eine einvernehmlich-friedliche Lösung mittels einer Teilung Pommerns anbahnte, hielten sie dies gegenüber einem Krieg zwischen den beiden Prätendenten für das kleinere Übel. Die Teilung wurde in der oben erwähnten kurbrandenburgisch-schwedischen Punktation vom Januar 1647 festgeschrieben, die die Abgesandten der Intervention des französischen Gesandten d'Avaux in den Osnabrücker Verhandlungen zuschrieben. 34 ) In dem sich zuspitzenden Streit um Status und Zugehörigkeit Pommerns im künftigen Frieden warben die Abgesandten im Namen ihrer Prinzipale eindringlich um das seit 1640 auch international erörterte Projekt einer Heirat 32
) Auf der Grundlage eines Gutachtens, das die Wolgaster Landstände-Deputierten an die Abgesandten schickten, verhandelten diese am 11.12.1646 und auch später noch mehrfach mit dem schwedischen Legaten: Acta (wie Anm. 13), 5, 526. Die Frage des Domkapitels wird auch in einem Brief beider Landstände an Königin Christine aus Stettin vom 9.7.1647 angesprochen: ebd. 5, 526; Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 6, 127. 33 ) Memorial der Abgesandten an die evangelischen Reichsstände. Siehe Anm. 18. 34 ) Bericht der Abgesandten an die Landstände vom 22.1.1647: Acta (wie Anm. 13), 5, 525.
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zwischen Königin Christine und Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Das auf diese Weise zusammengefügte nordosteuropäische Staatsgebilde hätte trotz des Widerstrebens der polnischen Wasa Existenzchancen gehabt, denn Schweden verfügte über die notwendigen Potenzen, es zusammenzuhalten. Durch die „schwedische Heirat" pax per nuptas zu erlangen, schien aus dem Verhandlungsdilemma herauszuführen, aber auch die Landstände aus dem Eidesnotstand zu befreien und ihnen die Entscheidung für einen der beiden künftigen Landesherren abzunehmen. Abgesehen davon, daß Christine sich zurückhielt und schließlich jede Heirat ablehnte, gaben jedoch auch die schwedischen Gesandten nicht viel auf das Projekt, da es das Erbrecht des Kurfürsten und seiner Dynastie auf Pommern nicht zwangsläufig annullieren mußte. Die Hoffnungen auf die iura sanguinis inter Reginam et Electorem zerstoben gänzlich, als der Kurfürst sich am 7. Dezember 1646 in Den Haag mit Louise Henriette von Oranien vermählte. Er knüpfte daran seinerseits Hoffnungen, die Generalstaaten für die Unterstützung seiner Rechte auf Pommern zu gewinnen. 35 ) Daß die pommerschen Abgesandten über diese Verbindung enttäuscht waren, erkennt man an ihrer Äußerung, Louise Henriette sei, verglichen mit Christine, eine häßliche Person und arme Partie. Dieses Urteil traf aber nicht zu. 36 ) In der für die pommersche Frage und das gesamte Friedenswerk kritischen Winterszeit 1646/47 traten die Abgesandten mit Vorschlägen hervor, „wie zwischen Schweden und Brandenburg die pommersche Sache in Güte zu componiren sei". Dieses Memorial regt als Alternative zum Gewaltkonflikt ein Bündnis der beiden Mächte an - eine pax per pactum. Die Verfasser halten das „Band der Freundschaft, Vertraulichkeit und guten Nachbarschaft" - wie dann auch Art. I I P O formuliert - für die beste securitas Schwedens. Damit wollten sie einem Grundpostulat der schwedischen Politik entgegenkommen, an dem diese alle Varianten zur Lösung anstehender Fragen maß. Die Autoren der Denkschrift äußern die Überzeugung, daß durch die friedensstiftende Wirkung eines solchen Bündnisses die gesamten Friedensverhandlungen entlastet und befördert würden. Dem pactum successorium - ähnlich der brandenburgisch-pommerschen Erbverbrüderung von 1529 - trauten sie zu, Schwedens berechtigten Satisfaktionsansprüchen (satisfactio als zweites Grundpostulat) auf doppelte Weise Genüge zu tun. 37 ) Diese Argumente belegen zwar, daß die pommerschen Diplomaten dem Recht und Vertrauen den Vorrang vor der Gewalt einräumten, doch kam es nicht zu einem Pakt der Freundschaft und guten
35
) Ludwig Hüttl, Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst 1620-1688. Darmstadt 1981, 113-127. ) Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 4, 13. 37 ) Bericht der Abgesandten an die Landstände vom 13.11.1646: Acta (wie Anm. 13), 5, 525. 36
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Nachbarschaft, sondern zur erwähnten vertragsrechtlichen Punktation, die fast gleichlautend auch in Art. X IPO erscheint. Die Landstände konnten sich ein nach innen und außen befriedetes Pommern nur vorstellen, wenn die während des Krieges mobilisierten Streitkräfte aufgelöst und abgeführt würden. Eine spezifische Sicherung gegen die abziehenden Soldaten hielten sie für notwendig, da von ihnen erfahrungsgemäß weitere Gewaltaktionen zu befürchten waren. Die Stände waren zu Recht der Meinung, der weitere Verbleib von Streitkräften, die die Dimensionen und den rechtlichen Rahmen der traditionellen Stadt- und Landesaufgebote überschritten, stelle eine permanente Gefahr dar, denn die Nachbarn, vor allem Polen, würden in einer starken Militärpräsenz eine potentielle Bedrohung sehen. Die Demobilisierung eines strukturfremden Gewaltinstruments und die Rekonstruktion herkömmlicher Verteidigungsformen erschienen ihnen als friedebewahrende Notwendigkeit - eine defensive, auf Neutralität zielende Sicherheitspolitik. 38 ) Die kurze Skizze landständischer Politikkonzepte offenbart die deutliche Distanz zu herrscherlicher (schwedischer) Machthandhabung. Die Entwürfe der pommerschen Ständegemeinde zum „hocherwünschten" Frieden gingen teils weit über die Möglichkeiten des Kongresses von Westfalen hinaus, der sich nur schwer einem landständischen Beitrag öffnete. Neben Illusionen, die er weckte, gibt es jedoch auch eine Reihe programmatischer Übereinstimmungen mit dem Arsenal der media pacis, die auf dem von den Großmächten und Reichsständen dominierten Friedenskonvent diskutiert wurden. Auf die menschliche Dimension des als langwierig und mühevoll empfundenen Auftrags der Abgesandten kann nur knapp verwiesen werden. Ihr Aufenthalt dauerte dreißig Monate und verursachte schätzungsweise Kosten in Höhe von 7 510 Reichstalern, die wegen der fehlenden Einkünfte des Landkastens nur schwer aufzubringen waren. 39 ) Infolgedessen stockten die monatlichen Spesenüberweisungen häufig, was die Abgesandten wiederholt eindringlich beklagten und mit der Drohung beantworteten, aus Westfalen abzureisen. Ihr einziges Mittel, den Gang der Verhandlungen, an denen sie nicht teilnehmen durften, zu beeinflussen und ihre Interessen publik zu machen, war das Argument in Rede und Schrift (Dokumententexte, Postulata, Memoriale, Briefe). Wirkung durch äußeren Glanz oder durch Bestechungen auszuüben schied aus. Die Abgesandten, durch eine „Schadlosverschreibung" vor Unbil38 ) Dem Argument der schwedischen Seite, die Militärpräsenz sei erforderlich, um das Land vor Gefährdung und Krieg zu schützen, hielten die Stände entgegen, daß die Militärpräsenz die Bedrohung gerade verursache. Schreiben der Kgl. Kommissare an die Wolgaster Landstände vom 2.12.1644: LT (wie Anm. 6), 5, 966. Memorial vom 5.12.1646: vgl. Anm. 30, 175-179. 39 ) Franz Bosbach, Die Kosten des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 1984, 228. Die Anweisung der „Monatsgelder" (Spesen) erfolgte über den Stralsunder Kaufmann Balzer Zander und seinen Hamburger Faktor Johann Niemann.
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den, Verlusten und böser Nachrede persönlich und familiär geschützt 40 ), suchten ihre Integrität und Ehre zu bewahren, obwohl ihnen die Gespräche mit den Gesandten manche demütigende Abfertigung, Verlockung, arglistige Täuschung und Vorenthaltung von Informationen bescherten. Das gilt vor allem für die Kontakte mit den schwedischen Bevollmächtigten. Nach einem Gespräch bei Johan Oxenstierna am 5. Februar 1646 lud dieser die beiden pommerschen Abgesandten und weitere Gäste zum Mahle ein. Es wurde einem „starcken Truncke" zugesprochen, und der Legat wandte sich vor allem Eichstädt und Runge „mit drunckem Munde" zu. 41 ) Zwei Tage darauf wurden sie in der Gesandtenresidenz abgewiesen, weil der Primargesandte wieder „truncken gewesen undt Frauenzimmer bey sich gehabt" habe. 42 ) Den Verzicht des brandenburgischen Kurfürsten auf das westliche Pommern und die Abtretung Vorpommerns an Schweden beklagten die Abgesandten (sicher übereinstimmend mit ihren Prinzipalen) mit den Worten, er sei „aus sonderbahrer und unerforschlicher Verhangknus des Allerhöchsten" über sie gekommen. Gott möge sich ihrer als „verlassene Waisen" annehmen. 43 ) Die Landstände beider Herzogtümer waren in ihrer politischen Willensbildung eingeschränkt durch die Überwachung ihrer Tätigkeit von Seiten des schwedischen „Estats" (der provisorischen Regierung für ganz Pommern bzw. seine Teile). Dazu kamen Kriegsnot, Geldmangel und die geringe Beteiligung der Deputierten. Meist übten Ausschüsse die Funktion der Ständeversammlung aus, so auch im Fall der Beziehungen zum Westfälischen Friedenskongreß. Die Akten lassen jedoch den Schluß zu, daß von einer kollektiven Position der „Landschaft" gesprochen werden kann, von der nur eine Minderheit von Vertretern und Klienten abwich, die sich der schwedischen Regierung angedient hatten. Ihren Abgesandten haben die Stände den geringen Erfolg ihrer Mission nicht angelastet, sondern ihnen trotzdem Dank gezollt. Der Westfälische Frieden brachte den Landständen neue Prämissen und veränderte Bedingungen für 40
) Mit der „Schadlosverschreibung" verpflichteten sich die Stände „bei aufrichtigem Glauben und adliger Ehre", ihren Abgesandten im Fall von Raub, Krankheit, Arrest und Gefangenschaft Schadenersatz zu leisten. Position der beiden Landstände zu den Friedenstraktaten vom 25.1.1645: LT (wie Anm. 6), 5, 1248. 41 ) Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 2, 32-35. 42 ) Am 31.12.1646, dem Tag der Ankunft des kaiserlichen Primargesandten Graf Trauttmansdorff in Osnabrück, ließ Oxenstierna Runge zu sich fordern. Der Legat „excusirte sich", daß er Runge allein sprechen wolle. Er habe allzeit zu ihm „eine gute affection", wolle ihm „einige gutthat" erweisen und sich dafür bei der Königin verwenden. Er erlegte Runge Schweigen auf und behauptete, Salvius vertrete in Sachen satisfactio coronae und Pommem einen ungerechtfertigt harten Standpunkt. Er, Oxenstierna, sei zu für die Stände Pommerns günstigen Zugeständnissen bereit: Verhandlungen (wie Anm. 13), Abt. 6, 164 f. 43 ) Wolgaster Landstände an die Abgesandten, Greifswald, 27.1.1647: Acta (wie Anm. 13), 5,525.
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ihre Auseinandersetzung mit der landesherrlichen Gewalt, der durch den Friedensvertrag größere Spielräume beschert wurden. Bei der praktischen Umsetzung des Vertragswerkes und bei der Überwindung der Kriegsfolgen bedurfte sie dennoch auch in Zukunft der aktiven Mitwirkung der Stände in beiden, nunmehr staatsrechtlich getrennten Herzogtümern.
Scheffers Gesandtschaft in Osnabrück: „Stände seyn nicht nur Räthe, die man hören, sondern deren Räthen man auch folgen müsse" Von
Klaus
Malettke
D e r zitierte Satz Reinhard S c h e f f e r s , d e s G e s a n d t e n H e s s e n - K a s s e l s , befindet sich in d e s s e n S t e l l u n g n a h m e , d i e er i m Oktober 1 6 4 5 w ä h r e n d der Beratung e n der e v a n g e l i s c h e n Stände in Osnabrück zu der v o n den Ständen in M ü n ster vertretenen A u f f a s s u n g abgab, daß n e b e n H e s s e n - K a s s e l das Erzbistum M a g d e b u r g , d i e Markgrafschaft B a d e n - D u r l a c h und die Grafschaft N a s s a u Saarbrücken w e g e n ihrer r e i c h s f e i n d l i c h e n Haltung v o n den Friedensverhandl u n g e n a u s g e s c h l o s s e n b l e i b e n s o l l t e n . 1 ) In d i e s e m Satz finden d i e bekannten Forderungen H e s s e n - K a s s e l s
zum Gesamtkomplex
der
Reichsverfassung
ihren N i e d e r s c h l a g , d i e Fritz D i c k m a n n in s e i n e m Werk über d e n Westfälis c h e n Frieden im K o n t e x t seiner A u s f ü h r u n g e n zu den B e s t r e b u n g e n der u m H e s s e n - K a s s e l entstandenen protestantischen F ü r s t e n o p p o s i t i o n zur D u r c h s e t z u n g einer „ R e i c h s r e f o r m " behandelt hat. 2 ) A n t o n S c h i n d l i n g sprach i m ') Das Zitat findet sich in Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Tie. Hannover 1734-1736, T. 1, 697. - Die Datierungen der Quellen erfolgen, sofern nicht anders vermerkt, nach dem Neuen Stil. 2 ) Vgl. Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 2. Aufl. Münster 1965, 124, 131, 185, 373 f., 380. „Daß es auf Reform zunächst, und zwar auf Reform im Sinne der Wiederherstellung eines früher dagewesenen, alten, löblichen Zustandes ankomme - dieser echt mittelalterliche Gedanke beherrschte noch immer das politische Denken der meisten Reichsstände. Das gilt selbst für die kleine protestantische Gruppe, als deren Anführer wir Hessen-Kassel und als deren Sprecher wir Hippolithus a Lapide kennengelernt haben. Zwar war deren Sinn in Wirklichkeit auf etwas radikal Neues gerichtet, doch ohne daß sie sich dessen bewußt gewesen wären. Merkwürdigerweise glaubten auch sie nichts anderes zu wollen und zu verkünden als ,Reform', aber eben nicht im Sinne einer Um- und Neuformung des Bestehenden, sondern so, wie das Wort in der reichsständischen Reformbewegung seit Jahrhunderten verstanden wurde, als Wiederbelebung eines alten, ursprünglichen, idealen, aber leider verschütteten Zustandes der Dinge, als eine Wiederherstellung des Reiches und seiner ehrwürdigen Institutionen. Etwas von diesem Geiste lebte noch in der treuherzigen Berufung der kleinen Reichsstände auf das alte löbliche Reichsherkommen, dessen Erneuerung alle Gebrechen heilen werde" (ebd. 373 f.). - An anderer Stelle spricht Dickmann von einer „Gruppe evangelischer Reichsfürsten, die unter maßgebendem Einfluß von Hessen-Kassel stand" und „von der der eigentliche Anstoß zur umfassenden Umgestaltung des Reiches ausging" (Fritz Dickmann, Der Westfälische Friede und die Reichsverfassung, in: Forschungen und Studien zur Geschichte des Westfälischen Friedens. Vorträge bei dem Colloquium französischer und deutscher Historiker vom
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Der Westfälische Friede und das Reich
Zusammenhang mit seinen Erörterungen jener Reichsreformbestrebungen von der ,,aktivistische[n] Gruppierung protestantischer Fürsten, die sich um die reformierte Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel scharte.. ," 3 ), und Dieter Albrecht bewertete zuletzt diese Bestrebungen als „weitreichende Pläne einer inneren Umgestaltung des Reiches" 4 ) bzw. „der Reichsverfassung im föderativ-ständischen Sinne" 5 ). Die Forderungen Hessen-Kassels zum verfassungsrechtlichen Verhältnis von Kaiser und Reichsständen und zum Gesamtkomplex der Reichsreform sind in ihren wesentlichen Punkten von Dickmann und Albrecht behandelt worden. Gleiches gilt für die wichtige Rolle, welche die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongreß gespielt hat, die von Erwin Bettenhäuser in seiner - unter diesem Titel im Jahre 1983 erschienenen - Dissertation thematisiert worden ist. 6 ) Aber trotz aller Anerkennung der Leistung Bettenhäusers bleibt festzustellen, daß eine umfassende Untersuchung der Politik Hessen-Kassels auf dem Friedenskongreß auf der Basis sämtlicher einschlägiger Quellenbestände der Archive in Marburg, Wien, Paris und Stockholm weiterhin ein Desiderat der Forschung bleibt. In den folgenden Ausführungen sollen nicht noch einmal die Forderungen Hessen-Kassels zum Verhältnis von Kaiser und Reichsständen und zum Gesamtkomplex der Reichsreform - die in ihren zentralen Punkten bekannt sind - , sondern vielmehr die von seinen Kongreßabgesandten in diesem Kontext praktizierte Argumentationsweise und insbesondere die von ihnen jeweils herangezogenen Begründungen auf der Basis archivalischer Quellen bzw. bisher in diesem Zusammenhang kaum ausgewerteter Dokumente beleuchtet werden, um auf diese Weise die den Kasseler Plänen zur Umgestaltung der „Reichsverfassung im föderativ-ständischen Sinne" 7 ) zugrundeliegenden politischen Konzeptionen präziser fassen zu können. Dieses kann freilich im Rahmen dieses Beitrags nur stichprobenartig geschehen. Die Analyse konzentriert sich auf die Mission Scheffers in Osnabrück, weil er der Hauptwortführer der dortigen Vertretung Hessen-Kassels war und weil anhand seiner
2 8 . - 3 0 . April 1963 in Münster. Münster 1965, 5-32, hier 21). Zur weiterführenden Literatur zum Westfälischen Frieden siehe jetzt: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/Matthias Schnettger. Münster 1996. 3 ) Anton Schindling, Die Anfänge des Immerwährenden Reichstages zu Regensburg. Ständevertretung und Staatskunst nach dem Westfälischen Frieden. Mainz 1991, 30; vgl. auch ebd. 3 6 - 3 8 , 4 1 , 6 3 , 68, 72 f., 79. 4 ) Dieter Albrecht, Die Kriegs- und Friedensziele der deutschen Reichsstände, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 241-273, hier 255 und 249. 5 ) Ebd. 249. 6 ) Erwin Bettenhäuser, Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongreß 1644-1648. Phil. Diss. Mainz, Wiesbaden 1983. 7 ) Vgl. Anm. 4.
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vielfältigen Stellungnahmen, Voten und Meinungsäußerungen der soeben angesprochene Fragenkomplex exemplarisch erörtert werden kann. Die folgenden Ausführungen sind in drei Hauptteile untergliedert: I. Reinhard Scheffer (der Jüngste): sein biographisches Profil. II. Argumente und Begründungen Hessen-Kassels für eine weitreichende Reform der Reichsverfassung im föderativ-ständischen Sinne. III. Ergebnisse.
I. Reinhard Scheffer (der Jüngste): sein biographisches Profil Reinhard Scheffer (der Jüngste) entstammte einer alten hessen-kasselischen Familie, der bereits unter der Regierung Landgraf Philipps „des Großmütigen" der soziale Aufstieg in hohe Stellungen des Fürstendienstes gelungen war. Dieser soziale Aufstieg ist einzuordnen in den zu Beginn der Frühneuzeit einsetzenden elitegeschichtlichen Wandlungsprozeß, in das Ausgreifen der bürgerlich-politischen Eliten über die städtischen Grenzen hinweg in die größeren politischen Eliten. Reinhard Scheffer (der Jüngste) wurde am 20. August 1590 in Marburg als ältester Sohn des gleichnamigen hessen-kasselischen Rates und Kanzlers (1561-1623) und dessen Ehefrau Margarethe, Tochter des Kanzlers Johann Heintzenberger (1657-1623), geboren. Schon sein Großvater, Reinhard Scheffer (der Ältere, 1529-1587), wurde nach einem von Landgraf Philipp geförderten Studium beider Rechte, der Philosophie und der Theologie an der Universität Marburg bereits im Jahre 1553 zum Rat bestallt und gelangte 1557 in die Position eines hessen-kasselischen Vizekanzlers. Nur zwei Jahre später löste er Heinrich Lersner, der aus gesundheitlichen Gründen um seine Entlassung nachgesucht hatte, im Amt des Kanzlers des Landgrafen von HessenKassel ab. Mit Reinhard Scheffer (dem Älteren), der 1529 als Sohn des Homberger Schneiders Johannes Scheffer geboren worden war, hatte also der rasante soziale Aufstieg der Familie in hohe und höchste Stellungen des Fürstendienstes begonnen. 8 ) 8
) Zum Familienclan der Scheffers vgl. Friedrich Wilhelm Strieder, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte seit der Reformation bis auf gegenwärtige Zeit. Bd. 12. Kassel 1799, 266-295; Allgemeine Deutsche Biographie [ADB], Bd. 30. 1890, ND Berlin 1970, 682f.; Karl E. Demandt, Amt und Familie. Eine soziologischgenealogische Studie zur hessischen Verwaltungsgeschichte des 16. Jahrhunderts, in: HessJbLG 2, 1952,79-133, hier 94-96; Rudolf Lenz (Hrsg.), Marburger PersonalschriftenForschungen. Bd. 2/1. Marburg 1980, Nr. 1055, 434; ders. (Hrsg.), Marburger Personalschriften-Forschungen. Bd. 14. Marburg 1992, Nr. 221 und 226, 116 f.; Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 27-33; Holger Thomas Gräf, Konfession und internationales System. Die Außenpolitik Hessen-Kassels im konfessionellen Zeitalter. Darmstadt/Marburg 1993, 180, 249f., 386, 397. Herr Dr. Gerhard Menk hat mir dankenswerterweise eine
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Reich
Das Beispiel der Familie Scheffer dokumentiert das auch in Hessen stark verbreitete Phänomen der Weitergabe von Ämtern innerhalb bürgerlicher Familien, bei dem die für die Landgrafschaft noch kaum untersuchten Patronage-, Klientel- und Fidelitätsbeziehungen eine Rolle gespielt haben dürften. Die im städtischen Patriziat verbreitete Ämterhäufung und -weitergäbe an Familienangehörige wurde also auch von den Angehörigen des territorialen Beamtenbürgertums im Fürstendienst praktiziert. Faßt man die soziale Herkunft und die Familienverhältnisse der hessischen Kanzler und Vizekanzler im 16. Jahrhundert ins Auge, so ergibt sich, daß sich diese hohen Amtsträger fast ausschließlich aus einem sehr kleinen Kreis hessischer bürgerlicher Familien rekrutierten. Diese Familien waren sämtlich miteinander versippt und zumeist aus dem Patriziat hessischer Städte hervorgegangen. Die Söhne dieser Familien hatten durchweg ein Universitätsstudium absolviert, bevor sie ihre erfolgreichen Karrieren im landgräflichen Dienst begannen. Auffällig ist weiterhin, daß auch die Söhne alsbald wiederum enge Beziehungen untereinander knüpften. Auch für das 17. Jahrhundert läßt sich konstatieren, daß das territoriale Bürgertum in Hessen-Kassel das im Jahrhundert zuvor erlangte starke Gewicht in der zentralen Landesverwaltung nicht nur erhalten, sondern in manchen Bereichen sogar noch ausgebaut hat. Sieht man einmal von der Regierung des Landgrafen Moritz ab, der in der Zentraladministration Nichthessen gegenüber seinen Landeskindern bevorzugte, so stieg der Anteil, der im hohen Fürstendienst auf Angehörige wohlhabender und einflußreicher Familien entfiel, im Verlauf des 17. Jahrhunderts eher an. „Die maßgeblichen bürgerlichen Räte Landgraf Wilhelms V. und seiner Witwe Amalie Elisabeth entstammten durchweg Familien, die sich schon unter den Landgrafen Philipp und Wilhelm IV. im Beamtendienst bewährt hatten". 9 ) Reinhard Scheffer (der Jüngste) wurde im Jahre 1605 in das Pädagog der Hohen Schule Herbom aufgenommen, besuchte seit Weihnachten 1606 die inzwischen kalvinisierte Universität Marburg und studierte wahrscheinlich auch an der Ruperto-Carola in Heidelberg. An den drei Bildungseinrichtungen erhielt er eine deutlich kalvinistisch geprägte Ausbildung. Seine staats- und reichsverfassungsrechtlichen Überzeugungen wurden sicherlich durch den berühmten Marburger Professor der Rechtswissenschaft Hermann Vultejus beeinflußt. Als erster deutscher Rechtsgelehrter hatte Vultejus im Jahre 1599 die mittelalterliche Lehre von der Translatio Imperii und die daraus für das Reich Kurzbiographie Reinhard Scheffers (des Jüngsten) zur Verfügung gestellt, die sich zur Zeit im Druck befindet. 9 ) Wolfgang Metz, Zur Sozialgeschichte des Bürgertums in der Zentralverwaltung der Landgrafschaft Hessen-Kassel bis zum 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Hessische Geschichte 67, 1956, 138-148, hier 145; vgl. ders., Das Eindringen des Bürgertums in die Hessische Zentralverwaltung. Phil. Diss. masch. Göttingen 1947.
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gezogenen Schlußfolgerungen scharf angegriffen. Der Marburger Jurist vertrat die Ansicht, daß das Imperium Romanum mit seiner dem römischen Prinzeps zustehenden Allgewalt untergegangen und von Karl dem Großen unter wesentlich veränderten Prämissen und mit neuen verfassungsrechtlichen Strukturen wiederbelebt worden sei. Dieser habe die römische Verwaltung durch Beamte in weiten Teilen des Reiches durch eine Administration mittels Lehensleuten ersetzt, deren Befugnisse und Gewalt innerhalb ihrer Kompetenzbereiche denjenigen des Kaisers gleichgekommen sei. Seither basiere die Verfassung des Reiches auf dieser karolingischen Grundordnung. Vultejus bediente sich bei seiner Argumentation „der Terminologie Bodins und bezeichnete das Reich als eine Monarchie mit aristokratischer Regierungsform. Das klang unverfänglich, und doch rührte Vultejus mit seiner Verwerfung des römischen Rechts an die Grundlagen der kaiserlichen Machtvollkommenheit, die er auf bloße Lehenshoheit reduzierte". 10 ) Nach Beendigung seiner Studien begab sich Scheffer auf eine längere Peregrinatio academica, die ihn durch Deutschland, nach Frankreich, England und in die Niederlande führte. Nach seiner Rückkehr gelang es ihm, wohl durch Fürsprache des Vaters, eine Anstellung als Rat bei der Regierungskanzlei in Kassel zu erhalten. Von Landgraf Moritz im Jahre 1624 wegen „Unbotmäßigkeit" aus dem fürstlichen Amt entfernt, wurde Scheffer nach der Abdankung des Landgrafen durch dessen Nachfolger im Jahre 1627 wieder in landesherrliche Dienste berufen. Wilhelm V. bestellte ihn als Rat und Amtmann nach Wolfhagen und Zierenberg. Bereits zwei Jahre später war er als Geheimer Rat der Kasseler Regierung tätig und bekleidete ab 1635 auch die Funktion eines hessen-kasselischen General(kriegs)kommissars. Von der Landgräfin Amalie Elisabeth wurde er mit wichtigen diplomatischen Missionen betraut. So entsandte sie ihn im Jahre 1641 auf den Regensburger Reichstag. Besondere Verdienste erwarb sich Scheffer jedoch als Mitglied der Delegation Hessen-Kassels auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Neben Scheffer gehörten der hessen-kasselischen Friedensgesandtschaft Adolf Wilhelm von Krosigk, Johannes Antrecht, Johann Vultejus, Nikolaus Christoph Müldener und der Sekretär Sebastian Zobel an. Scheffer war Delegationsleiter in Osnabrück, wo er - im April 1644 abgeordnet - als einer der ersten Gesandten am 6. Juni eintraf. Krosigk leitete die Vertretung HessenKassels in Münster. Bei den Verhandlungen standen beide als primi inter pares zu den anderen hessen-kasselischen Gesandten. 11 ) In amtlichen Dokumenl0 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 130. - Zu Hermann Vultejus vgl. den Artikel in: A D B Bd. 40. 1896, N D Berlin 1971, 389 f.; Petra Holz, Die juristische Auseinandersetzung zwischen Hermann Vultejus und Gothofredus Antonius in Hessen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, in: Festgabe für Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Malettke zum 60. Geburtstag überreicht von seinen Schülern. Marburg 1996, 6 5 - 7 7 . " ) Vgl. Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 27.
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ten wurde Scheffer als „hessischer Generalkommissar" 12 ) und von der Landgräfin auch als „mon conseiller d'Estat et Député pour les traittez de la paix generale" bezeichnet. Daneben findet man für ihn ebenfalls die Bezeichnung „als zu den allgemeinen Frieden, und dessen Tractaten Fürstlicher HessenCasselischer Gevollmächtigter Abgesandter". 13 ) Bei den Friedensverhandlungen hat Scheffer in vieler Hinsicht eine recht bedeutende Rolle gespielt, worauf in anderem Kontext näher einzugehen ist. Nach Beendigung seiner Mission in Osnabrück gehörte Scheffer auch unter Landgraf Wilhelm VI. zu den höchsten Funktionsträgern Hessen-Kassels. So wurde er im Jahre 1653 zum Geheimen Rat und Präsidenten der Regierung in Marburg ernannt, wo er zusammen mit dem Geheimen Rat Johann Heinrich Dauber die Feierlichkeiten zur Wiedereröffnung der landesherrlichen Universität organisierte. Nur drei Jahre später starb er unverheiratet am 11. Februar 1656 in der Universitätsstadt. 14 )
II. Argumente und Begründungen Hessen-Kassels für eine weitreichende Reform der Reichsverfassung im förderativ-ständischen Sinne Die hessen-kasselischen Kriegs- und Friedensziele, die zum Teil aus spezifisch hessischen Vorbedingungen, Gegebenheiten und Ereignissen resultierten, blieben in ihren zentralen Punkten bis zum Ende des Friedenskongresses im wesentlichen unverändert. Sie lassen sich in ihrer Hauptzielrichtung wie folgt umreißen: „Schwächung der kaiserlichen Gewalt zugunsten der Reichsstände, rechtliche Gleichstellung des Kalvinismus im Reich, Revision des Hauptakkords von 1627, territoriale Gewinne. Es ging also um Forderungen verfassungspolitischer, konfessionspolitischer und territorialpolitischer Natur, um sowohl übergreifende ständische und konfessionelle wie spezielle hessische Interessen". 15 ) Für die in diesem Beitrag zu behandelnde Fragestellung erschien eine Konzentration auf die übergreifenden verfassungs- und konfessionspolitischen Forderungen Hessen-Kassels sinnvoll.
12 ) Vgl. Graf Johann Ludwig von Nassau, Reichshofrat, kaiserlicher Bevollmächtigter in Münster, an Ferdinand III., Münster, 27. August 1643: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. II. Abt. A. Bd. 1. Münster 1969, Nr. 33; Hessisches Staatsarchiv Marburg, Kriegssachen (StAM), 4 h, Nr. 2116, Bl. 158r; APW Ser. II. Abt. C. Bd. 1. Münster 1965, Nr. 243 (4.11.1644) und Nr. 248 (25.11.1644). 13 ) Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 1, 163. 14 ) Bisher fehlt eine moderne Biographie Reinhard Scheffers (des Jüngsten). 15 ) Albrecht, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 4), 243.
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Seit dem Regensburger Reichstag von 1641 gehörte bekanntlich die Forderung nach Zulassung aller Reichsstände zum Friedenskongreß mit vollem Stimmrecht zu den reichsverfassungspolitischen Hauptzielen Hessen-Kassels unter der Regentschaft der Landgräfin Amalie Elisabeth. Mit tatkräftiger Unterstützung durch Schweden und Frankreich konnte dieses Ziel auch gegen erhebliche Widerstände, insbesondere des Kaisers, durchgesetzt werden. Die Durchsetzung dieser Forderung „stand", wie Dieter Albrecht zu Recht festgestellt hat, „in unmittelbarem Zusammenhang mit [Amalie Elisabeths, K. M.] Kriegszielen. Denn Zulassung sämtlicher Reichsstände neben dem Kaiser und den Kurfürsten zu den Friedensverhandlungen beinhaltete einmal die Anerkennung des Vertragsrechts jedes einzelnen und seines Rechts, über Krieg und Frieden zu entscheiden, und damit seine völkerrechtliche Handlungsfähigkeit. Es bedeutete darüber hinaus, daß die Reichsstände in ihrer Gesamtheit das Reich als solches neben und mit dem Kaiser völkerrechtlich vertraten, und zwar eben nicht kraft kaiserlicher Zulassung, sondern ipso jure, kraft ihrer Eigenschaft als Reichsstände und ihres Stimmrechts am Reichstag". 16 ) Bereits im Vorfeld der eigentlichen Friedensverhandlungen ließ HessenKassel verlauten: „Daß alle und jede reichsständ zu den künftigen haupttractaten ... mit adhibiret und gezogen werden müssen, hingegen aber kein particular-handlung circa negotia belli et pacis, welches mit und benebenst Ihrer Kayserlichen Mayestfät] auch den sämptlichen Chur-Fürsten und Ständen zustehet, mit bestand getrieben noch vorgenommen werden könne noch möge". 17 ) Begründet wurde die von den Vertretern Hessen-Kassels mit Nachdruck und unermüdlich vorgetragene und verfochtene Forderung nach Anerkennung des jus suffragii aller Reichsstände im wesentlichen mit allgemeinpolitischen, mit völkerrechtlichen und staatsrechtlichen sowie mit reichsrechtlichen Argumenten, die durch spezifisch auf Hessen-Kassel bezogene Begründungen ergänzt wurden, wenn es sich um die Zulassung der Landgrafschaft im besonderen handelte. Bereits in einem vom 25. Oktober 1643 (Alter Stil) datierten „Memorial", das der Geheime Rat Jakob von Hoff in Osnabrück dem schwedischen Gesandten Salvius übermitteln sollte, hatte die Landgräfin ausgeführt, daß es für die Rechtsverbindlichkeit eines Friedensvertrags und insbesondere für die zukünftige Absicherung Schwedens und Frankreichs vor einem neuen Krieg unerläßlich sei, daß alle Reichsstände ohne Ausnahme mit gleichberechtigtem Stimmrecht an den Friedensverhandlungen teilnähmen. Außerdem bedeute es einen klaren Verstoß gegen die „Teutsche libertet", gegen die „alte Verfassung und Reichs-Constitutionibus", „wan der Keysser und churfürsten in ihrer alleinigen macht und händen haben solten, ohne zutun und einstimmung der 16 17
) Ebd. 249; vgl. auch Dickmann, Reichsverfassung (wie Anm. 2), 23 f. ) Undat. Zit. nach Albrecht, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 4), 249.
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übrigen reichsglieder, de pace et bello ... [zu] disponieren". 18 ) Ein halbes Jahr später, zu Beginn der Vorverhandlungen, plädierte die Landgräfin in einer an die Gesandten der Kurfürsten, Fürsten und Reichsstände in Frankfurt am Main gerichteten Botschaft nachdrücklich dafür, daß die Frankfurter Deputierten gemeinsam mit den Gesandten der übrigen Reichsstände in Münster und Osnabrück über den Friedensschluß beraten sollten. Amalie Elisabeth argumentierte, es sei fraglich, ob sich die Chance zu Friedensverhandlungen sobald noch einmal biete, falls die Reichsstände diese jetzt nicht aufgriffen und nutzten. Außerdem verwies sie darauf, daß die Reichsstände durch ein eventuelles Fernbleiben selbst auf die Wahrnehmung ihres jus pacis et belli verzichteten und damit ein gefährliches Präjudiz für die Zukunft schafften. Und schließlich gab die Landgräfin der Sorge Ausdruck, daß Anlaß bestehe zu befürchten, daß Schweden und Frankreich ohne Beteiligung und Mitwirkung aller Reichsstände keine ernsthaften Friedensverhandlungen beginnen würden, womit sich alle Hoffnungen auf Frieden zerschlagen würden. 19 ) Es entsprach dieser politischen Linie Hessen-Kassels, daß die nach Münster und Osnabrück delegierten Gesandten der Landgrafschaft gleich zu Beginn ihrer ersten Hauptinstruktion vom 4. Juni 1644 angewiesen wurden, bei den Vertretern der beiden Kronen darauf zu insistieren, daß diese ihre Einladung an alle Reichsstände wiederholten und das Eintreffen der uneingeschränkt stimmberechtigten Ständerepräsentanten zur conditio sine qua non machten. 20 ) Eine analoge Passage findet sich auch in der zweiten Hauptinstruktion vom 30. Januar 1645. 21 ) Auf eindringliche Vorstellung Scheffers und des braunschweigischen Gesandten Jakob Lampadius erklärte sich Oxenstierna schließlich bereit, mit dem Beginn der Verhandlungen zu warten, bis die Vertreter von Mainz, Brandenburg und der Stände des Fränkischen Reichskreises am Verhandlungsort eingetroffen seien. 22 ) Völkerrechtliche Argumente enthält ein auf das Frühjahr 1645 zu datierendes Dokument, das sich unter den im Hessischen Staatsarchiv Marburg vorhandenen Verhandlungsakten befindet und die Überschrift „Excerpta Juris suffragii in causis pacis et belli statibus competere" 23 ) trägt. Dort wird unter Punkt 4 der sog. Asservantia, also der festzuhaltenden Argumente, der Rechtssatz aufgeführt: Juri Gentium convenire, ea quae omnes tangunt, ob omnibus
18 ) „Memorial" der Landgräfin vom 25. Oktober 1643: StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 6V; vgl. auch Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 34 f. 19 ) Vgl. dazu Kurt Beck, Der hessische Bruderzwist zwischen Hessen-Kassel und HessenDarmstadt in den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden von 1644 bis 1648. Frankfurt am Main 1978, 17 f. 20 ) StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 19-40, hier Bl. 19ff. 21 ) Ebd. Nr. 2116, Bl. 59-64, hier Bl. 59ff. 22) Relation Scheffers vom 19. Februar 1645: ebd. Nr. 1694 I, Bl. 395 r / v . 23) Ebd. Nr. 1694 I, Bl. 289 r -292 r .
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expediri.24) In etwas abgewandelter Form taucht dieses völkerrechtliche, aber auch stände-typische Argument wieder auf in einer in Münster im September 1645 von hessen-kasselischer Seite vorgebrachten Stellungnahme, die sich gegen den Ausschluß der Landgrafschaft von den Friedensverhandlungen richtete. Darin heißt es: „Sonderlich aber bey dieser extraordinairen Zusammenkunfft und Allgemeinen Friedens-Tractaten, da von des gantzen Reichs, und eines jeden Standes particular-Wohlfahrt, gehandelt wird, und also Hochgedachtes Fürstliche Hauß, als welches dabey in viele Wege interessiret, auch seines Theils billig zu hören und zu admittieren". 25 ) Scheffer wirkte in diesem Sinne auf den französischen Residenten in Münster, Saint Romain, ein, der sich im September 1645 zu Verhandlungen mit den schwedischen Gesandten in Osnabrück aufhielt. Saint Romain leitete am 28. September Scheffers Ersuchen an Longueville, d'Avaux und Servien weiter und schrieb in diesem Zusammenhang: „Monsieur Scheffer espère qu'il vous plairra Messeigneurs faire valoir par delà cette instance et continuer d'agir vigoreusement pour cette affaire comme monsieur Oxenstiern fera par deçà". 26 ) Laut Protokoll der Ständeberatungen vom Oktober 1645 in Osnabrück führte Scheffer zur Begründung des Rechts der Landgrafschaft auf vollberechtigte Teilnahme an den Friedensverhandlungen u.a. aus: „Die Kayserlichen und Päbstlichen Objectiones wären, Cassel stehe mit den Cronen im Bündnis, führe die Waffen wieder das Reich, und mache eine Partie. Das erste und andere concurrire, allein die Insimulatio sey der Ungrund, dann in Foedere, Capitulatione, Propositione wäre allzeit das Heilige Reich und dessen Wohlfahrt ausgenommen, den Kayser erkenne man pro capite, begehre nur gleiches Recht, Cassel habe bisher nichts gethan, als was Anno 1631 zu Leipzig geschlossen worden ... Bayern und Liga haben, consentiente & connivente, imo coopérante Imperatore, die Stände mit Füssen getreten, einer der sich contra injustitiam defendire, sey darum des Reiches Feind nicht, das Werck sey altioris indaginis, der Kayser könne ohne Urthel und Recht, zumal ungehört Niemand condemniren, diß sey darzu sine sententia declaratoria beschehen, und würde sichs im Ende finden, wer es mit dem Reich gut oder böse meyne, und die Constitutiones observire: was die Partie anträffe, seyn auf einer Seiten Kayser und theils Stände, auf der anderen Cronen und Stände, gelte nun das Argument, daß man Feinde nicht in den Rath lassen solle, so müste [!] der Kayser auch draußen bleiben, Stände seyn nicht nur Räthe, die man hören, sondern deren Räthen man auch folgen müsse. Und haben sie ihren Rath nicht ad instantiam Imperatoris, sed Jure proprio beyzutragen, sonsten und da sie nur Votum Consultativum führen sollten, wollten sie sich der Ehre bedancken, 24
) Ebd. Nr. 16941, Bl. 289 v . ) Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 1, 595. 26 ) Saint Romain an Longueville, d'Avaux und Servien, Osnabrück, 28. September 1645: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1986, Nr. 224. 25
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das wisse man wohl, wanns an den Punct von Hessen käme, daß man austreten müsse, sonsten bleibe man beym Voto, das Gott, die Natur & Imperii Status gegeben.. ,". 27 ) Diese Ausführungen Scheffers, die hier mit voller Absicht sehr detailliert wiedergegeben wurden, belegen, daß er sich in seiner Beweisführung - gleichermaßen wie seine hessen-kasselischen Kollegen in Münster - auf politische, natur- und völkerrechtliche sowie auf staats- und reichsrechtliche Argumente stützte, was nicht weiter überrascht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß er - wie bereits dargelegt - bei Hermann Vultejus studiert hatte. Diese Ausführungen zeigen aber auch, daß er die stark föderativ-ständisch geprägten Positionen Hessen-Kassels mit Entschiedenheit und einigem Geschick zu verfechten verstand. Das in diesem Zusammenhang von Scheffer angeführte Argument, daß alle Reichsstände, also auch Hessen-Kassel, ihr jus sujfragii nicht ad instantiam Imperatoris, sed Jure proprio wahrzunehmen berechtigt seien, findet sich so oder in abgewandelter Form in zahlreichen anderen Dokumenten hessen-kasselischer Provenienz. So wurde im September 1645 von den Vertretern Hessen-Kassels in Münster u.a. ausgeführt: „1. Weil demselbigen [Hessen-Kassel, K.M.], wie allen andern Ständen des Reichs, das Jus Suffragii & Sessionis unstreitig, und zwar jure proprio, zu stehet, und also de facto dessen nicht entsetzet werden kan". 28 ) Und unter Punkt 3 liest man: „Über das solche Universalis Admissio omnium Statuum cum Suffragiis, absque ulla limitatione, sowol dem Hamburgischen Praeliminar-Schluß, als denen von den Königlichen Herren Plenipotentiarien darauf erfolgten Invitation-Schreiben, so dann förders den Kayserlichen Passeporten und Resolutionen, wie auch dem Reichs-Abschiede de Anno 1614 gemäß ist". 29 ) Bis zur erfolgreichen Durchsetzung des uneingeschränkten jus suffragii aller Reichsstände, also auch Hessen-Kassels, wurden Scheffer und seine hessischen Amtskollegen nicht müde, ihre Rechtsauffassung zu verfechten, daß die Reichsstände in ihrer Gesamtheit das Reich neben und mit dem Kaiser gemeinsam verträten, und zwar eben nicht kraft kaiserlicher Konzession, sondern kraft eigenen Rechts als Glieder und Stände des Reiches und kraft ihres Sessions- und Stimmrechts am Reichstag. Bekanntlich war die Forderung, das jus suffragii aller Reichsstände anzuerkennen, Teil des weitgefaßten reichsständischen Verfassungsprogramms Hessen-Kassels, das mit den französischen und schwedischen Propositionen 30 ) vom 11. Juni 1645 zum amtlichen Programm der beiden Kronen erhoben wurde. Nach langen und kontrovers geführten Beratungen und nach manchen Abstrichen, die im Verlauf der Verhandlungen über die jura statuum gemacht 27
) ) ) 30 )
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29
WieAnm. 1. Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 1, 595. Ebd. Ebd. 435-448.
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werden mußten, fanden Teile dieses hessen-kasselischen Programms Eingang in die einschlägigen Verfassungsartikel des Westfälischen Friedens. Zu Recht hat schon Fritz Dickmann festgestellt: „In den hessischen Vorschlägen haben wir den Keim der späteren Verfassungsbestimmungen zu suchen". 31 ) Diejenigen Verfassungsfragen, über die man in den Friedensverhandlungen aus Gründen, die hier nicht erörtert werden können, keine Einigung erzielte, wurden als „hintersteilige Materien", als negotia remissa, in beiden Friedensverträgen aufgeführt und dem nächsten Reichstag zur Regelung zugewiesen. Und in der Tat bestimmten die negotia remissa, die ihrerseits das Ergebnis mannigfacher Kompromisse waren, nicht nur den Reichstag von 1653/54, sondern auch die Geschäfte des Immerwährenden Reichstags von 1663 bis in die frühen siebziger Jahre. Sie waren der Hauptgrund, daß der 1663 „reassumierte" Regensburger Reichstag zu einem „Immerwährenden" wurde. 32 ) Anton Schindling hat die mit den negotia remissa verknüpfte Intention als „ein Programm zur Regierung des Reiches durch einen Reichstag" gewertet, „der danach ein von den Fürsten bestimmtes Versammlungsgremium [gewesen] wäre". 33 ) Die von Scheffer, aber auch von seinen hessischen Amtskollegen im Kontext der Reichsverfassungsberatungen praktizierte Argumentation kann hier nur stichwortartig und anhand einiger weniger Beispiele dargelegt und analysiert werden. Die folgenden Ausführungen sind deshalb jenen Problemen der Reichsverfassung und des Verhältnisses zwischen dem Kaiser und den Reichsständen gewidmet, denen Scheffer und die übrigen Vertreter HessenKassels besonders große Aufmerksamkeit geschenkt haben. Im Kontext der kontroversen Beratungen und Debatten um die Anerkennung des jus suffragii der Reichsstände, aber auch im Zusammenhang mit den folgenden Reichsverfassungsberatungen spielte der Streit über das jus pacis et belli oder - wie es auch hieß - über „die jura majestatis, worunter die jura magistratus, armorum et legum begriffen, welche man kaiserlicher resp. kurfürstlicher seiten an sich allein zu ziehen und davon die stände allgemächlich auszuschließen sich unterstanden.. ," 34 ), eine besondere Rolle. Weiter liest man in der ersten Hauptinstruktion der Gesandten Hessen-Kassels vom 4. Juni 1644, aus der das letzte Zitat entnommen ist, daß diese jura majestatis, die Kaiser und Kurfürsten unter Ausschluß der übrigen Reichsstände für sich allein bean31
) Dickmann, Reichsverfassung (wie Anm. 2), 23. ) Vgl. dazu Schindling, Anfänge (wie Anm. 3). ) Anton Schindling, Der Westfälische Frieden und der Reichstag, in: Hermann Weber (Hrsg.), Politische Ordnungen und soziale Kräfte im Alten Reich. Wiesbaden 1980, 113-153, hier 138. Vgl. dazu auch Klaus Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge zum Einfluß französischer politischer Theorie, Verfassung und Außenpolitik in der Frühen Neuzeit. Marburg 1994, 129-168. 34 ) Erste Hauptinstruktion vom 4. Juni 1644: StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 31 v ; vgl. auch Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 180f.; Albrecht, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 4), 251. 32 33
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Der Westfälische Friede und das Reich
spruchten, „wieder in behörige Schranken gebracht werden" müßten, „da doch hoc statu Imperii aristocratico mixto solche nicht Imperatori soli, sondern vermög der Güldenen Bull und Reichskonstitutionen mit demselben auch Kurfürsten und Ständen insgesamt zustehen". 35 ) Die in diesem Zitat enthaltene Forderung Hessen-Kassels, daß Kriegserklärung und Friedensschluß und somit auch Bündnisse im Namen des Reiches nicht vom Kaiser allein bzw. vom Kaiser und den Kurfürsten rechtsverbindlich abgeschlossen werden dürften, sondern an die Zustimmung aller Reichsstände gebunden seien, findet sich in gleicher oder etwas variierter Form in zahlreichen anderen hessen-kasselischen Dokumenten, also auch in der Korrespondenz mit Scheffer. Um die Argumentationsweise und die sich dahinter verbergenden staats- und reichsrechtlichen Grundüberzeugungen und Vorstellungen besser fassen zu können, seien im folgenden die wichtigsten Passagen zitiert. So liest man in dem bereits erwähnten, vom 25. Oktober datierten „Memorial", das der hessen-kasselische Abgesandte Jakob von Hoff den schwedischen Bevollmächtigten im November 1643 überreichte: „.. .wie das von Ihrer Keyss. May:tt und den herren churfürsten des reichs die übrige fürsten und stände dergestalt von den generalfriedenstractaten wollten ausgeschlossen werden, das sie, die stände, zu denselben cum suffragio nicht admittiret werden sollen, welches, weilln es der Teutschen liberteten, alten Verfassung und constitutionibus zuwieder, ausländischen hohen potentaten auch hochnachteilig und zumahlen gefährlich fallen wolte, wan der Keysser und die churfürsten in ihrer alleinigen macht und handen haben solten ohn zutun und mit einstimmung der übrigen reichsglieder de pace et bello ihren gefallen nach zu disponieren und einen oder andern potentaten unruhe zu machen, massen kann die keiserl. zu solchem ende all'ihre gedancken richten.. .". 36 ) Die in diesem Text nur angedeutete These, der Kaiser strebe eine zu große und höchst gefährliche Machtfülle im Reich an, wurde in einem an den Gesandten in Münster, von Krosigk, gerichteten Memorial vom 6. Januar 1644 noch weiter zugespitzt. Darin führte die Landgräfin aus, der Kaiser maße sich das alleinige arbitrium an und hoffe, „dadurch desto eher zum absolut dominat zu gelangen". 37 ) Und in den ebenfalls bereits genannten Excerpta Juris sujfragii in causis pacis et belli statibus competere liest man unter Punkt 30: Jura pacis et Belli proprie pertinere ad Imperium.. . 38 ); unter Punkt 42 ist der Satz aufgeführt: Jura pacis
35
) StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 31 v . 36) Ebd. Nr. 2116, Bl. 6 r/v ; vgl. auch APW Ser. II. Abt. C. Bd. 1 (wie Anm. 12), Nr. 59 (17.11.1643), Beil. 10; Sigmund Goetze, Die Politik des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna gegenüber Kaiser und Reich. Kiel 1971, 225. 37 ) Memorial an von Krosigk, 27. Dezember 1643 (Alter Stil): StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 13v und 15r. 38 ) Ebd. Nr. 1694 I, Bl. 290 r
Malettke,
Scheffers Gesandtschaft
in
Osnabrück
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et Belli statibus ademto, Imperium fore corpus sine anima, minorem partem daturam Leges Majestatis,39) Es ist kein Zufall, wenn sich der unbekannte Verfasser dieser Exzerpte ausdrücklich auf die „Six livres de la République" von Jean Bodin bezog 40 ), der bekanntlich den „Status", also die Staatsform, des Reiches als eine Aristokratie definiert hatte, bei der die Souveränität bei der Gesamtheit der im Reichstag vereinigten Reichsstände liege. So hatte der französische Jurist im ersten Buch seiner berühmten und weitverbreiteten Schrift festgestellt: „.. .neantmoins la maiesté souueraine de cest Empire là ne gist pas en la personne de l'Empereur, ains en l'assemblée des estats de l'Empire, qui peuuent donner loy à l'Empereur, et à chacun Prince en particulier: de sorte que l'Empereur n'a puissance de faire edict quelconque, ni la paix, ni la guerre.. ,". 41 ) Der Kaiser ist nach Bodins Überzeugung nur der „chef' (caput) oder der „Lieutenant pour l'Empire". 42 ) Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, hatte der Marburger Rechtsgelehrte Hermann Vultejus Jean Bodin rezipiert und unter Rekurs auf die Lehre und Terminologie seines französischen Kollegen das Reich als eine Monarchie mit aristokratischer Regierungsform bezeichnet. Im Kern hatte Vultejus an die Grundlagen der kaiserlichen Machtvollkommenheit gerührt. Vergegenwärtigt man sich den hier nur skizzierten Sachverhalt, überrascht es nicht, wenn auch sein Schüler Reinhard Scheffer dem Kaiser die Souveränität absprach und im Oktober 1645 in Osnabrück ausführte, daß Hessen-Kassel „den Kayser ... pro capite (erkenne)", aber „gleiches Recht (begehre)". 43 ) Scheffer und seinen hessischen Amtskollegen war natürlich bekannt, daß die seit Ende der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter den Reichspublizisten sehr kontrovers geführte Debatte schon bald zu dem Ergebnis geführt hatte, daß Bodins Definition des Reiches als einer Aristokratie der Realität nicht entsprach und daß das Reich mit keiner der traditionellen Staatsformen angemessen definiert werden konnte, sondern eine irgendwie gemischte Form 39
) Ebd. Nr. 1694 I, Bl. 290 v . ) Ebd. Nr. 1694 I, Bl. 289 v (Fundamenta Punkt 15). In einer Klammer ist dort folgender Verweis enthalten: Bodin, De Repub. L 5, c. 6, p. 915. 41 ) Jean Bodin, Les six livres de la République. Paris 1583, 180. - Im zweiten Buch führt Bodin aus: „Or est-il que les estats de l'Empire, composés de trois à quatre cent hommes, comme i'ay dit, ont la puissance souueraine, priuativement à l'Empereur, et à tous autres Princes et villes en particulier, de donner la loy à tous les subiects de l'Empire, decerner la paix ou la guerre, mettre tailles et imposts, establir iuges ordinaires et extraordinaires, pour iuger des biens, de l'honneur, et de la vie de l'Empereur, des Princes, et des villes Imperiales: qui sont les vrayes marques de souueraineté. S'il est ainsi, comme il est tout certain, qui peut nier que Testât d'Allemagne ne soit une vraye Aristocratie?" (321). 42 ) Ebd. 324 und 326; vgl. dazu auch Klaus Malettke, La conception de la souveraineté de Jean Bodin et le Saint Empire Romain Germanique (erscheint demnächst in einem von Jean-Marie Cauchies in Brüssel vorbereiteten Sammelband). 43 ) Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 1, 697. 40
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Der Westfälische
Friede und das Reich
darstellte. Scheffer, seinen hessischen Kollegen und den Räten in Kassel waren sicherlich die Schriften der bekanntesten Reichspublizisten geläufig, zu denen die in den Jahren 1629 bis 1634 in erster Auflage erschienenen „Juris publici Imperii Romano-Germanici libri IX" des Johannes Limnaeus gehörten. 44 ) Limnaeus hatte die Interpretationen der Reichsverfassung abgelehnt, denenzufolge das Reich entweder eine Aristokratie oder eine Monarchie sei. Den Verfechtern beider Extrempositionen stellte er sein eigenes Urteil entgegen: Illis autem omnibus calculum nostrum subducimus, Imperium mixtum ex monarchia et aristocratia arbitramur.45) Vergegenwärtigt man sich diese Gegebenheiten, ist es verständlich, daß man in der ersten Hauptinstruktion vom 4. Juni 1644, in der Scheffer als erster Adressat genannt ist, den Satz findet, „daß die Jura majestatis, worunter die Jura Magistratus, Armorum et legum begriffen...", nicht dem Kaiser allein zustünden, sondern, bedingt durch hoc statu Imperii aristocratico mixto, allen Reichsfürsten und Ständen. 46 ) Daß der Kampf Hessen-Kassels gegen das vom Kaiser für sich allein reklamierte jus pacis et belli von den Räten in Kassel und von den landgräflichen Gesandten in Münster und Osnabrück auch mit ständig wiederholten Verweisen auf die Fundamentalgesetze des Reiches und das Reichsherkommen untermauert wurde, geht aus den oben angeführten Zitaten ebenfalls deutlich hervor. Und schließlich bleibt festzuhalten, daß man in Hessen-Kassel offenbar ernsthaft befürchtete, daß ein Scheitern der ständischen Forderungen in bezug auf das jus suffragii und das jus pacis et belli dem Streben des Kaisers nach dem arbitrium bzw. dem „absoluten dominât" 47 ) im Reich Tür und Tor öffnen würde. Dem gelte es mit Nachdruck entgegenzutreten. Während sich Scheffer und seine hessen-kasselischen Kollegen in ihren Forderungen hinsichtlich des jus suffragii und des jus pacis et belli hartnäckig und unnachgiebig zeigten, legten sie in der Frage der Wahl des Römischen Königs vivente imperatore eine gewisse Flexibilität an den Tag. Frankreich und Schweden hatten dazu einen eigenen Vorschlag gemacht. Beide Mächte forderten, ein Römischer König dürfe nie mehr zu Lebzeiten eines Kaisers, sondern nur bei Thronvakanz gewählt werden. So weit wollten die Reichsstände nicht gehen, nicht einmal Hessen-Kassel. Diese noch aus dem Ministeriat Richelieus stammende alte französische Forderung fand auch bei Scheffer 44
) Zu Johannes Limnaeus vgl. Rudolf Hoke, Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Aalen 1968; ders., Johannes Limnaeus, in: Michael Stolleis (Hrsg.), Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert. Reichspublizistik, Politik, Naturrecht. Frankfurt am Main 1977, 100-117. 45 ) [Johannes Limnaeus,] Juris publici Imperii Romano-Germanici libri IX. 3 Bde. 1. Aufl. Straßburg 1629-1634. Zitat: Bd. 1, Lib. 1, Cap. 10, Nr. 12. 46 ) StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 31 v . 47 ) Daß das Haus Österreich danach strebe, davon war auch Richelieu überzeugt. Vgl. dazu demnächst Klaus Malettke, La France et le Saint-Empire au XVIII e siècle. Diese Monographie wird 1997 bei S.E.D.E.S in Paris erscheinen.
Malettke, Scheffers Gesandtschaft in Osnabrück
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keine Zustimmung. Im Kontext der Osnabrücker Beratungen vom 28. Februar 1646 über diesen Fragenkomplex erklärte er dazu: „Erinnere sich guter massen, was schon super hac Quaestione, per Majora dieses Orts geschlossen worden; daß nemlich dieser pro Temperamento vorzuschlagen, damit nicht die freye Wahl abgeschnitten, auch nicht eben die Quaestio: An ex Familia Regnantis? sondern nur, An sit eligendus Rex Romanus? auf Reichs=Tägen deliberiret werde. Und obgleich solches nicht directo auf die Frantzösische Replic geantwortet zu seyn scheinen möchte, so müste man doch weiter gehen und ihre Haupt=Intentionen ansehen, welche diese sey: ne Imperium fiat hereditarium. Zu welchem Ende sie anfangs in der Propositon begehret, daß gar kein Römischer König, vivente Imperatore, erwählt werden sollte; hernach aber in der Replic dieses vorgebracht, ne ex Familia viventis eligatur. Alldieweil aber solches auch bedencklich gewesen, sey man auf diese Meynung gefallen, das allezeit diese Quaestio An? auf Reichs=Tägen erörtert werden sollte. Wann aber solches geschehen wäre, stünde alsdann dem Churfürstlichen Collegio frey, aus welchem Hause sie denselben wählen wollten. Bey welcher Meynung er es auch nochmals verbleiben Hesse.. .". 48 ) Tatsächlich befanden sich Frankreich und Schweden in dieser Frage, der einzigen, im Widerspruch zu den Reichsständen und konnten sich schließlich auch nicht durchsetzen. 49 ) Hinsichtlich der Präeminenz der Kurfürsten hieß es in der zweiten Hauptinstruktion für die Gesandten Hessen-Kassels vom 30. Januar 1645, diese seien zwar in gradu dignitatis den anderen Reichsständen übergeordnet, „aber nicht in übrigen Juribus". 50 ) Seit den einschlägigen Untersuchungen von Fritz Dickmann und Erwin Bettenhäuser wissen wir, daß Scheffer der Verfasser der Gravamina der Evangelischen war, die fast wörtlich in die schwedische Friedensproposition 51 ) vom 11. Juni 1645 aufgenommen worden sind. Am 20. Januar sowie am 3. Februar 1645 berichtete Scheffer in Relationen aus Osnabrück, daß die schwedischen Gesandten ihn und den braunschweigischen Gesandten Lampadius gebeten hätten, für sie eine schriftliche Aufstellung der „Reichsgravamina" der Stände anzufertigen, weil diese ihnen im Detail nicht bekannt seien. Scheffer, der Zweifel an der Ernsthaftigkeit des schwedischen Vorstoßes hegte, signalisierte zwar seine Bereitschaft, auf den Wunsch Schwedens einzugehen, verbarg aber auch nicht seine Bedenken, einen so wichtigen Text bei Abwesenheit der Vertreter der evangelischen Reichsstände, insbesondere der Gesandten der Kurfürsten, allein auszuarbeiten und vorzulegen. 52 ) Rund zwei 48
) Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 2, 391. ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 185. 50 ) StAM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 79r. 51 ) Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 1,435-442. 52 ) Vgl. Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 38. - Nach Fritz Dickmann ist ein braunschweigischer Einfluß auf die schwedische Proposition nicht nachweisbar: „.. .ich 49
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Der Westfälische Friede und das Reich
Wochen später, am 19. Februar 1645, schrieb Scheffer an die Landgräfin: „Mir ist die zumuthung [vom schwedischen Gesandten, K.M.] geschehen...", weil Hessen-Kassel etwas früher als andere Reichsstände „freiere Hand" hätte, die schwedischen Gesandten in der Frage der Gravamina der Evangelischen zu beraten. 53 ) Als man von schwedischer Seite andeutete, man würde im Fall weiteren Zögerns der Reichsstände seine Proposition ohne reichsständische Beteiligung fertigstellen, entsprach Scheffer dem schwedischen Wunsch und fertigte einen Entwurf der Gravamina der Evangelischen an. Die wenigen bereits in Osnabrück eingetroffenen Vertreter evangelischer Reichsstände vermieden es, sich in dieser Angelegenheit offiziell zu äußern. Dies gilt auch für Lampadius, der erklärte, daß er sich ohne Instruktion nicht „verbrennen" wolle. Gleichwohl scheint die von Scheffer an die an diesem wichtigen Fragenkomplex am meisten interessierten Gesandten, an den Württemberger Johann Konrad Varnbühler und an den Nürnberger Tobias von Schöllenbach Oelhafen, herangetragene Bitte, ihn mit ihren „Particular und Privat advis und sentiment" 54 ) zu unterstützen, nicht auf taube Ohren gestoßen zu sein. Der von Scheffer verfaßte Entwurf wurde mit den in Münster residierenden hessischen Amtskollegen auf einer gemeinsamen Konferenz auf Schloß Lengerich beraten und am 22. März 1645 der Landgräfin zur Genehmigung gesandt. Wenn auch Amalie Elisabeth der Meinung war, daß die von Scheffer aufgestellten Punkte allzu „general" gehalten seien, so erteilte sie dem Entwurf doch ihre grundsätzliche Billigung. Sie tat dies insbesondere deshalb, weil sie zu Recht befürchtete, daß eine zu starke Betonung und Herausstellung der Religionsgravamina zu Differenzen zwischen Frankreich und den evangelischen Ständen führen könne und die katholischen Stände diese Differenzen zu ihren Gunsten ausnutzen würden. Eine Polarisierung der Konfessionsparteien müsse vermieden werden, da man auf die aktive Mitwirkung der katholischen Reichsstände bei den Verhandlungen über die politischen Reichsgravamina angewiesen sei. Weil eine einmütige Stellungnahme aller Reichsstände nicht zu erwarten sei, hielt es auch Amalie Elisabeth für angebracht, daß die weltlichen und konfessionellen Gravamina in den Propositionen der beiden Kronen nur „in genere" genannt und gleichzeitig, „auf den Schlag", publiziert würden. Die Landgräfin wies Scheffer an, bei den schwedischen Gesandten darauf hinzuwirken, daß der Entwurf in die schwedische Proposition aufgenommen werde. In gleicher Weise wurden die hessischen Vertreter
höbe weder in den Pariser noch in den Stockholmer Akten etwas darüber gefunden, so daß man annehmen muß, daß Hessen den beiden Großmächten die entscheidenden Hinweise allein oder doch in erster Linie gegeben hat" (Dickmann, Westfälischer Frieden [wie Anm. 2], 542 Anm. 181). 53 ) Zit. nach Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 38; vgl. auch Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 181 f. 54 ) Zit. nach Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 38.
Malettke,
Scheffers
Gesandtschaft
in
Osnabrück
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in Münster beauftragt, den Entwurf Scheffers an die französischen Gesandten weiterzuleiten mit der Bitte, ihn in der französischen Proposition zu berücksichtigen. 55 ) Scheffers Entwurf läßt klar den ihm zugrundeliegenden Kompromiß erkennen, der noch deutlicher wird, wenn man ihn mit den wesentlich weitergehenden Forderungen seiner ersten Hauptinstruktion vom 4. Juni 1644 vergleicht. In Scheffers Entwurf wurde das bekannte reichsständische Programm wiederholt, „wonach über neue Gesetze und Interpretationen der alten, über Krieg und Frieden, Reichsabgaben und Reichsacht allein die Gesamtheit der Stände zu entscheiden habe. Dann kam man auf die kirchlichen Fragen: Der Religionsfrieden, in den auch die Reformierten einzuschließen seien, sei in seiner immerwährenden Gültigkeit zu bestätigen, alle Differenzen über seine Auslegung müßten noch jetzt bei den Friedensverhandlungen beigelegt werden man nannte in diesem Zusammenhang die Frage der Mediat- und Immediatstifte, das jus emigrandi, die Ferdinandeische Deklaration, aber nicht den Geistlichen Vorbehalt - und man wiederholte die alte, noch jüngst in Regensburg abgelehnte Forderung, daß in Religionssachen keine Stimmenmehrheit gelten dürfe, sondern ein Ausgleich zu suchen sei". 56 ) Im Vergleich zum Entwurf Scheffers enthielten die hessen-kasselische Gesamtinstruktion vom 4. Juni 1644 und die Gravamina und Postulata, die er für Hessen-Kassel am 7. Januar 1646 in Osnabrück vorlegte, wesentlich weitergehende Forderungen. In beiden Dokumenten wurde die förmliche Kassation des Restitutionsedikts, des Prager Friedens und des Regensburger Reichstagsabschiedes verlangt. Außerdem wurde in ihnen die Anerkennung der Reformierten als Augsburger Konfessionsverwandte gefordert. So liest man in den hessen-kasselischen Gravamina und Postulata: „Demnach durch Göttlichen Beystand und Gnade dermaleins ein glücklicher Ausschlag jetziger allgemeinen Friedens=Tractaten dergestallt zu hoffen, daß unser geliebtes Vaterland Deutscher Nation, nicht allein durch Wiederstifft= und Erhaltung guter Vertraulichkeit mit den benachbarten Königreichen und Potentaten, zu seiner äusserlichen Beruhigung und Sicherheit förderlichst gelange, sondern auch vermittelst einer unlimitierten General-Amnestie vor Anno 1618 und darauf erfolgende durchgehende Wieder=Einführ= und Einsetzung alles wider in den Stand, wie es in Politicis & Ecclesiasticis vor solchen 1618. Jahr gewesen, mit Cassation Aufhebung und Vernichtung aller immittelst dagegen ausgelassener und ergangener Edicten, Commissionen, Decreten, Declarationen, Mandaten, Urtheilen, Executionen, Transactionen, Donationen, Protestationen ... wie auch immer Namen haben mögen, neben gründlicher Abhelffung und Verglei-
55) Vgl. ebd. 3 9 f . 56 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 182; vgl. auch Bettenhäuser, Kassel (wie Anm. 6), 38 f.
Hessen-
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Der Westfälische Friede und das Reich
chung aller, so lang geklagter Gravaminum Ecclesiasticorum & Politicorum ... damit sowohl die Kayserliche Majestät als das Oberhaupt, bey Dero hohem Respect und Authorität, als auch Chur=Fürsten und Stände bey ihren Landen und Leuten, Hoch= und Gerechtigkeiten, in Geist= und Weltlichen Sachen, vermöge der Güldenen Bulle und andern Reichssatzungen, sonderlich des Religion- und Prophan-Friedens [!], darinn die also genannte Reformirte mit begriffen, wie auch des verhofften künfftigen Friedens=Schlusses, nicht weniger die Catholische und Evangelische oder Augsburgische Confessionirten, darunter obgenannte Reformirte, als sie sich zu solcher Confession bekennen, mit verstanden, ohne Unterschied der Religion aequali jure in perpetuum ruhig gelassen und gehandhabet, und dagegen auf keinerley Weise ins künfftige betrübet oder beschwehret werden mögen". 57 ) Für die volle Gleichberechtigung der Reformierten war Scheffer bereits in den Beratungen der evangelischen Reichsstände im November und Dezember 1645 mit großem Nachdruck eingetreten. In diesem Kontext hatte er darauf insistiert, daß das öffentliche Bekenntnis eines Reichsstandes zur Confessio Augustana ausreichen müsse, damit er sämtliche Rechte des Religionsfriedens beanspruchen könne. Dabei sei nicht zu prüfen, ob sich dieser Reichsstand zur Confessio Augustana variata oder invariata bekenne. Scheffer bezeichnete die lutherischen Vorschläge als eine „jesuitische Aequivokation"; seine Landesherrin sei nicht gewillt, sich in die Klientel der Lutherischen einzureihen und sich „von ihnen mit dem Religionsfrieden belehnen zu lassen". 58 ) Generell war man in Hessen-Kassel davon überzeugt, daß „das Jus Reformandi von dem Jure territoriali dependiere" 59 ) und daß auf diesem Felde das Axiom anzuwenden sei: Cujus est regio, ejus est de Religione dispositio.60) Scheffer konnte Mitte April 1645 seiner Herrin den Erfolg melden, daß er die von Salvius angefertigte Fassung der schwedischen Proposition habe einsehen dürfen und daß er diesbezüglich nichts zu „desiderieren" habe. 61 ) Dagegen war Vultejus, der Anfang Mai 1645 eine zwölf Punkte umfassende französische Version der Delegation Frankreichs in Münster überreicht hatte, weit weniger erfolgreich. In der französischen Proposition vom 11. Juni 1645 waren die Religionsgravamina bekanntlich dann auch nicht aufgeführt. 62 ) Frankreich befand sich in dieser Frage in einem Dilemma. Einerseits wollte es seine protestantischen Verbündeten im Reich nicht vor den Kopf stoßen, andererseits konnte es aus innen- und außenpolitischen Gründen den Protestan57
) Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 2, 161 f. ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 370. 59 ) Dokumente betr. die „Osnabrugische Negotiation" vom 27. September 1645: StAM, 4 h, Nr. 16941, Bl. 210r. 60 ) StAM, 4 h, Nr. 1694 II, Bl. 48 l r . 61 ) Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 39. 62 ) Zur französischen Proposition siehe Meiern, Acta Pacis Westphalicae (wie Anm. 1), T. 1,443-448. 58
Malettke, Scheffers Gesandtschaft in Osnabrück
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ten keine großen Konzessionen machen, die zu sehr zu Lasten der katholischen Kirche gingen. Dieses Dilemma brachten Longueville, d'Avaux und Servien in einer an den französischen Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, Henri-Auguste de Brienne, gerichteten Relation vom 28. August 1645 zum Ausdruck, in der sie ausführten: „.. .que nous considérons les protestants d'Allemagne comme noz frères séparés à la vérité de créance, mais unis avec nous d'affection et d'intérest au lieu que la plupart des catholiques sont à nostre plus grand regret nos ennemis quoyque la charité et la communion d'une mesme église nous rend aussi tous frères. Que cela nous oblige bien de marcher avec retenue dans tous les poincts où la religion peut estre intéresseé, mais ne doit pas faire doubter nos amis de nostre assistance en tous les autres ny que dans les différends qui naistront pour ceux-ci nous n'appuyons les expédiens raisonnables d'accomodement qui seront proposés". 63 ) Rund zwei Jahre später beklagte sich d'Avaux aus Osnabrück in einem Memorandum vom 21. Februar 1647 heftig über die Satisfaktionsforderungen Amalie Elisabeths, insoweit diese katholisches Kirchengut betrafen: „Mais les Protestans assistés des Suédois demandent l'un et l'autre [d.h. für Hessen Geldsatisfaktion und geistliche Territorien, K. M.], il semble que l'Eglise Catholique soit au pillage. Car outre ce que Madame la Landgrave prétend d'un autre costé sur les Archeveschez de Couloigne [!], de Mayence, de Paderborn et l'Abbaye de Fulde, le Duc de Wirtemberg veut chasser trente monastères tant d'hommes que de filles. Et tout cella leur réussira si l'authorité de leurs Majestéz appuyée à l'obligation des Traittés n'y intervient sérieusement". 64 ) Trotz der engen Verbindungen Hessen-Kassels mit Frankreich war Amalie Elisabeth bemüht, im Rahmen der politischen Möglichkeiten ihre Unabhängigkeit zu wahren und die spezifischen Interessen der eigenen Landgrafschaft nicht aus den Augen zu verlieren. Gegenüber dem französischen Hof und seinen Vertretern in Osnabrück und Münster betonte sie zwar ihre Ergebenheit und stellte heraus, daß sie alles für Frankreich geopfert habe und deshalb von ihrem Verbündeten allein Hilfe erwarte. Andererseits mahnte sie aber auch zur Wachsamkeit gegenüber der zunehmenden Macht des französischen Königs. 65 ) Ihre Gesandten beim Friedenskongreß wies sie an, eng mit ihren französischen Kollegen zu kooperieren. So schrieb sie an den französischen Residenten in Osnabrück, Claude de Salles, baron de Rorté, am 2. Juni 1644, dem sie 63
) Archives du Ministère des Affaires Etrangères, Paris (AAE), Correspondance politique (CP), Allemagne (All.), Nr. 55, fol. 332. - Zu den französisch-hessischen Beziehungen vgl. auch Hans Philippi, Eine hessische Gesandtschaft in Paris im 17. Jahrhundert. Die Mission des Johann Caspar v. Dörnberg 1646-1651, in: HessJbLG 30, 1980, 236-264. M ) „Mémoire de l'Ambassadeur de France qui est à Osnabrug", d.h. d'Avaux, 21. Februar 1647: AAE, CP, All., Nr. 87, fol. 291. 65 ) Bettenhäuser, Hessen-Kassel (wie Anm. 6), 15.
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Der Westfälische Friede und das Reich
Scheffer als kompetenten Gesprächspartner empfahl: „.. .i'ay fait tout ce qu'il m'a esté possible pour attirer le reste des Princes & Estats à un si important négoce, je n'ay pas voulu manquer à despescher les sieurs de Scheffer, Crossieg [!], Antrecht & Vultejus touts de mon Conseil d'estat & privé, pour entreprendre la vacation, à laquelle en vertu de leurs pleins pouvoirs je les ay destinez. Et comme le dit Sieur Scheffer... vous rendra comte [!] de tout ce que de ma part je puis contribuer au bon succez d'une affaire si salutaire... Vous me ferez, s'il vous plaist, Monsieur, l'honneur de luy donner entiere croyance durant son séjour à Osnebrugge [!], voire mesme durant ceste action... en tout ce qu'il dira, proposera & agira en mon nom. Il vous fera cognoistre, avec quelle passion & fidélité j'embrasse la gloire & l'interest du Roy, le salut et le bien de ma patrie, et que mes interests propres sont autant authorisez de la justice que je les soubmets à la protection promise de la France, l'estroite correspondance que les dits Sieurs Scheffer et Antrecht ont ordre d'entretenir avec vous, vous esclairsiront [!] de cette vérité.. ,". 66 ) Für die französische Politik auf dem Kongreß stellte Hessen-Kassel, trotz mancher Differenzen in einigen Fragen, einen willkommenen Ansprechpartner dar, worauf aber im Kontext dieser Ausführungen nicht näher einzugehen ist. 67 ) Auf einen Vorgang soll jedoch in diesem Rahmen hingewiesen werden, weil er das Festhalten der französischen Politik unter Mazarin an der von Richelieu entwickelten Idee der Friedenssicherung durch ein Konzept kollektiver Sicherheit dokumentiert. 68 ) In den hessen-kasselischen Friedensakten findet sich die Kopie einer Relation von d'Avaux und Servien vom 28. Januar 1646, die sich mit der Aufnahme dieses französischen Projekts durch die Reichsstände befaßt. In dem Bericht d'Avaux' und Serviens heißt es: „Nous proposons en suite une ligue generalle entre tous les princes intéressez, dans laquelle des Estats de l'Empire seront aussy compris, qui portera une obligation mutuelle à tous en général et à chacun d'eux en particulier de prendre conjointement les armes contre celuy ou ceux qui contreviendront au Traicté après toutefois, qu'ayant estez admonestez et requis par voyes amiables, ils ne voudront se tenir dans les termes d'iceluy". 69 ) Hier findet man die Kernpunkte des Richelieuschen Konzepts wieder. Beide französischen Gesandten berichteten, daß ihr Vorschlag von den Reichsständen positiv aufgenommen worden sei: „Cette propositon qui ne 66
) St AM, 4 h, Nr. 2116, Bl. 142r. ) Die französisch-hessischen Beziehungen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens sind aber bis heute noch nicht detailliert untersucht worden. 68 ) Vgl. dazu Klaus Malettke, Richelieus Außenpolitik und sein Projekt kollektiver Sicherheit, in: Peter Krüger (Hrsg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte des internationalen Systems. Marburg 1991, 47-68; ders., Konzeptionen kollektiver Sicherheit in Europa bei Sully und Richelieu, in: August Buck (Hrsg.), Der Europa-Gedanke. Tübingen 1992, 83-106. 69 ) StAM, 4 h, Nr. 1694 II, Bl. 530r. 67
Malettke, Scheffers Gesandtschaft in Osnabrück
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peut estre qu'avantageuse au public, est fort bien receiie parmy les Estats de l'Empire, et tous ceux qui ont les intentions droites: nous estimons que cette ligue estant une fois establie dans une si célébré assamblée, sera le fondement de la paix, et de la tranquillité des peuples, et qu'elle mettra une puissante bride aux desseins ambitieux, qui depuis tant de temps ont troublé le repos de l'Europe". 70 ) Die Reichsstände waren aber, wie Fritz Dickmann festgestellt hat, „keineswegs beglückt über die Aussicht, in ein völkerrechtliches Garantiesystem dieser Art eingespannt zu werden. Sie fürchteten die schwer zu übersehenden Verpflichtungen, die ihnen daraus erwachsen konnten, und wünschten deshalb Fristen, Art und Form für die vorher anzuwendenden friedlichen Streiterledigungsmittel unbedingt im Friedensvertrag geregelt zu sehen. Fast noch mehr aber fürchteten sie die ,Hilfeleistung' der mächtigen Garanten". 71 ) Ob diese Feststellung aber auch für die Position Hessen-Kassels zutrifft, muß einstweilen offen bleiben, da dieser Fragenkomplex bisher noch nicht anhand der einschlägigen deutschen und französischen Akten untersucht worden ist.
III. Ergebnisse a) Reinhard Scheffer (der Jüngste) entstammte einer alten hessen-kasselischen Familie, der bereits unter der Regierung Landgraf Philipps „des Großmütigen" der soziale Aufstieg in hohe Stellungen des Fürstendienstes gelungen war. Dieser soziale Aufstieg ist einzuordnen in den zu Beginn der Frühneuzeit einsetzenden elitegeschichtlichen Wandlungsprozeß, in das Ausgreifen der bürgerlich-politischen Eliten über die städtischen Grenzen hinweg in die größeren politischen Eliten. b) Das Beispiel der Familie Scheffer dokumentiert das auch in Hessen verbreitete Phänomen der Weitergabe von Ämtern innerhalb bürgerlicher Familien, bei dem die für die Landgrafschaft noch kaum untersuchten Patronage-, Klientel- und Fidelitätsbeziehungen eine wesentliche Rolle gespielt haben dürften. c) Zur Begründung der von Scheffer und seinen hessen-kasselischen Kollegen verfochtenen reichsständischen und spezifisch landgrafschaftlichen Forderungen bedienten diese sich sehr geschickt allgemeinpolitischer, völkerrechtlicher sowie staats- und reichsrechtlicher Argumente, die von Fall zu Fall durch speziell auf Hessen-Kassel bezogene Ausführungen ergänzt wurden.
70
) Ebd. ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 335.
71
522
Der Westfälische Friede und das Reich
d) Scheffer, aber auch die anderen Vertreter Hessen-Kassels, plädierten hartnäckig für die Durchsetzung der reichs- und völkerrechtlichen Gleichberechtigung von Kaiser, Kurfürsten und den übrigen Reichsständen. Der Kaiser sei nur caput oder gar nur „lieutenant de 1'Empire", dessen „Status" als eine aristokratisch-monarchische Mischform zu charakterisieren sei. Jegliches Streben des Kaisers nach dem alleinigen arbitrium und einem „absoluten dominat" im Reich müsse verhindert werden. e) In der Argumentation Scheffers und der anderen hessen-kasselischen Gesandten läßt sich der Einfluß Jean Bodins und jener Reichspublizisten erkennen, die klar ständisch orientierte Positionen vertraten. f) Fritz Dickmann hat im Kontext seiner Analyse der hessen-kasselischen Reichsreformpläne festgestellt: „Im hessischen Fürstenhause lebte ja seit den Zeiten Philipps des Großmütigen der Geist trotziger Opposition gegen kaiserliche Machtvollkommenheit und kurfürstliche ,Präeminenz' am kräftigsten fort, aus den ihm nahestehenden reichsfürstlichen Kreisen stammten die radikalsten Reichsreformpläne...". 72 ) So weitreichende Pläne waren aber nach dem Tode Gustav Adolfs und nach der Schwächung der Position der Protestanten im Reich nicht mehr aufrechtzuerhalten und mußten zeitgemäßeren, weniger radikalen Konzeptionen Platz machen. 73 ) Scheffers Argumentation während der Friedensverhandlungen spiegelt trotz seines entschiedenen Eintretens für reichsständische Rechte und Forderungen sowie für spezifisch hessen-kasselische Belange seine Bereitschaft zur Flexibilität wider, wenn damit Fortschritte in Grundsatzfragen erreicht werden konnten. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß die von Scheffer und seinen hessen-kasselischen Amtskollegen intensiv betriebene Propagierung der Friedensziele der Landgrafschaft, ihre Argumentation sowie ihre nie nachlassenden Bemühungen um Bundesgenossen zur Verwirklichung dieser Ziele in nicht zu unterschätzendem Maße dazu beigetragen haben, „weitreichende Pläne einer inneren Umgestaltung des Reiches beim Friedenskongreß zur Diskussion [zu stellen], die Auseinandersetzung über sie voranzutreiben und schließliche Entscheidungen zu erzwingen". 74 ) In letzter Konsequenz liefen die von Hessen-Kassel initiierten Reformforderungen darauf hinaus, den Reichstag zu Lasten des Kaisers und der Kurfürsten zu einem von den Fürsten bestimmten Reichsorgan zu machen, was zu einer Regierung des Reiches durch den Reichstag geführt hätte. 75 )
Dickmann, Reichsverfassung (wie Anm. 2), 21. Vgl. ebd. 22 f. 74) Albrecht, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 4), 255. 7 5 ) Vgl. Schindling, Westfälischer Frieden (wie Anm. 33), 138. 72)
73)
Zur „erhaltung dem Commerden und darüber habende privilegia" Hansische Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß Von
Rainer
Postel
M i t dieser Erklärung führten sich die Vertreter der Hansestädte E n d e 1 6 4 4 bei den kaiserlichen B e v o l l m ä c h t i g t e n in Osnabrück ein: S i e s e i e n nicht g e k o m m e n , u m „sich in d i e tractaten einzudringen, sondern nuhr u m b d e n e n K e y s e r l i c h e n g e s a n d t e n mitt nöhtiger information, s o v i e l s e l b i g e r Stätte interesse, erhaltung d e m c o m m e r c i e n und darüber h a b e n d e privilegia betreffe, damit s e l b i g e s b e y d e n e n tractaten b e o b a c h t e t w e r d e n m ö g e , zur handt zu gehen", v i e l l e i c h t a u c h Vermittlerdienste z u l e i s t e n . 1 ) D a s A n l i e g e n k l a n g b e s c h e i d e n , aber e s barg konfliktträchtige P r o b l e m e , ließ auch nach Stellung und M a n d a t fragen, z u m a l die Hansevertreter mit ihrem frühzeitigen E r s c h e i n e n z e i g t e n , w i e w i c h t i g i h n e n d i e S a c h e war. S i e trafen vor d e n A b o r d n u n g e n der anderen Städte ein und gut acht M o n a t e , b e v o r d i e f ö r m l i c h e kaiserliche E i n l a d u n g an alle R e i c h s s t ä n d e e r g i n g . 2 ) D e m o n s t r a t i v g e m e i n s a m war die D e l e g a t i o n der Hansestädte n a c h O s n a brück angereist, w o sie a m 12. D e z e m b e r eintraf 3 ): aus L ü b e c k der S y n d i c u s
') Schreiben der kaiserlichen Bevollmächtigten Lamberg und Krane an Kaiser Ferdinand III., Osnabrück, 2.1.1645: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. II. Abt. A. Bd. 2. Münster 1976, 129-132, hier 129. 2 ) 29. August 1645; Günter Buchstab, Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß. Münster 1976, 59; Fritz Diekmann, Der Westfälische Frieden. 4. Aufl. Münster 1972, 189. 3 ) Archiv der Hansestadt Lübeck (AHL), Altes Senatsarchiv, Reichsfriedensschlüsse 3, Brief Gloxins an den Lübecker Rat vom 20.12.1644 u. 9. Das Protokoll der hansischen Gesandtschaft wurde offenbar gemeinschaftlich, d.h. abwechselnd von den Gesandten der drei Städte geführt, die sich gelegentlich zu erkennen geben, und vom Kanzlisten Georg Petersen ins Reine geschrieben, der mit Gloxins Handschrift seine Mühe hatte; AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 278, 281 (Koch), 281, 302 (Gloxin), Reichsfriedensschlüsse 4, 4a, 11 (Gloxin), 51 (Meurer). Dies läßt, da die lübeckischen Akten vollständig erhalten sind, den Verlust der hamburgischen Überlieferung weniger schmerzlich erscheinen. - Kanzlist Petersen: AHL, Altes Senatsarchiv, Hanseatica 388. - Ich danke Frau Dr. Antjekathrin Graßmann und ihren Mitarbeitern für die freundliche Unterstützung, insbesondere für die Bereitstellung der kürzlich zurückgekehrten und erst provisorisch geordneten „Hanseatica", die hier unter ihrer vorläufigen Signatur angeführt werden müssen. - Zitate handschriftlicher Vorlagen folgen Johannes Schultze, Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte, in: BlldtLG 98, 1962,
524
Der Westfälische Friede und das Reich
und spätere Bürgermeister Dr. D a v i d G l o x i n 4 ) , aus B r e m e n d i e Ratsherren Dr. Gerhard K o c h und Liborius v o n L i n e n (auch dieser später B ü r g e r m e i ster) 5 ), aus H a m b u r g der S y n d i c u s Dr. Christoph Meurer 6 ). S i e w u r d e n v o n den übrigen G e s a n d t e n - b e i f ä l l i g o d e r nicht - als Vertreter der H a n s e anerkannt 7 ), -
o b g l e i c h auch j e n e t e i l w e i s e aus n a m h a f t e n H a n s e s t ä d t e n k a m e n , s o aus
-
o b g l e i c h sie j e w e i l s a u c h die E i n z e l b e l a n g e ihrer Städte w a h r n a h m e n und
K ö l n und D o r t m u n d , und nun in z w e i Hansestädten tagten, -
o b g l e i c h G l o x i n , d e m aufgrund der S t e l l u n g L ü b e c k s in der H a n s e , als alter R e i c h s s t a d t und als Anführerin der R h e i n i s c h e n Städtebank e i n e g e w i s s e Führungsrolle unter ihnen z u k a m , a u ß e r d e m das B i s t u m L ü b e c k , das Herz o g t u m S a c h s e n - L a u e n b u r g s o w i e G o s l a r und N o r d h a ü s e n vertrat, e b e n falls M i t g l i e d e r der H a n s e . G l o x i n hatte o f f e n b a r a u c h das größte V e r h a n d l u n g s g e s c h i c k . D i e drei
Städte hatten den Krieg i m S c h u t z m o d e r n e r F e s t u n g s m a u e r n 8 ) relativ unversehrt überstanden. In L ü b e c k war 1 6 2 9 ein Frieden g e s c h l o s s e n w o r d e n , in H a m b u r g 1641 ein Präliminarvertrag z w i s c h e n S c h w e d e n und Frankreich;
1-11, unter Berücksichtigung der Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte, in: JbHistF 1980, 85-96. Die Daten folgen dem alten Stil. 4 ) David Gloxin (1597-1671), geboren zu Burg auf Fehmarn, 1624 Dr. jur. (Rostock), war zehn Jahre Rat Herzog Friedrichs III. von Holstein-Gottorf, bevor er 1642 lübeckischer Syndicus wurde. In dieser Eigenschaft bewältigte er zahlreiche Aufgaben für Lübeck und die Hanse. Er wurde 1654 zum kaiserlichen Rat ernannt, 1666 in den Rat seiner Stadt und sogleich zum Bürgermeister gewählt und erwarb sich Verdienste bei der Beilegung der langwierigen innenpolitischen Krise Lübecks 1669; E[mil] F[erdinand] Fehling, Lübeckische Ratslinie von den Anfängen der Stadt bis auf die Gegenwart. Lübeck 1925, 128 f.; Antjekathrin Graßmann, Gloxin, David, in: Alken Bruns (Hrsg.), Lübecker Lebensläufe aus neun Jahrhunderten. Neumünster 1993, 160-163 (mit weiteren Nachweisen). 5 ) Der Leiter der bremischen Gesandtschaft, Dr. Gerhard Koch (Coch) (1601-1660), war nach einem Jurastudium in Bremen und Straßburg 1630 zum bremischen Syndicus und 1640 in den bremischen Rat gewählt worden. 1653 wechselte er in die Stellung eines ostfriesischen Rates und übernahm 1654 eine Professur in Groningen. Sein Vertreter Liborius von Line(n) (1595-1664), der in Marburg, Heidelberg, Speyer und Basel Jura studiert hatte, war seit 1628 Ratsherr und wurde 1649 Bürgermeister. 1646 und 1648 lag die Vertretung Bremens zeitweilig beim Syndicus Dr. Johann Wachmann (1592-1659); APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6. Münster 1981, 23 Anm. 2. 6 ) Johann Christoph Meurer (1598-1672), geboren zu Husum, 1621 Dr. jur. (Jena), ließ sich 1624 in Hamburg nieder, wo bereits sein Vater 1588-1596 Syndicus gewesen war. 1633 in dasselbe Amt gewählt, war er in vielen diplomatischen Missionen tätig, bevor er 1663 in den Rat gelangte; Th[eodor] Schräder, Johann Christoph Meurer, in: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte Bd. 5, Jg. 13, 1890, 77. 7 ) Schreiben Gloxins an den Lübecker Rat, 10.3.1645: AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 226-231, hier 229; Reichsfriedensschlüsse 4, 16 (Protokoll vom 15.7.1645). 8 ) Alle drei Städte hatten bei deren Anlage oder Ausbau die Dienste Johan van Valckenburghs in Anspruch genommen; vgl. Karl-Klaus Weber, Johan van Valckenburgh. Das Wirken des niederländischen Festungsbaumeisters in Deutschland 1609-1625. Köln u.a. 1995, 40-76.
Postel, Zur „erhaltung
dem
Commerden"
525
Hamburg war ein wichtiges Zentrum der Diplomatie 9 ), des Umschlags kriegswichtiger Güter und finanzieller Transaktionen; beide Städte waren zeitweilig als Schauplatz des Friedenskongresses vorgesehen gewesen 10 ). Ihr Mandat leiteten Lübeck, Bremen und Hamburg jedoch vom Hanserezeß des Jahres 1629 ab. Darin hatte die Hanse die Konsequenz aus ihren Strukturschwächen, Verfallserscheinungen und den Kriegsnöten gezogen: Trotz wiederholter Reformversuche war die Gemeinschaft schwerfällig in ihren Beschlüssen geblieben und kaum fähig zu wirkungsvoller Aktion. Ihr gesunkenes Ansehen zeigte sich im Verfall der Kontore, im schlechten Besuch der Hansetage und in der miserablen Zahlungsmoral ihrer Mitglieder, die ihre seit 1554 erhobenen Jahresbeiträge zumeist schuldig blieben. 11 ) Lübeck war als Haupt der Hanse auch ihr Hauptgläubiger, selbst nachdem es wirtschaftlich von Hamburg überholt worden war. 12 ) Der Krieg hatte dem Handelsverkehr Hindernisse und Einbußen gebracht, die politischen Freiräume der Städte drastisch eingeschränkt und zahlreiche Mitgliedsstädte in unmittelbare Bedrängnis gestürzt, besonders in den Niederlanden, in Westfalen und an der Ostseeküste. Weder gegen die Besetzung Wismars und Rostocks durch kaiserliche Truppen hatte die Hanse ein Mittel, noch konnte sie der Belagerung Stralsunds und zuletzt Magdeburgs durch Wallenstein und Tilly wirkungsvoll begegnen. Auf dem Hansetag im Frühjahr 1628 wurde beklagt, „daß daß vhralte Hansische collegium numher in einem solchen trübsehligen zustandt gerathen, daß so ihnen nicht balde hülf, schütz, errettung und erleichterung widerfahren solte, nichts anders dan deßelben gentzliche dissolution vnd Zerrüttung, auch bey viehlen deßen gliedern und angehörigen woll eine exitial Zerstörung zugewarten". 13 ) Schon damals brachten die Hansevertreter gegenüber den kaiserlichen Gesandten ihren Wunsch auf die Formel, daß die Städte „bey der allge-
9
) Vgl. bes. Hermann Kellenbenz, Hamburg und die französisch-schwedische Zusammenarbeit im 30jährigen Krieg, in: Hans Ulrich Rudolf (Hrsg.), Der Dreißigjährige Krieg. Perspektiven und Strukturen. Darmstadt 1977, 2 6 7 - 2 9 7 , vorher in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 49/50, 1964, 8 3 - 1 0 7 ; Stephan Michael Schröder, Hamburg und Schweden im 30jährigen Krieg - vom potentiellen Bündnispartner zum Zentrum der Kriegsfinanzierung, in: V S W G 76, 1989, 3 0 5 - 3 3 1 . 10 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 93 f., 102. 11 ) Paul Simson, Die Organisation der Hanse in ihrem letzten Jahrhundert, in: HansGbll 13, 1907, 2 0 7 - 2 4 4 , 381^138, bes. 2 2 3 - 2 2 7 , 2 3 9 - 2 4 4 , 3 9 6 - 4 3 8 . Abrechnungen und Kontributionslisten: AHL, Hanseatica 14, 1 6 , 3 8 8 , 3 9 1 , 3 9 3 (Quotierung von 1609: von 72 verzeichneten Städten wurden 32 nicht veranschlagt). Auch Hamburg und Bremen zählten 1644 zu den Schuldnern; vgl. Dietrich Kausche, Die Hansestädte und der Bau der Festung Harburg ( 1 6 4 4 - 1 6 4 6 ) , in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 54, 1982, 189-216, hier 194 f.: Hamburgs Schuldenbegleichung August 1645. 12 ) AHL, Hanseatica 14 (1628, 1666), 16, 161 (lübeckisches Briefkonzept an Danzig vom 7.4.1647), 388 (1628, 1651); vgl. Schröder, Hamburg (wie Anm. 9), 311. 13 ) AHL, Hanseatica 364, fol. 9 r .
526
Der Westfälische Friede und das Reich
meinen freiheit der commercien, undt denen darüber vor vielen Jahren erlangten privilegien vndt immunitates gelaßen ... werden möchten". 14 ) Um die bedrohliche Entwicklung um Stralsund beobachten und gegebenenfalls rasch reagieren zu können - da Tagfahrten nicht so häufig zu halten seien beauftragte endlich der Hansetag vom Dezember 1629 Lübeck, Bremen und Hamburg, daß sie „wie sich die occasionen erzeigen vnd zutragen möchten, dabei ferner vigiliren vnd allenthalben die gemeine wolfahrt darunter in acht nehmen wolten." Der Rezeß erteilte ihnen dazu „gnugsamb vollmacht vnd plenipotentz". 15 ) Was letzthin Heinz Duchhardt als „Liquidierung der Gemeinschaft" bewertet hat 16 ), war zunächst ein Auftrag von begrenzter Reichweite, allerdings nie widerrufen und besonders von Lübeck zur Begründung seines bis dahin formal nicht abgesicherten Führungsanspruchs genutzt. Zwei Monate später, im Februar 1630, schlössen die drei Städte - „damit die erbare verwante Hansee stette in ihrem gegenwertigen statu in geist: vndt weltlichen sachen bey gleich vnd recht geruhigen vnd friedsahmen wollwesen auch allen hergebrachten recht: vnd gerechtigkeyten ihrer Römischen Keyserl: Maytt: vnd dem Heiligen Reich zum beßern conserviert vnd erhalten werden möegen" - ein unbefristetes Defensivbündnis, in dem sie einander wie auch „andern betrengten verwanten Hanße Stetten" friedliche, notfalls auch militärische Hilfe sowie Unterstützung durch die traditionellen Mittel von Boykott, Arrest und Embargo zusagten. 17 ) Für den rasch wieder aufflammenden Krieg war dies ohne Bedeutung, aber es zeigte den Willen, die hansische Zusammenarbeit fortzusetzen, die auch anderen Mitgliedern freistand. Zehn Jahre später sahen die drei Städte das „foedus Hanseaticum gantz zerfallen" und ihr Bündnis erloschen. 18 ) Als sie es deshalb 1641 erneuerten, gaben sie ihm eine zehnjährige Laufzeit und die Möglichkeit zur Verlängerung 19 ), die 1651 auch genutzt wurde 20 ). - Diese für die späte Hanse wesentlichen und im Lübecker Archiv dokumentierten Vorgänge sind in keiner mir bekannten Darstellung zutreffend geschildert. In neueren Gesamtdarstellungen der Hanse
14
) Ebd. fol. 13r. > ) AHL, Hanseatica 366, fol. 16r/v 16 ) Heinz Duchhardt, Die Hanse und das europäische Staatensystem des frühen 17. Jahrhunderts. Vortrag vordem Hansischen Geschichtsverein, Magdeburg, 18. Mai 1996, nach: Philippe Dollinger, Die Hanse. Übers, v. Marga und Hans Krabusch. 3. Aufl. Stuttgart 1981,473. 17 ) AHL, Hanseatica 367 (unpag.). 18 ) AHL, Hanseatica 368. 19 ) AHL, Hanseatica 369, Art. 16. Wie gering der militärische Wert des Bündnisses war, zeigte bereits dessen vergebliches Bemühen 1644/45, den Bau der Festung Harburg vor den Toren Hamburgs zu verhindern; Kausche, Hansestädte (wie Anm. 11). 20 ) AHL, Hanseatica 370. 5
Postel, Zur „erhaltung dem
Commerden"
527
wird auch deren Beteiligung an den westfälischen Friedensverhandlungen allenfalls beiläufig registriert. 21 ) Die drei Städte, die in Hansesachen ständig Verbindung hielten, hatten 1641 dem Kaiser ihren Friedenswunsch im Namen der Hanse eindringlich vorgetragen 2 2 ) und sich bereits Mitte 1643 zur Teilnahme nomine Hansae am Westfälischen Friedenskongreß entschlossen; im Februar 1644 verständigten sie sich auf eine gemeinsame Linie 23 ) und wurden bald auch von Frankreich und Schweden eingeladen 24 ). Sie sahen aber voraus, daß die Vertretung ihrer Anliegen schwierig und kostspielig sein würde. So schickte Lübeck den säumigen Mitgliedern unermüdlich Brandbriefe wegen der Begleichung ihrer Beitragsrückstände und verwies auf die Notwendigkeit, durch eine solche Gesandtschaft „so woll zu beobachtung allgemeiner Hanseschen notturft vndt interesse alß auch iegweder Stadt in ihrem particulir anliegen vndt suchen zu secundiren". Der Erfolg blieb gering; kaum eine Stadt war bis zu Kongreßbeginn ganz aus der Kreide. 25 ) Lübeck suchte zudem der hansischen Deputation größeres Gewicht zu geben, indem es Anfang 1644 Köln, die größte Hansestadt im Binnenland, zur Beteiligung einlud. Daß die Kölner ablehnten, enthob die Norddeutschen allerdings auch der Kalamität möglicher Konfessionskonflikte im eigenen Lager. 26 ) Ihre Vollmacht, für die Hanse zu sprechen, gab den Abgesandten noch nicht das Recht, dies auch auf dem Friedenskongreß zu tun, zumal unter Einladenden und Beteiligten keine Einigkeit über den Teilnehmerkreis bestand und jede Partei die eigene Seite zu stärken suchte. Auch daß Kurfürsten und Für21
) Während Dollinger, Hanse (wie Anm. 16), sie ganz übergeht, widmet ihr Heinz Stoob, Die Hanse. Graz u.a. 1995, 368, einen Satz. 22 ) A H L , Hanseatica 144, Briefkonzept vom 16.9.1641: Die Hanse sei „deß lieben Friedenß, darbey allein die commercia floriren, von hertzen begierigh". 23 ) AHL, Hanseatica 391, lübeckisches Schreiben an die Räte zu Bremen und Hamburg (Konzept), 31.7.1643 (Zitat), 10.2.1644. 24 ) Schwedische Einladung am 14. November 1643: Johann Gottfried von Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Tie. Hannover 1734-1736, N D Osnabrück 1969, T. 1, 43; lübeckische Schreiben an Hamburg und Bremen (Konzepte), 7. und 9.5.1644: AHL, Hanseatica 391; lübeckisches Schreiben (Konzept) an Danzig, 7.4.1647: AHL, Hanseatica 161. 25 ) Vgl. oben Anm. 11. Zahlreiche lübeckische Mahnschreiben von 1644-1653 in AHL, Hanseatica 161, 388 und 391; Schreiben der Verordneten der Hansekasse, Leonhart Elver und Heinrich Saffe, vom 3.3.1644: Staatsarchiv Hamburg, Senat, Cl. VI Nr. l a Vol. 1 Fase. 10, Zitat: lübeckisches Schreiben an Stettin und Stralsund (Konzept), 16.4.1646: AHL, Hanseatica 388. 26 ) Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 57. Die Kölner Gesandten gaben sich allerdings beim Zusammentreffen mit der hansischen Delegation in Münster betont freundlich. Sie wünschten, „dehm fast zerfallenen Hänsischen wesen vnd commercio wieder vfzuhelfen"; ihr Rat halte es für notwendig, daß möglichst bald wieder ein Hansetag gehalten und „die zerstrewete membra dermahleins wieder zusammen gebracht werden möchten". Man habe einander, so berichtete Gloxin, „more, uti ajebant, Hanseatico, mit einem guten trank vnd wolmeintlichen, aber fast ohngesunden Gesundtheitten zugesprochen"; AHL, Reichsfriedensschlüsse 5, fol. 24 r (1.3.1646).
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Der Westfälische
Friede und das
Reich
sten das Verfahren dem der Reichstage anzugleichen suchten, drohte die Städtevertreter an den Rand zu drängen. Voll anerkannt war in dieser Hinsicht nur die Reichsstadt Lübeck, umstritten dagegen die Session Hamburgs und Bremens, die beide zunächst keine kaiserliche Einladung zum Friedenskongreß erhielten, und auch die Gemeinschaftsvertretung eines corpus Hanseaticum fügte sich nicht in ständisch geprägte Vorstellungen. Hamburgs Stellung war ungeklärt, nachdem Dänemark die vom Reichskammergericht 1618 erkannte Reichsunmittelbarkeit 1621 wieder in die Schwebe gebracht hatte. 27 ) Nach einer dänischen Rüge im September 1645 blieb Meurer darum mit Rücksicht auf Hamburgs Handelsinteressen freiwillig den Sitzungen des Städterats fern, obgleich Gloxin assistiert hatte, dies sei kein Reichstag und Hamburg vom Kaiser eingeladen. Es zeigt die Aversion gegen die Elbmetropole, wenn die dänischen Gesandten erklärten, „daß selbige statt alles dießes Unheils, so itzo im Römischen reich vorgehe, eine ursach seye". 28 ) Gloxin, der sich intensiv für die volle Anerkennung seiner beiden Mitvertreter verwandt hatte - zum Nutzen des gemeinschaftlichen Auftretens und weil dies einen alternierenden Sitzungsbesuch erlaubt hätte - , schien von der hamburgischen Nachgiebigkeit enttäuscht. Auch gegen die Reichsstandschaft Bremens, das 1640 erstmals der Einladung zu einem Reichstag gefolgt war, protestierte Dänemark, solange es sich Hoffnungen auf das bremische Erzstift machte; ebenso widersprachen Administrator und Erzbischof und seit 1645 auch Schweden, das die Session Bremens mit seiner Einladung zum Kongreß noch anerkannt hatte, nun aber Ansprüche auf Stift und Stadt erhob. 29 ) Deshalb rückte auch der Kaiser von 27
) Hans-Dieter Loose, Hamburg und Christian IV. von Dänemark während des Dreißigjährigen Krieges. Ein Beitrag zur Geschichte der hamburgischen Reichsunmittelbarkeit. Hamburg 1963, 1-20; Heinrich Reincke, Hamburgs Aufstieg zur Reichsfreiheit, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 47, 1961, 17-34, hier 3 2 - 3 4 . 28 ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 4, 61, 7 0 f . , 85, 172-174; Wilhelm Engels, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1. Münster 1969, X X I - X X X , hier XXIII; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1. Münster 1969, 199 (Zitat); A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 6. Münster 1996, 19; A P W Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1. Münster 1987, 292; Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 604; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 66, 68. Daran, daß Hamburg eine Reichsstadt sei, hielten die Hamburger allerdings fest; Bericht über die Gesandtschaft der Hansestädte nach Stockholm zur Beglückwünschung der Königin Christine im Jahre 1645. Mitgeteilt v. [Carl F.] Wehrmann, in: ZLübG 3, 1876, 4 7 6 - 4 8 8 , hier 485. 29
) AHL, Reichsfriedensschlüsse 4, 61, 7 0 f . , 85, 172-174; Engels, Einleitung (wie Anm. 28), XXIII; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 28), 103-105, 160; Karsten Ruppert, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3. Münster 1985, XXVI-XLVII, hier X X X ; A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 3. Münster 1985, 266, 394; A P W Ser. III. Abt. A. Bd. 4/1. Münster 1970, 191; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 170-172, 206; A P W Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1. Münster 1984,578, Bd. 2/2. Münster 1984,783, 807; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1 (wie Anm. 28), 292; Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 5 4 - 5 6 , 604; T. 2, 7 9 0 - 7 9 3 , 8 4 4 - 8 5 6 ; T. 4, 317; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 69f.; Wilhelm Klinsmann, Geschichte der Herzogtümer Bremen und Verden in den Jahren 1648 bis 1653. Stade 1927, 4; Gottfried Lorenz, Das Erzstift Bremen und der Administrator
Postel, Zur „ erhaltung dem
Commerden"
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seiner a n f ä n g l i c h e n N a c h g i e b i g k e i t g e g e n ü b e r d e m Administrator ab und erkannte B r e m e n , das i m Städterat blieb, 1 6 4 6 als R e i c h s s t a d t an - z u n ä c h s t für die D a u e r der s c h w e d i s c h e n Stiftsherrschaft, auf Protest d e s Städterats dann auch dauerhaft. 3 0 ) S c h w e d e n konnte d i e s e Frage i m Friedensinstrument j e d o c h o f f e n h a l t e n 3 1 ) ; B r e m e n w i e H a m b u r g g e l a n g t e n erst i m 18. Jahrhundert e n d g ü l t i g zur R e i c h s s t a n d s c h a f t 3 2 ) . In der R e i h e der ( z u m e i s t h a n s i s c h e n ) Städte, d i e ihren A u t o n o m i e a n s p r u c h auf d e m W e s t f ä l i s c h e n F r i e d e n s k o n g r e ß durch e i n e f ö r m l i c h e A n e r k e n n u n g ihrer R e i c h s f r e i h e i t zu sichern suchten, b l i e b e n alle übrigen o h n e E r f o l g . 3 3 ) D a ß Kaiserliche und Fürstenrat der Z u l a s s u n g einer e i g e n e n h a n s i s c h e n A b o r d n u n g z u m K o n g r e ß widerstrebten, hing nicht nur damit z u s a m m e n , daß sich d i e H a n s e in ihre rechtlichen und prozeduralen Vorstellungen s c h w e r einf ü g t e . 3 4 ) S i e s c h i e n ihnen f r e m d - „ m a n [ w ü s t e ] d e n Inhalt ihres B u n d e s
Friedrich während des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 1969, 130 f.; Herbert Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen. Bd. 1. Bremen 1975, 344 f. 30 ) Antje Oschmann, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1993, XLVIIILXXV, hier L l l l f . ; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1993, 355; Gottfried Lorenz, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3. Münster 1975, XXV-LVI, hier XXXVIII; APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3. Münster 1975, 62, 203f., 355; Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 3, 71; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 70; Adolf Köcher, Bremens Kampf mit Schweden um seine Reichsfreiheit, in: HansGbll 11, 1882, 85-101, hier 88; Lorenz, Erzstift Bremen (wie Anm. 29), 135; Schwarzwälder, Hansestadt Bremen (wie Anm. 29), 345 f. 31 ) Ende 1654 mußte die Stadt Bremen Schweden die Huldigung zugestehen, konnte aber im Frieden zu Habenhausen 1666 Schwedens Anerkennung ihrer Reichsstandschaft erlangen; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 70f.; Klinsmann, Bremen und Verden (wie Anm. 29), 89-102, 139-157; Köcher, Bremen (wie Anm. 30); Lorenz, Erzstift Bremen (wie Anm. 29), 142 f., 150 f., 162, 212, 222-224; Schwarzwälder, Hansestadt Bremen (wie Anm. 29), 348 f., 350-391. 32 ) Bremen 1741; Schwarzwälder, Hansestadt Bremen (wie Anm. 29), 455 f. - Hamburg 1768; Franklin Kopitzsch, Zwischen Hauptrezeß und Franzosenzeit. 1712-1806, in: HansDieter Loose (Hrsg.), Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. Bd. 1. Hamburg 1982, 351-414, hier 354 f. 33 ) Eger, Erfurt, Magdeburg, Minden, Münster, Osnabrück, Rostock, Stralsund - frühere Anläufe: Braunschweig, Essen, Herford, Hildesheim; Johannes Paul, Die Ziele der Stralsunder Politik im Dreißigjährigen Kriege, in: Alfred Dören u.a. (Hrsg.), Staat und Persönlichkeit. Erich Brandenburg zum 60. Geburtstag dargebracht. Leipzig 1928, 130-152, bes. 141; Heinz Schilling, Die Stadt in der Frühen Neuzeit. München 1993, 39—41; Heinrich Schmidt, Zur politischen Vorstellungswelt deutscher Städte im 17. Jahrhundert, in: Wilhelm Wegener (Hrsg.), Festschrift für Karl Gottlieb Hugelmann. Bd. 2. Aalen 1959, 501-521. 34 ) Vgl. Wilhelm Ebel, Die Hanse in der deutschen Staatsrechtsliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts, in: HansGbll 65/66, 1940/41, 145-169, bes. 154 f. (Hansestädte als civitates mixti status zwischen freien Reichs- und Mediatstädten); Georg Fink, Die rechtliche Stellung der Deutschen Hanse in der Zeit ihres Niedergangs, in: HansGbll 61, 1936, 122-137 (Frage des corpus-Charakters der Hanse); F[erdinand] Frensdorff, Das Reich und die Hansestädte, in: ZRG GA 20, 1899, 115-163, 248, bes. 134, 136 ff. (Aufgaben und staatsrechtliche Stellung); Heinz Schilling, Konfessionskonflikte und hansestädtische Freiheiten im 16. und frühen 17. Jahrhundert. Der Fall „Lemgo contra Lippe", in: HansGbll 97, 1979, 36-59, bes. 57 f.
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nicht" 35 ) und sie stand überdies im Verdacht, es mit den Schweden zu halten, zumal sich Schweden auch um die Zulassung hansischer Mediatstädte wie Stralsund, Rostock und Wismar bemühte und die Hansevertreter hartnäckig mit Bündnisofferten umwarb 36 ). Aber selbst die Reichsstadt Colmar erklärte, als sie in der Rangordnung des Städterats hinter Hamburg zu geraten drohte, „man seye ... in diesem collegio beysammen nicht als ansee- sondern als reichsstätt". 37 ) Wenn die Hansedeputierten ihrem Ziel näherkommen wollten, ihren Handel und ihre Privilegien zu sichern, so mußten sie alles daransetzen, auch für die Hanse selbst die Zulassung zum Kongreß und die rechtliche Anerkennung zu erreichen. Ihre gemeinschaftliche Instruktion ist nicht überliefert. Deren Zielsetzungen werden den inhaltlich gleichlautenden Propositionen entsprochen haben, die sie zu Beginn ihrer Mission den für sie wichtigen Gesandten übergaben 38 ), und entsprechende Forderungen waren in den zurückliegenden Kriegsjahren schon oft geäußert worden 39 ). Darin warben die Städte nach bewegter Klage über die verderblichen Folgen des Krieges für den Handel und die städtische Freiheit, an deren Besserung allen - auch Kaiser und Reich - liegen müsse, für Verständigung mit den Gegnern und für die Achtung geltender Verträge und Privilegien. Sie unterstrichen ihren Wunsch, nach Kräften für ihre alten Rechte und für die Wiederaufrichtung des Friedens zu wirken, malten die schlimmen Folgen einer Fortsetzung des Krieges aus und baten, den freien Handelsverkehr auch mit Kriegsgegnern zuzulassen. - Dafür müßten Frieden und Ruhe geschaffen werden; - die geplagten und „ausgemergelten" Hansestädte müßten in geistlicher wie weltlicher Hinsicht wieder auf den Vorkriegsstand gebracht und dabei gelassen werden; - der Handel müsse unbehindert bleiben, - die darüber erlangten Privilegien und Freiheiten unverändert bewahrt und - alle kriegsbedingten Lasten wie Garnisonen, Lizenten, neue Zölle und in den Reichsabschieden verbotene Imposten abgeschafft werden; - drohende neue Beschwernisse, Benachteiligungen und Schädigungen sollten abgewendet, 35
) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 793. ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 43; 4, 29, 63f., 79; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 159f., 243f„ 253, 403, 480-483; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1 (wie Anm. 28), 137; Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 794, 797; T. 2, 975; Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 391. - Schwedische Offerten: AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 194 f.; APW Ser. II. Abt. C. Bd. 1. Münster 1965,539; Bd. 2. Münster 1971,73. 37 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 19. 38 ) AHL, Altes Senatsarchiv, Hanseatica 147 (zahlreiche undatierte Konzepte); AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 13-26, 58-64, 121-124; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 150 f.; Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 391; Hans-Bernd Spies, Lübeck, die Hanse und der Westfälische Frieden, in: HansGbll 100, 1982, 110-124, hier 122f. 39 ) Vgl. AHL, Altes Senatsarchiv, Hanseatica 144, 161 (zahlreiche Bezüge seit 1630). 36
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- die Bedürfnisse und Rechte der Hansestädte respektiert - und „zu dessen allen soviel mehrer besterkung dieselbe in dehm durch Gottes gnade zu behandlenden Frieden expresse mit eingeschloßen und begriffen werden".40) Gegenüber den Schweden wurde zudem auf die Belastungen durch den Krieg gegen Dänemark verwiesen. 41 ) Bei den angefochtenen Zöllen nannten die Hansevertreter namentlich den oldenburgischen Weserzoll und den von Dänemark bei Glückstadt erhobenen Elbzoll. 42 ) Die hansischen Forderungen wurden im Februar 1646 Grundlage einer Denkschrift der osnabrückischen Städte-Teilkurie.43) Das Zustandekommen eines Friedens war allerdings die Voraussetzung für das Erreichen aller weiteren Ziele. Schon bei seiner Ankunft hatte Gloxin geahnt, daß die Verhandlungen darüber „so schleunig nicht zu ende kommen durften"44) und wenigstens zwei Jahre dauern würden.45) Daß aber allein bis zu ihrer eigentlichen Eröffnung noch mehr als ein Jahr verstreichen würde, strapazierte die Geduld seiner Delegation.46) Bald wurde die Heimreise bei Verbleiben nur noch eines Hansevertreters erwogen und gegenüber Schweden offenbar auch als Druckmittel verwandt47); die Gesandten Frankfurts und Ulms reisten ja tatsächlich ab48). Deutlicher war die Kritik an der Hinhaltetaktik gegenüber den französischen Bevollmächtigten.49) Der Unmut der Hansevertreter traf aber auch die Hal"O) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 25. 41 ) Ebd. 58-64. 42 ) Vgl. unten Anm. 64 und 66. 43 ) Siehe unten Anm. 58. Gloxin bezog Meurer, der an den Verhandlungen des Städterats ja nicht teilnahm, ausdrücklich in die Beratung ein; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 93. 44 ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, Brief Gloxins an den lübeckischen Rat vom 20. 12. 1644. 45 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 196. 46 ) Es ging vor allem um eine Begrenzung der Gesandtschaftskosten. Sie beliefen sich für Lübeck am Ende der mehr als vierjährigen Verhandlungen auf 36 000 Mark Lübisch; Jürgen Asch, Rat und Bürgerschaft in Lübeck 1598-1669. Lübeck 1961, 98. 47 ) AHL, Hanseatica 147, Brief Meurers vom 8.12.1646; AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 169, 172f., 175, 183,203,229f.; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 195,230. Während sich Gloxin später in den Sitzungsperioden durchweg an einem der Tagungsorte aufhielt, waren die Vertreter Bremens und Hamburgs zeitweilig abwesend. 48 ) Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 60. 49 ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 183; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 214; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1 (wie Anm. 29), 288, 293. - Das Verhältnis der hansischen Gesandtschaft zu der Frankreichs wurde überdies von einem protokollarischen Streit belastet, den der französische Gesandte Graf Servien Anfang 1645 beim Antrittsbesuch der Hansevertreter in Münster verursacht hatte und der erst nach einem Monat unter Vermittlung des hessen-kasselischen Gesandten Scheffer beigelegt werden konnte; AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 113-117, 128-133, 149-162, 191-193, 199, 241-249; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 215-217, 226-230; Franz Bosbach, Einleitung, in: APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2. Münster 1986, XXV-XLVII, hier XXXV; APW Ser. II. Abt. B. Bd. 2.
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tung des Kaisers, dessen Bevollmächtigte sie wiederholt drängten, „die tractatus etwas schleunig: und eiferiger" zu führen. 50 ) Der Kaiser könne, erklärten sie Anfang 1645 unverblümt, mit wenigen Worten den Frieden herbeiführen. Er müsse nur eine allgemeine Amnestie gewähren, alle Betroffenen in kirchlicher und weltlicher Hinsicht in ihren Vorkriegsstand restituieren und sie dabei belassen. Das schaffe Vertrauen, beseitige die Klagen der Stände und nehme so den fremden Kronen den Vorwand zum Krieg. Isaak Volmar und Johann Ludwig Graf von Nassau, die kaiserlichen Gesandten, sahen das natürlich anders. 51 ) - Es sei auch besser, setzte Gloxin unverdrossen nach, der Kaiser gewähre von sich aus den Konfessionsstand von 1618, als daß es später heiße, dies sei von Frankreich und Schweden erzwungen worden. 52 ) Bis zum Ende des Kongresses drängte Gloxin im Osnabrücker Städterat darauf, den Frieden vor allen anderen Regelungen unter Dach und Fach zu bringen, und nahm am Ende auch die harten schwedischen Satisfaktionsbedingungen mit den Worten hin, „daß sich ein jeder, aus dem verfluchten krieg zu kommen, eußerist bemühen werde". 53 ) Bereits in dem Streit um die Präzedenzfrage empfahl er den Städten, gegenüber den Reichsrittern den „bogen nicht so hoch zu spannen" und „allein amore pacis" nachzugeben. 54 ) Den Vorkriegsstand wiederherzustellen, hieß für die Hansestädte vor allem, den Handel von den Lasten und Behinderungen, die ihm während des Krieges auferlegt worden waren, zu befreien, und ihn so wiederzubeleben. Schon vor der Eröffnung des Kongresses warben sie besonders bei den Schweden für ihr Anliegen, mußten aber erkennen, daß - angesichts der Befreiung schwedischer Schiffe vom Sundzoll - gerade die schwedischen Gebietsforderungen in Pommern den hansischen Ostseehandel bedrohten und die Schweden bei aller Freundlichkeit nicht bereit waren, den Hansestädten hier entgegenzukommen. 55 ) Der hansischen Delegation, die im Herbst 1645 nach Stockholm reiste, um Königin Christine zur Übernahme der selbständigen Regierung zu gratulieren, erklärte der Reichskanzler Axel Oxenstiema ungerührt, in so schwierigen Zeiten müßten auch die Städte Änderungen hinnehmen, und „daß in diesen gefährlichen Läuften die Commercia nicht könten in einem Stand bleiMünster 1986,91-171 passim; APW Ser. III. Abt. D. Bd. 1. Münster 1964, 292f.; Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 363-368. 50 ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 203. 51 ) Ebd. 186-189. 52) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 254; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1 (wie Anm. 28), 137. 53 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 151, 195, 214f.; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 691, 779 (Zitat); siehe auch Anm. 76. 54) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 396 f. 55) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 9, 43, 50, 58-64, 260; 4, 2 f „ 19-21, 169, 295, 314, 335 f.; 5, fol. 15'/v, 25 v ; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 28), 39; APW Ser. II. Abt. C. Bd. 1 (wie Anm. 36), 448, 539; Bd. 2 (wie Anm. 36), 6, 72 f., 109; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 493 f.
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ben". 56 ) Das Thema Handel beschäftigte den Osnabrücker Städterat von den ersten Sitzungen an. Den Hansevertretern wurde dabei nicht nur die höchste Kompetenz zuerkannt; sie konnten sich seiner auch deshalb besonders annehmen, weil Gloxin als Vertreter Lauenburgs über die Haltung des Fürstenrats stets auf dem laufenden war. Österreich hatte anfangs versucht, ihm als Städter den Zutritt zu verwehren, doch suchte Gloxin die Sitzungen des Fürstenrats und seiner Deputationen weiter auf, weil die dort erlangten Informationen der Hanse und den Städten nützten. 57 ) Im Februar 1646 sandte der Osnabrücker Städterat seinen Kollegen in Münster eine Denkschrift, die auf einer hansestädtischen Vorlage beruhte: Freier Handel sei, so hieß es darin, das beste Mittel, dem zugrundegerichteten Land und seiner Bevölkerung wieder aufzuhelfen, woran dem Reich, seinen Ständen wie auch seinen Nachbarn gelegen sei. Er brauche aber die „libertät undt Sicherheit des städtischen wesens, wie auch securität der strassen zu wasser undt landt". Deshalb müßten alle Reichs- und Hansestädte innerhalb und außerhalb des Reiches wieder in ihre vor 1618 innegehabten kirchlichen und weltlichen Rechte eingesetzt, die Garnisonen abgezogen und jeder Stadt die Beibehaltung ihrer Befestigungen anheimgestellt werden. Alle Privilegien, Verträge und Statuten inner- und außerhalb des Reiches seien zu bestätigen, alle im Krieg aufgerichteten Handelshindernisse - es folgte eine lange Aufzählung - zu beseitigen. Auf die Schwierigkeiten, dies durchzuführen, ging die Denkschrift nicht ein. 58 ) Die Forderung nach umfassender Restitution traf auf den scharfen Widerspruch Kölns und der anderen katholischen Städte, den Gloxin auch durch persönliches Vorstelligwerden nicht erschüttern konnte. 59 ) In den übrigen Fragen gelang es ihm aber, den Wortlaut der hansischen Schrift durchzusetzen, die daraufhin als gemeinsames Memorial der Reichs- und Hansestädte den übrigen Kongreßgesandten zugeleitet wurde. 60 ) Allgemein äußerten die Fürsten Verständnis, rügten aber die Beteiligung der Hansestädte wie auch die Anmaßung der Städte, den Bereich der „Commerden" für sich zu reklamieren; sie 56
) Wehrmann, Bericht (wie Anm. 28), 482 f. ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 93 (7.2.1646): propter utilitatem reipublicae et communicationumfacilitatem. Ein ähnlicher, etwa gleichzeitiger Versuch von Kurmainz: AHL, Reichsfriedensschlüsse 4, 381. 58 ) Wortlaut: APW Ser. III. Abt. D. Bd. 1 (wie Anm. 49), 134-137, Zitat 134. AHL, Reichsfriedensschlüsse 4, 350-355; 5, fol. 14r, 21 v -22 r ; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 68f., 86, 92-96, 124-129; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 151 f. 59 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 125, 128; Spies, Lübeck (wie Anm. 38), 117f. 60 ) Zu diesem Zweck reisten die Gesandten der drei Hansestädte und Lindaus eigens nach Münster; AHL, Reichsfriedensschlüsse 5, fol. 27 r -28 r , 30 v , 31r; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/1 (wie Anm. 29), 565; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1 (wie Anm. 28), 421; APW Ser. III. Abt. D. Bd. 1 (wie Anm. 49), 134; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 150; Spies, Lübeck (wie Anm. 38), 116-118. 57
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lehnten eine allgemeine Bestätigung der einschlägigen Privilegien, Verträge und Statuten ohne Einzelprüfung ab und schoben das Restitutions- wie das Entfestigungsproblem als nicht zur Sache gehörig beiseite. 61 ) Das Thema blieb also auf dem Tisch. Um den Fortgang nicht zu stören, zogen sich die Hansestädte aus dem Projekt, das sich der Städterat ja zu eigen gemacht hatte, zurück 62 ), nahmen aber weiter dazu Stellung und fanden auch bei weiteren Kongreßthemen, zumal der Satisfaktionsfrage, reichlich Gelegenheit, ihre handelspolitischen Forderungen ins Bewußtsein zu rufen. Es war - neben äußeren Schwierigkeiten und Problemen der Infrastruktur besonders die fehlende Bereitschaft der jeweiligen Stände, ihre Zollansprüche aufzugeben, die den Erfolg der hansestädtischen Bemühungen in Grenzen hielt. Vor allem Schweden belastete damit den Handel der besetzten deutschen Ostseehäfen. 63 ) Das Osnabrücker Friedensinstrument gebot am Ende zwar (Art. IX § 1), alle während des Krieges eingeführten Zölle und Abgaben auf Handel und Schiffahrt aufzuheben, nahm davon aber ausdrücklich (§ 2) jene Zölle aus, die von Kaiser und Kurfürsten verliehen worden waren. Das betraf explizit den von der Stadt Bremen stets angefochtenen oldenburgischen Weserzoll, der 1612 - also noch vor Kriegsbeginn - vom Kaiser verliehen und später von den Kurfürsten bestätigt worden war, formal also zu Recht bestand und zuletzt auch von Schweden aus eigensüchtigen Motiven unterstützt wurde. Dagegen konnten alle Proteste der Hansestädte, die auch nach Abschluß des Friedens fortgesetzt wurden, nichts ausrichten. 64 ) Bremen lehnte es darum am Ende auch ab, das Friedensinstrument zu unterzeichnen 65 ), das im übrigen nicht nur alle gesetzlich bewilligten, sondern auch die seit längerer Zeit bestehenden Zölle bestätigte, ohne deren Rechtmäßigkeit zu erörtern. Daß sich dagegen für Hamburg das Problem des Zolls, den Dänemark seit 1630 bei Glückstadt an der Elbe erhob, erledigt hatte, war nicht dem Friedens-
61
) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 2, 974-976; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 151 f. 62 ) Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 151. 63 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 385f.; Schröder, Hamburg (wie Anm. 9), 309. M ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 1 (wie Anm. 28), 643 f.; APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3 (wie Anm. 30), 577 (Versuch der käuflichen Ablösung); APW Ser. II. Abt. C. Bd. 4/1. Münster 1994, 182-184, 413; Bd. 4/2. Münster 1994, 593f.; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 495, 504, 635, 832, 876f.; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/2 (wie Anm. 29), 935, 1065, 1078f.; APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1 (wie Anm. 28), 602; Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 4, 856f.; T. 5, 726-728, 782f.; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 153 f.; Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 385 f. (Datum ungenau); Hartmut Müller, Bremen und Oldenburg, in: OldJb 82, 1982, 1-32, hier 2-4; Schwarzwälder, Hansestadt Bremen (wie Anm. 29), 339 f., 349 f. 65 ) Müller, Bremen und Oldenburg (wie Anm. 64), 2. - Der Widerstand gegen diese Regelung des Friedensinstruments trug Bremen 1652 die Reichsacht ein.
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kongreß zuzuschreiben, sondern dem Erfolg Schwedens im Frieden von Brömsebro im August 1645. 66 ) Gloxins Korrespondenz läßt erkennen, wie gespannt die Atmosphäre zwischen den konfessionellen Fronten nach wie vor war. Der braunschweigische Gesandte habe ihn im Februar 1645 gefragt, „ob wir auch dem Nuncio Pontif. die Fueße geküßet; vnd wie wir nein dazu gesaget, hatt ihm solches wollgefallen". 67 ) Gleich darauf die Frage der Schweden, „ob wir auch bey dem Nuncio Antichristi gewesen", und die ironische Antwort, „demnach er primo loco von vns nicht hette honorieret werden können, inmittelst ultimum vieleicht nicht haben wollen: das es dahero... verblieben". 68 ) Die Einladung des kaiserlichen Gesandten Krane zum Gründonnerstagsgottesdienst sub una lehnte er ab 69 ), und als Reizthema der Religionsverhandlungen protokollierte er den „ohngeistlichen vorbehält" 70 ). Es ging den Norddeutschen bei den Religionsfragen vor allem um die Sicherung ihres Konfessionsstandes, also auch um das Reformationsrecht der Städte. Das war bereits Gloxins Äußerungen im münsterschen Städterat und bei den Kaiserlichen zu entnehmen. 71 ) Er erinnerte diese warnend an das Restitutionsedikt 72 ) und blieb bis zum Ende des Kongresses argwöhnisch: Die Katholiken hätten sich seit dem Religionsfrieden bemüht, die Evangelischen in den Städten zurückzudrängen und das Regiment womöglich ganz zu übernehmen, so in Donauwörth, Augsburg und Regensburg 73 ). Wie er, wandten sich auch die Bremer strikt gegen den Geistlichen Vorbehalt, wobei letztere naheliegenderweise auch für den Einschluß der Reformierten in den Religionsfrieden plädierten. 74 ) - In den Verhandlungen selbst zeigte sich Gloxin pragmatisch. Für die Debatte um Amnestie und Restitution empfahl er, „alle odiosa heraußen zu laßen", um das Verhandlungsklima nicht zu belasten. Die Spitze, darauf hinzuweisen, daß auch Katholiken der Amnestie bedürften, M) Zur Erhebung des Glückstädter Zolls vgl. Loose, Hamburg (wie Anm. 27), 36-57, zu seiner Aufhebung siehe unten Anm. 93. 67 ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 216. 68 ) Ebd. 218. 69 ) Ebd. 304. ™) AHL, Reichsfriedensschlüsse 5, fol. 7r, 16v. 71 ) AHL,Reichsfriedensschlüsse3,187; APWSer. III. Abt. A.Bd. 6(wie Anm. 5),328,621 f. 72 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 254. 73 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 621 f. (25.1.1648). Dem kaiserlichen Gesandten Krane hatten die Hansevertreter im März 1645 vorgehalten, nicht die Evangelischen verfolgten die Katholischen; es sei umgekehrt, und in den Schädigungen durch die Katholiken liege der Grund des Krieges; AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 286a. 74 ) „Der geistliche vorbehält seye jederzeit wie der Papisten augapfel gewesen, derowegen wir deßen abstellung auch für unseren augapfel halten sollen und weil deßen finis ist, die veritatem evangelicam zu unterdrüken, in diesem stukh nicht das geringste nachzugeben, sonsten werde crimen laesae majestatis divinae begangen": APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 89. - Femer: Ebd. 10, 25-28, 244; AHL, Reichsfriedensschlüsse 4, 229f., 279; siehe oben Anm. 70.
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solle vermieden werden. 75 ) Er mahnte die Evangelischen zur Einigkeit und zur Hinnahme des „Normaljahres": Die Städte sollten nicht dergestalt auf dem Jahr 1618 beharren, „daß der frieden dadurch remorirt oder gar zerschlagen werden sollte". 76 ) Gloxin mußte es nach alledem als Erfolg ansehen, daß das Osnabrücker Friedensinstrument (Art. V § 29) den Reichsstädten das Reformationsrecht zuerkannte und sie dabei ausdrücklich den Reichsständen zurechnete. Denn auch die problematische Stellung der Reichsstädte berührte die hansische, insbesondere die lübeckische Politik. Den intensiven Bemühungen der Städte, die Friedensverhandlungen angesichts der Zögerlichkeit von Kaiser und Kurfürsten voranzubringen, fehlte eine feste verfassungsmäßige Grundlage. Die Fürsten zeigten nicht nur in der Handelsfrage, daß sie die Städtekurie nicht als vollwertigen Verhandlungspartner ansahen. Sie luden die Städtevertreter nicht zu Sitzungen des Corpus Evangelicorum über allgemeine Reichsangelegenheiten, enthielten ihnen Unterlagen vor, setzten allzu kurze Fristen oder ignorierten ihr Votum, wie diese immer wieder monierten. 77 ) Hier war es vor allem Gloxin, der seine Kollegen stetig mit Informationen aus dem Fürstenrat versorgte, oft mit großer Verärgerung: „Wann sie der stätt vota noch einmal wie gestern zehlen wollten, were man gesinnet, von stund an aufzustehen und davonzugehen". 78 ) Er blieb jedoch, auch um die Einheit des Corpus Evangelicorum zu erhalten. Gloxin hatte von Anfang an die Wiederherstellung und Sicherung ständischer, also auch reichsstädtischer Rechte als eine Aufgabe des Kongresses angesehen und die Begehrlichkeit jener Fürsten als besondere Gefahr beschworen, die die Kriegssituation dazu nutzten, privilegierte Städte ihres Machtbereichs unter ihre absolute Herrschaft zu bringen. 79 ) Als dies Schicksal 1647 die Reichsstadt Herford traf, mußte er die Unfähigkeit der Städte Vertreter erkennen, ein solches Vorgehen zu verhindern. 80 ) Gloxin war es auch, der im langen Streit darüber, ob den Reichsrittern gegenüber den Reichsstädten der Vorrang gebühre, die Kompromißformel anregte, die später Eingang in das Osnabrücker Friedensinstrument fand. Sie nannte die Reichsritter vor den Reichsstädten, erkannte diese aber endgültig als Reichsstände an (Art. V § 2). 81 ) 75
) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 58 f. (Zitat 59). Zu Beginn der Verhandlungen im September 1645 hatte Gloxin dem Städterat das politicum stratagema empfohlen, „wer viel haben wolle, müße viel begehren": ebd. 10. 76 ) Ebd. 280 (Zitat), 313. 77 ) Ebd. 73, 142ff., 182, 200, 273-275, 329, 605; Spies, Lübeck (wie Anm. 38), 119. 78 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 329. APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 29), 49; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 10, 38 u.ö.; Spies, Lübeck (wie Anm. 38), 117-119; oben 533. 8 ") APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 567 f., 594-597. 81 ) Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 98-108, bes. 107; Spies, Lübeck (wie Anm. 38), 119 f.
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Streng genommen waren die letztgenannten Fragen nicht spezifisch hansisch, wurden aber unter erheblicher Beteiligung der Hansegesandtschaft traktiert. Die Städteproblematik betraf aber auch die Hansestädte direkt, denen vor allem die Fürsten die Kongreßfähigkeit bestritten und die schon zuvor den Wunsch nach förmlicher Einschließung in den angestrebten Friedensvertrag vorgebracht hatten. 82 ) Das Bemühen darum erfolgte auf breiter Front und war wiederum eng mit ihren kommerziellen Interessen verknüpft. Ganz neu war dies nicht: Bereits auf dem Augsburger Reichstag von 1555 waren die norddeutschen Hansestädte mit dem Versuch gescheitert, als freie Städte eigenen Status' in den Religionsfrieden aufgenommen zu werden. 83 ) Das Verhältnis zu den Reichsstädten hatten die Lübecker ihrem Gesandten so dargestellt: Als Kollegium stünden die Reichs- vor den Hansestädten; gegenüber der einzelnen Reichsstadt gebühre dem Kollegium der Hansestädte jedoch der Vortritt; für die Rangordnung der einzelnen Reichs- und Hansestädte gelte das auch bei Reichstagen übliche Herkommen des Reiches. 84 ) Auf solche Feinheiten kam es bei der grundsätzlichen, teilweise auch emotionalen Abneigung der Fürsten und Kaiserlichen gegenüber der Hanse als einer auch politischen Körperschaft aber gar nicht an. Als sich die Fürsten am 19. November 1645 weigerten, die Hanse in ihre Antwortschrift auf die Propositionen Frankreichs und Schwedens aufzunehmen, bekundeten sie ihr Unwissen über deren Verfassung 85 ) - ein Vorwand vielleicht, aber auch ein generelles Problem der zeitgenössischen Staatsrechtsliteratur 86 ). Man könne ja, ließen sich die Fürsten herbei, „tabulas pro forma erfordern, und etwa die ommission eo ipso mit desto besserm Glimpff behaupten". 87 ) Als Gesandter Sachsen-Lauenburgs wies Gloxin auf die Inkonsequenz hin, daß kaiserliche Erbuntertanen und Private in den Frieden eingeschlossen werden sollten, die Hanse aber nicht. Wenn man die Gegengründe sehe, werde man hoffentlich „auf ein solches ansehnlich Corpus etwas Respect haben" und es nicht „sicco pede übergehen". 88 ) Er bat die Städtevertreter um Unterstützung und wollte „omnem lapidem moviren, daß dannoch die expresse nomi-
82
) AHL, Hanseatica 147 (Propositionen und Denkschriften); AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 25. 83 ) Heinz Schilling, Gab es im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit in Deutschland einen städtischen „Republikanismus"?, in: Helmut G. Koenigsberger (Hrsg.), Republiken und Republikanismus im Europa der Frühen Neuzeit. München 1988, 101-143, hier 125 f. 84 ) AHL, Reichsfriedensschlüsse 3, 2 2 4 f . (8.3.1645). 85 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 793 f.; siehe oben 531. 86 ) Ebel, Hanse (wie Anm. 34). 87 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 7 9 4 (Zitat); Frensdorf, Hansestädte (wie Anm. 34), 138 f. 88 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 797; Frensdorf, Hansestädte (wie Anm. 34), 140.
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natio nit a u ß e n b l e i b e " . 8 9 ) In der Tat g a b e n d i e Städte, voran Nürnberg, nun aber auch Colmar, d e n H a n s i s c h e n R ü c k h a l t 9 0 ) , die d i e Forderung n a c h
tabu-
lis a u f g r i f f e n und den Fürsten e i n e z w e i t e i l i g e D e n k s c h r i f t übergaben. S i e setzte z u n ä c h s t - w i e a n g e k ü n d i g t - historische und s a c h l i c h e Gründe für die A u f n a h m e der H a n s e s t ä d t e in die A u f s ä t z e der E v a n g e l i s c h e n auseinander, s c h l o ß daran e i n e S c h i l d e r u n g d e s Alters und d e s Z w e c k s der H a n s e an - „daß die C o m m e r c i a , H a n d e l und G e w e r b zu Wasser und Land, in guter Ordnung, W e s e n u n d Sicherheit, auch d i e Städte und B u n d e s - V e r w a n d t e n in g u t e m g e d e y l i c h e n Stand erhalten, und w i d e r Unrecht, Frevel und G e w a l t g e s c h ü t z e t w e r d e n m ö g e n " - und zählte B e s t ä t i g u n g e n durch Kaiser, Fürsten und R e i c h s tag a u f . 9 1 ) D i e Schrift, prompt v o r g e l e g t und materialreich, zeigte, daß d i e fürstliche A u f f o r d e r u n g d i e Verfasser nicht unvorbereitet g e t r o f f e n hatte. S i e tat ihre Wirkung: E n d e 1 6 4 5 waren d i e e v a n g e l i s c h e n Fürsten bereit, die H a n s e in ihr S c h r e i b e n a u f z u n e h m e n 9 2 ) - i m H i n b l i c k auf ihr Ziel f r a g l o s ein ansehnlicher E r f o l g der h a n s i s c h e n G e s a n d t e n , auch w e n n weitere R e i b u n g e n in dieser S a c h e nicht ausblieben. Weitere E r f o l g e k a m e n w ä h r e n d dieser und der f o l g e n d e n M o n a t e hinzu. E s g e l a n g der H a n s e , korporativ in den s c h w e d i s c h - d ä n i s c h e n F r i e d e n s s c h l u ß zu B r ö m s e b r o v o m 13. A u g u s t 1 6 4 5 a u f g e n o m m e n z u w e r d e n . 9 3 ) A u c h dort traten d i e A b g e s a n d t e n der drei Städte stets nomine
communi
Hanseatico
auf, u m
89 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 5), 35. Gloxin brachte dies Anliegen im Osnabrücker Städterat immer wieder zur Sprache, z.B. ebd. 32, 125, 150f., 155, 161, 222. 90 ) Ebd. 156 f., 159, 225 f. 91 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 2, 111-120 (Zitat 117), Übergabe am 27.11.1645 durch Gloxin und Koch. Die Denkschrift stützte sich auf eine Rechtfertigungsschrift des Jahres 1609; Frensdorff, Hansestädte (wie Anm. 34), 139. 92 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 2, 121 f. (6.12.1645). Gloxin ließ seine sachsen-lauenburgische Stimme an diesem Tag vom mecklenburgischen Gesandten führen. Frensdorff, Hansestädte (wie Anm. 34), 139-141. 93 ) Schwedisch-dänischer Friedensvertrag zu Brömsebro, 13.8.1645: Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 1, 632-649, hier 648, Art. XLI: Hisce quoque Pactis conventum est, omnes Hanseatico Foedere comprehensas Civitates includi, ut gaudeant & fruantur liberis & non impeditis Commerciis, Terra Marique, in utroque Regno, reservata antiquorum inter Regna & Civitates hfanseaticas Pactorum in alia meliora tempora Observatione, neque alicui Civitati, Civi aut Subdito propter aliquam in hoc Bello actionem, mali quid inferatur aut intentetur. - Gesandtschaftsbericht über die Theilnahme der Hansestädte an den Friedensverhandlungen zu Brömsebro im Jahre 1645. Mitgetheilt v. [Carl F.] Wehrmann, in: ZLübG 3, 1876, 407^*75 (Zitat 433); Loose, Hamburg (wie Anm. 27), 110-117; Ursula Voges, Der Kampf um das Dominium Maris Baltici 1629 bis 1645. Schweden und Dänemark vom Frieden zu Lübeck bis zum Frieden von Brömsebro. Zeulenroda 1938, 98-109. - Es gelang den Hansestädten zwar nicht, das Ende des Glückstädter Zolls im Friedensvertrag selbst zu verankern (Voges, 106f., dazu ungenau), doch schuf dieser günstige Voraussetzungen für die nachfolgenden dänisch-hamburgischen Verhandlungen in Kopenhagen (Meiern, Acta pacis Westphalicae [wie Anm. 24], T. 1, 640, Art. XVII), deren Ergebnis - die Haderslebener Resolution Christians IV. vom 17.11.1645 - die Aufhebung des Glückstädter Zolls gegen eine hamburgische Zahlung von 120 000 Reichstalem war; Loose, Hamburg (wie Anm. 27), 117-119.
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die Wiederherstellung ihrer Privilegien und Handelsfreiheiten im Ostseeraum zu erreichen und sie durch die Einschließung in das Vertragswerk sicherzustellen. Fast zur gleichen Zeit kam zwischen den Generalstaaten, Bremen und Hamburg ein Bündnis zum Schutz der freien Schiffahrt und des Handels auf der Nordsee und ihren Zuflüssen zustande, das einen ähnlichen Vertrag von 1616 erneuerte und im Oktober 1646 auf Lübeck und die Ostsee ausgedehnt wurde. Ein kaiserliches Verbot blieb wirkungslos. 94 ) Das Bündnis wurde von Schweden mit Argwohn registriert. 95 ) Gleichzeitig waren - teilweise in Münster - auch mit Spanien Kontakte aufgenommen worden, die dazu führten, daß die Hansestädte Anfang 1648 in den spanisch-niederländischen Friedensvertrag eingeschlossen wurden und zugleich jenen Handelsvertrag mit Spanien erneuerten, der 1607 mit großem Aufwand erlangt, im Krieg aber wertlos geworden war. Danzig, das damals beteiligt gewesen war, wurde in beide Vertragstexte einbezogen. 96 ) Für die hansischen „Commerden und zugehörigen Privilegien" waren das beachtliche Fortschritte. Auch wenn sich Trauttmansdorff im Frühjahr 1646 noch über die Hanse mokiert hatte, „die consideration wegen des corporis Hanseatici [sei] so schlecht, das die Schweden nur darmit lachen" 97 ) - die neue Haltung im Fürstenrat und wohl auch die Aufwertung der Hanse durch solche Verträge und Verhandlungen veranlaßten ihn, die Hanse in jenen Friedensentwurf aufzunehmen, den er im Mai 1646 den Schweden übergab. 98 ) Damit war der entscheidende Schritt getan. In Art. XVII § 10 und 11 des Osnabrücker Friedensinstruments wurden die civitates Anseaticae von kaiserlicher und schwedischer Seite in das Westfälische Friedenswerk eingeschlossen. Art. X § 10 billigte auch denjenigen Hansestädten, die durch den Friedensvertrag unter schwedische Landeshoheit fielen, freien Handel und Schiffahrt inner- und außerhalb des Reiches zu. 99 )
94
) 4.8.1645; AHL, Hanseatica 145 (Hansische Korrespondenzen dazu im Frühjahr 1644, zum kaiserlichen Verbot: 6.5.1644), 146 (zu Lübecks Aufnahme), 147 (hamburgisches Schreiben vom 31.12.1646), 149 (undatiertes Vertragskonzept), 187 (undatierte Protokollabschrift); AHL, Reichsfriedensschlüsse 4, 93 (22.9.1645), 101 (29.9.1645); APW Ser. II. Abt. A. Bd. 2 (wie Anm. 1), 159f.; [Johann Gustav] Gallois, Hamburgische Chronik von den ältesten Zeiten bis auf die Jetztzeit. Bd. 3. Hamburg 1862, 175, 182; vgl. Hermann Queckenstedt, Johannes Domann (1564-1618) und der Niedergang der Hanse, in: HansGbll 111, 1993, 43-95, hier 68-81, 90; Simson, Hanse (wie Anm. 11), 421. 95 ) APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2 (wie Anm. 36), 427. % ) Handelsvertrag: 26.1.1648; zahlreiche, oft undatierte Materialien dazu in: AHL, Hanseatica 146, 147, 148, 149, 391; vgl. Queckenstedt, Domann (wie Anm. 94), 59-65. 97 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 29), 517. 98 ) Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 2), 391 f. 99 ) Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 170; Frensdorff, Hansestädte (wie Anm. 34), 141; Spies, Lübeck (wie Anm. 38), 123 f. - Die ausdrückliche Aufnahme der Hansestädte in den Westfälischen Friedensvertrag ist seit langem bekannt; daher bleibt unverständlich, warum Karl-Friedrich Olechnowitz, Handel und Seeschiffahrt der späten Hanse. Weimar 1965, 76 und 104, auf dem Gegenteil insistiert.
540
Der Westfälische Friede und das Reich
Im übrigen wurden die Hansestädte bei der Verteilung der beträchtlichen Kosten für die Militärsatisfaktion 100 ) im Mai 1648 von Kurfürsten und Ständen noch einmal in drei unterschiedliche Gruppen gegliedert - die Reichsstädte wie Lübeck und Köln, Mediatstädte wie Hildesheim und solche Städte, die - wie Bremen, Hamburg, Erfurt und Braunschweig - aufgrund ihrer Exemtionsbestrebungen weder das eine noch das andere seien. 101 ) Das überging - wohl mit Rücksicht auf den schwedischen Einspruch - Bremens mittlerweile erlangte Immedietät und zeigte, daß sich an den Schwierigkeiten einer kategorialen Zuordnung der Hanse nach den Maßgaben des Reichsrechts am Ende des Kongresses wenig geändert hatte. Im Hinblick auf die Aufgabenstellung der hansischen Abgesandten war die Einschließung der Hansestädte in den Friedensschluß, ihre erstmalige Nennung in einem Verfassungsdokument des Reiches, fraglos der größte Erfolg ihrer Mission - und keineswegs der einzige. Den drei Städten war auch zu attestieren, daß sie nicht nur den eigenen Vorteil, sondern im Sinn ihrer Treuhänderschaft den aller Mitglieder wahrten. Auch während des Kongresses waren die Gesandten Lübecks, Bremens und Hamburgs immer wieder für bedrängte Hansestädte wie Braunschweig, Magdeburg oder Stralsund eingetreten. Die Nennung der Hanse in den Friedensverträgen des Jahres 1648 gab ihr eine neue politische Qualität, die über ihre bisherige Vertragsfähigkeit hinausging und besonders für spätere Verklärungen wichtig wurde. Sie schien begünstigt durch die Konzentration ihrer Kräfte auf die drei für sie handelnden Städte, die ihre traditionelle Vielfalt und Diskordanz weithin aufhob. Sie entsprach zugleich dem Autonomiestreben vieler Städte jener Zeit. Der Erfolg der Hansestädte bildet ein Gegenstück zu dem der Reichsstädte, die ihre Beteiligung am Friedenskongreß, die Nennung im Vertrag und ihr votum decisivum ebenfalls erkämpfen mußten und deren Zukunft gleichfalls unsicher war. Denn es bleibt das Paradoxon, daß die erstmalige reichsrechtliche Absicherung der Hanse zu einer Zeit erfolgte, als sich die Gemeinschaft selbst in einem Siechtum befand, das nicht nur vom Krieg herrührte. Mit dem Aufstieg der großen Territorien im Nord- und Ostseeraum, den der Westfälische Friede bestätigte,- war die Hanse als Verbindung freier Städte ohne Zukunft.
10 °) APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2 (wie Anm. 36), 446f.; APW Ser. II. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 28), 306, 514f„ 606,651, 660, 679, 691, 697-730, 760, 779, 785; Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 2), 170-177. - Lübecks Anteil an den für Schweden aufzubringenden 5 Mio. Talern betrug 42 720 Rt. (64 080 fl.), Bremens 28 480 Rt. (42 72011.), Hamburgs 64080 Rt. (96 120 fl.). Die Verzögerung der hamburgischen Zahlung führte zu massiven schwedischen Pressionen; F[riedrich] Voigt, Die Besetzung des hamburgischen Landgebiets durch schwedische Truppen und die Bezahlung des Hamburgischen Antheils an der Kriegsentschädigung für Schweden im Jahre 1649, in: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte Bd. 6, Jg. 17, 1895, 239-244. I01 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 24), T. 5, 783.
„So were in puncto Jmmedietas civitatis das müglichste zu tun" Die Erfurt-Frage auf dem Westfälischen Friedenskongreß Von
Ulman Weiß
Die Erfurt-Frage war den einen ein Ärgernis, den anderen eine Last, den dritten eine Nichtigkeit und den vierten (den Erfurtern selbst) mehr und mehr eine Mühsal. Vor allem aber war die Erfurt-Frage etwas sehr Peripheres. Und das ist sie, aus dem Abstand von dreieinhalb Jahrhunderten betrachtet, immer noch. Allerdings steht neben der Erfurt-Frage auch die von insgesamt sieben anderen mehr oder minder mächtigen Mediatstädten. Sie alle waren adhaerentes der schwedischen Krone geworden und fürchteten nun, von der allgemeinen Amnestie ausgeschlossen zu werden, weshalb sie am Verhandlungsort vigilierten und ihre Stellung zu sichern suchten - wenn sie nicht gar nach der Reichsstandschaft strebten. 1 ) Bemerkenswerterweise unterstanden alle diese Städte (abgesehen von Rostock und Stralsund) einem Bischof, dessen zwar beschränkte, aber allzeit behauptete Befugnisse sie schon seit langem bekämpften. Die Gunst des Krieges und die Gelegenheit des Kongresses sollte ihnen nun die Aufnahme in die Reichsmatrikel und mithin die Verleihung der Reichsstandschaft bringen. Die Stadt, die dies ganz konsequent, kompromißlos, klug und kenntnisreich wie kaum eine andere erstrebte, war Erfurt. Die thüringische Metropole, am Kreuzpunkt wichtiger Verkehrswege gelegen, hatte geradezu kriegsstrategische Geltung. Sie war bestens befestigt und von einem großen Gebiet mit mehr als siebzig Dörfern umgeben. Aber in ihren Mauern lebten, durch Krieg und Krankheit dezimiert, nur noch 14 000 Menschen; die Wirtschaft, seit jeher auf die Färbepflanze Waid ausgerichtet, verkümmerte, und auch der Handel lag fast darnieder. Daß man den Wunsch hegte, die städtische Sache auf dem Kongreß in Westfalen selbst zu sichern, war zwar durch Zeitzwänge veranlaßt, begründet aber durch die ältere und jüngere Geschichte und die Schwebelage der Stadt zwischen Kursachsen, Kurmainz und dem Kaiser.
') Eine vergleichende Studie zu dieser Problematik fehlt; zusammenfassend bislang nur Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992, 392-394.
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Der Westfälische
Friede und das
Reich
I
Im Selbstverständnis der politisch bestimmenden Bürger war Erfurt in quasi possessione der Reichsstandschaft 2 ), nicht aber auch in possessione de jure. Und um sie, wie gesagt, ging es. Mit Fug und Recht verwies man auf jahrhundertelange Beziehungen zu den deutschen Königen und Kaisern 3 ): auf Hoftage König Rudolfs, auf die namentliche Nennung in der Goldenen Bulle, auf Belehnungen und mit ihnen verbundene Huldigungen, auf Reichshilfen, auf Ladungen zu Reichsversammlungen, ja, auch auf den Eintrag in der Reichsmatrikel, der allerdings 1521 wieder getilgt worden war - nulla culpa vel delicto, wie man betonte 4 ) - und nun gleichsam die Restitution begehrte. Wer sich zuallererst dagegen verwahren mußte, war der Mainzer Erzbischof. 5 ) Seit den Tagen des Bonifatius, dessen Erfurter Bistumsgründung nicht von Dauer gewesen war, war er der zuständige geistliche Ordinarius, der von hier aus, wo ein Weihbischof und ein Generalgericht amtierten, einst den gesamten Ostteil der Mainzer Diözese hatte verwalten lassen. Der Mainzer Erzbischof war aber auch der weltliche Stadtherr; gewiß waren seine Gerechtsame gering geworden und umfaßten nur noch eine kleine Gerichtsbarkeit, den Zoll, den sogenannten Freizins und einen Wirtschaftshof. Doch in diesem Hof saßen seine eifrigen Amtsträger, denen seit langem der Ruf anhaftete, „bicziche hunde" zu sein. 6 ) Tatsächlich hatten sie es an Ränken und Rankünen nicht fehlen lassen und es solcherart letztlich zuwege gebracht, daß der Erzbischof seine bedrohte Position behaupten und sogar befestigen konnte: immerhin mußte er seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert als Erbherr anerkannt werden. Doch Konsequenzen hatte das vorerst nicht. Wie ehedem, verfuhr der Rat in allen Angelegenheiten nahezu autonom, was in der Reformationszeit vor allem hieß, daß er dem Erzbischof die Kirchenhoheit nahm und dem in 2
) Ohnumbgänglicher und beständigster Gegen Bericht auff den . . . im Namen deß Ertzstiffts Meintz wieder die Stadt Erffurdt uberreichten summarischen Bericht. Erfurt 1646, D4 b . 3 ) Hierzu Friedrich Benary, Die Vorgeschichte der Erfurter Revolution von 1509, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 33, 1912, 127-161; Eberhard Holtz, Erfurt und Kaiser Friedrich III. ( 1 4 4 0 - 1 4 9 3 ) . Berührungspunkte einer Territorialstadt zur Zentralgewalt des späten Mittelalters, in: Ulman Weiß (Hrsg.), Erfurt 7 4 2 - 1 9 9 2 . Stadtgeschichte - Universitätsgeschichte. Weimar 1992, 185-201; Volker Press, Zwischen Kurmainz, Kursachsen und dem Kaiser. Von städtischer Autonomie zur „Erfurter Reduktion" 1664, in: ebd. 385^102, hier 3 8 9 - 3 9 4 . 4
) Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Tie. Hannover 1734-1736, N D Osnabrück 1969, hier T. 2, 5 2 - 5 5 . 5 ) Wilhelm Johann Albert von Tettau, Über das staatsrechtliche Verhältnis von Erfurt zum Erzstift Mainz, in: Jahrbücher der Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften NF. 1, 1860, 3 - 1 4 0 . 6 ) Nicolaus (de Siegen), Chronicon ecclesiasticum. Hrsg. v. Franz Xaver Wegele. Jena 1855,484.
Weiß, „So were in puncto Jmmedietas
civitatis
.
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eigener Verantwortung gestalteten Kirchenwesen einen gemeindlich geprägten Charakter gab - eine beherzte Politik, die nach dem Augsburger Religionsfrieden noch forscher fortgesetzt wurde, ohne daß allerdings der katholische Glauben ausgemerzt worden wäre, ganz im Gegenteil: das Neben- und Miteinander beider Konfessionen war bewußtes politisches Prinzip. Allein der Erzbischof, eher nach Territorialisierung trachtend als nach katholischer Konfessionalisierung, schritt ein, und als Kurerzkanzler fand er natürlich die Unterstützung der Instanzen des Reichs, die dem Erfurter Rat, der zudem erst jetzt um die rechtliche Regelung der Reichsstandschaft bemüht war, versagt blieb. Man mußte sich mithin zu Verhandlungen verstehen, in denen bezeichnenderweise punctum religionis und punctum superioritatis verknüpft wurden: Dem Zugeständnis mainzischerseits, daß das Exercitium Confessionis Augustanae auch künftig frei und ungehindert erfolgen dürfe, entsprach die Anerkennung erfurtischerseits, daß die Stadt „ein Recht Vhralt Integral Stück ... vndt aigenthumb" des Mainzer Erzstiftes sei, von dem alle Obrigkeiten, Freiheiten und Gerechtigkeiten abhingen, weshalb sie sich weder „pro toto noch pro parte Vor ein Reichß oder freye Statt nit mehr Rühmen" werde 7 ): Ein hoher Preis, der wohl nur bezahlt wurde, um Repressalien des Reichs zu entgehen. Wer dem Mainzer Machtgewinn mißtraute, war das Haus Sachsen. 8 ) Immerhin waren die Wettiner als Erben der Ludowinger nicht nur die Herren des Landes, sondern seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert auch Schutz- und Schirmherren der Stadt. Und als solche hatten sie mitunter bedrohend und bedrängend Einfluß zu nehmen versucht, aber die Teilung des Hauses Wettin von 1485 und vor allem die Katastrophe von 1547 waren für Erfurt von Vorteil gewesen. In einer bewußten Balancepolitik zwischen Mainz und Sachsen (und damit auch zwischen zwei Konfessionskontrahenten) wußte die Stadt lange Zeit ihre Selbständigkeit zu sichern. Sie indes ein für allemal mit der Reichsstandschaft zu krönen, war vergeblich: Im Zeichen vordringender Fürstenmacht vereitelten dies Kurmainz und der Kaiser gemeinsam. Erst das Kriegsgeschehen gab Gestaltungschancen. Und die wurden konsequent genutzt. Im Herbst 1631 standen die Schweden vor den Toren der Stadt 9 ): Keine Belagerung und keine Beschießung, die Tore öffneten sich. Gustav Adolf selbst warb mit wirkungsvollen Worten für seine Zwecke und 7
) Stadtarchiv Erfurt (StAE), 0 - 0 A VII 170-171 (1618); 0 - 1 I 124 (1615); ausführlich hierzu Carl Martens, Die Friedensverhandlungen zwischen Erfurt und Mainz in den Jahren 1615 bis 1618, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 20, 1899, 139-170. 8 ) Hierzu Benary, Vorgeschichte (wie Anm. 3), 5 8 - 6 2 ; Press, Kurmainz (wie Anm. 3), 389-394. 9 ) Zum Folgenden Dieter Stievermann, Erfurt in der schwedischen Deutschlandpolitik 1631-1650, in: Mitteilungendes Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 57 (NF. 4), 1996, 3 5 - « 8 .
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Ziele: das „Evangelische gemeine wesen vnd die daran hangende politische freyheit" versprach er „auff einen bessern vnd festen fuß" zu setzen, also die Stadt in den „vhralten stand der Freyheit" zu bringen und sie „wiederumb recht zu einer libera República" zu machen. 10 ) Dies war die Aussicht auf den künftigen Friedensschluß, in den Erfurt „nahmentlich" aufgenommen werden sollte.") Verhieß dies wirklich die Reichsfreiheit? Die politisch bestimmenden Bürger verstanden es so, vielleicht, weil sie es so verstehen wollten. Auf jeden Fall begriffen sie die große Bedeutung, die Erfurt in der schwedischen Deutschlandpolitik gewann, als eine günstige Konstellation, um das, was bisher gescheitert war, erneut und ernsthaft zu erstreben: die Reichsfreiheit auch wenn dies kaum klar gesagt wurde. Man unterstellte sich dem Schutz und Schirm des Königs, huldigte ihm und erhielt übereignet, was mainzisch gewesen war. Das Bewußtsein einer privilegierten Position prägte fortan die Politik. Das zeigte sich sogleich, als mit dem Grundsatz konfessioneller Koexistenz gebrochen und alles auf das Augsburgische Bekenntnis ausgerichtet wurde. Aber Bestand hatte dies bloß bedingt. Denn als sich die Kriegslage änderte, sattelte man um: Im Sommer 1635 trat die Stadt dem Prager Frieden bei und entledigte sich „mit manir" der schwedischen Garnison, weil sie nur so die von „Keysern, Königen vndt sonsten habenden privilegiis, pactis vndt gerechtigkeiten" und auch die „freye vbung der Augspurgischen Confession" glaubte bewahren zu können - „gleich wie andere Stände der Augspurgischen Confession". 12 ) Doch schon übers Jahr, als die Schweden zurückkehrten, schien erneutes Umsatteln geraten. Nun aber öffneten sich die Tore erst nach einer Beschießung mit Brandbomben, und der „accord", der dann vereinbart wurde, war vorsichtiger formuliert: Er garantierte die Rechte von Kurmainz und der katholischen Kirche und verhieß noch einmal die namentliche Nennung der Stadt im künftigen Friedensschluß. Das war um so wichtiger, als Erfurt nunmehr als schwedische Bastion inmitten von Feindesland lag. Und die Schweden selbst wußten um den Wert der Stadt als eines ihrer Zentren für Nachrichten und den Nachschub, als einer der vier größten festen Plätze im Reich mit mehr als 1100 Mann Besatzung: solch einen Ort mußten sie (koste es, was es wolle) in possessione behalten. 13 ) I0 ) Warhafftiger wolgegründeter Bericht, welcher gestalt ... Gustavi Adolphi ... in der Stadt Erffurdt angelanget. Erfurt 1634, F2 b , G3 a . ") StAE, 0 - 0 A XXI 2 (1631). 12 ) Landeshauptarchiv Magdeburg (LHAM), Rep U 14 XXI 15 (1635 Juli 14). Entscheidend für den Beitritt der Stadt war die Prager „Special erklärung" vom 16. Juni (ebd.; im einzelnen Stievermann, Erfurt [wie Anm. 9], 57 f.). Daß die Erfurter mit dem Beitritt ihren „affectirten Reichsstandt ... stabilirn" wollten, wurde mainzischerseits klar erkannt (LHAM, Rep A 37b I II XV 166, l b f.; vgl. auch IX 27, 42 a ); zur offiziellen städtischen Argumentationslinie vgl. Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 4), T. 2, 36f. mit Beilagen Nr. 7-10. 13 ) Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. II. Abt. A. Bd. 1. Münster 1969, 183; vgl. auch StAE, 1-1 XXI lb 38, 207 (Äußerung Lennart Torstenssons); APW Ser. II. Abt. C. Bd. 3.
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II Darauf waren sie auch bedacht, als die Vorverhandlungen über den Friedensschluß begannen. Im Januar 1642 wurde das kaiserliche Generalgeleit ausgesprochen, kraft dessen die schwedischen Legaten ihrerseits den adhaerentes der Krone einen salvus conductus ausstellten - den für Erfurt im November 1643. Übersandt wurde er aber erst im Juni des nächsten Jahres, und zwar mit dem Hinweis, daß die Verhandlungen schwierig würden. 14 ) Das wurden sie in der Tat. Allein die Geleitfrage! Was für eine „confusion", meinten die kaiserlichen Gesandten, würde entstehen, wenn alle, die als schwedische adhaerentes gelten wollten, erscheinen und ihre Klagen vorbringen dürften. 15 ) Aber die Schweden beschwichtigten und nannten nur Stralsund; indes war bald von anderen pommerschen Städten die Rede und aucji von Leipzig und Erfurt: In diesen Städten, so betonten sie, habe die Krone von kriegswegen alle obrigkeitlichen Rechte inne, so daß sie gleichsam für ihre Untertanen handele; ohne Geleitbriefe gäbe es auch keine Proposition, und so sah sich der Kaiser reichsweit als Verhinderer der Friedensverhandlungen ausgeschrieen. Aber auch andere Stände widersprachen den Wünschen der Schweden, die schließlich nur noch (ohne sich indes zu binden) auf Stralsund und Erfurt als Kongreßteilnehmer bestanden. Während der kurbrandenburgische Gesandte (was Stralsund betraf) einlenkte und die ernestinischen Gesandten (was Erfurt anging) ebenfalls einverstanden waren, verweigerten sich die Kurmainzer bis zuletzt; allenfalls wollten sie (mit besonderem Blick auf Erfurt) ein konzessioniertes Geleit zugestehen: daß nämlich, wer es erhielt, nichts gegen die landesfürstliche Obrigkeit unternehmen dürfe und vor allem: daß nicht nur Erfurt „vergleitet" würde. 16 ) Eine Einigung erreichte man erst, als im Dezember 1645 Maximilian von Trauttmansdorff in Münster eintraf. Von einem Tag auf den anderen wurden nun die begehrten Pässe ausgefertigt - allein für Stralsund und für Erfurt, und zwar in der Form, wie es die schwedischen Gesandten wünschten. 17 )
Münster 1975, 585; Zahlenangaben nach Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991, 544. 14 ) StAE, &-0 A XXI 3 0 - 3 1 (1642 Januar 28, 1643 November 14); 1-1 XXI lb 37, 89". 15) A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 2. Münster 1976, 89; zum Folgenden bes. 9 9 f . , 109f„ 227, 290, 297, 333 f. 16 ) Ebd. 2 5 2 f . , 2 7 0 f . , 299, 3 0 7 - 3 1 3 , 5 4 4 f „ 5 5 2 f „ 575; A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 3. Münster 1 9 8 5 , 5 8 f . ; APW Ser. III. Abt. A. Bd. 1/1. Münster 1 9 7 5 , 7 9 f . ; Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStAW), Mainzer Erzkanzlerarchiv (MEA), Korrespondenz, Fasz. 10. 17 ) APW Ser. II. Abt. A. Bd. 3 (wie Anm. 16), 4 4 , 5 4 , 5 6 - 5 9 , 6 6 , 7 3 f „ 109; HHStAW, MEA Friedensakten, Fasz. 48a, 199 a (Trauttmansdorffs schwedischerseits abgelehnter Entwurf des Geleitbriefs), 203 a (schwedische, von Trauttmansdorff angenommene Fassung); StAE, 0 - 0 A XXI 34 (1645 Dezember 17) (Geleitbrief für Erfurt mit namentlicher Nennung von Johannes Hallenhorst und Rudolf Geißler als „Abgeordnete"). Die Vertreter von Stralsund
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III Daß dies letztlich geschehen werde, war in Erfurt zu keiner Zeit bezweifelt worden. Und so hatte man sich bereits seit längerem auf die Verhandlungen. vorbereitet. Zuallererst personalpolitisch: Man gab einem klugen Konsulenten das eben (und nur zu diesem Zweck) eingerichtete Amt eines Konsyndikus, dem alles aufgetragen war, was konzeptionell oder gestaltend mit dem Kongreß zu tun hatte; er war der deputatus designatus,18) Einvernehmlich mit den maßgeblichen Männern des Magistrats (allein mit ihnen!) plante er die Politik. Obenan stand die rechtsgeschichtliche Begründung und Behauptung der beanspruchten Position einer Zugewandtheit zum Reich von Anfang an. Was sich an Einschlägigem in Urkunden, Akten und Chroniken fand, wurde zusammengetragen, und was das gigene Archiv nicht hergab, aus fremden erbeten. 19 ) Die genaue Kenntnis der Geschichte und das Geschick, damit zu argumentieren, sollten dann auch nicht ohne Wirkung bleiben. Zudem versuchte der Konsyndikus, sich über die verfassungsrechtlichen Verhältnisse in anderen Städten, etwa in Hildesheim oder in Bremen, zu informieren 20 ), um auch dadurch das Erfurter Vorhaben zu fördern. Vor allem aber prüfte er die politischen Gegebenheiten: Wer würde sich inwieweit der Stadt annehmen? Die Schweden mußten es kraft vertraglicher Verpflichtung. Daß sie dazu stünden, war indes nicht ausgemacht. So suchte man sich, bevor die schwedischen Gesandten bemüht wurden, des Fürwortes der Generalität zu versichern. Es fiel allerdings in der wünschenswertesten Weise aus. Graf Torstensson rühmte die „devotion und trawe", die die Stadt dem „Evangelischen wesen zum besten" bewiesen habe, und bat, die Legaten mögen es an Fleiß nicht fehlen lassen, damit sich die Stadt künftig der religiösen und politischen „libertet" erfreuen könne. 21 ) Nicht anders lautete in diesem Punkt auch das Nebenmemorial, das den beiden schwedischen Bevollmächtigten mitgegeben worden war: Erfurts Sache sei so gut zu regeln wie irgend möglich. 22 ) Daß dies den Gesandten gegenwärtig blieb, sollte ein Stadtwaren, ohne den Geleitbrief abzuwarten, nach Osnabrück gereist (Dickmann, Westfälischer Frieden [wie Anm. 1], 392). I8
) StAE, 1 - 0 A I V 27,49 a ; Rudolf Geißler (t 1653) hatte in Erfurt, Basel (Matrikel 2, 326) und Straßburg studiert, bevor er seit 1638 als Stadtvogt (Gerichtsherr) dem Rat angehörte (Martin Bauer, Erfurter Ratsherren und ihre Familien im 17. Jahrhundert. Neustadt a. d. Aisch 1989, Nr. 187, 75). '«) StAE, 1-1 XXI la 23, 133-135 und lb 38,203 b -204 b , 279 b -280 b ; zum Zusammenhang vgl. unten mit Anm. 88. 20 ) StAE, 1-1 XXI lb 37, 256 b -257 b sowie 1 - 0 A IV 27, 8 a -9 a (Hildesheim); 1-1 XXI lb 38, 133 f., 143 f. (Bremen). 21 ) StAE, 1 - 0 A IV 27, 39 a f.; hierzu auch 1-1 XXI lb 38, 60f. sowie la 23,159-161; vgl. auch HHStAW, MEA Friedensakten, Fasz. 8. 22 ) APW Ser. I. Bd. 1. Münster 1962, 256 und 313. Ähnlich lautet der Osnabrück betreffende Passus; andere Städte, für die sich einzusetzen sei, werden nicht erwähnt.
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kind, das in ihren Diensten stand 23 ), aufs beste befördern. Und tatsächlich verdankte ihm der Rat die neuesten Nachrichten, viel Vertrauliches, hilfreiche Hinweise: und sei es den auf zwei kostbare Gläser, die (mit Brustbild und Wappen von Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius verziert) den beiden verehrt werden sollten 24 ), damit sie die Erfurter Belange besorgten. Dazu waren sie erbötig, und sie ließen die Erfurter auch wissen, wann der rechte Moment sei, in eigener Person in Osnabrück zu erscheinen. Gleichwohl wurde überlegt, ob es ratsam sei, nur auf Schweden zu setzen. Es gab Stimmen, die dies anrieten, weil es der einzige Weg zur Reichsstandschaft sei; alle Privilegien der Krone würden durch den Friedensschluß reichsrechtlich anerkannt werden, gleicherweise wie etwa der preußischen Stadt Elbing die in schwedischer Zeit verliehenen Privilegien beim Übergang an Polen bestätigt worden waren. 25 ) So viel für diese Überlegung zu sprechen schien, man suchte doch auch andere Assistenz, vor allem fürstliche Förderer: die brandenburgischen Hohenzollern und die thüringischen Ernestiner. Gewiß zeugte das von kluger Kenntnis der Kräftekonstellation in Mitteldeutschland, doch zugleich enthüllte es ein grundsätzliches Problem. Mit den ernestinischen Herzögen begann man sich sogleich zu verständigen, als man im Februar 1645 erfuhr, daß sie ihrerseits über eine eigene Vertretung bei den Friedensverhandlungen berieten. Weitläufig erklärte man ihnen, was die „haubtsache" sei: der „höchste schätz der Religion". Um seiner sicher zu sein, habe man große Kosten und Kriegsgefahren getragen, und doch sei ungewiß, ob die Stadt Sicherheit erlangen werde. Letztlich rühre alles daher, daß die Ratsherren früherer Zeit die Reichsstandschaft gering geachtet und somit die Streichung aus der Reichsmatrikel riskiert hätten, ein Schaden, der, als das Reformationswerk begann, sehr fühlbar geworden sei. Die Declaratio Ferdinandea, in die man sein Vertrauen gesetzt habe, sei durch das schreckliche Scriptum Diligensium angegriffen und durch das Restitutionsedikt schließlich kassiert worden. Und auch der Beitritt zum Prager Frieden, wogegen der Mainzer Kurfürst protestiert habe, sei nicht zum Guten geraten. So erbat man Rat, wie die Stadt der Religion halber am besten bewahrt werden könne. Sollte es nicht rechtmäßigerweise durch die Wiederaufnahme in die Reichsmatrikel geschehen? Die Frageform verhüllte das Verlangen. Überdies wurde zweierlei betont: daß nur die Immedietät der Religion ein festes Funda23
) Georg Heinrich Ludolph (t 1669) studierte an den Universitäten Erfurt und Leiden; seit 1658 hatte er verschiedene Funktionen im Erfurter Rat inne; er verfaßte ein zu Lebzeiten nicht veröffentlichtes Opusculum de tractatu pacis Monasteriensis (Bauer, Ratsherren [wie Anm. 18], Nr. 359, 96; Heinz Duchhardt [Hrsg.], Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/Matthias Schnettger. Münster 1996, 144, Nr. 1283). 24 ) Die Arbeit wurde von einem Erfurter Glasschneider nach bildlicher Vorlage ausgeführt (StAE, 1 - 0 A IV 27 120 a -121 b ). 25 ) Ausführlich ebd. 41 a -44 a .
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ment verschaffe und daß die Rechte anderer selbstredend nicht beeinträchtigt würden. 26 ) Nachdem sich die Fürsten in Weimar beraten hatten, versprachen sie den Erfurtern ihren Beistand; in der Instruktion aber trugen sie ihrem Gesandten Georg Achatius Heher auf, sich der Erfurter als Augsburgischen Konfessionsverwandten zwar anzunehmen, doch „weitters nicht, als sich das negotium Religionis ohne verfang vnserer Landes Fu(e)rstl. Superioritet erstrecket". 27 ) Allein dies wußte man in Erfurt nicht. Hier nahm man es als gutes Zeichen, daß ein reichsstädtischer Bürger zum Deputierten der ernestinischen Brüder bestallt worden war, und man suchte sich ihm verbindlich zu machen. 28 ) Wie alles andere geschah auch dies völlig vertraulich. Was im kleinen Kreis angesponnen worden war, wurde erst zu Jahresende 1645 bekannt, als der salvus conductus eintraf. Erst jetzt holten die maßgeblichen Männer des Magistrats die Zustimmung des gesamten Rates und der Gemeinde zu der von ihnen verfolgten Politik ein. In einem Vortrag vor allen Ratsherren und den Vormunden der Viertel, Vortorer und Zünfte wurden die Grundwerte des Gemeinwesens beschworen, an die bedrohten Privilegien ebenso erinnert wie an die Verkündigung des Evangeliums seit nunmehr 125 Jahren, an die Behauptung der „freyheit beyder Religion", die eine Verpflichtung für heute sei, mehr noch für die Nachkommen, so daß alles, was städtische Freiheit ausmache, auf einen festen Fuß gesetzt werden müsse, woran mitzuwirken die schwedische Krone nicht nur einmal versprochen habe, weshalb man hohe Hoffnungen hegen dürfe - lauter wirkungsvolle Worte, unter denen das von der Reichsstandschaft freilich fehlte. Indes stimmte die Versammlung, ohne die Instruktion, die zu verlesen zu langwierig sei, überhaupt gehört zu haben, der Gesandtschaft zu und auch dem, daß die geschätzten Kosten durch eine außergewöhnliche Auflage in Stadt und Landgebiet aufgebracht würden. 29 ) Als wenig später des 100. Todestages von Martin Luther gedacht wurde, tat man dies mit Predigten und Gebeten für das Friedenswerk und für die städti26
) Thüringisches Staatsarchiv Gotha (ThStAG), Geheimes Archiv A VIII 2, 2 1 7 a - 2 2 0 a (Rat an Hg. Wilhelm und Hg. Ernst, 25. Februar 1645; mutatis mutandis an Hg. Friedrich Wilhelm, Druck: Meiern, Acta pacis Westphalicae [wie Anm. 4], T. 2, 5 2 - 5 5 ) ; zum Scriptum Diligensium (Pacis Compositio) vgl. Konrad Repgen, Die römische Kurie und der Westfälische Friede. Idee und Wirklichkeit des Papsttums im 16. und 17. Jahrhundert. Bd. 1. Tübingen 1 9 6 2 , 2 1 1 - 2 1 5 . 27 ) ThStAG, Geheimes Archiv A VIII6, 108-122, 114" f. (14. April 1645) und VIII3, 106 a (Motive für Hehers Indienstnahme als Gesandter). Zu Heher ( 1 6 0 1 - 1 6 6 7 ) Wolf gang Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, in: Hans Patze/Walter Schlesinger (Hrsg.), Geschichte Thüringens. Bd. 5/1/1. Köln/Wien 1 9 8 2 , 1 - 5 5 1 , hier 188f. und Abb. 13. 28 ) ThStAG, Geheimes Archiv A VIII 6, 160"; StAE, 1-1 XXI l b 37, 2 7 3 a - 2 7 4 b . 29 ) StAE, 1 - 0 A IV 27, 3 5 a - 3 8 b , 37 a . Genannte Instruktionspunkte: Erlangung der Amnestie, Bestätigung der überkommenen weltlichen und geistlichen Rechte. Nur im Ratsgremium der Ältesten und Vierherrn wurde die Instruktion am 7. März 1646 vorgelesen (ebd. 48a—49b). Vortorer: zwischen innerem und äußerem Mauerring lebende Bürger.
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sehen Abgesandten, den Oberratsmeister Johannes Hallenhorst und den Konsyndikus Rudolf Geißler. Und als beide, von Bürgern begleitet, Ende März aus dem Tor nach Osnabrück ritten, läuteten die Glocken aller evangelischen Kirchen, und von den Kanzeln wurde gebetet, daß Gott der Allmächtige sie unter dem Schutz seiner heiligen Engel sicher geleiten und zu ihrer Verrichtung Gnade und Segen verleihen wolle - und so Sonntag um Sonntag, so lange die Deputierten bei den Friedensverhandlungen weilten. 30 ) Im gemeinsamen, kraftgebenden Gebet waren Gemeinde und Gesandte verbunden - zum wenigsten sollten sie es sein. Ganz offenkundig sollte das Gemüt der kriegsgeplagten Gemeinde gestärkt werden - letztlich im Beifall für die betriebene Politik.
IV Die erste Wegstrecke ritt man unter schwedischem Schutz. Dann ging es allein weiter. Gern wäre man mit den Gesandten aus der Reichsstadt Mühlhausen gereist und mit ihnen zusammen in Osnabrück eingezogen, was zweifellos etwas Zeichenhaftes gehabt hätte und dies wohl auch haben sollte. 31 ) Allein es zerschlug sich. Aber der Städtekurie, kaum daß man angekommen war, anempfahl man sich aufs angelegentlichste. Mit ihren Gesandten, namentlich dem Nürnberger und dem Straßburger, hatte man geschlossenen Kontakt, ja man konnte glauben, als neues Glied des Kollegiums künftig gut gelitten zu werden. 32 ) Auf jeden Fall hegte man hohe Hoffnungen und setzte fest auf die ständische Solidarität. Doch an ihr, was nach und nach offenkundig wurde, mangelte es sehr. Gewiß stritt die Kurie für ihre attackierten Angehörigen, aber sonst beherrschte sie die Furcht vor den Fürsten, und folglich vermied sie alles, was Gesichertes hätte gefährden können. 33 ) Die Erfurter (und nicht nur
30
) LHAM, Rep A 37b I II IX 29,3" sowie IX 3 2 , 4 0 3 ^ 0 6 , 4 2 0 ; StAE, 1-1 XXI lb 38, 104; 1-0 A IV 27, 84a; zum Luthergedenken vgl. Carl Beyer/Johannes Biereye, Geschichte der Stadt Erfurt von der ältesten bis auf die neueste Zeit. Erfurt 1935, 572f.; zu Johannes Hallenhorst (1602-1673) vgl. Bauer, Ratsherren (wie Anm. 18), Nr. 216, 80. Hallenhorst und Geißler waren von Ende März bis Ende Mai und von Ende Oktober bis kurz vor Weihnachten 1646 in Osnabrück, außerdem von Ende März bis Ende Mai 1647 sowie eine Zeitlang seit Ende April 1648; Geißler war zusätzlich auch die Zeit zwischen Mai und Oktober 1646 am Ort; seit Dezember 1646 bis zum Ende des Kongresses war Paul Ziegler (zu ihm Bauer, Ratsherren [wie Anm. 18], Nr. 739, 144) als Agent des Rates ständig anwesend (StAE, 1-0 A Iv 27, 84»; LHAM, Rep A 37b I II IX 29, 28 a ; StAE. 1-1 XXI la 23, 202f.; ebd. lb 38, 200; LHAM, Rep A 37b I II IX 29, 103"; StAE, 1-1 XXI lb 38, 278»; LHAM, Rep A 37b I II IX 29, 134"). 31 ) Daß eine Aufwertung der eigenen Gesandtschaft beabsichtigt war, wird zu unterstellen sein (vgl. zur Abstimmung mit Mühlhausen StAE, 1-1 XXI lb 38, 88f.; 1-0 A IV 27, 45 a ^t6 a ). 32 ) Ebd. 91 a . 33 ) Günter Buchstab, Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß. Zu-
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sie) 34 ) bemerkten das beizeiten. Vielleicht verständigten sie sich darüber mit Vertretern anderer Städte, mit denen aus Magdeburg oder Osnabrück, doch nichts verrät, daß man die Möglichkeiten eines Miteinanders gemustert hätte. 35 ) Allem Anschein nach (was die Erfurter später bedauerten) handelte jede Stadt für sich allein. Und so suchte auch jede Stadt für sich zuerst den Beistand der schwedischen Krone, ohne den alles aussichtslos sein mußte. Die Erfurter hatten schon wenige Tage nach ihrer Ankunft die erste Unterredung mit Johan Oxenstierna. Darin ging es gleich um den Kern der Forderungen: die Restitution in die Reichsmatrikel. Sie sei, sagten die Deputierten, das „principium", auf dem allein alles ruhe; nur auf ihm könne die Stadt ihrer „vorigen freyheit in Ecclesiasticis et politicis bestendig versichert" werden, was für die Friedensverhandlungen bedeute, daß Erfurt ausdrücklich in die allgemeine Amnestie aufgenommen und überhaupt namentlich im Vertragswerk genannt werden müsse, wie es schon Gustav Adolf versprochen habe. 36 ) Der weitläufige Vortrag, vor allem die historische Herleitung, überzeugte Oxenstierna sofort. Er sicherte zu, das negocium der Stadt zu betreiben, sofern, was außer Zweifel sei, eine ordentliche Ordre der Königin dies verlange. Tatsächlich traf sie auch ein, nachdem sich die Erfurter unmittelbar an den Hof in Stockholm gewandt hatten. Oxenstierna und Salvius bekräftigten nun, ihr Möglichstes zu tun. Gleichwohl warben die Erfurter noch manches Mal bei der jungen Königin und dem alten Reichskanzler für ihr Anliegen und hielten es gar für nötig, einen ständigen Agenten am Königshof in Stockholm zu haben. 37 ) Unterdes hatte man bei verschiedenen fürstlichen Konfessionsverwandten vorgefühlt und war von manchen auch vertröstet worden. Galt es doch als recht und billig, daß, wie schon im voto communi der evangelischen Fürsten gefordert 38 ), in Ecclesiasticis et Politicis der Stand von 1618 wiederherzustelsammenhänge von Sozialstruktur, Rechtsstatus und Wirtschaftskraft. Münster 1976,68-74, 121-127. 34 ) Mit Blick auf Magdeburg ebd. 126 f.; allgemein zu den nach Reichsstandschaft strebenden Mediatstädten ebd. bes. 72 und Günter Buchstab, Einleitung, in: APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6. Münster 1981, XXXIV-XLVIII, hier XL. 35 ) Anhaltspunkte: StAE, 1 - 0 A I V 27, 32 b , 60 a -61 b (Stralsund und Hildesheim); vgl. auch 1-1 XXI lb 3 8 , 9 4 und LHAM, Rep a 37b I II IX 29,10 3 (Bemühungen Hildesheims um die Beförderung des eigenen Anliegens durch die Erfurter Vertreter); APW Ser. III. Abt. C. Bd. 3/1. Münster 1984,572 f. (Auftretendes Osnabrücker Gesandten im August 1646 auch im Namen von Erfurt); vgl. auch unten mit Anm. 105. 36 ) So auch das Schreiben an Königin Christine (StAE, 1-0 A IV 27, 50 a -59 b [8. April 1646]); zum Hintergrund APW Ser. II. Abt. C. Bd. 2. Münster 1971, 253 f. 37 ) StAE, 1-1 XXI la 23, 191 f., 202f.; 1-1 XXI lb 38, 197-198, 261-262, 294-295, 314b f. 3S ) Restitution der Reichs- und anderen Städte, „darunter die Städte Erfurth, Hildesheim, Oßnabrück und Minden etc., und zwar ohne einige Exception, in den Stand, wie ... in Politicis et Ecclesiasticis A. 1618 sich befunden" (Meiern, Acta pacis Westphalicae [wie Anm. 4], T. 2, 314; vgl. auch ebd. 514).
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len sei. Allein die Erfurter zielten weiter, und sie sparten, um dies zu erreichen, wohl auch nicht an klingenden Goldmünzen. 39 ) Doch alle Verheißungen waren nur Worte in den Wind. Um so wichtiger wurden die fürstlichen Nachbarn. Ihrem Gesandten, Achatius Heher, trug man, was vor Jahresfrist noch als Frage formuliert worden war, nun als Forderung vor: Beistand bei den Bemühungen um die Restitution in die Reichsmatrikel. Heher, dessen Instruktion anders lautete, war ratlos; aber er wußte bereits, daß die beiden schwedischen Bevollmächtigten und sogar der sächsische Kurfürst gewonnen worden waren. 40 ) Wie sollten sich die Ernestiner verhalten? Die beiden Brüder Ernst und Wilhelm berieten sich. Auch sie waren nicht abgeneigt - vorausgesetzt freilich, ihre eigenen Rechte würden nicht beeinträchtigt. Hingegen könnte, so der klug kalkulierte Gedanke, die Erfurter Immedietät gleichsam als Gegengewicht zur Kurmainzer Gravität in Thüringen eine gewisse Geltung gewinnen. Dafür, daß dies angeraten war, gab es genug Hinweise. Eben erst hatte Kurmainz in einer Sitzung der Reichsräte aufs anmaßendste von seinem iure superioritatis undt andern iuribus in Erfurt gesprochen, wogegen Sachsen protestiert, Kurmainz aber sofort reprotestiert hatte: Das Erzstift sei Sachsen „einiges ius superioritatis in der statt Erffurt nit gestendig". 41 ) Doch damit nicht genug: um die behauptete Position zu bekräftigen, war noch ein Memorial ausgearbeitet und im Juni 1646 ad dictaturam gegeben worden. 42 ) Die Schrift war in der Art eines „Summarischen Berichts" abgefaßt; sie benannte die „vnwiederleglichen Fundamenten" der „Juris Superioritatis ... et Omnimodae Jurisdictionis in Geist= vnd Weltlichen= Civil= vnd Criminalsachen", die das Erzstift seit hunderten von Jahren in Erfurt besaß, und sie bemühte sich, all dies mit abgedruckten Urkunden zu belegen. 43 ) An diesen seinen Hoheitsrechten, hieß es zum Schluß, werde sich das Erzstift von niemandem, von keinem Kurfürsten oder Fürsten, Eintrag tun lassen und sich auch auf keinerlei Kontroverse einlassen. 44 ) Der Angriff war also ein doppelter: auf die Stadt Erfurt, die sich der Botmäßigkeit entzog, und auf das Haus Sachsen, das sich schon im Vorjahr zum Anwalt der Erfurter aufgeworfen hatte. 45 )
39) LH AM, Rep A 37b I II IX 29, 1 l b . ) ThStAG, Geheimes Archiv A VIII 8, 219 a , 233 a . 41 ) APW Ser. III. Abt. A. Bd. 1/1 (wie Anm. 16), 590f„ 594f. (27. April 1646). 42 ) Das geschah auf Verlangen Kf. Anselm Kasimirs (HHStAW, MEA Friedensakten, Fasz. 8). 43 ) Abdruck des summarischen Berichts welcher denen Königl: Schwedischen Herren Plenipotentiarijs im Namen des Hochlöbl. en ErtzStiffts Mayntz wieder die Stadt Erffurdt bey denen Universal Friedens Tractaten zu Oßnabrüg ubergeben worden. O.O. 1646, A2 a ; Druck: Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 4), T. 3, 549-568. 44) Abdruck (wie Anm. 43), B4 a . 45 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 4), T. 2, 26-52. 40
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Was sich hier ausspricht, ist eine Grundkonstellation der Erfurter Geschichte: das Ringen von Kurmainz und Kursachsen um die Herrschaft in der Stadt. Daß die beiden Mächte nicht nur Gebiets-, sondern auch Konfessionskonkurrenten, mehr noch: Kontrahenten waren, hatte sich für die Erfurter schon manchmal als Vorteil erwiesen, und das war jetzt nicht anders - ein Vorteil im übrigen, den keine der auf dem Friedenskongreß vertretenen Landstädte besaß, den die Erfurter aber auch klug zu nutzen wußten. So ist es nicht zum wenigsten ihnen zuzuschreiben, wenn im Erzstift der Eindruck einer erfurtisch-ernestinischen Einmütigkeit entstand: Herzog Ernst, vernahm man, habe bei den Bevollmächtigten der Krone pro Senatu gewirkt 46 ), und zu den Männern des Magistrats gab es freundliche Verbindungen. Sie waren, wie es schien, noch fester geworden, nachdem der „Summarische Bericht" das sächsische Schutz- und Schirmrecht geleugnet hatte. 47 ) Wie abträglich dies war, sahen einige Kurmainzer Räte ganz genau; und einer von ihnen, der Schultheiß in Erfurt, beschwor sogar die Gefahr, die allem Mainzischen in der Stadt drohte. Wie viele Rechte waren in Vergessenheit geraten 48 ) und wie viel in den Kriegswirren ruiniert worden! Der Zoll lag darnieder; im Mainzer Hof hauste der „tolle Friedrich"; einige Küchendörfer waren wüst und die Kirchen eingerissen worden. Und von Tag zu Tag ging es weiter bergab. Niemand trat mehr in mainzischen Dienst; die Ämter verwaisten; nur der Schultheiß hielt noch aus und mit ihm zwei Schöffen und ein Gerichtsschreiber. Doch über ein Kurzes, wenn nicht entschieden eingeschritten würde, werde alles über den Haufen fallen. 49 ) Die Sorge der Kurmainzer war die Hoffnung der Erfurter. Für sie hatte sich in Osnabrück alles gut angelassen. So zögerte Johannes Hallenhorst auch nicht, beizeiten wieder zurückzureiten und alles weitere Konsyndikus Geißler zu überantworten. Denn das Vordringliche waren vermutlich die Verhandlungen mit den Fürsten - von ihnen selbst vorgeschlagen. 50 ) Sie begannen noch im Juni 1646 unter dem Eindruck des gerade publizierten „Summarischen Berichts" und dauerten bis in den März des nächsten Jahres. Als Grundlage diente eine Denkschrift, die bis in viele Formulierungen hinein einem unlängst an Königin Christine gesandten Brief entsprach und mithin denselben Schluß zog: die Reichsstandschaft sei historisch und rechtlich gut begründet, sie sei religiös und politisch notwendig. Daß und wie die Fürsten zu ihrer Anerken-
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) LHAM, A 37b I II IX 29, 4 a . ) Ebd. 40 a ; vgl. auch unten Anm. 85. 48 ) Instruktiv: ebd. 43 a f. 49 ) Ebd. 58 a f., 102a; IX 31, 11-12; vgl. auch HHStAW, MEA Korrespondenz, Fasz. 8 (Kf. Anselm Kasimir an die Räte in Münster, 3. Januar 1646); zutreffend Tettau, Verhältnis (wie Anm. 5), 132: Erfurt war „thatsächlich fast ganz unabhängig von Mainz". 50) ThStAG, Geheimes Archiv A VIII 8, 324". 47
Weiß, „ So were in puncto Jmmedietas civitatis .
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nung beisteuern könnten, sollte besprochen werden. 51 ) Man tat dies schon nach wenigen Wochen, allerdings im Sinne eines Abtastens und Auslotens; auch verständigte man sich, was leichter fiel, über eine Antwort auf das Mainzer Machwerk. Denn beantwortet werden mußte es. Und das, so wurde verabredet, sollte die Sache der Erfurter sein. Binnen kurzem verfaßten sie einen „Gegen Bericht", der zu einer glänzenden Verteidigungsrede geriet. Punkt für Punkt wurde dem „Summarischen Bericht" erwidert und die dort behauptete Position der omnimodae superioritatis widerlegt. 52 ) Unstrittig waren freilich die erzstiftischen „Particular=Rechten vnd Gerechtigkeiten" in der Stadt und die uneingeschränkten Hoheitsrechte in den fünf sogenannten Küchendörfern 53 ), weshalb die Stadt auch keinen Streit mit dem Erzstift wünsche, wohl aber wolle sie ihre gravamina nennen und darum bitten dürfen, daß die Reichsstände, die evangelischen zumal, sich ihrer annähmen, damit das Gemeinwesen in Ecclesiasticis et in Politicis versichert werde. 54 ) Herzog Ernst billigte den „Gegen Bericht", und der Rat gab ihn in Druck. Im November reiste Johannes Hallenhorst nach Osnabrück, um ihn zusammen mit Rudolf Geißler ebenso förmlich zu übergeben, wie im Juni der „Summarische Bericht" ad dictaturam gelangt war. 55 ) Die Schrift wurde sogleich bekannt und fand allgemein Anklang. Selbst der Bischof von Osnabrück, der sie (was nahelag) ganz genau gelesen hatte, sparte nicht mit wohlwollenden Worten. 56 ) Doch die Mainzer planten eine rigide Refutation, und das mußten sie wohl auch. Unterdes waren die Verhandlungen zwischen den beiden ernestinischen Brüdern, dem gothaischen und dem weimarischen Herzog, zum Kern vorgestoßen. Kosten und Gewinn waren kalkuliert, was bedeutete: die Herzöge würden die Stadt nicht nur hinsichtlich der Religionsfreiheit, sondern auch der Reichsfreiheit unterstützen, sofern sie sich sächsischen Wünschen nicht verschließe, und vage verlautete zunächst etwas von Geld und Grundbesitz 57 ), dann aber wurde es ausgesprochen: Verzicht auf die Rückzahlung der seit 1624 ausstehenden Schulden - alles in allem wohl 60 000 Reichstaler, und dies bei einer städtischen Schuldenlast von zwei Millionen Gulden! 58 ) Die Er-
51
) Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (ThHStAW), D 884, 136 und 137-146 (13. Juni 1646); ThStAG, Geheimes Archiv K 31. ) Gegen Bericht (wie Anm. 2), bes. Cl a . « ) Ebd. A2 a , Bl a , F4a. 54 ) Ebd. F5a. 55 ) StAE, 1-1 XXI la 23, 202f. 56 )StAE, 1-0 A IV 27, 112-115. 57 ) So schon die im Mai 1646 Hg. Ernst vorgetragene Überlegung seines sehr auf das Finanz- und Wirtschaftswesen im Herzogtum bedachten Bruders (vgl. ThStAG, Geheimes Archiv A VIII 8, 312-315, 345-346; zu Hg. Wilhelms Finanz- und Wirtschaftspolitik Huschke, Geschichte [wie Anm. 27], 182, 184). 58 ) LHAM, Rep A 37b I II IX 29, 93 a f., 29 a ; zu den Finanzverhältnissen in Sachsen-Wei52
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Der Westfälische Friede und das Reich
furter erbaten sich Bedenkzeit. Und bei den beiden schwedischen Bevollmächtigten sondierten sie, wie sicher sie der Immedietät sein könnten, auch ohne sich den Ernestinern erbötig erweisen zu müssen. Offensichtlich wurde ihnen so viel zugesagt, daß sie sich zum Temporieren entschlossen; dem herzoglicherseits vorgeschlagenen Vertragswerk versagten sie sich nicht, sie verwiesen aber auf den bei den Friedenstraktaten noch unerörterten punctus creditorum ac debitorum und wollten überhaupt erst dann, wenn die Reichsstandschaft erlangt sein würde, die Konkordata vereinbaren. 59 ) Solche Worte waren nichts wert. Die Ernestiner meinten deshalb, sich drohend erheben zu sollen; eine harte Haltung, so hofften sie, könnte die Erfurter nachgiebig machen. 60 ) Vermutlich waren sie auch von verschiedenen Fürsten aufgefordert worden, den „Gegen Bericht", in dem so frank und frei von der Restitution in die Reichsmatrikel die Rede war, nicht stillschweigend hinzunehmen 61 ): Denn würde solch ein Stillschweigen andere Städte nicht ermuntern, ebenso zu handeln? Auf jeden Fall vermerkten sie nun ungnädig, daß im „Gegen Bericht" ihrer landesherrlichen Obrigkeit nicht gedacht worden war. Tatsächlich war sie nur im Sinne eines Apropos beiläufig berührt worden. 62 ) Und dies dürfte die Ernestiner, namentlich den so sehr auf Territorialisierung bedachten gothaischen Herzog, aufgestört haben. Sie waren wirklich nur Schutzherren der Stadt und konnten allenfalls in jenen Dorfschaften, die von ihnen zu Lehen gingen, landesherrliche Rechte beanspruchen. 63 ) Das taten sie nun und verlangten die Anerkennung als Landesfürsten; sie erinnerten daran, daß diese ihren Vorfahren schon einmal zuteil geworden sei. Doch die Ratsherren wollten davon nichts wissen; wann immer ein Erfurter, so erklärten sie, „Landesfürst" sage, benutze er das Wort als bloßes praedicamentum honoris et reverentiae', anderenfalls könnte man gleich, was noch nie geschehen sei, das Rautenkränzlein in der Stadt aufziehen 64 ); man habe auch nicht dem Erzstift Paroli geboten, um sich nun dem Haus Sachsen zu fügen; vielmehr sollten die Fürsten bedenken, daß Kurmainz, hätte es erst Erfurt unter seinem Fuß, noch weiter ausschreiten würde, daß hingegen Sachsen, erhielte Erfurt die Immedietät, vor dem Erzstift geschützt wäre. Ähnliches hatten Herzog Ernst und Herzog Wilmar und Sachsen-Gotha knappe Bemerkungen bei Huschke, Geschichte (wie Anm. 27), 191,214. 59 ) StAE, 1-1 XXI la 23, 205-208. 60 ) ThHSTAW, D 884, 176-180; ThStAG, Geheimes Archiv K 31. 61 ) Vgl. hierzu ThHStAW, D 884, 176a f. und StAE, 1 - 0 A IV 27, 112-115. Der Zusammenhang läßt auf jeden Fall an den Fürstbischof von Osnabrück, Franz Wilhelm von Wartenberg, denken. 62 ) Gegen Bericht (wie Anm. 2), F4 a f. « ) ThHStAW, D 884, 196-198; zum Folgenden ebd. 232-245 a (Verhandlungen Februar 1647); zu den Zielen der thüringischen Politik Hg. Emsts („Bewahrung oder Herstellung rechtlich gesicherter Verhältnisse und die Erweiterung seines Besitzstandes") vgl. Huschke, Geschichte (wie Anm. 27), 232-236. 09) APW Ser. III. Abt. C. Bd. 2/2 (wie Anm. 99), 1212, 1216, 1218, 1220, 1223-1225, 1259f.; StAE, 1 - 0 A IV 27, 229 a (Protokollauszug; 9. Februar 1649), 231 a (Oxenstiemas Beurteilung des Protokolls als zweifelhaft und präjudizierlich). IIQ ) Ebd. 0 - 0 A XXI 40a (15. Februar 1649). ' " ) Ebd. 1 - 1 XXI la 27, 9 M 0 a ; ThStAG, Geheimes Archiv A VIII 44a, 2 4 2 a - 2 4 3 a ; LHAM, Rep A 37b I II IX 30, 12-15 und IX 29, 114-117. I12 ) StAE, 1-1 XXI la 23, 293 b f.; Hans Tümmler, Briefe der Stadt Erfurt aus dem Stockholmer Reichsarchiv 1648-1650, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 49, 1934, 5 - 2 9 , hier 15 f. "3) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 13), 348, 3 5 0 , 3 5 5 , 4 2 0 , 4 2 4 ; StAE, 1 - 0 A I V 27, 230-231. 114 ) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 13), 307 f. 115 ) Im einzelnen hierzu Beyer/Biereye, Geschichte (wie Anm. 30), 5 7 9 - 5 8 3 .
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Der Westfälische
Friede und das Reich
Reden von Reichsstandschaft und ihr Rühmen des respublica-Prinzips diente wohl mehr ihrer eigenen Reputation als Repräsentanten eben dieser Stadtrepublik als den Belangen des biederen Bürgers. Überdies waren die Kosten dieser Politik (wo manch einer kaum sein Leben fristen konnte) ganz gewaltig und, wie sich jetzt zeigte, vergeblich gewesen 116 ) - ein Dissens zwischen Rat und Gemeinde, der, was die Reichsstandschaft betraf, zur gleichen Zeit auch in Herford aufbrach. 117 ) In Erfurt kam dieser Dissens dem neuen Mainzer Kurfürsten, Johann Philipp von Schönborn, zugute. Er, dem mehr als seinen Vorgängern um die Landeshoheit zu tun war, drang rigide auf die Restitution aller seiner Rechte in der Stadt. Der Rezeß, der im Juli 1650 als einer der letzten im Reich abgeschlossen wurde, schrieb sie denn auch fest. Daß es damit aber nicht sein Bewenden haben würde, blieb niemandem verborgen. Johannes Dresanus, der geschickte Schultheiß, praktizierte mehr denn je; er betrieb, daß die Bürgeropposition, der er die Stichworte eingab, dem Erzstift in die Hände arbeitete. Den politischen Plan, dessen Verwirklichung der Friedenskongreß an sich befördern sollte, hatte er schon vor einiger Zeit entworfen: Die Ratsriege ins Unrecht setzen und armata manu gegen sie vorgehen, den Evangelischen die freie Religionsausübung gestatten und solcherart Anklang bei der Gemeinde, ja auch bei den umsitzenden Fürsten finden. Auf jeden Fall konnte Erfordia, die infidelis filia sedis Moguntinae, nur mit Gewalt wieder zur Botmäßigkeit gebracht werden. 118 ) Da der Rat so etwas befürchtete, suchte er sich das jus armorum zu sichern; es war der zweitwichtigste Punkt in seiner Instruktion für den Nürnberger Exekutionstag. Tatsächlich erreichte er, daß die mächtigen, in der Kriegszeit errichteten Festungswerke unversehrt der Stadt übergeben wurden, als die schwedische Garnison abzog. Allein die Verbindung zum Jahre 1664, dem Jahr der Unterwerfung, die mainzischerseits als Reduktion versinnbildlicht werden sollte 119 ), war durchaus zu erkennen. Das Schicksal von Erfurt, die Beugung unter das fürstliche jus territorii et superioritatis, das der Friedenskongreß bekräftigt hatte, erlitten auch die anderen großen Mediatstädte. Keine vermochte ihre Autonomie zu wahren. Die Zeit der Stadtfreiheit war ein für allemal vorbei. 116 ) Mindestens dreimal (Frühjahr und Herbst 1646 und im Dezember 1647) wurde eine außergewöhnliche Abgabe in Höhe von einem Drittel bzw. einem Viertel der regulären Steuer (Geschoß) erhoben; bezeichnend ist die Äußerung: „lieber 1/4 geschoß als in die seruitut" (StAE, 1 - 0 A IV 27, 3 5 a - 3 8 b , 89 a ; LHAM, Rep A 37b I II IX 29, 109 a ). 117 ) Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 33), 7 1 - 7 4 , 76, 78. 118 ) LHAM, Rep A 37b I II IX 29, 58 a , 84 a f., 112 b ; X V 170a, 2; Anspielung auf die Um-
s c h r i f t d e s S t a d t s i e g e l s : ERFORDIA. FIDELIS: EST: FILIA: MAGONTINE: SEDIS: ( U r k u n d e n b u c h
der Stadt Erfurt. Bearb. v. Carl Beyer. Bd. 1. Halle 1889, Tafel 1). 119 ) Alfred Overmann, Erfurt in zwölf Jahrhunderten. Eine Stadtgeschichte in Bildern. Erfurt 1929, 252 mit Abb. (Rückseite der Medaille auf die Eroberung Erfurts).
Die Friedensziele der Reichsritterschaft Von
Rudolf Endres
In seinem Standardwerk zum Westfälischen Frieden schreibt Fritz Dickmann: „Mit den größten und den geringsten Fragen sah sich dieser Kongreß befaßt; wer irgend ein Anliegen hatte, drängte sich herzu, Reichsstände, Landstände und Privatpersonen bestürmten die Abgesandten mit ihren Klagen, Bitten und Beschwerden ... Die Wetterauer Grafen und die freie Reichsritterschaft, beide durch eigene Gesandte am Kongreß vertreten, hofften auf Erfüllung aller Wünsche. Den Rittern ging es um den Zugang zu den hohen Stiftern, aus denen der Hochadel sie mehr und mehr verdrängte, und um das Recht, in den Dienst fremder Potentaten und Republiken zu treten. Vor allem ging es den Reichsrittern um das ius reformandi". 1 ) Das ist zwar richtig gesehen, aber damit sind bei weitem nicht alle Probleme, Anliegen oder Ziele angesprochen, die für die Reichsritter auf dem Kongreß eine wichtige und nahezu existentielle Rolle spielten. Im Vordergrund standen ohne Zweifel der Kampf um das ius reformandi und die volle Restitution in politicis et ecclesiasticis oder in sacris et profanis. Als nächstes aber mußte das gestörte Verhältnis zum Kaiser wiederhergestellt und geklärt werden. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Status der freien Reichsritterschaft und das Problem der fehlenden Landeshoheit oder Superioritas territorialis mit allen Folgen. 2 ) Um ihre Stellung im Reich abzusichern oder gar zu verbessern, brachen die Ritter einen monatelangen Präzedenzstreit mit den Reichsstädten vom Zaun, in dessen Verlauf sich die Frage erhob, ob die Ritter die Reichsstandschaft anstreben sollten. 3 ) Und schließlich wurde noch ein Bündnis der Ritter mit den geistlichen Fürsten ins Auge gefaßt. 4 ) Doch zuvor sei kurz auf Geschichte und Verfassung dieser Adelskorporation eingegangen, ohne deren Kenntnis die Rolle und die Friedensziele der Reichsritterschaft nicht verstanden werden können. Auch können nur so das
') Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 5. Aufl. Münster 1985, 394. ) Vgl. hierzu Gerhard Pfeiffer, Studien zur Geschichte der fränkischen Reichsritterschaft, in: JbFränkLF 22, 1962, 173-280, hier 183 f. 3 ) Ebd. 2 1 4 - 2 2 3 . 4 ) Hierzu Thomas Schulz, Der Kanton Kocher der Schwäbischen Reichsritterschaft 1 5 4 2 1805. Eßlingen 1986, 9 9 - 1 0 3 . 2
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Der Westfälische Friede und das Reich
schwierige Verhältnis zum Kaiser und die internen Spannungen und Spaltungen innerhalb der Adelskorporation nachvollzogen werden. Die freie Reichsritterschaft war ohne Zweifel das archaischste Element in der Verfassung des Alten Reiches. Es handelte sich um einen Personenverband von niederadeligen Grundherren, die sich zwischen 1540 und 1570 gegen den heftigen Widerstand der Landesfürsten aus den jeweiligen Landtagen zurückgezogen hatten. Unter dem unmittelbaren Schutz des Reichsoberhaupts bildeten sich die drei Ritterkreise in Schwaben, in Franken und am Rhein und gaben sich eigene Ordnungen, in Schwaben 1560, in Franken 1591 und am Rhein erst 1651.5) Die wichtigste Organisationsform der Ritterschaft waren die Orte oder Kantone. Der Schwäbische Ritterkreis bestand aus den fünf Orten Donau, HegauAllgäu-Bodensee, Neckar-Schwarzwald, Kocher und Kraichgau. Der Fränkische Kreis zählte die sechs Kantone Odenwald, Gebürg, Rhön-Werra, Steigerwald, Altmühl und Baunach, und zum Rheinischen Kreis zählten die Kantone Oberrhein, Mittelrhein und Niederrhein. Seit 1542 zahlten die Reichsritter keine Reichssteuern mehr, sondern leisteten dem Kaiser „Charitativsubsidien", wie sie auch ihre Truppen direkt dem kaiserlichen Kommando unterstellten. Zudem waren die Ritter nicht in die Reichskreisorganisation eingebunden. 6 ) Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde der Reichsritterschaft das Recht der freien Religionsentscheidung zugestanden, womit sie in Religionssachen den Reichsständen gleichgestellt war. Allerdings war nicht eindeutig entschieden, ob die Religionsfreiheit nur für den Ritter als Person oder auch für seine Untertanen, über die er das Patronatsrecht besaß, gelten sollte. 7 ) Darüber sollte es bald zum Streit kommen. Da es katholische und evangelische Reichsritter gab, war es für den Erhalt der Kantone notwendig, die Religionsfrage auszusparen, sollte die Zusammenarbeit weiterhin funktionieren. Hilfreich dabei war, daß es angesichts der
5
) Aus der Fülle der Literatur zur Reichsritterschaft seien besonders genannt: Karl Heinrich Frhr. Roth von Schreckenstein, Geschichte der ehemaligen freien Reichsritterschaft in Schwaben, Franken und am Rheinstrome. 2 Bde. Tübingen 1859-1871; Pfeiffer, Reichsritterschaft (wie Anm. 2); Dieter Hellstern, Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald 15601805. Tübingen 1971; Schulz, Kanton Kocher (wie Anm. 4); Volker Press, Kaiser Karl V., König Ferdinand und die Entstehung der Reichsritterschaft. Mainz 1975; ders., Die Ritterschaft im Kraichgau zwischen Reich und Territorium 1500-1623, in: ZGO 122, 1974, 35-98; ders., Die Reichsritterschaft im Reich der frühen Neuzeit, in: NassAnn 87, 1976, 101-122; Rudolf Endres, Die fränkische Reichsritterschaft, in: Max Spindler (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Bd. 3/1. München 1971, 381-391; ders., Adel in der Frühen Neuzeit. München 1993 (mit weiterer Literatur). 6
) Endres, Adel (wie Anm. 5), 12. ) Ebd. 65; Erwin Riedenauer, Reichsritterschaft und Konfession, in: Hellmuth Rössler (Hrsg.), Deutscher Adel. Bd. 2. Darmstadt 1965, 1-63, hier 48.
7
Endres, Die Friedensziele der
Reichsritterschaft
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relativen konfessionellen Offenheit für evangelische Adelige immer noch möglich war, ihre Söhne in Domkapiteln unterzubringen. 8 ) Das gute Verhältnis zum Kaiser geriet jedoch nach dem Fall Donauwörths 1605 in eine schwere Krise. 9 ) Denn das Reichsoberhaupt schied nun als Wahrer des Rechts und Beschützer der Kleinen im Reich aus, was sich unmittelbar auf die Reichsritter auswirkte. Die konfessionellen Gegensätze ließen sich nun nicht mehr überbrücken, und bald standen Reichsritter bei den beiden Konfessionsbünden Union und Liga an führender Stelle. 10 ) Die konfessionelle Polarisierung wurde jetzt in die Kantone getragen, obwohl noch 1620 auf dem Korrespondenztag verlangt wurde, die evangelischen Ritter sollten aus der Union ausscheiden, weil „unser ritterlich Collegium von zwei Religionen vornehmlich besteht". 11 ) Doch diese Forderung entsprach nicht mehr den Gegebenheiten, denn die Ritterschaft war bereits gespalten. Treu zum Kaiser hielten zu Beginn des Großen Krieges die traditionell katholischen und habsburgisch geprägten oberschwäbischen Kantone Donau und Hegau-Allgäu-Bodensee 12 ), einige Kantone waren ambivalent, und die Ritter der fränkischen Kantone Steigerwald, Rhön-Werra, Baunach und Gebürg schlössen sich mit ihren Kontingenten der evangelischen Union an, ohne ihr förmlich beizutreten. 13 ) Der Grund dafür war die harte gegenreformatorische Politik des Würzburger Bischofs Julius Echter, die sich nicht zuletzt gegen die evangelischen Reichsritter gerichtet hatte. 14 ) Nach dem Sieg am Weißen Berg wurden die Rekatholisierungen in den Hochstiften Würzburg und Bamberg weiter verstärkt, und zwar vorrangig gegen ritterschaftliche Dörfer, aus denen die evangelischen Prädikanten und Schulmeister vertrieben wurden. Allein im Gebiet der Diözese Würzburg wurden 110 evangelische Pfarrer durch katholische ersetzt. 15 ) Dabei erklärte Bischof Ehrenberg 1628, die „fränkische Ritterschaft sei dem Wortlaut der 8
) So hatte noch Johann Philipp von Schönborn seine Erziehung im evangelischen Gymnasium Philippinum zu Weilburg erhalten; Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 111. ) Ebd. 115 f. 10 ) Roth von Schreckenstein, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), Bd. 2, 376. ") Pfeiffer, Reichsritterschaft (wie Anm. 2), 216. 12 ) Die beiden Kantone waren fest in die vorderösterreichischen Territorien Habsburgs eingebunden. Vgl. Rudolf Endres, Oberschwäbischer Adel und absoluter Staat. Herrschaftsstil und Herrschaftstechnik in Oberschwaben, in: Peter Blickle (Hrsg.), Politische Kultur in Oberschwaben. Tübingen 1993, 147-174. 13 ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 116. 14 ) Ernst-Günter Krenig, Das Hochstift Würzburg in den Jahrzehnten der Gegenreformation, in: ders./Peter Kolb (Hrsg.), Unterfränkische Geschichte. Bd. 3. Würzburg 1995, 197-207. 15 ) So etwa in den ritterschaftlichen Orten Altenstein, Marktbreit, Rentweinsdorf, Rödelsee, Seinsheim, Wiesentheid und Erlach. Vgl. Friedrich Bendel, Zur Geschichte der Gegenreformation im Gebiet des Bistums Würzburg, in: ZBKiG 8, 1933, 233-237; Bernhard Sicken, Politische'Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (1618/19-1642), in: Krenig/ Kolb (Hrsg.), Unterfränkische Geschichte (wie Anm. 14), 277-326, hier 291-295. 9
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Der Westfälische
Friede und das Reich
alten Lehensverträge gemäß nicht reichsunmittelbar", sondern „des Bischofs und des Stifts Ritterschaft". 16 ) Deshalb habe sie sich nach dem Konfessionsstand des Bischofs zu richten. Alle sechs Kantone der fränkischen Ritterschaft wandten sich um Schutz an den Kaiser, der dem Bischof gebot, die Ritterschaft und ihre Untertanen nicht zu „beschweren". Doch Bischof Ehrenberg argumentierte nun dem Kaiser gegenüber, daß die Ritter weder ein eigenes Territorium noch die Landeshoheit besäßen, sondern nur die „niedere Vogtei" über ihre Hintersassen. 17 ) Der Kaiser verlangte dennoch, „gedachte ritterschaft in der reichsimmedietet unperturbiret zu laßen". Nach dem Erlaß des Restitutionsedikts aber gab der Kaiser dem Bischof den Rat, daß er „mit der angefangenen reformation fortfahren möge" 18 ), was dieser auch tat. Allerdings konnte er beim Kaiser nicht erreichen, daß alle Reichsritter, die auf der Seite der Union gekämpft hatten, in die Reichsacht erklärt, ihre Güter konfisziert und ihm als Lehensherrn übertragen wurden. 19 ) Damit wären Würzburg und Bamberg zu weitgehend geschlossenen Territorien geworden, woran jedoch dem Kaiser nicht gelegen sein konnte. Die militante Restitutionspolitik der Bischöfe in Würzburg, Bamberg 20 ) und Eichstätt trieb die evangelischen Reichsritter sofort in das schwedische Lager, als Gustav Adolf 1632 in Süddeutschland erschien. Geschickt sandte der König einen seiner Offiziere, einen Reichsritter aus dem Kochergau, als Gesandten voraus, um mit seinen Standesgenossen in Franken und Schwaben zu verhandeln 21 ), und bald zerbrach definitiv die Einheit der Adelskorporation. Die fränkischen Reichsritter, die bereits enge Verbindung mit den 1632 in Leipzig versammelten protestantischen Reichsständen aufgenommen und eigene Truppen angeworben hatten 22 ), wechselten geschlossen zu Gustav Adolf, als dieser im Herbst des gleichen Jahres in Franken einmarschierte und
16 ) Erik Soder von Güldenstubbe, Die Restitution unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg 1523-1631, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 43, 1981, 3 4 3 - 3 9 6 , hier 349. 17 ) Ebd.; Sicken, Geschichte (wie Anm. 15), 2 9 3 - 2 9 5 . 18 ) Soder v. Güldenstubbe, Restitution (wie Anm. 16), 350. Grundsätzlich hierzu Michael Frisch, Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. vom 6. März 1629. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. Tübingen 1993. 19 ) Soder von Güldenstubbe, Restitution (wie Anm. 16), 352. 20 ) Vgl. hierzu Johann Looshorn, Geschichte des Bisthums Bamberg. Bd. 6. Bamberg 1906, N D Neustadt a.d. Aisch 1980, 9 6 f . ; Georg Hübsch, Das Hochstift Bamberg und seine Politik unmittelbar vor dem ersten Einfall der Schweden 1631. Bamberg 1 8 9 5 , 9 1 - 9 5 . 21 ) Es war dies der Ritter Bernhard Schaffalitzki von Muckendell, Mitglied des Kantons Kocher. Vgl. Gerhard Assfahl, Bernhard Schaffalitzki von Muckendell, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 12, 1972, 6 6 - 9 9 , hier 76 ff. 22 ) Christa Deinert, Die Schwedische Epoche in Franken von 1631 bis 1635. Phil. Diss. Würzburg 1966, 36.
Endres, Die Friedensziele
der
Reichsritterschaft
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Würzburg zum Zentrum der schwedischen Deutschlandpolitik machte. 23 ) Er garantierte der Ritterschaft ihre Reichsunmittelbarkeit und ihre Privilegien, vor allem die Religionsfreiheit, woraufhin die Reichsritter ihre rekatholisierten Pfarreien wieder restituierten. 24 ) Im schwedischen Heer dienten zum Beispiel allein aus der Familie Bibra sechs hohe Offiziere 25 ), und an der Spitze der schwedischen Zivilverwaltung in Würzburg standen die beiden fränkischen Ritter Veit Ulrich Truchseß von Wetzhausen und Adam Hermann von Rotenhan. 26 ) Zur Enttäuschung der Ritter aber blieben sie bei den Donationen des Schwedenkönigs unberücksichtigt. 27 ) Dies änderte sich erst unter Oxenstierna, der die „oberen Kreise" im Heilbronner Bund zusammenschloß, dem auch die evangelischen Teile der drei Ritterkreise im Frühjahr 1633 beitraten, die fränkischen Ritter sogar als Kantone. 28 ) Allerdings war die fränkische Ritterschaft nur mit den drei Kantonen Odenwald, Baunach und Rhön-Werra vertreten, da die drei anderen Kantone völlig vernichtet und aufgerieben waren. Selbstverständlich fehlten im Heilbronner Bund die beiden kaisertreuen Kantone Donau und Hegau-Allgäu-Bodensee aus den habsburgischen Vorderlanden. 29 ) Während sich die Reichsritter bisher geweigert hatten, Reichssteuern zu bezahlen, wurden sie nun im Heilbronner Bund mit einem festen Steueranschlag in die Bundesmatrikel aufgenommen, und zwar mit beachtlichen Beiträgen. 30 ) Als Vertreter der Ritter zog Hans Erhardt von Wolfskehl als achtes Mitglied in den Bundesrat ein. 31 ) Die evangelischen Ritter sahen nun nicht mehr im Kaiser den Garanten ihrer Immedietät, sondern in der fremden Krone Schweden. Oxenstierna gewährte nun zwar auch einigen besonders verdienten Mitgliedern der Reichsritterschaft einige Schenkungen 32 ), doch zu ihrer großen Enttäuschung wurde Graf Brandenstein mit Eichstätt, Konstanz und Augsburg 23
) Ebd. 47 ff.; Reinhard Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg. Die Regierungszeit des Bischofs Franz von Hatzfeld 1631-1642. Würzburg 1979, 5 9 - 6 4 . 24 ) Hübsch, Hochstift Bamberg (wie Anm. 20), 9 1 - 9 4 . 25 ) Martin Stingl, Reichsfreiheit und Fürstendienst. Die Dienstbeziehungen der von Bibra 1500 bis 1806. Neustadt an der Aisch 1994, 6 4 - 7 4 . 26 ) Deinert, Epoche (wie Anm. 22), 171; Weber, Würzburg (wie Anm. 23), 5 9 - 6 4 . 21 ) Als Rechtsgrundlage für die Vergabungen diente dem Schwedenkönig das ius belli. Vgl. Deinert, Epoche (wie Anm. 22), 132. Siehe mch Anton Ph. Brück, Schwedische „Donationen" aus kurmainzer Besitz, in: HessJbLG 7, 1957, 2 3 0 - 2 5 8 . 28 ) Johannes Kretzschmar, Der Heilbronner Bund 1632-1635. 3 Bde. Lübeck 1922, Bd. 2, 274. 29 ) Ebd. Bd. 1, 260. 30 ) Beispielsweise zahlten die Ritter des Kantons Odenwald (in der Zeit vom 1. Mai 1633 bis zum 30. April 1634) 37 4 5 0 f l „ der Kanton Rhön-Werra 24 96611. Ebd. Bd. 3, 117-126. 31 ) Ebd. Bd. 2, 274. 32 ) So erhielt etwa der Kriegsratspräsident Melchior Reinhard von Berlichingen das Stammhaus Berlichingen und das Dorf Hüngheim verliehen, und das Geschlecht derer von Stiebar bekam das Schloß Hohenberg aus fürstbischöflich-regensburgischem Besitz. Vgl. Deinert, Epoche (wie Anm. 22), 155.
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Der Westfälische Friede und das Reich
ausgezeichnet 33 ), das Ritterstift von St. Peter in Wimpfen fiel an die Reichsstadt 34 ), und Feldmarschall Horn erhielt Mergentheim, den Mittelpunkt des Deutschen Ordens, eines bisher reichsadelig geprägten Verbandes 35 ). Noch mehr aber schockierte die Ritter, daß die Bistümer Würzburg und Bamberg 1633 Bernhard von Weimar übertragen wurden, womit der Traum von einer Umwandlung der Stifter in evangelische Adelskorporationen ausgeträumt war. Als Herzog von Franken zog Bernhard von Weimar nicht nur die Rechte des Landesherrn und Bischofs an sich, sondern sogar die des reichsadeligen Domkapitels, wogegen sich die fränkischen Reichsritter, die bisher treuesten Anhänger der Schweden, erbittert zur Wehr setzten. 36 ) Als Herzog Ernst von Weimar auf einem Kreistag von „Prälaten, Grafen und Ritterschaft des Landes Franken" sprach und nicht von freien Reichsständen und Reichsrittern, kam es zu heftigen Protesten von Seiten der Ritter, die schließlich die Versammlung verließen. 37 ) Die Würzburger Regierung unter Ernst von Sachsen aber behauptete das ius superioritatis et territorii und bestand darauf, daß auch die Reichsritter Herzog Bernhard von Weimar als Landesherrn anerkennen müßten, die sich dieser „Landsässerei" jedoch strikt verweigerten. 38 ) Der Zusammenschluß mit Schweden hatte den konfessionellen Bruch innerhalb der Reichsritterschaft offenkundig gemacht. Die evangelischen Ritter in Franken und in den gemischten Kantonen in Schwaben und am Rhein hatten sich mit einer fremden Macht verbündet und dem Kaiser die Treue gebrochen, was sie nach der Schlacht von Nördlingen zu spüren bekamen. Doch der Kaiser war klug genug, nicht gegen die adeligen Korporationen oder die ritterschaftlichen Kantone vorzugehen, sondern gegen einzelne „Rebellische vom Adel", die sich auf schwedischer Seite oder im Heilbronner Bund besonders exponiert hatten. Diese wurden ins Exil getrieben, ihre Güter wurden konfisziert. 39 ) Die Masse der evangelischen Ritter aber wurde in die Amnestie des Prager Friedens von 1635 aufgenommen, von der namentlich nur einige Ritter ausgenommen waren, wie etwa der Bundesrat Hans Erhardt von Wolfskehl. Nachdem dieser offiziell Abbitte geleistet hatte, wurde auch er vom Kaiser begnadigt und erhielt seine Güter zurück. 40 ) Die Ritter waren aufgrund der tiefen 33
) Ebd. 153 f. ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 119. 35 ) Hanns Hubert Hoftnann, Der Staat des Deutschmeisters. Studien zu einer Geschichte des Deutschen Ordens im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. München 1964, 253-257. 36 ) Deinert, Epoche (wie Anm. 22), 156-166. 37 ) Kretzschmar, Heilbronner Bund (wie Anm. 28), Bd. 2, 275 f. 38 ) Das Verhältnis zur fränkischen Reichsritterschaft verschlechterte sich zusätzlich, da die Regierung des Herzogs bei der Besetzung der wichtigsten Positionen hauptsächlich auf Landfremde zurückgriff. Sicken, Geschichte (wie Anm. 15), 305-313; Kretzschmar, Heilbronner Bund (wie Anm. 28), Bd. 2, 275-280. 39 ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 119. 40 ) Kretzschmar, Heilbronner Bund (wie Anm. 28), Bd. 3, 108-113. 34
Endres, Die Friedensziele der
Reichsritterschaft
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Enttäuschungen durch die Schweden mehrheitlich bereit, die Amnestie auch innerlich zu akzeptieren. Eine Reihe evangelischer Ritter aber kämpfte weiterhin auf der Seite der Schweden. Sie machten erst später durch die Generalamnestie von 1648 ihren Frieden mit dem Kaiser. Bischof Hatzfeld von Würzburg und Bamberg war vor Abschluß des Prager Friedens eigens nach Wien gereist, um beim Kaiser zu erreichen, daß die Güter aller „ungetreuen Rebellischen vom Adel" konfisziert und an die Stifte übertragen werden sollten. 41 ) Doch der Kaiser lehnte ab, da er seinen Einfluß in der Reichskirche nicht aufgeben wollte. 42 ) Er machte vielmehr seinen Frieden mit den Reichsrittern, deren Kantone und Organisationen sogleich wieder zu arbeiten begannen. 43 ) Denn die Ritter erkannten, daß ihre Einheit als Adelskorporation nur durch die unmittelbare Beziehung zum Kaiser und unter seinem Schutz aufrechterhalten werden konnte, sonst drohte die konfessionelle Spaltung und damit das Ende der Reichsfreiheit. Die Reichsunabhängigkeit war für die Ritter aber letztlich wichtiger als die Konfessionsfrage. Doch zunächst belasteten die Spannungen zwischen evangelischen und katholischen Rittern, zwischen ehemals mit Schweden Verbündeten und Kaisertreuen die Zusammenarbeit und das Zusammenleben der Ritter, was nun auf dem Friedenskongreß in Münster und Osnabrück überwunden und ausgeräumt werden sollte. 44 ) Auch mußte das lange Jahre gestörte Verhältnis zum Reichsoberhaupt als Schutzmacht der Reichsritterschaft wiederhergestellt und neu geordnet werden. Auch die freie Reichsritterschaft war von Schweden und Frankreich und vom Kaiser „angeschrieben" und zur Teilnahme am Friedenskongreß aufgefordert worden. Vertreter der Ritter, die zu den „Sonstigen aus dem Reich" ohne Sitz und Stimme gezählt wurden, war der rührige Wolfgang von Gemmingen-Hornberg, ein hervorragender Jurist und evangelisches Mitglied des Kantons Kraichgau. 45 ) Seine Tätigkeit und sein Wirken vermitteln auch einige Einblicke in die Behandlung und in die Beteiligung der kleinen und kleinsten Potentaten an der Suche nach einer dauerhaften Friedensregelung. Allerdings 41
) Weber, Würzburg (wie Anm. 23), 189. ) Sickert, Geschichte (wie Anm. 15), 313 f. 43 ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 119f.; siehe auch Adam Wandruszka, Reichspatriotismus und Reichspolitik zur Zeit des Prager Friedens von 1635. Graz/Köln 1955, 9 4 96. 44 ) Zum Wandel der sozialen Struktur des Reichsadels infolge des Kriegsgeschehens und der gezielten kaiserlichen Politik siehe Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 120; ders., Soziale Folgen des Dreißigjährigen Kriegs, in: Winfried Schulze (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität. München 1988, 239-268; Rudolf Endres, Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges in Franken, in: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft 35/36, 1988/89, 351-367, bes. 361-363. 45 ) Siehe Carl Wilhelm E L. Stocker, Chronik der Familie von Gemmingen und ihrer Besitzungen. Bd. 1. Heidelberg 1865. Bd. 2. Heilbronn 1874-1881. Bd. 3. Heilbronn 1880, bes. Bd. 2, 79 und 97-99. 42
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Der Westfälische
Friede und das Reich
war das Problem der Reichsritterschaft für die größeren Mächte und Stände wirklich nur von marginaler Bedeutung, während es für die Ritter selbst um ihre Existenz ging. Gemmingens bescheidene Rolle am Rande der Friedensverhandlungen führte dazu, daß seine Aufgaben als Interessenvertreter oder „Lobbyist" nur selten schriftlichen Niederschlag fanden. Meist erfahren wir nur, daß er bei diesem oder jenem Gesandten zum Abendessen eingeladen war, nicht aber, was dabei besprochen und verhandelt wurde. 46 ) Auch die Korrespondenz mit den Ritterkantonen, die ihn nach Münster entsandt hatten, ist sehr dürftig. Denn von den sechs fränkischen Ritterkantonen waren zu dieser Zeit nur drei überhaupt einigermaßen arbeitsfähig. Die anderen waren personell und materiell völlig aufgerieben, nämlich die Kantone Gebürg, Steigerwald und Baunach. 47 ) Von den Kantonsarchiven gab es nicht einmal mehr Reste. Die kaisertreuen Kantone Donau und Hegau-Allgäu-Bodensee aber mißtrauten ihrem eigenen Gesandten und korrespondierten kaum mit ihm. 48 ) Wegen der fehlenden Quellen sind oft nur die Ergebnisse der Verhandlungen bekannt, während sich die Entscheidungsprozesse, die verschiedenen Positionen und schrittweisen Kompromisse nicht rekonstruieren lassen. Aus der Sicht Gemmingens war das Jahr 1646 von zwei für die Ritter entscheidenden Fragen bestimmt: einmal von dem Streit um die Auslegung des ius reformandi, und zum anderen von dem Präzedenzstreit mit den Reichsstädten. An der persönlichen Religionsfreiheit der Ritter gab es seit dem Augsburger Religionsfrieden keinen Zweifel mehr, doch ob sie auch das Recht hatten, ihre Untertanen auf die eigene Glaubensentscheidung zu verpflichten, war umstritten. Die katholischen Stände verweigerten den Reichsrittern generell das Recht, die Religionsfreiheit auch auf ihre „Dorfschaften" zu übertragen und über die Konfession ihrer Hintersassen und das Kirchengut zu bestimmen. 49 ) Der Kaiser schlug vor, das Reformationsrecht der Reichsritterschaft vom Besitz des ius gladii oder des ius territorii abhängig zu machen. 50 ) Die evangelischen Reichsstände und Schweden aber forderten für die Reichsritter das uneingeschränkte ius reformandi, wie es jedem Reichsstand zukam. 51 ) In den Verhandlungen über die „Religions-Gravamina" wurde das ius fidei immer öfter 46
) Vgl. etwa Diarium Lamberg 1645-1649: Acta Pacis Westphalicae [APW] Ser. III. Abt. C. Bd. 4. Münster 1986, 242. 47 ) Kretzschmar, Heilbronner Bund (wie Anm. 28), Bd. 1, 260. 48 ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 120; Dickmann, Westfälischer Frieden (wie Anm. 1), 199. A P W Ser. III. Abt. A. Bd. 4/1. Münster 1970, 126, 2 4 0 f „ 248. 5°) Ebd. 292. 5I ) Johann Gottfried von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Tie. Hannover 1734-1736, N D Osnabrück 1969, T. 3, 284.
Endres, Die Friedensziele
der
Reichsritterschaft
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an das ius superioritatis gebunden, wogegen sich Gemmingen heftig zur Wehr setzte, der es strikt ablehnte, daß das ius reformandi „einzig und allein auf das ius territorii will ausgesetzt werden". 52 ) Besonders gefährlich und bedrohlich aber war es, wenn die Territorial- oder Landeshoheit mit dem Besitz der Reichsstandschaft verbunden wurde, wie es manche katholischen Stände, voran Kurbayern, taten, denn die Reichsstandschaft besaßen die Ritter nachweislich nicht. 53 ) In einem ausführlichen Gutachten für Maximilian Graf von Trauttmansdorff, der auf der Grundlage eines vom Kaiser übertragenen konfiszierten Guts selbst Mitglied der Reichsritterschaft im Kraichgau geworden war, legte Gemmingen am 1. Juni 1646 den Standpunkt der Ritter dar. Gemmingen weist darauf hin, daß auf keinem der Reichstage seit 1555 das ius reformandi der Reichsritterschaft in der von ihnen vertretenen extensiven Interpretation angezweifelt worden sei, auch nicht auf dem Reichstag 1594 zu Regensburg, auf dem die Katholiken ihre Gravamina zusammengestellt hatten. Auch habe der Kaiser der Reichsritterschaft mehrfach das Recht der Religionsfreiheit bestätigt, so noch 1623 und 1630. Gemmingen versäumt es aber auch nicht, daran zu erinnern, daß in dem kaiserlichen Heer mehr als 80 Generäle und Obristen und eine Vielzahl anderer Offiziere aus der Reichsritterschaft gedient hätten oder noch dienten, die einen Entscheid gegen die Ritter und eine Minderung ihrer Rechte nicht verstehen würden. 54 ) Die evangelischen Reichsstände machten sich den Standpunkt Gemmingens zu eigen und verlangten im Juli 1646: „Die Freye ohnmittelbare Reichs-Ritterschaft soll deren beyden Religionen und daran hangenden Rechten halber denen Ständen gleich gehalten, und ihnen samt ihren Unterthanen und Hintersassen darüber gantz kein Eintrag geschehen, sondern dafern etwa einiger beschehen wäre, sie dawieder restituiret werden". 55 ) In den Instruktionen Kaiser Ferdinands an Graf Trauttmansdorff vom 8. Oktober 1646 erklärte das Reichsoberhaupt sich bereit, das uneingeschränkte ius reformandi der Ritter, wie die Evangelischen dies forderten, anzuerkennen. 56 ) In diesem Zusammenhang darf sicher die Rolle der Reichsritter am kaiserlichen Hof als „Lobbyisten" der ritterschaftlichen Belange nicht unterschätzt werden. Mit der „Endlichen Erklärung" des Kaisers vom 1. Dezember 1646 war diese umstrittene Frage im Sinne der Reichsritter und ihrer Hintersassen verglichen 57 ) und wurde so auch in Art. V § 28 des Friedens von 52 53
) Siehe Hellstem,
Ritterkanton Neckar-Schwarzwald (wie Anm. 5), 38 f.
) Pfeiffer, Reichsritterschaft (wie Anm. 2), 184 f. 54 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 51), T. 3, 128-133. 55 ) Ebd. 284. 56 ) A P W Ser. II. Abt. A. Bd. 5. Münster 1993, 9 7 - 1 0 2 . 57 ) Siehe Karsten Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß ( 1 6 4 3 - 1 6 4 8 ) . Münster 1979, 265.
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Der Westfälische Friede und das Reich
Osnabrück aufgenommen. 58 ) Mit der Festlegung des Stichjahres war der jeweilige Konfessionsstand der Reichsritter und ihrer Hintersassen eindeutig und unangreifbar festgeschrieben. Nicht erfüllt wurden dagegen die Hoffnungen und Erwartungen des evangelischen Adels, daß ihm die geistlichen Stifte als Adelskorporationen zu ihrer Versorgung zugeteilt würden. Die Entscheidung zwischen kirchlichen Pfründen und evangelischer Konfession wurde nun unvermeidbar. Mit der strikten Unvereinbarkeit von protestantischer Konfession und altkirchlichen Pfründen, wie sie in dem Friedenswerk festgeschrieben wurde 59 ), verloren die evangelischen Ritter - im Gegensatz zur Zeit vor 1618 - eine wichtige Versorgungsgrundlage, was in der Folgezeit häufig zu einem Bekenntniswechsel führte insbesondere beim fränkischen Adel, dem die rund 1000 Pfründen der Mainzer Kirchenprovinz oder der „Pfaffengasse" zur Verfügung standen. 60 ) Hier hatte sich gegenüber der Zeit vor dem Großen Krieg Grundlegendes für den evangelischen Adel geändert. Mit der Religionsfreiheit aber wurde den Rittern nicht zugleich auch die Landeshoheit zugewiesen, weshalb sie in Art. VIII § 1 IPO, in welchem die Landeshoheit der Reichsstände anerkannt wurde, nicht aufgeführt werden. Als besonders wichtiges Kriterium der Landeshoheit wurden in Art. VIII § 2 IPO das Bündnis- und das Kriegsrecht der Reichsstände hervorgehoben. 61 ) Auch hier blieb die Reichsritterschaft, sicher nicht ohne Absicht und mit Recht, unerwähnt. Denn das ius pacis et belli haben die Ritter nie besessen, und es wurde ihnen auch nicht zugestanden, wohl aber das Recht, in fremde Dienste zu treten. Dagegen wurden in Art. IV § 17 IPO die Reichsunmittelbarkeit, die Privilegien und Immunitäten der freien Reichsritterschaft ausdrücklich bestätigt und garantiert. Sie waren membra imperii, aber nicht status imperii.62) In der Frage der Religionsfreiheit und der Reichsunmittelbarkeit war der Westfälische Friede also ein großer Erfolg für die Reichsritter. Ihre Existenz und Reichsfreiheit waren definitiv gesichert. Nicht entschieden wurde in dem Friedenswerk dagegen der Präzedenzstreit mit den Reichsstädten. Dabei ging es um den Vortritt bei Versammlungen und Festveranstaltungen sowie um die Reihenfolge der Nennung in offiziellen Anschreiben. Es war also ein verfassungsrechtliches und ein soziales Problem, das erstmals auf dem Korrespondenztag der Union in Nürnberg 1619 die Gemüter bewegt hatte, als die Vertreter der Reichsritter den Vortritt vor den Städ58
) Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.), Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1495-1815. Darmstadt 1976, 179f. 59 ) Ebd. 175 f. 60 ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 121; Endres, Adel (wie Anm. 5), 44—46 und 74—77. 61 ) Hofmann (Hrsg.), Quellen (wie Anm. 58), 189f.; Hellstern, Ritterkanton NeckarSchwarzwald (wie Anm. 5), 38—41. 62 ) Pfeiffer, Reichsritterschaft (wie Anm. 2), 185.
Endres, Die Friedensziele der
Reichsritterschaft
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ten forderten. 63 ) Offen brach dann der Streit auf dem Frankfurter Kongreß des Heilbronner Bundes 1634 aus, als die Abgesandten der Ritter gleich nach den Grafen Platz nehmen konnten. Die Städte drohten damit, den Kongreß zu verlassen, falls die Ritter den Vortritt erhalten sollten, und die Ritter wollten lieber Blut und Gut daran setzen, als dem Bürgerstand zu weichen. Nur durch den Trick des „runden Tisches" konnte Oxenstierna die beiden streitenden Parteien zur Mitarbeit am Kongreß bewegen. 64 ) Auf dem Friedenskongreß aber ging es nicht nur um den protokollarischen Vortritt, sondern auch um die Rangfolge in offiziellen Schreiben. Denn über einen Präzedenzstreit suchten die Reichsritter ihre höhere soziale Qualität gegenüber den bürgerlichen Städtern auszuspielen und damit eine Absicherung und, wenn möglich, sogar Verbesserung ihrer bescheidenen reichsrechtlichen Stellung zu erlangen, da die Reichsstädte immerhin und unzweifelhaft die Reichsstandschaft besaßen. War die Anerkennung der Präzedenz des niederen Reichsadels einmal erreicht, dann konnte vielleicht seine reichsrechtliche Stellung weiter ausgebaut werden. 65 ) Aufgeschreckt wurde die Reichsritterschaft durch den schwedischen Friedensentwurf, vorgelegt an Trinitatis 1645, der in der Reihenfolge der Mitglieder des Reiches die Ritter hinter die Städte einordnete. 66 ) Hier ging es für die Ritterschaft nicht mehr um persönliche oder ständische Eitelkeiten, sondern um die amtliche Festlegung in einem staats- und völkerrechtlichen Dokument. Es ging auch nicht mehr nur um die höhere Ehre, sondern um die Stellung im Gefüge des Reiches. Als dann auch in der kaiserlichen Proposition vom 17. September 1645 in Artikel III die Ritterschaft den Städten nachgesetzt wurde 67 ), mußte Gemmingen aktiv werden. Bei den evangelischen Fürsten erreichte er sogleich, daß sie in ihren Bedenken zur Amnestiefrage im Januar 1646 den Rittern die Präzedenz vor den Städten einräumten. 68 ) Vor allem aber wandte sich Gemmingen am 8. Februar 1646 mit einem eingehenden Gutachten an Trauttmansdorfif, in dem er nachdrücklich die höhere soziale Qualität des Adels betonte und meinte, daß „auch in Franckreich, Spanien, Engelland, Italien, ja in den vereinigten Niederlanden selbsten, und in der ganzen weiten Welt der Adel überall den Vorzug hat, also daß es zumal eine unerhörte, und der von der Natur und allen Völckern eingepflanzte Ordnung zuwider lauffende Sache ist, daß dem Adel die Städte sollen vorgezogen werden". Auch sei es unmöglich, daß der „Reichs- oder Deutsche Adel, insbesondere der ritter-
63
) Ebd. 215. ) Ebd. 216-219; Kretzschmar, Heilbronner Bund (wie Anm. 28), Bd. 1, 214f. und 438f. ) Eingehender zu diesem Präzedenzstreit Günter Buchstab, Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß. Münster 1976, 98-108. 66 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 51), T. 2, 793 ff. 67 ) Ebd. T. 1,619. 68 ) Ebd. T. 2, 314. 64 65
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Der Westfälische Friede und das Reich
liehe militärische Stand und alle, die durch Militärischen Valor und Politische Tugend sich auszeichnen und noch auszeichnen werden, von Bürgerlichen übertroffen und vorgezogen werden sollen". 69 ) Weiter wandte sich Gemmingen mit seinem Anliegen an den Kaiser, an Erzherzog Leopold Wilhelm und an den Kurfürsten von Mainz, von dem er sich besonderen Schutz und Unterstützung erhoffte und auch erhielt. Auch General Hatzfeld, selbst Reichsritter, setzte sich für den Vorrang der Ritter ein. 70 ) Tatsächlich gaben die Kaiserlichen in ihrem Friedensentwurf vom 1. Mai 1646 den Rittern den geforderten Vorrang. 71 ) Doch die Städte gaben nicht auf und machten Gemmingen sogar den Vorwurf, durch seine Anmaßung das ganze Friedenswerk zu gefährden. Zwar gaben die evangelischen Fürsten in ihren Erklärungen im Laufe des Sommers stets den Rittern den Vorrang 72 ), dafür aber begannen die Schweden unerwartet, „die Städte der Ritterschaft zu praeferiren". Denn die evangelischen Reichsstädte unter Führung Nürnbergs hatten die Schweden inzwischen von dem Vorrang der Reichsstädte gegenüber den Reichsrittern überzeugen können. 73 ) In einem erneuten Memorial an Trauttmansdorff vom 1. Juni leitete Gemmingen den Vorrang des Adels nicht nur von seiner sozialen Dominanz im Reich ab, sondern führte auch mehrere wichtige reichsrechtliche Präzedenzfälle auf, bei denen die Ritter den Städten vorangestellt worden waren: die Goldene Bulle, den Augsburger Religionsfrieden, die Reichskammergerichtsordnung und den Prager Frieden. 74 ) Die Städte aber setzten sich zur Wehr, denn sie befürchteten den Verlust der Reichsstandschaft und sahen die Gefahr, „gänzlich um ihr votum zu kommen". Auch bezweifelten die Städte, ob der Protestant Gemmingen von den überwiegend katholischen Reichsrittern das Recht erhalten habe, sowohl in allen Religionsangelegenheiten als auch in der Frage der Präzedenz für sie zu sprechen. 75 ) Tatsächlich hatten die Kantone Donau und Hegau insgeheim Dr. Johann Leuxelring mit der Vertretung ihrer streng katholischen Interessen betraut. 76 ) Nach Meinung der Städte würde eine Änderung der bestehenden Verhältnisse im Sinne der Ritter den Umsturz der Reichsverfassung bedeuten. Schließlich einigte man sich im August 1646 auf einen Kompromiß, der letztlich den Streit nicht entschied. Man führte in den Schriftstücken Kurfürsten, Fürsten und Stände an, dann folgten die Reichsritter und danach erst die Städte, allerdings mit dem Zusatz, daß die Städte eigentlich bereits in dem Ausdruck „Stände" mit einbegriffen seien, daß dies aber nochmals ausdrück69
) ) 71 ) 72 )
Ebd. T. 2, 793-795. Ebd. T. 3, 589-591. Ebd. T. 2 , 6 7 . Ebd. T. 3, 284 und 361. APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6. Münster 1981, 294f. 74 ) Meiern, Acta pacis Westphalicae (wie Anm. 51), T. 3, 128-133. APW Ser. III. Abt. A. Bd. 6 (wie Anm. 73), 358, 380. 76 ) Press, Reichsritterschaft (wie Anm. 5), 120. 70
Endres, Die Friedensziele
der
Reichsritterschaft
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lieh angeführt werden müsse, weil diese Tatsache manchmal bestritten werde. 77 ) Diese diplomatische Formulierung wurde so auch in den Friedensvertrag übernommen, doch werden die Reichsritter verschiedentlich eindeutig vorgezogen, wie etwa in Art. V § 2 des Friedens von Osnabrück, der das Stichjahr festlegte. 78 ) Während dieses Präzedenzstreites und der Verhandlungen über strittige Verfassungsfragen tauchte als Argument gegen die Ritterschaft stets auf, daß sie nicht die Reichsstandschaft besitze. Deshalb wurden auch in der Ritterschaft Überlegungen angestellt, sich um Sitz und Stimme auf den Reichstagen zu bemühen, wie dies etwa der Kanton Kraichgau von dem Direktorium des Schwäbischen Kreises forderte. Der Kanton meinte, „daß wir uns in diesem passu nicht besser versehen werden, es um unseren so teuer erworbenen Staat, Stand und Libertät beschehen" wäre. 79 ) Doch die Juristen der schwäbischen Ritterschaft, Knipschildt und Kreydemann, rieten in ihren eingehenden Gutachten von dem Erwerb der Reichsstandschaft ab, da sie nur Nachteile bringen würde. 80 ) Zudem war die Ritterschaft selbst in der Frage der Reichsstandschaft gespalten. Die kaisertreuen Kantone Donau, Hegau-Allgäu-Bodensee und Nekkar-Schwarzwald sahen im unmittelbaren Schutz des Kaisers ihre Immedietät besser gewahrt, und die Kantone Altmühl und Kocher befürchteten die Lasten, die die Reichsstände den Reichsrittern aufbürden könnten. Wie sehr die verfassungsrechtlichen Fragen mit sozialen Geltungsansprüchen verbunden waren, zeigt der Ausspruch des Hans Erhard von Wolfskehl, der befürchtete, daß die Bürgermeister von Bopfingen oder Aalen dem „vornehmsten Reichskavalier" vorgezogen werden könnten. 81 ) Gegen die Reichsstandschaft der Reichsritter aber waren vor allem die Reichsstädte, da sie um ihre Position auf den Reichstagen fürchteten. Dagegen war auch der Kaiser, da er mit den Subsidia charitativa der Ritter über direkte und verläßliche Einnahmen verfügte. Außerdem wollte er seinen Einfluß auf die Reichskirche und die Reichsstände, den er über die Reichsritter ausüben konnte, nicht verlieren. Dagegen waren auch die Reichsfürsten, da sie noch immer hofften, die Reichsritter mediatisieren zu können, was bei einer Reichsstandschaft nicht mehr möglich gewesen wäre. Am Widerstand der Stände und an der eigenen Uneinigkeit scheiterten letztlich die Versuche der Reichsritterschaft, Sitz und Stimme auf dem Reichstag zu erlangen. Doch wurde diese Frage noch Jahre nach dem Friedensschluß auf den Rittertagen diskutiert und schließlich aufgegeben. 82 ) 77
) ) 79 ) 80 ) 81 ) 82 ) 78
Buchstab, Reichsstädte (wie Anm. 65), 107. Hofmann (Hrsg.), Quellen (wie Anm. 58), 175. Pfeiffer, Reichsritterschaft (wie Anm. 2), 220. Schulz, Kanton Kocher (wie Anm. 4), 98. Pfeiffer, Reichsritterschaft (wie Anm. 2), 222 f. Ebd. 223-280.
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Der Westfälische Friede und das Reich
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle von Kurmainz. Während Kurfürst Anselm Kasimir Wambold von Umstadt noch an Trauttmansdorff geschrieben hatte, daß das beste Mittel zum Erhalt und zur Sicherung der Reichsritterschaft die Erlangung der Reichsstandschaft sei 83 ), änderte sich diese Haltung mit dem Erscheinen von Johann Philipp von Schönborn, der selbst einem reichsritterschaftlichen Geschlecht entstammte und schon als Bischof von Würzburg mit der adelsfeindlichen Politik seiner Vorgänger gebrochen hatte. 84 ) Die veränderte Einstellung des neuen, kompromißbereiten Mainzer Kurfürsten erkannte sogleich Wolfgang von Gemmingen, der jetzt für seine Politik verstärkt die Unterstützung der Mainzer Delegation suchte und nachhaltig fand. 85 ) Diese enge Zusammenarbeit zwischen Kurmainz und den Reichsrittern führte schließlich wenige Jahre nach dem Friedensschluß zu dem Projekt eines Bündnisses oder einer „Konjunktur" zwischen den Rittern und den Stiften. Man wollte also nicht allein vom Schutz des Kaisers abhängig sein und sich zudem die Pfründen der „Pfaffengasse" endgültig sichern. Im September 1653 sprachen sich alle drei Ritterkreise für ein Bündnis mit den geistlichen Fürsten aus, und es wurden sogar Verhandlungen mit den Kurfürsten von Mainz und Trier eingeleitet. Am Ende stand ein Vertragsentwurf, der ein Bündnis zu gegenseitiger Hilfe vorsah. Die Stifte sollten die Interessen der Reichsritter auf dem Reichstag wahrnehmen und zudem der Ritterschaft die Kanonikate reservieren, damit sie nicht vom hohen Adel verdrängt werden könnten. Doch die kaisertreuen Kantone in Schwaben, fest eingebunden in die vorderösterreichischen Lande, verwarfen das Projekt, das den Mainzer Kurfürsten zum Schutzhelm der Reichsritterschaft hätte werden lassen. 86 ) Diese Rolle übernahm nun wieder allein der Kaiser, der den Rittern ihre Reichsfreiheit und Unabhängigkeit garantierte. Auch blieb die wechselseitige Verbindung der katholischen Reichsritter mit der Reichskirche erhalten, vor allem in der „Pfaffengasse", und zwar bis zum Ende des Alten Reiches. 87 )
83
) Ebd. 222 f. ) Zu Johann Philipp von Schönborn siehe Georg Mentz, Johann Philipp von Schönborn, Kurfürst ^on Mainz, Bischof von Würzburg und Worms 1605-1673. 2 Bde. Jena 1896-1899; Fritz Wolff, Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß. t)ie Einfügung der konfessionellen Ständeverbindungen in die Reichsverfassung. Münster 1966; Friedhelm Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn (1605-1673) und die römische Kurie. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 17. Jahrhunderts. Mainz 1977; ders., Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn (1642-1673), in: Krenig/Kolb (Hrsg.), Unterfränkische Geschichte (wie Anm. 14), 363-390. 85 ) Schulz, Kanton Kocher (wie Anm. 4), 99. 86 ) Ebd. 100. 87 ) Siehe hierzu Karl Otmar Frhr. von Aretin, Heiliges Römisches Reich 1776-1806. Reichsverfassung und Staatssouveränität. 2 Bde. Wiesbaden 1967; Endres, Adel (wie Anm. 5), 14-16 und 74-77. 84
IV. Krieg und Frieden: zum Militärwesen des 17. Jahrhunderts
Der Dreißigjährige Krieg als Wendepunkt: Kriegführung und Heeresstruktur im Übergang zum miles perpetuus Von
Bernhard
Sicken
Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs und der damit direkt oder indirekt zusammenhängenden, erst 1659 und 1660 beigelegten Staatenkonflikte im westlichen und nordöstlichen Europa beginnt für die tradierte Militärhistoriographie der Unterhalt stehender Truppen1), aus denen in den größeren Staaten dann innerhalb von ein, zwei Dezennien durch quantitativen und organisatorisch-institutionellen Ausbau stehende Heere, Machtinstrumente neuer Qualität, hervorgingen. Zahlreiche vordergründig-formationsbezogene Truppengeschichten, meist aus der Traditionspflege erwachsen, spiegeln in groben, oft kriegsgeschichtlich akzentuierten Darstellungen diese Wende. Tatsächlich verlief der Auf- und Ausbau ständig bereitgehaltener Streitkräfte in beträchtlicher Stärke aber in einem vielschichtigen und längerfristigen Prozeß 2 ), der strukturelle Änderungen sowohl im Heerwesen als auch in der Staatsordnung einschloß, mehr noch, der nach ideellen, administrativen, fiskalischen und sozialen Voraussetzungen verlangte, die den außerordentlich hohen Aufwand für die Streitkräfte ermöglichten und politisch rechtfertigten.
') Siehe beispielsweise Hans Delbrück, Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Bd. 4: Neuzeit (zuerst 1920). Berlin 1963; Siegfried Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Kabinettskriege. Koblenz 1986; Eugen von Frauenholz, Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens. Bd. 4: Das Heerwesen in der Zeit des Absolutismus. München 1940; Carl Hans Hermann, Deutsche Militärgeschichte. Eine Einführung. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1968; Kurzer Abriß der Militärgeschichte von den Anfängen der Geschichte des deutschen Volkes bis 1945. Berlin 1974. 2 ) Luden Bély/Jean Bérenger/André Corvisier, Guerre et paix dans l'Europe du XVIIe siècle. Vol. 1. Paris 1991; John Childs, Armies and Warfare in Europe, 1648-1789. New York 1982; André Corvisier, Armées et sociétés en Europe de 1494 à 1789. Paris 1976; Histoire militaire de la France. Vol. 1 : Des origines à 1715. Paris 1992; Gerhard Papke, Von der Miliz zum Stehenden Heer. Wehrwesen im Absolutismus. München 1979; Geoffrey Parker, The Military Revolution. Military Innovation and the Rise of the West, 1500-1800. Cambridge 1988; Michael Roberts, The Military Revolution, 1560-1660. Belfast 1956; Clifford J. Rogers (Ed.), The Military Revolution Debate. Readings on the Military Transformation of Early Modern Europe. Boulder/San Francisco/Oxford 1995; Helmut Schnitter/Thomas Schmidt, Absolutismus und Heer. Zur Entwicklung des Militärwesens im Spätfeudalismus. Berlin 1987.
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Der kontinuierliche Unterhalt eines Heeres ist zu Recht als typisches Kennzeichen des absolutistischen Staats bezeichnet worden, andererseits war die auf den Monarchen verpflichtete Streitmacht jedoch auch Mittel zur Durchsetzung des Absolutismus. Bezeichnenderweise blieben Staaten ohne ausgebildetes absolutistisches Regierungs- und Herrschaftssystem ohne größeres stehendes Heer, weil eine entsprechende Militärreform das labile Beziehungssystem zwischen dem Landesherrn und den Ständen veränderte und folglich als gefährlich galt; die in England in den 1660er Jahren von der Parlamentsopposition erhobene Forderung „no standing army" 3 ) gibt davon Kunde. Zum Verzicht auf eine tatkräftige Außenpolitik, die auch auf wirtschaftlicher und steuerlicher Leistungskraft basieren konnte und somit bei Bedarf zum Rückgriff auf Subsidientruppen befähigte, nötigte die Ablehnung des miles perpetuus aber nicht. Hinlängliche Finanzmittel 4 ), die zur pünktlichen Besoldung regelmäßig bereitgestellt werden mußten - schon Streitkräfte von wenigen tausend Mann drohten die bisherigen Etats zu überfordern - , bildeten die eine Prämisse für den Aufbau stehender Heere; eine verläßliche Kontrolle der Armee zur Verhütung von Eigenmächtigkeiten der Befehlshaber, von Mißwirtschaft und Disziplinlosigkeit ist als zweite, nicht minder wichtige Bedingung zu betrachten, wenn nicht mit der Loyalität und Schlagkraft zugleich der machtpolitische Nutzen verspielt werden sollte. Heeresbehörden des Kommissariatstyps, allein verpflichtet auf den Kriegsherrn, nahmen in der Regel diese Aufgaben wahr. Konsequenz der so außerordentlich großen finanziellen Ansprüche wiederum - auch wenn der Sachzwang nicht monokausal zu interpretieren ist - war die Verwirklichung des Steuerstaats, dessen Entfaltung zu Lasten der Landstände erfolgte und die Stellung der Krone stärkte. Doch diese knapp skizzierte Entwicklung ist oft beschrieben worden und demnach bekannt. Größeres Interesse kann hingegen im Rückblick auf die Bedeutung des Westfälischen Friedens die Frage beanspruchen, welche Anstöße von den gleichsam „stehengebliebenen Heeren" der ersten Nachkriegszeit 5 ) ausgin-
3
) Siehe Lois G. Schwoerer, „No Standing Armies!". The Antiarmy Ideology in Seventeenth-Century England. Baltimore/London 1974, 72 ff. 4 ) Punktuelle Hinweise auf die Kosten des habsburgisch-österreichischen Truppenunterhalts für die Jahre ab 1656 finden sich bei Jean Bérenger, Finances et absolutisme autrichien dans la seconde moitié du XVIIème siècle. Vol. 2. Paris 1975, 385 ff.; für Brandenburg-Preußen siehe Friedrich Wolters, Geschichte der brandenburgischen Finanzen in der Zeit von 1640-1697. Darstellung und Akten. Bd. 2: Die Zentralverwaltung des Heeres und der Steuern. München/Leipzig 1915, 474f., 498ff., 525ff. Knappe Angaben für Augsburg und einige andere Reichsstädte finden sich bei Jürgen Kraus, Das Militärwesen der Reichsstadt Augsburg 1548-1806. Vergleichende Untersuchungen über städtische Militäreinrichtungen in Deutschland vom 16.-18. Jahrhundert. Augsburg 1980, 374 f. Angaben zu den Kriegskosten Frankreichs 1636-1656 in der Histoire militaire (wie Anm. 2), 370 ff. 5
) So in pointierter Formulierung Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main 1 9 9 2 , 2 1 3 , 2 1 6 .
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gen, welche Ursachen zur epochetypischen Formation stehender Heere führten und diese den meisten Monarchen und Staatsmännern des 18. Jahrhunderts als Machtinstrument unverzichtbar erscheinen ließen.
I
Obwohl die Verträge von Münster und Osnabrück ideelle Ansätze für ein System friedlicher Koexistenz zwischen den Mächten und Territorien enthielten 6 ), zeigten sie de facto keine einschneidenden Wirkungen für das Mit-, Neben- und Gegeneinander der Staaten. Die Disposition zum gewaltsamen Austragen von Streitigkeiten, für deren friedliche Beilegung jede institutionalisierte Vorsorge fehlte, dominierte nach wie vor; offensichtlich wurde die Bereitschaft, zu den Waffen zu greifen, nicht einmal relativiert, wie schon ein flüchtiger Blick auf die europäische Kriegschronik der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lehrt. 7 ) Kriege galten als zulässig, sofern sie den Kategorien der durchweg von allen Parteien zur Rechtfertigung herangezogenen, wenngleich in Anpassung an das jeweilige Herrschaftsverständnis und die Staatsinteressen meist modifizierten Bellum-iustum-Lehre entsprachen. 8 ) Daß die Berufung auf die Abwehr von Unrecht und die Sicherung der geistlichen und weltlichen Ordnung, deren Gewährleistung als necessitas eine Legitimitätsfunktion hatte, für die relevante Öffentlichkeit einer differenzierteren Begründung bedurfte, ist naheliegend und ließ die inhaltlich vagen, nicht zuletzt säkular interpretierten Begriffe salus publica und bonum commune als den eigentlichen Staatszweck stärker in den Vordergrund treten, der in Verbindung mit einer politisch-instrumental verstandenen raison d'état geradezu ubiquitäre Züge annehmen konnte. Gewalt im zwischenstaatlichen Bereich - doch auch innerstaatlich, wie die Religionskriege, civil war und Frondeaufstand belegen - war ein verbreitetes Phänomen. Langjährige Auseinandersetzungen begründeten und bestätigten diese Erfahrungen und lehrten die Monarchen, Vorsorge zu treffen. Die zahlreichen, an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert im Reich errichteten Lan6
) Heinz Duchhardt, Westfälischer Friede und internationales System im Ancien Régime, in: HZ 249, 1989, 529-543. 7 ) Bély/Bérenger/Corvisier, Guerre (wie Anm. 2), 16 ff. Ähnliche Feststellungen finden sich vielfach in der Literatur, verwiesen sei hier lediglich auf Konrad Repgen, Kriegslegitimationen in Alteuropa. Entwurf einer historischen Typologie, in: HZ 241,1985,27-49, hier 30. 8 ) Siehe dazu zusammenfassend Michael Behnen, Der gerechte und der notwendige Krieg. „Necessitas" und „Utilitas reipublicae" in der Kriegstheorie des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Johannes Kunisch (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit. Berlin 1986, 43-106; James Turner Johnson, Ideology, Reason, and the Limitation of War. Religious and Secular Concepts, 1200-1740. Princeton 1975, 171 ff., 214ff.
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desdefensionen 9 ) unterstreichen diese Beobachtung und verdeutlichen, daß der Ständestaat nur in Ausnahmefällen in der Lage war, die kostspieligen, generell das Feld beherrschenden Söldnerheere längerfristig zu unterhalten. Spaniens Staatsbankrotte unter Philipp II., die nicht zuletzt auf die Kämpfe in den Niederlanden zurückzuführen waren, seien dafür als Beleg angeführt. Doch die erwähnten Landesdefensionen - anderen Orts als „Landesausschüsse", „Landfahnen" oder „Milizen" firmierend - waren nicht nur Ersatz für die nicht dauerhaft zu finanzierenden Söldnerheere; ihre Herkunft aus dem Land und ihr Einsatz für das Land verweisen auf die so dringend erforderliche rasche Verfügbarkeit und vor allem auf die nötige Loyalität der Soldaten, mehr noch, sie stellten einen unmittelbaren Bezug zwischen Untertanen und Landesherren her, dem man mit guten Gründen eine über die unmittelbare Schutzfunktion hinausgehende Bedeutung zugesprochen hat, weil er ideell und faktisch die Ansprüche der intermediären Gewalten schmälerte. Lediglich hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die sog. „Militärgrenze" 10 ) am östlichen Rand des österreichisch-habsburgischen Machtbereichs, deren waffenfähigen Bewohnern trotz mancher struktureller Unterschiede ähnliche Aufgaben zugedacht waren und die mit der landesfürstlichen Privilegierung zugleich den Herrschaftsausbau der anrainenden Aristokratie beeinträchtigten. Daß sich die Forderungen nach vorsorglicher Rüstung im Gefolge von Krisen und Kriegen, akuter Bedrohung und konkreter Übergriffe mehrten und die Bereitschaft der Verantwortlichen zum Engagement wuchs, ist verständlich, jedoch setzten die knappen Ressourcen und die Rücksicht auf die politisch einflußreichen Stände diesen Bemühungen stets Maß und Ziel. Zukunftsweisende Innovationen für das Heerwesen gingen um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert von den nassau-oranischen Reformen aus"), die aus unzuverlässigen und kostspieligen, Land und Leute drangsalierenden und eigenwilligen Söldnern - so lauteten die stereotypen Klagen der oft selbstge9
) Siehe Papke, Miliz (wie Anm. 2), 76ff.; Helmut Schnitter, Volk und Landesdefension. Volksaufgebote, Defensionswerke, Landmilizen in den deutschen Territorien vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Berlin 1977, 83 ff.; Winfried Schulze, Die deutschen Landesdefensionen im 16. und 17. Jahrhundert, in: Kunisch (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung (wie Anm. 8), 129-149. Als instruktives Beispiel siehe zudem Gerhard Oestreich, Graf Johanns VII. Verteidigungsbuch für Nassau-Dillenburg 1595, in: NassAnn 69, 1958, 135-165. 10 ) Jakob Arnstadt, Die k.k. Militärgrenze 1522-1881 (mit einer Gesamtbibliographie). 2 Bde. Würzburg 1969, Bd. 1, 53ff.; Gunther E. Rothenberg, Die österreichische Militärgrenze in Kroatien 1522 bis 1881. Wien/München 1970, 33 ff.; Jiirg Zimmermann, Militärverwaltung und Heeresaufbringung in Österreich bis 1806. Frankfurt am Main 1965, 28 ff. ") Hans Ehlert, Ursprünge des modernen Militärwesens. Die nassau-oranischen Heeresreformen, in: MGM 38, 1985, 27-56, hier 31 ff.; Werner Hahlweg, Einleitung, in: ders. (Bearb.), Die Heeresreform der Oranier. Das Kriegsbuch des Grafen Johann von NassauSiegen. Wiesbaden 1973, 1 *—54*, hier 7* ff.; Gerhard Oestreich, Der römische Stoizismus und die oranische Heeresreform, in: HZ 176, 1953, 17^13, hier 21 ff.
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rechten Kriegsherren - ein durch Selbstzucht und strenge Reglements diszipliniertes und durch sorgsame Ausbildung kampfkräftiges und pflichtbewußtes Kriegsvolk machten; hierzu trug die pünktliche Bezahlung bei, die vor allem in Verbindung mit Lob und Strafe und einem höheren Dienstethos einen neuen Soldatentyp kreiert hatte. Obwohl die Realität in den niederländischen Heeren des Unabhängigkeitskriegs hinter dem Ideal bald wieder zurückblieb, waren damit doch wichtige Anstöße gegeben, die von den Landes- und Kriegsherren und den Heerführern beachtet und rezipiert wurden, mehr noch, deren Übernahme angestrebt wurde, soweit die Voraussetzungen gegeben waren. Das traf weitgehend für die taktischen und organisatorischen Neuerungen, für das Dienstrecht und zum Teil für die ethischen, allerdings stärker religiös über-' formten Grundlagen des schwedischen Heeres in der Ära Gustav Adolfs zu. 12 ) Dienstpflichtige schwedische Untertanen - ergänzt durch geworbene Inländer - bildeten den Kern jenes Heeres, mit dem Gustav Adolf im Reich erfolgreich Krieg führte. 13 ) Es entstand auf der Basis von Aushebungen, deren Quote pro Kirchspiel festgelegt war; unter Berücksichtigung von Tauglichkeit und Abkömmlichkeit sowie des Bedarfs an Soldaten wurde dazu jeder achte, sechste oder fünfte Mann herangezogen, was anscheinend in erster Linie auf ein Rekrutieren aus den unteren Schichten der ländlichen Bevölkerung hinauslief. Den Unterhalt der Ausgehobenen, aus denen landsmannschaftlich homogene Regimenter formiert wurden, hatten die Zurückgebliebenen zu tragen, soweit die Lasten durch Requisitionen und Kontributionen nicht auf die eroberten Territorien abgewälzt werden konnten. Die Grenzen für diese Heeresaufbringung zog das Bevölkerungspotential des Königreichs, das ohne bedenklichen Substanzverlust sowie Schädigung der inländischen Wirtschaft den Ergänzungsbedarf schließlich nicht mehr decken konnte. Wie punktuelle Einblicke andeuten, verloren die national-schwedischen Regimenter - das Resultat scheint repräsentativ zu sein - in den Kämpfen zwischen 1631 und 1633 bis zu 65 % ihres Personalbestands. 14 ) Derartige Abgänge konnten nicht mehrmals ersetzt werden und zwangen den König, auf jene Truppen mit hinlänglicher Kampfkraft zurückzugreifen, die im Reich zu vertretbaren Bedingungen in Dienst genommen werden konnten oder von den Verbündeten überstellt wurden; hierbei handelte es sich um in herkömmlicher Weise Geworbene. Die national-schwedische und finnische Komponente trat zunehmend in den Hintergrund; ihre Quote lag schon bei den in der Schlacht von Breitenfeld 12 ) Siehe in knapper Zusammenfassung Geoffrey Parker, Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main/New York 1987 (englische Originalausgabe 1984), 296 ff. 13 ) Michael Roberts, Gustavus Adolphus. A History of Sweden, 1611-1632. Vol. 2: 1 6 2 6 1632. London/New York/Toronto 1958, 201 ff., 215 ff. 14 ) Ein instruktives Beispiel findet sich bei Kersten Krüger, Dänische und schwedische Kriegsfinanzierung im Dreißigjährigen Krieg bis 1635, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik 1618-1848. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1 9 8 8 , 2 7 5 - 2 9 8 , hier 296.
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eingesetzten Truppen nur noch bei gut 20 %. 15 ) Bezeichnenderweise spiegelt sich die übernationale Zusammensetzung des Heeres, die auf eine rasche sozio-strukturelle Anpassung an die anderen Armeen hinauslief, auch in den schwedischen Kriegsartikeln aus dem Jahr 1632. 16 ) Deshalb war weder die vermeintlich größere nationale Geschlossenheit noch eine tiefere ethische Bindung der Masse des Kriegsvolks, weder eine waffentechnische Erfindung noch eine prinzipiell bessere Versorgung des Heeres entscheidend für den Siegeszug, den Gustav Adolf antrat - auch wenn diese Aspekte graduell Bedeutung hatten - , sondern die Erfolge waren in erster Linie den organisatorisch-taktischen Neuerungen des Königs und dem fle\ xiblen, auf systematisches Zusammenwirken zielenden Einsatz von Infanterie, Kavallerie und Artillerie zuzuschreiben. 17 ) Die Kombination von Feuerkampf und offensiver Stoßkraft sowie die Formation von Truppenkörpern, die zur Offensive und Defensive gleichermaßen geeignet waren, trugen hauptsächlich zur hohen Kampfkraft und demnach zur zeitweisen Überlegenheit der Schweden auf den Schlachtfeldern bei. Im übrigen waren die auf schwedisch-protestantischer Seite kämpfenden Söldner und Ausgehobenen zumindest in der Ära Gustav Adolfs größtenteils sorgfaltiger ausgebildet und die Offiziere, deren Zahl pro Einheit merklich höher als in den meisten anderen Heeren lag, waren stärker an Eigeninitiative gewöhnt. Die auf mehreren Verbesserungen und auf geschicktem Bündeln der Kampfelemente basierende Schlagkraft der schwedischen Armee war die Frucht des Studiums der nassauisch-oranischen Reformen und nicht zuletzt langjähriger Kriegserfahrungen; in diesen Komponenten sowie in der Verbindung von theoretischer Fundierung und funktionaler Optimierung hat Michael Roberts den Kern einer military revolution gesehen, eine Bewertung, die allerdings nicht unbestritten geblieben ist. 18 ) Unstreitig ist hingegen, daß die Überlegenheit der Kampfweise der von Gustav Adolf geführten Heere alsbald zur Nachahmung führte, die die spanische Terct'o-Taktik verdrängte und der Lineartaktik - typisch für die stehenden Heere zum Durchbruch verhalf. Schon bei Lützen zeigte sich, daß Wallenstein die modernere Kampfweise zu übernehmen begann. Die sich im Ansatz abzeichnende Lineartaktik lief auf eine reduzierte Auf15 ) Roberts, Gustavus Adolphus (wie Anm. 13), 206 f. Siehe auch Per Sörensson, Das Kriegswesen während der letzten Periode des Dreißigjährigen Krieges (1932), in: Hans Ulrich Rudolf (Hrsg.), Der Dreißigjährige Krieg. Perspektiven und Strukturen. Darmstadt 1977,431-457, hier 433 f. 16 ) Eugen von Frauenholz, Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. München 1938, 389. 17 ) Siegfried Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Landsknechte. Koblenz 1985, 217f.; Roberts, Gustavus Adolphus (wie Anm. 13), 232f„ 250ff. 18 ) Parker, Military Revolution (wie Anm. 2); siehe auch den Sammelband von Rogers (Ed.), Military Revolution Debate (wie Anm. 2), mit der Einleitung des Herausgebers und den Beiträgen von Parker, Black und Parrott.
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stellungstiefe und verlängerte Fronten bei den generell in zwei Treffen antretenden Kampfformationen der Infanterie hinaus. Zugleich deutete sich der Übergang zum Salvenfeuer bei den Schützen an, die zunächst aber noch in Kombination mit Pikenieren kämpften, weil durch diese Kooperation die jeweiligen Schwächen von Feuer- und Stangenwaffen ausgeglichen werden konnten; konstruktions- und fertigungstechnische Fortschritte bei den Schußwaffen 19 ) und die Erfindung des Bajonetts machten diesen Sachzwang zwei Generationen später bedeutungslos. Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich außerdem die Tiefe der Treffen von zehn bis zwölf Gliedern auf durchschnittlich sechs reduziert und die Front entsprechend ausgedehnt, denn einerseits konnte mit dieser Aufstellung von Schützen ein kontinuierliches Feuergefecht geführt und andererseits die Zahl der direkt in den Kampf eingreifenden Soldaten gesteigert werden. Die Kavallerie attackierte wieder in erster Linie mit Blankwaffen; sie wurde nicht nur zum Kampf gegen die feindliche Reiterei verwendet, sondern auch zur Unterstützung und Deckung der Infanterie und somit zur Entlastung der meist kampfentscheidenden Waffengattung. Leichte und bewegliche Geschütze, die aus der Nähe in das Ringen eingreifen konnten und hauptsächlich gegen Truppenmassierungen Verwendung fanden, gehörten bald zur Standardausstattung aller Heere, jedoch blieb die Wirkung kleinkalibriger Stücke - vom demoralisierenden Effekt bei weniger standfesten Einheiten abgesehen - relativ gering. In der Kriegskunst galt seit den Triumphen Gustav Adolfs eine bewegliche Gefechtsführung und ein aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken von Infanterie, Kavallerie und Artillerie als fachgerecht und vor allem erfolgversprechend, doch ließen sich die hohen Ansprüche wegen unzulänglicher struktureller Voraussetzungen im Heerwesen und nicht zuletzt der mangelhaften Autorität vieler Heerführer gegenüber hochgestellten und finanziell engagierten Befehlshabern 20 ) nur mit erheblichen Abstrichen verwirklichen.
II Die Permanenz und Präsenz von Truppenteilen, deren Personal sowohl die bisher zum Schutz des Hofs, zur Besatzung von Festungen und für ähnliche Aufgaben bestallten Kriegsleute merklich übertraf als auch ganzjährig, ohne größere Differenzen zwischen der Stärke im Sommer und im Winter, unterhal-
19 ) Einen nützlichen Überblick zur Waffenentwicklung bietet Georg Ottenburg, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Kabinettskriege. Koblenz 1986, 46 ff. 20 ) Als beste und materialreiche Untersuchung gilt nach wie vor Fritz Redlich, The German Military Enterpriser and His Work Force. A Study in European Economic and Social History. 2 Vols. Wiesbaden 1964/65.
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ten wurde, markiert den „Übergang vom Kriegswesen zum Militärwesen" 21 )Maßgebend waren allerdings nicht nur quantitative Aspekte, sondern auch qualitative, zum Teil aber nur unzulänglich verwirklichte Umstrukturierungen, wie mit dem Hinweis auf den organisatorischen Ausbau, die Personalpolitik, eine klarere Hierarchisierung, logistische Vorsorge und die tendenzielle, bald als militärtypisch angesehene Uniformität angedeutet sei. 22 ) Dieser vielfältige Innovationsprozeß erstreckte sich über einen größeren Zeitraum, zumal durch die Landes- und Kriegsherren erst die Voraussetzungen geschaffen werden mußten, ohne die auf längere Sicht selbst ein nur ein paar tausend Mann zählendes Heer nicht ordnungsgemäß bestehen konnte. Erleichtert wurde diese Entwicklung insofern, als die langjährigen Kriege einerseits die Notwendigkeit staatlicher Selbstbehauptung und des Schutzes von Land und Leuten vor Übergriffen durch ein Mindestmaß an Vorkehrungen evident gemacht hatten und andererseits an erfahrenen Befehlshabern und bewährten Soldaten kein Mangel herrschte, die gleichermaßen für fürstliche Machtprätentionen wie für die Integrität des Territoriums eingesetzt werden konnten. Daß die Landstände (General-, Provinzialstände), wenn sie noch eine fiskalpolitisch begründete Mitsprache besaßen, andere Akzente setzten und meist nur notgedrungen Gelder für Kriegsvolk bewilligten, spiegelt die Furcht vor dem Machtzuwachs des Monarchen und vor einem unwiderruflichen eigenen Einflußverlust. Ungewiß ist hingegen, wie die Untertanen den dauernden Truppenunterhalt aufnahmen, hatten ihnen die langjährigen Erfahrungen mit Freund und Feind doch zumeist gleichviel gegolten; soweit die Bevölkerung vom Übergang zum miles perpetuus bei anfänglich überschaubarer Personalstärke direkt betroffen war, scheinen in der Mentalität begründete Vorbehalte weiterhin dominiert zu haben. 23 ) Die Unterzeichnung der Friedensverträge zu Münster und Osnabrück bedeutete weder das Ende der Kriegslasten und soldatischen Übergriffe noch der Furcht vor andauernden Kriegsgefahren. Denn zum einen war der spanischfranzösische Konflikt nicht beigelegt, der den Westen des Reichs immer wieder in Mitleidenschaft zog und sich zudem durch eine heimliche Begünstigung Spaniens seitens der Wiener Hofburg auszuweiten drohte, und zum anderen lagen mehrere zehntausend unbeschäftigte Söldner im Land, die zum Teil nicht abgedankt werden konnten, bevor die oft stattlichen Soldrückstände nicht beglichen waren. Auch die schwedischen Truppen mußten mit der gro21
) Papke, Miliz (wie Anm. 2), 138. ) Siehe in pointierter Zusammenfassung Hans Schmidt, Staat und Armee im Zeitalter des „miles perpetuus", in: Kunisch (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung (wie Anm. 8), 213-248. 23 ) Punktuelle Hinweise finden sich bei Peter Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien. Göttingen 1994, 46 ff., 94, I I I , 214ff., 312ff. 22
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ßen Summe von fünf Millionen Reichstalern abgefunden werden; die Erlegung dieser satisfactio militum24) beanspruchte angesichts vieler devastierter Landstriche längere Zeit. Erst mit dem Nürnberger Exekutionsrezeß 25 ) vom 26. Juni 1650 (neuen Stils) gewann die Befriedung für das Reich deutlichere Konturen, zumal Schweden in den nächsten Monaten das Gros seines Heers abzog 26 ) und der Kaiser sein Kriegsvolk reduzierte 27 ); bezeichnenderweise wurde deswegen im 17. Jahrhundert in manchen Regionen zunächst 1650 als das Jahr gefeiert, das die deutschen Lande dem Frieden nähergebracht hatte. Die zögernde Abrüstung war jedoch nicht nur auf pragmatische Schwierigkeiten, latente Unsicherheiten und das Mißtrauen in die redlichen Absichten der vormaligen Gegner zurückzuführen, sondern auch der sich bei einigen Monarchen und Staatsmännern herauskristallisierenden politischen Absicht zuzuschreiben, weiterhin und unbefristet ein paar tausend Soldaten unter Waffen zu halten. Im Heiligen Römischen Reich gingen hierbei die habsburgischen Lande und Brandenburg-Preußen voran, doch waren rechtlich nunmehr alle Reichsstände zur Rüstung befugt, hatte ihnen der Westfälische Friede doch das ius armorum zugebilligt. 28 ) Dieser Prozeß des Übergangs zum stehenden Heer, der neben der Verstetigung von Kriegsmacht zugleich auf eine stärkere Verstaatlichung hinauslief, läßt sich unschwer am Beispiel der kaiserlichen Streitkräfte demonstrieren, die noch Mitte des Jahres 1650 auf rund 30 000 Mann zu veranschlagen waren und demnach nur ein paar tausend Soldaten weniger als beim Friedensschluß von 1648 zählten. 29 ) Das entsprach den Vorstellungen namhafter Generäle und leitender Kriegskommissare, die wiederholt und nachdrücklich für das Beibehalten einer zwar reduzierten, jedoch schlagkräftigen und ausbaufähigen Streitmacht auch im Frieden plädiert hatten, da ihnen ein Verzicht auf eine vorsorgliche Rüstung als militärisch bedenklich erschien und zudem den politischen Handlungsspielraum von vornherein empfindlich zu schmälern drohte. Offensichtlich gründete sich für diese Protagonisten des miles perpetuus das Gewicht eines Staats nicht zuletzt auf seine Machtmittel, zu denen auf Grund 24
) Sven Lundkvist, Die schwedischen Kriegs- und Friedensziele 1632-1648, in: Repgen (Hrsg.), Krieg und Politik (wie Anm. 14), 2 1 9 - 2 4 0 , hier 2 3 0 f f . 25 ) Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991, 4 0 0 ff. 26 ) Ebd. 425 f., 561. 27 ) Ebd. 427 f., 559 f. 28 ) Siehe Dirk Götschmann, Das Jus armorum. Ausformung und politische Bedeutung der reichsständischen Militärhoheit bis zu ihrer definitiven Anerkennung im Westfälischen Frieden, in: BlldtLG 129, 1993, 2 5 7 - 2 7 6 . 29 ) Philipp Hoyos, Die kaiserliche Armee 1648-1650, in: Der Dreißigjährige Krieg. Wien 1976, 169-232, hier 207. Siehe auch in knappem Resümee John A. Mears, The Thirty Years' War, the „General Crisis", and the Origins of a Standing Professional Army in the Habsburg Monarchy, in: CEH 21, 1988, 122-141, hier 138 f. Siehe auch Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 25), 557 ff.
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der Erfahrungen der letzten zwei, drei Dezennien nun vorrangig das militärische Potential gehörte. In den Jahren 1649 und 1650 kam es allerdings nur zu vorläufigen Entscheidungen Kaiser Ferdinands III., die einen stattlichen Teil der Streitmacht beizubehalten erlaubten, so daß sich die finanziell nötigen Abdankungen einstweilen in Grenzen hielten. Doch selbst eine derartige Demobilisierung war schwierig und warf auf Grund des großen Geldmangels kaum geringere Probleme als das Beibehalten des Kriegsvolks auf. 30 ) Andererseits eröffnete die Reduzierung aber Chancen, den Prozeß der Verherrschaftlichung durch eine gezielte Auswahl der weiterhin zu unterhaltenden Einheiten voranzutreiben. Die auf Kostensenkung gerichteten Maßnahmen, die übrigens in den anderen Armeen ähnlich gehandhabt wurden, begannen mit der Reduktion des Trosses und des Personalstands der Stäbe sowie dem Abschaffen der truppenzugehörigen Bagagewagen, wobei diese Eingriffe anscheinend nur partiell durchgeführt wurden, wenn man den Klagen der Landstände vertrauen darf, während sich die Truppen generell, nicht zuletzt aus selbstsüchtigen Gründen, über unzumutbare Restriktionen beschwerten. Eine Reformierung der Regimenter schloß sich an 31 ), das heißt, schwächere und weniger schlagkräftige Verbände wurden aufgelöst und die Offiziere - oft verbunden mit Einbußen hinsichtlich des Ranges - und Mannschaften anderen Regimentern zugeteilt. Generell bemühten sich die mit der Aufgabe betrauten Kommissare 32 ), den besten und verläßlichsten Offizieren ihren Status ungeschmälert zu erhalten und außerdem möglichst jene, die den Streitkräften den Rücken zu kehren hatten, durch eine Abfindung zufriedenzustellen, um sie nicht in die Arme von potentiellen Gegnern zu treiben und bei Bedarf auf dieses personelle Reservoir zurückgreifen zu können. Wichtig und zukunftsweisend war vor allem, daß sich die Regiments- und Kompaniechefs bei den Reformierungen und bei den oft folgenden, ähnlich gehandhabten Reduzierungen den Weisungen kaiserlicher Kommissare unterwerfen mußten, also im Namen des Kriegsherrn Eingriffe in die internen Verhältnisse - das betraf u.a. den Sollstand an Personal, die Zahl der Kompanien pro Regiment, die Besetzung von Befehlshaberstellen, die Dislozierung - erfolgten; demnach wurde der landesherrliche Einfluß sowohl zu Lasten des Militärunternehmertums als auch namhafter und selbstherrlicher Truppenführer gestärkt und sinnfällig gemacht. Geldmangel war bei der Demobilisierung bekanntlich das Kardinalproblem 30 ) Mit ähnlichen Problemen sahen sich auch andere Staaten konfrontiert; siehe für Schweden Lundkvist, Kriegs- und Friedensziele (wie Anm. 24), 232 f. 31 ) Zu diesem Verfahren, das auch während des Kriegs wiederholt praktiziert worden war, siehe Sörensson, Kriegswesen (wie Anm. 15), 440f. 32 ) Siehe grundlegend Otto Hintze, Der Commissarius und seine Bedeutung in der allgemeinen Verwaltungsgeschichte, in: ders., Gesammelte Abhandlungen. Bd. 2: Staat und Verfassung. 2. Aufl. Göttingen 1962, 242-274.
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der Landesherren, hinter dem die anderen Schwierigkeiten durchweg zurücktraten; das galt selbst für die latenten Gefahren, die durch unzufriedene Abgedankte und ihren familiären „Anhang" drohten. Dieser verbreitete Mangel an Bargeld nötigte wiederholt zum weiteren monatelangen Unterhalt von Truppenteilen, die eigentlich entlassen werden sollten. Ferner waren Ausrüstungsmaterialien, von denen es zuvor in der Regel nicht genug gegeben hatte, nun in solchen Mengen vorhanden, daß man sie auf Grund einer kurzsichtigen Sparsamkeit oft nicht in die heimischen Arsenale schaffen konnte 33 ), zumal infrastrukturell und personell die Vorbereitungen und Kapazitäten zum Transport und zur Lagerung fehlten. Denn noch lange nach der Formierung stehender Heere war das Fuhrwesen nicht ordentlicher Bestandteil der bewaffneten Macht, und deshalb gab es im Frieden weder fachkundige Kader noch nennenswerte Vorbereitungen für einen plötzlich eintretenden Bedarf. Diese Unzulänglichkeiten, denen unschwer weitere beigesellt werden können - erwähnt seien die nur zum Teil berittene oder gar gänzlich unberittene Kavallerie und die immobile Feldartillerie - , verweisen auf inkonsequente Züge beim Auf- und Ausbau des frühneuzeitlichen Militärwesens. Von hoher Bedeutung für den Übergang zum miles perpetuus war eine leistungsfähige Heeresverwaltung, die in ihrer monarchisch akzentuierten Institutionalisierung im habsburgischen Machtbereich allerdings über Ansätze nicht hinauskam. Zwar wurde dem Hofkriegsrat, dem obersten Gremium des Landesherrn für den militärischen Bereich, im Jahr 1650 ein Generalkommissariat unterstellt 34 ), womit eine hauptsächlich mit Rechnungs- und Intendanturaufgaben beauftragte ständige Behörde geschaffen worden war, doch waren deren Kompetenzen nur vage abgegrenzt und angesichts des latenten Zielkonflikts zwischen Rüstungsanforderungen und Einsparungszwängen höchst strittig. Hingegen waren die im Krieg zahlreich eingestellten Kommissare, Proviantoffiziere etc. Zug um Zug entlassen worden 35 ), zumal sich ihre Pflichten durch die Demobilisierung merklich verringert hatten. An ihre Stelle trat landständisches Personal, dem neben Details der Dislozierung und Ergänzung der Regimenter zugleich die Versorgung der Einheiten mit dem Notwendigen oblag, soweit die Soldaten oder Truppenteile ihren Bedarf nicht eigenverantwortlich deckten. Diese Dezentralisierung des Heeresunterhalts, zu der im Machtbereich der Casa d'Austria in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit den Hofkriegsräten in Wien und Graz sowie einer Kriegsstelle in Innsbruck noch ein Aufteilen der Verantwortlichkeit auf drei Spitzenbehörden kam, verweist sowohl auf die komplexe Staatsstruktur Habsburg-Österreichs als auch auf die Grenzen absolutistischer Herrschaft, die die Monarchisierung 33
) Beispiele dazu finden sich bei Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 29), 177, 203 f. ) Siehe in knapper Zusammenfassung Oskar Regele, Der österreichische Hofkriegsrat 1556-1848. Wien 1949, 19ff., 32; Zimmermann, Militärverwaltung (wie Anm. 10), 54ff. 35 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 29), 175 f. 34
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des Militärs merklich beschränkten. Immerhin aber war nach dem Dreißigjährigen Krieg die „essenz von einer guten armada" 36 ) erhalten worden, wie es in einem zeitgenössischen Gutachten heißt; die Stärke dieser Truppen, die personell unschwer erhöht werden konnte, belief sich im Winter 1650/51 auf mindestens 5 000 Kavalleristen, rund 14 500 Infanteristen und einige Dutzend Artilleristen 37 ). Dieser Übergang zum ständigen Truppenunterhalt war in erster Linie dem Engagement umsichtiger und kriegserfahrener kaiserlicher Ratgeber zu verdanken, die verständlicherweise das Machtinstrument konservieren wollten, dem sie sich verbunden und verpflichtet fühlten, jedoch auch jene politischen Gefahren in ihre Überlegungen einbezogen hatten, die zum Schutz des umfangreichen Territorialbesitzes sowie der Ansprüche und des Ansehens des Erzhauses Vorkehrungen verlangten. Die militärische Entwicklung in Brandenburg-Preußen, die der anderer deutscher Territorialstaaten beim Aufbau stehender Heere voranging 38 ), weist viele Parallelen auf; das kann insofern nicht erstaunen, als die Voraussetzungen und Sachzwänge durchweg analoge Züge trugen und zu ähnlichen Folgerungen führten. Den Ausgangspunkt markiert eine schwere Notlage, war der Kurfürst zeitweise doch nicht mehr Herr in seinen Landen; daraus zog Friedrich Wilhelm, der spätere „Große Kurfürst", den Schluß, daß ohne respektheischende Machtmittel, selbst wenn sie nur wenige tausend Mann zählten, die Selbstbehauptung des komplexen und grenzreichen Besitzes fraglich und auf die Wahrung dynastisch-territorialer Ansprüche, Anwartschaften und Rechte kaum zu hoffen sei. 39 ) Wie mehrfach erwähnt, bereitete in erster Linie die Finanzierung einer solchen Streitmacht Schwierigkeiten, während das Bemühen um Disziplinierung und Verherrschaftlichung der Truppen eher als nachrangig betrachtet wurde; Einsichtigen war der Zusammenhang zwischen regelmäßiger Bezahlung und Versorgung sowie soldatischer Zucht und obrigkeitlicher Verfügungsgewalt aber bekannt. Nicht in Krisen- und Kriegszeiten, wenn die Notwendigkeit von Schutzvorkehrungen nicht bestritten werden konnte und mit dem Argument der necessitas publica Steuerforderungen verhältnismäßig leicht durchzusetzen waren, warf die Besoldung größere Probleme auf, sondern im Frieden, weil sich die Landstände, deren Zustimmung bei Steuerausschreibungen meist unverzichtbar war, gegen entsprechende Belastungen 36
) Ebd. 214. ) Ebd. 2 1 0 f . , 214. 38 ) Vgl. mit knappen Hinweisen Papke, Miliz (wie Anm. 2), 222 ff. 39 ) Siehe resümierend Gordon A. Craig, Die preußisch-deutsche Armee 1640-1945. Staat im Staate. Düsseldorf 1980 (englische Originalausgabe 1955), 19f.; zur Zielsetzung der Rüstungen siehe auch Ernst Opgenoorth, Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie. 2 Bde. Göttingen/Frankfurt am Main/Zürich 1971-1978, hier Bd. 1, 134 ff. Auf die programmatische Hervorhebung von Rüstungen im Politischen Testament von 1667 sei zudem verwiesen. Siehe Richard Dietrich (Bearb.), Die politischen Testamente der Hohenzollern. KölnAVien 1986, 191 ff. 37
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unter Verweis auf die erschöpften Untertanen oder den drohenden Ruin des Landes wehrten 40 ), ohne daß mit diesen Einwänden, die längst stereotype Züge angenommen und selbst bei tatsächlichen Notlagen ihre Glaubwürdigkeit weitgehend eingebüßt hatten, allerdings nennenswerter Eindruck zu erzielen war. Die ablehnende Haltung der Landstände war nicht zuletzt von der Furcht diktiert, die mit ihrer Hilfe formierten Truppen könnten zu ihrer Unterdrückung eingesetzt werden, wie es wiederholt geschah und im Jahr 1654 reichsrechtlich insofern erleichtert worden war, als fortan Klagen gegen landesherrliche Maßnahmen zum Schutz von Land und Leuten - gleichgültig ob von Untertanen oder Landständen angestrengt - von den Reichsgerichten nicht mehr angenommen wurden. 41 ) Dennoch blieben die Finanzverhältnisse für Friedrich Wilhelm schwierig und suchten sich die Stände längerfristigen Zahlungszusagen zu entziehen, so daß die Truppenstärke in den ersten zehn, fünfzehn Regierungsjahren des Kurfürsten stark schwankte, zumal gesamtstaatliche Verpflichtungen in den hohenzollernschen Territorien erst mühsam durchgesetzt werden mußten. Den Beginn des ständigen Unterhalts von Truppen kann man für den Kurstaat mit einigem Recht auf das Jahr 1644 datieren, obgleich die wenigen zu diesem Zeitpunkt formierten Einheiten größtenteils wieder entlassen wurden und mit den Besatzungen für die Festungen lediglich Sicherungskräfte im Dienst blieben. Doch nicht diese mit fragwürdiger Kontinuität rekonstruierte Tradition des einen oder anderen Truppenkörpers ist maßgebend, sondern in erster Linie ist wichtig, daß Friedrich Wilhelm schon in den letzten Jahren des Dreißigjährigen Kriegs bestrebt war, ständig eine kleine Streitmacht verfügbar zu halten, die nicht für einen bestimmten aktuellen Einsatz vorgesehen war, vielmehr dem Kurstaat generell zu politischem Gewicht verhelfen und demnach als das mehrfach angesprochene, für unverzichtbar gehaltene Machtmittel fungieren sollte. 42 ) Dieser im Ansatz um 1644 faßbare Gedanke gewann nach 1660 mit der Aufstellung von hauptsächlich zum Feldeinsatz vorgesehenen Regimentern deutlichere Konturen und eine andere Qualität. Nach dem Ende des Nordischen Kriegs hatte der Kurfürst zwar wiederum sein Heer drastisch reduziert, doch behielt er 7 000 bis 8 000 Mann rasch zu
40
) Siehe zusammenfassend F[rancis] L. Carsten, Princes and Parliaments in Germany. From the Fifteenth to the Eighteenth Century. Oxford 1959, 429 ff. 41 ) Andreas Müller, Der Regensburger Reichstag von 1653/54. Eine Studie zur Entwicklung des Alten Reiches nach dem Westfälischen Frieden. Frankfurt am Main u.a. 1992, 404ff.; ein leicht greifbarer Auszug aus dem Reichsabschied von 1654 findet sich bei Hanns Hubert Hoflnann (Hrsg.), Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 1495-1815. Darmstadt 1976, 215f. 42 ) Opgenoorth, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 39), Bd. 1, 134f.; siehe mit skeptischerer Einschätzung auch Curt Jany, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807. Bd. 1: Von den Anfängen bis 1740. Berlin 1928, 103.
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mobilisierender Truppen unter der Fahne. 43 ) Darüber hinaus sorgte er durch die Verpflichtung überproportional vieler Offiziere und die Bereithaltung abrufbarer Feldartillerie für die Voraussetzungen, um innerhalb kurzer Zeit durch Werbungen auf eine rund 20 000 Mann starke und mit schweren Waffen ausgerüstete Streitmacht zurückgreifen zu können. Hand in Hand damit wurde die Verherrschaftlichung bzw. Monarchisierung vorangetrieben, denn die Befehlshaber über die Regimenter und Kompanien wurden jetzt vermehrt zur Überwachung von Disziplin, ordnungsgemäßer Militärverwaltung und korrektem Wirtschaften angehalten 44 ), mehr noch, der Landesherr reservierte sich auch teils das Mitspracherecht, teils das Entscheidungsrecht bei der Vergabe von Offiziersstellen 45 ) und nahm somit intensiver als zuvor Einfluß auf die Zusammensetzung der militärischen Führung, deren überschaubare Verhältnisse Eingriffe erleichterten, zumal an Bewerbern kein Mangel herrschte. Ausschlaggebend für den sich abzeichnenden Prozeß der Verstaatlichung war die Tatsache, daß jetzt die Besoldung der Streitkräfte im großen und ganzen durch landesherrliche Mittel sichergestellt war. Hierzu hatten dem Territorialherrn längerfristige Steuerbewilligungen der Landstände in den 1650er und 1660er Jahren verholfen, die unter massivem Druck als Beihilfe für den Landesschutz, der von Friedrich Wilhelm freilich „gesamtstaatlich" interpretiert wurde - die Territorien als membra unius capitis - , ausgeschrieben worden waren 46 ) und mit mancherlei kompromißhaften Einschränkungen hatten verstetigt werden können. Nicht zuletzt hatte auch der erwähnte „Allzeit jüngste Reichsabschied" von 1654 dienliche Argumente zur Durchsetzung der finanziellen Ansprüche geliefert, die für den Kurfürsten offenbar aber nur subsidiäre Bedeutung hatten. Hingegen gelangte der Ausbau der Heeresverwaltung, der sich an den zunächst relativ geringen Anforderungen orientierte und daher durch funktionalen Pragmatismus geprägt war, bis an die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert
43
) Craig, Preußisch-deutsche Armee (wie Anm. 39), 23; Jany, Geschichte (wie Anm. 42), 193 ff. Vgl. auch die Anschläge zur Heeresverstärkung im Jahr 1666 bei Wolters, Finanzen (wie Anm. 4), 498 ff. Max Jahns, Geschichte der Kriegswissenschaften vornehmlich in Deutschland. 2. Abteilung: XVII. und XVIII. Jahrhundert bis zum Auftreten Friedrichs des Großen 1740. München/Leipzig 1890, 1321 ff. 45 ) Siehe Rainer Wohlfeil (Hrsg.), Dokumente zur Beförderung, in: Untersuchungen zur Geschichte des Offizierskorps. Anciennität und Beförderung nach Leistung. Stuttgart 1962, 207-337, hier Nr. 5, 244 f. 46 ) Christoph Fürbringer, Necessitas und Liberias. Staatsbildung und Landstände im 17. Jahrhundert in Brandenburg. Frankfurt am Main u.a. 1985, 150, mit ähnlicher Argumentation auch 126, 138, 146. Siehe zudem Ernst Opgenoorth, „Nervus rerum". Die Auseinandersetzung mit den Ständen um die Staatsfinanzierung, in: Gerd Heinrich (Hrsg.), Ein sonderbares Licht in Teutschland. Beiträge zur Geschichte des Großen Kurfürsten von Brandenburg (1640-1688). Berlin 1990, 99-111.
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über bescheidene Ansätze nicht hinaus. 47 ) Von dem zahlreichen, im Kriegsfall bestallten Kommissariatspersonal wurde nämlich im Frieden bloß ein kleiner Teil im Dienst behalten; darunter befand sich ab 1660 mit dem institutionalisierten Generalkommissariat jenes Spitzengremium, das keimhaft die Grundlage für den modernen Verwaltungsaufbau in Brandenburg-Preußen verkörperte. 48 ) Auf regionaler und lokaler Ebene wurden die Aufgaben des Truppenunterhalts, die finanzieller, logistischer, dislozierender und vor allem kontrollierender Art waren, teils nur nebenamtlich von anderen Behörden, teils sogar unter Beteiligung landständischer Offizianten wahrgenommen. Zu diesem bescheidenen Vorgehen trug sowohl der geringe Arbeitsanfall als auch der Zwang zur Sparsamkeit in der Administration bei; überdies war bei der Erhebung der Kriegskontribution die Mithilfe von Gremien vor Ort schon deshalb erforderlich, weil nur diese über die erforderlichen Informationen verfügten. Die Errichtung einer flächendeckenden und einheitlichen Verwaltung, die den wachsenden Unterhaltsbedarf der Streitmacht befriedigte und mit der Übernahme weiterer Funktionen die monarchische Bürokratisierung des Staats forcierte 49 ), blieb den beiden folgenden Hohenzollemherrschern vorbehalten, die in Interdependenz mit dem Heeresausbau zugleich den absolutistischen Staatsbildungsprozeß förderten. Mit einigen Bemerkungen sei schließlich noch auf die Genese des stehenden Heeres in Frankreich eingegangen, dessen Profil als monarchisches, vielfach beispielhaftes Instrument nach dem Pyrenäenfrieden klare Konturen annahm; die Vorläufer und Vorstufen dieser Streitmacht, deren Geschichte um Generationen zurückreicht, können hier wegen strukturell unterschiedlicher Voraussetzungen unberücksichtigt bleiben. Die Rüstungen der späten 1620er Jahre und erst recht das Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg ab 1635 hatten zu einer beträchtlichen Aufstockung der französischen Armee geführt, deren Stärke zeitweise auf über 150000 Mann veranschlagt worden ist und bis 1658/59 durchweg mehr als 100000 Soldaten betragen haben soll, wenn man von den vorliegenden groben, oft bloß die ungefähre Größenordnung markierenden Berechnungen ausgeht. 50 ) Wie üblich, war die Versorgung der Truppe
47
) Siehe Hans Helfritz, Geschichte der preußischen Heeresverwaltung. Berlin 1938. ) Kurt Breysig, Die Organisation der brandenburgischen Kommissariate in der Zeit von 1660 bis 1697, in: FBPG 5,1892,135-156, hier 138ff.; Wolfgang Neugebauer, Zur neueren Deutung der preußischen Verwaltung im 17. und 18. Jahrhundert in vergleichender Sicht, in: Otto Büsch/Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Moderne preußische Geschichte 16481947. Eine Anthologie. Bd. 2. Berlin/New York 1981, 541-597, hier 547 f.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm (wie Anm. 39), Bd. 2, 45 ff. 49 ) Siehe dazu im Überblick Otto Hintze, Der österreichische und preußische Beamtenstaat im 17. und 18. Jahrhundert, in: HZ 86, 1901, 4 0 1 ^ 4 4 . Vgl. zudem Max Weber, Die Typen der Herrschaft, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie I. Hrsg. v. Johannes Winckelmann. 5. Aufl. Tübingen 1976, 122-176. 50 ) John A. Lynn, The Growth of the French Army during the Seventeenth Century, in: Ar-
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bei größeren Operationen und Konzentrationen meist mehr schlecht als recht, so daß die Soldaten immer wieder zur Selbsthilfe greifen mußten. Auf Grund der Privilegien der Höhergestellten sowie erkauften Freistellungen von Leistungen durch die Vermögenden, an denen sich die Offiziere und Kriegskommissare vielfach bereicherten 51 ), bedeutete das in der Regel ein Abwälzen der Kriegslasten auf die unteren Bevölkerungsschichten; de facto unterschied sich darum der Unterhalt der französischen Streitmacht nicht von dem in den meisten Ländern jener Epoche. Auch in Leitbild, Selbstverständnis und Verhalten war dieses Heer noch stark durch das tradierte Söldnertum geprägt, wie Eigenmächtigkeiten der Befehlshaber, ein kaum entwickeltes Dienstethos, organisatorische und logistische Mängel, disziplinarische Mißstände und Loyalitätsdefizite belegen. Andererseits hatten sich die Ziele einer Umstrukturierung, gekennzeichnet durch Verstetigung, Vereinheitlichung, Reglementierung, Kontrolle und Verfügbarkeit, längst abgezeichnet, ohne daß dieser komplexe Prozeß zugunsten der Krone in den Kriegsjahren und der Zeit des Frondeaufstands aber größere Fortschritte gemacht hätte. Die als Monarchisierung oder Verstaatlichung zu kennzeichnenden Reformen setzten bald nach Beginn der Selbstregierung Ludwigs XIV. ein, die dem Bedürfnis nach Ordnung und Autorität offenbar entgegenkam. Am Anfang stand die Reformierung und Reduktion der Streitmacht nach dem Pyrenäenfrieden auf schätzungsweise 40000 oder 45000 Mann 52 ), die zum Kern eines kampferprobten stehenden Heers wurden, das personell und institutionell die Grundlage für einen zügigen Ausbau darstellte. Federführend für die Umwandlung der armée féodale zur armée du roi waren mit Le Tellier und Louvois zivile Kriegsminister 53 ), die unmittelbaren Zugang zum König hatten den Marschällen und Generälen blieb dieses Vorrecht ab 1673 versagt - und sich zur Integration der Streitkräfte in den absolutistischen Staat ziviler Intendanten, Kommissare und Inspekteure bedienten 54 ), die nunmehr „zu Garanten der Unterordnung der militärischen unter die politische Gewalt" wurden 55 ). med Forces and Society 6, 1980, 5 6 8 - 5 8 5 , hier 574 f. Siehe auch Bély/Bérenger/Corvisier, Guerre (wie Anm. 2), 31; vgl. zudem die Histoire militaire (wie Anm. 2), 346, 363 ff., 380. 51 ) Bernhard Kroener, Les Routes et les Étapes. Die Versorgung der französischen Armeen in Nordostfrankreich ( 1 6 3 5 - 1 6 6 1 ) . Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte des Ancien Régime. Münster 1980, 115 ff., 173. 52 ) Verläßliche Angaben zur Heeresgröße für jene Jahre gibt es nicht, die Zahlen in der Literatur schwanken beträchtlich. Siehe Histoire militaire (wie Anm. 2), 389; Lynn, Growth (wie Anm. 50), 575; Ulrich Muhlack, Absoluter Fürstenstaat und Heeresorganisation in Frankreich im Zeitalter Ludwigs XIV., in: Kunisch (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung (wie Anm. 8), 2 4 9 - 2 7 8 , hier 255. 53 ) Nach wie vor grundlegend Louis André, Michel Le Tellier et Louvois. Paris 1942. Siehe zudem André Corvisier, La France de Louis XIV 1643-1715. Ordre intérieur et place en Europe. Paris 1979, 175, 183 ff. 54) Kroener, Routes (wie Anm. 51 ), 54 ff. 55 ) Werner Gembruch, Zur Kritik an der Heeresreform und Wehrpolitik von Le Tellier und
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Lediglich von der direkten Einflußnahme auf operative und taktische Entscheidungen ausgeschlossen, war diese Militärbürokratie 56 ) zuständig für die Rekrutierung, den Unterhalt, die Ausrüstung, die Besoldung, die Disziplin etc.; sie unterstand nicht den Befehlshabern, sondern hatte diese im Rahmen ihrer Kompetenzen zu überwachen, Eigenmächtigkeiten der Offiziere zu verhindern und generell die Leistungsfähigkeit des Machtinstruments dem König gegenüber zu gewährleisten. Rechtsgrundlage der vielfältigen Eingriffe waren Ordonnanzen, die vorrangig Mißstände auf den verschiedensten Gebieten des Heerwesens abstellten und von konkreten Einzelanweisungen zu allgemeinverbindlichen Regelungen führten. Damit wurde eine rationelle Heeresorganisation mit hoher Leistungsfähigkeit und klarer Hierarchie ausschließlich im „Dienst der Königsmacht" geschaffen 57 ), die alsbald durch jene Uniformität gekennzeichnet war, die fortan für das Militär als typisch galt. Beachtung verdient ferner, daß Werbungen nur noch auf Befehl des Königs und für den König vorgenommen werden durften, womit sowohl den pouvoirs intermédiaires als auch den Militärunternehmern die Grundlage entzogen war und konsequenterweise neben der Organisation auch die Bezahlung der Streitmacht allein dem Staat oblag. Hand in Hand damit war die Kommandogewalt zur monarchischen Prärogative geworden; folglich wurden tradierte militärische Ämter mit Einfluß und Eigengewicht aufgehoben oder bis zur faktischen Bedeutungslosigkeit entwertet (connétable, maréchaux de France, officiers généraux), und wurde die Ernennung von Offizieren von der Krone beansprucht, die jedoch die Ämterkäuflichkeit weiterhin tolerieren mußte und hier an die Grenzen des Monarchisierungs- und Modernisierungsprozesses stieß. Im übrigen waren das nicht die einzigen Einschränkungen, die bei der Errichtung einer armée reglée hingenommen werden mußten - erwähnt seien z.B. die weiterhin bestehenden Vorrechte des Adels bei der Vergabe von Offiziersstellen und Mißstände bei der Heeresergänzung - , doch bedeutete dieses partielle Zurückbleiben hinter den Zielen nur eine Relativierung des Verstaatlichungsvorgangs, der die Funktion der Streitmacht als repräsentative und effiziente Institution des Machtstaats nicht gravierend beeinträchtigte, geschweige denn seine Bedeutung als Vorbild für viele andere Monarchien minderte.
Der Aufbau stehender Heere, der als komplexer innovatorischer Prozeß ein von Staat zu Staat im Detail unterschiedliches, insgesamt aber typisches PhäLou vois in der Spätzeit der Herrschaft Ludwigs XIV. ( 1977), in : ders., Staat und Heer. Ausgewählte historische Studien zum ancien régime, zur Französischen Revolution und zu den Befreiungskriegen. Berlin 1990, 128-165, hier 132. 56 ) Siehe in knapper Zusammenfassung Histoire militaire (wie Anm. 2), 389 ff. 57 ) Muhlack, Absoluter Fürstenstaat (wie Anm. 52), 255.
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nomen war, ist Teil der absolutistischen Staatsbildung, die auf Konzentration und Zentralisation, auf Effektivität und Machtsteigerung zielte. Basierend auf qualitativ und quantitativ neuer Grundlage, waren die Streitkräfte außenpolitisch ein wichtiges Instrument staatlicher Selbstbehauptung und dienten zur Wahrung des Handlungsspielraums im Mächtekonzert, sie verkörperten zudem die Staatseinheit bzw. trugen zur Verklammerung der Territorien und Provinzen bei und konsolidierten außerdem die Krongewalt zu Lasten der Landstände. Die Monarchisierung der bewaffneten Macht war Konsequenz und Mittel einer intensivierten Herrschaft, sie setzte ferner den staatlich finanzierten Unterhalt voraus, forderte den Ausbau der Verwaltung, die ausgiebigere Nutzung der wirtschaftlichen Ressourcen und des fiskalischen Leistungsvermögens und beinhaltete eine vermehrte Reglementierung der ständischen Gesellschaft. Demnach brachte der Übergang zum miles perpetuus strukturelle politische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen mit sich, die sowohl Voraussetzung für das neue Heerwesen als auch dessen Folgen waren. Obwohl überkommene Wehrformen wie Milizen (milice royale) oder Ausschüsse fortbestanden, dominierte jetzt jener Heertyp, dessen Systemrationalität und Sozialkonfiguration bis heute in den Grundzügen als charakteristische Elemente des Militärs eingestuft werden.
,Der Krieg hat ein Loch .. Überlegungen zum Schicksal demobilisierter Söldner nach dem Dreißigjährigen Krieg Von
Bernhard R. Kroener „Der Krieg hat ein Loch, das Kalbfell taug nicht mehr, wir suchn den bettelstab, den unser beuch sind Leer" 1 )
I A n f a n g der achtziger Jahre d e s 17. Jahrhunderts schrieb der Drost zu Gifhorn, der e h e m a l i g e b r a u n s c h w e i g - l ü n e b u r g i s c h e G e n e r a l m a j o r v o n M e l v i l l e , s e i n e Erinnerungen an d i e v i e l f ä l t i g e n W e c h s e l f ä l l e e i n e s l a n g e n S o l d a t e n l e b e n s nieder. D i e i m 19. Jahrhundert m e h r f a c h a u s z u g s w e i s e abgedruckte Q u e l l e ist h e u t e w e i t g e h e n d in V e r g e s s e n h e i t geraten. M e l v i l l e galt i m Zeitalter nationalstaatlicher Wehrpolitik als Paradebeispiel für d i e Internationalisierung der m i litärischen Elite i m Zeitalter d e s Dreißigjährigen K r i e g e s . 2 ) D e r ruhelos v o n e i n e m Kriegsherrn z u m anderen v a g a b u n d i e r e n d e S o l d a t d e s 17. und 18. Jahrhunderts bildete das g e r a d e z u k l a s s i s c h e G e g e n b i l d zu d e m i m Institut der A l l g e m e i n e n Wehrpflicht a u f g e h o b e n e n Vaterlandsverteidiger der R e i c h s g r ü n d u n g s z e i t . 3 ) E i n e D e u t u n g , d i e a u c h in der historischen F o r s c h u n g bis h e u t e n o c h k e i n e w e s e n t l i c h e Korrektur erfahren hat.
') Epigramm zum Kupferstich von Daniel Richter „Abgedankte Trommelschläger", 1642, 120x96 mm: München, Staatliche Graphische Sammlung. ) Die Österreichische Militärische Zeitschrift 8, 1867, 349-363, druckte unter dem Titel „Ein bewegtes Soldatenleben aus dem 17. Jahrhundert" einen umfangreichen Auszug der Lebenserinnerungen Melvilles ab, die der k.k. Rittmeister Blöchlinger zusammengestellt hatte. Dieser hatte den Text einer früheren Ausgabe entnommen: General Melville. Verkettung und Häufung von abentheuerlichen Begebenheiten, in: Historische Gemälde, Erzählungen merkwürdiger Begebenheiten aus dem Leben berühmter und berüchtigter Menschen. Hrsg. v. einer Gesellschaft von Freunden der Geschichte. Bd. 3. 2. Aufl. Leipzig 1799,76-135. Unter dem Titel „Ein Soldatenleben vor 200 Jahren" verarbeitete Otto Elster diesen Stoff: Bilder aus der Kulturgeschichte des deutschen Heeres. Leipzig 1892, 86-134; frühester französischer Druck: Memoires de Monsieur le Chevalier de Melvill, General Major des Troupes de S.A.S. Monseigneur le Duc de Cell, et Grand Baillif du Comte de Giforn. Amsterdam 1705. 3 ) Manfred Messerschmidt, Die politische Geschichte der preußisch-deutschen Armee, in: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648-1939. 6 Bde. München 1978-1981, 2
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Z w e i f e l l o s l e g t der L e b e n s w e g d e s G e n e r a l s v o n M e l v i l l e eindrucksvoll Z e u g n i s ab über das c h r o n o l o g i s c h e w i e g e o g r a p h i s c h e Ineinandergreifen m i litärischer Konfliktkonstellationen in Mitteleuropa in den Jahrzehnten nach d e m Dreißigjährigen Krieg. Ein B l i c k auf e i n e schematisierte Darstellung dies e s i m wahrsten S i n n e d e s Wortes „ L e b e n s w e g e s " läßt z u n ä c h s t erkennen, w e l c h e g e r i n g e B e d e u t u n g d a s Epochenjahr 1 6 4 8 i m S p i e g e l individueller L e benserfahrung b e s i t z e n konnte. O b und i n w i e w e i t sich dieser mikrohistorisch e r h o b e n e B e f u n d v e r a l l g e m e i n e r n läßt, wird i m f o l g e n d e n n o c h zu z e i g e n sein. A n d r e a s ( A n d r e w ) d e M e l v i l l ( e ) w u r d e 1 6 2 4 als S p r o ß e i n e s s c h o t t i s c h e n A d e l s g e s c h l e c h t s g e b o r e n . 4 ) M i t 14 Jahren an der Universität K ö n i g s b e r g i m matrikuliert, verließ er bereits i m f o l g e n d e n Jahr d i e H o h e S c h u l e und ließ s i c h unter d i e S o l d a t e n w e r b e n . D i e s e r A u f t a k t einer militärischen Karriere i m Zeitalter d e s Dreißigjährigen K r i e g e s war w e d e r hinsichtlich d e s Lebensalters d e s A n g e w o r b e n e n , n o c h w a s s e i n e n k u r z z e i t i g e n A u f e n t h a l t an e i n e r U n i v e r sität anging, u n g e w ö h n l i c h . 5 ) Z u n ä c h s t in p o l n i s c h e n D i e n s t e n , kehrte er, da der Frieden k e i n e Fortune versprach 6 ), bald n a c h S c h o t t l a n d zurück, w o er zunächst in d e n Truppen Karls I. V e r w e n d u n g fand 7 ). N a c h der R e d u k t i o n s e i n e s Bd. 2, Abschnitt IV, T. 1,59 ff.; Eckardt Opitz, Allgemeine Wehrpflicht - ein Problemaufriß aus historischer Sicht, in: ders./Frank S. Rödiger (Hrsg.), Allgemeine Wehrpflicht. Geschichte, Probleme, Perspektiven. Bremen 1994, 9-29, hier 18 ff. 4 ) In seinen Aufzeichnungen, die der spätere Generalmajor von Melville auf Bitten der Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, der Gemahlin Herzog Georg Wilhelms, verfaßte, läßt er sich nur sehr vage über die Herkunft seiner Familie aus: „Ich sage von meiner Familie weiter nichts, als dass sie unter die ältesten meines Vaterlandes .Schottland' gehört und eine der ersten war, welche die Reformation annahm und ihr mit der größten Treue anhing" {Melville, Soldatenleben [wie Anm. 2], 349). Wenige biographische Hinweise zur Herkunft Melvilles bei: von Uslar, General Melvill, in: Neues Vaterländisches Archiv, 1823, 167174; Otto Elster, Geschichte der stehenden Truppen im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel von 1600-1714. Leipzig 1899, ND Bad Honnef 1982, 97. 5 ) Bernhard R. Kroener, Conditions de vie et origine sociale du personnel militaire subalterne au cours de la guerre de Trente Ans, in: Francia 15, 1987, 321-350, hier 345 f. 6 ) Der Ausgleich mit Rußland im Frieden an der Poljanovka (1634) und der Waffenstillstand von Stuhmsdorf (1635) sicherten der Adelsrepublik die nötige Handlungsfreiheit zur Vorbereitung eines großen Türkenkreuzzuges. Als der junge Melville in die Armee Wladislaws IV. eintrat, erfreute sich Polen einer Phase des Friedens und der Stabilität, die erst 1648 durch die Jahre der „Sintflut" abgelöst werden sollte. Klaus Zernack, Polen und Rußland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte. Berlin 1994, 199 ff. 7 ) Der inzwischen erfolgte Tod der Eltern ließ die Kinder weitgehend mittellos zurück. Der ältere Bruder Melvilles stand zu diesem Zeitpunkt bereits als Hauptmann im Dragonerregiment Grey, so daß es ihm nicht schwerfiel, den Regimentskommandeur zu bitten, den jüngeren Bruder als Kornett anzunehmen. In dieser Episode bestätigt sich ein Phänomen, das in den Regimentern des Ancien Régime weit verbreitet und für die innere Kohärenz und damit für die Kampfkraft der Verbände von großer Bedeutung war. Der zumeist aus adeliger Familie stammende Regimentschef warb seine Offiziere aus seiner Umgebung, häufig sogar aus seiner unmittelbaren Klientel. Die weitgehend selbständigen Kompaniechefs rekrutierten die Angehörigen der primae planae und die altgedienten Knechte aus ihrem lokalen Umfeld. Auch im Lebensbericht Melvilles wird dieses Strukturprinzip einer adeligen Kar-
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Regiments 1646 begab er sich nach Frankreich.8) Während sein Bruder bald in venezianische Dienste trat9), diente er in den Gardes Ecossaises, bis er von den Spaniern bei Lille gefangengenommen wurde10), wechselte in spanische Dienste und von dort 1649 in die Armee des Herzogs von Lothringen, in der Hoffnung, dort rascher zu einer Kompanieinhaberstelle zu gelangen11). Auf Werbung in Holland für ein Regiment, das der Lothringer dem Prinzen von Wales zur Rettung des Königs verkauft hatte, wurde er von der Nachricht über
riere im Kriegsdienst mehrfach berichtet. André Corvisier, Clientèles et fidélités dans l'armée française au XVIIe et XVIIIe siècle, in: ders., Les Hommes, la guerre et la mort. Paris 1985, 191-214; Thomas M. Barker, Army, Aristocracy, Monarchy. Essays on War, Society and Government in Austria 1618-1780. New York 1982, 38ff. 8 ) Die Reduktionen der Regimenter, das heißt, die Reduzierung der Anzahl der Kompanien pro Regiment oder die Verteilung der überzähligen Mannschaften auf die verbliebenen Kompanien, wurden während des 17. Jahrhunderts häufig praktiziert, um die Kosten für Offiziere und Stäbe zu reduzieren. Philipp Hoyos, Die kaiserliche Armee 1648-1650, in: Der Dreißigjährige Krieg. Wien 1976, 169-232, hier 178. Um eine eventuell notwendige Neuaufstellung von Kompanien rasch bewerkstelligen zu können, gestatteten Regimentskommandeure bisweilen die Bildung von Offizierskompanien, die ohne Sold, nur in Erwartung einer Wiederanstellung an den Feldzügen teilnahmen. Ihre ungesicherte Versorgung ließ sie häufig zu einer Landplage werden. Melville beschreibt in seinen Erinnerungen recht anschaulich die ungesicherte Existenz dieser Einheiten: „Es waren bei unserem Regimente mehrere abgedankte Officiere, die wie ich, auf eine Gelegenheit warteten, angestellt zu werden. Da sie sehr zahlreich waren, so hatte man eine ganze Compagnie errichtet, ich war Cornet. Wir hatten aber kein Gehalt, lebten also nach dem Recht des Stärkeren überall auf Requisition. Dies brachte die Bauern gegen uns auf, und einst, da wir in aller Sicherheit waren, überfielen sie uns des Nachts nahmen uns Pferde und Waffen hinweg, schleppten uns drei Tagereisen fort und sperrten uns auf ein Schloß, wo wir, aller Art übler Behandlung ausgesetzt, zwei Monate lang bleiben mußten" (Melville, Soldatenleben [wie Anm. 2], 349). 9
) Nach dem Wiederaufflammen der Auseinandersetzungen der Signoria von Venedig mit der Hohen Pforte in der Ägäis nach 1645 wurde die Markusrepublik zum zentralen Söldnermarkt in Europa. Ekkehard Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645-1700. Stuttgart 1988, 43. 10 ) Melville wurde als Fähnrich, aber in der Funktion eines Sergeanten in die Schottische Fußgarde aufgenommen. Die Truppe war bei Ausbruch des offenen Krieges Ende 1635 aufgestellt worden und galt als englisches Fremdenregiment in französischen Diensten. Der in einem vorangegangenen Dienstverhältnis erreichte Rang garantierte, wie das Beispiel zeigt, nicht ohne weiteres, daß der neue Dienstherr den Soldaten in einem entsprechenden Dienstgrad übernahm. Eine gewisse ethnisch-kulturelle Geschlossenheit zumindest in den Rängen der Funktionsträger zeichnete auch die Fremdenregimenter des Dreißigjährigen Krieges aus. Eugène Fieffé, Geschichte der Fremdtruppen im Dienste Frankreichs. 2 Bde. München 1860, hier Bd. 1; Georg Tessin, Die Regimenter der europäischen Staaten im Ancien Régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. T. 1: Die Stammlisten. Osnabrück 1986, 464. " ) Nachdem Melville zunächst von Kroaten in spanischen Diensten gefangengenommen worden war, diesen jedoch verwundet entfliehen konnte, fand er Unterschlupf und Beistand bei einem schottischen Oberstleutnant eines irischen Regiments im Dienste der Krone Spanien. Erst als seine Ranzionierungsbriefe von den Offizieren seines ehemaligen Regiments nicht beantwortet wurden, empfand er sein bisheriges Dienstverhältnis als gelöst und trat in spanische Dienste.
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die Hinrichtung Karls I. überrascht.12) Während der geschäftstüchtige Herzog das Regiment, für das in England nun kein Bedarf mehr bestand, an die Spanier weiterverkaufte13), folgte der junge Offizier Karl II. nach Schottland, kämpfte bei Worchester ( 1651 ) und kehrte nach der Niederlage der Royalisten nach Holland zurück. Hier diente er zunächst erneut unter dem Lothringer, diesmal im Sold der Fronde, und gelangte so nach Paris, wo er 1652 in die Fußgarde des Koadjutors14) eingestellt wurde. Nach der Niederlage der Frondeure ließ er sich für die schottische Garde des Herzogs von York anwerben. 15 ) Ein weiteres Mal in Nordfrankreich eingesetzt, geriet er 1652 erneut in 12 ) Melvilles Bemühen richtete sich auf die Übertragung einer Kompaniechefstelle. Nur über die ihm damit zufließenden Rekrutierungs- und Montierungsgelder konnte er als Offizier aus seinem Kriegsdienst einen gewissen wirtschaftlichen Profit ziehen. Dieses Prinzip, das auf der Stufe der Kompaniechefs begann, war auf der der Regimentschefs noch nicht beendet, wie das Beispiel des Herzogs Karl IV. von Lothringen zeigt. Fritz Redlich, The German Military Enterpriser and His Work Force. A Study in European Economic and Social History. 2 Vols. Wiesbaden 1964/65; Friedrich Hausmann, Das Regiment hochdeutscher Knechte des Grafen Julius von Hardegg, seine Geschichte, Fahnen und Uniform, in: Der Dreißigjährige Krieg (wie Anm. 8), 79-160. Nicht von ungefähr befanden sich die Werbeplätze des Lothringers in Holland, wo man nach Abschluß des Friedens mit Spanien daran interessiert war, das angeworbene und nicht mehr benötigte Kriegsvolk möglichst rasch aus dem Dienst zu entlassen und außer Landes zu schaffen. Marjolein C. 't Hart, The Making of a Bourgeois State. War, Politics and Finance during the Dutch Revolt. Manchester/New York 1993, 4 4 , 4 7 . 13 ) Die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges demobilisierten Truppen entschieden sich ganz bewußt, bei welchem neuen Kriegsherrn sie anmustern wollten. Der Verkauf von Einheiten gegen den Willen der Mannschaft führte immer wieder zu Meutereien, die nicht selten in die Auflösung der betroffenen Regimenter einmündeten. Geoffrey Parker, The Army of Flanders and the Spanish Road 1567-1659. The Logistics of Spanish Victory and Defeat in the Low Countries War. Cambridge 1975, 139 ff. Melville vermittelt in einer eindrucksvollen Schilderung ein anschauliches Bild einer derartigen Entwicklung. Offenbar galt der Dienst für die spanische Krone als besonders entbehrungsreich und angesichts der notorischen Zahlungsschwäche des spanischen Hofes als wenig einträglich. „Der unglückliche König von England war enthauptet worden, und sein Sohn Karl II. sah wohl ein, dass er mit dieser Hand voll Leute [den ihm von Karl IV. überlassenen Truppen, B. K.] nichts ausrichten könne. Er überließ sie also wieder dem Herzog von Lothringen, und dieser verkaufte sie, den Mann zu zehn Taler, an den König von Spanien, worauf sie nach S. Sebastian in Biscaya gebracht werden sollten. Die Schiffe kamen auch schon, uns abzuholen. Alles das war aber ganz gegen unsere Kapitulation. Gemeine und Offiziere - ich war unterdess Capitän geworden - waren fest entschlossen, lieber zu sterben, als nach Spanien zu gehen" (Melville, Soldatenleben [wie Anm. 2], 352). 14 ) Paul de Gondi, Kardinal von Retz, Koadjutor des Erzbischofs von Paris. Nach dem Einmarsch der Truppen Condés in Paris im Sommer 1652 spitzten sich die Spannungen innerhalb der Fronde erheblich zu. Möglicherweise im Gefolge des Massakers vor dem Pariser Rathaus im Juli 1652 entschloß sich der Koadjutor, eine nichtfranzösische Garde anzuwerben, da er der Zuverlässigkeit einer französischen nicht mehr so recht trauen mochte. Nach der Rückkehr der Königin und des jungen Königs in die Stadt dankte der Kardinal, noch bevor er in Haft genommen wurde, als Zeichen seiner Unterwerfung seine Garden ab. Cardinal de Retz, Mémoires. Bearb. v. Geneviève Bulli. 2 Vols. Paris 1965, hier Vol. 2, 251 ff. 15 ) Melville fand erneut kriegerische Beschäftigung. Charles de Schömberg, Duc d'Halluin und Marschall von Frankreich, kommandierte die schottischen Garden des Herzogs von York, des späteren Königs Jakob II. von England. In erster Linie landsmannschaftliche Be-
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s p a n i s c h e G e f a n g e n s c h a f t , w u r d e ranzioniert und f o c h t n o c h e i n e n w e i t e r e n F e l d z u g unter f r a n z ö s i s c h e n Fahnen, in d e s s e n Verlauf er sich unter d e m B e f e h l d e s M a r s c h a l l s S c h ö m b e r g bei der B e l a g e r u n g v o n Arras a u s z e i c h n e t e . Er kehrte dann d e m Krieg i m W e s t e n , der i h m kein A v a n c e m e n t m e h r versprach, d e n R ü c k e n . W e n i g später f a n d er sich in K ö n i g s b e r g ein, u m i m s c h w e d i s c h p o l n i s c h e n K r i e g s e i n G l ü c k zu versuchen. A l s Stabskapitän i m brandenburgis c h e n D r a g o n e r r e g i m e n t W a l d e c k erlebte er 1 6 5 8 erneut d i e R e d u k t i o n s e i n e s R e g i m e n t s . 1 6 ) D a er s i c h z u d i e s e m Zeitpunkt in K l e v e auf Werbung befand, trat er 1 6 5 8 in B r e m e n in s c h w e d i s c h e D i e n s t e . Er avancierte hier z u m Obristleutnant, k o n n t e s i c h aber seiner Charge nur kurze Zeit erfreuen, da nach d e m Frieden v o n O l i v a 1 6 6 0 S c h w e d e n s e i n e D i e n s t e nicht länger benötigte. D i e i n z w i s c h e n e r f o l g t e Restauration der Stuarts z o g ihn in der Erwartung lukrativer G n a d e n e r w e i s e an d e n H o f v o n St. J a m e s . D a s i c h s e i n e H o f f n u n g e n nicht erfüllten, f o l g t e er
1 6 6 3 d e m Ruf s e i n e s alten
Regimentskommandeurs
R e i c h s g r a f Josias v o n W a l d e c k , der d i e s m a l i m A u f t r a g d e s Kurfürsten v o n K ö l n ein Infanterieregiment als Bestandteil der T ü r k e n h i l f e d e s R e i c h e s aufstellen sollte, nach K ö l n . 1 7 ) M e l v i l l e n a h m an der S c h l a c h t bei St. Gotthard an
Ziehungen, vielleicht auch ein gemeinsames religiöses Bekenntnis waren auch diesmal die Bindekräfte, die die Truppe zusammenhielten. Unter dem Kommando Turennes zeichneten sich die schottischen Gendarmes, in ihrer Mehrzahl Offiziere, beim Sturm auf die von den Spaniern besetzte Festung Arras aus (1654). Andrew Michael Chevalier de Ramsay, Histoire du Vicomte de Turenne maréchal général des armées du Roy. 2 Vols. Paris 1735, hier Vol. 2,92. 16 ) Am Beispiel seiner Kriegstaten im schwedisch-polnischen Krieg läßt sich die erstaunliche Zuverlässigkeit der Quelle feststellen. Melville berichtet, daß er zusammen mit seinem Freund Molisson über Amsterdam nach Königsberg gereist sei, wo Molisson schon bald eine Kompanie im Regiment Waldeck erhielt, Melville aber leer ausging. In der Tat findet sich in der Rangliste des Regiments zu Fuß Graf von Waldeck vom November 1656 ein Johann Molessen als Chef der 8. Kompanie. George Adalbert von Mülverstedt, Die brandenburgische Kriegsmacht unter dem Großen Kurfürsten. Magdeburg 1888, ND Wiesbaden 1981, 706. Nach einem Zwischenspiel im Dragonerregiment von Hill, den Melville seinen „Landsmann" nennt, der ihm aber auch nicht zu der begehrten Kompaniechefstelle verhelfen konnte, trat der inzwischen dreiunddreißigjährige Offizier wieder in die Dienste der Grafen von Waldeck. Nachdem er offenbar als Adjutant den Grafen Volrath (Walrad) von Waldeck bis zu dessen Tod (1657) begleitet hatte, fand er Aufnahme in die Klientel der Grafen von Waldeck, deren Patronage ihm in den folgenden Jahrzehnten nützlich sein sollte. Nachdem das Regiment zu Fuß Volrath von Waldeck nach dessen Tod zunächst dem General der Kavallerie Georg Friedrich von Waldeck übertragen worden war, wurde es nach dessen Übertritt in schwedische Dienste dem Obersten von Ritterforth übergeben. Ebd. 478. Zu diesem Zeitpunkt verließ auch Melville das Regiment und fand Verwendung im Dragonerregiment des Generalmajors Josias Graf von Waldeck, mit dem er ins Klevische und Waldecksche Gebiet auf Werbung ging. 1658 wurde das Regiment verabschiedet. Melville erhielt durch Vermittlung Georg Friedrichs eine Anstellung in schwedischen Diensten. Er gehörte damit zu den schwedischen Verstärkungen, die im Feldzug um Holstein das dänische Eindringen in bremisches Gebiet verhindern sollten. Eckardt Opitz, Österreich und Brandenburg im Schwedisch-Polnischen Krieg 1655-1660. Boppard 1969, 141 ff. 17
) Melville war zunächst im Auftrag Waldecks nach London gereist, um Karl II. persön-
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der Raab teil. 18 ) Als Josias von Waldeck zum Feldmarschall in braunschweiglüneburgischen Diensten ernannt wurde, empfahl er seinem Landesherrn Georg Wilhelm von Celle den kurkölnischen Obristleutnant von Melville. 1665 zunächst als Chef der Leibkompanie und Kommandant von Celle verwendet, wurde Melville 1672 zum Kommandeur eines Milizregiments mit Garnison in Harburg befördert. 19 ) Der zum Oberst ernannte Offizier kämpfte 1674-1675 im Kontingent Braunschweig-Lüneburgs im Reichskrieg gegen Frankreich im Elsaß und nahm an der für Frankreich verlustreichen Schlacht an der Konzer Brücke teil. Hier wurde Melville so schwer verwundet, daß er eine „silberne Hirnschale" tragen mußte. 20 ) In Norddeutschland im Kampf gegen Frankreichs Verbündeten Schweden eingesetzt, verlor er 1676 bei der Erstürmung von Stade seinen langjährigen Freund Molisson, der wenige Jahre nach ihm ebenfalls in braunschweig-lüneburgische Dienste getreten war. An diesem Beispiel läßt sich das innerhalb der militärischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit bestehende Geflecht persönlicher Beziehungen noch einmal anschaulich vorführen. Die einzelnen Stränge verliefen einerseits als Klientelstrukturen in vertikaler und andererseits als berufsspezifische Kontakte in horizontaler Richtung. In dieser sich wechselseitig stabilisierenden Konstruktion festigten sie, für den Betrachter unserer Tage nicht ohne weiteres erkennbar, den inneren Zusammenhalt der auf den ersten Blick heterogen zusammengesetzten Verbände. In der Endphase des Krieges wurde das Regiment de Melville schließlich nach Pommern verlegt, wo es bis zum Friedensschluß von Nimwegen verblieb. Der inzwischen über 50jährige Melville erhielt als Brigadier das Amt des Oberhauptmanns und Drosten von Gifhorn und schied wenig später (1680) als Generalmajor aus dem aktiven Dienst aus. 21 )
lieh die Glückwünsche seines Gönners zu überbringen. Reichsgraf Georg Friedrich von Waldeck stand nach Abschluß des schwedisch-polnischen Krieges in kaiserlichen Diensten, bevor er per Reichsschluß vom 26. März 1664 zum Reichsgeneralleutnant im bevorstehenden Türkenkrieg ernannt wurde. Helmut Neuhaus, Das Problem der militärischen Exekutive in der Spätphase des Alten Reiches, in: Johannes Kunisch (Hrsg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit. Berlin 1986, 297-346, hier 315 Anm. 59. IS ) Unter dem Kommando von Georg Friedrich kämpften zwei Bataillone Reichs Völker unter Josias von Waldeck im Zentrum der kaiserlichen Schlachtordnung bei St. GotthardMogersdorf (sechs Kölner, zwei schwedische, ein Straßburger, sechs braunschweigische und fünf hessische Kompanien Infanterie). Kurt Peball, Die Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf 1664. Wien 1964, Skizze 2. 19 ) Felix Schütz von Brandis, Übersicht der Geschichte der Hannoverschen Armee von 1617 bis 1866. Hannover 1903, 80. 20 ) Ebd. 80 Anm. 2. 21 ) Andreas de Melville starb 1706. Ebd. 80 Anm. 2.
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II Die Lebensgeschichte Melvilles ist an dieser Stelle so ausführlich dargestellt worden, weil sie einerseits die Kontinuität des Krieges als legitimes Stilmittel frühneuzeitlicher Außenpolitik über 1648 hinaus überaus plastisch vor Augen führt. Andererseits beinhaltet diese Soldatenbiographie aber auch eine Fülle von auf den ersten Blick bedeutungslosen Details, die für die Beantwortung der von der historischen Forschung bis heute vernachlässigten Frage nach dem Schicksal des europäischen Söldnerpotentials des Dreißigjährigen Krieges nach 1648 einen erheblichen Aussagewert besitzen. Bei Unterzeichnung des Friedens 1648 standen auf dem Boden des Reiches etwa 120000 bis 150000 Soldaten unter Waffen. Tabelle l 2 2 ): Stärken der Feldarmeen am Ende des Dreißigjährigen Krieges
Schweden Frankreich Hessen-Kassel
Kaiser Bayern Spanien
Kavallerie/Dragoner 23480 (4500) (2280)
(23500) 9435 k.A.
Infanterie 40218 (4500) (8760)
Gesamt 63698 (9000) (1040) Gesamt:
83738
(27500) (9000) (1000)
(51000) (18000) (1000) Gesamt: 70000 Summe aller Kombattanten: 153738
Dieser nach dreißig Jahren Krieg immer noch imponierenden Heeresmacht müssen noch die zahlreichen Nichtkombattanten, die Lagergesellschaft des Krieges, hinzugerechnet werden, so daß man kaum fehlgeht, wenn man eine
22
) Die von Antje Oschmann vorgelegten Zahlen bestätigen weitgehend die in Detailuntersuchungen gewonnenen Stärkeangaben für einzelne kriegführende Staaten des Dreißigjährigen Krieges. Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991, 563; für die bayerisch-ligistische Armee neuerdings: Cordula Kapser, Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges. Münster 1997,220. Ich darf an dieser Stelle der Verfasserin für die Einsichtnahme in das zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags noch nicht veröffentlichte Manuskript danken. Während Antje Oschmann einen Annäherungswert von etwa 18 000 Mann für die bayerischen Truppen annimmt, errechnet Cordula Kapser anhand der Akten des Dreißigjährigen Krieges im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München eine Zahl von 20 563 Mann. Abweichungen um bis zu 15 % liegen bei den zumeist ungenau erhobenen und lückenhaft überlieferten zeitgenössischen Daten durchaus im Normbereich. Die Zahlen bei Kapser finden sich - abgerundet auf 20 000 Mann - auch bei Karl Staudinger, Geschichte des kurbayerischen Heeres insbesondere unter Kurfürst Ferdinand Maria 1651-1679. München 1901, 114.
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Militärgesellschaft von etwa 250000 bis 300000 Köpfen annimmt. 23 ) Nur zwei Jahre später waren davon über 100000 Soldaten und mindestens ebenso viele Nichtkombattanten abgedankt, wie es in der zeitgenössischen Terminologie durchaus unzutreffend heißt. 24 ) Denn es war unter anderem der vor allem den Soldaten, weniger den Offizieren, häufig vorenthaltene materielle „Dank" ihres Kriegsherrn, die satisfactio militum, die die Demobilisierung der Truppen verzögerte. Es ist erstaunlich und bedarf der Begründung, daß selbst 350 Jahre nach dem Ereignis die historische Forschung offenbar noch keine gesicherte Auskunft über das Schicksal von etwa 200000 Menschen zu geben in der Lage ist. Fast hat es den Anschein, als vermeide man eine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem „Strandgut" des Krieges, dem noch immer das Etikett anzuhaften scheint, mit dem Gustav Freytag ihre Angehörigen versehen hat: „Banden entlassener Kriegsknechte, mit Dirnen und Troßbuben". 25 ) Entließ man, so ist zu fragen, die Armeen des Dreißigjährigen Krieges nach den Bestimmungen des Nürnberger Exekutionstages bis auf geringe Reste, vor allem im Dienste des Kaisers, oder haben wir es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Mitteleuropa mit einem „stehengebliebenen Heer" des Dreißigjährigen Krieges zu tun, wie es Johannes Burkhardt jüngst so eingängig formuliert hat? 26 ) Die hier vorgelegte Untersuchung vermag dazu noch keine umfassende, quellenmäßig abgesicherte Deutung zu liefern. 27 ) Über den Versuch einer Analyse des Demobilmachungsprozesses einerseits und der strukturellen Veränderungen innerhalb der militärischen Gesellschaft andererseits lassen sich aber zumindest ansatzweise Antworten auf die skizzierte Frage finden. Die Unterzeichnung des Friedenswerkes Ende Oktober 1648 fand günstigerweise zu einem Zeitpunkt statt, als sich die Armeen bereits auf dem Abmarsch in ihre Winterquartiere befanden. 28 ) Der erste Schritt einer Demobili23
) Zum Phänomen des regulären und irregulären Trosses im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges vgl. Bernhard R. Kroener, „Kriegsgurgeln, Freireuter und Merodebrüder". Der Soldat des Dreißigjährigen Krieges. Täter und Opfer, in: Wolfram Wette (Hrsg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten. München 1992, 51-67; Peter Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien. Göttingen 1994, 226 ff. 24 ) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 22), 429. 25 ) Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit. 4 Bde. Leipzig 1927, hier Bd. 3: Aus dem Jahrhundert der Reformation. Aus dem Jahrhundert des großen Krieges, 318. 26 ) Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main 1992, 213 ff. 27 ) Zu einem entsprechenden Forschungsprojekt sind bereits erste konzeptionelle Vorüberlegungen angestellt worden. 28 ) Hubert Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis 1635-1650. Münster 1990, 154; Bernhard R. Kroener, Les Routes et les Étapes. Die Versorgung der französischen Armeen in Nordostfrankreich (1635-1661). Münster 1980, 125 f.
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sierung bestand also - ähnlich wie im 20. Jahrhundert - in einer schrittweisen Truppenentflechtung. Damit war das Risiko eines spontanen Wiederaufflammens der Kämpfe einigermaßen gebannt, wenngleich es auch in den folgenden Monaten immer wieder zu kleineren Kampfhandlungen kam. Nach dreißig Jahren Krieg wollten zumindest die militärischen Führer beider Seiten der Beständigkeit des Friedensprozesses zunächst noch nicht so recht trauen. Auch die Soldaten, vor allem aber die bewaffnet am Existenzminimum dahinvegetierenden Marodeurbanden, provozierten immer wieder Zwischenfälle. 29 ) Der Kaiser zog seine Verbände, mit Ausnahme der Immediatarmee im Niederrheinisch-westfälischen Reichskreis und der Festungsbesatzungen, in seine Erblande zurück. 30 ) Er nutzte damit einen geostrategischen Vorteil, über den die schwedische Armee nicht verfügte. Für sie besaß die Sicherung der rückwärtigen Verbindungen zu ihren Besitzungen an der Ostseeküste und damit zu den Einschiffungshäfen der nationalschwedischen Regimenter erste Priorität. 31 ) Da beide Kriegsgegner der Friedensbereitschaft des jeweils anderen zunächst noch mißtrauten, begann man im Frühjahr 1649 auf beiden Seiten zunächst mit dem Abbau kostspieliger, die Kampfkraft der Truppe jedoch nicht unmittelbar beeinträchtigender Einrichtungen. So wurde auf kaiserlicher Seite die Werbung eingestellt, während sich Schweden von umfangreichen Trossen und nicht mehr benötigten Fuhrkolonnen trennte. 32 ) Während die Militärs beider Seiten die Feldarmeen möglichst lange zu erhalten suchten - nicht nur weil ihnen aus langjähriger Kriegserfahrung bewußt war, wie schwer eine kampferprobte Mannschaft anzuwerben war, sondern weil die Armee das Faustpfand darstellte, mit der sie ihren finanziellen Forderungen den gehörigen Nachdruck verleihen konnten - , bestand an allen Höfen eine starke Frie-
29
) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 169 f.; Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 22), 418. 30 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 171. 31 ) Angesichts der wirtschaftlichen Situation am Kriegsschauplatz stellt die weitgehend geordnete Rückführung und Auflösung der schwedischen Armee eine logistische Meisterleistung des Pfalzgrafen Karl Gustav und der schwedischen Generalität dar. Theodor Lorentzen, Die Schwedische Armee im dreissigjährigen Kriege und ihre Abdankung. Leipzig 1894, 191 ff. Die im Zuge des Interimsrezesses heftig umstrittene Präliminarevakuation kam zwischen Ende September und Mitte Oktober 1649 doch noch zustande. Die durch die kaiserliche Seite bis Ende September verzögerte Unterzeichnung des Interimsrezesses als Voraussetzung der Evakuation des Kriegsvolks bewirkte, daß ein Drittel der nationalschwedischen Regimenter, deren Stärke sich auf etwa 15 000 Mann zu Fuß und 4 000 Reiter belief, wegen des bevorstehenden Winters nicht mehr über See abtransportiert werden konnte. Ebd. 186; Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 22), 245, 255. 32 ) Gleichzeitig verfügte der Wiener Hof die Rückgabe zusätzlich requirierter Pferde, in der Regel der Fuhrkolonnen, was in erster Linie die Beweglichkeit, nicht aber die Kampfkraft der Regimenter verringerte. Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 171. Auf schwedischer Seite verzichtete man Anfang 1649 auf alle nicht mehr für die Rückführung der Truppen benötigten Trosse und begann mit der Entlassung überzähliger Offiziere. Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 185.
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denspartei, die nach dreißig Kriegsjahren eine rasche und möglichst umfassende Abrüstung der vorhandenen Potentiale wünschte. 33 ) Unter diesem Druck suchten vor allem die militärischen Berater des Kaisers 1649 eine Kostenreduzierung bei gleichzeitiger Sicherung der bisherigen militärischen Leistungsfähigkeit zu erreichen. Die Zauberformel hieß „Reduktion" und „Reformation". Als „Reduktion" bezeichnete man die Auflösung einzelner Kompanien und die Verteilung der verbleibenden Mannschaften auf die restlichen Kompanien eines Regiments. „Reformation" bedeutete die Auflösung personell schwacher Regimenter, wobei die Soldaten auf andere Regimenter verteilt, oder, wie es der zeitgenössische Begriff bildhaft beschreibt, „untergestossen" wurden. Der Vorteil liegt auf der Hand. Die Krone entledigte sich auf diese Weise überzähliger Offiziere, teurer, aber unnötiger Stäbe und deren nachgeordneter Versorgungseinrichtungen. Der Umfang der damit einhergehenden Personalreduktion war durchaus nicht unbeträchtlich, betraf sie doch die nicht zuletzt durch die Zahl ihrer Bedienten recht kostspieligen Führungs- und Stabskader der militärischen Gesellschaft. So empfing 1649 der Stab der kaiserlichen Hauptarmee immer noch 1546 Verpflegungsrationen und unterhielt ebenso viele Pferde. 34 ) Im Zuge der Armeereformation wurden zunächst die jüngsten und am schlechtesten geführten Regimenter aufgelöst. Da der in den letzten Kriegsjahren geworbene Ersatz häufig nach Gesundheitszustand, Motivation und Kriegserfahrung gegenüber den erprobten, das heißt altgedienten Soldaten und Offizieren deutlich abfiel, galten die jüngsten Regimenter in der Regel als die am wenigsten kriegstüchtigen. 35 ) Ihre Abdankung ließ sich auch finanziell besser verkraften, da den neugeworbenen Soldaten und denjenigen, die noch keine Feldzugserfahrung besaßen, kein „Rekompens" (Abfindung) zustand. 36 ) So befreite sich die Armee von personellem Ballast und erreichte mit geringerem Aufwand eine höhere Leistungsfähigkeit. 37 ) Daneben ergab sich für die 33
) Karl-Richard Böhme, Bremisch-verdische Staatsfinanzen 1645-1676. Die schwedische Krone als deutsche Landesherrin. Uppsala 1967, 232, 371 f.; Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 171; Salm, Armeefinanzierung (wie Anm. 28), 156 (Kurköln, Hessen-Kassel). 34 ) Beda Dudik, Schweden in Böhmen und Mähren 1 6 4 0 - 1 6 5 0 . Wien 1879, 361 f. 35 ) Ein Verfahren, das während des gesamten 17. und noch bis weit ins 18. Jahrhundert in allen Armeen der europäischen Mächte praktiziert wurde. 36 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 183. 37 ) Kaiser Ferdinand III. hatte bereits 1647 versucht, durch Reduktionen in allen vorhandenen Regimentern einen gleichmäßigen Mannschaftsstand in den verbleibenden Kompanien zu erreichen. So sollten die Reiterregimenter aus je zwei Eskadronen zu fünf Kompanien bestehen, von denen jede 200 Mann stark sein sollte. Auch die Regimenter zu Fuß waren in zehn Kompanien zu je 4 0 0 Mann gegliedert (insgesamt also 4 000 Mann). Bei der Mobilmachung gegen Schweden von 1657 befanden sich vor allem in den Infanterieregimentern häufig nur 4 - 8 Kompanien mit weitaus geringeren Mannschaftsstärken. Regimenter mit einer Ist-Stärke von 4 0 0 - 6 0 0 Mann waren keine Seltenheit. Anton Dolleczek, Der österreichisch-polnische Auxiliarkrieg gegen Schweden ( 1 6 5 7 - 1 6 6 0 ) , in: Österreichische Militäri-
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Tabelle 2: Lista dess General Stabss, welcher in dem Königreich Böhaimb logirt, vndt wie hoch sich selbiger monatlich betrage«. Monatsbesoldung Ihr Excell. Herr General-Leutenandt Duc di Amaffi Piccolomini Der geuollmächtigte General Commissarius Herr von Traun General von der Cavalleria graff Montecuculi General Veldtmarschalck Leutnandt Misslick General Wachtmeister Marggraff von Baden General Commiss. Freyherr von Blumenthall General Auditor Graass Kriegss Zahl Ambt Pater superior cum suo Collegio Hof- vndt Rriegss-Secretari Willstock vndt Alp Director der Canzley Kaysl. Veldt Kriegss Canzley Ober Commissarius Keller Ober Commissarius Haffner General Commissariats Canzley vndt Commissarius Oberquartirmeister Wenzell General Leut.: Canzley alss Secretarius Vaseleur Secretair Francisco Canzelist Doctor Ruff General Adjudant Amaxell General Adjudant Vnger General Adjudant Peter Kranz 2 Krigss Commissarien 2. General Quartiermeister Leut. Graass vndt Martin 2 General auditor Leu. Graass vndt Schubert 2 Ingenieur Ingenieur Obrister Hamerling Ingenieur Pironi Veld Postmeister Barth General Prouoss sammbt 2 Leut. General Wagenmeister sambt 2 Leut. 2 Veldt Apoteker sambt den Fuhr-Knechten Veldt Chyrurgus Kilian mit 2 Gesellen Stabsquartirmeister Dachhausser Capitän de Guidi Stabss-Forrir Martin 4 Veldt Curir Latuss ferner: Vor den Herrn Veld Zeugmeister Hunoldstein Item dem Ober Commiss. Summa:
Portion täglich
Pferdt täglich
3000 R.t.
300
300
1800 1500 1000 800 600 300 300
180 120 70 60 50 36 26 26
180 120 70 60 50 36 26 26
295 65 300 300
30 42 26 26
30 42 26 26
300 300 100 100 30 200 300 300 300 300
36 36 12 12 6 16 26 26 26 30
36 36 12 12 6 16 26 26 26 30
300 300 100 200 200 100 300 250 96 100 150 150 50 120 15515
24 24 16 15 15 12 26 20 18 14 12 12 6 16 1460
24 24 16 15 15 12 26 20 18 14 12 12 6 16 1460
50 300 15 865
60 26 1546
60 26 1546
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kaiserliche Seite der nicht zu unterschätzende propagandistische Effekt, daß man auf dem Nürnberger Exekutionstag die aufgelösten Kompanien und Regimenter als eine reale Verringerung der Präsenzstärken in die Verhandlungen einbringen konnte. Während die Zahl der Regimenter und Kompanien vermindert wurde, stiegen seit 1649 die Mannschaftsstärken in den kaiserlichen Infanteriekompanien kontinuierlich von 168 auf 262 Mann und bei den Kompanien zu Roß von 57 auf 85 Mann. 38 ) Da diese Maßnahmen in erster Linie in den Erblanden erfolgten, besaß die schwedische Seite kaum verhandlungsrelevante Informationen über diese sehr erfolgreiche Reorganisation und Qualitätssteigerung des kaiserlichen Heeres. Die schwedische Armee befand sich dagegen in einer weitaus schwierigeren Lage. Aus innenpolitischen, vor allem aber finanziellen Gründen war man in Stockholm gezwungen, die deutschen Regimenter der Krone massiv und vor allem rasch abzudanken. Bereits 1649 wurden einige der kostspieligen Reiterregimenter aufgelöst. Ähnlich wie in der kaiserlichen Armee, trennte man sich auch auf schwedischer Seite zunächst von den unberittenen Soldaten. Damit verlor die schwedische Armee ihre Offensivfähigkeit rascher als die kaiserliche (im Sommer 1649). Während die Infanterie als stationäre Besatzungstruppe in den Gebieten, in denen der jeweilige Herrschaftsanspruch des Souveräns unbestritten war, über den Friedensschluß hinaus ihre Berechtigung besaß, galten die beweglichen Reiterverbände als Angriffswaffe par excellence. 39 ) Die schwedische Politik stellte damit anschaulich unter Beweis, daß eine großräumige politisch-militärische Einflußnahme im Reich nicht mehr beabsichtigt war. Im Sommer 1649 hatte die schwedische Armee von ehemals 952 Kompanien bereits 403 aufgelöst. 40 ) Eine Vereinbarung mit dem Kaiser über die Präliminarevakuation schien sehe Zeitschrift 27, 1886, 17-47, hier 18; Otto Elster, Die Piccolomini-Regimenter während des 30jährigen Krieges, besonders das Kürassier-Regiment Alt Piccolomini. Wien 1903, 104ff. Zum Teil verfügten die Regimenter 1648 im Durchschnitt über kaum 50 Mann. Salm, Armeefinanzierung (wie Anm. 28), Diagramme, Abb. 6 und 7. 38 ) Ebd. 63-65; Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 183. 39 ) Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 184; Karl-Richard Böhme, Die deutschen Provinzen der schwedischen Krone während der Türkenkriege im 17. Jahrhundert, in: ZHF 11, 1984, 165-176, hier 170 (1664); Ottoheinz Rocholl, Das stehende Heer als Stütze der feudalen Reaktion. Ein Beitrag zur Heeresgeschichte vornehmlich des 17. Jahrhunderts, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig 1952/53, 499-510, hier 503; Georg Heinz Wetzel, Die Hessischen Jäger. Eine deutsche Truppenhistorie im politischen Wandlungsprozeß von vier Jahrhunderten (1631-1987). Kassel 1987,13. 40 ) Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 186. Nach dem Interimsrezeß vom September 1649 trennte sich die schwedische Militärführung von weiteren 136 Kompanien. Hierbei handelte es sich im wesentlichen um Einheiten der ehemaligen weimarischen Armee, deren Zuverlässigkeit nach den vorangegangenen Meutereien bezweifelt werden mußte. Damit war die Gesamtzahl der in schwedischen Diensten stehenden Kompanien im Reich auf 267 gesunken.
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auf den ersten Blick nur im Interesse Wiens zu liegen. Aufgrund der vorangegangenen Truppenreduzierungen sah sich Schweden zu diesem Zeitpunkt bereits gezwungen, zunächst die weit vorgeschobenen Außenposten in Böhmen zu räumen, da aufgrund der gesunkenen Truppenpräsenz die militärisch gesicherten Verbindungen zu ihren Territorien an der Seekante abzureißen drohten. Die Nervosität, mit der die schwedischen Vertreter im Winter 1649/50 auf dem Nürnberger Exekutionstag agierten - die sogar soweit ging, daß man, zumindest vordergründig, selbst einen Abbruch der Verhandlungen riskierte - , mag sich auch aus dieser Zwangslage erklären. 41 ) Obwohl die Präliminarevakuation von 1649 erstmals auch die Truppenstärke der kaiserlichen Armee, die Personalstärke der Kaiserlichen, unmittelbar betraf, kam es doch erst nach der Unterzeichnung des Hauptrezesses im Sommer 1650 zu einer umfassenden Abdankung (Graphik 2). 42 ) Innerhalb weniger Monate wurden mehrere zehntausend Soldaten aller kriegführenden Parteien entlassen. Während sich die militärische Präsenz Schwedens auf die Sicherung seiner Territorien im Reich beschränkte, unterhielt der Kaiser im Juni 1650 noch immer eine Streitmacht von etwa 30000 Mann, die aber in den folgenden Monaten auf 10000 Mann zu Fuß und 4000 Reiter verringert wurde. Dabei suchte man die effektive Präsenzstärke durch Dislozierungen an die Militärgrenze in Ungarn zu verschleiern. 43 ) Die Friedenspartei am Wiener Hof scheute in zähen Auseinandersetzungen mit den Befehlshabern der Feldarmee keine Mühen, vor allem die kostspielige Reiterei auf den geringen Umfang von 2 500 Mann zu begrenzen. Ihr Ziel bestand nicht in einer Reduktion der Truppen, sondern in deren vollständiger Auflösung. An diesem Beispiel läßt sich anschaulich vorführen, daß man gerade auf ständischer Seite zu den Zuständen, wie sie vor dem Krieg geherrscht hatten, zurückzukehren wünschte. Ein zu Angriffsoperationen geeignetes stehendes Heer war 1650 auch in der Vorstellungswelt der politischen und einiger militärischer Berater des Kaisers noch keine Größe. Die Hoffnungen selbst der Befürworter einer Erhaltung der Armee um den Generalkriegskommissar Traun und Feldmarschall Piccolomini, die sich ihrer unterlegenen Position durchaus bewußt waren, richteten sich darauf, in den Erblanden mit Unterstützung der Stände wenigstens „die essenz einer guten armada" auf dem Fuß zu behalten. 44 ) Neben den Armeen der beiden Hauptkontrahenten mußten nach 1648 aber 41
) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 22), 341 f. Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 200. 42 ) Philipp Hoyos, Ernst von Traun, Generalkriegskommissar, und die Abdankung der kaiserlichen Armee nach dem Dreißigjährigen Krieg. Phil. Diss. masch. Wien 1970, Beilage IV, A und B. 43 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 192 f. Ebd. 211,214.
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Abb. 2
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auch erhebliche Kontingente anderer Kriegsparteien abgedankt werden. Dazu zählten neben den Truppen der Kreisarmee des Niederrheinisch-westfalischen Reichskreises im Umfang von etwa 18000 Mann45) die bayerisch-ligistische Armee mit etwa ebensoviel Soldaten, die beide vollständig abgerüstet wurden 46 ). Auf schwedischer Seite sollten die Truppen der Landgräfin von Hessen-Kassel demobilisiert werden, ein Korps von ebenfalls 18000 Mann.47) Da der Blick häufig auf die Verhältnisse im Reich fixiert bleibt, wird meist übersehen, daß nach Abschluß des spanisch-niederländischen Krieges auch etwa 20000 holländische Soldaten abgedankt werden mußten.48) Diese sehr heterogen zusammengesetzten Kontingente bildeten ein beliebtes Rekrutierungsreservoir für französische und lothringische Werber. Nicht von ungefähr wurde Melville 1648 in Holland mit Werbungen beauftragt. Im Reich hingegen war das Interesse, im Ausland Dienst zu nehmen, erstaunlicherweise gering. Auf die Ursachen wird an anderer Stelle noch näher einzugehen sein. Betrachtet man die im Dreißigjährigen Krieg aktiven Reichsstände hinsichtlich ihrer Wehrverfassung nach 1648, so läßt sich ein erstaunlicher Befund erheben: während Brandenburg49) und Kursachsen50) bereits vor 1648 aus dem Krieg ausgeschieden waren und ihre Truppen bis auf wenige hundert Mann abgedankt hatten, folgten ihnen darin nach 1650 auch HessenKassel 51 ), Kurbayern52), Kurpfalz53), Braunschweig-Lüneburg54), Holstein45
) Salm, Armeefinanzierung (wie Anm. 28). ) Kapser, Kriegsorganisation (wie Anm. 22); zu den Veränderungen in der Heeresorganisation vgl. die immer noch einschlägige Untersuchung von Staudinger, Kurbayerisches Heer (wie Anm. 22). 47 ) Erwin Bettenhäuser, Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem westfälischen Friedenskongreß 1644-1648. Wiesbaden 1983. 48 ) 't Hart, Dutch Revolt (wie Anm. 12), 43 f. 49 ) Paul Hassel, Die Heeresverbesserungen des großen Kurfürsten während der ersten Periode seiner Regierung (-1655), in: Preußische Jahrbücher 14, 1864, 616-631, hier 627f.; Curt Jany, Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914. 4 Bde. 2. Aufl. Osnabrück 1967, Bd. 2,98 ff. Brandenburg besaß nach seinen erneuten Werbungen 1644, die in erster Linie dazu dienen sollten, die nach dem zu erwartenden Friedensschluß an das Kurfürstentum fallenden festen Plätze zu besetzen, kaum 3 000 Mann, fast ausschließlich Infanterie. Die kleine Reiterei wurde 1649 bis auf die Leibkompanie von 152 Pferden aufgelöst. Ebd. Bd. 1, 103, 105. 50 ) Walther Thenius, Die Anfänge des stehenden Heerwesens in Kursachsen unter Johann Georg III. und Johann Georg IV. Leipzig 1912, 6. Kursachsen fand nach einer vollständigen Demobilisierung erst 1688/89 zu den Anfängen einer stehenden Armee. 51 ) E. von St., Die Anfänge des stehenden Heeres in der Landgrafschaft Hessen-Cassel und dessen Formationen bis zum Ende des dreissigjährigen Krieges, in: Österreichische Militärische Zeitschrift 5, 1864, 33-43, hier 42. Die Armee der Landgräfin von Hessen-Kassel wurde nach dem Friedensschluß auf 400 Mann zu Fuß und 40 Reiter reduziert. 52 ) Staudinger, Kurbayerisches Heer (wie Anm. 22), Bd. 1, 114. Die Truppen wurden bis zum Oktober 1650 in mehreren Schritten bis auf die Leibgarde zu Fuß und die Leibgarde zu Roß (Korbinergarde), die Stadtguardia von München und Ingolstadt sowie die Infanteriekompanie von Schrenk im Umfang von 200 Mann als Schloßbesatzung in der neuerworbenen Oberpfalz reduziert. Ebd. 117. 46
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Gottorf55) und vor allem die geistlichen Territorien, deren bewaffnete Macht sich in der Regel auf die zur Sicherung der Festungen notwendigen, zahlenmäßig schwachen Infanteriegarnisonen beschränkte56). Selbst wenn, wie etwa im Fall Brandenburgs, angesichts drohender Konflikte Werbungen notwendig wurden, so erfolgte nach dem jeweiligen Friedensschluß erneut eine Reduktion bis auf wenige Festungsformationen. Nach dem Konflikt mit Pfalz-Neuburg reduzierte der Kurfürst 1653 seine Truppen erneut auf etwa 1 800 Mann, ein Umfang von nur noch symbolischer Bedeutung.57)
53
) Hans Fahrmbacher, Das kurpfälzische Heerwesen im 15., 16. und 17. Jahrhundert, in: Mannheimer Geschichtsblätter 11, 1910, 30-48, 52-63, 82-90, 108-115, 130-138, 147160, 176-186; ders., Vorgeschichte und Anfänge der kurpfälzischen Armee in Jülich-Berg (1609-1685), in: ZBergGV 49, 1909, 35-94; 1650 umfaßte die kurpfälzische Armee kaum mehr als 500 Mann. Fahrmbacher, Heerwesen, 107. 54 ) Elster, Truppen (wie Anm. 4), 72 f. Nach dem Kriegsaustritt Braunschweig-Lüneburgs bestand die Armee nur noch aus der Leibkompanie Herzog Augusts d. J. und einer Reiterkompanie in einer Gesamtstärke von 262 Mann, zu denen noch 1110 Mann zu Fuß kamen. Die Sollstärke der Infanterie war auf 2000 Mann festgesetzt worden. Louis H. von Sichart, Geschichte der Königlich-Hannoverschen Armee. 5 Bde. Hannover 1866-1898, Bd. 1, 120. Herzog Georg Wilhelm gestand 1650 den Ständen eine weitere Reduktion der vorhandenen Truppen zu und erhielt im Gegenzug die Genehmigung, die Festung Harburg weiter auszubauen. Ebd. Bd. 1, 121. Die Lande Herzog Christian Ludwigs von Lüneburg-Celle waren nach zeitgenössischer Einschätzung 1650 „von Kriegsvölkern sehr entblößt". 55 ) Günter Knüppel, Das Heerwesen des Fürstentums Schleswig-Holstein-Gottorf 16001715. Neumünster 1972, 165f. Zwischen 1647 und 1649 wurde der größte Teil der zum Grenzschutz eingesetzten Unionstruppen abgedankt. Es verblieben als Festungsbesatzungen je eine Kompanie in Tönning und Friedrichsberg bei Schleswig. 56 ) Als Beispiel mögen hier die Verhältnisse im Fürstbistum Münster und im Hochstift Würzburg dienen. Die Truppen, die Christoph Bernhard von Galen nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges unter Waffen hielt, beliefen sich auf etwa 3000 Mann zu Fuß und 700 Reiter. Theodor Verspohl, Das Heerwesen des Münsterschen Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen 1650-1678. Hildesheim 1908, 4. Friedrich Arnold, Das Kriegswesen des Hochstifts Würzburg zurZeit des Dreißigjährigen Krieges. Phil. Diss. Würzburg 1934, 64. Nach der Schwedenzeit blieben noch sechs Kompanien in fürstbischöflichem Dienst, deren Effektivstärke aber nach dem Friedensschluß noch weiter verringert wurde. Zumindest die Landeskinder unter den Soldaten wurden mit der Auflage nach Hause entlassen, bei Bedarf wieder unter die Fahnen zu treten. 57 ) Jany, Preußische Armee (wie Anm. 49), Bd. 1, 103, der keineswegs im Verdacht steht, die historische Leistung der preußischen Militärmacht schmälern zu wollen, stellt zu den Rüstungen der frühen Regierungszeit des Großen Kurfürsten fest: „Die 1644 begonnenen Rüstungen Brandenburgs haben . . . der 1641 beibehaltenen Truppenmacht als dauernde Verstärkung nur die notwendigen Garnisonen in den genannten festen Plätzen hinzugefügt. Und sind im übrigen als eine vorübergehende Kraftanstrengung gleich ähnlichen früheren und späteren Rüstungen zu bewerten, nicht etwa als Grundlegung eines .stehenden Heeres'. Wir werden sehen, daß der ,miles perpetuus' in der Mark Brandenburg mit der Reduktion von 1653 noch unter die schwache 1641 beibehaltene Truppenstärke sank". Peter Kiehm, Anfänge eines stehenden Heeres in Brandenburg 1640-1655 unter Kurfürst Friedrich Wilhelm, in: Militärgeschichte 24, 1985, 515-520.
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Tabelle 3: Entwicklung der Truppenstärke des brandenburgischen Heeres zwischen 1640 und 1655 Jahr 1640 1640 1641 1641 1641 1646/47 1646 1650 1650 1651 1651 1651 1651 1653 1653 1655
Stärke 4 6 5 0 Mann 6100 2125 2302 2305 3000 1800 692 1000-1500 8400 3800 5000 16000 1800 1270 17000-20000
1655 1661 1661-1665
19000 4800 7500
1665 1666
13500 7000
3350 Z.F./1 300 z.P. 2 0 0 0 z. F./125 z.P. 2 1 8 0 z. F./125 z.P. auf dem Kriegsschauplatz auf dem Kriegsschauplatz 540 z. F./152 z.P. Garnisonstruppe in der Mark (ohne Garnisonen) zu Beginn des Konflikts auf dem westlichen Kriegsschauplatz seit Mitte Juli auf dem Weg zum Kriegsschauplatz Gesamtstärke der brandenburgischen Armee
Teilnahme Brandenburgs am schwedisch-polnischen Krieg 3 2 0 0 z. F./1 680 z. P. davon 3 350 Mann Feldarmee (mit 150 z. P. und 300 Dragonern) Konflikt mit Münster, Feldarmee auf 10000 Mann davon Feldarmee 4 130 (2 650 z. F./l 230 z. P./250 Dragoner
Daten bis 1655 nach Kiehm, Anfänge (wie Anm. 57), 519. Daten von 1660-1666 nach Ferdinand Hirsch, Die Armee des Großen Kurfürsten und ihre Unterhaltung während der Jahre 1660-1666, in: H Z 53, 1885, 229-275. Die absoluten Zahlen sind, wie immer im vorstatistischen Zeitalter, nur als Ausdruck der ungefähren Größenordnung zu werten. Die unterschiedlichen Stärkeangaben innerhalb eines Jahres verdeutlichen anschaulich den Umfang der Personalfluktuation in den Verbänden (Abb. 3). 5 8 )
D i e D a r s t e l l u n g läßt e r k e n n e n , d a ß d i e s t e h e n d e n H e e r e , d i e in d e n b e i d e n l e t z t e n D e z e n n i e n d e s 17. Jahrhunderts in E u r o p a e n t s t a n d e n , k e i n e o r g a n i s a t o r i s c h e n u n d nur g e r i n g e p e r s o n e l l e K o n t i n u i t ä t e n m i t d e n w ä h r e n d d e s D r e i ß i g j ä h r i g e n K r i e g e s a u f g e s t e l l t e n V e r b ä n d e n a u f w i e s e n . E s kann an d i e s e r S t e l l e n i c h t der F r a g e n a c h g e g a n g e n w e r d e n , o b d i e s e r B r u c h v o n d e n L a n d e s herren m i t B e d a c h t v o l l z o g e n w u r d e , u m d a s Institut der s t e h e n d e n H e e r e g e g e n ü b e r d e m v o r a n g e g a n g e n e n , b e w u ß t in d ü s t e r e n Farben
gezeichneten
f r e i e n S ö l d n e r t u m v o r t e i l h a f t a b z u g r e n z e n . E s ist d u r c h a u s denkbar, d a ß d i e s e 58
) Diese Graphik ist aus den bei Mülverstedt, Brandenburgische Kriegsmacht (wie Anm. 16), aus inzwischen weitgehend verlorengegangenem Aktenmaterial zusammengetragenen Angaben entstanden.
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CDCCX
C2;C2 U- iL
Abb. 3
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Entwicklung, die sich in den achtziger Jahren in Europa allgemein durchsetzte, das pragmatische Ergebnis eines aus der gegebenen innenpolitischen Frontstellung zwischen landesherrlichen Autonomiebestrebungen in Militärsachen und der Behauptung ständischer Reservatrechte erwachsenen Schwebezustandes gewesen ist. Von den großen Mächten reduzierte selbst der Kaiser nach den auf den Westfälischen folgenden Friedensschlüssen des 17. Jahrhunderts - 1660 (Frieden von Oliva) und 1679 (Frieden von Nimwegen) - seine Verbände um mehr als die Hälfte auf eine Größenordnung, die bereits 1650 erreicht war. Tabelle 4: Aufstellung und Abdankung kaiserlicher Kavallerieregimenter 1650-1748 59 ) 1649/50 1657 1660 1677 1679 1690 1700 1714 1721 1736 1748
9 Kav. Rgt. 21 12 21 11 19 18 23 21 18 18
1 Dragoner Rgt. 4 2 4 2 11 9 19 13 14 13
9 Inf. Rgt. 35 11 22(1678) 11 32(1689) 29 45 45 52 55
Friede von Oliva Friede von Nimwegen Friede von Rijswijk Friede von Rastatt Wiener Vorfriede 1735 Friede von Aachen
Erst zu Beginn der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts wurden, zumindest was die Anzahl der Regimenter betrifft, die enormen Schwankungsbreiten zwischen Kriegs- und Friedenspräsenzstärken zunehmend geringer. Dieser Zeitpunkt ist in doppelter Hinsicht von Bedeutung. In diesen Jahren vollzog sich innerhalb der militärischen Elite ein Generationswechsel. Die Führer des Dreißigjährigen Krieges, wie etwa der anfangs vorgestellte Andrew Melville, aber auch Montecuccoli oder Conde, starben oder legten ihr Kommando nieder. Mit ihnen verschwanden auch die Prinzipien der Kriegführung des Dreißigjährigen Krieges. 60 ) Eine Generation von Offizieren rückte nun in Führungspositionen ein, die eine neue, der veränderten Gestalt des politischen Verkehrs angemessene Form des Einsatzes militärischer Kräfte praktizierte. 59
) Alphons Frhr. von Wrede, Geschichte der k.u.k. Wehrmacht. Die Regimenter, Corps, Branchen und Anstalten von 1618 bis Ende des XIX. Jahrhunderts. 5 Bde. Wien 18981901, hier Bd. 1, 13, Beilage 1 (Inf.); Bd. 3, 13, Beilage 1 (Kav.). 60 ) 1683 hatten nur noch 26 % der Chefs kaiserlicher Regimenter ihre militärische Karriere in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges begonnen. Thomas M. Barker, Military Entrepreneurship and Absolutism: Habsburgs Models, in: Journal of European Studies 4, 1974, 19-42, hier 36f.; John A. Mears, The Thirty Years' War, the „General Crisis" and the Origins of a Standing Professional Army in the Habsburg Monarchy, in: CEH 21, 1988, 122141, hier 137.
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Eine methodische und damit zunehmend bürokratisierte Kriegführung fand Eingang in die europäischen Armeen, zunächst in Frankreich, dann auch im Reich. In diesen Jahren begannen auch die armierten Stände, Truppenkontingente ständig unter Waffen zu halten, die man nach Umfang, aber auch hinsichtlich ihrer Gliederung in Infanterie, Kavallerie und Artillerie als funktionsfähige Armeen ansprechen kann und die sich damit auch deutlich von den bis dahin in Friedenszeiten üblichen Festungsgarnisonen und Leibtruppen unterschieden. Selbst dort, wo er dazu in der Lage war, hat der frühmoderne Staat nach dem Westfälischen Frieden Kontinuitäten zu den Söldnerheeren des Dreißigjährigen Krieges bewußt nicht entstehen lassen. „Stehengebliebene Heere", so faszinierend das Bild auch ist, hat es, sieht man von dem dargestellten Sonderfall des kaiserlichen Heeres einmal ab, das in seiner inneren Struktur noch näher zu untersuchen wäre, nach dem Dreißigjährigen Krieg im Reich nicht gegeben. Auch die Verhältnisse in Frankreich nach dem Pyrenäenfrieden bedürfen in diesem Zusammenhang einer differenzierteren Betrachtung.
III Was geschah also mit den abgedankten Soldaten des Dreißigjährigen Krieges? Wer benötigte nach 1648 noch kriegserfahrene Söldner? Neben den inländischen Interessenten auf dem deutschen Werbemarkt, dem Kurfürsten von Brandenburg oder dem Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm, die für den „Kuhkrieg" um Jülich und Berg kurzfristig Truppenteile anwarben, lockten vor allem die Hauptgegner Spanien und Frankreich ihre ehemaligen Verbündeten, bisweilen sogar ihre ehemaligen Gegner mit lukrativen Kompensationsangeboten. 61 ) Zwischen ihnen oszillierte der depossedierte Lothringer Herzog, der seine politische Zukunft immer stärker auf die ihm zur Verfügung stehende Armee zu stützen versuchte. Melvilles Erinnerungen an seine Zeit in den Diensten des Lothringers illustrieren anschaulich die Spielernatur Karls
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) So suchte Spanien den Pfalzgrafen Karl Gustav durch das Angebot günstiger Handelsverträge zu bewegen, ihm Regimenter abzutreten. Selbst in Wien unternahm man den Versuch, unter der Hand Soldaten der deutschen Regimenter der Krone Schweden für den Übertritt in spanische Dienste zu gewinnen. Während die französischen Vertreter am Exekutionstag entsprechende Vereinbarungen zu ihren Lasten zu verhindern suchten, war man in Paris bestrebt, über den französischen Gesandten Chanut in Stockholm zu einem vertraulichen Arrangement mit Königin Christine zu gelangen. Während Schweden sich Madrid gegenüber reserviert verhielt, zeigte sich Karl Gustav bereit, Frankreich auf verdecktem Wege die benötigten Mannschaften zu verschaffen. Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 22), 385; Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 204f. Frankreich übernahm, die Werbungen in Holland eingeschlossen, insgesamt etwa 8 000 Mann kriegsgediente Soldaten. Fieffé, Fremdtruppen (wie Anm. 10), Bd. 1, 222 ff.
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IV. Vielleicht zog sein Schicksal gerade diejenigen unter den Offizieren des Dreißigjährigen Krieges an, die als Landfremde bis dahin noch keine materielle Fortune aus den Kriegsläuften hatten ziehen können. 62 ) Schließlich suchte auch die Markusrepublik Kriegsleute, um mit ihrer Hilfe die brökkelnde Machtstellung Venedigs in der Ägäis gegen wachsenden osmanischen Druck zu stabilisieren. 63 ) Bereits am Rande des Nürnberger Exekutionstages traten die Interessenten mit der Bitte um Überlassung ganzer Truppenteile an die ehemaligen Kriegsgegner heran. Die Landesherren und ihre Emissäre zeigten sich durchaus geneigt, sich auf diese Weise ihrer Verpflichtungen hinsichtlich der zu zahlenden Satisfaktionsgelder und Restanten zu entledigen. Diesem Wunsch standen auf der anderen Seite die in Münster und Osnabrück geschlossenen Verträge gegenüber, die ausdrücklich jedwede Überlassung von Kriegsvolk, selbst an die ehemaligen Verbündeten, verboten. 64 ) Auf beiden Seiten war man um Spitzfindigkeiten nicht verlegen, wenn es darum ging, die Soldaten so schnell und kostengünstig wie möglich abzumustern. So argumentierte der Kaiser, man könne zweifellos Truppen zur Sicherung Mailands und Neapels zur Verfügung stellen, zumal er als König von Ungarn keinen Vertrag geschlossen habe, der ihm derartiges untersage. Für dieses Vorhaben schien es günstig, die zur Übergabe bestimmten Regimenter an der südlichen Landesgrenze von Tirol und Kärnten zu dislozieren und abzudanken. Ferdinand III. hielt es zunächst für unauffälliger, aus vier Regimentern je 150 Mann in spanische Dienste zu entlassen, ließ sich aber später vom Hofkriegsrat dazu überreden, vier Regimenter geschlossen abzutreten. Damit erhielt Spanien eine militärisch wertvollere Hilfe, da es sich um kriegserfahrene und im gemeinsamen Einsatz erprobte Soldaten handelte. Noch wichtiger schien es, daß die Mannschaften auch weiterhin von den ihnen bekannten Offizieren geführt wurden. An diesem Detail wird deutlich, wie entscheidend die Persönlichkeit des militärischen Führers, das Charisma des erfolgreichen Kommandeurs, in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges für den inneren Zusammenhalt der Truppe gewesen ist. Der Befehlshaber, dessen Karriere und Taten der einzelne Soldat kannte, wurde zum Garanten des individuellen Überlebens und der persönlichen Fortune in den unsicheren Zeiten des Krieges. Der Lebensweg Melvilles vermag auch hier stellvertretend für das Verhalten der Subalternoffiziere 62
) Über das Schicksal der Lothringer Truppen zwischen den Fronten vgl. u.a. Victor L. Belhomme, Histoire de l'infanterie en France. 5 Vols. Paris/Limoges 1893-1899, Vol. 1, 71; Henri Lepage, Sur l'organisation et les institutions militaires de la Lorraine. Paris/Nancy 1884, 87 ff. 63 ) Kurfürst Maximilian von Bayern hatte sich im Friedensvertrag ausdrücklich vorbehalten, Truppen der ehemals bayerisch-ligistischen Armee an die Signoria von Venedig zu liefern. Gegen einen Einsatz zum Schutz der Christenheit konnten stichhaltige Einwände kaum vorgebracht werden. Oskar Leistikow, Obrist Sperreuth. Ein schwedischer, kaiserlicher und venetianischer Söldnerführer. Neustadt 1 9 6 8 , 4 8 . M ) § 3 IPM; Art. II IPO.
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und Mannschaften stehen. In der Situation des Übergangs von einem Kriegsherrn zu nächsten wirkten die bestehenden Klientelbeziehungen als Ferment der persönlichen Bindung. So bat etwa Charles de Boussu, ehemals Obrist im Regiment Piccolomini, den Regimentsinhaber Ottavio Piccolomini, ihm durch die Überlassung von einigen Offizieren und Mannschaften behilflich zu sein, da er im Auftrage der spanischen Krone einen eigenen, 1 000 Mann umfassenden Verband aufstellen wolle. 65 ) Der Marktwert eines militärischen Führers stieg in dem Maße, in dem er in der Lage war, bei seinem Übertritt möglichst viele Soldaten seiner Truppen zu demselben Schritt zu überreden. Die Soldaten trafen in dieser Situation in der Regel eine Güterabwägung zwischen ihrer persönlichen Lebenssituation, ihren Ängsten und Vorurteilen gegenüber einem fremden Kriegsherrn und möglicherweise einem neuen, unbekannten Kriegsschauplatz. Nicht selten reichte die Fürsprache des bisherigen Befehlshabers letztlich doch nicht aus, um die Furcht der Soldaten vor dem Unbekannten zu beschwichtigen. Die bedeutenden Soldatenmeutereien am Ausgang des Dreißigjährigen Krieges lassen sich in der Regel auf diese Konfliktsituation zurückführen. So weigerten sich die Reiterregimenter der ehemals weimarischen Armee im Juni 1647, dem Befehl Turennes zu folgen und aus dem Elsaß auf den flandrischen Kriegsschauplatz abzurücken. Stattdessen gingen sie unter dem Kommando Reinholds von Rosen mit fliegenden Fahnen über den Rhein, wo sie sich nach zähen Verhandlungen den schwedischen Truppen unter Königsmarck anschlössen. Außenpolitische Rücksichtnahme gegenüber dem Partner Frankreich und Mißtrauen gegenüber den selbstbewußt auftretenden Angehörigen der Regimenter ließ die schwedische Führung zunächst zögern, eine Übernahmekapitulation abzuschließen. Erst die Befürchtung, daß diese kriegserprobten Verbände sonst zu den Kaiserlichen unter Lamboy übergehen könnten, trieb Königsmarck zum Handeln. 66 ) Nicht die grundsätzliche Abneigung, unter dem Kommando französischer Offiziere dienen zu müssen, wie eine nationalgestimmte Historiographie meinte 67 ), sondern das Unbehagen, in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht verstand, kämpfen zu müssen, und der Verlust der günstigen Quartiere im Elsaß, wo die Kommandeure der Regimenter, vor allem Reinhold von Rosen, begütert waren, erzeugten eine brisante Mißstimmung, in der die Entscheidung Rosens letztlich den Ausschlag gab. Die Weigerung der Krone, der Truppe und vor allem den Offizieren beim Übertritt auf französischen Boden
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) Elster, Piccolomini (wie Anm. 37), 103-106. ) August von Gonzenbach, Der General Hans Ludwig von Erlach von Castelen. Ein Lebens- und Charakterbild aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. 3 Bde. Bern 18801882, Bd. 2, 575 ff. 67 ) Heinrich Ulmann, Türenne und Reinhold von Rosen. Studie über den Abfall der sog. weimarischen Armee von Frankreich im Jahre 1647, in: HZ 36, 1876, 368^tl8, hier 383. 66
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den rückständigen Sold zu zahlen, dürfte die Entscheidung, der Krone Frankreich den Dienst aufzukündigen, noch zusätzlich befördert haben. 68 ) Eine andere Meuterei, die die Zeitgenossen am Ende des Krieges bewegte, war der Seitenwechsel des bereits zu Lebzeiten legendären, in bayerisch-ligistischen Diensten stehenden Reiterführers Jan von Werth. Die Ablehnung des Ulmer Waffenstillstandes durch die Mehrzahl der Offiziere, Gerüchte über eine Annäherung des bayerischen Kurfürsten an Frankreich zur Sicherung seiner pfälzischen Ansprüche und schließlich die ungeklärte Rechtsstellung der Offiziere der bayerisch-ligistischen Armee seit dem Prager Frieden bewogen Werth und einige andere Offiziere im Juni 1647, ihre Truppen gegen die Weisung des Kurfürsten zur kaiserlichen Hauptarmee nach Böhmen zu führen. 69 ) In letzter Minute gelang es Maximilian, die Mehrzahl der Obristen der Werth unterstellten Armee mit Versprechungen zur Rückkehr zu bewegen. Werths Charisma stand gegen den persönlichen Einfluß der Regiments- und Kompaniechefs. Die Soldaten folgten fast ausnahmslos den Weisungen ihrer Offiziere. Selbst Werths Leibregiment konnte sich schließlich der Entwicklung nicht entgegenstemmen und folgte dem Vorbild der anderen Truppen. 70 ) In diesem Fall war es die Mehrzahl der Mannschaften der Armee, die sich zum Teil gegen den erklärten Willen ihrer Offiziere - als „gut baierisch" erklärten. Die Herkunft vieler Soldaten aus den Territorien des Kurfürsten dürfte ihre Entscheidung begünstigt haben. 71 ) Für die Offiziere hatte die Frage, ob man in einer Armee des Kurfürsten oder in einer Armee des Kaisers unter dem Kommando Maximilians diente, in erster Linie formalrechtlichen Legitimationscharakter. Mindestens ebenso schwer wog die Frage, welcher Kriegsherr nach Abschluß des Krieges in der Lage sein würde, ihre Forderungen und damit die materielle „fortune" zu befriedigen. Letztlich folgten nur wenige Offiziere und eine Anzahl seiner persönlichen Bedienten dem Reitergeneral in kaiserliche Dienste. Auf der anderen Seite suchte offensichtlich auch Pfalzgraf Karl Gustav 1650 eine gewaltsame Exekution gegen das Fürstbistum Lüttich, das mit der Zahlung der Satisfaktionsgelder und Restanten nicht nachkam, zu nutzen, um seine Truppen möglichst nahe an französische Stellungen heranzuführen und
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) Gonzenbach, Erlach (wie Anm. 66), Bd. 2, 579. ) Helmut Lahrkamp, Jan von Werth. Sein Leben nach archivalischen Quellenzeugnissen. 2. Aufl. Köln 1988, 169-184. 70 ) Sigmund Riezler, Die Meuterei Johann's von Werth 1647, in: HZ 82, 1899, 38-239, hier 212f. 71 ) Bereits Riezler, ebd. 213, weist auf die Bedeutung der landsmannschaftlichen Zusammensetzung der bayerischen Truppen am Ende des Dreißigjährigen Krieges hin - ein Befund, der durch die Arbeit von Cordula Kapser im Detail bestätigt wird. Kapser, Kriegsorganisation (wie Anm. 22), 253, Tabelle 20b; ebenso Kroener, Conditions (wie Anm. 5), 346 f. 69
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ihnen so den Übertritt in französische Dienste zu erleichtern. 72 ) Ähnlich wie der Versuch des Kaisers, seine Truppen den Spaniern zuzuführen, stand auch das Unternehmen der Schweden unter keinem guten Stern. Die beiden Vorhaben, die zweifellos auch gegen die Bestimmungen des Westfälischen Friedens durchgeführt worden wären, scheiterten. In beiden Fällen meuterten die zur Abgabe vorgesehenen Truppenteile. Während die kaiserlichen Soldaten angaben, die Spanier behandelten ihre Soldaten schlecht, überdies sei der Drill zu hart 73 ), schienen die schwedischen Regimenter durch die politischen Wirren in Frankreich abgeschreckt 74 ). Vielen in der Armee war das Schicksal der acht Reiterregimenter der ehemaligen „weimarischen Armee" noch in frischer Erinnerung. Hinter diesen offen geäußerten Begründungen verbarg sich aber vor allem bei den „beweibten" und mit Familie versehenen Soldaten die Abneigung, mit Frau und Kindern in die Fremde gehen zu müssen. Viele erklärten ganz unverblümt, daß man den Krieg satt habe und sich niederlassen wolle. So äußerten die Offiziere und Soldaten des schwedischen Regiments von Steinekker in Schweinfurt, sie begehrten abgedankt zu werden, „um der Früchte des Friedens, der durch ihre Mitwirkung zu Stande gekommen sei, nun auch genießen zu können; die Krone Schwedens habe keine Feinde mehr, darum wollten sie sich auch nicht mehr mit Weib und Kind einen so weiten Weg hinschleppen lassen". 75 ) Durch derartige Weigerungen reduzierte sich die Truppenhilfe für Frankreich und Spanien auf den Übertritt einzelner Soldaten, ein Verfahren, das auch im Falle Venedigs und Lothringens zum Tragen kam. Es handelte sich in erster Linie um die ungebundenen Kriegsleute, die heimatlosen und die, die ihr Leben lang nicht mehr vom Krieg loskommen sollten. Das Lebensschicksal Melvilles mag hier stellvertretend für eine ganze Anzahl ähnlicher Beispiele stehen. Die Masse der abgedankten Soldaten folgte ihnen aber nicht auf diesem Wege. Genauere Angaben über den Umfang der Übertritte von Soldaten zu neuen Kriegsherren lassen sich nicht mehr ermitteln. Der Wiener Hof, der sich dem spanischen Vetter gegenüber in der moralischen Pflicht sah, versicherte, es seien allen Widrigkeiten zum Trotz etwa 2 000 Soldaten vor allem in die spanischen Niederlande in Marsch gesetzt worden. 76 ) Hinsichtlich des 72
) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 22), 422 f. Auch in diesem Fall meuterten die Soldaten und erzwangen die Auflösung des Regiments. 73 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 187 f. Neben der Furcht, den ausstehenden Sold nicht mehr ausgezahlt zu erhalten, dürften ethnische Vorurteilsstereotype, verstärkt durch die populäre antispanische Propaganda im Reich, das Verhalten der Truppen wesentlich bestimmt haben. 74 ) Die Wirren der Fronde und die damit verbundene unübersichtliche politische Lage in Frankreich nährten bei vielen Offizieren und Soldaten die Befürchtung, die Krone sei zahlungsunfähig. Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 203. 75 ) Ebd. 188. 76 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 188. Zunächst war man in Wien davon aus-
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französischen Bedarfs an deutschen Söldnern hatte sich die Lage nach 1650 ebenfalls deutlich verändert. Auch in Paris war die Meuterei der acht weimarischen Reiterregimenter nicht vergessen. Die konfessionelle Sonderstellung, die relative Eigenständigkeit und Geschlossenheit der deutschen Kontingente, die bis 1648 nicht umsonst die Bezeichnung „armée weimarienne au service du roi" führten, und die vergleichsweise hohen Kosten, die Anwerbung und Unterhalt deutscher Söldner nach sich zogen, ließen den Wunsch nach deutschen Regimentern schwächer werden, zumal der holländische Söldnermarkt sich als ausreichend ergiebig erwies. 77 ) So verringerte sich die Zahl der deutschen Fremdenregimenter unter französischen Fahnen von siebzehn im Jahr des Westfälischen Friedensschlusses auf nur fünf 1655. Tabelle 5: Entwicklung des Anteils deutscher Regimenter zu Fuß in französischen Diensten 1648-1661 Jahr 1648 1649 1650 1651 1652 1653 1654 1655 1656 1657 1658 1659 1660 1661
Anz. d. Rgt. 17 7 k.A. 6 4 4 4 4 5 7 9 7 4 3
Anz. d. Kp. -
97 k.A. 82 57 57 57 57 72 107 137 k.A. k.A. 36
Sollstärke d. gesamten franz. Inf. 273 000 Mann 244 000 192 000 171 700 169 000 167 700 163 400 162 000 136 000 160 000 156 000 67 000 75 000 59 000*
* Es handelte sich um das Inf. Rgt. Dampierre mit einer Sollstärke von 10 Kompanien zu je 100 Mann, das Inf. Rgt. Baltharzard ebenfalls zu 10 Kompanien à 100 Mann und das Inf. Rgt. Alsace mit 15 Kompanien zu 100 Mann. Insgesamt dürfte die Sollstärke der deutschen Truppen im Solde Frankreichs zu diesem Zeitpunkt kaum 3 500 Mann (ca. 5,5 % der Gesamtsollstärke der französischen Infanterie) betragen haben. 78 ) gegangen, daß es möglich sein werde, den Spaniern etwa 4 000 Mann zur Verfügung zu stellen. Vgl. auch Helfried Valentinitsch, Die Meuterei kaiserlicher Söldner in Kärnten und Steiermark 1656. Wien 1975,4-6. 11 ) Louis André, Michel Le Tellier et l'organisation de l'armée monarchique. Paris 1906, ND Genf 1980,218. 78 ) Belhomme, Histoire de l'infanterie (wie Anm. 62), Vol. 2, 39-97. Bei der Demobilmachung der französischen Armee nach dem Pyrenäenfrieden formierte der Marschall Schömberg aus den nicht mehr benötigten deutschen und französischen Truppen mehrere Regimenter, die er der Krone Portugal für ihren Kampf gegen Spanien zuführte. Ebd. Vol. 1,9. Zum Umfang der französischen Armee 1659: John A. Lynn, The Growth of the French Army during the Seventeenth Century, in: Armed Forces and Society 6, 1980, 568-585, hier 575; Mears, Thirty Years' War (wie Anm. 60), 123; L. Hörmann, Die deutschen Truppen im Dienste Frankreichs. Eine geschichtliche Skizze, in: Osterreichische Militärische Zeitschrift 2, 1861, 5-15, 123-132, hier 10.
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Schottische - die Erinnerung an Melvilles Lebensschicksal drängt sich auf irische und italienische Truppen galten als leichter anzuwerben und kostengünstiger. Somit blieben die Werbeangebote des Lothringers, dessen Armee aber nach der Verhaftung des Herzogs in Brüssel 1651 in spanische Dienste gezogen wurde und damit ebenfalls an Attraktivität verlor 79 ), und die der Signoria von Venedig übrig. Der Kampf gegen die Türken in der Ägäis, verbunden mit Truppentransporten über das von Piraten unsicher gemachte Mittelmeer, kam ebenfalls nur für ungebundene Söldnernaturen in Frage. Bis zur Aufgabe Candias 1669 verloren etwa 30 000 christliche Soldaten auf diesem Kriegsschauplatz ihr Leben. Eine Botschaft, die sich auch auf den Werbeplätzen im Reich herumsprach und keine günstigen Auswirkungen auf die Bemühungen der Werbeoffiziere Venedigs hatte. 80 )
IV Die Quellen ergeben also den erstaunlichen Befund, daß nur vergleichsweise wenig abgedankte Soldaten aus den Armeen des Dreißigjährigen Krieges erneut Handgeld genommen haben. Etwa 70 000-80 000 Mann, zum Teil mit Familienangehörigen, sind in ihrer Mehrzahl auf dem Boden des Reiches geblieben. Neuere Forschungen bestätigen inzwischen im Detail die in der älteren Forschung vertretene Ansicht, Werbungen in der Endphase des Krieges seien in der Regel in den vom Krieg besonders verheerten Landschaften vorgenommen worden. 81 ) So liegt die Vermutung nahe, daß eine große Zahl ehemaliger Soldaten nach dem Ende des Krieges wieder in ihre angestammten Siedlungsgebiete zurückgekehrt ist, beziehungsweise in entvölkerten Gebieten angesiedelt wurde. Bereits eine stichprobenartige Untersuchung lokaler demographischer Quellen fördert in dieser Hinsicht Bemerkenswertes zutage: So rückte zum Beispiel am 11. Juli 1650 der letzte bayerisch-ligistische Stadtkommandant von Freiburg im Breisgau, Carl Neveu de la Folie, aus der Stadt. 79
) Theodor von Mömer, Märkische Kriegsobersten des 17. Jahrhunderts. Berlin 1861, 172f., 199. Mörner beschreibt im Rahmen einer biographischen Würdigung der brandenburgischen Generale Ernst Georg und Otto Christof von Sparr den Zustand und das Schicksal der im „Kuhkrieg" gegen Brandenburg eingesetzten lothringischen Kontingente unter dem Kommando des ehemaligen kurbayerischen Feldmarschalls von Ruischenberg, einer der wenigen Offiziere, die Jan von Werth bis zum Ende die Treue gehalten hatten. 80 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 189; Belhomme, Histoire de l'infantrie (wie Anm. 62), Vol. 1, 71; Leistikow, Sperreuth (wie Anm. 63), 46 f. 81 ) Kapser, Kriegsorganisation (wie Anm. 22), 250ff.; Kroener, Conditions (wie Anm. 5), 342ff.; Robert Chaboche, Les soldats français de la Guerre de Trente Ans, une tentative d'approche, in: RHMC 20, 1973, 10-24; Georg Tessin, Die deutschen Regimenter der Krone Schwedens. 2 Bde. Köln 1965-1967, hier Bd. 1, 111, für die Zeit unmittelbar nach 1648. Die Hinweise in der älteren Forschung finden sich etwa bei Riezler, Meuterei (wie Anm. 70), 212.
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D i e Besatzung war zuvor abgedankt worden. Sofern unter den Abgemusterten der Wunsch bestand, konnten sie „ohne daß man streng auf die Geburtsbriefe sah, und mit Nachlaß des Bürgereinkaufgeldes" als Bürger aufgenommen werden. 8 2 ) Ihre Zahl dürfte nicht unbeträchtlich g e w e s e n sein, denn schon bald wurde von der eingesessenen Bürgerschaft Klage geführt, daß die fremden Handwerker den einheimischen die Arbeit fortnähmen. Diejenigen ehemaligen Soldaten, die unbeweibt waren oder aus anderen Gründen für eine Arbeitsaufnahme nicht in Frage kamen, konnten das Handgeld der Venezianer nehmen. Mit Duldung Maximilians wurden sie gleich an Ort und Stelle durch bekannte Söldnerführer, in diesem Fall den berühmt-berüchtigten, ehemals in kaiserlichen Diensten stehenden Obristen Sperreuther, angeworben. 8 3 ) Berichte aus Württemberg 8 4 ), Brandenburg 8 5 ), Thüringen 8 6 ), dem Erzstift Mag-
82 ) Martina Reiling, Bevölkerung und Sozialtopographie. Freiburg i. Br. im 17. und 18. Jahrhundert. Freiburg im Breisgau 1989, 14; Günther Franz, Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk. 4. Aufl. Stuttgart/New York 1979, 92f. 83 ) Leistikow, Sperreuth (wie Anm. 63), 51 Anm. 150. 84 ) So schlug der schwedische Militärbevollmächtigte Erskein dem württembergischen Gesandten Vambühler im Frühjahr 1649 vor, die sieben Reichskreise sollten je 1 000 Reiter der ehemaligen schwedischen Armee übernehmen. Die Infanterie wollte Schweden zu Besatzungszwecken im Dienst behalten. Erskein versuchte das Angebot durch den Hinweis, die Kreise könnten auch die entsprechenden schwedischen Ansprüche auf Entschädigungsgelder übernehmen, noch zusätzlich attraktiv zu gestalten. „Hierdurch blieben die Ständ' in etwas Postur und consideration. Die Reuter würden sich nach und nach einkauften, bürgerlich niederlassen, das Land populieren und die Ständ' immer geübete Leut' ad militam et defensionem tüchtig in ihren Landen haben". Schließlich wurden etwa 2 000 ehemals schwedische Reiter angesiedelt. Diesen Hinweis und weitere Nachweise bei Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 205 f. Der Kataster des Kurfürstentums Brandenburg von 1652 verzeichnet verschiedentlich die Ansiedlung Landfremder: So etwa im Dorf Herzsprung in der Prignitz, das aus fünf Hüfner- und einer Kossätenstelle bestand, die von einem Inländer, einem Mecklenburger, einem Dänen, einem Pfälzer, einem Thüringer und einer weiteren Person aus der näheren Umgebung, jedoch ohne genaue Herkunftsangabe, besetzt waren. Erich Kittel, Märkisches Soldatentum, in: Brandenburgische Jahrbücher 2, 1936,65-152, hier 86. Auch wenn bei diesem Beispiel die Herkunft aus der schwedischen Armee nur vermutet werden kann, so weist doch der Kataster an anderer Stelle die Bemerkung „gewesener schwedischer Reuter" auf. Diesen Hinweis verdankt der Verfasser dem Museumsleiter der Stadt Wittstock/Dosse, Herrn Dr. Wolfgang Dost. 85
) Nach dem Ausscheiden Brandenburgs aus dem Krieg suchten sich auch aus dem Dienst geschiedene schwedische Soldaten im Kurfürstentum niederzulassen. So erbat sich der Rat des Landstädtchens Strassburg in der Uckermark einen Nachlaß der Kontribution mit dem Hinweis: „Ob nun wol obgedachtes unser Städtlein einen so erbärmlichen Zustand gewonnen, so reitzet doch der barmhertzige Gott etliche abgedanckte schwedische Officierer, welche aus liebe des wolgelegenen Ackerbaues bei uns niederzulassen gesinnet sein, und könte es auf diese Weise je mehr und mehr zu glücklichem Aufwachs wieder gedeihen, wen das ein oder andere wüste und fast gantz verfallene Gebäude bewohnet würde". Dem württembergischen Beispiel folgend, nahm Kurfürst Friedrich Wilhelm nach 1649 ebenfalls die Soldaten zweier schwedischer Regimenter als Kolonisten an. Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 207. 86 ) Theodor Mucke, Niederlassung von Soldaten des Dreißigjährigen Krieges im Herzogtum Sachsen-Weimar, in: Die Thüringer Sippe 1937, 97-105, 113-118.
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deburg 87 ) und anderen Regionen des Reiches bestätigen dieses Bild. Nicht in allen Fällen bezeichnen die Quellen die wiederangesetzten Neubürger als Soldaten. Handelte es sich bei ihnen doch vielfach um Einwohner, die die Not der Kriegsjahre in die Armeen getrieben hatte. Wenn sie mit ihrer Familie unter die Fahnen gegangen waren oder während des Krieges eine Familie gegründet hatten, wurde der Wunsch nach einer Rückkehr in die gewohnten Lebensverhältnisse noch drängender. Nicht wenige hatten vor ihrer Anwerbung ein Handwerk gelernt und ausgeübt. Bei dem nach Kriegsende allenthalben bestehenden Bedarf an Arbeitskräften gelang ihnen die Reintegration in der Regel rasch und problemlos. Zumal wenn sie in ihre alten Wohnstätten zurückkehrten, wurden sie in den Registern in der Regel nicht als Ortsfremde oder ehemalige Soldaten geführt. 88 ) Die Städte, so scheint es, erteilten das Bürgerrecht vornehmlich dann an ehemalige Soldaten, wenn diese aus Mangelberufen stammten oder im Krieg ein gewisses Vermögen erwirtschaftet hatten. 89 ) Nicht selten heirateten Soldaten auch in ortsansässige Familien ein. Dies geschah vor allem bei Angehörigen von Garnisons- und Besatzungskompanien, die auch während des Dreißigjährigen Krieges über eine längere Zeit stationär geblieben waren. 90 ) Vielfach haben ehemalige Soldaten ihre Kriegsdienste bewußt unerwähnt gelassen und nur ihre vor dem Kriegsdienst erlernten Tätigkeiten angegeben. Dabei mag die Befürchtung eine Rolle gespielt haben, eine Soldatenexistenz werde als sozial minderwertig angesehen. Manchen mag auch die Aussicht geschreckt haben, mit den Schandtaten in Verbindung gebracht zu werden, die die Bewohner des neuen Wohnortes in den Zeiten des Krieges durch Soldaten hatten erleiden müssen. Insofern kann man den Bevölkerungsanstieg in vielen Gemeinden zweifellos auch dann mit der Ansiedlung 87 ) Carola Lehmann, Die Überwindung der im Dreißigjährigen Krieg eingetretenen Bevölkerungsverluste und Zerstörungen in den westelbischen Kleinstädten des Erzstifts Magdeburg bis zu Beginn der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. masch. Magdeburg 1985, 38-50. 88 ) Albert Fetzer, Das heutige Oberamt Heidenheim im Dreißigjährigen Krieg. Phil. Diss. Tübingen 1933, 123; Franz Schimpf, Verzeichnis der 1672 in der Stadt Osterode ansässigen Bürger, die in Kriegsdienst gestanden hatten, in: Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand 19, 1965, 5-9. 89 ) Gudrun Kling, Die Ein- und Ausbürgerungen der Stadt Konstanz während des Dreißigjährigen Krieges (1620-1650). Friedrichshafen 1989, 149-151. Unter 13 Berufsgruppen erreichten die ehemaligen Militärangehörigen mit einem durchschnittlichen Vermögen von 413 fl. hinter den Angehörigen des Handels, der Heilberufe, der Metallverarbeitung und des Nahrungs- und Gastgewerbes den fünften Platz. 90 ) Franz Schubert, Trauregister aus den Kirchenbüchern in Südniedersachsen. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Jahre 1700. Göttingen 1 9 8 7 , 1 - 3 , 2 0 - 2 4 , 4 2 - 4 5 , 6 4 f . ; Heinrich Voort, Die hannoversche Garnison auf Schloß Bentheim im Spiegel der Kirchenbucheintragungen, in: Genealogie 17, 1968, 105-110; Dieter Wilhelm Weber Odecop, Taufeintragungen der Kinder von Militärpersonen u.a. im ältesten Kirchenbuch (1648-1768) für Bredenbeck/Deister, Evestorf und Holtensen (Kirchspiel Holtensen), in: Norddeutsche Familienkunde 24, 1975, 309-313; Heinrich Voort, Soldaten in Schüttorfer Kirchenbüchern (1655-1725), in: Genealogie 10, 1970/71, 109f.
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von ehemaligen Soldaten in Verbindung bringen, wenn diese in den Quellen nicht unmittelbar ausgewiesen werden. 91 ) Der ehemalige Soldat, der sich aus wirtschaftlicher Not hatte anwerben lassen und der nach dem Friedensschluß wieder auf die Scholle und in sein Handwerk zurückkehrte, entspricht noch immer nicht der über Generationen tradierten Vorstellung einer durch den langen Krieg verrohten, zügellosen Soldateska, in der der Wunsch nach Seßhaftigkeit weitgehend verlorengegangen war. Eine Betrachtung des Schicksals demobilisierter Soldaten des Dreißigjährigen Krieges wäre zweifellos unvollständig, nähme man nicht auch die Gruppe in den Blick, die bereits während des Krieges als Marodeure am Rande der Gesellschaft vegetiert hatte und von Truppe und Bevölkerung gleichermaßen gnadenlos gejagt worden war. 92 ) Diejenigen, die zum Kriegsdienst nicht mehr fähig, bisweilen auch nicht mehr willig waren, das „Strandgut" des Krieges, sind in den Quellen nur schemenhaft auszumachen. Über die gegen sie gerichtete obrigkeitliche Reaktion läßt sich noch am ehesten die permanente Fragilität ihrer Existenz erahnen. Einige Städte formierten nach 1648 Wachkontingente aus abgedankten Soldaten, um sich der vagabundierenden ehemaligen Kriegsleute und der Angehörigen der Lagergesellschaft zu erwehren. 93 ) Es waren zweifellos nur wenige, die die Strapazen dieser randständigen Existenzform, vor allem wenn sie durch Krankheit, Verwundung und Invalidität gezeichnet waren, über längere Zeit ausgehalten haben. Bereits Anfang der fünfziger Jahre wurden die meisten Wachtruppen wieder aufgelöst, offenbar weil sich die Gefahr erledigt
91
) Maria Kuhn, Wiederaufbauarbeit nach dem Dreißigjährigen Krieg in Sachsen-Altenburg. Mannheim 1933,48 ff.; Alfred Keilitz, Die Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges in den Wittumsämtern des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. Phil. Diss. Jena, Zeulenroda 1938, 21. Vielfach bleiben die Ursachen der Migrationen nach 1648 unerforscht. Hinweise wie „... das fahrende Volk, durch dessen allmähliche Wiederansiedlung es sich vor allem erklärt, dass Henneberg (sächsische Herrschaft) 1659 schon fast das Doppelte der Einwohnerzahl von 1649 hatte..." müssen als unbefriedigend empfunden werden. Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 195 Anm. 1; Helga Schultz, Berlin 1680-1800. Sozialgeschichte einer Residenz. 2. Aufl. Berlin 1992, 30. 92 ) Untersuchungen, die sich intensiv mit dem Phänomen der Marodeure im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges auseinandersetzen, liegen bis heute nicht vor. In der jüngst erschienenen umfassend recherchierten Arbeit zur Sozialgeschichte des Soldaten im 16. und 17. Jahrhundert von Burschel, Söldner (wie Anm. 23), 217ff. und Register, sucht man den Begriff vergeblich. Kroener, Soldat (wie Anm. 23), 65; Ernst Schubert, Mobilität ohne Chance: Die Ausgrenzungen des fahrenden Volkes, in: Winfried Schulze (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität. München 1988, 113-164. Schubert subsumiert die gartenden Knechte des 16. Jahrhunderts, die ehemaligen Soldaten des 17. und die Deserteure des 18. Jahrhunderts unterschiedslos unter die Kategorie der „fahrenden Gesellschaft" der frühen Neuzeit. An dieser globalen Einschätzung sind zweifellos Korrekturen notwendig. 93 ) Lorentzen, Schwedische Armee (wie Anm. 31), 204.
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„Der Krieg hat ein Loch .
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hatte. 94 ) Daß sie sich häufig geradezu physisch erledigt hatte, kann man bisweilen den erhalten gebliebenen Kirchenbüchern entnehmen, in denen sich aus den Jahren nach Kriegsende Hinweise finden, wie sie ein Landpfarrer im Grenzgebiet der Champagne während der Fronde niedergeschrieben hat: „On a enterré aujourd'hui quatre soldats trouvés morts de fain à coté de la route". 95 )
V Auch wenn die bisherigen Untersuchungen noch kein umfassendes Bild über das Schicksal der abgedankten Soldaten des Dreißigjährigen Krieges ergeben haben, so läßt sich doch im Gegensatz zur bisherigen Forschung mit einiger Sicherheit feststellen: 1. Die Masse der Armeen des Dreißigjährigen Krieges wurde abgedankt. Ein „stehengebliebenes Heer" hat es demnach, zumindest im Reich, nicht gegeben. Vor allem die kostspielige Kavallerie, die Offensivwaffe der Epoche, wurde nach 1648 weitgehend abgerüstet. Selbst der Kaiser hat noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nach jedem Friedensschluß erhebliche Demobilmachungen angeordnet, obwohl man in Wien vor dem Hintergrund drohender Auseinandersetzungen mit der Hohen Pforte von Anfang an zumindest eine finanzierbare Rahmentruppe ständig unter Waffen zu halten gesucht hat. 96 ) Erst in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts, als die Generation des Dreißigjährigen Krieges die Führungspositionen der Armeen geräumt hatte, wurden mit Hilfe des entsprechenden administrativen und mehr noch fiskalischen Instrumentariums und gemäß der Prinzipien einer zunehmend bürokratisierten methodischen Kriegführung auch bei den armierten Reichsständen stehende Truppenkörper errichtet, in denen auch die offensiven Komponenten nach einem Friedensschluß zunehmend ungeschmälert unter Waffen gehalten wurden. Dieser Prozeß fand erst mit dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges seinen Abschluß. 2. Die Masse der abgedankten Soldaten, zumal wenn sie „beweibt" waren, kehrten nach 1648 in ihre jeweilige Heimat zurück oder wurden, wenngleich in weitaus geringerem Umfang, planmäßig angesiedelt. Vergleichsweise wenige Soldaten folgten im Reich oder auf anderen Kriegsschauplätzen dem Ruf der Werber. Nur ein geringer Prozentsatz entsprach dem heute noch weithin verbreiteten Zerrbild einer ausschließlich marodierenden Soldateska. Die Härten einer Existenz am Rande der Gesellschaft haben nur M) Ebd. ) Alphonse Feiltet, La Misère au temps de la Fronde et Saint Vincent de Paul. Paris 1865, 292. 96 ) Hoyos, Kaiserliche Armee (wie Anm. 8), 214. 95
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Krieg und Frieden
wenige aus dieser Gruppe über längere Zeit ertragen können. Ein Tod durch Hunger und Entbehrung oder durch die Hand von Obrigkeit und Bevölkerung hat die meisten von ihnen bald ereilt. Somit entspricht der Lebensweg des Generalmajors von Melville in einzelnen Passagen durchaus dem kollektiven Erlebnishorizont der militärischen Elite in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges. In seiner Gesamtheit spiegelt er aber nicht die Lebensrealität vor allem der Soldaten wider, die sich 1648 in den Armeen befanden. 97 ) Hatte der absolute Fürstenstaat ein Interesse an einem möglichst düsteren Hintergrund, vor dem er die Notwendigkeit einer stehenden, ständig besoldeten und damit disziplinierten Armee seinen in der Regel zahlungsunwilligen Untertanen besonders nachdrücklich vor Augen führen konnte, so diente ein Zerrbild der Epoche des freien Söldnertums den nach nationaler Leidenschaft und allgemeiner Wehrpflicht verlangenden Publizisten und bisweilen auch Historikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als wohlfeile Negativstereotype einer vaterlandslosen internationalen Soldateska. Diese Vorstellung ist auch von der neueren Forschung, wenngleich ohne die entsprechende politischideologische Aufladung, weitergegeben worden. Daher ist es an der Zeit, durch eine umfassende Erschließung der Quellen einer Interpretation den Weg zu ebnen, die 350 Jahre nach dem Frieden von Münster und Osnabrück dem Bild des Soldaten des Dreißigjährigen Krieges Konturen verleiht, die ihn einen angemessenen Platz in der sozialen Realität der frühneuzeitlichen Gesellschaft finden lassen.
97
) Vgl. hierzu die vorzüglich edierten Erinnerungen eines Söldners des Dreißigjährigen Krieges: Jan Peters (Hrsg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte. Berlin 1993.
V. Kulturelles Umfeld und Rezeptionsgeschichte
Die Feier des Friedens Von
Bernd. Roeck Gewiß: man hat die Botschaft, daß Frieden gemacht worden sei in Deutschland, weithin nicht gleich erfahren; der „freudenreiche Postilion von Münster", den die berühmte Flugschrift zeigt, brauchte zum Umreiten seine Weile, eine Woche, zehn Tage vielleicht. 1 ) Mochte auch vom westfälischen Weltereignis Zeitung kommen, zum Feiern war den meisten wohl kaum zumute, denn der Krieg mit seinen Leiden und Schrecken wich nicht gleich aus dem Land, da mochte in den fernen Kongreßorten noch so viel Papier unterzeichnet worden sein. Ein wenig Feststimmung mag gleichwohl aufgezuckt sein Glockengeläut, Salutschüsse, Te Deum laudamus - aber sehr viel wissen wir eigentlich nicht darüber, wie der Frieden von den Menschen aufgenommen wurde. 2 ) Dieses Kapitel der Mentalitätsgeschichte des Krieges ist noch ungeschrieben 3 ), wie über die „Psychogeschichte" des Krieges, insbesondere über die Frage seiner psychischen Bewältigung, bisher überhaupt nur wenig geforscht worden ist. 4 ) Um allein über die Friedensfeiern einen Überblick gewinnen zu können, bedürfte es des Durchforstens der lokal- und regionalgeschichtlichen Literatur, umfassende Archivstudien wären unverzichtbar; beides konnte für den vorliegenden Beitrag nur in begrenztem Umfang geleistet werden. Anhand einiger Beispielfälle - im Mittelpunkt stehen die Friedensfeiern in Nürnberg, Augsburg und Kulmbach neben wenigen anderen - sollen im wesentlichen drei Problemkreise diskutiert werden: Erstens die Physiognomie ') „Den ersten november a[nno] 48, sontag in der nacht zwischen 11 und 12 uhr, ist ein curier von Münster hieher komen, den h[erren] statt pflegeren und dem comendanten schreiben gebracht, daß der fried gantz richtig und geschlossen sey, dahero die freüd wieder zu genommen und hats ein einer dem anderen verkündigt"; vgl. Bernd Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität. Göttingen 1989, 974 (nach der Augsburger Chronik des Ludwig Hainzelmann). 2 ) Zur Forschungslage Konrad Repgen, Die Feier des Westfälischen Friedens in Kulmbach (2. Januar 1649), in: ZBLG 58, 1995,261-275, bes. 263-265; ders., Das Dankgebet für die Friedensfeiern des 2./12. Januar 1649 im Markgrafentum Brandenburg-Kulmbach. Ein Nachtrag, in: ZBLG 59, 1996, 185-190. 3 ) So Repgen, Feier (wie Anm. 2), 262. 4 ) Zuletzt Roeck, Augsburg (wie Anm. 1), passim; auch ders., Der Dreißigjährige Krieg und die Menschen im Reich. Überlegungen zu den Formen psychischer Krisenbewältigung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Bernhard R. Kroener/Ralf Pröve (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Paderborn u.a. 1996, 265-279.
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Kulturelles Umfeld und Rezeptionsgeschichte
der Friedensfeier im protestantischen bzw. gemischtkonfessionellen Milieu und die Eigenheiten ihrer Perzeption; hier geht es also um ein Kapitel Wahrnehmungsgeschichte. Zweitens werden mögliche politische und soziale Funktionen der Festlichkeiten diskutiert, wobei der Augsburger Fall Veranlassung gibt, das besondere Augenmerk auf ihre Bedeutung im Konfessionalisierungsprozeß zu richten. Ein dritter und letzter Teil erörtert im weiteren Sinn geistesgeschichtliche Implikationen der Festreden und -predigten, fragt nach dem Weltbild, welches sie vermitteln, und nach ihren Angeboten, wie das Erlebnis des Krieges in ein kohärentes religiöses System zu integrieren sei. Zur Interpretation der Friedensfeiern bedarf es, was nicht weiter betont werden muß, eines differenzierten methodischen Instrumentariums, das aus verschiedenen Disziplinen zu gewinnen ist. Die Feste stellen meist vielschichtige multimediale Ereignisse, hochkomplexe semantische Systeme dar. Sozialgeschichte, Ethnologie, Literatur- und Musikwissenschaft, auch Kunstgeschichte - das Fest sei „in seiner höhern Form ... ein wahrer Übergang vom Leben in die Kunst", sagt Burckhardt5) - haben bei der Analyse eines Gegenstandes zusammenzuwirken, der sich als Sujet moderner Kulturgeschichte par excellence erweist: einer Kulturgeschichte, die den linguistic turn nachvollzogen hat, ja den semantischen Zugriff nicht allein auf sprachliche Artikulationen beschränkt wissen will. Bilder, Musik, selbst Gesten und rituelle Handlungen werden zu Gegenständen ihres Interesses.6) Das Postulat, daß auch „gedachte", interpretierte Wirklichkeit im Weberschen Sinn als „real" zu nehmen ist, kann man als Axiom stehen lassen; seine Geltung hängt davon ab, welchen Begriff von „Wirklichkeit" man der Aussage zugrundelegen will. Was aber von dieser „Wirklichkeit" als historisch re5
) Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel 1930, 290. Seit Burckhardt und Warburg, der als Begründer einer methodisch reflektierten Festforschung gelten kann, ist die Sparte fest etabliert; vgl. etwa Roy Strong, Art and Power. Renaissance Festivals 1450-1650. Woodbridge 1984; Eberhard Straub, Repraesentatio Maiestatis oder churbayerische Freudenfeste. Die höfischen Feste in der Münchner Residenz vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. München 1969; Ingrids. Weber, Planetenfeste Augusts des Starken. Zur Hochzeit des Kronprinzen 1719. München 1985; Richard Alewyn, Feste des Barock, in: Aus der Welt des Barock. Stuttgart 1957, 101-111 (auch in: Walther Hubatsch [Hrsg.], Absolutismus. Darmstadt 1973, 238-247); Eberhard Fähler, Feuerwerke des Barock. Studien zum öffentlichen Fest und seinen literarischen Deutungen vom 16. bis 18. Jahrhundert. Stuttgart 1974. 6 ) Vgl. etwa Jan Bremmer/Hermann Roodenburg (Eds.), A Cultural History of Gesture. 2. Aufl. Ithaca/New York 1993 (insbesondere die Einführung von Keith Thomas, 1-14); Adam Kendon, Introduction, in: ders. (Ed.), Nonverbal Communication: Interaction and Gesture. Den Haag 1981; François Garnier, Le langage de l'image au Moyen Age. Signification et Symbolique. 2 Vols. Paris 1982-1989; Helmut Hundsbichler (Red.), Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Internationaler Kongreß, Krems an der Donau, 9. bis 12. Oktober 1992. Wien 1992; Willem Frijhoff, Communication et vie quotidienne à la fin du moyen âge et à l'époque moderne: réflexions de théorie et de méthode, in: ebd. 9-37.
Roeck, Die Feier des Friedens
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levant zu gelten hat ist, diese Frage unterliegt erst recht subjektiven Kriterien. Ob die postmoderne Geschichtstheorie hier weiterhilft, erscheint zumindest als ziemlich zweifelhaft. 7 ) Daß die Auseinandersetzung mit der „Feier des Friedens" ihren Sinn hat, bedarf, auch wenn gegenwärtig eine Trendwende zur „Kulturgeschichte" unverkennbar ist, der Begründung. Der folgende Text sollte implizit eine solche liefern: Die Rekonstruktion und Analyse der Feiern führt zu Grundfragen der historischen Anthropologie, der Wahrnehmungsgeschichte, der Geistes- und Mentalitätsgeschichte des Dreißigjährigen Krieges. Es geht um Methoden der Krisenbewältigung; zur Debatte stehen schließlich die Ordnungskonzeptionen und die darauf sich gründenden Herrschaftstechniken der Eliten. Soweit diskursanalytisch relevanten Aspekten nachgegangen wird, soll „Kommunikation" in dem oben angesprochenen umfassenden Sinn verstanden werden und verbale wie nonverbale Formen umfassen. Die semiotische „Einebnung" des Festes, seine Interpretation als „Zeichenkomplex", erfüllt im folgenden höchstens eine Funktion als subsidiäre analytische Konstruktion, die dazu beiträgt, die Dinge präziser auf den Begriff zu bringen. Eine umfassende, kommunikationsgeschichtlich unterfangene Diskursanalyse kann allerdings hier nicht geboten werden.8) Eine wichtige, zweifellos auch auf frühneuzeitliche Verhältnisse anwendbare Hypothese der semiotisch orientierten Wahrnehmungsforschung ist indes kurz zu skizzieren: Es ist die Behauptung der großen Bedeutung der sinnlichen, namentlich der optischen Perzeption für kommunikative Prozesse.9) 7
) Jedenfalls insofern hier eine Freiheit zur Beliebigkeit propagiert wird; vgl. Ernst Hanisch, Die linguistische Wende. Geschichtswissenschaft und Literatur, in: Wolfgang Hardtwig/Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Kulturgeschichte Heute. Göttingen 1996, 212-230, hier 213-215; Frank R. Ankersmit, Historismus, Postmoderne und Historiographie, in: Wolfgang Küttler/Jörn Rüsen/Ernst Schulin (Hrsg.), Geschichtsdiskurs. Bd. 1: Grundlagen und Methoden der Historiographiegeschichte. Frankfurt am Main 1993, 65-84, hier 72; ders., History and Tropology. The Rise and Fall of a Metaphor. Berkeley 1994; Christoph Conrad/Martina Kessel (Hrsg.), Geschichte schreiben in der Postmoderne. Beiträge zur aktuellen Diskussion. Stuttgart 1994, und Jörn Rüsen, „Moderne" und „Postmoderne" als Gesichtspunkte einer Geschichte der modernen Geschichtswissenschaft, in: Küttler/Riisen/ Schulin (Hrsg.), Geschichtsdiskurs. Bd. 1, 17-30; ders., Postmoderne Geschichtstheorie, in: Festschrift Georg G. Iggers. Hagen 1991, 27-48; Anthony Pagden, Rethinking the Linguistic Tum: Current Anxieties in Intellectual History, in: JHIdeas 49, 1988, 519-529; Robert JUtte, Moderne Linguistik und „Nouvelle Histoire", in: GG 16,1990,104-120; Georg G. Iggers, Zur „Linguistischen Wende" im Geschichtsdenken und in der Geschichtsschreibung, in: GG 21,1995, 557-570. 8 ) Peter Schüttler, Mentalitäten, Ideologien, Diskurse. Zur sozialgeschichtlichen Thematisierung der „dritten Ebene", in: Alf Lüdtke (Hrsg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen. Frankfurt am Main 1989, 85-136; Jütte, Linguistik (wie Anm. 7); Wolfgang Hardtwig, Einleitung, in: ders./Wehler (Hrsg.), Kulturgeschichte Heute (wie Anm. 7), 7-13, hier lOf. 9 ) Vgl. Bernd Thum, Kommunikation und Alltag im Mittelalter. Zur Herstellung von Öffentlichkeit im Bezugsfeld elementarer Kommunikationsformen im 13. Jahrhundert, in: Hedda Ragotzky/Horst Wenzel (Hrsg.), Höfische Repräsentation. Das Zeremoniell und die Zeichen. Tübingen 1990, 65-87.
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Kulturelles Umfeld und
Rezeptionsgeschichte
Thum folgert dies aus der - vielfach beobachtbaren - Tendenz, Repräsentation vor allem über die für Adressaten sichtbaren Zeichen zu realisieren. Er konstatiert eine Neigung zur „Überschwemmung der gesellschaftlichen Welt" des hohen Mittelalters mit Zeichen, und kommt zum prägnant formulierten Modell einer „Übersemiotisierung" der mittelalterlichen Öffentlichkeit.10) Dieser Begriff dürfte auch - womöglich erst recht - auf die Verhältnisse der Frühen Neuzeit sinnvoll anwendbar sein. Der Hinweis auf eine solche Zeichenkumulation mit der Konsequenz der Kommunikationsverdichtung an bestimmten Orten und zu spezifischen Zeiten ist um eine weitere Erwägung zu ergänzen: nämlich die, daß es die relative Reizarmut der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Welt gewesen ist, aus welcher die etwa bei Festen und anderen Feierlichkeiten aufgetürmten Zeichensysteme ihre kommunikative Wirkung zu einem guten Teil bezogen.11) Wir haben es mit einer Welt zu tun, in welcher die Erfahrung mit Bildern - der Projektion illusionärer dreidimensionaler Gebilde auf Flächen - ein ungewohntes, seltenes Erlebnis war: In Privathaushalten waren Bilder offenbar eher selten, man wurde mit ihnen allerdings auf Hausfassaden, in Kirchen und eben bei Prozessionen und Festen konfrontiert. Wir reden von einer Epoche, die andere Begriffe vom Außergewöhnlichen hatte, andere Grenzlinien zwischen dem Normalen und dem Besonderen zog als wir12), in der selbst das Unscheinbarste beispielsweise eine Wolkenformation oder ein besonders heller Stern13) Sensation machen konnte, weil die faszinierten Betrachter sich als Adressaten eines besonderen Kommunikators, nämlich Gottes, wähnten; eine Epoche, in der alles im Verdacht stand, nicht nur zu sein, sondern etwas zu bedeuten.14) Man war, mit anderen Worten, begierig, die Zeichen am Himmel und sonstwo in der Welt zu entschlüsseln, den Geheimnissen der analogen Kommunikal0
) Ebd. 76 f. ") Vgl. Bernd Roeck, Wahrnehmungsgeschichtliche Aspekte des Hexenwahns - ein Versuch, in: HJb 112, 1992, 72-103; ders., Als wollt die Welt schier brechen. Eine Stadt im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. München 1991, 51 ff.; ders., Augsburg (wie Anm. 1), 551-553; ders., Säkularisierung als Desensibilisierung. Der Hexenwahn aus der Perspektive der Sensibilitätsgeschichte, in: Sönke Lorenz/Dieter R. Bauer (Hrsg.), Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, 169-182. 12 ) Vgl. Stephan Oeterman, Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia curiosa. Frankfurt am Main 1982; ¡Catherine Park/Lorraine J. Daston, Unnatural Conceptions: The Study of Monsters in 16th and 17th Century France and England, in: P & P 92, 1981, 2 0 54; Rudolf Schenda, Das Monstrum von Ravenna. Eine Studie zur Prodigienliteratur, in: Zeitschrift für Volkskunde 56, 1960, 209-225; Martin Scharfe, Wunder und Wunderglaube im protestantischen Württemberg, in: BllWürttKiG 68/69, 1968/69, 190-206. 13 ) Vgl. Roberto J. M. Olson, ...And They Saw Stars: Renaissance Representations of Comets in Pretelescopic Astronomy, in: Art Journal 44, 1984,216-244; Hartmut Lehmann, Die Kometenflugschriften des 17. Jahrhunderts als historische Quelle, in: Wolfgang Brückner/Peter Blickle/Dieter Breuer (Hrsg.), Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Wiesbaden 1975, 683-700. 14 ) Vgl. Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt am Main 1981.
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tion' 5 ), der der Herr sich gegenüber den Menschen befleißigte, auf die Spur zu kommen. Aber nicht nur Himmelszeichen, auch Irdisches verwies auf Kommunikationsabsichten und wirkte auf eine spezifische Sensibilität, deren Archäologie eine faszinierende Forschungsunternehmung sein müßte.16) So platzte das spektakuläre Feuerwerk17) in die stockfinstere frühneuzeitliche Nacht 18 ), in Stunden, während derer man sonst zu schlafen pflegte 19 ) und sich, da sie voller gefährlicher Dämonen waren, tunlichst nicht aus der Sicherheit des Hauses begab. Die festliche Scheinarchitektur wurde wahrgenommen vor der Folie einer Lebenswelt, die gewöhnlich enge Wohnungen und verwinkelte Gassen als Kulissen hatte; von Häusern aus Holz, bestenfalls von Ziegelwerk geprägt war, in der man unter Strohdächern lebte - all das kann, nebenbei bemerkt, zur Erklärung des Umstandes beitragen, daß Reiseberichte sehr oft in erster Linie die Kostbarkeit von Materialien als Anlaß des Staunens und der Bewunderung hervorheben, wenn herrschaftliche Gebäude oder Kirchen beschrieben werden.20) Spektakel - und Friedensfeiern gehörten um die Mitte des 17. Jahrhunderts ganz ohne Zweifel zu den „spektakulären" Ereignissen - trafen weiterhin auf eine Epoche, in welcher der Diskurs über die Gefahren der leeren Zeit, über die Langeweile und ihre Bekämpfung aus den Klöstern in die weltliche Sphäre vorgedrungen war.21) Die Überfrachtung des Lebens an manchen Fürsten15
) Begriff nach Thum, Kommunikation (wie Anm. 9), 79 f. ) Vgl. schon den programmatischen Aufsatz von Luden Febvre, La sensibilité et l'histoire. Comment reconstituer la vie affective d'autrefois?, in: Annales d'histoire sociale 3, 1941,5-20. 17 ) Vgl. Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 5). Anläßlich des Friedensschlusses wurden verschiedentlich Feuerwerke abgebrannt, vgl. die Hinweise im folgenden, außerdem die Notiz in Friedrich Flades Chronik (zu Olmütz): „Den 7. [Juli 1650, B. R.] hat die Generalität die Satisfactionsgelder als noch 70 000 Reichstaler auszählen und intérim die Abfuhrwagen vom Lande zusammenbringen lassen, worauf abends ein ansehnliches Feuerwerk gehalten, die Stücke öfters gelöst und pro Valedictione getrunken worden. Den 8. darauf ist der völlige Aufbruch der schwedischen Völker fortgesetzt worden, pro quo Soli Deo gloria" (vgl. Hans Jessen, Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten. 4. Aufl. München 1980, 406); zu den Münsteraner Friedensfeierlichkeiten und dem dabei veranstalteten Feuerwerk am 19. Februar 1649 vgl. ebd. 401. 18 ) Vgl. Oison, Comets (wie Anm. 13), und Norbert Schindler, Nächtliche Ruhestörung. Zur Sozialgeschichte der Nacht in der frühen Neuzeit, in: ders., Widerspenstige Leute. Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit. Frankfurt am Main 1992, 215-257. 19 ) Zum Wandel der Zeitstruktur in der Frühen Neuzeit Wolf gang Nahrstedt, Die Entstehung der Freizeit. Dargestellt am Beispiel der Stadt Hamburg. Ein Beitrag zur Strukturgeschichte und zur strukturgeschichtlichen Grundlegung der Freizeitpädagogik. Göttingen 1972. 20 ) Zur „materialikonologischen" Dimension von Kunstwerken Michael Baxandall, Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1980,24-28 (Originalausgabe: Painting and Experience in Renaissance Italy. A Primer in the Social History of Pictorial Style. Oxford 1972); Thomas Raff, Die Sprache der Materialien. Anleitung zu einer Ikonologie der Werkstoffe. München 1994. 21 ) Vgl. Wolfgang Weber, Im Kampf mit Saturn. Zur Bedeutung der Melancholie im anthro16
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Kulturelles Umfeld und Rezeptionsgeschichte
höfen mit Vergnügungen aller Art, mit Spiel, Theater, Musik, Jagd und Fest kann als deutlichste Manifestation eines angestrengten Kampfes gegen den ennui, gegen die gefährliche Langeweile, gelten.22) Auch im Kleineren, in der städtischen Öffentlichkeit etwa, müssen festliche Inszenierungen ein Publikum gefesselt haben, dessen Sensibilität für - nach modernem Empfinden Unscheinbares hochentwickelt gewesen ist. Um so mehr Effekt dürfte dergleichen gemacht haben. Wie andersartig die Rezeptionsvorgänge des 17. Jahrhunderts gewesen sind, mag man ermessen, wenn man einmal das Unglück hatte, heutzutage der Aufführung etwa eines mehrstündigen Jesuitendramas beiwohnen zu müssen. Viele der umständlichen Beschreibungen, die es von den Friedensfesten gibt, lassen sich kaum verstehen, wenn man sich diese andersartigen Perzeptionsweisen der Vormoderne nicht vergegenwärtigt. Extrem detailliert, repetitiv, ermüdend im Aufzählen der Reihenfolge der Teilnehmer von Prozessionen und Einzügen oder bei der Beschreibung von Sitzordnungen, sind sie erstrangige Dokumente der Wahrnehmungsgeschichte. Ein gerade wegen seiner Mediokrität bezeichnendes Beispiel ist die ausführliche Beschreibung, welche ein gewisser Bartholomäus Bayer in seinem „Diarium rerum Augustanarum" von der erstmaligen Feier des Augsburger Friedensfestes von 1650 gibt.23) Es handelt sich um die wohl umfassendste zeitgenössische Darstellung, die überkommen ist: „Den 8. dito [August, B. R.] Montags ist durch Gottes sonderliche Gnad, wie gemeldt, von den Evangelischen] ein sehr herrliches Danck-, Frid- u[nd] Frewdenfest inn allen 6 Pfarren mit musicieren, singen, beten, dancken u[nd] predigen u[nd] communicieren gehalten, von den Papisten aber [ist] wie an anderen gemeinen Wercktagen gearbeitet... worden". Bayer ist angestrengt bemüht, die zeitlichen Abläufe des Festes und die jeweilige Topographie so exakt wie möglich mitzuteilen - zahlreiche Einfügungen lassen erkennen, wie er, ums Detail bemüht, mit dem Stoff ringt.24) „Dann in S. Anna Kirchen die obere oder der
pologischen Modernisierungsprozeß des 16. und 17. Jahrhunderts, in: ZHF 17, 1990, 155162; Siegfried Wenzel, The Sin of Sloth: Acedia in Medieval Thought and Literature. 2. Aufl. Chapel Hill 1967. 22 ) Vgl. Alewyn, Feste (wie Anm. 5), 244f.: trotz neuerer Einsichten in die spezifische Zweckrationalität bestimmter Formen des höfischen Lebens eine in ihrer Zuspitzung zum Idealtypischen immer noch faszinierende Skizze. 23 ) Staats- und Stadtbibliothek, Augsburg, 4 Cod. Aug. 238, fol. 135-140; vgl. Anhang. Neben Bayer tun zahlreiche weitere Augsburger Chronisten des Friedensfestes Erwähnung, etwa der Schulmeister Hainzelmann (Stadtarchiv Augsburg, Chroniken 32) oder auch der Chronist Sagittarius (Staats- und Stadtbibliothek, Augsburg, 2 Cod. S. 47, 1019f.). 24 ) Ebd. fol. 136r/v; vgl. auch z.B. fol. 137r: „Die Cantores haben alle da sein u. im 2. Chor gegeneinander halb bey der Orgel, da der Herr Kriegßdorffer ihr Regens, und halb auff der obern Junckerboorkirchen bey dem Regal, da Herr Brosser [?], Regens, gewesen, getheilt werden müssen. Zwischen Under oder neben der Cantorum Gesang, so wol vor alß zwi-
Roeck, Die Feier des Friedens
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Juncker u. die undere boorkirchen [Empore, B.R.], auch beide Chöre, fugerische u. hindere Chor mit schönen, langen und herrlichen Tapezereyen hinden her am Gmäur behengt gewesen, daran allerley schöne Figuren u. Historien gehangen, gemeiner Statt insignia mitten under under dem Blum werck, weil selbige dem Magistrat zugehörig gestanden, auff dem Altar im fugg[erischen] Chor, da man die h. Communion celebrieret, ist auff ieder Seiten neben den Communion Kanten ein zinnern Mayenkrüglein mit grünen Cypressen, so an ein Hölzlein gebunden, gestanden, über dem Altar an dem Eisengitter grüene ineinander geflochtne Blätter, gleich zweyen Bögen, u. daran herab gehangen ein schöner Crantz von schönen Blumen, auch Gold und Silber gehenget [?] u. neben demselben [?] ein kleines Kränzlein von gleicher Zierd [?]; zue beeden Seiten des Altars ist ein grüner Mayen gestanden wie auch sonst die Kirch allenthalben, der Canzel, deßgleichen beyde Chör mit Mayen hüpsch geschmückt gewest...". Und so geht es weiter und weiter. Nur wenig teilt Bayer über Bildmotive und die Texte auf den Spruchbändern mit, die freilich gelegentlich von einer gewissen Simplizität gewesen zu sein scheinen25); Formen digitaler Kommunikation26) interessieren ihn - der er doch zu lesen verstand augenscheinlich weit weniger als die Artikulationen analoger Kommunikation.27) Nirgendwo versucht er, das, was er sieht, zu interpretieren. Der Autor sieht vor allem den Prunk, welchen seine Konfessionsgemeinschaft zu entfalten in der Lage ist: Im Vordergrund seiner Beschreibung stehen Hinweise auf die Schönheit und vor allem die Kostbarkeit des „Festapparats". Er schreibt von wertvollen Tüchern und „Tapezereyen", die mit „schönen Figuren und Historien" versehen gewesen seien, und läßt sich nur ausnahmsweise darüber aus, welche Gestalten und Geschichten dargestellt waren. Darin unterscheidet sich dieser Beobachter von gelehrteren, mit einem weniger schlichten Gemüt ausgestatteten Chronisten, wie sie etwa die berühmten Nürnberger Friedensfeiern gefunden haben.28) sehen und nach der Morgen- und Abenpredig hat der Vorsinger mit der Gemain die verordnete Gesang ... abgewechselt...". 25 ) Etwa: „Frid kommt" oder „Freud, o Freud, o Frid" (fol. 136v). 26 ) Vgl. Thum, Kommunikation (wie Anm. 9), 79 f. 27 ) Ebd. 28 ) Vgl. Johann Klaj, Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hrsg. v. Conrad Wiedemann. Tübingen 1968; Georg Philipp Harsdörffer, Lobgesang dem ... Herrn Carl Gustav Wrangel. Nürnberg 1648, ND in: John Roger Paas, Poeta incarceratus. Georg Philipp Harsdörffers Zensur-Prozeß 1648, in: GRM Beiheft I, 1979, 155-164 (über ihn u.a. Irmgard Böttcher, Georg Philipp Harsdörffer, in: Harald Steinhagen/Benno von Wiese [Hrsg.], Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Berlin 1984, 289-346); Sigmund von Birken, Krieges- und Friedensbildung. Nürnberg 1649; ders., Teutscher Kriegs Ab- und Friedenseinzug. Nürnberg 1650; ders., Teutschlands Krieges-Beschluß und FriedensKuß. Nürnberg 1650; ders., Die Fried-erfreuete Teutonie. Nürnberg 1652; ders., Flamais oder der FriedensHeld: Teilabdruck aus dem Nachlaß bei Adam Christoph Jobst, Sigmund von Birkens .Amalfis', in: Unser Egerland 18,1914,17-20,42-44. Über Birkens Friedensdichtung: ders., Sigmund von Birkens .Teutscher Olivenberg'. Diss. Wien 1913; Hartmut Lauf-
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Kulturelles Umfeld und Rezeptionsgeschichte
Wahrscheinlich spiegelt Bayers Elaborat eher durchschnittliche Perzeptionsmuster. Der Autor ist geblendet vom Gold und Silber einer Barockkanzel, „schön" ist sein Lieblingsattribut. Der Kranz und die Zweige, mit denen man die Jesusfigur Georg Petels, die auf dem Schalldeckel der Kanzel der Barfüsserkirche stand, versehen hatte, scheinen eher der Erwähnung wert als der Name des berühmten Bildhauers.29) Vom braunen Damastgewand, mit dem man eine andere Statue behängt hatte, erfahren wir, und in schöner Ausführlichkeit wird vom Ablauf des Kinderdankfestes am 10. August 1650 gehandelt - wiederum geht der Autor ausführlicher als auf alles andere auf die festliche Bekleidung der Schuljugend ein: „... die Mägdlein aber zum Theil neben feyrtäglichen Kleidern inn weissen Schürzlen u. Brüstlen oder Gollern inn schön geflochten u. gestrickten Haaren, mit silbern Berlen Haarbanden, grünem oder gespreggelten Kränzlen, auch theilß Crönlein, eintweder von Gold, Silber oder Berlen auff dem Kopff u. Büchlein inn den Händen tragend, bey S. Ulrich aber ohne den weissen Zierat inn feyrtäglichen Kleidern u. mit geschmücktem Haupt... ohne Kränz oder Crönlein, allein die Waisenkinder sollen Kränz auff dem Haupt gehabt haben...". Diese Passagen zeigen wiederum das Augenfällige äußeren Putzes, die Bedeutung schimmernder, edler Materialien; sie legen nahe, nach der Semantik der Materie aus der Perspektive der Wahrnehmungsart der Frühen Neuzeit zu fragen. Auch Bayers Aufzeichnungen über die musikalische Ausgestaltung des Festes gestatten vergleichbare Beobachtungen. Gewiß wird nicht durchgängig verschwiegen, welche Musik gespielt, welche Choräle gesungen wurden - das ist auch bei anderen Friedensfeiern nicht der Fall30) - , aber bezeichnend ist doch die Aufmerksamkeit, welche namentlich der Instrumentierung gewidmet wird: „Dieses Tags [8. August 1650, B. R.] ist der Gottesdienste inn allen Kirchen vor 5 Uhren inn sehr volckreicher Versamlung mit der Musik von Orgelschlagen u. Singen angefangen worden, sonderlich bey S. Anna, da inn die hatte, Der gebändigte Mars, in: Hans-Jürgen Horn (Hrsg.), Ares und Dionysos. Heidelberg 1981, 121-135. Weitere Literatur bei Klaus Garber, Art. „Birken", in: Walther Killy (Hrsg.), Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bd. 1. München/Gütersloh 1988, 516-519, hier 519. Einen Überblick über die Einschätzung der Friedensdichtung aus dem Kreis der Pegnitzschäfer durch die literaturwissenschaftliche Forschung gibt Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 5), 159-161; zur tatsächlichen Rolle der Dichter im Festgeschehen: ebd. 156-158. Vgl. auch unten Anm. 54 und den Beitrag von Klaus Garber in diesem Band. 29 ) Übrigens handelt es sich hier um die früheste bisher bekannte Erwähnung der Plastik; vgl. Bruno Bushart (Hrsg.), Augsburger Barock. Ausstellungskatalog. Augsburg 1968, 89, Abb. 22, Nr. 92. 30 ) Vgl. Repgen, Feier (wie Anm. 2), 267 f. Vgl. auch Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 28), 77, über die musikalische Umrahmung des Schwedischen Friedensmahles von 1649: „Obgleich sonsten die Music in vier Chöre abgetheilet / und sich die gantze Zeit über mit den Trompeten und Heerpauckern Wechselweise lustig hören lassen / so ist doch sonderlich in der Höhe der Gesang / welchen die Engel bey der Geburt deß Friedensfürstens gesungen / auf einem Discant= und Lautencohre künstlich und lieblich musiciret worden".
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Orgel erstlich die Cantores sehr lieblich gesungen u. darbey die Hörpaucken geschlagen u. getrummete, auch von den Soldaten auff beiden Kirchhöfen etliche mal Salve geschossen worden (dergleichen bey den Parfüssern auch geschehen, die ihre eigene Musicos, wie sonst allezeit gehabt, aber mit der Hörpaucken u. Trummetenschall bey der Orgel, u. dem Schissen der Soldaten vor der Kirchen.. ,"31)- Die Instrumente, die hier erwähnt werden, kamen auch bei anderen Friedensfeiern zum Einsatz. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Hinweise auf Trompeten und Heerpauken, da sie in der bürgerlichen soundscape32) der Frühen Neuzeit durchaus ungewohnt waren.33) Während des berühmten Nürnberger Friedensmahles waren die Trompeter an zentraler Stelle, vor dem Wein speienden Löwen am Fenster des Ratssaales, postiert34); und wie in Augsburg - wo der katholische Fürstbischof dem konfessionellen Gegner seine Trompeter zur Verfügung gestellt haben soll35) - kamen sie aus der Welt der aristokratischen Eliten. Eine „aigentliche und gründliche Beschreibung des Nürnberger Friedensmahles" erwähnt ausdrücklich, „das deß Herren Generalißimi Hochfürstl. Durchlaucht Herren Pfalzgraffen Carl Gustavi Trompeter, von dem Rathauß zu guter Leze, noch einmahl ganz lieblich und starck zusammen geblaßen, auch die Heerpaucken dapfer darzu gerühret, hat sich also diß Frieden und Freudenfest mit Heerpaucken und Trompetenschall ganz wohl und glücklich geendet".36) Sabine Zak hat auf die „Semantik" der Trompete und anderer Instrumente hingewiesen und deren soziales Ambiente namhaft gemacht. Damit konnte sie Schlüsse nahelegen auf Assoziationen, die sich bei einem Publikum, das Trompetenschall und Paukenschlag hörte, einstellen mußten. Zum Nürnberger Friedensmahl „paßten" solche Instrumente, weil sie zur Welt der Hocharistokratie gehörten. Im Kontext rein oder vorwiegend kirchlicher Friedensfeiern, wie des Augsburger oder des Kulmbacher Friedensfestes, waren solche Töne wenn nicht unerhört, so doch zweifellos ungewohnt.37) Trompeten und Pauken waren „heroische" Instrumente, die zum Kampf stimulierten, zugleich aber auch den höchstmöglichen Grad an Feierlichkeit signalisieren konnten.
31
) Bayer, Diarium (wie Anm. 23), fol. 137r. ) Begriff bei Raymond Murray Schafer, The Tuning of the World. New York 1977. 33 ) Vgl. Sabine ¿ak, Musik als Ehr und Zier im mittelalterlichen Reich. Studien zur Musik im höfischen Leben, Recht und Zeremoniell. Köln 1979. 34 ) Vgl. Hermann Harrassowitz, Das Nürnberger Friedensmahl am 25. September 1649. Die Festmusik, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 75, 1988, 83-91, hier 91. 35 ) Vgl. Horst Jesse, Friedensgemälde 1650-1789. Zum Hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen/Ilm 1981, 19. 36 ) Harrassowitz, Friedensmahl (wie Anm. 34), 90. 37 ) Vgl. Repgen, Feier (wie Anm. 2), 268; vgl. auch die Schilderung der Reaktion auf den Friedensschluß in Münster bei Jessen, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 17), 400. 32
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Wer im 17. Jahrhundert ihren Ton hörte, wußte, daß da etwas ganz Außerordentliches vor sich gehen mußte. Soweit wir wissen, waren die Nürnberger Friedensfeiern die komplexesten Inszenierungen, die anläßlich des europäischen Ereignisses ins Werk gesetzt wurden.38) Wer sich von dem, was mit „Übersemiotisierung der Öffentlichkeit" gemeint sein könnte, eine Vorstellung machen will, sollte die zahlreichen überkommenen Beschreibungen der Festlichkeiten, die oft ausführliche Lesemöglichkeiten für die zum Einsatz kommenden Zeichensysteme anbieten, lesen.39) Was den Einsatz der Medien anbetrifft, kannte man praktisch keine Grenzen. Alle Sinne wurden angesprochen, und ebendies dürfte in der Absicht der Regisseure gelegen haben. Man sah, schmeckte, hörte, war von Wohlgerüchen umfächelt. Ein Zeuge des schwedischen Friedensmahles (25. September/ 5.0ktober 1649) notiert: „Inzwischen hat man das Handwasser in 5 silbernen Kannen und Becken herum gegeben, haben die Musici das Te Deum laudamus oder ,Herr Gott dich loben wir' gesungen, nachmals andere Psalmen und Loblieder, sonderlich aber den Gesang der Engel bei der Geburt des Friedens-Fürsten: ,Ehre sei Gott in der Höhe und den Menschen ein Wohlgefallen' künstlich und lieblich erklingen lassen. Auf der Tafel sind gestanden zwei Schaugerichte und zwischen denselben ein Spring-Brunnen mit Rosenwasser, das durch die Luft in die Höhe getrieben worden, angefüllt... Der erste Gang ist bestanden in köstlichen Suppen, Olipadriden und allerhand gekochten Speisen. Der andre Gang ist gewesen von gebratnen Vögeln, Wildpret cc Jeden Gang sind aufgetragen worden 150 Speisen, welche alle auf das herrlichst und köstlichste zugerichtet waren. Der fünfte Gang ist bestanden in Gartenfrüchten, so teils in den silbernen Schüsseln, teils an den lebendigen Bäumen, mit welchen die ganze Tafel übersetzt war, gehangen. Zwischen diesem Laubwerk waren zu sehen etliche Rauch-Berge, die einen sehr guten Geruch von sich gegeben, daß also nicht nur der Mund mit niedlichster Speise, das Ohr mit lieblichem Getöne, das Auge mit nachsinnigen Schaugerichten, sondern auch der
38
) Vgl. Emil Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1896, ND Neustadt an der Aisch 1983, 992f.; Julius Merz, Ein Tag aus Nürnbergs Vorzeit, in: Album des literarischen Vereins für Nürnberg 1846, 75-82 (freundlicher Hinweis von Herrn Dr. Diefenbacher, Nürnberg); Christian Klemm, Das Nürnberger Friedensmahl am 25. September 1649. Joachim Sandrarts Gemälde, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 75, 1988, 77-82; Harrassowitz, Friedensmahl (wie Anm. 34); Anton Ernstberger, Ausklang des Westfälischen Friedens am Nürnberger Reichskonvent 1648-1650, in: ZBLG 31, 1968, 259-285; Hermann Glaser, Die weiße Taube aus der Pastete. Das Friedensmahl von Nürnberg im Jahre 1649, in: Uwe Schultz (Hrsg.), Speisen, Schlemmen, Fasten. Eine Kulturgeschichte des Essens. Frankfurt am Main/Leipzig 1993, 206-217; Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 5), passim. 39 ) Vgl. die in Anm. 28 genannte Literatur.
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Geruch mit angenehmem Duft belustigt und von allen Anwesenden dergleichen Herrlichkeit nie gesehen worden".40) Die Nürnberger Friedensfeiern lassen die wesentlichen Merkmale des Festes, wie sie von der Ethnologie herausgearbeitet wurden, in ihrer reinsten Form erkennen.41) Gelegentlich erscheinen die Festlichkeiten kombiniert mit „heiligen Feiern", mit Gottesdiensten samt den dazugehörigen Opferriten, mit Aufführungen, Mahlzeiten; sie weisen jenen Charakter „primärer Selbständigkeit" auf, den Johan Huizinga als das Gemeinsame des Festes mit dem Spiel hat identifizieren wollen.42) Das „gewöhnliche Leben" ist stillgelegt, es erfolgt, wie Lanternari sagt, eine befristete symbolische Aufhebung der Ordnung. An ihre Stelle treten ritualisierte Verhaltensformen.43) Charakteristisch für das Fest überhaupt wie im speziellen für die Friedensfeiern - namentlich für jene in Nürnberg - ist ihr zur Realität antithetischer Charakter. Auch die kirchlichen Festveranstaltungen lassen dieses Kernelement des Festes manchmal - weit weniger ausgeprägt - erkennen. Soll das Fest eine Realität konstituieren, die im Alltag ersehnte Utopie ist, exorziert es symbolischrituell alles Negative, das sich dort angesammelt hat.44) Dieses Umkehrritual charakterisiert auch die Friedensfeiern in eklatanter Weise. Man schwelgt, gerade vor dem Hintergrund einer immer noch katastrophalen Versorgungslage, ostentativ im Überfluß, genießt mit allen Sinnen; Heerpauke und Trompete und die Musketen, aus deren Rohren die Salutschüsse krachen, mutieren von Werkzeugen des Krieges zu Instrumenten der Apotheose des Friedens. Dabei liegt auch der Exzeß im Wesen des Festes. Der legitimierte Regelverstoß, die kontrollierte Transgression werden zum Mittel, der Gefahrdung durch die stets drohende Regression zu begegnen.45) Die Regeln von Ritual und Zeremoniell erfahren durch den Verstoß zum Höhepunkt des Festes hin ihre Bestätigung: Alle, so notiert ein Chronist des bereits erwähnten schwedischen Banketts, seien „in der Nacht wohl bezecht gewesen, daß der Saal den 4°) Der Text am bequemsten greifbar bei Jessen, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 17), 403 f. 41 ) Überblick: Paul Hugger, Das Fest - Perspektiven einer Forschungsgeschichte, in: ders. (Hrsg.), Stadt und Fest. Zu Geschichte und Gegenwart europäischer Festkultur. Festschrift zum 2000-Jahr-Jubiläum der Stadt Zürich. Unterägeri/Stuttgart 1987, 9-24. 42 ) Johan Huizinga, Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1938). Reinbek bei Hamburg 1987,31. 43 ) Vittorio Lanternari, La grande festa. Vita rituale e sistemi di produzione nelle società tradizionali (1959). Bari 1976, 132-150. Dem anthropologischen Kern des ritualisierten Verhaltens kann hier - so wichtig es zum Verständnis der Festkultur, überhaupt der Genese von Friedensschlüssen in der Frühen Neuzeit ist - nicht nachgegangen werden. Wie anregend der ethnologische Zugriff für Historiker sein kann, zeigt das bedeutende Werk von Mary Douglas, Ritual, Tabu und Körpersymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur (Originalausgabe: Natural Symbols. Explorations in Cosmology. London 1970). Frankfurt am Main 1986, hier 20 f. u ) Hugger, Fest (wie Anm. 41), 19. 45 ) Ebd. 21 (zu Freuds Festtheorie).
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andern Tag ausgesehen und gerochen wie ein Säustall, daß man lange Zeit daran zu säubern und zu putzen gehabt".46) Auch ritualisierte Scheingefechte uferten aus. Nicht weniger als 370mal zum Zählen hatte man noch die Sinne! - wurden bei derselben Gelegenheit die Stücke gelöst, am Mauerwerk der Burg soll ein Schaden in Höhe von 3 000 Gulden entstanden sein.47) Im Rathaussaal wurden zum Spaß die Musketen abgefeuert: „Es war ein solches Rasseln und Prasseln, Pützen und Donnern, daß einer den andren auf dem Saal überhaupt laut rufen mußte, um ihn zu verstehen und zu hören. Die auf der Fürstentafel, wie auch die auf den oberen drei Hängeleuchtern und auch die bei der Ratsstube brennenden Wachskerzen wurden durch den Hall und Knall oder vielmehr durch den Dampf bald ausgelöschet". Die Welt wurde auf den Kopf gestellt: Für den glücklichen Moment des Festes - mit Gennep ließe er sich präziser als Phase der„Liminalität" beschreiben48) - war der Krieg symbolisch gezähmt, nicht Tod und Verderben, sondern Divertissement bedeuteten das Donnern der Kanonen und das Krachen der Gewehre. Man beherrschte, was vorher Verhängnis gewesen war und als blindwütige Furie, als Naturereignis gegen alle menschlichen Möglichkeiten gestanden hatte. Rituell wurde die Bewältigung des Unheils praktiziert, analog seiner tatsächlichen Bändigung in den Friedenstraktaten. Besonders augenfällig wurde das bei dem großartigen Feuerwerk, welches das Piccolomini-Bankett zu Nürnberg beschloß. Sein Verlauf ist durch von Birkens Buch „Teutschlands Krieges-Beschluß und FriedensKuß" überliefert 49 ): ein mit pyrotechnischen Mitteln ins Werk gesetztes Spiel, dessen Hauptakt die Erstürmung und Zerstörung des castellum discordiae, der Burg des Unfriedens, war.50) Ein Beobachter notierte: „Es gab den Augen und Oh46
) Ernstberger, Ausklang (wie Anm. 38), 270. ) Ebd.; dort auch das folgende Zitat. 48 ) Vgl. Arnold van Gennep, Les rites de passage. Paris 1909 (dt.: Frankfurt am Main 1986); auch Victor Turner, The Ritual Process. Structure and Anti-Structure. New York 1969 (dt.: Frankfurt am Main/New York 1989), 94f. 49 ) Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 5), 155f.; vgl. auch die Schilderung des Olmützer Feuerwerks (Anm. 17) und die pyrotechnischen Spektakel während der Münsteraner Friedensfeier (nach Jessen, Dreißigjähriger Krieg [wie Anm. 17], 401): „Gegen 7 Uhr hat man ein überaus schön und köstliches Feuerwerk gesehen, in dem erstlich vor dem Rathaus ein ziemliches Gebäu, einem Castell gleich, aufgestellt worden, welches mit Feuer in die Luft gegangen, wobei unterschiedlich von allerhand Gattung Raketen oder Schwärmer ... sodann künstliche Luft- und Wasserkugeln mit untergemengt, zu sehen gewesen ... Nicht weniger hat man überzwerch der Gasse vom Rathaus aus eine Linie gezogen, daran diese Worte gehangen: Vivat Pax! es lebe der Friede!, zwischen welchen Worten der Stadt Münster Wappen gestanden, so sämtlich von Pech zugerichtet gewesen und, nachdem man solches angezündet, hat es eine Viertelstund lang einen schönen und lustigen Schein geben ... Zwischen 11 und 12 Uhr um Mitternacht hat man auf dem Domhof den überaus großen, gedoppelten Adler ... oben an der Krone angezündet, welcher sehr zierlich operiert und endlich mit großem Krachen und hellem Glanz in die Luft gegangen...". 47
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) „Das Gebäude aus Holzbalken und bemalter Leinwand hatte eine Seitenlänge von 21 Metern und eine Höhe von etwa 12 Metern ... Nachdem sich aus dem Kranz, den eine
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ren eine angenehme Lust, weil nicht allein wegen des grausamen und unaufhörlichen Platzens es schien, als ob viel Hundert Mann in und außer dem Kastell Feuer gäben, sondern auch die Flammen und der Rauch des lichterloh brennenden Mittelturms sich bis an die Wolken wälzete".51) Der antithetische Charakter des Spiels wurde von den Zeitgenossen sehr wohl registriert. Georg Philipp Harsdörffer bringt ihn auf den Punkt: „MAn hat nun der schweren Waffen sich entbürdet / Krieges=müd: Der Musqueten Puff und Paffen endet sich nun durch den Fried. Der Mordflammen Vngeheuer dienet zu dem Freudenfeuer / und was uns im Krieg verletzt / nunmehr in dem Fried ergetzt".52) Einem staunenden Publikum wurde gezeigt: Die Welt war wieder im Griff; die Pyrotechniker der Politik, die Diplomaten und ihre Fürsten demonstrierten mit dem höllischen Spektakel auf dem St. Johannis-Schießplatz vor den Toren Nürnbergs, daß sie die Fäden einer geheimen Ordnung hinter all dem Lärm, Rauch und Feuer in den Händen hielten. Der Friedensschluß war reale Parallele zum Feuerwerk auf der Spielwiese - er zeigte, daß auch der wirre dreißigjährige Kampf einer Räson gehorcht hatte, welche die Dinge nun wieder in eine Ordnung zwang. Der „kunstgerechte" Verlauf des Festes, das im gebändigten Feuer des pyrotechnischen Schauspiels seine Klimax fand 53 ), hat seine Entsprechung in jenen demonstrativen Inszenierungen von Ordnung, als die sich all die Prozessionen, Einzüge, Sitzordnungen interpretieren lassen, die zu den Zentralelementen der Phänomenologie der Politik des 17. Jahrhunderts Siegesgöttin hielt, eine an der Schnur hängende Rakete gelöst hatte und zu den spanischen Reitern hinabgeglitten war, die das Schloß einzäunten, flogen hunderte von Schwärmern rund um das Schloß ... Gleichzeitig begann aus Mörserläufen die Imitation der Beschießung einer Burg. Hinter deren Kulisse stiegen etwa 120 Raketen und Lustkugeln hoch ... aus dem Gebäude stiegen etwa 1400 Raketen in den Himmel. ,Mars' und ,Discordia\ deren Statuen am Eingang der Burg aufgestellt waren, ließen erkennen, daß sie ihr Reich verteidigen wollten. Es war der Höhepunkt des Feuerwerks, als sich die Sprengsätze entzündeten, die man an den Balken angebracht hatte, von denen der Bau getragen wurde. Zunächst explodierte der Mittelteil der Burg mit dem Eingangstor, wobei ,Mars' und ,Discordia' umkamen. Man feuerte um das Schloß herum aus 400 Kanonen und Gewehrläufen eine Salve und hinter dem Kastell stiegen 200 Raketen hoch, die zusammen mit den Knallsätzen den Eindruck erweckten, ,als ob viel hundert Mann in und aus dem Castell Feuer gaben'" (ebd.). 51 ) Ernstberger, Ausklang (wie Anm. 38), 278. 52 ) Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 5), 240. 53 ) Allerdings gewannen auch Pannen im Festverlauf daraus ihre besondere Bedeutung als unheilvolle Prodigien - zumindest erfahren sie in den überkommenen Beschreibungen gebührend Erwähnung; vgl. unten Anm. 72.
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zählen. Im Zusammenhang mit dem Kongreß im Westfälischen kann ter Borchs berühmte Darstellung des Friedens von Münster als überzeugungsmächtigste Beschwörung dieses Ordnungsideals gelten. Es steht antithetisch zur politischen Realität, spiegelt aber zugleich etwas von eben jener tendenziell entideologisierten Staatskunst wider, die über Verzicht und Kompromiß die Liquidierung des Großkonflikts überhaupt erst ermöglicht hatte. Damit sind mögliche „Außenwirkungen" einzelner Teile der Friedensfeiern angesprochen, Effekte, die sie gegenüber ihrem „Publikum" gezeitigt haben könnten - wobei damit nichts über entsprechende Intentionen der Akteure, der Impresarios, der Auftraggeber und Finanziers der Feiern gesagt ist. Weder lassen sich die gerade erwähnten Personen und Personengruppen immer ohne weiteres identifizieren54), noch haben wir angesichts des gegenwärtigen Forschungsstandes die Möglichkeit, Präzises über die leitenden Absichten der Festveranstalter auszusagen; allein die Art der Feiern legt Rückschlüsse nahe. Im übrigen ist es zumindest mißverständlich, im Zusammenhang mit den Friedensfeiern von „Publikum" zu sprechen, denn die Rollen changierten, sind nicht immer klar zuzuweisen. Das gilt für vergleichsweise einfache kirchliche Friedensfeste ebenso wie für hochdifferenzierte semantische Komplexe, wie es die Nürnberger Feiern waren - gehört es doch zum Wesen des Festes, daß sich die Unterschiede zwischen Zuschauer und Darsteller verwischen: Geselligkeit und Teilnahme sind seine Kernelemente.55) Gewiß, für einzelne seiner Phasen blieb es bei der Konfrontation von Zuschauerraum und Bühne. Die Friedensfeiern zogen Komödianten und Gaukler an, um die zentralen Festereignisse, um Bankette, Prozessionen und Feuerwerke entfaltete sich ein buntes Jahrmarktstreiben.56) Da ist das Volk auf den Straßen, das sich um Erinnerungsmünzen, um gebratenes Ochsenfleisch und einen Trunk Wein rauft; da sind die Bürger, die staunend die wertvollen Gewänder der Diplomaten und Fürstlichkeiten betrachten und fasziniert und über die Maßen beeindruckt den 54
) In Ausnahmefällen doch; so ist überliefert, daß es Harsdörffer war, der für den Tafelschmuck des Schwedischen Banketts in Nürnberg verantwortlich war; vgl. Klemm, Friedensmahl (wie Anm. 38), 81 Anm. 15, und Georg Philipp Harsdörffer, Vollständig vermehrtes Trincir Buch. 2. Aufl. Nürnberg 1652, 3. Aufl. 1665, 242-265; hierzu Stephan Bursche, Tafelzier des Barock. München 1974, 80-83. Und von Birkens Theaterstück „Teutscher Kriegsab- und Friedenseinzug", das während des Piccolomini-Banketts am 14. Juli 1650 gegeben wurde, sah die patrizische Jugend der Stadt als Darsteller (vgl. Ernstberger, Ausklang [wie Anm. 38], 275). Birken war auch Impresario des habsburgischen Feuerwerks, das auf Anregungen des Fürsten Piccolomini selbst zurückging (Fähler, Feuerwerke [wie Anm. 5], 155-158). Natürlich spielte der Rat Nürnbergs eine zentrale Rolle als Veranstalter, wenngleich wohl weniger als Geldgeber (ebd. 156; vgl. auch Harrassowitz, Friedensmahl [wie Anm. 34], 83 f.). 55 ) Lanternari, Festa (wie Anm. 43), hebt „socialità", „partecipazione" und „ritualità" als zentrale Kriterien hervor und fügt als viertes einen „annullamento temporaneo e simbolico dell'ordine" hinzu (132-137). Die Bedeutung der Übergangsriten für gesellschaftliche Integration bzw. Stabilität betont Turner, Ritual Process (wie Anm. 48), 126. 56 ) Ernstberger, Ausklang (wie Anm. 38), 284.
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spektakulären Inszenierungen zusehen; denen Trompetenschall in den Ohren klingt, mitteilend, daß Außergewöhnliches, Bedeutendes sich vollziehe: Daß Frieden sei und daß dies etwas Großes, Wichtiges sein solle, wird überdeutlich gemacht. Natürlich ist die Feier des Friedensschlusses zugleich das Fest derer, die das Werk zustandegebracht haben, aber das Fest kennt nicht nur die repräsentative Öffentlichkeit der Eliten, es ist selbst als Ganzes öffentlich-repräsentatives Ereignis, und seine Adressaten sind dann dieselben, die an ihm partizipieren. Es oszilliert zwischen Spontaneität und Organisiertheit (so schon Rousseau)57), immer wieder kommt es zum Ausbruch jener Gemeinschaftskräfte, die identitätsstiftend wirken.58) Dürkheim spricht von effervescence collective, von einer symbolischen Demonstration der Macht der Gesellschaft, genauer: einer gesellschaftlichen Gruppe, über den einzelnen. Insofern läßt sich die Bedeutung der Friedensfeier - und damit auch der Jubiläumsfeier59) - im Prozeß der Konfessionalisierung kaum unterschätzen. Die kirchlichen Friedensfeste, vorwiegend, aber nicht ausschließlich60) im protestantischen Bereich angesiedelt, bieten gute Beispiele für diese gemeinschaftsbildende, konfessionelle Bewußtheit erzeugende Funktion der Friedensfeier. So hat man das traditionsstiftende Augsburger Friedensfest - der am besten untersuchte Fall - als Herzstück einer „Erziehungsstrategie der Abgrenzung" bezeichnet. 61 ) Mit der Zeit entwickelte sich das populäre Fest 62 ) - das nicht 57
) Vgl. Marco de Marinis, La festa fra utopia e politica in Jean-Jacques Rousseau, in: Carla Bianco/Maurizio del Ninno (Eds.), Festa, antropologia e semiotica. Relazioni presentate al convegno di studi „Forme e pratiche della festa", Montecatini Terme 27-29 ottobre 1978. Firenze 1981, 72-87. 58 ) Zusammenfassend, auch zum Folgenden, Hugger, Fest (wie Anm. 41), 13f.; vgl. weiterhin Peter Burke, Language and Identity in Early Modern Italy, in: ders., The Art of Conversation. Ithaca 1993, 66-88, hier 68f.; Eric J. Hobsbawm/T. Ranger (Eds.), The Invention of Tradition. Cambridge 1983; Pierre Bourdieu, Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main 1987 (Originalausgabe: Le sens pratique. Paris 1980), 205. 59 ) Vgl. Helmut Gier, Zur Rezeption Luthers und den kirchlichen Jubiläumsfeiern in Augsburg, in: ders./Reinhard Schwarz (Hrsg.), Reformation und Reichsstadt - Luther in Augsburg. Augsburg 1996, 134-139; Johannes Burkhardt, Reformations- und Lutherfeiem, in: Dieter Düding (Hrsg.), Öffentliche Festkultur. Hamburg 1988, 212-236. Eine der Ausnahmen stellt die Freiburger Friedensfeier am 15. Dezember 1648 dar, vgl. Repgen, Feier (wie Anm. 2), 265. Ob es sich hier tatsächlich um einen Sonderfall handelt oder ob katholische Friedensfeiern häufiger vorkamen, läßt sich beim gegenwärtigen Forschungsstand nicht beantworten; in München z.B. scheint es keine Friedensfeier gegeben zu haben, wie eine Befragung der Repertorien der einschlägigen Bibliotheken und Archive ergab. Haben die Katholiken das Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges letztlich doch als Niederlage empfunden? Weitere katholische Feiern fanden in Linz, Wien, Prag, Köln und in einigen schlesischen Städten statt; vgl. Ciaire Gantet, Formes de la mémoire, formes de la fête, formes de la figure: La mémoire de la guerre de Trente ans dans les villes d'Allemagne du Sud (Typoskript; die Verfasserin bereitet eine Dissertation zum Thema vor). 61 ) Etienne François, Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806. Sigmaringen 1991, 153. 62 ) In Augsburg - und nur dort - ist der 8. August bis heute gesetzlicher Feiertag.
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nur öffentlich begangen wurde, sondern zugleich private, familiäre Züge gewann - zur Manifestation eines, wie François mit Bezug auf Furet urteilt, „krankhaft übersteigerten Geschichtsbewußtseins".63) Man feierte sich selbst, pochte auf die eigene Identität gegenüber den Katholiken innerhalb der Mauern derselben Stadt und im näheren und weiteren Umland. Das erste Friedensfest, das in Augsburg gefeiert wurde, war allerdings nicht in erster Linie Erinnerungsfeier an die im Krieg erfahrenen Leiden, wie das an späteren Friedensfesten beobachtet wurde.64) Das Datum der Hauptfeier - der 8. August - war sicherlich von hoher symbolischer Bedeutung, denn es erinnerte daran, daß an diesem Tag vor 21 Jahren mit harter Hand damit begonnen worden war, das Restitutionsedikt durchzusetzen.65) Aber dominierend war doch der Charakter des „Danck-, Frid- u. Frewdenfestfes]"66), die Feier des „Wunders" der Errettung des Augsburger Protestantismus aus tödlicher Gefahr. Die Predigten in den drei Hauptkirchen der Stadt gingen von Bibelstellen aus, deren Text darauf schließen läßt, daß die zentralen Botschaften des Festes Lob und Dank, Triumph über die Feinde, schließlich auch Schuld und Sühne gewesen sind. 67 ) Was man als „Abgrenzungsdynamik" (François) bezeichnen könnte, war nur für das Friedensfest im gemischtkonfessionellen Bereich charakteristisch. In Münster, vor allem aber in Nürnberg, entfaltete sich die Feier des Friedens zum integrierenden, einheitsstiftenden Unternehmen. In dieses Bild paßt, daß 63
) François, Grenze (wie Anm. 61), 155. Ebd. 156. Daß man eine historische Tradition stiften wollte, ist klar, in Nürnberg auch in Gestalt eines dann nicht realisierten Friedensmonuments (Ernstberger, Ausklang [wie Anm. 38], 284f.) Zum „gedechtnuß" gedacht war auch Sandrarts Darstellung des Schwedischen Banketts, vgl. Klemm, Friedensmahl (wie Anm. 38), 78. Über die späteren Friedensjubiläen vgl. François, Grenze (wie Anm. 61), und den Beitrag von Hugo de Schepper/Jan de Vet in diesem Band. Beispiel eines aufwendig gefeierten Friedensjubiläums: Stadtarchiv Osnabrück, Dep. 36, I, Nr. 323: Nachricht wie das erste Jubel=Fest des Westphälischen Friedens am 25*en October des 1748ten Jahres in der Stadt Osnabrück gefeyret worden. Osnabrück 1748, 17-24. Die Physiognomie der Osnabrücker Feier wies zahlreiche Elemente der originären Friedensfeste auf, wie eine Beschreibung erkennen läßt: Der Chronist notiert, es habe überall Freudenschüsse gegeben, „daß die ganze Stadt einem Heckenfeuer gleichete" (11). In der Marienkirche habe man „den Gesang ,Herr Gott dich loben wir'... unter Trompeten und Pauckenschall angestimmet, wobei die sechs auf dem Markte gepflanzte Falkonetten abgefeuret wurden, welche die sämtliche auf denen Wällen der Stadt befindliche halbe= und viertel= Carthaunen, ganze=und halbe Feldschlangen und sonstige Canonen rings um die Stadt folgeten" (15). Gottesdienste, weitere musikalische Aufführungen, schließlich Festarchitekturen und Sinnbilder zählten neben prächtigen Illuminationen zum Festapparat. 65
) Vgl. Roeck, Augsburg (wie Anm. 1), 666-668. ) Vgl. Bayer, Diarium (wie Anm. 23), fol. 135v. 67 ) Vgl. Jesse, Friedensgemälde (wie Anm. 35), 19; es handelte sich um die folgenden Stellen: Ps. 148,12 und 13 („Lobt den Herrn ... Jünglinge und auch ihr Jungfrauen, Greise mitsamt den Kindern! 13 Den Namen des Herrn sollen sie loben! Denn erhaben ist sein Name allein! Seine Hoheit geht über Erde und Himmel"; Ps. 8,3: „Du hast eine Festung gegründet wegen deiner Gegner, um rachsüchtige Feinde zum Schweigen zu bringen"; Ps. 34,12: „Kommt ihr Söhne, hört mich an! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren!" 66
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wir aus Kulmbach oder Augsburg keine Nachrichten über die für die Nürnberger Festesfolge so typischen opulenten Gelage haben, Kernstücke der rites de passage vom Kriegs- zum Friedenszustand. Gelegentlich fällt der Blick auf die der Ethnologie wohlbekannten Tiefenschichten der Rituale: Die einstigen Gegner zelebrieren rituell die neugewonnene Einigkeit, sie tauschen Gaben so am sinnfälligsten beim „Schwedischen Bankett" am 5. Oktober 1649, als die kaiserlichen und die schwedischen Generäle sich gegenseitig ihre Kurzwehren schenkten.68) Und auch von der Funktion des Mahles als friedens- und gemeinschaftsstiftendem Ereignis wissen wir aus allen Zeiten und Kulturen; schon Tacitus berichtet darüber.69) Wir kennen Gemeinschaftsessen als Unterpfänder der Freundschaft, als äußeren Rahmen für Beratungen, als Versöhnungsmittel in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten. Daß man sich mit solchen inszenierten Freundschaftsritualen auf dünnem Eis bewegte, war hellsichtigeren Beobachtern nur allzu bewußt. Der Gesandte von Sachsen-Weimar registrierte erleichtert, daß es auf dem Bankett des Pfalzgrafen Karl Gustav zu keinem Unglück und auch nicht zu „Un= oder Widerwillen" gekommen sei, „dessen man sich doch bey so vielen ehedessen im Felde gegeneinander gestandenen Leuten, und widerwärtigen Humoren, auch so trefflich starcken trunck, sonderlich da die Kriegs=Officiers mit denen Togatis und Pacificis sonst nicht wohl zu stellen pflegen", zu befürchten habe.70) Der glückliche Verlauf der Friedensfeiern wurde als Hinweis darauf gewertet, daß der Segen Gottes über dem ganzen Werk liege. Dem Teufel schmeckte - so meinte man - der Frieden so wenig, wie ihm andererseits der Krieg Pläsier bereitet hatte.71) So fürchtete der Kulmbacher Stadtschreiber die Machinationen des „leidigen sathan", die das Friedensfest stören mochten, und gewiß war der Böse für den Redner wie für seine Zuhörer nicht nur Metapher.72) Nun wurde der Krieg nicht einfach als Werk des Satans empfunden. Daß er ein gefesselter Geist sei, der in der Tiefe der Hölle des Gerichts harre, war eine 68
) Ernstberger, Ausklang (wie Anm. 38), 269; vgl. Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, in: ders., Soziologie und Anthropologie. Bd. 2/3. Frankfurt am Main 1975, 8-145. 69 ) Germania 22: ... sed et de reconciliandis invicem inimicis et iungendis affinitatibus et asciscendis principibus, de pace denique ac hello plerumque in conviviis Consultant. 70 ) Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 5), 151. 71 ) Vgl. Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch. Stuttgart 1990, 583. 72 ) Repgen, Feier (wie Anm. 2), 275. Vgl. auch die penible Beschreibung einer Panne auf der Münsteraner Friedensfeier: Jessen, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 17), 401. Daß man noch im 18. Jahrhundert davon überzeugt war, aus den äußeren Umständen von Jubiläumsfeiern auf den darüber liegenden göttlichen Segen schließen zu können, zeigt ein Bericht über das Osnabrücker Friedensjubiläum von 1748. Der Autor erwähnt tausende brennende Lichter in der Dunkelheit bei „stiller Luft" und konstatiert: Die Windstille und die „bey dermahliger späten Jahres-Zeit annoch ohngewöhnlich angenehme Witterung [hätten, B. R.] die Beleuchtung selbst sowohl als die häuffige Zuschauer derselben" begünstigt (Stadtarchiv Osnabrück, Dep. 36 I, Nr. 323, 17).
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implizite Botschaft der Ansprachen, Gedichte und Predigten, die während der Friedensfeiern zu hören waren. Wie in Grimmelshausens „Simplicius Simplicissimus", wo der Böse wütend an seinen Ketten zerrt, als die Friedensbotschaft aus Westfalen kommt, hat er, läßt Gott ihn nicht, wenig zu melden in der Welt.73) Der Krieg wird als ein vom Herrn in seiner Allmacht den sündigen Menschen zur Strafe verhängtes Übel gedeutet. So beginnt der Pfarrer von St. Peterstal im Schwarzwald seine Donnerpredigt zum Friedensschluß mit den Worten: „Der Herr Herr, der grundfeste und immerwesende, immerherrschende Herr, ist wider Deutschland entzündet und entbrannt gewesen. Und dieweil feurige Gesetzpredigten nicht haben wollen geachtet werden, hat er dem Feuer des Kriegs gerufen, einem Feuer, das frißt, behend jämmerlich und wunderlich frißt ... Gott hat demselben gerufen durch Erweckung allerlei wunderbarlicher Gemüter, durch Zulassung und Verhängung großer Ungerechtigkeit, Grausamkeit, Drangsale und Übeltaten, durch mächtige Gerichte und weise Leitung und Lenkung ... Das Feuer hat gestraft, es hat verzehrt, da hat niemand wehren können, das macht, Gott war im Feuer.. .".74) Der Kulmbacher Stadtschreiber deutet das Desaster als Resultat von „GOTTES gerechtem Zorn und verhengnuß"75), und Klaj reimt: „GOtt hat mir Ungelück / ach Ungelück! bestellet / daß dem / ders hören wird / das Par der Ohren gellet". Erst recht war der Frieden Gottes Werk, nur in zweiter Linie erscheint er als Ergebnis menschlichen Witzes, politischer Konjekturen und diplomatischen Geschicks. Kulmbachs Stadtschreiber sieht als erstes Verdienst seines Landesherrn, daß dieser „öffentlich bethstunden" angeordnet habe: „Welch gebeth dann endlichen der Grundgüetige GOTT (deme darvor in alle ewigkeit lob, preiß, ehr und danck zue sagen) auß gnaden dergestalt erhöret und zue den handlungen so krefftig das gedeyhen gegeben, daß ein allgemeiner friedensschluß ... abgehandelt vnnd verglichen".76) Freilich, liest man die Fülle der Nürnberger Friedensdichtungen im Zusam73
) Grimmelshausen, Simplicissimus (wie Anm. 71), 584. ) Vgl. Jessen, Dreißigjähriger Krieg (wie Anm. 17), 406f. ) Repgen, Feier (wie Anm. 2), 27: „Es wehre genugsam reichs- und landkündig, wasgestalt das Heylige Römische Reich, vnnser geliebtes vatterland Teütscher Nation, auß GOTTES gerechtem zorn und verhengnuß, zur straff der darinn begangenen, übermessigen, schwehren Sünden nuhnmehro leider in die 30 jar continue mit dem bluetigen krieges, chwahl überschwemmet vnndt gleichsamb in hellbrennender kriegeslohe vnnd flamme gestanden. ..". 76 ) Ebd. 273f.; vgl. auch den Kommentar einer Nürnberger Chronik zu 1649: „Demnach Herrn Generalissimi HochFürstl. Durchl. den Münsterischen Friedensschluß . . . erfreulich geendiget... haben sie entschlossen . . . ein Banquet oder Friedensmahl anzurichten / und nechst schuldiger Dancksagung für solche Göttliche Gnadenschenkung / (als welcher diese Schluß-Handlung haubtsächlich beyzumessen) hochbesagten Herren Gesandten allermöglichste Ehre und Liebe zu erweisen..." (Glaser, Taube [wie Anm. 38], 206). 74 75
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menhang, läßt sich nicht übersehen, daß man den Allmächtigen lieber als gnadenspendenden Wohltäter sah denn als rächenden Eiferer. Letzterer wird jedenfalls fast immer allegorisch verkleidet, erhält er in den Friedensgedichten überhaupt seinen Auftritt - nicht der Christengott ist im „Ars", sondern „Mars", wie eine bekannte Flugschrift grobianisch formuliert, und ebendieser „Mars hält sich nun still / in den Quartieren"77) - , oder es ist ein anderer antiker Herr, der das Züchtigungswerkzeug sinken läßt: „Gott Jupiter hält inn mit seinen Donnersteinen / Fried überwiegt den Krieg; des Mavors grimmes Schwert als gleichsam vor sich selbst in seine Scheide fährt / die Seene lasset nach.. .",78) Unter den Händen der Nürnberger Dichter erfährt der alttestamentarische strafende Herrgott eine Metamorphose zur allegorischen Kunstgestalt. Der Krieg ist Mars' Werk, der Friede aber erscheint zusehends als der Friede Gottes. Humanistische Gelehrsamkeit verschleiert auf etwas sinistre Art das TheodizeeProblem, das der Dreißigjährige Krieg in einer bis dato unerreichten Deutlichkeit aufgeworfen hatte. Den Kern der christlichen Position, nach der alles, im Schatten göttlicher Omnipotenz, sich wenn nicht durch Gott, so doch mit seiner Zulassung vollziehe, berührt diese Ästhetisierung aber wohl nicht.79) Ein wesentlicher Aspekt der Predigten und Reden, die im Rahmen von Friedensfeiern gehalten wurden, war, daß sie ein Weltbild propagierten, in welches das traumatische Ereignis des Krieges zu integrieren war. Es erfuhr eine Begründung, wurde mit einer metaphysischen Ursache versehen. Kontingenz wurde reduziert, Schrecken und Leid erfuhren „Erklärungen", was ein erster Schritt zu ihrer Bewältigung sein konnte; die Predigten und Schriften boten Aktiva zur Verwendung in einer psychischen Ökonomie. Wie der Frieden, wurde auch der Krieg in ein stringent scheinendes Weltbild integriert, für das er so affirmative Bedeutung gewann. Sein Erlebnis bestätigte die Interpretation des Kometen von 1618, der als furchtbare Strafdrohung Gottes für eine der Sünde verfallene Menschheit erschienen war.80) 77
) Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 28), 16. ) Ebd. 56. ) Die gelungenste neuere Diskussion dieser Kardinal frage des 17. Jahrhunderts finde ich bei Horst Günther, Das Erdbeben von Lissabon erschüttert die Meinungen und setzt das Denken in Bewegung. Berlin 1994. 80 ) „Anno 1618 ist ein grosser comet erschine in gestalt einer grossen und schröckhlichen rutten, welcher unß von und durch Gott hefftig tröwet, von wegen unsers sindtlichen lebens, die wir vüllfältig verdient und noch teglich verdienen; der selbig ist gesehen worden vom herpste an biß in der frieling. Was er bedeüt, was auch daraff volgen wirdt, das selbis ist mit heyßen trenen zu beweinen..." (vgl. Gerd Zillhardt, Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer Darstellung. Hans Heberies „Zeytregister" [1618-1672]. Aufzeichnungen aus dem Ulmer Territorium. Ein Beitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten. Stuttgart 1975, 93). 78 79
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Nun, von der Höhe des erreichten Friedens aus, nach überstandener Katharsis, war die Rechnung ausgeglichen, die Zukunft zeigte sich wieder offen. Wenn ein Redner in Nürnberg sagte, der „bluetige Krieges chwal" habe das Reich „überschwemmet", legt diese Formulierung nicht zufällig erneut das Bild einer Sintflut nahe, die das Böse vernichtet, die Welt gereinigt habe - mit der Metapher des „Stahlgewitters" wird der Topos viel später eine nicht weniger absurde Entsprechung finden. „... Nach tunckeltrüben Tagen bringt frohen Sonnenschen der Sonnen Rosenwagen / der Bogen Gottes Fried..." schreibt der Dichter81); ein Kupferstich, der an die Unterzeichnung des Nürnberger Exekutionsrezesses erinnert, zeigt den Regenbogen, Zeichen des neuen Bündnisangebots, das der Herr den Menschen gewährt: Sein Zorn hat sich gelegt, und neu offenbart sich seine Gnade.82) Die „Mayen", die frischen Blumengebinde und Girlanden, die in Augsburg, Nürnberg und anderswo die Teilnehmer der Friedensfeiern erfreuten, spielten auf dieses Geschichtsbild an. Auch sie figurierten als Symbole eines Neubeginns83), eine Gedenkmünze auf das Jahr 1648 beschwört gar die Rückkehr der Astraea und damit den Anfang eines Goldenen Zeitalters.84) Wiederum Klaj gibt dem Emblem mit der pictura frischen Grüns, grüner Blumen und junger Bäume gleichsam die subscriptio: „.. .der Sünden= Sold / das Kriegen / war rauhe Winterszeit; in welcher must verfliegen der Erden schönste Zier; Jetzt kömmt deß Jahres Maj / bringt neue Majenlust und sagt / daß Friede sey".85)
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) Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 28), 56. ) Mos. 9, 13-17. 83 ) Auch der Tischschmuck spielte auf das Heraufdämmern eines neuen Goldenen Zeitalters an, vgl. Klemm, Friedensmahl (wie Anm. 38), 81. 84 ) „Herrliche Trophäen hat, nachdem der Krieg durch den besten Frieden besiegt ist, die Göttin des Rechts auf die Erde gebracht, und die gerühmte Göttin der Fruchtbarkeit kehrt zurück". Vgl. Glaser, Taube (wie Anm. 38), 216. Vgl. auch Frances A. Yates, Astraea: the Imperial Theme in the Sixteenth Century. London 1975. 85 ) Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 28), 121. 82
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Anhang Eine Beschreibung des ersten Augsburger Friedensfestes 1650 Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 4 Cod. Aug. 238: Barthol. Bavari, Aug[ustani] anonymi diarium rerum Augustanarum ä m[ense] Mayo 1648 ad m[ensem] Sept[em]br[em] 1651 dergleichen ä m[ense] Junij 1648 ad m[ensem] Augfustum] 1651, fol. 135-140. /fol. 135v/Den 3. dito Mitwochs hat man das gewohnliche Kirchengebett pro felici pacis executione zue sprechen underlassen: hingegen aber so wol nach der Morgenpredig bey S. Anna, alß zue Abend nach der Kinderpredig bey S. Anna, S. Ulrich u[nd] den Parfüessern einen langen Zettel u[nd] schöne Vermahnung zue schuldigen gebürenden Dancksagung gegen Gott wegen des so lang bißher von uns erbettenen u[nd] nun glücklich vollzogenen Fridenschlusses abgelesen, u[nd] das von einem evang[elischen] Rath angestellte Fridens Danckfest verkündet worden, welches den 8. dito Montags hochfeyrlich solle celebrieret u[nd] begangen werden (ist eben der Monatstag, da A.o 1629 vor 21 Iaren das ganze evang[elische] Ministerium inn 2 Stund abgeschafft, u[nd] die leidige Reformation von den Papisten eingeführet und angestellet worden) folgender gestalt, daß vorgehenden Sontag abends gegen underlassung der Mittag- Predigen inn allen Pfarren ein Vorbereitungspredig auff solches Fest, u[nd] disen folgenden Festtag ein Morgen- u[nd] Abendpredig und nach vollendter Morgenpredig, darzue um 6 Uhr solle geleutet werden, gleichfallß inn allen Kirchen die Communion solle gehalten werden ... Nach obgedachter Mitwochsabendpredig ist neben disem noch ein anderer Zettel abgelesen worden, daß folgenden Mitwochs über 8 Tag zum immer wehrenden Gedechtnus auch für die Kinder ein besonders Danckfest u[nd] Danckpredig solle angestellt werden, u[nd] nach vollendter Predig sollen die Schulkinder anstatt des Catechismi inn der Kirchen sonderliche darzue außerlesene Dancksprüch auß dem alten u[nd] newen Testament (welche die Teutsche Schulhalter /fol. 136 r / von eim Ehrwürdigen Ministerio fürgeschriben empfahen sollen*s1) werden) recitieren u[nd] aufsagen u[nd] darzue von den Älteren sauber u[nd] feyrtäglich bekleidet werden ... Den 8. dito Montags ist durch Gottes sonderliche Gnad, wie gemeldt, von den Evangelischen] ein sehr herrliches Danck-, Frid- u[nd] Frewdenfest inn allen 6 Pfarren mit musicieren, singen, beten, dancken u[nd] predigen u[nd] communicieren gehalten, von den Papisten aber wie an2) an andern gemeinen Wercktagen gearbeitet, auch so gar Holz gen Marckh geführet worden, dann die Thor vormittag geöff-
') Kursivierungen mit hochgestelltem Stern bezeichnen Streichungen im Text. ) Fälschlich zweimal „an".
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net gewesen, u[nd] den gantzen Tag offen verblieben. Und wird kein Mensch alhie gedencken, daß iemalen ein solch stattlich Fest von allerhand schönen, darzue bequemen Ceremonien, dergleichen sonst an keinem hohen Festtag das ganze Jar hindurch zue geschehen pfleget, bey den Evangelischen inn diser Statt seye gehalten worden. Dann in S. Anna Kirchen die obere oder der Juncker u[nd] die undere boorkirchen3), auch beide Chör, das fuggerische u[nd] hindere Chor mit schönen, langen und herrlichen Tapezereyen hinden her am Gmäur behengt gewesen, daran allerley schöne figuren u[nd] Historien, oder aber Blumwerk, u[nd] an dero so umb die hohen oder obern boorkirchen gehangen, gemeiner Statt insignia mitten under under* dem Blum werck, weil selbige dem Magistrat zugehörig gestanden, auff dem Altar imm fugg[erischen] Chor, da man die h. Communion celebrieret, ist auff ieder Seiten neben den Communionkanten ein zinnern Mayenkrüglein mit grünen Cypressen, so an ein Hölzlein gebunden, gestanden4), über dem Altar an dem „eisern gitter" grüene inn/fol. 136v/einander geflochtne Blätter gleich zweyen Bögen u[nd] daran herab gehangen ein schöner Crantz von schönen Blumen, auch Gold und Silber gehenget u[nd] neben demselben zue beiden Seiten ein kleines Kränzlin von gleicher Zierde; zue beiden Seiten des Altars ist ein grüner Mayen gestanden wie* auch sonst die Kirch allenthalben, der Canzel5), deßgleichen beyde Chör mit Mayen hüpsch geschmückt gewest, dergleichen Mayen (welche alle den Sambstag zuvor in der Aue [?] gehauen u[nd] den Sontag abends zuvor nach der Abendpredig neben anderm Kirchenschmuck auffgestellet worden) hat man auch 2 gestellet für Herrn M. Creidij und 1 für Herrn M. Wilhelmi Hauß, einen für die Bibliothec, einen für den Eingang zur Orgel und zween neben das Schulthor, alß zue ieder Seiten einen; it[em] an die Maur inn Herrn M. Webers Pfarrhoff etc.. Parfüsser Kürch6) ist gleicher gestallt mit Mayen schön gezieret gewesen, u[nd] anstatt der Tapezereyen mit schönen Tafeln, so an den Kirchensaulen von der hohen Boorkirchen auffgehenget worden, alß Herrn M. Weben Senioris, Herrn M. Goebelij Senioris, Herrn M. Pauli Jenischij, Herrn D. Lutheri, Königß inn Schweden, Herzog Bernhardi von Weinmayr, der Königlichen] Princessin inn Schweden Christinae, etc. Bildnussen, u[nd] kleinen gemalten Täfelen, so inn der Kirch auff dem Gesemß der Mannsstühle gestanden, it[em] schöne geschribne Sprüch 3
) Empore. ) Am Rand: NB. Uber der Rathsherrnstüel ist auch ein Decke von Holz mit Tapezereyen bedeckt aufgericht worden. 5 ) Am Rand: an den Säulen u[nd] Mauren wie auch die Boorkirchen u[nd] allenthalben wo es sein können. 6 ) Am Rand: NB. Über dem grossen Kirchenthor gegen der Gassen, wo die Hochzeiten u[nd] Leichen auß u[nd] eingehen, bey den Parfiissern innerhalb der Kirchen ist ein schöne newe grosse Tafel aufgehengt worden in des Thors Breite, wie Gerechtigkeit und Frieden einander küssen: dann ausserhalb, wie an andern Thoren daselbst die geschribne Reimen gestanden. 4
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u[nd] Reimen von grosser Fracturschrifft über den Kirchenthüren aussen u[nd] innen, alß: durch Frid kommt* o Freud, o Freud, o Frid. Die andere Kirchen sampt dem Collegio seind allein mit Mayen gezieret worden, doch imm Collegio ist zue beiden Seiten des Altars ein grosse Tafel, alß Predigerbildnusse, eine Herrn M. Webers Senioris, die andere Herrn M. Jenischs et [cete]ra (wie bey den Parfüsserer an den Kirchensäulen) zue stet werendem Gedencken ihres getrewen Kirchendiensts diser Orten auffgehengt worden. Die Canzlen u[nd] Altar seind mit schönen Tüchern, wie zue anderen Heiligen Zeiten, u[nd] wann die Communion gehalten seind, gezieret gewesen - die schöne newe, vor einem Jar bey den Parfüssern aufgerichte, mit Gold und Silber gezierte Canzel außgenommen, daran allerley schöne Zierden, an dem Himmel herumb von Holtz geschnizte Engelßköpff u[nd] ob demselben das Kindlein Jesus stehet (dann die alte Cantzel daselbst zu S. Jacob gesetzt worden, weil die vorige allda zue klein gewesen) welche niemalen ihres Zierats halben mit Tuch bedeckt wird, ohne das Pult darauff man das Buch pflegt zue legen, aber die Zierden, Köpff u[nd] Kindlein seind dißmalß auch mit grünen Blettern, und das Kind mit grünem Kranz u[nd] Zweig inn Händen geschmükket worden. Dises Tags ist der Gottesdienst inn allen Kirchen vor 5 Uhren /fol. 137r/ inn sehr volckreicher Versandung mit der Music von Orgelschlagen u[nd] Singen angefangen worden, sonderlich bey S. Anna, da inn die Orgel erstlich die Cantores sehr lieblich gesungen u[nd] darbey die Hörpaucken geschlagen u[nd] getrummetet, auch von den Soldaten auff beiden Kirchhöfen etliche mal Salve geschossen worden (dergleichen bey den Parfüssern auch geschehen, die ihre eigene Musicos, wie sonst allzeit gehabt, aber* mit der Hörpaucken u[nd] Trummetenschall bey der Orgel, u[nd] dem Schiessen der Soldaten vor der Kirchen. Umb sechß Uhr seind die Cantores von S. Anna hinweg, u[nd] theilß zue S. Ulrich, theilß inns Collegium gangen, ein schön Lobgesang inn die Orgel zue singen, aber under* nach dem Vorlesen seind sie wider kommen zue S. Anna; dann nach der Predig u[nd] under wehrender Communion, wie auch nach der Abend Predig (alß dises Jars auch am H. Oster- u[nd] Pfingstag bey diser Kirchen geschehen). Die Cantores haben alle da sein u[nd] imm 2. Chor gegeneinander Uberhalb bey der Orgel, da der Herr Kriegßdorffer ihr regens, und halb auff der obern Junckerboorkirchen bey dem Regal, da Herr Brosser [?] regens gewesen, getheilt werden müssen. Zwischen* Under oder neben der Cantorum Gesang so wol vor- alß zwischen und nach der Morgen- und Abendpredig hat der Vorsinger mit der Gemain die verordnete Gesang inn der gedruckten Specification wegen Celebrierung des Danckfests inn diser Kirchen abgewechselt, aber inn andern Kirchen, wo die Cantores nur vor der Predig gewesen, zwischen und nach der Predig morgens u[nd] abends, ohne abgewechselt gesungen. Vor der Abendpredig, vor 2 Uhr, haben die Cantores halben theilß zue S. Jacob ... halben theilß aber inn Hospital gehen müssen ..., ein schön Canticum inn die Orgel u[nd] Regal zue sin-
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gen; nach Vollendung dessen seind sie widerumb, wie vormittag, zue S. Anna inn die Kirchen kommen. Vor, zwischen u[nd] nach den Predigten morgens und abends, under u[nd] neben dem Gesang beides der Gemein u[nd] der Cantorum bey der Orgel, haben die Organisten stetiges müssen die Orgel schlagen, u[nd] nach der Abendpredig haben die Vorsinger zway vorgeschribne Gesang - „Allein Gott in der Höhe sey Ehre", etc. und „Thue Lob mein Seel dem Herrn" etc. gesungen, doch daß zwischen beeden auch die Orgel geschlagen worden u[nd] die Cantores gesungen haben bey S. Anna, u[nd] nach dem gesprochen Segen widerumb die Vorsinger „Sey Lob u[nd] Ehr mit hohem Preiß" etc.. Nach disem ist abermal bey S. Anna u[nd] zun Parfüssern, wie morgens vor der Predig, nit allein inn die Orgel von den Musicis gesungen, sondern auch von den darzue bestellten Männern die Heerpaucken etlich mal geschlagen, getrummetet, u[nd] von den Soldaten auß der Mußqueten salve geschossen worden* u[nd] mit dem /fol. 137v/ figuraliter geschehenen Lobgesang Te Deum laudamus daselbst, und dem Orgelschlagen der ganze Gottesdienst dises Tags hora 6. vesperi geendet worden. Die H. Communion betreffend, obgleich die Predigt mit 9 Uhr, vor oder nach geendet worden, hats doch inn allen evang[elisehen] Pfarren biß umb oder nach 12 Uhr zue Mittag wegen grosser Anzahl des Volcks gewehret, dann allein bey S. Anna 5. Kannen auff dem Altar gestanden seind. Der Kinderdanckfest den 10. dito Mittwochs zue Abend belangend, ist dasselbige also inn der Kirchen zu S. Anna, Parfüssern, u[nd] S. Ulrich, alß da* wa sonsten die Kinderpredigen wöchentlich geschehen, erhalten worden, da dann noch mehr Mayen, u[nd] zwar kleine oder iunge, unden u[nd] oben allenthalben an die lange Weiber Stühle, wo die Schuliugend u[nd] andere Leut inn den Kirchen gesessen, aufgestellet u[nd] inn Parfüsser Kirch auff den Tauffstein ein schön Jesuskindlein inn eim braun damasinen Kittelin hüpsch gezieret, u[nd] noch mehr taveln u[nd] Bildnussen alter fürnemmer frembder, u[nd] hiesiger Theologorum u[nd] Prediger u[nd] an der Boorkirchen u[nd] anderswo aufgerichtet worden; umb 2 Uhr nachmittag hat* bald nach dem man die Kirchen geöffnet, seind die Kinder von den 8 [?] deutschen Schulhaltern, welche inn ieder Kirchen ihre Schulkinder wöchentlich den Catechismum aufschlagen lassen, inn grosser Anzahl, u[nd] zwar bey S. Anna u[nd] zue Parfüssern, feyrtäglich bekleidet u[nd] meistentheilß inn sonderm Ornat, daß die Knaben weisse Hembden über die Kleider, grüne Kränz oder Crönlein auff dem Kopff u[nd] grüne Zweig v[on] Büchlein inn den Händen, die Mägdlein aber zum Theil neben feyrtäglichen Kleidern inn weissen Schürzlen u[nd] Brüstlen oder Gollern inn schön geflochten u[nd] gestrickten Haaren, mit silbern Berrlen Haarbanden, grünem oder gespreggelten Kränzlen, auch theilß Crönlein, eintweder von Gold, Silber oder Berrlen etc. auff dem Kopff u[nd] Büchlein inn den Händen tragend, bey S. Ulrich aber ohne den weissen Zierat inn feyrtäglichen Kleidern u[nd] mit geschmücktem Haupt zur Kirchen geführt werden, ohne Kränz oder Crönlein,
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allein die Waisenkinder sollen Kränz auff dem Haupt gehabt haben. Nach dem man nun dergestalt mit der Schuljugend, deren ein starke Anzahl inn gedachten dreyen Kirchen (neben anderer volckreichen Versamlung von alten u[nd] Jungen, Fürnemmen u[nd] Schlechten, Gelehrten u[nd] Ungelehrten, Reichen und Armen, Herrschafften u[nd] Gesinde, Eltern u[nd] Kindern) gewesen, zur Kirchen kommen, hat alßbald der Gottesdienst, wie den 8. dito mit der Music angefangen ... Der Vorsinger hat mit der Gemain gesungen „Nun lob mein Seel den Herrn", die /fol. 138r/ zehen Gebott, das Vatter unsre u[nd] Komm H. Christ, Herre Gott. Mit drey Uhr hat man zue Predig geleutet, nach vollendtem Gesang hat bey S. Anna Herr Stirelin, bey den Parfüssern Herr M. Ehinger, u[nd] bey S. Ulrich Herr M. Steudner (alß die sonst auch wöchentlich ordinarie die Kinderpredigen inn disen Kirchen halten), den Anfang zue Predig gemacht ... Darauff haben sie die Predig auß denen imm gedruckten Formular ihnen verordneten Sprüchen gehalten, u[nd] sehr schön auff die Jugend, wegen Dancksagung umb den lieben Friden, applicieret. So bald die Predig geendet gewesen, haben sie die Kinder, deren nit nur etliche wenig auß jeder Schul, wie sonsten an den Mitwochen mit Verhörung des Catechismi Geschieht, sondern die gantze Schuliugend verhört worden*, welche schöne Danck- u[nd] Lobsprüch auß dem alten u[nd] newen Testament, am meisten aber auß den Psalmen, so gar wol zue diser Sach dienen (iedes Kind einen Spruch) auffgesagt haben, die ihnen von den Schulmeistern vorige Wochen auß Befelch des H. Ministerij seind fürgegeben worden* gewesen, welches mit sonderer Freud u[nd] Wunderung von den Predigern u[nd] Zuhörern angehöret worden, u[nd] bey Stund geweret. Nach disem ist das Danckgebett u[nd] Vatter unser gesprochen, erst mit sechß Uhr ab der Predig geleutet und gesungen worden „Sey Lob u[nd] Ehr mit hohem Preiß", etc. inn welches Singen man auch die orgel geschlagen, u[nd] nach gesprochnem Segen abermal wie vor der Predig die Orgel lange geschlagen u[nd] diß mal bey S. Anna u[nd] zue Parfüssern allein von den Cantoribus nach dem Segen inn die Orgel gesungen worden, damit hat man für diß mal Gott lob auch der Kinderdanckfest beschlossen u[nd] erst inn der sibenden Stund die Kinder auß der Kirchen widerumb geführet, in Zuschawung etlich 100. Personen, und seind inn der Kirchen bey den Parfüssern loco proemij, nach dem sie auffgesagt, den Kindern die gedruckte Formular des Danckfestes von drey fürnemmen Knaben Langenmänteln7), so weiß u[nd] inn Engelsgestalt bekleidet gewesen, verehret (deren zween ein langtochten Kerzen getragen, u[nd] der dritte die Gebett außgetheilet) und noch darzue Fridenßpfenning zue geben versprochen worden ... /[fol. 138*]/ • • • Vor gehaltnem Danckfest, zue End der vorgehenden Woche, nach Abkündung des Danckfestes haben auß Befehl u[nd] Anordnung Herrn M. Wilhelmi Rectoris Gymnasii ad S. Anna die praeeeptores Annaei, u[nd] 7
) Also aus der Augsburger Patrizierfamilie Langenmantel.
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zwar die inferiores etlichen, die superiores aber allen Discipulis, die Auditores Domini M. Wilhelmi davon außgenommen, welche darzue nit gebraucht worden, auch Dancksprüch mehrtheilß auß den Psalmen zue memorieren fürgegeben, welche Ordnung der Psalmensprüch biß an die discipulos quartae classis kommen, die theilß nach Psalmen, theilß wie die in quinta classe andere Lobu[nd] Dancksprüch auß dem alten u[nd] newen Testament gelernet haben, u[nd] zwar die inn den der* den zweyen ersten Classen haben solche Sprüch nur deutsch, die andern aber deutsch u[nd] lateinisch lernen müssen, etlichen underschidliche Knaben auß den 5. Classibus (dann das Auditorium oder sexta classis darvon außgenommen ist) haben* seind sonderliche lateinische dicta et vota, Sentenz oder Encomia pacis, u[nd] 6. Knaben die fructus pacis alß ihrer dreyen etliche deutsche u[nd] lateinische und griechische Aphorismos, u[nd] dreyen derselben etliche Sprüch aus H. Schrift inn dreyen Sprachen Aphorismos, gehörig ad tres status mundi, ecclesiasticum, politicum & oeconomicum, von Herrn M. Wilhelmo fürgegeben worden, auff bevorstehendes Danckfest inn der Schul ad Octavam des Danckfests inn der Kirchen öffentlich in Bibliotheca zue recitieren, darzue man folgende Wochen Mitwoch u[nd] Donnerstag u[nd] Sambßtag vormittag, am Freytag Vor- u[nd] Nachmittag inn der Bibliothec sonderliche Proben angestellet, da die Knaben praesente Domino Wilhelmo von ihren praeceptoribus verhöret worden ... Der Actus publicus solches Schuldanckfests ist inn der Bibliothec solemniter angestellet worden. Montags, den 15. dito postridie Dom. Di. Irin, nach vollendter Morgenpredig bey S. Anna in praesentia viler Herren Prediger, evangfelischer] Rathßherren, auch sonst grosser Anzahl fürnemmer u[nd] gemeiner Leut, welche in den Schulhoff u[nd] vil solcher Privatpersonen gar inn die Schulen kommen ... hat man eine stattli/fol. 139r/che Musicam, nemmlich ein Regal, darein die Cantores gesungen, die Heerpaucken vom H.Creutz, so der Götz Scholae custos geschlagen, u[nd] die Thurnblaser u[nd] gemeine Trommeter, so getrommetet, gehabt. Die Schuler bey S. Anna fast alle (etliche wenig außgenommen, so von den Eltern nit darzue außgerüstet worden), seind nit allein inn feyrtägl[ichen] Kleidern, u[nd] die, so sondere dicta gehabt, auch etliche andere, inn weissen Kleidern u[nd] gedachter besonderer etliche mit Engelßflügeln gezieret, sondern auch inn grünen Kräntzen auff dem Haupt, u[nd] Zweige oder Blumen inn Händen (die Kräntz u[nd] Zweige haben sie erst, etliche außgenommen, so die Kräntz auff dem Kopff tragend ohn die Hüet zue Schul kommen, auß Befelch Herrn Magistri, inn der Schul auffgesezt, und genommen* u[nd] inn die Händ genommen, denn mans inen auch mehrtheilß erst inn die Schul gebracht hat, u[nd] dargegen die Hüet daselbst liegen lassen) gegangen u[nd] also alle* auß den Schulen inn die Bibliothec nach 8. Uhr (darzue das Signum mit dem Schulglöcklin gegeben u[nd] under dem gehen supra Gymnasium geleutet worden) u[nd] nach 10. umb 11. Uhr mane nach vollendtem Actu widerumb auß derselben inn die Schul ordenlich von ihren Prae-
Roeck, Die Feier des Friedens
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ceptoribus inn grosser Menge der Zuseher geführet worden* u[nd] hernachmalß* der gestalt, wie sie kommen, dimittiert worden. Die Knaben, so die sondere Sprüch u[nd] Aphorismos rezitiert, seind vor u[nd] nach den andern, alß in principio & fine Actus auff das gemachte Theatrum getretten wie auch -zuvor u[nd] nach demselben ein besonderer Prologus u[nd] Epilogus von weiß bekleidten Knaben gemacht worden. An einer Saul neben[l]* mitten inn dem Theatro ist mit grossen lateinischen Versalbuchstaben angeschrieben gewesen „Pax". Der ersten zweyen Praeceptorum hat ein ieder einen, der übrigen dreyen aber zween oder drey Außgang der Knaben gehabt, u[nd] ist ein ieder mit den seinen auff das Theatrum kommen, hat sie auß u[nd] eingeführt, angeordnet und ihnen auffgemerckt. Die Musici seind hinder den Fürhängen oder Teppichen (die wie inn einer Comoedi nach der Länge herab fürgehangt gewesen, u[nd] das Theatrum* die Musicos & Agentes von den Spectatoribus abgesondert haben gewest* u[nd] der gantze scholasticus coetus widerumb hinder den Musicis inn der innern verspereten Bibliothec, von welchen die Agentes oder Dicentes herauß gegangen, gewest. Die lange Stühle inn der äussern Bibliothec zue Seiten des Theatri, da die Herren Prediger u[nd] andere fürnemme Leut gesesssen, seind mit Tapezereyen bedeckt gewesen, wie auch die nechste e ragione Theatri, vor welchen nechtsen Stühlen zuvor, diese schöne Sessel der Länge nach herab gestanden, darinnen der Herr Weiß Stattpfleger, die evangfelischen] Herren Geheime u[nd] etliche andere Rathßherren gesessen. / [fol. 139v]/ Nachmittag hora 2. hat man wie sonst, auß beeden Domini Magistri heissen die Schuler zue Schul kommen, cum convintione propriae voluntatis, aber sein gar wenig erschinen, sondern vil mehr außgebliben, daß der gantze coetus schwerlich über 30. oder 40. Knaben mag gewesen sein. ... Nach disem hat die Fr[au] Wilhelmin u[nd] ihre grosse Tochter den Schülern die obere Bibliothec, die gantz mit Büchern eingefüllt, u[nd] inn eim Kasten eine anatomizierte Junckfraw zu sehen gewesen, u[nd] den Thurm auff derselben gewisen u[nd] sie sehen lassen, u[nd] damit ist der versamlete geringe coetus discipulorum widerumb heim, auch folgenden gantzen Tag dienstags den 16. dito ihnen Schulfeyrtag gelassen worden dises Actus halben.... /[fol. 140r]/ Diese Montagßmorgenpredig hat den 15. dito gehalten Herr M. Mayr Pastor ad Minoritas ex Apocal. 1 „Ich bin das A. u[nd] das O." etc. zum seligen Beschluß des Danckfests, dann der darzuegehörige Kirchenornat dißes tags wider aufgehebt [und] abgenommen wordt[en].
Das „eigentliche wahre und große Friedensfest ... im ganzen Sachsenlande" Kursachsen von 1648 bis 1650 Von
Katrin
Keller
Feste und Feiern in der Geschichte und ihre historische Erforschung haben in den zurückliegenden Jahren eine bislang ungekannte Aufmerksamkeit erfahren. Die Liste von Titeln, die der Beschreibung und Interpretation sowohl adlig-höfischer wie städtisch-bürgerlicher Feste vom mittelalterlichen Adventus bis zum Universitätsjubiläum, vom Fastnachtszug bis zur Königskrönung gewidmet sind, wäre zu lang, um sie hier vollständig anführen zu können.1) Mag dabei auch angesichts der schwindenden Bedeutung öffentlicher Festkultur in der Gegenwart manchmal der Anschein entstanden sein, als widme sich die historische Wissenschaft wie so oft erst dann einem Gegenstand, wenn er „historisch" zu werden beginnt, so hat doch die kulturhistorische Betrachtung der verschiedenen Feste und Feiern deren lebensweltliche Relevanz in verschiedenen Epochen deutlich machen und das vermeintlich „schmückende Beiwerk" von Herrschaftsakten oder Fixpunkten historischer Erinnerung2) in seiner sozialen Funktion beleuchten können. Ausgehend von dieser Feststellung soll hier ein spezieller Aspekt des Kriegsendes und des Westfälischen Friedens beleuchtet werden: die Friedensfeste, die aus diesem Anlaß in einer ganzen Reihe von Territorien stattfanden. Die bisher noch nicht allzu lange Geschichte kulturhistorischer Festforschung
') Einen Überblick über die Literatur liefern z.B. Michael Maurer, Feste und Feiern als historischer Forschungsgegenstand, in: HZ 253, 1991, 101-130, und Hans-Dieter Schmid, Feste und Feiern als Gegenstand der Kulturgeschichte, in: ders. (Hrsg.), Feste und Feiern in Hannover. Bielefeld 1995, 9-18; zur sozialen Bedeutung von Festen vgl. zuletzt Manfred Hettling/Paul Nolte, Bürgerliche Feste als symbolische Politik im 19. Jahrhundert, in: dies. (Hrsg.), Bürgerliche Feste. Symbolische Formen politischen Handelns im 19. Jahrhundert. Göttingen 1993, 7-36. 2 ) Als Beispiele für solche Untersuchungen vgl. Dieter Diiding/Paul Friedemann/Paul Münch (Hrsg.), Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum ersten Weltkrieg. Reinbek 1988; André Holenstein, Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung 800-1800. Stuttgart 1991; Paul Hugger (Hrsg.), Stadt und Fest. Zur Geschichte und Gegenwart europäischer Festkultur. Unterägeri/Stuttgart 1987; Karl Möseneder, Zeremoniell und monumentale Poesie. Die „Entrée solennelle" Ludwigs XIV. 1660 in Paris. Berlin 1983.
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hat dabei zur Folge, daß über mögliche Quellen für dieses Thema ebenso wie über einzelne Feste zur Zeit noch wenig bekannt ist. Zwar weist die Bibliographie zum Westfälischen Frieden etliche Erwähnungen oder kurze Beschreibungen solcher Feste aus; neuere Darstellungen haben jedoch bislang nur die Ereignisse in Coburg und - als wohl prominentestes Beispiel überhaupt - in Augsburg gefunden. 3 ) Letztere bilden auch den Schwerpunkt der gerade entstehenden Abhandlung von Ciaire Gantet zum Problem der Friedensfeste; dem von ihr und Etienne François auf dem Historikertag 1996 in München präsentierten Papier4) verdankt die folgende Studie nicht nur Anregungen, sondern auch willkommenes Vergleichsmaterial. Angesichts des noch recht rudimentären Kenntnisstandes schon hinsichtlich der Konkreta verschiedener Inszenierungen schien es wünschenswert, neben den genannten städtischen Einzelfällen nun auch einmal zu versuchen, durch das Sammeln von Quellen in einem begrenzten Territorium unser Wissen um das Begehen des Kriegsendes über den reichsstädtisch-süddeutschen Horizont hinaus zu erweitern. Daß die Wahl dabei auf Kursachsen fiel, beruhte darauf, daß die Beschäftigung mit Kursachsen als (zu diesem Zeitpunkt noch) bedeutendstem protestantischen Reichsterritorium zusätzliche Aufschlüsse hinsichtlich der Funktionalität und Inszenierung der Friedensfeste versprach. Allerdings stellte sich auch in den gewöhnlich sehr reichhaltigen sächsischen Stadtund Landesarchiven die Überlieferung von Material für die Jahre um 1648 als äußerst problematisch heraus; generell klafft in der zeitgenössischen Überlieferung etwa zwischen 1635 und 1660 eine Lücke. Bis auf wenige Ausnahmen bilden deshalb chronikalische Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte, die zwischen 1650 und etwa 1830 im Druck erschienen, die Grundlage der folgenden Ausführungen.
I. Das Kriegsende in Kursachsen Wann der Dreißigjährige Krieg zu Ende war, so sollte man zumindest am Ende eines solchen Tableaus, wie es der vorliegende Band bietet, meinen, bedarf 3
) Heinz Duchhardt (Hrsg.), Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/Matthias Schnettger. Münster 1996,372ff.; Horst Jesse, Friedensgemälde 1650-1789. Zum Hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen 1981; Konrad Repgen, Die Feier des Westfälischen Friedens in Kulmbach (2. Januar 1649), in: ZBLG 58, 1995, 261-275; kurze Erwähnungen zuletzt auch bei Herbert Langer, Hortus bellicus. Der Dreißigjährige Krieg. Eine Kulturgeschichte. 4. Aufl. Leipzig 1985,257f.; Wolfgang Baumann, Das Friedensfest des Rates der Stadt 1649, in: Karl Möseneder (Hrsg.), Feste in Regensburg. Von der Reformation bis in die Gegenwart. Regensburg 1986, 191-193. 4 ) Etienne François/Claire Gantet, Vergangenheitsbewältigung im Dienste des Friedens und der konfessionellen Identität. Die Friedensfeste in Süddeutschland nach 1648, in: Geschichte als Argument - 41. Deutscher Historikertag München 1996. Skriptenheft 1, 28 f.
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keiner weiteren Diskussion. Dieser Eindruck täuscht jedoch, und wohl keineswegs nur, was das hier zu diskutierende Beispiel Kursachsen betrifft; denn so wie das Land sozusagen schrittweise in die Kriegshandlungen einbezogen wurde, so endete der Krieg für Kursachsen eben nicht mit dem Frieden von Münster und Osnabrück. Bevor wir uns im folgenden dem eigentlichen Friedensfest zuwenden, muß also der Frage nach dem Kriegsende zumindest kurz unsere Aufmerksamkeit gelten. Ohne Gemeinplätze zur Geschichte des großen Krieges wiederholen zu wollen, muß doch daran erinnert werden, daß Kursachsen nach begrenzter Beteiligung am böhmischen Feldzug 1620 eigentlich erst 1631 mit dem Erscheinen der Schweden in die direkten Kampfhandlungen einbezogen wurde. Die Schlacht bei Breitenfeld am 7. September 1631 markiert diesen Umstand sogleich durch einen militärischen Kulminationspunkt; der hier errungene Sieg über die kaiserlichen Truppen war dem sächsischen Kurfürsten Anlaß zur Anordnung eines jährlichen Lob- und Dankfestes im ganzen Land, das bis mindestens 1635 begangen wurde.5) Der dann 1635 zustandegekommene Prager Frieden war nicht nur der erste Versuch einer Beendigung des Krieges, sondern für Kursachsen auch Anlaß für ein erstes Friedensdankfest, das der Kurfürst per Reskript für den 24. Juni 1635 im ganzen Land einschließlich der gerade erworbenen Lausitzen anberaumte. Für dieses erste Friedensfest liegen nur wenige und zudem äußerst knappe Beschreibungen vor, aus denen aber immerhin hervorgeht, daß der Tag von Gottesdienstbesuch und Abendmahl dominiert wurde; als festliche Elemente werden mehrfaches Glockengeläut, Musik von Pauken und Trompeten beim Hauptgottesdienst sowie Geschützsalven erwähnt.6) Der Eilenburger Martin Rinckart dichtete aus diesem Anlaß: „Nun freut euch, lieben Christen gemein, Und laßt uns frölich springen, Daß wir getrost und in gemein Mit Lust und Liebe singen: Was Gott für güldne Friedenszeit Der Himmels-Friedefürst, bereit In unserm Vaterlande".7) 5
) Axel Flügel, „Gott mit uns" - Zur Festkultur im 17. Jahrhundert am Beispiel der Lob- und Dankfeste und Fastnachtsbräuche in Leipzig, in: Katrin Keller (Hrsg.), Feste und Feiern. Zum Wandel städtischer Festkultur in Leipzig. Leipzig 1994,49-68; zur Publizistik dieses Zeitraumes vgl. auch Emst Kroker, Leipzig in Liedem und Gedichten des dreißigjährigen Krieges, in: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 5,1896, 31-100. 6 ) Johann Jacob Vogel, Leipzigisches Geschicht-Buch oder Annales, das ist: Jahr- und Tage-Bücher der weltberühmten königlichen und churfürstlichen sächsischen Kauff- und Handelsstadt Leipzig. Leipzig 1714, 523f.; Christian Heckel, Historische Beschreibung der Stadt Bischofswerda. Dresden 1713, 531 f.; Tobias Schmidt, Chronica Cygnea, das ist: Zwickauische Annales oder Zeit-Register. Zwickau 1656, 569. 7 ) Zit. nach Kroker, Leipzig (wie Anm. 5), 83.
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Daß dieser Vertrag trotz der großen an ihn geknüpften Hoffnungen noch nicht wirklich das Ende des Krieges bedeutete, ist bekannt. Eine Feststellung der Leisniger Chronik deutet die Ereignisse der Folgezeit schon an: „Was nun unsere Stadt Leisnig bey diesen neuen Kriegs-Feuer abermahls ausstehen müssen, werden die Nachkommen schwerlich glauben...". 8 ) Kursachsen stand das wohl verheerendste Kriegsjahr 1637 erst noch bevor; immer wieder sollte das Land in den folgenden zehn Jahren Kriegsschauplatz, vor allem aber auch Durchzugsraum größerer und kleinerer Kontingente sein. Nach der Eroberung Leipzigs durch die Schweden 1642 begannen dann am sächsischen Hof langwierige Diskussionen und später Verhandlungen mit Vertretern der schwedischen Seite, an deren Ende 1645 der Waffenstillstand von Kötzschenbroda stand, der (mit seiner Bestätigung durch den Eilenburger Vertrag von 1646) das faktische Ende der Kriegshandlungen in Sachsen bedeutete.9) Die Haltung des sächsischen Kurfürsten zu dieser Vereinbarung, die den Schweden in erster Linie freies Durchzugsrecht, Kontributionszahlungen und die Überlassung Leipzigs und Torgaus als Pfänder zusicherte, dokumentiert sich allerdings nicht zuletzt darin, daß aus diesem Anlaß keinerlei landesweites Gedenken oder festliches Begängnis angeordnet wurde. Weitere drei Jahre später erfolgte schließlich der Friedensschluß von Münster und Osnabrück; er wurde am 26. November/3. Dezember 1648 auf kurfürstlichen Befehl in ganz Sachsen von den Kanzeln verkündet und landesweit mit einem festlichen Te Deum begangen. Die Erleichterung einer beträchtlichen Zahl kursächsischer Städte anläßlich des Friedensschlusses von 1648 charakterisiert eine Aussage der Mügelner Stadtchronik, die festhielt: „Es war eine unsägliche Freude bey Jung und Alt / daß die langwierige und schädliche Kriegs-Unruhe einmal ein Ende haben solte / iederman meynete alles Leid und Unglück hätte nun gäntzlich ein Ende / und dachte niemand / daß noch ein so trübes Wetter dahinden wäre / wie bald folgete". 10 ) Obwohl diese Danksagung sicher aus tiefstem Herzen kam und in einigen Städten bereits mit Musik ausgestaltet wurde oder sogar zu einem Dankfest Anlaß gab, scheint die Freude aufs Ganze gesehen - der Nachsatz des Zitats deutet es an - noch keineswegs ungetrübt gewesen zu sein. Mit Blick auf Kursachsen und etliche weitere protestantische Territorien im Norden des Reiches bleibt vielmehr zu konstatieren, daß der Friedensschluß von 1648 nicht überall 8
) Johannes Kamprad, Leisniger Chronica. Leisnig 1753, 451; zum (Wieder-)Beginn des Krieges vgl. Anm. 6 und Andreas Moller, Theatrum Freibergense. Freiberg 1652, 521. 9 ) Zuletzt dazu Heinz Duchhardt, Kötzschenbroda 1645 - ein historisches Ereignis im Kontext des Krieges und im Urteil der Nachwelt, in: Sächsische Heimatblätter 41, 1995, 323-329; vgl. auch Karl Gustav Heibig, Die sächsisch-schwedischen Verhandlungen zu Kötzschenbroda und Eilenburg 1645 und 1646, in: Archiv für sächsische Geschichte 5, 1867, 264—288. 10 ) Johann Fiedler, Müglische Ehren- und Gedächtniß-Seule. Leipzig 1709, 205.
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in dem Lichte gesehen wurde, in das ihn Politiker, Staatswissenschaftler und schließlich die historische Wissenschaft rückten. Die Bedeutung der Nürnberger Rezesse für die Exekution des Friedens aus der Sicht der Zeitgenossen ist erst kürzlich hervorgehoben worden.11) Für die Bevölkerung Kursachsens stellte sich dieser Friedensschluß wohl zuerst einmal als Einzelereignis in einer Reihe von Vereinbarungen dar. Schon 1645/46 hatte man gefürchtet, es möchten die vorigen Unruhen an dem Orte wieder angehen, wo sie sich zuvor geendiget hatten"12), und ähnliche Befürchtungen scheinen auch nach der Verkündung des Friedensschlusses von Münster und Osnabrück bestanden zu haben. Vielerorts konnte man nach so langer Zeit kaum an ein Ende des Krieges glauben, zumal sich ja auch vorige „Traktaten" als nicht von Dauer erwiesen hatten.13) Zudem war Kursachsen schon seit 1645 vom Krieg „nur" noch in Form von Einquartierungen und Kontributionszahlungen betroffen worden - und daran änderte sich mit dem Herbst 1648 zunächst nichts; das kurfürstliche Mandat, mit dem die Nachricht vom Friedensschluß publiziert wurde, koppelte die Mitteilung darüber mit der über eine zu entrichtende „Friedensanlage".14) Zwar waren es nun Satisfaktionsgelder, die erhoben wurden, aber gezahlt werden mußte weiterhin, und nach dem Abzug der schwedischen Truppen aus Böhmen und Teilen Süddeutschlands traten neue Einquartierungen an die Stelle der alten, deren Stärke teilweise sogar noch aufgestockt wurde. Die Übergangszeit, die die Verhandlungen in Nürnberg für das ganze Reich darstellen15), dürfte so für Kursachsen besonders lang und der Unterschied zwischen Krieg und Frieden damit besonders unmerklich gewesen sein. Während also in Leipzig, Zittau, Colditz und anderswo die schwedischen Truppen Dank- und Friedensfeste16) begingen, an denen die Stadtbewohner wohl auch oft teilnahmen, gab es für viele Bewohner Kursachsens einstweilen eigentlich noch nichts zu feiern. Ein Zwickauer Chronist beschrieb dies so: „An diesem Danck-Fest [dem Te Deum von 1648, K. K.] waren viel Leute so fro / als ob sie / nach dem gemeinen Sprichwort / neu geboren wären; vielen aber / dieweil sie die beschwerliche Einquartierung noch auff den Hälsen hät") Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991, bes. 8. 12 ) Christian Friedrich Röder, Historische Nachrichten von der alten Meißnischen GrentzStadt Dommitzsch. Torgau 1750, 357. 13 ) Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main 1992, 242; Jacob Weller, Des Friedens-Tempels Edler Bau. [Dresden] 1650, [Bl. 33]. 14 ) Staatsarchiv Leipzig, Stadt Delitzsch Nr. 1108, unpag., Abschrift des Mandats vom 10.11.1648. 15 ) Oschmann, Exekutionstag (wie Anm. 11), 497; zum Prozeßcharakter des Kriegsendes vgl. auch Georg Greflinger, Der Deutschen Dreyßig-Jähriger Krieg (1657). Bearb. v. Peter Michael Ehrle. München 1983, 154. 16 ) Vogel, Annales (wie Anm. 6), 645; Johann Benedict Carpzov, Analecta Fastorum Zittaviensium. T. 3. Zittau 1716,40; Kamprad, Leisniger Chronica (wie Anm. 8), 590.
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ten / auch sonsten noch contribuiren musten / war es als ob ihnen nur cjarvon träumete".17) Noch plastischer klingt die Schilderung in der oben schon erwähnten Chronik der kleinen Stadt Mügeln, die zum vom Krieg ohnedies besonders stark betroffenen Stift Würzen zählte. Am Silvestertag des Jahres 1648 trafen hier drei schwedische Kompanien ein: „Das gantze Städtlein war voll Volcks / im kleinesten Häußlein waren 2 / 3 oder 4 Pferde / auch wol 4 oder 5 Personen. Viel undeutsch Volck war unter den Hauffen / als Schweden und Finnen / die waren sehr geitzig und fressig / man kundte sie nicht vergnügen / sie trilleten und blacketen die Leute / daß nicht zu sagen ist. Und also war das alte Jahr übel beschlossen / und das Neue viel übeler angefangen. Die Bürger und Inwohner allhier meyneten nicht anders / die einquartierten Völcker / die vermöge des getroffenen Friedensschlusses dem Kayser das Land räumeten und aus Böhmen kamen / würden nicht länger denn etliche Tage allhier stille liegen / hernach nach Leipzig gehen / und auch unserm gnädigsten herrn dem Churfürsten das Land ehest räumen / wie denn die Soldaten selbsten von keinem langen stille liegen wüsten. Umb des willen waren die Bürger desto williger / gaben her / was ihr euserstes Vermögen war / weil dieses sollte der letzte Abschied seyn / aber es giengen gantzer vier Wochen hin / ehe man von einem Aufbruche hörete". Nach deren Abzug Anfang Februar lagen nur noch einige Korporalschaften in der Stadt, die Mitte Mai 1649 weiterzogen. „Jederman war von Hertzen froh / und dachte / nimmermehr würden wir einen Schwedischen Soldaten wieder in Mügeln sehen. Aber es währete 4 Wochen und 2 Tage / da hatte die Freude und Hoffnung ein Ende / denn den 15. Junii kam Rittmeister Schacht mit seiner gantzen Compagni zu Roß hierher / und blieben allhier bis auff den 30. Junii folgendes 1650 Jahres / ein gantzes Jahr und 16 Tage".18) Erst im Laufe des Jahres 1649 scheinen wirklich in größerem Maße Truppen aus Kursachsen abgezogen worden zu sein. Während aber Böhmen und große Gebiete Süddeutschlands schon im Herbst 1649 von allen Truppen geräumt wurden, bildete in Kursachsen erst der Abzug der schwedischen Truppen aus Leipzig am Abend des 30. Juni 1650 den Schlußpunkt, nachdem der Leipziger Rat auf Befehl des Kurfürsten, „wie bluthsauer es auch damit hehrgangen"19), eine beträchtliche Summe zur Abgeltung der restlichen 17
) Schmidt, Chronica (wie Anm. 6), 700 f. ) Fiedler, Müglische Ehren- und Gedächtniß-Seule (wie Anm. 10), 205f.; ähnliche Schilderangen etwa bei Moller, Theatrum (wie Anm. 8), 698; Kamprad, Leisniger Chronica (wie Anm. 8), 465; Martin Pusch, Historische Beschreibung der Stadt Bischoffswerda. Dresden 1658, 200; Samuel Gottlob Heine, Historische Beschreibung der alten Stadt und Graffschafft Rochlitz. Leipzig 1719, 362; zur Belastung sächsischer Städte in diesem Zeitraum vgl. auch Ernst Kroker, Leipzigs Bankerott und die Schweden in Leipzig seit 1642, in: NArchSächsG 13, 1892, 341-346. 19 ) Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Loc. 8134: Gratulatoria wegen der... zu Münster und Nürnberg geendigten glücklichen Traktaten 1648-1650, Bl. 16b (Schreiben des 18
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schwedischen Satisfaktionsgelder zur Verfügung gestellt hatte. Angesichts dieser Situation verwundert es nicht mehr so sehr, daß das „eigentliche große und wahre Friedensfest"20) erst am Tag Maria Magdalena, dem 22. Juli 1650, stattfand. Interessanterweise ging die Empfindung von Kontinuität über das Jahr 1648 hinaus zum Teil so weit, daß man die Bezeichnung „Zweiunddreißigjähriger Krieg" in den Akten belegt findet.21) Nun ist dies für Kursachsen zwar eigentlich ein Paradoxon, da der Krieg - wie gesagt - das Land erst ab 1631 direkt betroffen hatte. Der sich offenbar relativ schnell verbreitende Begriff „Dreißigjähriger Krieg"22) war aber anscheinend schon so fest mit den zurückliegenden Ereignissen verbunden, daß zur Betonung der eigenen Sichtweise nur die Erweiterung zum „Zweiunddreißigj ährigen Krieg" in Frage kam.
II. Das Friedensfest am 22. Juli 1650 Der Ablauf des im Juli 1650 stattfindenden Friedensdankfestes erinnert stark an den Typus des protestantischen Lob- und Dankfestes, wie er sich im Zusammenhang mit den Reformationsjubiläen seit 1617 herausgebildet hatte. Das schon erwähnte landesweite Dankfest anläßlich des Sieges bei Breitenfeld im Laufe des Krieges und das erste Friedensfest 1635 hatten dem nur wenige Aspekte hinzugefügt. In allen diesen Fällen wurden der Ablauf ebenso wie die den Predigten zugrunde liegenden Bibelstellen und das abschließende Gebet durch eine landesherrliche Instruktion im wesentlichen festgelegt.23) Wenden wir uns also zunächst den formalen Aspekten festlicher Inszenierung Rates vom 30.06.1650); vgl. auch Theatrum Europaeum. T. 6: 1647-1651. Frankfurt am Main 1663, 1084f.; Schilderung des Abzugs: Relation, welchergestalt die berühmte Stadt Leipzig und Veste Pleissenburg ... übergeben worden / den 30. Junii Anno 1650 [4 Bl.]. 20 ) Ernst Friedrich Wilhelm Simon, Kurze Nachrichten von den vornehmsten Denkwürdigkeiten d e r . . . BergStadt Zschopau. Dresden 1821, 262. 21 ) Staatsarchiv Leipzig, Stadt Delitzsch Nr. 1108, unpag. (15.12.1650), Nr. 3189, unpag. (November 1658); Johann Georg Jahn, Urkundliche Chronik der Stadt Oelsnitz. Oelsnitz 1841, 237; Sammlung einiger historischer Nachrichten von der freyen Standesherrschaft und der kleinen Stadt Seidenberg. Lauban 1762, 359; Friedens-Gedächtniß der ... Residentz-Stadt Weimar. Weimar 1651, unpag. 22 ) Zur Begriffsgeschichte vgl. Konrad Repgen, Über die Geschichtsschreibung des Dreißigjährigen Krieges: Begriff und Konzeption, in: ders. (Hrsg.), Krieg und Politik 16181648. Europäische Probleme und Perspektiven. München 1988, 1-84. 23 ) Instruction, nach welcher in Unsem ... Churfürstenthumb und incorporirten Landen / das verordnete Lob- und Danck-Fest... soll gehalten und hochfeyerlich begangen werden. Leipzig 1650 (in: Staatsarchiv Leipzig, Stadt Delitzsch Nr. 1110, unpag.); vgl. Siegfried Hoyer, Reformationsjubiläen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Keller (Hrsg.), Feste und Feiern (wie Anm. 5), 36—48; die Instruktionen für die Reformationsjubiläen in: Johann Christian Lünig, Codex Augusteus, oder neuvermehrtes Corpus iuris Saxonci. Bd. 1. Leipzig 1724, Sp. 781-784 (1617), 799-804 (1630), 803-806 (1655).
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zu, um dann in einem zweiten Schritt nach dem aus Liedern, Predigten und Gelegenheitsdichtungen erschließbaren Festprogramm, also dem funktionalen Aspekt des Ereignisses, zu fragen. Die Frage, ob das angeordnete Fest tatsächlich überall und dann nach dem vorgegebenen Schema stattgefunden hat, ist für Kursachsen schwer zu beantworten, denn die Quellenüberlieferung ist, wie gesagt, im allgemeinen äußerst fragmentarisch. Nach den gedruckten Chroniken darf allerdings vermutet werden, daß das Fest am 22. Juli des Jahres 1650 tatsächlich in allen Pfarrkirchen des Landes begangen worden ist, und zwar mit folgendem Ablauf: Am vorhergehenden Tag (dem 6. Sonntag nach Trinitatis) wurde das Fest im Gottesdienst angekündigt und am Nachmittag feierlich eingeläutet. Am frühen Morgen des 22. Juli eröffnete dann langes Geläut, das die Gemeinde in die Kirche rief, den Festtag. Nach den Predigten wurde das Abendmahl ausgeteilt und der Gottesdienst mit einem gemeinsamen Gebet beendet. Nachmittags folgte eine Vesperpredigt, in der, wie schon am Morgen, mit Pauken und Trompeten musiziert wurde, um den feierlichen Charakter des Gottesdienstes zu unterstreichen. Während des ganzen Tages sollte die Arbeit ruhen. Die kurfürstliche Instruktion mahnt eindringlich, daß auch nach dem zweiten Gottesdienst niemand „... sich unterstehen [solle, K. K.] / die übrige Zeit des Tages mit Schlemmen / Temmen / oder anderer Üppigkeit zuzubringen / sondern zu Hause mit den Seinigen GOTT ferner loben / rühmen / ehren / preisen / und daß er weiter über uns Allen mit seiner Güte und Gnade halten und walten wolle / hertzlich und inbrünstig bitten und bethen / und also diese Fest mit Christlicher Andacht / GOTT zu Ehren anfahen / mittein und vollenden". Damit scheinen die strikten Vorgaben der Instruktion im wesentlichen umgesetzt worden zu sein; nach Ablauf und Inszenierung war das Friedensfest des Jahres 1650 weit davon entfernt, einem volkstümlichen Fest zu gleichen, sondern zielte auf Andacht und (darauf wird gleich noch näher einzugehen sein) Buße. Das Zitat aus der Instruktion zur Reglementierung des Verhaltens auch außerhalb des Gottesdienstbesuches läßt zwar vermuten, daß man sich in Dresden der geforderten Andacht realiter nicht ganz sicher gewesen sein dürfte. Bislang gibt es jedoch keinerlei Indizien dafür, daß die städtische Bevölkerung gegen die Vorschriften der Instruktion verstoßen hätte. Für den Stellenwert dieses Dankfestes als Markierung des tatsächlichen Kriegsendes, das weiten Teilen der Bevölkerung Anlaß zu dankbarem Gebet und Gottesdienstbesuch gab, sprechen dabei Aussagen wie die für Zwickau: „Was für Freude allenthalben unter denen Leuten gewesen / ist nicht zu beschreiben / und sind die Kirchen so voll gewesen / als sonsten bey Menschen gedencken niemals geschehen. Nach dem in der Kirchen verrichteten Gottesdienst / hat man mit Freuden / und sonderlicher Bewegung des Gemüths gehört / wie fast in allen Häusern / durch die gantze Stadt / Lob- und Danck-Lieder gesungen
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worden". 24 ) Auch die verschiedentlich überlieferten Versuche, dem Gottesdienst und dem ganzen Tag ein besonderes Gepräge zu verleihen, deuten in diese Richtung: In Leipzig etwa wurden nach dem Frühgottesdienst die Geschütze auf der Festung dreimal gelöst, und auch die auf dem Markt aufgezogene Festungsbesatzung gab drei Salven ab; der Rektor der Universität hielt eine Festrede. In Dresden zog die kurfürstliche Leibkompanie auf, mittags feuerte man Raketen ab und löste insgesamt 225 Kanonenschüsse. 25 ) In Annaberg zog der Rat und ihm folgend die ganze Bürgerschaft durch die Stadt zur Kirche, dort wurde „auf das Schönste gesungen". In der Vesperpredigt knieten die Kinder in weißen Hemden und mit grünen Rautenkränzen vor dem Altar, während „des Herrn Daniel Emmerlings Stiefsohn [, der, K. K.] in ein Weibsbild verkleidet gewesen in einem silberweißen Kleid, der hat den Frieden verkündigt, alles ferschweis und auf allen Bänken hat das Chor geantwortet". 26 ) Auch in Delitzsch war man in festlichem Aufzug vom Rathaus zur Kirche gegangen, Rat, Amtmann, Geistlichkeit, Lehrer und Bürger ganz in Schwarz, die Kinder dagegen weiß gekleidet mit grünen Zweigen. In Zittau hatte das Fest bereits nachts um zwei Uhr mit festlicher Musik und Gesang von den Türmen von Rathaus und Johanniskirche begonnen. 27 ) Auch wenn somit frühbarocke Prunkentfaltung in Kursachsen nicht erkennbar wird, so doch das Bemühen um eine wirklich „festliche" Gestaltung des Dankfestes und Ansätze zu seiner mythologischen Ausgestaltung. Was die inhaltlichen Schwerpunkte der aus Anlaß des Friedensfestes entstandenen Texte betrifft, so läßt sich wohl primär die Thematisierung des Friedensschlusses als „göttliche Gnade" konstatieren, die, der andauernden Verfehlungen der Gläubigen ungeachtet, die Schrecken des Krieges beendet habe und deren man sich in Zukunft werde würdig erweisen müssen. Ein besonders eindrucksvolles Bild für diese Interpretation fand der Dresdner Oberhofprediger, indem er den „Friedens-Tempel" aus Güte, Barmherzigkeit und Treue Gottes als Boden, Decke und Wände entstehen ließ; die Orgel darin sei jedoch die Zuversicht und der Dank der Gemeinde. 28 ) Die kurfürstliche Instruktion
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) Schmidt, Chronica (wie Anm. 6), 708; ähnlich auch Carpzov, Analecta (wie Anm. 16), 40; Jeremias Simon, Eilenburgische Chronica. Leipzig 1696, 708; Vogel, Annales (wie Anm. 6), 653. 25 ) Ebd.; Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Oberhofmarschallamt N IV, Nr. 1: Friedens-Denck- und Danck-Feste 1650-1721, Bl. 3; ähnlich auch in Freiberg (Moller, Theatrum [wie Anm. 8], 703 f.). 26 ) Heinrich Harms zum Spreckel (Hrsg.), Des Kupferschmiedemeisters Ludwig Kleinhempel Hauschronik 1563-1682, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgegend, 16. Jahrbuch, Bd. 5, 1927, 5-114, hier 53. 27 ) Johann Gottfried Lehmann, Chronik der Stadt Delitzsch bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Delitzsch 1852, 143; Carpzov, Analecta (wie Anm. 16), 40. 28 ) Weller, Friedens-Tempel (wie Anm. 13), [Bl. 28ff.].
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legte fest, daß die Predigt zum Festgottesdienst dem 3. Kapitel der Klagelieder Jeremiae, 22-24, gewidmet sein sollte: „Die Güte des Herrn ist, daß wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende; sondern sie ist alle Morgen neu und deine Treue ist groß". Nach dem Absingen des 46. Psalms, des Kyrie Eleyson, der Lieder „Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede auf Erden. .." und „Allein Gott in der Höhe sey Ehr...", einer Dankkollekte und dem Verlesen des 126. Psalms „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird..." folgte „Ein feste Burg ist unser Gott..." sowie der 68. und der 136. Psalm „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. .." sowie das Glaubensbekenntnis. Auch das Liedprogramm verweist damit das Friedensfest einerseits in den Kontext der Reformationsjubiläen, denn es unterscheidet sich nur an wenigen Stellen von den 1630 oder 1655 vorgeschriebenen Texten, andererseits gibt es eine Deutung des Friedens als Akt der Gnade Gottes vor. Kontrastiert wurde dies oft durch die Erinnerung an die Greuel und Lasten des Krieges, um dann umso deutlicher die Erleichterung über sein Ende formulieren zu können.29) Als Kriegslasten führte etwa Michael Theophil Lehmann aus Zittau auf einer langen Liste unter anderem die Behinderung des Gottesdienstes, die schlechte Kirchendisziplin und das Brachliegen der Schulen an, ebenso aber auch schlechte Erziehung, mangelnde eheliche Treue sowie den Verlust von Vermögen und Privilegien. Der Dresdner Hofpoet Samuel Zenker erinnerte dagegen in erster Linie an Kanonendonner, Trommelwirbel, den Anzug der feindlichen Heere, Flucht, Plünderung, Verwundung, Tod, explodierende Minen usw.30) Angst und Schrecken sowie die gnädige Erlösung vom (eigentlich verdienten) Strafgericht stehen damit auch im Zentrum der im Umfeld des Dankfestes entstandenen Texte. Eine ähnliche Interpretation des Friedensschlusses, die biblisch-religiöse und antik-mythologische Elemente verband, hatte im übrigen auch das schon 1648 in Wittenberg aufgeführte Schauspiel „Fried-erlangendes Deutschland..." angeboten31), in dem das personifizierte Deutschland, von Meißen, Thüringen, Hessen und Schlesien begleitet, durch Gebet und Bekämpfung der Sünde Gottes Gnade erlangen und Mars und Erynnis in die Flucht schlagen kann. Mit Blick auf die zuletzt von Etienne François und Claire Gantet vorgestellte Interpretation der Friedensfeste als Feier des Friedens als „Wunder", 29
) So etwa bei Christian Brehme, Auff den so längst und hertzlich verlangten Tag / auff welchen . . . ein allgemeines Christliches und andächtiges Danck-Fest... ausgeschrieben. Dresden [ 1650] ; Andreas zur Horst, Dei Beneficia Nostra Officia. Freiberg [ 1650] (Festpredigt in Marienberg); Vogel, Annales (wie Anm. 6), 652-655 (Abkündigung und Schlußgebet des Friedensfestes 1650 in Leipzig). 30 ) Michael Theophil Lehmann, Krieges-Last an den Schwerdtem und Friedens-Rats am Rautenkranz. Freiberg 1652; Samuel Zenker, Unterthänigster Friedens-Wunsch. Dresden [1650], 31 ) Enoch Glaeser, Fried-erlangendes Deutschland. Wittenberg 1649.
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zugleich aber auch als Ort der Beschwörung von Ängsten vor einer katholischen Übermacht32) erscheint diese vorrangig auf die erlangte göttliche Gnade abzielende Interpretation des Friedens und seiner festlichen Zelebrierung durchaus als Unterschied der Sinnzuweisung des Festes zwischen (paritätischer) Reichsstadt und Reichsterritorium. Dies umso mehr, als sich hier auch eine Differenz zum ersten kursächsischen Friedensfest von 1635 auftut, denn das dort vom Landesherrn vorgeschriebene Gebet hatte noch ausdrücklich den Dank für die Erhaltung der evangelischen Kirche sowie eine Bitte für die Wohlfahrt des gesamten Reiches beinhaltet, ebenso wie die Dankfeste zu den Jahrestagen der Schlacht bei Breitenfeld den Sieg über die Gottlosen thematisiert hatten.33) Möglicherweise lag dieser Unterschied in der Deutung des Friedensschlusses bis zu einem gewissen Grad in der zwiespältigen politischen Haltung des sächsischen Kurfürsten zwischen Kaisertreue und dem Anspruch auf eine Führungsposition im protestantischen Lager begründet. Vor dem Hintergrund der Augsburger Programmatik fällt jedoch noch ein weiterer Aspekt ins Auge, der einer parallelen Interpretation entgegengestanden haben könnte: Dort läßt sich das Friedensfest als Institution konfessionellen Ausgleichs interpretieren, das auf die Erinnerung der (von katholischer Seite verursachten) Kriegsleiden zielte. Etienne François hat als Indiz für diese Orientierung des Festes seinen Termin herangezogen - man wählte nicht das Datum des Friedensschlusses, sondern den Jahrestag der Vertreibung der evangelischen Prediger aus der Stadt 1629. In Kursachsen dagegen war das Datum zwar ebensowenig der Friedensschluß oder der Abzug der schwedischen Truppen aus Leipzig, aber auch kein Memorialdatum kriegerischer Verheerungen, sondern - der Namenstag der Kurfürstin und zweier albertinischer Prinzessinnen. Der sächsische Oberhofprediger Jacob Weller führte dies in seiner Festpredigt folgendermaßen aus: Der Beistand und die Barmherzigkeit Gottes fänden nicht nur im Frieden selbst, sondern auch darin ihren Ausdruck, daß „... wir heute zugleich mit begehen den Namens-Tag / Unserer gnädigsten Churfürstin und LandesMutter / so wohl der Königlichen Princessin in Dennemarck / Witwen / unsers gnädigsten Churfürsten und Herms Frauen Tochter / und des Churfüstlichen Printzens / unsers Gnädigsten Herms / Hertzog Johann Georgens Hertzgeliebter Gemahlin / unserer gnädigsten Fürstin und Frauen / welche alle drey in der Heiligen Tauffe / da Sie Christio Jesu einverleibet / mit dem Namen Magdalenen Sibyllen sind begäbet worden. Gott der Herr hat gewiß sie zu theuren 32 ) François/Gantet, Vergangenheitsbewältigung (wie Anm. 4); Vgl. Erinnerung und Formular eines Dankgebets, wegen dessen zu Münster geschlossenen allg. Reichsfriedens [für Württemberg 1648, K. K.]. Stuttgart 1648: Der Frieden ist zu Erhaltung und Fortpflanzung der evangelischen Religion geschlossen worden. 33 ) Vogel, Annales (wie Anm. 6), 458, 511, 523; Flügel, Lob- und Dankfeste (wie Anm. 5), 57.
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Magdalenen / an welchen er seine grosse Treu bewiesen / erwehlet. Und mercket doch / wie umb diese Zeit sich die gantze Hochgelobte Dreyfaltigkeit bey unserer gnädigsten Herrschafft zuliebet. Denn vergangenen Freytag den 19. Tag Julii sind es durch Göttliche Gnade 43 Jahr gewesen / da unser gnädigster Herr mit seiner Hertzgeliebten Gemahlin / Beylager gehabt... Eben an dem Tag Mariae Magdalena / that sich dazumahl [1647: Geburt des Erbprinzen Johann Georg, K. K.] der Himmel der Gnaden und Ehren Gottes über uns auff / und ward das junge Herrlein Christo Jesu in der heiligen Tauffe incorporirt... Die fröhliche Post des vollzognen Friedens zu Nürmberg / kam eben zwey Tag für Johannes an / daß wir ja auch in diesem Jahr am Tag Johannis von der Güte und Gnad Gottes desto reicher hätten zusingen und uns zuerfreuen / daß Gott eben auff den Namens-Tag unsers gnädigsten Herrns auff sein Haupt den Palm-Krantz des Friedens setzte. Heute bindet Gott unsere gnädigste Churfürstin / wie auch gnädigste Princessin an / weil wir Gott dancken / daß nunmehr Leipzig und das gantze Land ... seinem natürlichen rechten Herrn / unsern gnädigsten Churfürsten und Herrn wieder übergeben worden". Die Passage schließt mit einer Bitte um Gottes Beistand für den Landesvater und seine Familie. In dieser gedruckten Predigt ebenso wie im vorgegebenen Festgebet wurde zudem der Kurfürst als Beschützer seiner Untertanen und Garant des Friedens oder sogar als Kriegsheld thematisiert34) sowie Treue ihm gegenüber gefordert. Die Verbindung zum Herrscherhaus erweist sich in Kursachsen also als zweiter Interpretationsstrang des Friedens. Ähnliche Tendenzen lassen im übrigen auch die Inszenierungen des Administrators von Magdeburg in Halle und in den thüringischen Fürstentümern erkennen. Wählte man in Halle als Datum für das Friedensfest, das im übrigen ebenfalls per Mandat anberaumt wurde, den Geburtstag des Administrators, so beschwor man in Weimar die tapferen Kriegstaten des Herzogs und rekurrierte im Festschmuck mit dem Rautenkranz immer wieder auf das wettinische Hauswappen.35) Wird das Ende des Krieges auch keineswegs vorrangig auf das kriegerische und politische Verdienst des Fürsten zurückgeführt, so koppelte man doch das Friedensfest mehr oder weniger eindeutig an ein Jubiläum des Herrscherhauses und gab ihm damit die Dimension eines dynastischen Festes. Auch in seiner Funktion als „Repräsentationsfest konfessionellen Für34
) Weller, Friedens-Tempel (wie Anm. 13), [Bl. 35f.]; Johann Feinler, Post-Reuter vom Teutschen Frieden. Jena [1650] (Festpredigt in Gleina); eine ähnliche Interpretation erlaubt auch das bei Wolfgang Harms, Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Bd. 2. München 1980, 577, abgebildete Gedenkblatt auf das Friedensfest. 35 ) Gottfried Olearius, Halygraphia Topo-Chronologica. Leipzig 1667, 442; Gottfried Albin Wette, Historische Nachrichten von der berühmten Residentz-Stadt Weimar. Weimar 1737, 342 ff.
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stentums" 36 ) läßt sich das Friedensfest also dem Typus des Lob- und Dankfestes zuordnen, wobei die konfessionelle Dimension in Kursachsen insofern in den Hintergrund trat, als sie - ob aus reichspolitischen Erwägungen oder anderen Gründen, muß einstweilen offen bleiben - nicht explizit thematisiert wurde.
III. Nachwirkungen - Die Erinnerung an Kriegsende und Friedensfest im 18. und 19. Jahrhundert Trotz des erkennbaren Mangels an barocker Prachtentfaltung und abweichender Deutungsmuster des Friedensschlusses dürfen Parallelen zwischen dem kursächsischen Friedensfest und den Augsburger Inszenierungen wohl weiterhin behauptet werden. Der schon mehrfach zitierte Beitrag von Claire Gantet und Etienne François hat dabei neben der Interpretation des Festes von 1650 vor allem die Funktion des über Jahrzehnte fortgesetzten Friedensgedenkens für die konfessionelle und soziale Stabilisierung der städtischen Gesellschaft herausgearbeitet. So soll also auch hier abschließend nach der Permanenz des Friedensgedenkens in Kursachsen gefragt werden. Außer in Augsburg existierten auch in Dinkelsbühl, Coburg und Göttingen noch lange nach Kriegsende auf dieses bezogene Festtraditionen; in Kursachsen jedoch - dies vorweg - waren keinerlei Tendenzen zu einer Institutionalisierung der Friedensfeste im Sinne regelmäßiger Jubiläumsfeiern nachweisbar. Der Frage nach den Gründen dafür soll dieser letzte Abschnitt gewidmet sein. Ein erster Aspekt einer Antwort dürfte dabei in der Funktion des Friedensfestes zu suchen sein. Die Relevanz für die Stärkung konfessioneller Identität über die vielfach wiederholte Erinnerung an den Friedensschluß kann in Kursachsen kaum ausgeprägt gewesen sein. Das belegt nicht allein das Fehlen dieses Interpretationsstranges schon 1650; das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung im festlichen Kontext spielte wohl schon deshalb keine Rolle, weil Kursachsen als zu diesem Zeitpunkt noch führende protestantische Macht des Reiches sich auch während des Krieges kaum wirklich von Rekatholisierungstendenzen bedroht sehen mußte. Der „Sieg des Glaubens" war deshalb schon 1650 gegenüber der Feier des Kriegsendes selbst von geringer Bedeutung und dürfte allenfalls über das schon fünf Jahre später (1655) begangene Jubiläum des Augsburgischen Religionsfriedens memoriert worden sein. Möglicherweise läßt sich auch das in Kursachsen seit 1667 am 31. Oktober als Gedenk-
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) Johannes Burkhardt, Reformations- und Lutherfeiern. Die Verbürgerlichung der reformatorischen Jubiläumskultur, in: Düding/Friedemann/Münch (Hrsg.), Öffentliche Festkultur (wie Anm. 2), 212-236, hier 213.
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tag des Thesenanschlags begangene Reformationsfest37) in diesen Kontext einordnen, das direkt und ohne den „Umweg" des Friedensschlusses der Ausprägung konfessioneller Tradition dienen sollte. Ein zweiter Grund für die fehlende Institutionalisierung der Friedensfeste könnte auch in der speziellen Problematik des Kriegsendes für Kursachsen vermutet werden. Eingangs war ja ausgeführt worden, daß dasselbe für große Teile des Territoriums eher als Prozeß denn als Zäsur beschrieben werden muß. Waren schon vor dem Abschluß des Waffenstillstandes von 1645 bekanntlich keineswegs alle Gebiete direkt und kontinuierlich vom Krieg betroffen worden38), so dürfte die Ablösung der direkten Gefahr durch Einquartierung und Kontributionszahlung, dann deren sukzessive Reduzierung und schließlich die völlige Entlastung des Landes von fremden Truppen zwar für die Zeitgenossen prinzipiell nichts an der positiven Erfahrung neuer Sicherheit geändert haben; für die pointierte Erinnerung an einen Tag innerhalb dieses Prozesses eignete sich diese Form des Kriegsendes aber kaum. Mag dies also der Instrumentalisierung und damit dem Überleben des Friedensgedenkens als jährlich wiederkehrendem Fest entgegengestanden haben, so bleibt noch die Frage, warum dann nicht wenigstens die größeren Jubiläen des Kriegsendes bzw. Friedensschlusses Beachtung fanden. In Verbindung mit der 1617 kreierten protestantischen Jubiläumskultur wurde ja auch weltlichen Jahrestagen bald festkonstituierende Qualität zugestanden, wie sie in Kursachsen etwa die Jahrhundertfeiern der Leipziger Buchdrucker 1640 und 1740 belegen mögen.39) Für das 18. Jahrhundert gibt es zwar einzelne Hinweise darauf, daß der Dreißigjährige Krieg erinnert wurde - vor allem durch Beschreibungen einzelner Belagerungen40) besonders hart betroffener Städte. 37 ) Vogel, Annales (wie Anm. 6), 733; Martin Treu/Volkmar Joestel, Der Reformator mit dem Hammer. Zur Wirkungsgeschichte von Luthers „Thesenanschlag" bis 1917 (Katalog Lutherhalle). Wittenberg 1992, 18. 38 ) Karlheinz Blaschke, Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Weimar 1967, 92ff.; Rainer Aurig, Betrachtungen zur wirtschaftlich-sozialen Situation in Sachsen im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges, in: Sächsische Heimatblätter 41, 1995, 343-351, hier 347. 39 ) Zu den Ursprüngen der Jubiläumskultur vgl. Burkhardt, Reformations- und Lutherfeiern (wie Anm. 36), 213 f.; Hartmut Zwahr, Zur Entstehung eines nationalen Gedächtnisses. Die Leipziger Jahrhundertfeiern zum Gedenken an die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, in: Keller (Hrsg.), Feste und Feiern (wie Anm. 5), 117-135. 4°) So z.B.: Wurtznische Creutz- und Marterwoche, das ist, kurtze, doch wahrhaftige Beschreibung des ... Bannirischen ... grausamen Einfalls. [Würzen] 1637, 1674,1747; Friedrich Christian Baumeister, Kurtzgefaßte Nachricht von der Belagerung der Sechs-Stadt Görlitz [1641]. Leipzig/Görlitz 1741; Historische Nachricht von denen vornehmsten Denckwürdigkeiten der Stadt Chemnitz, besonders ihren vor nunmehro hundert Jahren erlittenen Drangsalen. Chemnitz 1734; Christian Heckel, Historische Nachricht von dem, was nunmehro vor hundert Jahren... der Stadt Pirna widerfahren. Pima 1739; Johann Gottlieb Biedermann, Das von denen Feinden im vorigen Jahrhundert beunruhigte Naumburg. Naumburg [1742],
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Dabei wird jedoch weder auf den Friedensschluß noch auf das Friedensfest im allgemeinen Bezug genommen, sondern allein auf die Schicksale der einzelnen Städte. Sie sind vorrangig der mehr oder weniger topischen Beschreibung der Kriegsereignisse gewidmet, die in einigen Fällen mit einer Mahnung zu Gottesfurcht und Dankbarkeit wegen der folgenden langen, unkriegerischen Periode für Kursachsen verbunden wurde. Was zu diesem Zeitpunkt in der Erinnerung eine Rolle spielte, war ganz offensichtlich der Krieg mit seinen Zerstörungen - zumal, wenn diese für die eigene Stadt beschrieben wurden - , nicht aber der Friedensschluß, geschweige denn seine Feier. Der Mythos des alles verheerenden Krieges, der in der Historiographie des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielen sollte, scheint bereits im 18. Jahrhundert im Wachsen begriffen. Auch im Jahre 1748 bemühte man sich um das Gedenken an den Friedensschluß nur sehr vereinzelt. In Wittenberg erschien eine gelehrt-literarische Rede zum Jubiläum, in Freiberg war es der Gymnasialrektor Biedermann, Mitglied der Leipziger und der Göttingischen Deutschen Gesellschaft, der ein allegorisches Singspiel verfaßte und dies an vier Tagen mit über 100 Schülern aufführte. In beiden Fällen nahm man dabei ausdrücklich Bezug auf den dringend gewünschten bzw. gerade abgeschlossenen Frieden von Aachen.41) Aktuelles und historisches Kriegsgeschehen wurden miteinander in Verbindung gebracht, so daß die Feste auch hier nicht allein als Erinnerung an ein historisches Datum reklamiert werden können. Schon 1745 hatte es sich die Gemeinde Kötzschenbroda nicht nehmen lassen, den hier geschlossenen Waffenstillstand mit einer Gedenkfeier zu würdigen.42) Angesichts der inzwischen durch weitere Reformationsjubiläen fest institutionalisierten Tradition protestantischer Jubiläums-Dankfeste scheint das völlige Fehlen obrigkeitlicher Bemühungen um ein Begängnis in Erinnerung an den Friedensschluß doch bemerkenswert. Möglicherweise war der inzwischen vom sächsischen Kurhaus vollzogene Konfessionswechsel dabei nicht ohne Bedeutung, und die Verbindung mit Polen sowie der zwischen 1700 und 1721 erneut geführte Krieg mit Schweden war den Zeitgenossen wohl noch zu gut in Erinnerung, als daß man nun einen vor 100 Jahren geschlossenen Frieden landesweiten Gedächtnisses für wert befand. Und nimmt man die Stadtchroniken, auf denen die obigen Ausführungen zu den Festen beruhen, so zeichnet sich ebenfalls eine „Kurve des Vergessens" 41
) Rede am Jubeltage des Westphälischen Friedensschlusses ... 1748 in einer Gesellschaft guter Freunde gehalten. Wittenberg [1748]; Von einem in Freyberg zum erbaulichen und danckbaren Andencken des vor hundert Jahren, nehmlich 1648 geschlossenen Westphälischen Friedens gehaltenen Singe-Spiel, in: Curiositätencabinet 1748, 346-352; vgl. auch Repgen, Geschichtsschreibung (wie Anm. 22), 9. 42 ) Gustav Wilhelm Schubert, Chronik und Topographie der Parochie Kötzschenbroda. Dresden 1865, 199.
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ab: Während die zehn Chroniken aus der Zeit vor 1700 allesamt den Friedensschluß und das Fest erwähnen, zum Teil mit recht ausführlichen Beschreibungen, sind es aus der Zeit bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges schon nur noch knapp die Hälfte der 36 Schriften, die mit eher kurzen Notizen die Erinnerung an das Friedensfest ausweisen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden dann nicht allein wesentlich weniger Stadtgeschichten, sondern auch nur eine einzige von ihnen erwähnt noch das Fest. Erst mit dem Einsetzen gelehrter Geschichtsschreibung auf Quellenbasis im 19. Jahrhundert erscheinen die Friedensfeste wieder in den Texten, wenn auch nur in vier von neun der hier berücksichtigten Schriften. In diesem letzten Zeitraum wird allerdings noch deutlicher als vorher, daß man zwar den Krieg als Verhängnis erinnerte, nicht aber die Feste an seinem Ende. Einen neuen Aufschwung scheint das Kriegsgedenken im 19. Jahrhundert dann im Zusammenhang mit dem Gustav-Adolf-Kult protestantischer Kreise erlebt zu haben; dies beschränkte sich freilich auf die Lichtgestalt des „Retters des Glaubens" und Teile der Kriegshandlungen. Dem Friedensschluß kam nun, sicher nicht zuletzt aufgrund seiner politischen Bewertung durch bürgerliche Kreise, keinerlei Memorialqualität mehr zu.43) Unsere weitgehende Unkenntnis über die Friedensfeste dürfte nicht zuletzt aus diesem Umstand resultieren; einmal mehr scheint die Nachwelt und ihr Blick auf die Geschichte unsere Wahrnehmung lange Zeit bestimmt zu haben. Nur in einer Hinsicht könnte das Friedensfest von 1650 in Kursachsen „überlebt" haben - als Vorbild für seine Nachfolger. Das im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges entwickelte protestantische Friedensfest als spezifische Form des Lob- und Dankfestes läßt sich in Kursachsen durch die folgenden Jahrzehnte bis 1763,-vielleicht sogar bis 1814, verfolgen. Am Ende des Siebenjährigen Krieges, der in seinen Auswirkungen für Sachsen in mancher Hinsicht mit dem Dreißigjährigen Krieg verglichen werden darf, finden wir wieder das frühe Geläut bzw. den Gesang, den Zug zur Kirche, Gottesdienst und Sonntagsruhe, vor allem aber die prominente Rolle der Kinder usw.44) Möglicherweise haben gerade die Ereignisse dieses Krieges, in dem Sachsen ja einen, wenn nicht sogar den wichtigsten Kriegsschauplatz im Reich darstellte, noch einmal dazu beigetragen, die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und dessen Ende weiter zu verdrängen - man hatte nun mehr als je zu43
) Sverker Oredsson, Geschichtsschreibung und Kult. Gustav Adolf, Schweden und der Dreißigjährige Krieg. Berlin 1994; als sächsisches Beispiel etwa: Erinnerung an die Schlacht bei Breitenfeld am 7. September 1631 und deren Feier am 7. September 1831. Leipzig 1831 [Denkmalsweihe]. 44 ) Da für diesen Zeitpunkt die Aktenüberlieferung wesentlich dichter ist, könnte eine Vielzahl von Festbeschreibungen angefühlt werden, als Beispiele: Georg Körner, Bockaische Chronik. Schneeberg 1762, unpag.: Staatsarchiv Leipzig, Stadt Düben Nr. 2408; Stadtarchiv Leipzig, Tit. XLVII (F) Nr. 6, Bl. 298 ff.
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vor seit 1650 ein „eigenes" Kriegsende zu memorieren und die Folgen zu bewältigen. Zusammenfassend sei noch einmal auf drei Aspekte verwiesen, die das Friedensfest in Kursachsen am Ende des Dreißigjährigen Krieges charakterisieren: Sein Termin - 22. Juli 1650 - lag relativ spät, war aber immerhin dem in einer großen Zahl protestantischer Territorien weitgehend vergleichbar. Dabei ist der Zusammenhang zwischen dem Festdatum und der subjektiven Wahrnehmung des Kriegsendes innerhalb weiter Kreise der städtischen Bevölkerung hervorzuheben, was seinen Ausdruck nicht zuletzt in der zitierten Formulierung vom „Zweiunddreißigjährigen Krieg" fand. Die Inszenierung des Friedensfestes in Kursachsen folgte weitgehend dem Vorbild der Reformationsjubiläen als religiös-konfessionellen Festen ohne barocken Pomp, aber durchaus mit festlichen Elementen. Inhaltlich war die Inszenierung auf den Dank für die göttliche Gnade orientiert, wobei das Fest durch seinen Termin und die Bezugnahmen auf den Landesherrn als kriegerischen Schutzherrn der Untertanen auch eine dynastische Dimension erhielt. Bildete schon die inhaltliche Orientierung des kursächsischen Friedens-Dankfestes einen wichtigen Unterschied zum bislang am besten bekannten Festbeispiel Augsburg, so bleibt als weiterer die nur ausnahmsweise feststellbare Fortdauer des Kriegsbzw. Friedensgedächtnisses über die direkt betroffenen Generationen hinaus hervorzuheben. Die oben angesprochene „Kurve des Vergessens" belegt recht eindrucksvoll die Verknüpfung von Funktionalität und Inszenierung festlichen Gedenkens, ohne die auch das „eigentliche wahre und große Friedensfest... im ganzen Sachsenlande" schnell in Vergessenheit geraten mußte.
Sprachspiel und Friedensfeier Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts auf ihrem Zenit im festlichen Nürnberg Von
Klaus Garber
Die deutsche Literatur der neueren Zeit ist ein Kind des Krieges. Dieses Schicksal teilt sie mit anderen Nationen, am meisten mit den fast zeitgleich geistig und politisch Selbständigkeit erlangenden Niederlanden, in gewisser Weise aber auch mit dem Frankreich der Hugenottenkriege, dem England der Tudors und Stuarts. Die Geburtsstunde der neueren europäischen Nationalliteraturen fällt in die Zeit des europäischen Glaubensschismas, das Europa und die Nationen zerriß und in die Söldner- und Bürgerkriege trieb. Auch Länder und Staaten, denen die Spaltung erspart blieb, wurden nicht verschont von den Sinnkrisen hervortreibenden geschichtlichen Erfahrungen. Italien, Mutterland aller neueren europäischen Literaturen, wurde zu Ende des blühenden humanistischen Quattrocento von den beiden avanciertesten Nationalstaaten, von Frankreich im Norden und von Spanien im Süden, in die Zange genommen. Die Literatur antwortete sofort. Größtes zeitgleiches, vom Schmerz über den Fall Neapels durchfurchtes und vom Wunsch nach dem Wiedererstehen seiner Größe flehentlich durchwaltetes Zeugnis ist Sannazaros „Arcadia", als sentimentale bukolische Muse bis heute von einer im Entziffern von Allegorien immer noch mäßig geschulten Literaturwissenschaft mißdeutet und verkannt. Zur gleichen Zeit hatte die spanische Krone die Mauren und Juden, Träger der frühhumanistischen Blüte im Lande, vertrieben oder zwangschristianisiert, und die Dichtung eines Juan del Mena, eines Juan Alfonso de Baena legte ergreifend Zeugnis davon ab. Die erwachenden Nationalliteraturen des 16. Jahrhunderts konnten also auch in der literarischen Verarbeitung des Krieges bei den Italienern in die Schule gehen, mit denen alles anfing. Und als sich die Desillusionierung nach den Erfahrungen mit den korrumpierten weltlichen wie geistlichen Mächten eine Stimme in der Literatur verschaffte, da waren die Spanier mit ihrer Philosophie des desengaño allemal zur Stelle, um den Dichtern das Wort zu leihen. Hinter allen und allem aber, auch daran sei mit Blick auf Späteres an dieser Stelle zu erinnern erlaubt, standen zwei andere unverlierbare Schlüsselgestalten und Stammväter der bis zum Ende der Frühen Neuzeit einen großen Familie der europäischen Literatur: Vergil und
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Kulturelles Umfeld und
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Dante, in dem größten Gedicht der werdenden Neuzeit so friedlich zu Gefährten vereint wie in dem größten an ihrem Ende, in Goethes Faust II, allgegenwärtig als Generatoren der poetischen Phantasie und Spender der mythisch durchwachsenen Bilder: Dort der Dichter der Bürgerkriege und des emporwachsenden und von den Vates geweissagten Friedensreiches; hier der vom Schisma der geistlichen und weltlichen Universalgewalten verzehrte und in die Emigration getriebene Dichter-Denker, in dessen politischer Vision des universalen Friedenskaisers sich die humanistische Wiedergeburt Roms auf italienischem Boden vollzieht. Die trauernde Witwe Roma, das Antlitz verhärmt ob des Leides um ihre sich zerfleischenden Söhne - es ist Dantes nochmals von Vergil inspirierte Schöpfung, die fortan hinter allen schluchzenden und klagenden allegorischen Gestalten der geschändeten Städte, Territorien und Nationen Europas stehen und ihnen ihre unvergängliche poetische Physiognomie leihen wird.1) Man kann von der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts nicht sprechen, ohne ständig auf die europäische zu blicken, und man kann von der in ihr artikulierten Friedenssehnsucht, Friedenshoffnung und Friedensfreude nicht handeln, ohne des Krieges zu gedenken, der ihr wie der neueren europäischen Literatur insgesamt als Kainsmal auf der Stirn geschrieben steht. Die deutsche Literatur war im Konzert der Literaturen der europäischen Mächte ein Spätling. Das hatte vielerlei Gründe, die hier nicht erörtert werden sollen, und barg Gefahren und Chancen zugleich. Gefahren, weil alles bereits gesagt war und in Gefahr stand, zur billigen poetischen Dutzendware zu verkommen; Chancen, weil nach einem Jahrhundert der literarischen Grabenkriege und Glaubenskämpfe die deutschen Geister aufgerufen waren, ihr Pensum in der ersten
') Eine Einführung in bzw. eine Geschichte der frühneuzeitlichen Literatur Europas unter den angedeuteten Aspekten fehlt. Ein Werk wie das von Friedrich Bouterwek, Geschichte der Poesie und Beredsamkeit seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts. 12 Bde. Göttingen 1801-1819, ist in der Geschichte der europäischen Philologie kein zweites Mal zustandegekommen. Erster Versuch einer modernen Ansprüchen genügenden Synopsis in: Klaus Garber (Hrsg.), Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit. Tübingen 1989. Sehr gehaltreich auch der im Rahmen der Propyläen-Literaturgeschichte der westlichen Welt erschienene Band: Renaissance und Barock, 1400-1700. Berlin 1984. Für Osteuropa ist jetzt zu verweisen auf den wichtigen Sammelband: Winfried Eberhard (Hrsg.), Humanismus und Renaissance in Ostmitteleuropa vor der Reformation. Köln u.a. 1996. Eine Einführung in die Literatur der drei großen literarischen und kulturellen Epochen der Frühen Neuzeit mit weiterführender Literatur bei Klaus Garber, Renaissance/Humanismus, in: Ulfert Ricklefs (Hrsg.), Fischer-Lexikon Literatur. 3 Bde. Frankfurt am Main 1996, Bd. 3, 1606-1646; ders., Barock, in: ebd. Bd. 1, 190-249; ders., Aufklärung. Umrisse eines Epochen-Profils im Kontext der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang Asholt/Siegfried Kanngießer (Hrsg.), Literatur, Sprache, Kultur. Festschrift Lothar Knapp. Osnabrück 1996, 41-68. Vgl. auch ders., Nationalliteratur, Europäische, in: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.), Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften. 4 Bde. Hamburg 1990, Bd. 3,491-508, schließlich ders., Krieg und Frieden - Dogmatismus und Toleranz in der Literatur des europäischen Humanismus, in: Heinz Schilling (Hrsg.), 1648 - Krieg und Frieden in Europa (im Druck).
Garber, Sprachspiel und
Friedensfeier
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Aufgabe des Dichters, des Künstlers nachzuholen: die Pflege der Form, also der Sprache, der Bilder, der Verse, der Strophen, der Gattungen. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges waren - von einigen Ausnahmen abgesehen - die ersten Versuche in der neuen klassizistischen, d.h. auf der antiken, neulateinischen und nationalsprachigen, also vornehmlich romanischen Formkultur fußenden Dichtung unternommen worden; Weckherlin, Opitz, Zincgref und andere stehen dafür ein. 2 ) Drei Jahrzehnte später war die immer noch junge deutsche Dichtung vor den Augen der Nation und denen der Gesandten Europas zur Bewährung aufgerufen angesichts der größten Herausforderung, die ihr im Jahrhundert ihres Werdens entgegentrat. Vor allem anderen sollte daran erinnert und immer wieder erinnert werden, daß es keine Selbstverständlichkeit war, wenn sie diese Probe glänzend bestand. Haben wir uns ein Sensorium dafür bewahrt, daß es einem Wunder gleichkam, wie rasch die junge deutsche Literatur die Schlacken der wahrhaft verehrungswürdigen, aber eben biederen, redlichen, hölzernen stadtbürgerlichen Bemühungen vom Schlage Sach-
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) Vgl. zuletzt Klaus Garber, Der Ursprung der deutschen Nationalliteratur zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in: Schilling (Hrsg.), 1648 (wie Anm. 1). Für die Anfänge der neueren deutschen Literatur ist hier vor allem zu verweisen auf Erich Trunz, Deutsche Literatur zwischen Späthumanismus und Barock. Acht Studien. München 1995; Leonard Forster, Kleine Schriften zur deutschen Literatur im 17. Jahrhundert. Amsterdam 1977, 57-160: zu den Vorläufern von Martin Opitz; Heinz Entner, Der Weg zum „Buch von der Deutschen Poeterey". Humanistische Tradition und poetologische Voraussetzungen deutscher Dichtung im 17. Jahrhundert, in: Studien zur deutschen Literatur im 17. Jahrhundert. Hrsg. v. einem Autorenkollektiv des Zentralinstituts für Literaturgeschichte unter der Leitung v. Werner Lenk. Berlin/Weimar 1984, 11-144; Klaus Garber, Zentraleuropäischer Calvinismus und deutsche „Barock"-Literatur. Zu den konfessionspolitischen Ursprüngen der deutschen Nationalliteratur, in: Heinz Schilling (Hrsg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland - Das Problem der „Zweiten Reformation". Gütersloh 1986, 3 0 7 348. Ganz außerordentlich wertvoll auch die ältere Arbeit von Ernst Höpfner, Reformbestrebungen auf dem Gebiete der deutschen Dichtung des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Programm des K. Wilhelms-Gymnasiums. Berlin 1866. Zu dem Dreigestirn Weckherlin Zincgref - Opitz zu Anfang des Jahrhunderts vgl. Leonard Forster, Georg Rudolf Weckherlin. Zur Kenntnis seines Lebens in England. Basel 1944, sowie die in dem Sammelband von Forster, Schriften, zusammengestellten Arbeiten zu Weckherlin; Dieter Mertens/Theodor Verweyen, Bericht über die Vorarbeiten zu einer Zincgref-Ausgabe, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 4, 1972, 125-150; Dieter Mertens, Zu Heidelberger Dichtern von Schede bis Zincgref, in: ZdtA 103, 1974, 200-241; Theodor Verweyen, Zwischenbericht über die Gesammelten Schriften Zincgrefs, in: Wilhelm Kühlmann (Hrsg.), Literatur und Kultur im deutschen Südwesten zwischen Renaissance und Aufklärung. Neue Studien. Festschrift Walter E. Schäfer. Amsterdam/Atlanta, GA 1995, 185-218; Axel E. Walter, Das literarische Schaffen Julius Wilhelm Zincgrefs, in: Schilling (Hrsg.), 1648 (wie Anm. 1); Marian Szyrocki, Martin Opitz. 2. Aufl. München 1974; Barbara Becker-Cantarino (Hrsg.), Martin Opitz. Studien zu Werk und Person. Amsterdam 1982; Klaus Garber, Martin Opitz, in: Harald Steinhagen/Benno von Wiese (Hrsg.), Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts, ihr Leben und Werk. Berlin 1984, 116-184 (mit der Literatur zum literarhistorischen und historischen Kontext); Barbara Becker-Cantarino/Jörg-Ulrich Fechner (Hrsg.), Opitz und seine Welt. Festschrift George Schulz-Behrend. Amsterdam 1990; Wilhelm Kühlmann, Martin Opitz. Deutsche Literatur und deutsche Nation. Herne 1991.
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sens, Folzens, Murners abstreifte und sich unter den Fittichen der Großen Europas, eines Petrarca und B e m b o , eines Garcilaso und Boscän, eines Ronsard und du Beilay, eines Sidney und Spenser, eines van der N o o t und Heinsius und w i e sie sonst heißen m ö g e n zu poetischen Leistungen emporraffte, die in der Tat vielfach den Vergleich nicht zu scheuen brauchten? Was aber heißt das anderes - und w i e sollte es in seinen Konsequenzen auch nur annähernd auf knappstem Raum ausgeschöpft werden - , als daß Deutschland literarisch zurückkehrte in den Kreis der europäischen Nationen, Anschluß fand an die B e mühungen, die nationalen Literaturen an den wiederaufgestiegenen Mustern der Antike zu bilden, klassische Blüten aus der Amalgamierung von Heimischem und Fremdem zu zeugen - wofür in Deutschland, w i e bekannt, dann schließlich doch noch fast zwei Jahrhunderte vonnöten waren. 3 ) D e n literarischen Beitrag der Deutschen zum Frieden im Kontext des Dreißigjährigen Krieges zu schildern, wäre identisch mit der Darstellung dreier Jahrzehnte deutscher Literatur, denn sie ist viel mehr als bislang wahrgenommen von diesem geschichtlichen Drama erfüllt. 4 ). U n s geht es hier um ein paar neue Züge im so vertraut erscheinenden Bild und vor allem um einige wenige Paradigmen aus dem Kreise des Nürnberger Pegnitzordens, vor dessen Augen das große Ereignis der Feier des endlich gekommenen Friedens stattfand. Auf einem zugegebenermaßen etwas ungewohnten Wege soll die Brücke zum Thema „Sprachspiel und Friedensfeier" bei den Nümbergern geschlagen werden. 3
) Vgl. dazu Klaus Garber, Die deutsche Nationalliteratur des 17. Jahrhunderts im historischen Kontext der Deutschen, in: ders./Wilfried Kürschner (Hrsg.), Zwischen Renaissance und Aufklärung. Beiträge der interdisziplinären Arbeitsgruppe Frühe Neuzeit der Universität OsnabrückAfechta. Amsterdam 1988, 179-200. 4 ) Vgl. zuletzt Wilhelm Kühlmann, Krieg und Frieden in der Literatur des 17. Jahrhunderts, in: Schilling, 1648 (wie Anm. 1). Ansonsten ist zu verweisen auf: Karl Schultze-Jahde, Dreißigjähriger Krieg und deutsche Dichtung, in: HZ 143, 1931, 257-297; Paul Truman McCarth, „Hora Maitis". A Study of the Literary Reactions of Seventeenth-Century Writers to the Thirty Years War in Germany. Diss. University of Wisconsin 1940; Brigitte Walter, Friedenssehnsucht und Kriegsabschluß in der deutschen Dichtung um 1650. Phil. Diss. Breslau 1940; Hermann Schneider, Der Dreißigjährige Krieg und die deutsche Dichtung, in: Ludwig Bäte (Hrsg.), Der Friede in Osnabrück 1648. Beiträge zu seiner Geschichte. Oldenburg 1948, 135-146; Gabriele M. Muncker, War in German Literature of the Seventeenth Century. Diss. University of Cincinnati 1950; Will Erich Weber, Die Motive Krieg und Frieden in der Dichtung des deutschen Barock. Phil. Diss. masch. Marburg 1950; Irmgard Weithase, Die Darstellung von Krieg und Frieden in der deutschen Barockdichtung. Weimar 1953; Ferdinand van Ingen, Der Dreißigjährige Krieg in der Literatur, in: Harald Steinhagen (Hrsg.), Zwischen Gegenreformation und Friihaufklärung: Späthumanismus, Barock, 1572-1740. Reinbek bei Hamburg 1985, 237-256. Eine reizvolle Sonderform der auf den Dreißigjährigen Krieg bezogenen Lyrik ist der späte Meistersang. Vgl. dazu Hartmut Kugler, Meisterlieder zum Dreißigjährigen Krieg, in: Horst Brunner/Gerhard Hirschmann/Fritz Schnelbögl (Hrsg.), Hans Sachs und Nürnberg. Bedingungen und Probleme reichsstädtischer Literatur. Nürnberg 1976,289-310. Speziell zur Gustav Adolf-Rezeption: Werner Milch, Gustav Adolf in der deutschen und schwedischen Literatur. Breslau 1928, ND Hildesheim/New York 1977 (mit reichhaltiger Bibliographie, auch zu weiteren Liedanthologien, zur Rezeption Wallensteins etc.)
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Zu dem festen und inzwischen fast schon kanonischen Instrumentarium der neueren Humanismus- und insonderheit Barockforschung gehört der Zugang zu den Texten über das System der Rhetorik.5) Sie steuert jeden Akt der mündlichen Rede wie des verschrifteten Textes, ob pragmatischer oder poetisch-fiktionaler Natur. In diesem Sinn ist die Rhetorik, viel mehr noch als die Poetik, die sehr eigene und von der Praxis unabhängige Themata verfolgt, zur Leitdisziplin der frühneuzeitlichen Literatur avanciert. Rhetorik handelt, um es mit einem einzigen Satz zu sagen, von der Kunst der Erzeugung von kalkulierten emotionalen Wirkungen durch den kalkulierten, kunstvollen Einsatz sprachlicher Mittel. Ursprünglich in der Antike, wie bekannt, ganz auf die situativen und pragmatischen Zwecke vor Gericht, in der politischen Bürgerversammlung, im Rahmen der Prunkrede etc. abgestellt, wandern die in ihr ausgebildeten Praktiken in abgewandelter Form auch in die Dichtung ein und prägen seither den Duktus jeder auf die Antike sich zurückbeziehenden literarischen Äußerung. Diese Mittel wurden in der neulateinischen Dichtung in engster Fühlungnahme mit den antiken Mustern gelernt und gingen von dort in die nationalsprachige Dichtung über. So auch in Deutschland. Es zeichnet die Reformer der ersten Stunde aus, daß sie von dem inzwischen auch in den neueren Literaturen verfügbaren rhetorischen Arsenal behutsam Gebrauch machten. Dies dürfte vor allem auf den Einfluß der unmittelbar vorangehenden niederländischen Literatur mit Heinsius an der Spitze zurückzuführen sein. In der von Richard Alewyn vor siebzig Jahren geprägten und auf Opitz gemünzten Formel vom „vorbarocken Klassizismus" hat dieser Stilzug seine bündige und seither eigentlich nicht mehr in Frage gestellte Charakteristik gefunden. 6 ) Die Großen der Frühzeit, Fleming, Dach, Rist, in vielerlei Hinsicht und unter den Bedingungen des stadtbürgerlichen Südwestens durchaus auch Zincgref, Rompier und Schneuber, ja selbst Weckherlin repräsentieren ihn auf je eigene 5
) Dieses Feld gehört inzwischen zu den bestbestellten der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. Auszugehen ist mit Gewinn immer wieder von Joachim Dyck, Ticht-Kunst, Deutsche Barockpoetik und rhetorische Tradition. Bad Homburg u.a. 1966, 3. Aufl. Tübingen 1991. Die klassische Synopsis dann in dem Werk von Wilfried Barner, Barockrhetorik. Untersuchungen zu ihren geschichtlichen Grundlagen. Tübingen 1970, mit dem besonders wichtigen, abschließenden dritten Teil zur „Verankerung der Rhetorik im Bildungswesen des 17. Jahrhunderts" (protestantische Gelehrtenschule, Jesuitengymnasium, Ritterakademie, Universität). Zu den sozialgeschichtlichen Implikationen grundlegend Volker Sinemus, Poetik und Rhetorik im frühmodernen deutschen Staat. Sozialgeschichtliche Bedingungen des Normenwandels im 17. Jahrhundert. Göttingen 1978. Erwähnt seien sodann zwei ergebnisreiche exemplarische Fallstudien: Barbara Bauer, Jesuitische „ars rhetorica" im Zeitalter der Glaubenskämpfe. Frankfurt am Main u.a. 1986; Georg Braungart, Hofberedsamkeit. Studien zur Praxis höfisch-politischer Rede im deutschen Territorialabsolutismus. Tübingen 1988. Zum europäischen Kontext zuletzt Heinrich F. Plett (Hrsg.), Renaissance-Rhetorik. Berlin/New York 1993. 6 ) Richard Alewyn, Vorbarocker Klassizismus und griechische Tragödie. Analyse der „Antigone"-Übersetzung des Martin Opitz, in: Neue Heidelberger Jahrbücher NF. 1926, 3-63. Auch als Separatdruck: Heidelberg 1926, ND Darmstadt 1962.
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Weise. Die Maxime lautet: enge Verknüpfung von Sache und Sprache, Bindung der Sprache an die Erfordernisse des Gegenstandes und der gewählten Stilhöhe, Kontrolle der Sprache unter dem Aspekt ihrer möglichen Emanzipation von dem Gesagten. Diese Konvention wird binnen einer Generation aufgekündigt, ohne daß man gleich zu neuen Begriffen wie dem des „Manierismus" oder „Barock" greifen müßte, um den vorliegenden Sachverhalt zu bewältigen. Er folgt zunächst schlicht und einfach aus der Logik künstlerischer Produktion, die in jedem gelungenen Werk vor dem Hintergrund des bis dato Geleisteten nach einem Neuen tastet und dieses radikal, weil von der Tradition abweichend und also differenzsetzend im Werk exponiert. Was aber lag näher als einer Sprache, die sich eben erst gebildet hatte und alsbald vorzüglich bewährte, neue Aufgaben abzuverlangen, die ihr als Sprache inhärenten ästhetischen Qualitäten freizulegen und im Werke auszustellen? Fortan und nirgendwo so radikal wie bei den hier zur Rede stehenden Nürnberger Dichtern ist der Gegenstand, das sujet, zunächst und zuerst ein sprachliches Problem. Das muß man wissen, wenn man sich nicht von vornherein den Zugang verbauen will. Seit der Mitte der vierziger Jahre und also in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu unseren Zeugnissen hat die Poesie einen Sprung weit über die Opitzsche Reform hinaus vollzogen; das literarische System ist transformiert worden - und die Nürnberger hatten daran maßgeblichen Anteil. Wir greifen diesen Wandel am exaktesten und gelangen am schnellsten zu unserem Thema, wenn wir ihn aus dem Zentrum des zeitgenössischen Denkens über die Sprache selbst entfalten.7) Die neueren Literaturen Europas konstituierten sich im humanistischen Wetteifer um die je eigene Würde der nationalen Idiome. Das ist eine Folge der italienischen Führungsrolle auch auf diesem Gebiet, denn die Italiener erneuerten im Lateinischen, anders als jedes andere Volk, die Sprache ihrer großen Vergangenheit und statteten ihre nationale Sprache mit dem Nimbus des antiken Paradigmas aus. Folglich mußten auch alle anderen modernen Völker Europas ihre gegenwärtige Sprachpraxis auf einen Ursprung zurückführen, der ihrem Treiben Konsistenz, Legitimität, Dignität verschaffte. Daß wirklich allenthalben in künstlerischen wie in religiösen Dingen ein geschichtlich Neues am Werk war, dafür gibt es keinen triftigeren Beweis als die unaufhörliche Produktion von Ursprungslegenden, die keinen anderen Zweck hatten, als einen Paradigmenwechsel zu fundieren. Auf deutschem Boden führte ein einziger Sprachtheoretiker, Historiker und Chefideologe alle seit dem Frühhumanismus kurrenten linguistischen Diskurse zusammen, der für die Nürnberger wie niemand sonst zur ersten Autorität aufstieg: der am Wolfenbütteler Hof als Prinzenerzieher und Hofbeamter 7
) Dazu zuletzt mit der gesamten Literatur Andreas Gardt, Sprachreflexion in Barock und Frühaufklärung. Entwürfe von Böhme bis Leibniz. Berlin/New York 1994. Vgl. von Gardt demnächst auch den Artikel: Die Sprachgesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Handbuch der Sprachwissenschaft (im Druck).
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wirkende Georg Justus Schottel.8) Er lancierte in weitläufigsten Digressionen und Deduktionen seines schließlich auf 1500 Folioseiten angewachsenen Wälzers von der „Teutschen Hauptsprache" die den Dichtern so sympathische und einladende Vorstellung, daß keine unter den neueren Sprachen Europas der heiligen Ursprache der ersten Schöpfungszeit näher stünde als eben das Deutsche. Beweis? Die Fülle seiner sog. „Stammwörter", in denen sich in Klang, Bild und Bedeutung das geschöpfliche Wesen der Dinge als Folge ihrer in die früheste Zeit zurückreichenden Wurzeln unmittelbar und sozusagen von Gott beglaubigt kund- und zu erkennen gäbe. Darüber wird man lächeln, hat man gelächelt und sich womöglich schon im Nürnberg des 17. Jahrhunderts augenzwinkernd verständigt. Bedenken wir aber, daß den größten Denker zwischen Sebastian Franck und Leibniz, daß Jakob Böhme das Problem der Natursprache zeitlebens umtrieb, so wird wenigstens deutlich, daß wir hier auf eine semantische Tiefenstruktur stoßen, die gerade in der rehabilitierten Mystik ihren genuinen Platz besaß. Allenthalben im Umkreis des Humanismus - und nirgendwo mehr als bei den Nürnbergern - wird sie profanisiert, funktionalisiert, in den poetischen Wettkampf eingerückt, aber damit eben auch probiert, zur Schau gestellt, dem rhetorischen Gesetz der Poesie, von dem wir ausgingen, assimiliert. Mit einem Wort: Wir haben unser Thema, die Friedensfeier, aus dem Geiste der Natur-, Ur- und Hauptsprachenlehre und den Regularien ihrer poetischen Umsetzung - die an einem anderen großen Theoretiker der Zeit, dem Wittenberger Professor für Poetik, August Buchner, orientiert sind - zu entfalten, wenn wir es nicht a priori verfehlen wollen. Vornehmster Ort zur poetischen Behandlung von nicht alltäglichen, sondern herausragenden Ereignissen im geschichtlichen Leben eines Volkes ist nach humanistischer und insonderheit von Petrarca bekräftigter Übereinkunft das vornehmste Genre der europäischen Literatur, das Epos.9) Das galt für die Griechen - Homer - , für die Römer - Vergil - und also auch für die Neueren. Kein Dichter seit Petrarca, welcher auf sich hält, der sich nicht an ihm versucht hätte; keine Gattung der europäischen Literatur, in der die Rate des Scheiterns so groß war: Die Literaturlandschaft ist seit Petrarca mit Ruinen 8
) Grundlegend Jörg Jochen Berns, Justus Georg Schottelius (1612-1676). Untersuchungen zu Leben und Werk. Marburg/Lahn 1972. Vgl. auch ders./Wolfgang Borm, Justus Georg Schottelius, 1612-1676. Ein Teutscher Gelehrter am Wolfenbütteler Hof. Ausstellung und Katalog. Braunschweig 1976. Das Hauptwerk von Schottelius ist jetzt wieder leicht greifbar: Ausführliche Arbeit von der Teutschen HaubtSprache 1663. T. 1-2. Hrsg. v. Wolfgang Hecht. 2. Aufl. Tübingen 1995. 9 ) Eine vergleichende Untersuchung zum national votierenden Epos im Umkreis des europäischen Humanismus fehlt bislang. Vgl. demnächst jedoch Emst Rohmer, Das epische Projekt. Zur Poetik und Funktion des Carmen heroicum in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. Heidelberg 1997, mit der einschlägigen Literatur auch zur europäischen Traditionsgeschichte. Der Artikel von Robert M. Durling, Das Ideal vom Epos, in: Renaissance und Barock, 1400-1700 (wie Anm. 1), 509-527, kapriziert sich, wie üblich, auf die Linie Dante - Tasso - Ariost - Spenser - Milton.
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übersät (die bekanntlich auch ihr Faszinierendes haben). Opitz war bescheiden gewesen, hatte mit seinem „Trostgedichte in Widerwärtigkeit des Krieges" aus dem Jahre 1620/21 die Mitte zwischen Lehrgedicht und Epos gehalten, und kluge Vorsicht hatten auch seine Nachfolger beobachtet.10) Das erzählende Epos, nun in der zeitgenössischen Variante des höfisch-heroischen Prosaromans, war eine Angelegenheit der zweiten Jahrhunderthälfte, als der Krieg vorbei war und die Staaten sich gefestigt hatten. Greilingers Versepos vom Dreißigjährigen Krieg stellt durchaus eine Ausnahme dar.11) Die gegebenen, weil zu bewältigenden Formen bildeten - neben Flugblatt und Emblemliteratur - alle denkbaren Spielarten des Liedes und der Kunstlyrik, die als politische Lyrik ihres Historikers immer noch harrt, und vor allem das Schauspiel.12) Letzteres hatte schon die Ausbreitung der Reformation in das konfes10 ) Zu diesem immer noch verkannten großen Text von Opitz vgl. Garber, Opitz (wie Anm. 2), 145-163; ebd. 182f. Anm. 108, die einschlägige Literatur. Jetzt zu ergänzen um: Jörg-Ulrich Fechner, Martin Opitz' Trostgedichte in der Nachfolge von Petrarcas „De remediis utriusque fortunae"? Eine methodische Überlegung, in: Becker-Cantarino/Fechner (Hrsg.), Opitz und seine Welt (wie Anm. 2), 157-172; Jean Charue, Les „Trost-Gedichte" d'Opitz, in: Le texte et l'idée 10,1995, 81-96. 11 ) Vgl. Kommentar und Nachwort zu der von Peter Michael Ehrte veranstalteten Ausgabe, München 1983. 12 ) Eine eigene Form, deren Zusammenhänge mit der klassizistischen Kunstlyrik nach wie vor der genauen Aufhellung harren, ist das historisch-politische Lied, das im Dreißigjährigen Krieg eine Hochkonjunktur erlebte. Die nach wie vor klassische Dokumentation der Lied-Publizistik stammt von dem großen Sammler, Bibliographen und Publizisten Emil Weller, Die Lieder des Dreißigjährigen Krieges nach den Originalen abgedruckt, mit einer Einleitung von Wilhelm Wackemagel. 2. Aufl. Basel 1858 (dem ND, Hildesheim 1968, liegt merkwürdigerweise die erste Auflage aus dem Jahre 1855 zugrunde). Nachträge unter dem Titel: Zur poetischen Literatur des dreißigjährigen Krieges, in: Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit NF. 9, 1862, 84-87, 115-118, 151-155. XVL des Grundwerkes eine sehr wertvolle „Bibliographie der Lieder des dreißigjährigen Krieges". Vgl. von Weller auch: Historische Lieder und Gedichte, in: Serapeum 28, 1867, 157-160, 173-176, 190-192, 205-208, 223 f., 237-240, 255 f., 270-272, 287 f.; 29, 1868, 320. Zur Erschließung vgl. Richard Müller, Über die historischen Volkslieder des 30jährigen Krieges, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte 2, 1895, 199-216, 284-301; Gerhard Heine, Lieder und Gedichte des dreißigjährigen Krieges als Spiegel der Zeit, in: Deutsch-evangelische Blätter 22, 1897, 613-624; Julius Becker, Über historische Lieder und Flugschriften aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Phil. Diss. Rostock 1904; Erwin Schröder, Das historische Volkslied des dreißigjährigen Krieges. Phil. Diss. Marburg 1916; Annemarie H. Delfs, Die politische Lyrik des Dreißigjährigen Krieges. Diss. University of California. Berkeley 1934. - Eine dankbare Quelle für die Kenntnis des historisch-politischen Liedes ist natürlich die reiche Flugblattliteratur. Vgl. dazu die grundlegend gebliebene Sammlung: Julius Opel/Adolf Cohn (Hrsg.), Der Dreißigjährige Krieg. Eine Sammlung von Gedichten und Prosadarstellungen. Halle/Saale 1862. Dazu die gleichfalls grundlegende Untersuchung von Rolf Wilhelm Brednich, Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jahrhunderts. Bd. 1-2. Baden-Baden 1974/75. Zur Gattung selbst Michael Schilling, Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland bis um 1700. Tübingen 1990; Wolfgang Adam, Das Flugblatt als kultur- und literaturgeschichtliche Quelle der Frühen Neuzeit, in: Euphorion 84, 1990, 187-206. Dazu zuletzt jeweils mit weiterer Literatur Silvia Serena Tschopp, Heilsgeschichtliche Deutungsmuster in der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges. Pro- und antischwedische Propaganda in
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sionelle Zeitalter hinein begleitet, hatte am protestantischen und Jesuitengymnasium seinen festen Platz und war über die Wandertruppen auch in den Städten präsent, so daß frühzeitig der Versuch gewagt werden konnte, das alles beherrschende Thema des Krieges und die an seinen Fersen haftende Hoffnung auf Frieden im Schaustück poetisch zu verarbeiten. Der Statthalter Opitzens im Norden, Johann Rist, der schon erwähnte Schottel und andere haben diesen Weg beschritten, der hier leider nicht verfolgt werden kann. 1 3 ) Wenn wir nun Nürnberger Boden betreten, müssen wir von Anfang an wissen, daß wir uns auch in dieser Hinsicht, im Blick nämlich auf das Schaustück, nochmals auf gänzlich verändertem Terrain bewegen. Denn erst in Nürnberg werden alle denkbaren Konsequenzen aus dem literatur- w i e theatergeschichtlich vielleicht bedeutendsten Ereignis der nachmittelalterlichen neueren europäischen Literatur gezogen: der Ausbildung der Gattung Oper und also der Vermählung von Wort, Bild, Gebärde und Musik. D i e Neueren wußten und betonten unaufhörlich, daß die Alten diese Kunstform in dieser Spielart nicht gekannt hatten. W o also war der Wettstreit mit ihnen erfolgreicher aufzunehmen und zu bestehen als eben auf diesem Felde? D i e Oper speziell, die Verschwisterung von Wort und Musik generell, war die Offenbarung für die
Deutschland 1628 bis 1635. Frankfurt am Main u.a. 1991; Wolfgang Harms, Feindbilder im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit, in: Franz Bosbach (Hrsg.), Feindbilder. Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit. Köln u.a. 1992,141-177; Maria Pfeffer, Flugschriften zum Dreißigjährigen Krieg aus der Häberlin-Sammlung der Thum- und Taxisschen Hofbibliothek. Frankfurt am Main u.a. 1993. Zu weiteren publizistischen Formen jetzt sehr ergiebig Konrad Repgen, Der Westfälische Friede und die zeitgenössische Öffentlichkeit, in: HJb 117,1997, 38-83, insbes. 43 ff. I3 ) Das Kriegs- und Friedensdrama des 17. Jahrhunderts hat einer patriotisch beflügelten Philologie im Kaiserreich willkommenen Anlaß für die Behauptung eines nicht versiegenden nationalen Borns inmitten von Fremdherrschaft und ä la mode-Wesen geboten. Eine neue Untersuchung fehlt leider. Vgl. zusammenhängend zuletzt Josef Jansen, Patriotismus und Nationalethos in den Flugschriften und Friedensspielen des Dreißigjährigen Krieges. Phil. Diss. Köln 1964. Zur Gattung auch (mit irreführendem Titel) Berta Müller, Der Friede von Osnabrück und Münster im Lichte der dramatischen Literatur des 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. masch. Frankfurt am Main 1922. Zum „patriotischen Ethos" wegen des gebotenen Materials immer noch heranzuziehen Kurt Wels, Die patriotischen Strömungen in der deutschen Literatur des Dreißigjährigen Krieges, nebst Anhang: Das tyrtäische Lied bei Opitz und Weckherlin in ihrem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Phil. Diss. Greifswald 1913. Zu Rist: Otto Heins, Johann Rist und das niederdeutsche Drama des 17. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte. Marburg 1930; Ingrid Schiwek, Theater zwischen Tradition und Neubeginn. Die Zwischenspiele des Johann Rist, in: Studien zur deutschen Literatur im 17. Jahrhundert (wie Anm. 2), 145-251, bes. „Das Friedensspiel .Irenaromachia"', 210-236, und „Rists spätere Friedensspiele und seine Impulse für die nachfolgende deutsche Dramatik", 236-251. Zu Schottel zuletzt die gründliche Arbeit von Sara Smart, Justus Georg Schottel and the Patriotic Movement, in: Modern Language Review 84, 1989, 83-98. Vgl. zum Kontext auch Jörg Jochen Berns, TrionfoTheater am Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel, in: Höfische Festkultur in BraunschweigWolfenbüttel 1590-1666. Amsterdam 1982, 663-710, 673-694, grundlegend zu Schottels „Friedens-Sieg".
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Nürnberger. Bis zur Romantik ist auf deutschem Boden keine so innige S y m biose beider mehr geglückt. Wenn die Sprache der Deutschen nach der Vorstellung Schottels und vieler anderer der Schöpfung näher steht als jede andere, ihre Stammwörter das Wesen der D i n g e klarer symbolisieren als jede andere Sprache, ihre Laute die Klänge der Natur reiner und differenzierter nachahmen als die jeder anderen, wenn Poesie ihren vornehmsten Auftrag in der Entbindung der Sprache der Dinge über die musikalischen Potenzen der Dichtung empfangt, wie sollte da nicht das Bündnis mit der wortlosen, immateriellen, Sinnliches und Geistiges verschmelzenden Schwesterkunst, auch mit der zeichenhaft auf das Wesen der D i n g e verweisenden Malerei gesucht werden? 1 4 ) Womit wir bereits i m Zentrum der Nürnberger Literatur- und Kunstdebatten stehen, die man kennen muß, wenn man einen Zugang zu ihren Friedensspielen gewinnen will. 1 5 ) Der Nürnberger Dichterkreis, der sich ab 1644 im sog. 14 ) Zu diesem hier eben nur anzudeutenden Komplex ist nach wie vor auszugehen von Wolfgang Kayser, Die Klangmalerei bei Harsdörffer. Ein Beitrag zur Geschichte der Literatur, Poetik und Sprachgeschichte der Barockzeit. Leipzig 1932, 2. Aufl. Göttingen 1962, mit dem für die Nürnberger besonders wichtigen Kapitel zur „Sprachtheorie als Grundlage für die Verwendung der Klangmalerei", 137 ff. Zur Symbiose von Text und Musik bei den Nürnbergem jetzt vor allem die Arbeiten von Maria R. Wade. Vgl. Maria R. Wade, The German Baroque Pastoral „Singspiel". Bern u.a. 1990; dies., Das „Historische Konzert" im Kontext. Literarische Musikkultur des 17. Jahrhunderts in Nürnberg, in: John Roger Paas (Hrsg.), der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, 114-131. Hier und im Artikel „Nürnberg" von Franz Krautwurst, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Bd. 9. Kassel/Basel u.a. 1961, Sp. 17451762, die gesamte vorangehende Literatur (Neuauflage des MGG-Artikels vor dem Erscheinen).. Der Zusammenhang zwischen Sprachtheorie des 17. Jahrhunderts, Klangmalerei und Pastorale bei den Nürnbergern ist zuletzt gut herausgearbeitet bei Jane O. Newman, Pastoral Conventions, Poetry, Language, and Thought in Seventeenth-Century Nuremberg. Baltimore/London 1990. Zur Emblematik der Nürnberger vgl. jetzt die von Dietmar Peil veranstaltete Ausgabe der „Drei-ständige(n) Sonn- und Festtag-Emblemata, oder Sinne-bilder" von Johann Michael Dilherr/Georg Philipp Harsdörffer. Hildesheim/New York 1994. Ergiebig auch Willard James Wietfeld, The Emblem Literature of Johann Michael Dilherr (1604-1669), an Important Preacher, Educator and Poet in Nürnberg. Nürnberg 1975, sowie Jean Daniel Krebs, Georg Philipp Harsdörffers geistliche Embleme zwischen katholisch-jesuitischen Einflüssen und protestantischen Reformbestrebungen, in: Dieter Breuer (Hrsg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock. Wiesbaden 1995, 539-552. 15
) Eine große moderne Gesamtdarstellung des Pegnesischen Blumenordens fehlt ebenso wie eine Darstellung der sog. „Sprachgesellschaften" des 17. Jahrhunderts. Den schönsten Einblick in die sozietären Praktiken wie die ästhetischen Verlautbarungen und künstlerischen Manifestationen der Nürnberger vermittelt jetzt die zum 350jährigen Jubiläum verfaßte, für einen weiteren Kreis konzipierte Einführung von Renate Jürgensen, Utile cum dulci. Mit Nutzen erfreulich. Die Blütezeit des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg 1644 bis 1744. Wiesbaden 1994 (mit reichhaltigen Literaturangaben). Zum gleichen Anlaß wurde unter Leitung von John Roger Paas eine interdisziplinäre Konferenz in den historischen Räumen des Nürnberger Rathauses abgehalten, dokumentiert im Sammelband der Franken Rom (wie Anm. 14). Das bio-bibliographische Grundwerk stammt von Johann Herdegen, Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- und Blumenordens an der Pegnitz Anfang und Fortgang biß auf das durch Göttl. Güte erreichte Hundertste Jahr. Nürnberg
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„Pegnesischen Hirten- und Blumenorden" zusammenschloß, hatte das Glück, als Mentor, Patron und Promotor in den ersten Jahren einen Mann an seiner Spitze wirken zu sehen, der w i e niemand sonst im zeitgenössischen Deutschland Kenntnis besaß von den neuesten ästhetischen Debatten, die in Europa geführt und deren kühnste Experimente soeben in Italien und Spanien unternommen wurden. Dank dem Nürnberger Patriziersohn Georg Philipp von Harsdörffer sind sie dem zeitgenössischen Deutschland und insonderheit den Nürnbergern frühzeitig vermittelt worden. 1 6 ) D i e singuläre Stellung der alten Reichsstadt zwischen Nord und Süd, Protestantismus und Katholizismus, Reichstagsdeutschland und Habsburgdeutschland schien sich in seiner Gestalt in einer Vermählung germanischer und romanischer Geistigkeit ein einziges Mal zu erfüllen. D i e Nürnberger Dichtung empfing daraus einen Impuls, der sich in einem unverwechselbaren Ton jeder gelungenen poetischen Schöpfung aus ihrem Kreis mitteilte. In dem ersten kulturpolitischen Jahres-Periodikum auf deutschem Boden, den Frauenzimmergesprächspielen, kündete Harsdörffer in der'den Italienern abgelauschten Kunst des Gesprächs von dieser vielleicht schönsten Begegnung des deutschen Geistes im 17. Jahrhundert und 1744. Es ist soeben von Renate Jürgensen auf der Basis der reichhaltigen Bestände der Nürnberger Bibliotheken gänzlich revidiert worden; ejn Druck der umfänglichen Arbeit wird vorbereitet. Die Literatur zum Pegnesischen Blumenorden auch in der Bibliographie zu den deutschen Sprachgesellschaften von Ulrich Seelbach/Georg Schild, in: Die Deutsche Literatur. Biographisches und bibliographisches Lexikon. Reihe 3: Die Deutsche Literatur zwischen 1620 und 1720. Hrsg. v. Hans-Gert Roloff/Gerhard Spellerberg. Abt. B: Forschungsliteratur 1. Lieferung 3. Bern u.a. o.J., 212-238, 230-232. Zum Kontext der deutschen wie der europäischen Sprachgesellschaften und Akademien: Klaus Garber/ Heinz Wismann (Hrsg.), Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. 2 Bde. Tübingen 1996. I6 ) Zu Harsdörffer vgl. jetzt den gelungenen, reichen Sammelband: Italo Michele Battafarano (Hrsg.), Georg Philipp Harsdörffer, ein deutscher Dichter und europäischer Gelehrter. Bern u.a. 1991. Vgl. unter dem angedeuteten Aspekt auch ders., Harsdörffers Beitrag zur Entprovinzialisierung deutscher Kultur, in: Volker Kapp (Hrsg.), Nürnberg und Italien. Einflüsse und Ideen. Tübingen 1991, 213-226; ders., Vom Dolmetschen als Vermittlung und Auslegung. Der Nürnberger Georg Philipp Harsdörffer - ein Sohn Europas, in: Paas (Hrsg.), der Franken Rom (wie Anm. 14), 196-212; Christoph E. Schweitzer, Harsdörffer, Quevedo, Espinosa und Arcimboldo, in: ebd. 213-223; Jean-Daniel Krebs, Georg Philipp Harsdörffer liest die französischen Dichter, in: ebd. 224-242 (jeweils mit weiterer Literatur). Die grundlegende biographische Studie stammt von Theodor Bischoff, Georg Philipp Harsdörffer, ein Zeitbild aus dem 17. Jahrhundert, in: Festschrift zur 250jährigen Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens. Nürnberg 1894, 1-474. Der Lebensweg wurde auf der Basis der verfügbaren Archivalien nochmals gründlich recherchiert von Georg Adolf Narciss, Studien zu den Frauenzimmergesprächspielen G. P. Harsdörffers (1607-1658). Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1928. Dazu sind neben der erwähnten Arbeit von Kayser, Klangmalerei (wie Anm. 14) - vor allem getreten: Jean-Daniel Krebs, Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658). Poétique et Poésie. 2 Vols. Bern u.a. 1983; Irmgard Böttcher, Der Nürnberger Georg Philipp Harsdörffer, in: Steinhagen/von Wiese (Hrsg.), Dichter (wie Anm. 2), 289-346 (auch sehr wichtig zum Orden insgesamt, mit reichhaltiger Literatur).
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hob in Theorie und Praxis die deutsche Dichtung auf ein neues Niveau. „Die Reimkunst ist ein Gemälde/ das Gemälde eine ebenstimmende Music/ und diese gleichsam eine beseelte Reimkunst". 1 7 ) D i e s e s Verweisen der Künste aufeinander, diese ihre Affinität zueinander, ihr Sich-Stützen, Verstärken, Entbinden, ihr geheimes Streben zu einem „Gesamtkunstwerk", w i e es im 19. Jahrhundert aus ganz anderem Geiste i m Zeichen Wagners heißen wird, ist - aus tausend Quellen gespeist, in unendlich vielen Variationen durchgeführt geheimes Zentrum aller Nürnberger Beiträge zur Pflege der erneuerten deutschen Literatur und allein ihr Geheimnis und ihre Sendung geblieben. S o auch in ihren Kriegs- und Friedens-Schöpfungen. 1 8 ) Wir beschränken uns auf die große Trias der Ordensgründer Harsdörffer - Klaj - Birken; ein wenig bekannter, aber höchst bedeutender und auch für die Friedensdichtung einschlägiger Einzelgänger - Johann H e l w i g - wird an anderer Stelle zur Sprache kommen.19) Harsdörffers Frauenzimmergesprächspiele sind durchsetzt von der Kriegsund Friedensthematik; sie können an dieser Stelle nicht ausgeschöpft werden. 2 0 ) Im selben Jahr 1641, da Harsdörffer den ersten Band der achtteiligen Serie vorlegte, erschien seine „Germania deplorata". 21 ) Mit ihr finden die 17 ) Georg Philipp Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele. T. 3. Nürnberg 1643, 242. Parallele Äußerungen etwa im zweiten Teil, 2. Aufl. Nürnberg 1657, 304; ebd. T. 3, 171; T. 4. Nürnberg 1644, 157; T. 5. Nürnberg 1645, 17. Nähere Angaben zu dem Werk unten Anm. 20. 18 ) Zur Nürnberger Friedensdichtung zuletzt Hartmut Laufhütte, Das Friedensfest in Nürnberg 1650, in: Schilling (Hrsg.), 1648 (wie Anm. 1). Vgl. auch: ders., Der gebändigte Mars. Kriegsallegorie und Kriegsverständnis im deutschen Schauspiel um 1648, in: ders./HansJürgen Horn (Hrsg.), Ares und Dionysos. Das Furchtbare und das Lächerliche in der europäischen Literatur. Heidelberg 1981,121-135. Instruktiv auch der Spezialbeitrag von Gerd Dethlefs, Die Nürnberger Dichterschule und die Friedensmedaillen 1648/50, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 16, 1989, 1-18. Vgl. zum Folgenden auch den besonders ergiebigen Beitrag von Bernd Roeck in diesem Band. 19 ) Vgl. dazu den Beitrag von Klaus Garber in: ders. (Hrsg.), Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit Europas. Tübingen 1998 (im Druck), mit der bislang eingehendsten Interpretation von Johann Helwigs „Nymphe Noris" sowie der gesamten einschlägigen Literatur. 20 ) Eine Spezialarbeit zu diesem ergiebigen Thema fehlt. Vgl. jedoch Rudolf Drux, Sprachspiele gegen den Krieg. Ein Beitrag zur poetischen Nachahmung bei Harsdörffer, in: Battafarano (Hrsg.), Harsdörffer (wie Anm. 16), 83-103. Das achtteilige Gesamtwerk leicht greifbar als ND mit Beigaben von Irmgard Böttcher, Tübingen 1968/69. Dazu Narciss, Studien (wie Anm. 16), sowie Rosemarie Zeller, Spiel und Konvention im deutschen Barock. Untersuchungen zu Harsdörffers „Gesprächspielen". Berlin/New York 1974. Zur Gattung vgl. Rolf Hasselbrink, Gestalt und Entwicklung des Gesprächspiels in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. masch. Kiel 1956. 21 ) Das Werk ist bislang nicht eingehend interpretiert worden. Vgl. Bischoff, Harsdörffer (wie Anm. 16), 30ff.; Curt von Faber du Faur, German Baroque Literature. New Häven 1958, 136. Zum politischen und werkgeschichtlichen Kontext vgl. vor allem die grundlegende (und immer noch allein stehende) Untersuchung von Ferdinand Josef Schneider, Japeta (1643). Ein Beitrag zur Geschichte des französischen Klassizismus in Deutschland. Stuttgart 1927.
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Nürnberger Anschluß an ein seit Opitz, Fleming, Moscherosch gern behandeltes und über den deutschen in den europäischen Humanismus zurückführendes Thema. 2 2 ) Seit der Wiederkehr der antiken Literatur unter dem Stein Petrarcas stand die gefestigte Nation, einmal in republikanischem, einmal in caesaristischem Gewände den Humanisten vor Augen; sie blieben bis an die Schwelle der Aufklärung - einmal i m Bündnis mit den Stadtstaaten und freien Reichsstädten, einmal unter dem Schutze fürstlicher Herrschaft, und eine kleine, aber bedeutsame Zeitspanne i m Einklang mit den Monarchien - Promotoren und Propagatoren des konfessionsneutralen und über die Weltanschauungen hinweg geeinten Staates - und dies bekanntlich niemals leidenschaftlicher als in der Zeit der europäischen Bürgerkriege. 2 3 ) Freiheit, so Harsdörffer, sei die Losung allenthalben, aber hinter ihr w i e der prätendierten religiösen Wahrheit und Reinheit verbergen sich Eigennutz,
Machtgier,
Expansionstrieb. D i e religiöse Parole sieht sich d e m Verdacht der Ideologie ausgesetzt, und die Humanisten sind aufgerufen, jenseits der beschädigten Konfessionen und dem nicht enden wollenden Fortzeugen von Sonderbildungen nach dem Übergreifenden und die Bürger Verbindenden zu suchen. Gerechtigkeit und Frieden sind Freundinnen; dieses Augustinsche Motto steht über dem Traktat. Darum sei diejenige Religion eine grausame und zu bekämpfende, die alle Menschen zu einer einzigen Glaubensform zwingen will. 22
) Eine Gesamtdarstellung steht wiederum aus. Die Trennung zwischen Humanismus- und Barock-Philologie macht sich bei einem Thema wie dem angesprochenen besonders fatal geltend. Die über die Tacitus-Rezeption vermittelte „Germania"-Vogue des deutschen Humanismus geht bruchlos über in das 17. Jahrhundert und verschmilzt mit dem kulturpolitischen Programm einer nationalsprachigen Literatur. Diese Filiationen sind bislang nur angedeutet, nicht aber im einzelnen verfolgt worden. Vgl. den Sammelband: Garber (Hrsg.), Nation und Literatur (wie Anm. 1), mit den Beiträgen von Garber und Kühlmann zum Thema sowie Entner, Humanistische Tradition (wie Anm. 2). Die Literatur zur Germanenrezeption im Humanismus bei Garber, Opitz (wie Anm. 2), 180 f. Anm. 72, sowie in: Die Deutsche Literatur. Biographisches und bibliographisches Lexikon. Reihe 2: Die deutsche Literatur zwischen 1450 und 1620. Hrsg. v. Hans-Gert Roloff. Red. Jörg Jungmayr. Abt. B: Forschungsliteratur 1. Lieferung 6. Bern u.a. 1985,421-424. Zuletzt Hartmut Riemenschneider, Sprachpatriotismus. Nationale Aspekte in der literarischen Kultur des deutschen Barock, in: Helmut Scheuer (Hrsg.), Dichter und ihre Nation. Frankfurt am Main 1993, 38-52, sowie Rudolf Drux, Die Dichtungsreform des Martin Opitz zwischen nationalem Anspruch und territorialer Ausrichtung, in: ebd. 53-67. Zum Kontext mit der gesamten Literatur Jörn Garber, Vom universalen zum endogenen Nationalismus. Die Idee der Nation im deutschen Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: ebd. 16-37. Zur Zeitklage vgl. auch die wichtigen Bemerkungen bei Wilhelm Kühlmann, Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982, 31 ff. Dazu jetzt die Anm. 4 erwähnte Arbeit Kühlmanns. Zum Ursprung der Klagen um Rom und Italien bei Dante und Petrarca immer noch am triftigsten Konrad Burdach, Rienzo und die geistige Wandlung seiner Zeit. Berlin 1913-1928, 46ff.,61 ff. 23 ) Zum Zusammenhang mit der Literatur vgl. Klaus Garber, Die Friedens-Utopie im europäischen Humanismus: Versuch einer geschichtlichen Rekonstruktion, in: Modern Language Notes 101, 1986, 516-552.
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Aus dieser Wurzel rührten die Greuel der Bartholomäusnacht, das Wüten Albas in den Niederlanden, die nicht endenden Kriegsnöte in Deutschland. Genau so hatten Bernegger, Opitz, Zincgref zu Anfang des Krieges gesprochen und ihre warnende Stimme erhoben.24) Der antikatholische Einschlag ist hier wie dort über die Paradigmen unverkennbar, die Wiedererlangung der handlungsfähigen, geeinten Nation immer noch, wie achtzig Jahre vorher bei den politiques in Frankreich, das Angebot, das die Vertreter der dritten Kraft in die Wagschale zu werfen haben - das historisch einzig triftige, wie es rückblickend immer wieder scheinen will. Die Angehörigen der Nation als Brüder, die Bewohner Europas als Christen, die Untertanen jedweder Staatsform als leidende, schonungbedürftige, einer gerechten Obrigkeit harrende Geschöpfe - das ist die Trias, in der die Harsdörffersche Argumentation mit der aller auf Erasmus zurückblickenden Humanisten zusammenläuft und in der ihre an die Öffentlichkeit tretenden Sprecher koinzidieren. Und das natürlich auf Latein, denn nur so war die Internationalität der Wirkung gesichert, nur so aber auch der ängstliche Rat der Stadt zu beschwichtigen, der nichts mehr fürchtete als den politischen Bazillus unter dem Volk in seinen Mauern. Erfolgt der Übergang zum Deutschen, wie zwei Jahre später in dem Schaustück „Japeta", so ist die allegorische Verrätselung in Barclayscher Manier so perfekt, daß die Literaturwissenschaft erst in diesem Jahrhundert das Rätsel der Verfasserschaft zu lösen vermochte.25) Ein weiteres Jahr später - 1644 - trat Harsdörffer zusammen mit Johann Klaj im „Pegnesischen Schäfergedicht" hervor, das wiederum ein Jahr später von Sigmund von Birken als Ursprungsdokument des Pegnesischen Blumenordens deklariert wurde.26) Ein ganzer Beitrag könnte leicht der Konfiguration von Krieg und Frieden in diesem vermeintlich leicht dahingetupften und doch hintergründigen, allegorischen Werk gewidmet sein, in und mit dem die beiden Nürnberger Ordensarchegeten bereits den Zenit ihrer sprachlichen Artistik erreichten. Können empfängliche Leser den Auftritt der erbärmlich wehklagenden melancholischen Schäferin Pamela vergessen, der die beiden 24
) Zu Bernegger und seiner „Tuba Paris" vgl. Waltraud Foitzik, Tuba Pacis. Matthias Bernegger und der Friedensgedanke des 17. Jahrhunderts. Phil. Diss. Münster 1955. Zum Tacitismus und der „politischen" Philosophie im Umkreis Bemeggers Kiihlmann, Gelehrtenrepublik (wie Anm. 22), 43 ff. 25 ) Das eben ist das Verdienst Ferdinand Josef Schneiders. Vgl. Anm. 21. 26 ) Eine eingehende Interpretation des „Pegnesischen Schäfergedichts" (1644) von Harsdörffer und Klaj und der „Fortsetzung der Pegnitz-Schäferei" (1645) von Sigmund von Birken wurde für den Nürnberger Jubiläums-Kongreß 1994 vorbereitet und wird an anderer Stelle publiziert werden. Vgl. Klaus Garber, Vergil und das „Pegnesische Schäfergedicht". Zum historischen Gehalt pastoraler Dichtung, in: Martin Bircher/Eberhard Mannack (Hrsg.), Deutsche Barockliteratur und europäische Kultur. Hamburg 1977, 168-203, sowie die besonders schöne neue Arbeit von Silvia Serena Tschopp, Friedensentwurf. Zum Verhältnis von poetischer Struktur und historischem Gehalt im „Pegnesischen Schäfergedicht" von G. Ph. Harsdörffer und J. Klaj, in: Compar(a)ison 1993, 217-237.
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Hirtendichter da vor den Toren der alten freien Reichsstadt inmitten einer arkadisch-paradiesischen Natur unversehens begegnen? Es schlürfen die Pfeiffen/ es würblen die Trumlen/ Die Reuter und Beuter zu Pferde sich tumlen/ Die Donnerkartaunen durchblitzen die Lufft/ Es schüttern die Thäler/ es splittert die Grufft/ Es knirschen die Räder/ es rollen die Wägen/ Es rasselt und prasselt der eiserne Regen/ Ein jeder den Nechsten zu würgen begehrt/ So flinkert/ so blinkert das rasende Schwert. Ach wer wird mir Ruhe schaffen/ Wann die niemals müde Waffen/" Wüten mit Nahm/ Raub und Brand/ In des Kriegers Mörderhand. Welche meine Schmertzensflamme Treiben/ sind vom Teutschen Stamme: Kein Volk hat mich nie bekriegt Und den Meinen obgesiegt. Sehet an die freyen Anken/ Welche man heut nennet Franken/ Haben sie der Galljer Krön Nicht erhaben in den Thron? Sehet an der Gothen Ahnen/ Kennet ihr die Löwenfahnen? Sind sie nicht von alter Zeit Von der Teutschen Adelheit? Wie kan dann die Drachengallen Unter Nahgesipten wallen? Wie hat doch der Haß forthin Gantz durchbittert ihren Sinn? Meine Söhne/ ihr seyd Brüder/ Leget eure Degen nieder! Schauet doch mein Mutterherz Threnen/ ob dem Heldenscherz! Last ihr euch nicht erbitten erbitterte Brüder? Sind das dann Freundesitten vereinigter Glieder? Mein Bitten ist ümsunst/ Umsonst ist alles Bitten/ Die hohe Kriegesbrunst Läst sich nicht so entschütten. Sie flammet liechterloh/
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Geschwinder als das Stroh/ Die Zehren fliesset ab Und gräbt der Städte Grab. Sol dann mich/ mich Mutterland/ meiner Söhne Schand beflekken? Und als eine Mördergrub mit verruchten Greul bedekken? Muß ich dann zum Raube werden/ als des Krieges Jammerbeute/ Und zwar nicht durch fremde Waffen/ sondern meiner Landesleute. Ihr nicht so meine Söhn'/ erweichet euren Sinn/ Bedenket wer ihr seyd und wer ich Arme bin.27) Der Literaturwissenschaftler hat vor der versammelten Zunft der Historiker, Juristen und Theologen nicht mehr in die Wagschale zu werfen als Gebilde beispielsweise dieses Zuschnitts, von denen er wähnt, daß sie ganz vergangen, ganz abgelebt vielleicht doch nicht seien. Es sei ihm erlassen, sein Handwerkszeug auszupacken und eine Musterinterpretation zu liefern; sie würde lange währen und viel zu weit führen. Der stilistische Gestus bedarf nicht der Rekapitulation, er ist sinnfällig. Die Klänge, Bilder, Metaphern, Rhythmen, Melodien entheben den prosaischen geschichtlichen Sachverhalt den realen Ordnungen und überführen sie in das Medium der Kunst, auf daß Abstand hergestellt, Bewunderung hervorgelockt, ein Resonanzraum erzeugt wird, in den einzustimmen der Leser eingeladen bleibt: Genuß also des heiteren Spiels und Nachsinnen des tödlichen Ernstes über die Zeiten hinweg - was anderes wären Auftrag und Geschenk der Kunst? Daß die Sprache vor dem Krieg nicht resigniert, daß sie ihn zu bannen, in Klang und Bild vernehm- und anschaubar zu halten weiß, auch das will als Auszeichnung der sprachbegabten Gattung Mensch gewürdigt und durch jedes gelungene Gedicht bekräftigt sein. Die artistische Raffinesse ist ausgestellt zu Lob und Anerkennung, gewiß, in klangmalende bildzeugende Sprache aber umgesetzt, ist der Krieg doch auch ontologisiert, dingfest gemacht, erkannt in seinem Wesen und somit zugleich zur Gegenwehr aufgerufen von Seiten aller der Sprache, der Einsicht fähigen Wesen. Dieses minimale Quentchen Hoffnung setzt die Kunst auch der Nürnberger dem Rasen der kriegerischen Vernichtung entgegen, nicht mehr, nicht weniger. Man sollte das Bild von den stammverwandten Franzosen und 27
) Das „Pegnesische Schäfergedicht" ist mit einem instruktiven Nachwort von Eberhard Mannack leicht greifbar in: Die Pegnitz-Schäfer. Nürnberger Barockdichtung. 2. Aufl. Stuttgart 1988, 18-64. Ein Faksimile-Druck dieses Werkes sowie der „Fortsetzung der Pegnitz-Schäferei" mit einem eingehenderen Nachwort liegt vor in: Georg Philipp Harsdörffer/Sigmund von Birken/Johann Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht 1644-1645. Hrsg. v. Klaus Garber. Tübingen 1966. Zitate im folgenden nach dieser Ausgabe, hier 14f. Interpretation eines verwandten Gedichts bei Ingeborg Springer-Strand, „Der Kriegsmann wil ein Schäfer werden" oder Krieg, Frieden und Poesie in Harsdörffers „Friedenshoffnung", in: Gedichte und Interpretationen. Bd. 1: Renaissance und Barock. Hrsg. v. Volker Meid. Stuttgart 1982, 246-254.
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Schweden nicht überstrapazieren. Es war Gemeingut der Zeit und wird im Gedicht bemüht, um die Eintracht nicht nur der Deutschen im alten Reich, sondern die Eintracht der Europäer ganz im Sinne der „Germania deplorata" zu beschwören. Noch jenseits der Grenzen der Nation lebt nach gut humanistischem Verständnis, das diese Form des Nationalismus eben von dem späteren, nachrevolutionären scheidet, der prinzipiell Gleichgesinnte, und ihrer aller Feind ist nur der diese Gleichheit nicht Anerkennende, das Partikulare über das Allgemeine Setzende. Pamela, die von Sinnen gekommene Schäferin, steht als allegorische Gestalt des sich zerfleischenden Deutschland und zugleich als urbildliche Präfiguration eines in der Völkerwanderung sich herausformenden christlichen Europa, so daß jede Versehrung eines der Glieder der großen Gemeinschaft die ehrwürdige Mutter ins Herz trifft. Franzosen und Schweden, die Protagonisten in der Schlußphase des Krieges, mögen sich an den gemeinsamen Ursprung erinnern und erinnern lassen, um auf das Eine sich zu besinnen, an dem das geknebelte Teutschland zu genesen vermag: die flinkernden und blinkernden Schwerter sinken und endlich Frieden einkehren zu lassen. Das ist die zeitgenössische Transfiguration der Danteschen trauernden Roma, die als Archetypus hinter allen den verzweifelten Mütterfiguren der Frühen Neuzeit ihr Haupt erhebt.28) Harsdörffer hat sich an den Friedensfeierlichkeiten 1649/50 nur noch mäßig beteiligt.29) Er hatte sich ein Jahr vorher im Lobpreis des Feldmarschalls Wrangel nach Meinung der überängstlichen, stetig auf den Kaiser blickenden Stadtväter zu weit vorgewagt und ungeachtet seiner Stellung und seines Ruhms sieben Tage lang Bekanntschaft mit dem Nürnberger Gefängnis machen müssen.30) Das Programm für Schauessen und Schaugericht anläßlich des festlichen Friedensmahles, zu dem Pfalzgraf Carl Gustav im September 1649 lud, dürfte er entworfen haben; zumindest hat er es literarisch verewigt. Das eine oder andere Gedicht steuerte er noch bei, so auf das Feuerwerk, zu dem man sich nach einem „Lustigen Feldpanquet", einer abendlichen Gartenlust in einer Lauberhütte, im Juni 1650 zusammenfand. Ansonsten überließ er das Feld den Jüngeren, dem Schützling Dilherrs und studierten, aber nicht zum Abschluß gelangten Theologen Johann Klaj und seinem eigenen literarischen Zögling, dem eben rechtzeitig vom Hofdienst aus Wolfenbüttel zurückkehrenden und stellungslosen, also - und dies zeitlebens - auf die Schriftstellerei angewiesenen Pfarrerssohn und böhmischen Exulanten aus Eger, Sigmund von Birken. Klaj, wir erinnern uns, war ja schon gemeinsam mit Hars-
28) Dazu eingehend die Anm. 22 zitierte Untersuchung von Burdach, Rienzo. 29 ) Vgl. unten 698 mit Anm. 37. 30 ) Dazu John Roger Paas, Poeta incarceratus. Georg Philipp Harsdörffers Zensur-Prozeß 1648, in: Conrad Wiedemann (Hrsg.), Literatur und Gesellschaft im Barock. Heidelberg 1979, 155-164.
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dörffer im „Pegnesischen Schäfergedicht" aufgetreten.31) Unter den Lyrikern des Ordens ist er ohne Frage der Größte - ein musikalisches Genie. Hellgläntzendes Silber/ mit welchem sich gatten Der astigen Linden weitstreiffende Schatten/ Deine sanfftkühlend-beruhige Lust Ist jedem bewust. Wie solten Kunstahmende Pinsel bemahlen Die Blätter? die schirmen vor brennenden Strahlen/ Keiner der Stämme/ so grünlich beziert/ Die Ordnung verführt. Es lisplen und wisplen die schlüpfrigen Brunnen/ Von ihnen ist diese Begrünung gerunnen/ Sie schauren, betrauren und fürchten bereit Die schneyichte Zeit.32) Das ist an die Hallerwiese vor den Toren Nürnbergs gerichtet, deren Linden noch heute so reihenweise angeordnet sind wie in der Frühzeit des Ordens. Wo der Zweite Weltkrieg, der vielleicht als einziger den Dreißigjährigen an zerstörerischer Kraft übertraf, das alte Nürnberg ausgelöscht hat, erneuert sich, wie in Königsberg, wie in Breslau, wie in Dresden, jenseits der Gebilde der Menschen und ihrer schöpfungsfeindlichen Aggression das Bild der zur Stadt gehörigen natürlichen Silhouette, so als ob sie die Geschichte Lügen strafen und das Bleibende im Bilde dem Menschen vor Augen stellen wolle. Jedenfalls haben wir ein Gedicht wie das Klajsche als Kontrapunkt zum Auftritt der vor Schmerz rasenden Schäferin Pamela zu lesen. Mensch und Natur begegnen sich in der schönen Parklandschaft vor der Stadt, hinter der wiederum ein Urbild sichtbar wird: der Garten Eden, in dem die Geschöpfe paradiesisch vereint im Einklang mit ihrem Schöpfer leben. Der Krieg, jeder Krieg schändet nach dem Verständnis unserer Dichter des 17. Jahrhunderts auch und gerade diese gottgewollte Ordnung und ist also nicht nur Stifter von unübersehbarem Leid, sondern auch Frevel an einer transzendenten Ordnung. Sie, die reine, von Menschenhand gehegte und gepflegte, in ihren schönen Zügen entbun31
) Eine moderne Biographie fehlt. Vgl. Albin Franz, Johann Klaj. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908. 32 ) Harsdörffer/von Birken/Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 27), 20. Dazu Jean-Daniel Krebs, Interpretation eines Barockgedichts. Johann Klajs „Hellgläntzendes Silber", in: Nouveaux cahiers d'allemand 4, 1986, 171-183; Gerhard Kaiser, Sprachliche Augenblicke deutscher Lyrik. Gedichte von Martin Luther bis Paul Celan interpretiert. Frankfurt am Main 1987, 89-93; Klaus Garber, Utopia. Zur Naturdichtung der Frühen Neuzeit, in: August Buck/Martin Bircher (Hrsg.), Respublica Guelpherbytana. Wolfenbütteler Beiträge zur Renaissance- und Barockforschung. Festschrift Paul Raabe. Amsterdam 1987, 4 3 5 ^ 5 5 .
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dene Natur vermählt sich der deutschen Sprache als Ursprache, und die Laute, die da erklingen, sind nichts anderes als Urlaute der jauchzenden, Gott antwortenden und sein gelungenes Werk preisenden Kreatur. Bis in die Tage der Romantik, bis zu einem Eichendorff und Brentano muß man blicken, um noch einmal einer derartig von Musik gesättigten, schwerelosen und vollendeten Sprache zu begegnen - und beide Male treffen sich die Zeitalter in der offensichtlich dem kulturellen Gedächtnis der Menschheit unverlierbaren Idee einer vernehmbaren Sprache der Natur, dem brüderlichen Horchen des Menschen auf ihre unvordenklichen Geheimnisse. Eigentlicher Friede herrscht eben erst dann, wenn auch die Natur an ihm Anteil hat, der Mensch im ehrfürchtigen Umgang mit der Schöpfung zu sich selbst gefunden hat.33) Klaj, wie gesagt, ließ sich auf Seiten der Protestanten unter schwedischem Patronat in poetische Dienste nehmen. Er war für diese Aufgabe prädestiniert. Denn er ist - angeregt von seinem großen Patron und Mäzen, dem Nürnberger Ireniker und Theologen Johann Michael Dilherr - der Schöpfer einer in der deutschen Literatur einzig dastehenden Form des geistlichen Redeoratoriums, einer von Musik umrahmten und begleiteten Vergegenwärtigung der Stationen des Erlösungswerkes Christi, die der Dichter selbst vor großem Publikum im Dilherrschen Auditorium bzw. im Hof des Augustinerklosters deklamierte.34) Sechs solcher Darbietungen, in denen Redekunst und Dichtung, Musik und Theologie sich trafen, sind bekannt: die „Auferstehung Jesu Christi" zum Oster- und die „Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi" zum Pfingstfest 1644, die beiden Bearbeitungen neulateinischer Dramen „Herodes der Kindermörder" und „Der Leidende Christus" aus dem Anfang des Jahres 1645, schließlich der „Engel- und Drachenstreit", bereits Carl Gustav gewidmet, und das „Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Christi", Carl Gustav Wrangel zugeeignet; beide ohne Jahreszahl, das eine jedoch 1649 erschienen, das andere auf den 24. Dezember 1650 datiert.35) Das ist genau die Zeit, in der Klaj nun auch zu den weltlichen Anlässen hervortrat - aber was besagen derartige Scheidungen in dieser Zeit und bei diesem Dichter? Am 25. September 1649 lud Pfalzgraf Carl Gustav anläßlich der Unterzeichnung des Interimsund Präliminarrezesses der Nürnberger Friedensexekutionsverhandlungen 33 ) Dazu - neben der in Anm. 14 zitierten Literatur - zuletzt der schöne Beitrag von Rosemarie Zeller, Adamitische Sprache, Natursprache und Kabbala. Überlegungen zu Sprachtheorie und Poesie im 17. Jahrhundert, in: Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth Gesellschaft 6, 1996, 133-154. Vgl. weiterhin immer auch Paul Hankamer, Die Sprache, ihr Begriff und ihre Deutung im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. Ein Beitrag zur Frage der literarhistorischen Gliederung des Zeitraums. Bonn 1927, ND Hildesheim 1965, 117ff.; ders., Jakob Böhme, Gestalt und Gestaltung. Bonn 1924, 218ff. 34 ) Dazu Conrad Wiedemann, Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966. 35 ) Reprint dieser Werke mit Nachwort in: Johann Klaj, Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey". Hrsg. v. Conrad Wiedemann. Tübingen 1965.
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zum Festmahl in den Rathaussaal der Kaiserstadt. Kein Geringerer als Harsdörffer hat uns den festlich hergerichteten Saal in seinem „Trincir-Buch" von 1652 geschildert, von wo aus sie in das „Theatrum Europaeum" hinüberwanderte: Vornehmster Zweck der schwedischen Seite, so lesen wir bei Harsdörffer, sei es, „das Teutsche Reich in friedlichen Wolstand/ bedingter und fast endlich verglichner Massen/ zu setzen/ und in lang hergebrachter Freyheit zu hinterlassen. Solches Vorhabens/ ist der grosse Saal auf dem Rahthauß in Nürnberg/ für das raumigste und bequemste Ort ausersehen/ und auf seiner Hochfürstl. Durchl. gnäd. Begehren/ von einem Edlen Raht zu besagter Mahlzeit/ mit aller Zugehör/ willigst überlassen worden: deßwegen sie auch alsobalden drey grosse Kuchen aufrichten und zubereiten lassen. Dieser Saal ist sehr hochgewölbt/ mit güldnen Rosen/ Laub- und Mahlwerck bezieret/ und zu diesem FriedensFest mit vielen grossen Wandleuchtern/ absonderlich aber mit dreyen grossen Kronen/ zwischen sechs Festinen oder Fruchtgehängen/ welchen 30. arten Blumen und lebendige Früchte/ mit Flindergold eingebunden/ versehen worden. Auf den vier Ecken hat man vier Chör mit der Musike/ wie auch darzwischen zwo Schenckstelle/ mit ihrer Zugehör/ angeordnet/ und Kuchen und Keller mit aller Nohtdurfft gebürlich versehen."36) Was all das zu bedeuten habe und warum es denn wert sein soll, der Nachwelt in der Schrift überliefert zu werden? Wir brauchen nur unserem Gewährsmann zu folgen, der, nun schon Pfarrherr in Kitzingen, das festliche Ereignis in seiner „Irene/ das ist Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens" aus dem Jahre 1650 „nach Poetischer Reimrichtigkeit/ vorgestellet und mit nohtwendigen Kupferstücken gezieret" festgehalten hat.37) ES war ein wüster Ort/ da kein Thier nicht hinkommet/ da weder Sonn noch Mond/ noch einig Sternlein glimmet/ da weder Laub noch Frucht an Bäumen wird gespürt/ da nichts nicht wird gesät/ geschnitten/ eingeführt; da gantz kein Vögelein schwirrt in Blätterkahlen Püschen/ da nichts als rauher Wind und schlancke Schlangen zischen/ der Wind/ der Todenruch Cypressen-Sträucher regt/ 36
) Vgl. das XI. Kapitel: Das Königliche Schwedische Friedens-Bancket zu Nürnberg/ von H. Generalissimi Carl Gustav/ Pfaltzgrafen/ Hochfürstl. Durchleuchtl. gehalten 1649, in: Vollständig vermehrtes Trincir-Buch. Nürnberg 1652, 178-191, wiederabgedruckt in: Albrecht Schöne (Hrsg.), Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. 2. Aufl. München 1968, 377-381, Zitat 377 f. Vgl. auch den entsprechenden Bericht im Theatrum Europaeum. T. 6. Frankfurt am Main 1668,937. 37 ) Auch Klaj hat eine Beschreibung dieser Festivität angefertigt, die von Jeremias Dümmler offensichtlich im selben Jahr gedruckt wurde: Kurtze Beschreibung deß Schwedischen Friedensmahls/ gehalten in Nürnberg den 25. Herbstmonats Anno 1649. Teile daraus gingen in den Anmerkungsapparat des versifizierten „Schwedischen Fried- und Freudmals" ein, das seinerseits Bestandteil der Klajschen „Irene" wurde. Vgl. Anm. 38.
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in dero Wurtzeldach die Blindschleich sich gelegt. • Auß diesem düstern Ort kam Kriegskrieg aufgestiegen/ als ich noch/ als ein Kind/ geweint in meiner Wiegen; deß Krieges Stirne war mit Runtzeln durchgepflügt/ sein Augenpar im Kopf gleich Kolenkugeln ligt. Das Zornvergällte Bild das hetzete zusammen/ es war bemüht die Welt zu setzen in die Flammen/ es thronte mit dem Schild/ es schlug das Fackelliecht das Liecht/ das Stadt und Dorf zu Grund und Boden rieht.38) Eine Anmerkung verweist auf die Quelle dieses Bildes: Petronius und seine Schilderung der Schrecken des Bürgerkrieges, sinnfällig zusammentretend an einem Orte, da der Herbst keine Früchte bringt, der Acker keine Pflanzen trägt, der fröhliche Gesang der Schnitter ausbleibt. Es ist, mit anderen Worten, der locus terribilis, der Ort des Schreckens, den Klaj hier in den Zügen Opitzens, Flemings und anderer aufruft und der die europäische Literatur wiederum kontrapunktisch zum Lustort des locus amoenus durchzieht.39) Seine urbildliche Präfiguration hat er in Hades und Hölle, und wieder ist es Dante, der den Neueren gleich im Eingang zu seiner „Divina Comedia" die Bilder ewiger Verdammnis vermittelte, die nachwirkten bis in die Erichtho- und Sorge-Szenen des Faust II. Daran ist zu erinnern, um Stilhöhe und Deutungshorizont zu ermessen, in denen wir uns auch im Umkreis der Nürnberger Friedensdichtung bewegen. Der Krieg war diesen Dichtern wie allen, die ihn vor dem Hintergrund von Prophetie und Apokalyptik, aetas-aurea-Mythos und sibyllinischer Weissagung zu bedenken und bedichten pflegten, mehr und anderes als ein politisches oder konfessionelles Ringen. Wo immer er sein furchtbares Haupt erhebt, bekräftigt er den Status der Menschheit als gefallener - unter den von Todesgeruch umwehten Zypressen liegt bei Klaj die Schlange! - , nährt er sich vom Abfall des Menschen von Gott, ist er Frevel und evoziert in der Raumphantasie zwangsläufig das Bild der Hölle qua topischem locus terribilis. Der Friede aber bedeutet Leben, inneres geistliches und äußeres glückliches, und so verlangt er nach der heiter-amönen, bukolischgeorgischen Natur, weil in ihr der Schöpfungsordnung Genüge getan, die Ein-
38 ) Johann Klaj, Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hrsg. v. Conrad Wiedemann. Tübingen 1968, 13f., ND [21 f.]. Dieser Band ist außer mit einem Nachwort auch mit einer Bibliographie der Schriften Klajs und einem Verzeichnis der wissenschaftlichen Literatur ausgestattet. 39 ) Klaus Garber, Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln 1974. - Das Petronius-Zitat in: Petronius, Satyrica. Lateinisch-deutsch v. Konrad Müller/Wilhelm Ehlers, mit einem Nachwort von Niklas Holzberg. 4. Aufl. München/Zürich 1995, 120, 67ff. (272 ff.).
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tracht über die menschliche Welt hinaus auf die ganze Natur ausgedehnt ist, so daß der Ruch sistiert erscheint. Die Sonne gieng bergab mit ihrem Flammenwagen/ man sah sich Lust mit Lust/ mit Freude Freude jagen/ das frohe Volck der Welt schnidt/ führte Garben ein/ gieng Wild und Vögeln nach/ brach Aepfel/ läse Wein und was der Herbstlust mehr; Es war die Zeit der Zeiten[.]40) Das ist die angemessene Zeit, der angemessene Ort der Friedensfeier herbstliche Zeit jubelnden Glücks, dankbarer Entgegennahme der Gaben der Erde und immer auch arielhaft Verlautbarung der befreiten, der erlösten Kreatur. Drei Engel sind es, die Deutschland die frohe Botschaft des endlich vertriebenen Krieges, des endlich einziehenden Friedens bringen: Nun kommen Salomonenszeiten/ da sich die Weinstöck weit außbreiten/ wann der belaubte Feigen Baum dem Haus und Hauswirth gibet Raum/ da kan er frey und sicher wohnen/ es muß ihm Wind und Winter schonen. Fort werden Schäfer in der Ruh die Schläferaugen schliessen zu/ die Mägdlein werden mit den Knaben die Gassen zu dem Spielplatz haben/ die greisen Leute häuffig stehn und krumgebückt an Stecken gehn/ die Lämmer bei den Wölfen ligen/ die Böcke sich zum Pardeln schmigen Fried ist der STROM/ der sich ergoß/ auß Eden in vier Wasser floß; Fried ist deß frommen Noe TAUBE; Fried ist deß heiigen Landes TRAUBE; Fried ist die RUT/ die bey der Nacht geblüht und Mandeln hat gebracht; Fried ist die Tochter der Gestirne/ die Gabenreiche Himmeldirne; Fried ist die Tugendkönigin; Fried ist die Wolstandnehrerin. Das Beste/ das erdacht kan werden/ 40
) Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 38), 33, bzw. in der neuen Paginierung [41].
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wird Friede bringen Teutscher Erden. 41 ) In diesen Dimensionen müssen wir Krieg und Frieden sehen, wenn wir dem Thema im Verständnis des 17. Jahrhunderts, im Verständnis der christlich-humanistischen Dichter des alten Europa der Frühen Neuzeit gerecht werden wollen. Es umgreift Jung und Alt, die Geschlechter und den Kosmos, das innere Leben der Menschen vor Gott und selbstverständlich Gedeihen und Wohlergehen auf Erden im befriedeten Gemeinwesen, ganz so wie Erasmus in der „Querela pacis" unvergeßlich formuliert hatte. Noch immer lebt die Botschaft von den offensichtlich unverwüstlichen Bildern des Propheten Jesaia. 42 ) Auf dem Titelkupfer des Werkes erscheint Irene vor den Toren des Nürnberger Rathauses, die Friedenstaube mit dem Olivenzweig im Schnabel in der Rechten, das blutige, aber nun zerbrochene Schwert in der Linken: Zitation Noahs zur Bezeugung von „Gottes Frieden, zu der letzten Abendstund". 43 ) Von der Stiftung dieser Bezüge über die Zeiten hinweg, der ständigen Erneuerung und Tradierung des Bildgedächtnisses der Menschheit, lebt und zehrt auch unser kleiner Friedenstext, von dem wir schon Abschied nehmen müssen, obgleich noch so viel zu sagen wäre. Im nächsten Jahr war die katholische Seite am Zuge. Nach der endlich erfolgten Unterzeichnung des Friedens am 16. Juni 1650 lud Ottavio Piccolomini am 4. Juli zu einem großen Abschlußfest auf den Schießplatz hinter St. Johannis ein. Wir verstehen nun, warum es eine „Lauberhütte" ist, wo sich die Festversammlung einfindet. Als „Tempel des Friedens" wird dieses „Haus von grünen Zweigen" von Klaj apostrophiert. Ein „Kirchhaus" nennt er es, „das wirdig wird gepreist/ so lange man die Welt der Menschen Wohnhaus heist". Frieden und Gerechtigkeit küssen sich über dem Portal, und auf der Spitze des Daches schwebt ein Adler auf der Weltkugel. Gegenüber dem Tempel des Friedens aber erhebt sich das „Castell des Unfriedens", ein als Festung drapiertes Feuerwerksgerüst, das auf dem Höhepunkt des Festes vom Frieden entzündet und zerstört wird. Klaj hat dieses Abschluß-Fest in seinem „Geburtstag des Friedens" nochmals hinreißend und tiefgründig bedichtet. 44 ) Hier fehlt der Raum, das ähnlich wie die „Irene" gebaute Stück zu behandeln. Vielmehr ist es Zeit, den letzten der drei wortgewaltigen Nürnberger Poeten zu Wort kommen zu lassen, der seinem Auftritt förmlich entgegenfieberte und 41
) Ebd. 4f. [12f.]. ) Vgl. aus der unübersehbaren Literatur vor allem den schönen Beitrag von Jürgen Ebach, Ende des Feindes oder Ende der Feindschaft? Der Tierfrieden bei Jesaja und Vergil, in: ders., Ursprung und Ziel. Erinnerte Zukunft und erhoffte Vergangenheit. Biblische Exegesen, Reflexionen, Geschichten. Neukirch-Vluyn 1986, 75-89. 43 ) Vgl. das Gedicht zur Erklärung des Titelkupfers: Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 38), [7]. 44 ) Im Faksimile wieder abgedruckt ebd. [97]—[182], Hier die Beschreibung des „Tempel des Friedens", 34-38 [138]—[142], sowie des „Castell deß Unfriedens", 56-60 [160]—[164]. 42
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sich geradezu überschlug, als es endlich so weit war: der junge, 22jährige Sigmund von Birken, der in Wolfenbüttel unter Schottelius miterlebt hatte, w i e man höfisch feiert. 4 5 ) Er ist es, der die geistliche Redeform Klajs in den politischen Raum überführt. 46 ) Bereits am 6. Januar 1649 bei einem Gastmahl der Kaiserlichen i m Augustinerhof war ihm aufgetragen worden, „Bei hochansehnlicher Volkreicher Versammelung" eine Rede zum Thema „Krieges- und Friedensbildung" zu deklamieren. 4 7 ) Der Freiherr Gallus von Rägknitz, ein österreichischer Exulant, hatte - w i e später so viele österreichische Protestanten - dem jungen Dichter den Weg vor das erlauchte Publikum gebahnt, der für ihn den Durchbruch bedeutete. Er hat alles, was er vermochte, in diese Rede hineingelegt und sie zu einem rhetorischen Prunkstück gemacht. Das Drama, das er im Zei45
) Für Birken ist grundsätzlich auszugehen von der unvollendeten und unpublizierten, gleichwohl bis auf weiteres maßgeblichen Biographie von Otto Schröder, Sigmund von Birken. Quellenstudien zur Biographie. Masch. Hier 166-192 das einschlägige 6. Kapitel „Die Friedensfeiern, ,Ingratitudo et paupertas' 1649-1651". Für die hier nicht mehr interessierenden späteren Jahre Birkens sind die Arbeiten von Joachim Kröll maßgeblich. Man findet sie aufgeführt bei Klaus Garber, Ein Blick in die Bibliothek Sigmund von Birkens. Handexemplare der eigenen Werke und der Ordensfreunde - Überliefertes und Verschollenes, in: Hans-Peter Ecker (Hrsg.), Methodisch reflektiertes Interpretieren. Festschrift Hartmut Laufhütte. Passau 1997,157-180 Anm. 3. Hier auch die weitere Literatur über Birken, die nicht nochmals rekapituliert werden soll. Eine gegenwärtigen Anforderungen genügende Biographie dieser Schlüsselgestalt des literarischen Lebens im Reich der Mitte des 17. Jahrhunderts gehört zu den dringlichsten Desideraten der Barockforschung.
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) Die folgenden Ausführungen stellen eine Kurzfassung eines vor längerer Zeit abgeschlossenen umfänglichen Kapitels zur Nürnberger Bukolik im Rahmen einer größeren Studie des Vfs. zur europäischen Arkadien-Utopie dar. Vgl. jetzt auch - neben der erwähnten Studie von Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 18) - Ferdinand van Ingen, Sigmund von Birken, ein Autor in Deutschlands Mitte, in: Paas (Hrsg.), der Franken Rom (wie Anm. 14), 257-275. 47 ) Die Schäfer- und Friedensdichtungen Birkens liegen in der Ausgabe der „Gesammelten Schriften", hrsg. v. Klaus Garber/Ferdinand van Ingen/Dietrich Jöns/Hartmut Laufhütte, noch nicht vor und sind auch anderweitig in Neudrucken nur ausnahmsweise greifbar. Die ganz besonders komplizierte Überlieferungslage der Birkenschen Friedensdichtungen soll an dieser Stelle nicht rekapituliert werden. Allerdings stimmt es bedenklich, daß ein bibliographisches Phantom sich bis in die jüngste Bibliographie hinein fortschleppt, obgleich das Problem in der Forschung seit Jahrzehnten geklärt ist. Birken hat eine geplante Sammlung seiner Friedensdichtungen unter dem Titel „Teutscher Olivenberg" nie zustandegebracht. Vgl. zuletzt Klaus Garber, Sigmund von Birken: Städtischer Ordenspräsident und höfischer Dichter, historisch-soziologischer Umriß seiner Gestalt, Analyse seines Nachlasses und Prolegomenon zur Edition seines Werkes, in: Martin Bircher/Ferdinand van Ingen (Hrsg.), Sprachgesellschaften, Sozietäten, Dichtergruppen. Hamburg 1978,223-254, hier 243 f. mit Anm. 51-55, 253. Entsprechend zu korrigieren die Angabe bei Heinz Duchhardt (Hrsg.), Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Bearb. v. Eva Ortlieb/Matthias Schnettger. Münster 1996, 153 Nr. 1369. Statt dessen an dieser Stelle vor allem nachzutragen Birkens „Teutonie", vgl. unten Anm. 69. Auch die unten Anm. 56 zitierte Arbeit Birkens fehlt in dem Abschnitt „Kultur und Literatur". - Ein Exemplar der Krieges- und Friedens-Bildung. Nürnberg 1649, ist filmisch leicht zugänglich über die Sammlung Faber du Faur, German Baroque Literature (wie Anm. 21), 144 Nr. 529. Zum Kontext vgl. Schröder, Birken (wie Anm. 45), 173 ff.
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chen der Hoffnung auf Frieden beschwört, ist kein politisches, geschichtliches, datierbares, sondern ein immerwährendes, geistlich-moralisches. Der erwartete Frieden heißt Ruchlosigkeit, Ungerechtigkeit und Armut ab-, hingegen Gottesfurcht, Gerechtigkeit und Wohlstand auftreten. Der Dichter hat alle Kunst in ihre eindringliche Vergegenwärtigung gelegt, Bilder unsäglicher Greuel und tiefster Verheißung geprägt und am Ende doch seine Überforderung einbekennen müssen. Denn er hat es mit einem Vorwurf zu tun, der zwingend über die Rede hinausweist und zum Schaustück, zum Auftritt der allegorischen Gestalten hindrängt. Und so sehen wir Birken tatsächlich alsbald diese dem Fest einzig zustehende literarische Form in die Friedensversammlung hineintragen. Über den kaiserlichen General-Auditiar-Lieutenant, den Militärgerichtspräsidenten Heinrich Graß, erhielt er die auf Piccolomini persönlich zurückgehende Weisung, für das geplante kaiserliche Gastmahl auf dem Schießplatz bei St. Johannis ein Schauspiel zu verfassen.48) Damit war der Kontakt zum Kaiserhaus definitiv geknüpft; er sollte der wichtigste in Birkens Leben bleiben. 49 ) Der stolze Autor und Regisseur, der das ihm zugefallene Amt in seiner Selbstbiographie unter dem Titel „Sparta Scenica" verbucht, ließ es sich nicht nehmen, die Söhne der Patrizier, denen er Privatunterricht erteilt hatte, für die große Aufgabe zu verpflichten.50) Und so sind denn Träger der klangvollsten Namen der Stadt bei dem Spektakel aktiv, die Schlüsselfelder und die Holzschuh, die Löffelholz und die Oelhafen, die Scheurl und Imhof, die Führer und Welser. Wieder sind es, wie im Jesuitendrama, die allegorischen und mythologischen Gestalten, die bunt gemischt die Szene beherrschen, Zwietracht und 48
) Teutscher Kriegs Ab- und Friedens-Einzug. Nürnberg 1650. Vgl. Faber du Faur, German Baroque Literature (wie Anm. 21), Nr. 533. Die Beschreibung des Festmahles erfolgte gleichfalls eingehend durch Birken. Vgl. Teutschlands Krieges-Beschluß/ und FriedensKuß/ beklungen und besungen in den Pegnitzgefilden von dem Schäfer Floridan [Sigmund von Birken]. O.O.o.J. Ein zweiter Titel verdeutlicht das Vorhaben: „Eigentliche Beschreibung/ auch Grund- und Perspectivischer Abriß des Fried- und Freudenmahls/ Schaupiel[s] und Feuerwerks". Vgl. Faber du Faur, German Baroque Literature (wie Anm. 21), Nr. 532. Hier findet sich Birkens ,.Friedens-Schauspiel" nebst Szenenangaben und Rollenverzeichnissen sowie einer Beschreibung des festlichen Treibens zwischen den einzelnen Akten nochmals abgedruckt (21-60). Außerdem ist das Werk mit Kupfern des Ereignisses geziert. Vgl. dazu auch John Roger Paas, Sigmund von Birken's „Des Friedens Vermählung mit Teutschland", in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 17, 1990, 82-89. Zur Zusammenarbeit zwischen Sandrart und Birken vgl. zuletzt Christian Klemm, Sigmund von Birken und Joachim von Sandrart. Zur Entstehung der Teutschen Academie und zu anderen Beziehungen von Literat und Maler, in: Paas (Hrsg.), der Franken Rom (wie Anm. 14), 289-313. Zum Kontext vgl. Eberhard Fähler, Feuerwerke des Barock. Studien zum öffentlichen Fest und seiner literarischen Deutung vom 16. bis 18. Jahrhundert. Stuttgart 1974. 49 ) Vgl. Garber, Birken (wie Anm. 47), sowie jetzt Emst Rohmer, Die Hirten in der Grotte. Zur Funktion genealogischen Wissens in den Schriften des Sigmund von Birken, in: Paas (Hrsg.), der Franken Rom (wie Anm. 14), 276-288. 50 ) Vgl. Sigmund von Birken, Prosapia / Biographia. Hrsg. v. Dietrich Jöns/Hartmut Laufhütte. Tübingen 1988, 43 ff.
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Eintracht, Gerechtigkeit und Teufel, Frieden und Fama, Mars und Venus, Cupido und Vulcanus, nun aber von Person und Stimme des einen Redners emanzipiert, in Rollen verkörpert, Verse - vom Alexandriner bis zum Zweitakter rezitierend und nur noch eingeführt durch den - freilich immer noch sehr üppig Regie führenden - Dichter. Theatralisch am ergiebigsten ist eine Einlage genau in der Mitte des Stücks, in der Birken einen Soldaten und einen Schäfer aufeinandertreffen läßt. Der Soldat spricht ein macaronisches Deutsch oder besser Undeutsch, denn seine Sprache gleicht einem Flickenteppich: Hie bin ich arrivirt, ein Mann de bon Courage, Bericht zu nehmen ein von dieses Orts passage, da man parlirt vom Fried. Ihr Waffen/ eur Estât muß fallen par ma foy, weil Teutschland Leute hat/ die Frieden schmieden aus. [.. .]51) Das ist die Sprache à la mode, wie es zu jener Zeit heißt, nach oben schielend, dem Hofe nacheifernd, den Welschen hörig. Die reine, wohlgebildete, modeste deutsche Sprache ist dem rangtieferen Schäfer vorbehalten. [...] Man butzte schon die Degen. Man warf Olivenzweig hinweg/ und nahm dargegen Zipressen in die Hand. Die Trifft/ in der ich weid/ und selbst mein frommes Vieh/ wie war es voller Leid! Itzt da ich aus der Fern zu Hause wiederkommen/ hab ich mir von dem Fried zu fragen vorgenommen[.]52) Wie in dem nationalen Lehrgedicht des Vergil, seinen „Geórgica", vollzieht sich die Gesundung des Volkes, seine Reifung zum Frieden, über den unverbildeten Stand der Natur - einer poetischen Kreation gewiß und allegorisch entworfen auch sie, eben deshalb um so signifikanter im Hinblick auf das Intendierte.53) Im Abstand von der Welt des Krieges, verkörpert im Soldaten 51
) Teutscher Kriegs Ab- und Friedens Einzug (wie Anm. 48), 20. ) Ebd. 22. Es ist aufschlußreich zu sehen, wie später in den Türkenkriegen der „Staatsmann" die linguistische Travestie des Soldaten erneut in den Mund gelegt erhält, „teutsches Vertrauen" hingegen - Zentralbegriff und Erkennungsformel der bürgerlich-gelehrten Intelligenz - in der „schäferlichen" Sprache sich artikuliert. Vgl. John Roger Paas (Hrsg.), Unbekannte Gedichte und Lieder des Sigmund von Birken. Amsterdam/Atlanta, GA 1990, 116. Die Diskussion dieses Sachverhalts würde tief hineinführen in die ungeschriebene Funktions- und Mentalitätsgeschichte der deutschen Sozietäten des 17. Jahrhunderts. Dazu das Aperçue von Klaus Garber, Pastorales Dichten des Pegnesischen Blumenordens in der Sozietätsbewegung des 17. Jahrhunderts, ein Konspekt in 13 Thesen, in: Paas (Hrsg.), der Franken Rom (wie Anm. 14), 146-154. 52
53 ) Dazu im Rahmen der unendlichen Literatur nach wie vor herausragend (und stets neben der klassischen Darstellung von Friedrich Klingner, Vergil, Bucólica, Geórgica, Aeneis. Zürich/Stuttgart 1967, gegenwärtig zu halten): Vinzenz Buchheit, Der Anspruch des Dichters in Vergils Georgika. Dichtertum und Heilsweg. Darmstadt 1972.
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und über sein Marodieren angeschlossen an die gleißnerische hochgestellte Gesellschaft, hat sich die reine deutsche Sprache als Ingredienz moralischer Integrität bewahrt. So ist es der Schäfer als Allegorie des gelehrten poetischen Standes, an den der Frieden anzuknüpfen vermag, weil es die Dichter sind, die nicht nur die Helden verewigen, wie Birken auch in diesem Friedensspiel, sondern dem Frieden selbst das Wort leihen und seine Widersacher - übrigens sehr drastisch mit einer gehörigen Portion Sadismus - der höllischen Qual überantworten. Das ist genau die Figur, in deren Zeichen sich die sog. „Sprach- und Dichtergesellschaften" des 17. Jahrhunderts formierten, die von dem theoretischen Angebot eines Schottel, Gueintz, Buchner lebten und ihr sprachreinigendes Werk als moralische, als religiöse, als nationale Erneuerung feierten, denn nichts anderes verbirgt sich hinter der ständigen Zitation von alter teutscher Treu, Redlichkeit, Biederkeit und wie die Formeln sonst heißen mögen, an denen die Germanistik bislang scheiterte.54) Ein mit diesen Attributen ausgestatteter Schäfer gewinnt bei Birken angesichts des nahenden Friedens unverhofft eine unwiderstehliche Attraktivität für den Soldaten. Die unverschandelte, über den Krieg hinweg ein menschliches Antlitz bewahrende Lebensform verführt ihn zum Abwerfen von Hut und Degen und zum Übertritt auf die Gegenseite. Den Schäfer aber überrascht dies nicht, denn er weiß, daß schon Könige in den niederen Stand hinüberwechselten, sind es doch die inneren Werte und nicht die äußeren Attribute, die vor der Ewigkeit zählen. Im großen Lobpreis des schäferlichen Lebens ist Birken im Zeichen des Größten der Friedens-Bukoliker, im Zeichen des Eklogendichters Vergil, eine überzeugende dichterische Repräsentation der Segnungen dieses erfüllten und daher den Frieden stets begleitenden Schöpfungsstandes gelungen. Laster sind der Städte Last; Tugend darf auf Dörfern leben. Hoheit ist der Freyheit Gast; da dort Sorgenfässel schweben. Einfalt blühet in den Feldern; in der Stadt ist List zu kauff. Unschuld wohnet in den Wäldern; Städte häuffen Schulden auf. Nun alles dieses gut/ das war bisher verlohren. Und alles dieses wird jetzt wieder neugebohren. O danke Feld und Wald/ der teuren Himmels-Treu/ die deine alte Lust nach Unlust machet neu.55) 54
) Diesen Zusammenhängen ist das langsam heranwachsende Arkadienbuch des Verf.s gewidmet. Vgl. zuletzt die im Druck befindliche Arbeit zu Johann Helwig im Rahmen des Sammelbandes Garber (Hrsg.), Stadt und Literatur (wie Anm. 19), sowie zum Kontext Klaus Garber, Arkadien und Gesellschaft. Skizze zur Sozialgeschichte der Schäferdichtung als utopischer Literaturform Europas, in: Wilhelm Voßkamp (Hrsg.), Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie. 3 Bde. Stuttgart 1982, Bd. 2, 37-81; ders., Gelehrtenadel und feudalabsolutistischer Staat. Zehn Thesen zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte der „Intelligenz" in der Frühen Neuzeit, in: Jutta Held (Hrsg.), Kultur zwischen Bürgertum und Volk. Berlin 1983, 31-43. 55 ) Teutscher Kriegs Ab- und Friedens Einzug (wie Anm. 48), 28.
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Birken wäre nicht der gewesen, der er war, wenn er es bei diesen beiden Veranstaltungen, zu denen er gerufen worden war, belassen hätte. Der da tagtäglich an seinem Werk strickte, es neu verknüpfte und mit seinen Gönnern verwob, sich nicht scheute, das Pensum der absolvierten Verse zu zählen und sorgfältig zu addieren und zu notieren - wie hätte er nicht mehr und anderes aus dem Ereignis des Jahrhunderts abkeltern sollen als diese beiden auf den Tag berechneten Proben seines Talents? Er hat sie in immer neuen Varianten und Kontaminationen drucken lassen, die von Sandrart entworfenen Kupfer stets wieder bedichtet und verwendet, seinen Auftritt vor der großen Welt nicht nur in seiner Selbstbiographie, sondern auch in der persönlich gehaltenen Schäferei für Freunde und Nachwelt poetisch festgehalten. Hier kann zum Schluß aus all dem die Aufmerksamkeit nur auf zwei Werke gelenkt werden, von denen zu hoffen steht, daß sie nicht nur für den Spezialisten und Literaturwissenschaftler von Interesse geblieben sind. 1651 kam in Nürnberg unter Assistenz eines jungen Barons, des späteren Grafen Gottlieb von Windischgrätz, und unter Mitwirkung der schon einmal rekrutierten Patriziersöhne, die Geschmack an der Schauspielerei gefunden zu haben scheinen, wiederum unter Birkens Stabführung das „Vergnügte, Bekriegte und Widerbefriedigte Teutschland" zur Aufführung. 56 ) Der Druck aus dem Jahre 1651 weist sich als „Kurzer Entwurf eines neuen Schauspiels" aus. Tatsächlich hat Birken den Stoff sein Leben lang mit sich getragen und erst im Jahr 1679, zwei Jahre vor seinem Tod und nach neuerlichen und nun eindeutig expansorischen Kriegen, in der endgültigen Version unter dem Titel „Margenis oder das vergnügte, bekriegte und wiederbefriedigte Teutschland" der Öffentlichkeit übergeben.57) Das war nicht nur in gewisser Weise verständlich, sondern in einem tieferen Sinn auch bedeutungsvoll, ging es doch um die prägende Erfahrung einer ganzen Kriegsgeneration, die, sofern sie überlebte, ein Leben zur inneren Verarbeitung des Erlebten benötigte. Noch nie ist dieser Text angemessen interpretiert worden. Man kann ihn nur verstehen, wenn man sich in zweitausend Jahren europäischer Pastoralpoesie gut auskennt. Denn es handelt sich um ein schäferliches Liebesgedicht, das unbekümmert die Motive des griechischen Liebesromans mit denen der neueren höfischen und pastoralen Großformen in Gestalt von Drama und Roman verschneidet; Heliodorus und Longus, der „Amadis" und Barclays „Argenis", die Spanier, die d'Urfe56
) Sigmund von Birken, Kurzer Entwurf eines neuen Schauspiels/ darinnen ausgebildet wird das Vergnügte/ Bekriegte und Widerbefriedigte Teutschland. O.O. 1651. Das kleine Werk gehört nach dem Verlust des Birkenschen Handexemplars in der Bibliothek des Pegnesischen Blumenordens zu den größten Kostbarkeiten der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. In Nürnberg selbst hat sich nur das Exemplar aus der Fenitzer-Bibliothek des Landeskirchlichen Archivs erhalten (Fen II. 87. 12 [3]). Zum Kontext vgl. die Autobiographie: Birken, Prosapia (wie Anm. 50), 47. 57 ) Es erschien, wie der Kupfertitel ausweist, bei dem Kunsthändler Georg Scheurer in Nürnberg.
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sehe „Astree" und Sidneys „Arcadia", nicht zuletzt Guarinis wirkungsmächtiger „Pastor fido" sind verarbeitet. Zudem ist es ein allegorisches Pastoraldrama. „Kein Zweifel", so Birken in seinem „Vorbericht", „der verständige Leser werde leichtlich begreiffen/ daß/ unter diesem LiebGedichte/ die Geschichte von damaligem Teutschen Frieden/ als der Kern in der Schale/ verborgen lige".58) Auf diesen kundigen, mündigen Leser konnte der Autor bauen, solange die europäische Tradition noch wie selbstverständlich präsent war. Wir müssen alles mühsam rebuchstabieren - das soll und kann hier nicht geschehen.59) So sei nur ein Aspekt akzentuiert. Liebe und Eintracht, so Birken einleitend, seien die beste „PflegMutter" des Friedens, deshalb biete das Liebesgedicht sich an, wenn es gelte, dieses kostbare und stets gefährdete Gut literarisch zu behandeln.60) Von wo aber droht ihm vor allem Gefahr? Von dem „bösen Kind der Religion-Strittigkeit".61) So spricht nun der Autor am Ende seines Lebens ungeschützt. Wie ungezählte andere hatte er sich lange abgewandt von einer bestimmten Konfession, wie sie alle voller Abscheu auf den nicht endenden Hader zurückblickend. Mit Gestalten wie Breckling, Gichtel, Spener stand er in brieflichem Kontakt; von dieser wenige Jahre später von Arnold im Eingang der Aufklärung glänzend rehabilitierten Phalanx gottesfürchtiger Sucher und Täter im Glauben versprach er sich offensichtlich fortzeugende Kraft. 62 ) Was aber setzt er in seinem Werk „der Religion-Strittigkeit" gegenüber? Die Zentral- und Initiationsformel der deutschen humanistischen Intelligenz des 17. Jahrhunderts: das „Teutsche Vertrauen". Es ist bislang nicht gelungen, diesen dunklen und verdächtigen Begriff im Kontext der Sozietätsbewegung luzide zu entfalten. Man braucht sich jedoch nur in den Friedens- und Schäfertexten der Nürnberger umzutun, um den Schlüssel in der Hand zu halten - und der einzige, der dies 58) Ebd. Vorbericht, fol. l r . 59 ) Eine ausführliche Interpretation ist für das Arkadienbuch des Verf.s vorbereitet. 6°) Birken, Margenis (wie Anm. 57), fol. l v . 61 ) Ebd. fol. 2r. 62 ) Vgl. Klaus Garber, Private literarische Gebrauchsformen im 17. Jahrhundert: Autobiographika und Korrespondenz Sigmund von Birkens, in: Hans-Henrik Krummacher (Hrsg.), Briefe deutscher Barockautoren. Probleme ihrer Erfassung und Erschließung. Hamburg 1978, 107-138, hier 120. Zu Arnold jetzt maßgeblich: Dietrich Blaufuß/Friedrich Niewöhner (Hrsg.), Gottfried Arnold (1666-1714), mit einer Bibliographie der Amold-Literatur ab 1714. Wiesbaden 1995. Zum Kontext vgl. Richard van Dülmen, Sozietätsbildungen in Nürnberg im 17. Jahrhundert, in: Gesellschaft und Herrschaft. Forschungen zu sozial- und landesgeschichtlichen Problemen vornehmlich in Bayern. Festschrift Karl Bosl. München 1969, 153-190; Klaus Garber, Gefährdete Tradition. Frühbürgerliches Erbe und Aufklärung. Arnold - Leibniz - Thomasius, in: Thomas Metscher/Christian Marzahn (Hrsg.), Kulturelles Erbe zwischen Tradition und Avantgarde. Köln u.a. 1991, 3-64, hier 14-22; Wilhelm Kühlmann, Frühaufklärung und chiliastischer Spiritualismus - Friedrich Brecklings Briefe an Christian Thomasius, in: Friedrich Vollhardt (Hrsg.), Christian Thomasius (1655-1728). Neue Forschungen im Kontext der Frühaufklärung. Tübingen 1997, 179— 234; vgl. insbes. 180f. Anm. 5.
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Umfeld und
Rezeptionsgeschichte
soziologisch-dialektisch geschult vermochte, war der große deutsch-jüdische Gelehrte Arnold Hirsch, gleich bei Machtantritt von den Nazis verjagt.63) Die „Margenis", hinter der sich natürlich wiederum das Sorgenkind der Humanisten seit den Tagen des Celtis, die ehrwürdige Germania verbirgt, handelt von der Liebe der hochgestellten Prinzessin Margenis zum niederen Schäfer Irenian - der Liebe zweier durch ihre soziale Stellung geschiedener Liebender, also einem uralten märchenhaften Archetypus, der seine Heimstatt in der europäischen Literatur seit den Tagen des Stesichoros aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert in der Schäferdichtung hat, die eben mehr ist als Rokoko-Tändelei des Ancien régime, nämlich über alle Genera und Medien hinweg die literarische, die bildnerische, die musikalische Phantasie inspirierende Generatorin von Wunschbildern, in denen aktuelle zeitspezifische mit archaischen urgeschichtlichen eine keinesfalls nebulöse, sondern geschichtlich sehr exakt zu bestimmende Symbiose eingehen.64) „Der Friede", so Birken nochmals in der Vorrede, „ist/ in diesem Schauspiel/ ein Sohn des Kriegs/ der ihn mit dem gütlichen Vertrag gezeuget".65) Bewegter, heroischer, von grellem Licht und dunklen Schatten durchwalteter Schauplatz dieser endlich zum Vertragsschluß führenden kriegerischen Auseinandersetzungist Deutschland, verkörpert in der schönen Prinzessin, leidenschaftlich umworben von Polemian und dessen rasender Eifersucht preisgegeben, als sie sich berührt und angezogen fühlt von der schäferlichen Gestalt Irenians und seinem Lebensraum. Die Prinzessin ist verstrickt in die Welt der Geschichte, der Politik, des Kampfes um die Macht - in geistlichen wie in weltlichen Belangen. Irenian ist diesem Toben enthoben. Er ist der Repräsentant des „Friedens-Standes", wie es wiederum bei Birken heißt.66) Er lebt selbstgenügsam, unschuldig, fromm, in Übereinstimmung mit sich und seinem Los, kurzum er kontrastiert der Geschichte als kreatürliches Wesen, in dem sich die Versprechungen der Schöpfung bewahrt haben. Kommt es nun zur Liebe zwischen den beiden, so wird dem ranghohen Stand das Opfer der Lösung aus dem anvertrauten Lebensraum abverlangt. Er gerät - wie wir heute sagen würden - in eine Sinn- und Identitätskrise, denn er muß bekennen, daß er das beste 63
) Arnold Hirsch, Bürgertum und Barock im deutschen Roman. Eine Untersuchung über die Entstehung des modernen Weltbildes. Frankfurt am Main 1934. 2. Aufl. besorgt v. Herbert Singer. Köln/Graz 1957. Hier das Nürnberg gewidmete Kapitel: „Die Polemik gegen die höfischen Tugenden in Stockfleths Macarie", 107-117, 139-143, wiederabgedruckt in: Klaus Garber (Hrsg.), Europäische Bukolik und Georgik. Darmstadt 1976, 329-346. M ) Dazu zuletzt mit der einschlägigen Literatur die Artikel „Schäferdichtung" bzw. „Bukolik" in: Volker Meid (Hrsg.), Literatur-Lexikon. Begriffe, Realien, Methoden. Gütersloh/ München 1993 (= Walther Killy [Hrsg.], Literatur-Lexikon. Bd. 14), 338-341; Ricklefs (Hrsg.), Fischer-Lexikon Literatur (wie Anm. 1), Bd. 3, 1746-1765; Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. 3. Aufl. hrsg. v. Klaus Weimar. Bd. 1. Berlin/New York 1997, 287-291. 65 ) Birken, Margenis (wie Anm. 57), fol. l v . 6