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German Pages [472] Year 1996
Ernst Bruckmüller NATION ÖSTERREICH
Studien zu Politik und Verwaltung Herausgegeben von Christian Brünner • Wolfgang Mantl • Manfried Welan Band 4
Ernst Bruckmüller
NATION ÖSTERREICH Kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse
2., ergänzte und erweiterte Auflage
BÖHL A U V E R L A G WIEN • KÖLN • G R A Z
Gedruckt mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Umschlagabbildung: „Austria" aus dem Deckengemälde des niederösterreichischen Landhaussaales in der Herrengasse, 1710 von Antonio Beduzzi gemalt (Elfriede Mejchar,Wien) Umschlagentwurf: Tino Erben und Cornelia Steinborn Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bruckmiiller, Emst: Nation Österreich : kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse / Ernst Bruckmüller. - 2., erg. und erw. Aufl. - Wien ; Köln ; Graz : Böhlau, 1996 (Studien zu Politik und Verwaltung ; Bd. 4) ISBN 3-205-98000-X NE: GT
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1996 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG., Wien • Köln • Graz Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefreiem Papier. Satz: Zehetner Ges.m.b.H., A-2105 Oberrohrbach Druck: Berger, A-3580 Horn
Inhalt I. Einleitung 1. D I E JUBILÄEN
9
2. MYTHOS, GESCHICHTE, ETHNISCHES BEWUSSTSEIN 3. VOM ETHNOS ZUR NATION
Der Prozeß der Staatsbildung Die Reformationen Die Revolution der Kommunikation Der Bedeutungswandel des Begriffs „Nation" Aufklärung und Säkularisierung Die Französische Revolution Herder, die Romantik und die bürgerliche Bildungsreligion
16 20
22 22 23 24 26 27 28
4. „NATION" HEUTE
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5. FOLGERUNGEN UND FRAGESTELLUNGEN
34
II. Kontroversen und Daten 1. POLITISCHE UND PUBLIZISTISCHE AUSEINANDERSETZUNGEN
Zwischen deutscher und österreichischer Nation Göbhart und Borodajkewicz „Österreichische Nation" und kleine Koalition Die österreichische Nation als „ideologische Mißgeburt" „Österreichische Nation" als Produkt des Vergessens?
35
35 36 38 40 41
2. D E R HISTORISCHE DISKURS
44
3. D I E ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN SOZIALFORSCHUNG
61
Nationalbewußtsein Nationalbewußtsein und Landesbewußtsein Nationalstolz Stellung zum politischen System Geschichtsbewußtsein Europabewußtsein
61 67 69 74 80 82
III. Mythen, Bilder, Stereotypen 1. D E R SYMBOLHAUSHALT DER ÖSTERREICHER
Name und Identität Landschaften und Baulichkeiten Die „heiligen Orte" der kulturellen Identität - Kirchen, Begräbnisstätten, Hauptstädte, Denkmäler
87
88 92 95
6
Inhalt
Hymnen, Wappen, Fahnen, Nationalfeiertag Kronen Personen als Symbolfiguren Historische Ereignisse und Prozesse als Identitätsstifter 2. SELBST-UND FREMDBILDER
102 105 107 111 114
Empirische Daten 114 Zur Entwicklung von Österreich-Stereotypen 116 Das Phäakenstereotyp 119 „Schöpferische Mitte" - das „Kulturland Österreich" 120 Die Insel der Seligen und der Neutralitätsmythos 123 Österreich als Brücke 125 Abstammungsphantasien 127 Der „österreichische Mensch" und die „österreichische Seele" .... 129 Das „katholische" Österreich und die „schwarze Legende" 132 3. ABGRENZUNGEN
135
Verwandtschaft und Sympathie 135 Ablehnungen - Ausländerangst und Minderheitenfeindlichkeit ... 139 Nachbarn im Bild der Österreicher - und umgekehrt 145 Das Bild von den Deutschen bei den Österreichern und das Österreichbild der Deutschen
145
Tschechen im Bild der Österreicher
148
Die österreichische Haltung gegenüber Südslawen und Italienern
150
Ungarn
152
Schweizer
153
IV. Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte 1. LÄNDER UND LANDESBEWUSSTSEIN
Ethnisches Bewußtsein im Hochmittelalter Die Entstehung der Länder Trägerschichten des Landesbewußtseins Kontinuitäten Landesbewußtsein und Konservativismus Landesbewußtsein als Identifikationsmittel 2. D E R HABSBURGISCHE ABSOLUTISMUS UND DIE HOFRATSNATION
155
155 159 170 177 185 191 200
Staatswerdung 200 Der Hof und seine Bedeutung für das entstehende Staatswesen .. 206 Kirche und Religion 208 Das Heer 216 Der Adel 218
Inhalt
Die Bürokratie Massenbasis für die Hofratsnation? Literarische Beispiele Der „österreichische Mensch"
7
219 225 230 234
3. D I E NATIONSBILDUNG DER NICHTDEUTSCHEN NATIONEN DER M O N A R C H I E 1 8 4 8 - 1 9 1 8 : DER SPRACHNATIONALISMUS UND DAS IDENTITÄTSPROBLEM I 237
Nation und Sprache Die Tschechen Die Polen Die Ungarn Die Italiener Die Kroaten Die Serben Die Slowenen Die Slowaken Die Rumänen Die Ruthenen Die Juden Das Scheitern der Monarchie 4. D I E DEUTSCHEN ÖSTERREICHER VOM „HEILIGEN" ZUM „GROSSDEUTSCHEN" R E I C H : DER SPRACHNATIONALISMUS UND DAS IDENTITÄTSPROBLEM I I
Reichspatriotismus Literatur und Einheitsbewußtsein Zwei deutsche Nationsbildungen im 19. Jahrhundert Deutsches Nationalbewußtsein in Österreich 1848-1918 Deutschnationaler Radikalismus und seine Symbole in Österreich Der Anschlußgedanke in der Ersten Republik Erosion der gesamtdeutschen Idee „Deutsche Kulturnation"? 5. D I E GESCHEITERTEN REVOLUTIONEN UND DIE BÜROKRATISCHE DEMOKRATIE
237 241 251 253 256 258 260 261 264 265 266 267 269
276
276 282 286 294 298 303 310 312 317
Revolution und Nationsbildung 317 Revolutionär-oppositionelle Strömungen des Adels, der Städte und der Bauern 320 Scheitern der Stände: Ursachen und Folgen 330 Revolutionär-oppositionelle Strömungen des 18. Jahrhunderts 333 „Österreichische Nation" während der Napoleonischen Kriege ... 336 Revolution 1848 337 Erster Weltkrieg und „österreichische Revolution" 341
8
Inhalt
Emigration, Widerstand und Nationsbildung 1938-1945 Entnazifizierung Staatsvertrag
348 353 354
V. Nation, Symbol und Geschichte 1. D I E IMAGINATION DER NATIONALEN EINHEIT
357
2. D I E ENTSTEHUNG DER NATIONALEN SYMBOLWELT
359
3. HISTORISMUS UND NATIONALISMUS
362
4. D I E INSTITUTIONEN DER MYTHOSBILDUNG
367
Literatur- und Geschichtswissenschaft und nationales Gedächtnis Architektur und bildende Kunst Feste und Feiern Die Armee Die Schule Sonstige nationskonstitutive Institutionen und Prozesse
367 367 369 370 373 375
5. INTEGRATION, DESINTEGRATION UND KOLLEKTIVE ERINNERUNG
376
6. Z U R GENESE EINES REPUBLIKANISCHEN ÖSTERREICHISCHEN NATIONALBEWUSSTSEINS
384
7. SYMBOLHAUSHALT, INTEGRATION UND PARTIZIPATION
396
VERZEICHNIS DER LITERATUR UND DER GEDRUCKTEN QUELLEN ... 401 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
442
REGISTER
443
Personennamen Orts- und Ländernamen Sachverzeichnis Verzeichnis der Tabellen
443 449 454 466
Österreichischer Unfriede: Er lebt in alten, mittelalterlichen und jungen Menschen in einer Fülle von Ressentiments, die, von Alten angeheizt, wiedergeboren werden: böse Erinnerungen an böse Zeiten, in der Ersten Republik, an die „Schwarzen", auf die sich heute wohlfeile Hiebe konzentrieren . . . Österreichischer Friede: Wie sollen sie zusammenleben, in den existenziellen Tiefenschichten sich begegnen, nicht nur in Tagesgeschäften, im leidigen Handel und Wandel, wenn die einen die österreichische Nation für einen „jüdischen Dreh...", ein älterer Alter H e r r . . . sie für eine französische Propaganda-Masche ab 1918 hält, dazu bestimmt, den Anschluß abzuwehren, wenn andere - so noch sozialistische Emigranten nach 1945 in London die österreichische Nation als ein Hobby reaktionärer Habsburgianer verstanden? Friedrich Heer, 1983
I. Einleitung 1. D I E JUBILÄEN
1995 war das Jahr zweier Jubiläen: fünfzig Jahre Zweite Republik, vierzig Jahre Staatsvertrag. Von großen Feiern hörte man wenig: Die „grantige Republik" ist offenbar nur schwer imstande, ein der gemeinsamen Erinnerung dienendes Festritual zu entwickeln.1 Sogar ein eigens eingerichtetes Jubiläumsbüro wurde rechtzeitig wieder geschlossen, bevor die dort entwickelten Ideen wirklich Blüten treiben konnten.2 Ist diese Unfähigkeit, zu feiern, eine republikanische oder demokratische Eigentümlichkeit? Wohl kaum, da in den meisten anderen europäischen Demokratien die jeweiligen nationalen Feiertage mit allem Brimborium begangen werden. Ist sie eine österreichische Eigenheit? Auch dies ist zu bezweifeln, angesichts der zahllosen örtlichen Feste und Feiern, der Jubiläen und Stiftungsfeste von Feuerwehren und Vereinen, dem Hochhalten von Landespatronen und -feiertagen. Fest- und Feiertage werden offenbar gern, häufig und ohne irgendwelche Probleme begangen. 1 Gerhard Wilflinger, D i e grantige Republik, in: Wiener Journal Nr. 175, April 1995, 9 f. 2 Büro 95/96, geleitet von Heinz Rögl, Wiener Journal Nr. 153, Juni 1993, 24 f., und Wiener Journal Nr. 159/160, 25 f.
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Einleitung
Die Schwierigkeiten beginnen immer mit den nationalen, überregionalen, staatlichen Gedenktagen. Es sind Schwierigkeiten von zweierlei Art - erstens geht es um die Daten selbst und ihre Auswahl. Man hätte ja mehrerer Ereignisse gedenken und sie allenfalls feiern können: hundert Jahre Sieg der Christlichsozialen und Ende des politischen Liberalismus in Wien, hundertvierzig Jahre Konkordat etwa, oder 190 Jahre Schlacht bei Austerlitz, oder 200 Jahre dritte Teilung Polens, oder 500 Jahre Heiratsvertrag zwischen den Häusern Österreich und Aragon (-Kastilien). Aber wozu könnte ein solches Erinnern dienen? Erinnert und gefeiert werden gemeinhin nur solche Ereignisse, die für eine Gesellschaft, einen Staat, eine Nation Erinnerungswert in dem Sinne haben, daß durch jenes Gedenken Einheit - also ein intensives Bewußtsein von Zusammengehörigkeit - in der Gegenwart hergestellt wird. Einheit wird primär durch das gemeinsame Erinnern an den Ursprung, an die Gründung, an militärische oder politische Erfolge gestiftet. An siegreich beendete Kriege etwa - noch heute feiert Italien den Tag des Sieges über das alte Österreich als Tag der Streitkräfte - oder an erfolgreiche Revolutionen (14. Juli in Frankreich), oder an die erlangte Unabhängigkeit (USA - 4. Juli, Tschechische Republik - 28. Oktober). Aufschlußreich ist diesbezüglich die Hinwendung zu neuen alten Feiertagen in den ehemals „sozialistischen" Reformstaaten Ostmitteleuropas.3 Die jüngere österreichische Geschichte stellt solche Daten, die von der gesamten Bevölkerung unbezweifelt als erinnerbare Erfolge, als Ursprungserlebnisse interpretiert werden können, nur in geringem Maße zur Verfügung: Österreichs Heere verloren die Kriege von 1859, 1866 und 1914—1918. Auch jene Österreicher, die Hitlers Krieg als „ihren" erlebt haben, kehrten als Geschlagene heim. Kein Erinnern einer gelungenen Revolution unterstützt die demokratischen Verfassungsprinzipien der Gegenwart. Und die Unabhängigkeit der Republik Österreich von 1919 erschien aufgezwungen, nicht freiwillig gewählt. Anders war es 1945, doch blieb mit den zehn Jahren danach immer 3 Margarete Mommsen, Hg., Nationalismus in Osteuropa. Gefahrvolle Wege in die Demokratie, München 1992; hier vgl. insbes. die Beiträge über Ungarn von Kathrin Sitzler (96117, insbes. 99 f.: die Manifestation vom 15.3. 1988 als Erinnern an 1848 und 1956) und von Anneli Ute Gabanyi über Rumänien (143-166, insbes. 150: Nach Ceaufescu wurde der 1.12. zum Nationalfeiertag erklärt, zur Erinnerung an die am 1.12. 1918 erfolgte Angliederung Siebenbürgens an das rumänische Altreich). - Zu den nationalen Gedenk- und Feiertagen als allgemeinem Phänomen der Gesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts vgl. Gedenken, Feiern, Identität = Beiträge zur historischen Sozialkunde 26, 1996, Heft 1, geleitet von Hannes Stekl. Ferner Allan Mitchell, Nationalfeiertage im Vergleich: Deutschland, Frankreich und die USA, in: E. François / H. Siegrist / J. Vogel, Hg., Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich. 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995, 396-402.
Die Jubiläen
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noch die Besatzungserfahrung verbunden, so daß die fünfzigste Wiederkehr des Kriegsendes 1945 zwar zum stillen Gedenken, aber nicht unbedingt zu lautem Freudenlärm Anlaß gegeben haben mag.4 Die „großen" politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, also jenes Zeitraumes, den wir Lebenden mit Hilfe der Erinnerung unserer Eltern und Großeltern noch einigermaßen als reale Lebensgeschichten rekonstruieren können, bieten für ein gemeinsames Erinnern überwiegend kontroversielles Material: 1918 bedeutete für die „Roten" Revolution, Sozialgesetzgebung, Demokratie, Vorherrschaft des Proletariats; für die „Schwarzen" und „Bürgerlichen" Niederlage, Zerfall der Monarchie, Bedrohung durch den „Bolschewismus", gesellschaftliche und materielle Depravierung. 1934 „siegten" die „Schwarzen"; „Rot" und „Braun" erlebten schmerzliche Niederlagen in zwei kurzen, aber blutigen Bürgerkriegen. 1938 triumphierten die Nationalsozialisten und „Nationalen", deren deutsche Sehnsucht nun erfüllt schien. Menschen, die jetzt als „Juden", „Zigeuner", „Asoziale" gebrandmarkt wurden, erlitten - ebenso wie geistig Behinderte - Verfolgung, Vertreibung, Ermordung. Politische Gegner, sowohl aus dem Bereich des Katholizismus wie aus den Reihen der Linken, wurden gemaßregelt, verhaftet, in Konzentrationslager verfrachtet, getötet. Für alle diese Menschen bedeutete „1938" ein Jahr der Katastrophe. 1945 wiederum traf es die Nationalsozialisten und Deutschnationalen, nun „siegten", mit der deutschen Niederlage, die „Schwarzen" und „Roten". Diese ganz unterschiedlichen Erinnerungen erschwerten zweifellos die Entwicklung einer gesamtösterreichischen Feierkultur. Dies um so mehr, als in den älteren Generationen die emotionale Beheimatung in ihrer jeweiligen „Lagerreligion" nicht selten für die persönliche Identität wichtiger gewesen sein dürfte als die Beheimatung in „Österreich". Wir sollten dieses Phänomen im Auge behalten, wenn es um die Frage nach den möglichen Formen des gemeinsamkeitsfeiernden und gemeinsamkeitsstiftenden „Kultes" geht.5 Erst der Staatsvertrag von Wien, unterzeichnet am 15. Mai 1955, konnte von allen Österreichern als gemeinsamer, einheitsstiftender Erfolg erlebt werden. In der Tat wird man jenen Umfrageergebnissen durchaus einen tieferen Sinn attestieren dürfen, die den Beginn eines 4 Vgl. dazu Gerhard Jagschitz / Stefan Karner, Hg., Menschen nach dem Krieg, Schicksale 1945-1955 (Kat. d. Ausstellung Schallaburg 1995), Kat. d. Nö. Landesmuseums NF 367, Wien 1995. 5 Ernst Hanisch, Politische Symbole und Gedächtnisorte; Detlef Lehnert, Politisch-kulturelle Integrationsmilieus und Orientierungslager in einer polarisierten Massengesellschaft; beide in: E. Tälos / H. Dachs IE. Hanisch / A. Staudinger, Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933, Wien 1995, 421^30 und 431^43.
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Einleitung
österreichischen Nationalbewußtseins in die Zweite Republik und insbesondere in die Zeit nach 1955 datieren.6 Aber auch der Staatsvertrag hat inzwischen Patina angesetzt: Anders als Deutschland, das seine Souveränitätsbeschränkungen im Gefolge des Zusammenbruchs der Sowjetmacht stark reduzieren bzw. auf freiwillig gewählte (Heeresstärke) ersetzen konnte, bleibt Österreich mit nicht wenigen souveränitätseinschränkenden Auflagen behaftet. Zwar wurden einige Einschränkungen des Staatsvertrages einseitig für obsolet erklärt. Andererseits sollten gewisse Rechtsbereiche (Verbot der NSDAP, Anschlußverbot, Minderheitenschutz) so stark im „normalen" österreichischen Rechtssystem und -bewußtsein verankert sein, daß sie einer zusätzlichen rechtlichen Abstützung nicht mehr bedürfen sollten. Die Verankerung bestimmter Rechtsgüter im Staatsvertrag änderte bedauerlicherweise ja nichts an deren sehr unvollkommener Erfüllung.7 Insgesamt sollte die österreichische Eigenstaatlichkeit und (soweit eine solche heute überhaupt noch möglich ist) Souveränität so selbstverständlich sein, daß ein internationales Vertragswerk über diese Selbstverständlichkeit als überflüssig erscheinen könnte. Das ändert freilich nichts am hohen symbolischen Wert jenes 15. Mai 1955 zumindest für die Menschen jener Generationen, die ihn noch bewußt erlebt haben. Auch das zweite und ideell seit den 1970er Jahren fast noch wichtigere Standbein österreichischen Selbstbewußtseins, die am 26. Oktober 1955 vom Nationalrat verabschiedete immerwährende Neutralität, wirkt inzwischen etwas abgebraucht und strahlt keineswegs mehr in jungfräulicher Frische. Sie wird zwar immer noch akzeptiert, ist aber nicht mehr so zentral für das österreichische Selbstbewußtsein wie zu Kreiskys Zeiten. 8 Freilich haben noch im Sommer 1993 68% der Befragten (nach 82% zur Jahreswende 1990/91) eher auf einen EU-Beitritt als auf die Neutralität verzichten wollen, und noch im Frühjahr 1995 waren 78% befragter junger Leute „stolz" auf die Neutralität. 9 Das zweite Problem: Wie feiert man republikanisch? Auch diese Frage ist in Österreich noch nicht zufriedenstellend beantwortet: Vieles von dem, was anderen Nationen selbstverständlich ist - Truppenpara6 Sowohl die Umfrageergebnisse von 1979 und 1980 wie jene von 1987 weisen in diese Richtung, vgl. Ernst Bruckmüller, Österreichbewußtsein im Wandel. Identität und Selbstverständnis in den 90er Jahren, Wien 1994,18. 7 Gerhard Baumgartner, 6 x Österreich. Geschichte und aktuelle Situation der Volksgruppen, Klagenfurt / Celovec 1995. 8 Bruckmüller, Österreichbewußtsein, 134 ff. 9 Gesellschaftspolitischer Monitor 1993, Nov. 1993 (Fritz Plasser, Peter A. Ulram, Franz Sommer, Andreas Vretschä), 41. - Die Umfrage vom Frühjahr 1995 in der „Presse" vom 19. 4. 1995, Beilage 50 Jahre Zweite Republik, I und V.
Die Jubiläen
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den, festliche Musik, Festreden, massenhafte öffentliche Rituale - , gilt in Österreich als fragwürdig. Warum ist das so? Eine Erklärung könnte (siehe oben!) in der gerade zur Zeit der Entstehung der „nationalen" Feste unzureichenden Eignung „Österreichs" für „nationale" Identifikation stehen, also in der zwischen etwa 1880 und 1930 wachsenden Neigung, Ersatz für die abbröckelnden traditionellen und religiösen Bindungen in den neuen Heimaten von „Sprache", „Volkstum" und „Kultur" oder aber in der Religion des Klassenkampfes zu suchen. Der „nationale" Impetus konnte nur mit dem „Deutschtum" verbunden werden, das „Österreichische" geriet zur konservativen Attitüde. „Österreich" verkörperte das dynastische Prinzip, es galt als konservativ, vornational, katholisch, altertümlich. Brauchen die Nationen überhaupt so etwas wie erinnernde Jubiläen für ihre Existenz und ihren Fortbestand? Nun, es scheint, als wäre man zu gewissen Zeiten ganz gut auch ohne solche nationalen historischen Gedenktage, Erinnerungen und Feiern ausgekommen. Aber das war in der bösen alten Zeit, als die Habsburger sich selbst feiern ließen und der Geburtstag des lebendigen Kaisers andere Modi der Gemeinsamkeitsstiftung überflüssig zu machen schien. Im übrigen taten auch die Habsburger genug, um ein gemeinsames Bewußtsein in ihren Königreichen und Ländern zu erzeugen - durch Denkmäler, Kirchen, Amtsgebäude, durch die überall sichtbaren Doppeladlerwappen, die Fahnen und Uniformen des Militärs, die Schule, die allgemeine Wehrpflicht. Und die Dynastie erschien in den Lesebüchern nicht nur in der Gestalt des gerade lebenden Herrschers, sondern auch in der Figur des frommen Rudolf von Habsburg, der dem Priester mit dem Allerheiligsten sein Pferd überläßt, in der Gestalt Maximilians in der Martinswand, in der eindrucksvollen Persönlichkeit der großen Mutter Maria Theresia. Stark obrigkeitlich ausgerichtete Staatswesen wie die Habsburgermonarchie legten offenbar großen Wert darauf, daß ihre Herrschaft gegenüber ihren Untertanen als legitime Herrschaft akzeptiert wurde. Die altertümliche sakrale Qualität der habsburgischen Herrschaft hatte dabei auch Vorteile, wenngleich sie sich kaum in rational-säkulare Legitimität umwandeln ließ. Kult und Ritual von Republiken werden von einem säkularen Pathos der Masse getragen: Die Nation feiert sich selbst, sie ist an die Stelle der Gottheit getreten. Herrscher haben auch als Identitätsstifter abgedankt. Auch Heilige (wie Wenzel oder Stephan, oder bei uns Leopold) sind im Zeitalter der Spätsäkularisierung nicht mehr so recht zu brauchen. Es sind die großen, als einheitsstiftend erinnerbaren Ereignisse, die die Basis für eine republikanische Liturgie bieten können. Freilich
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Einleitung
hat man es in Österreich verabsäumt, das einzige unbestrittene Datum dieser Art, den 15. Mai 1955, als Feiertag der Republik festzulegen: Es war historisch das erste Mal, daß sich die Österreicher insgesamt widerspruchslos als erfolgreiche Einheit erleben konnten. Feiertage und Jubiläen als Modi des Vergegenwärtigens können erfolgreich nur an solche Ereignisse anknüpfen. Da dieser 15. Mai zugunsten des emotional viel schwächer besetzten (und zu besetzenden) 26. Oktober zurückgestellt wurde, gibt es in Wirklichkeit kein alles überstrahlendes Datum österreichischen Selbstverständnisses. Die politische, mediale und künstlerische Diskussion bietet uns das Bild einer von Widersprüchen, Verdrängungen, Schuldzuschreibungen beherrschten Gesellschaft. Es scheint keinen verbindenden „österreichischen Mythos" zu geben. Man könnte daher, angesichts der Leere (oder aber: Widersprüchlichkeit und Fülle) des mythologischen Inventars der Republik einfach auf solche Jubiläen vergessen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Die gesamte Kulturindustrie, die Theater, Museen, Verleger, Schriftsteller, Sachbuchautoren, Ausstellungsgestalter, die historisch gebildeten Journalisten, sie alle finden Jubiläum um Jubiläum, Anlaß um Anlaß für irgendwelche Uraufführungen, Ausstellungen, Skandale. Das heißt aber doch wohl, daß auch eine säkularisierte Gesellschaft ein tiefes Bedürfnis danach hat, sich mit ihrem „Woher" auseinanderzusetzen, die Wurzeln zu suchen, aus denen das gegenwärtige Gewächs abzuleiten sein könnte, sich seiner selbst zu vergewissern durch die Einbettung der eigenen Geschichte und Herkunft in den großen Strom der Menschheitsgeschichte.10 Das ist - wie schon angedeutet - in Österreich aus benennbaren Gründen etwas schwierig. Sofort nach ihrer (Wieder-)Gründung, 1945, als es ja genug drängende Sorgen anderer Art gab, stand die junge Zweite Republik vor dem Problem, für sich eine neue ideelle und symbolische Basis zu finden, ein tragfähiges Fundament für die junge Staatlichkeit. Immerhin entschied sich die Zweite Republik (zum einen) sofort für die Traditionen der Ersten: die Verfassung, die Staatssymbolik (Fahne und Wappen, mit einer kleinen Abänderung) konnten gleich übernommen werden. Das ist um so bemerkenswerter, als die Erste Republik nicht unbedingt als Erfolgsstory galt. Erst durch die Verlusterlebnisse nach 1938 konnte jener erste Versuch des kleinstaatlichen Österreich in wesentlich positiverem Licht erscheinen.11 Aber was 10 Wendelin Schmidt-Dengler, Hg., Der literarische Umgang der Österreicher mit Jahresund Gedenktagen (= Schriften des Instituts für Österreichkunde 59), Wien 1994. 11 Gerald Stourzh, Vom Reich zur Republik. Studien zum Österreichbewußtsein im 20. Jahrhundert, Wien 1990, 49 f.
Die Jubiläen
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stand darüber hinaus zur Verfügung? Sicher, gewisse Traditionen kultureller Selbst- und Fremdbilder konnten aus Ständestaat und Monarchie übernommen werden, besonders in Abgrenzung zu den Deutschen - der „österreichische Mensch" der Jahre 1933-38 kam, unter Abbau der besonders „ständischen" und besonders „deutschen" Bestandteile, zu neuen Ehren.12 Aber auf der Linken blieb man österreichskeptisch. Der sozialistische Zentralsekretär Erwin Scharf verwies 1946 darauf, daß „Österreich" von 1934 bis 1938 dasselbe bedeutet habe wie „Volksgemeinschaft" unter dem Nationalsozialismus.13 Und während die ÖVP in ihrem ersten Programm die „intensivste Arbeit am Aufbau der österreichischen Nation" forderte, thematisierte das Aktionsprogramm der SPÖ 1947 diese Frage gar nicht, betonte aber die Ablehnung einer Kollektivschuld „des ganzen deutschen Volkes".14 In dieser Situation kam ein Jubiläum der jungen Zweiten Republik zu Hilfe: Am 1. November 1946 jährte sich zum 950. Male jener Tag, an dem Otto III. der Bischofskirche von Freising in Neuhofen an der Ybbs ein Gut geschenkt hatte, das in einer Gegend lag, die im Volksmund „Ostarrichi" genannt wurde.15 Es soll der Bruder des Unterrichtsministers Felix Hurdes , Dr. Franz Hurdes, gewesen sein, der diesem den Rat gab, dieses Ereignis als erstes großes einheitsstiftendes nationales Fest der Zweiten Republik zu begehen.16 Karl Renner benützte den Anlaß, um den Österreichern zu attestieren, sie seien so sehr eigenständig und eigenartig, daß sie das Recht hätten, sich als eigene Nation zu konstituieren. Und Alphons Lhotsky sprach in der Festsitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über „Ostarrichi" - das war ein klares Signal für eine neue, nicht mehr „gesamt-" oder „großdeutsche" Interpretation der Geschichte Österreichs, sondern für die Besinnung der Historiker auf das Gebiet der Republik, das bis zu einem gewissen Ausmaß schon in der „domus Austriae" Maximilians I. vorgeformt erschien.17 In den Schulen wurde zum ersten Mal bewußt „Österreich" 12 Alfred F. Reiterer, Vom Scheitern eines politischen Entwurfes. „Der österreichische Mensch" - ein konservatives Nationalprojekt der Zwischenkriegszeit, ÖGL 30,1986,19-36. 13 Vgl. R. Kriechbaumer, Parteiprogramme im Widerstreit der Interessen. Die Programmdiskussionen und die Programme von ÖVP und SPÖ 1945-1966 (= Khol I Ofner / Stirnemann, Hg., Österreichisches Jahrbuch für Politik, Sonderband 3), Wien - München 1990,182. 14 Kriechbaumer, Parteiprogramme, 679 und 840. 15 Ernst Bruckmüller, Millennium! - Millennium? Das Ostarrichi-Anniversarium und die Österreichische Länderausstellung 1996, in: ÖGL 39,1995, Heft 3,137-155. 16 Adam Wandruszka in: Anna M. Drabek / Gottfried Stangler / Adam Wandruszka, Bearb., Ostarrichi-Gedenkstätte (Katalog), o. J., Neuhofen/Ybbs, 2. 17 Das Zitat von Karl Renner bei Felix Kreissler, Der Österreicher und seine Nation. Ein Lernprozeß mit Hindernissen, Wien - Köln - Graz 1984,399. - Alphons Lhotsky, Ostarrichi. Vortrag in der Festsitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 21. 10. 1946,
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Einleitung
thematisiert, seine Symbole und seine Geschichte in den Mittelpunkt gerückt. Jubiläen und Geschichtsbewußtsein hängen also eng zusammen.18 Es ist ein Geschichtsbewußtsein, das die Legitimität einer Gesellschaft der Gegenwart sehr stark aus der Vergangenheit ableitet. In älteren Gesellschaften hatte diese Legitimitätsstiftung der jeweils gegenwärtigen Kultur der „Mythos" zu besorgen, realisiert im Ritual der Feste und Feiern einer ethnischen Gemeinschaft.
2. MYTHOS, GESCHICHTE, ETHNISCHES BEWUSSTSEIN
Kulturen verbinden Menschen im selben Zeithorizont durch einen gemeinsamen Erfahrungs-, Erwartungs- und Handlungsraum. Sie binden aber auch das „Gestern" an das „Heute", indem sie in den „... fortschreitenden Gegenwartshorizont Bilder und Geschichten einer anderen Zeit" einschließen und dadurch Hoffnung und Erinnerung stiften.19 Hoffnung und Erinnerung werden erzeugt und wachgehalten über mythische Erzählungen. Diese Erzählungen erzeugen einen gemeinsamen Wissens- und Bewußtseinsstand. Sie ermöglichen es den Mitgliedern der betreffenden Gruppe, „wir" zu sagen. Dieses „Wir-Bewußtsein" ist der Kern der Identität der Gruppenmitglieder. Die Entwicklung eines solchen Bewußtseins erscheint nur möglich durch das stete Wiederholen der alten Erzählungen, durch das stete Vor-Augen-Führen der alten Ordnungen, der gemeinsamen Symbole, durch das wiederholte Feiern der gemeinsamen Rituale. Diese Wiederholungen rufen nicht nur das je letzte zurückliegende Fest in Erinnerung, sondern auch den Anlaß, das Urgeschehen, auf welches sich das feierliche Ritual bezieht - etwa auf den Auszug aus Ägypten bei der Feier des jüdischen Seder-Abends. „Gesellschaften imaginieren Selbstbilder und kontinuieren über die G e n e r a t i o n e n folge h i n w e g e i n e Identität, i n d e m sie eine Kultur der Erinnerung ausbilden; und sie tun das...
auf ganz verschiedene
Weise."20
Wien 1947, wieder in: A. Lhotsky, Aufsätze und Vorträge, hg. v. Hans Wagner und Heinrich Koller, Bd. 1, Wien 1970, 221 ff. - Der Hinweis auf die Präfiguration des republikanischen Österreich durch das Territorium des „Hauses Österreich" bei Alphons Lhotsky, österreichische Historiographie, Wien 1962, 213. 18 Jubiläen und Geschichtsbewußtsein = Beiträge zur historischen Sozialkunde 6, 1976 (mit Beiträgen von Michael Mitterauer, Ernst Bruckmüller und Andreas Moritsch). 19 Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992,16. 20 Assmann, Gedächtnis, 18 (Hervorhebung vom Autor dieser Zeilen).
Mythos, Geschichte, ethnisches Bewußtsein
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Gruppen als Erinnerungsgemeinschaften entwickeln spezifische „Erinnerungsfiguren". Deren Funktion liegt darin, nach außen Differenz, nach innen aber Einheit herzustellen. Dies geschieht unter anderem dadurch, daß als Figuren der Erinnerung solche ausgewählt werden, die ein Bewußtsein ihrer Identität durch die Zeit hindurch ermöglichen, d. h., sie werden auf Entsprechungen, Ähnlichkeiten und Kontinuitäten hin ausgewählt - so kann das Gefühl entstehen, „wir" (Österreicher, Deutsche, Franzosen, Italiener) seien „schon immer" so oder so gewesen, hätten diese oder jene historische Aufgabe, diese oder jene Eigentümlichkeit gehabt, seien immer wieder von diesen oder jenen Feinden bedroht gewesen, hätten diese immer wieder besiegt usw.21 Das kollektive Gedächtnis verfährt rekonstruktiv. Die Vergangenheit vermag sich ja nicht als solche zu bewahren. Sie wird fortwährend von den sich wandelnden Bezugsrahmen der fortschreitenden Gegenwart her rekonstruiert. 22 Das Gedächtnis einer Gruppe in schriftlosen Kulturen weist dabei eine typische Struktur auf: Einerseits umfaßt das „kommunikative Gedächtnis" die für Zeitgenossen gerade noch rekonstruierbaren Ereignisse, also maximal 80 bis 100 Jahre. Auf der anderen Seite das „kulturelle Gedächtnis", das die Ereignisse jenseits der direkt und unmittelbar überlieferten Geschehnisebenen enthält - die Geschichten vom Ursprung, vom Anbeginn, kurz der Mythos. Die erste Form der Erinnerung ist die biographische Erinnerung, die zweite die fundierende. In allen älteren Gesellschaften sind diese beiden Gedächtnisformen durch einen „floating gap" von unbestimmter Zeitdauer getrennt, der durch ebenso unbestimmte Personen und Inhalte gefüllt wird. Der Mythos wiederum erzählt klar und deutlich: die Geschichte vom Ursprung der Welt (Kosmogonie), häufig recht direkt verbunden mit der Geschichte vom Ursprung der eigenen Gruppe (Ethnogonie). Die „kosmische Mythologie" verbindet die Erschaffung der Welt mit ihrem Fortgang, über Fest und Ritual garantiert sie ihr weiteres Funktionieren (daß die Sonne wieder aufgeht, daß Regen und Wärme im richtigen Rhythmus wechseln, die Frauen fruchtbar sind usw.) und damit auch die Existenz des je eigenen Volkes (das ja begrifflich häufig als „Menschheit" schlechthin erscheint).23 Diese Muster weisen die Mythen der Sumerer und Griechen ebenso auf wie die heiligen Bücher der Juden. Während die biographische Erinnerung Ergebnis eines Lebens in der Gemeinschaft ist, ergibt sich die fundierende Erinnerung 21 Nach Assmann, Gedächtnis, 38 ff. (unter Berufung auf Maurice Halb wachs, Das kollektive Gedächtnis, Stuttgart 1967). 22 Assmann, 41 f. 23 Wilhelm Mühlmann, Rassen, Ethnien, Kulturen. Moderne Ethnologie, Neuwied 1964.
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keineswegs von selbst - sie ist gestiftet, auferlegt, durch Zeichensysteme aller Art abgesichert, in Festen liturgisch begangen.24 Dieses „kulturelle Gedächtnis" hat seine speziellen Träger: Schamanen, Barden, Priester, Lehrer, Künstler, Schreiber, Gelehrte, Mandarine. 25 Diese Feststellung ist nicht nur für die älteren Gesellschaften bedeutsam, sondern auch für die modernen Nationen: Stets waren es Dichter, Historiker, Wissenschaftler und Künstler, die in besonderer Weise das kulturelle Gedächtnis prägten. Damit werden sie auch in besonderer Weise verantwortlich für die kollektiven Bilder, die einer ethnischen oder nationalen Gruppe eignen. Ritus und Fest sind die primären Organisationsformen des kulturellen Gedächtnisses.26 Wichtig ist dabei nicht die Unterscheidung von „Mythos" und „Geschichte", sondern das Werden des Mythos aus der Geschichte als Summe der möglichen erinnerbaren Daten: „Nur bedeutsame Vergangenheit wird erinnert, nur erinnerte Vergangenheit wird bedeutsam."27
Ein für die ganze weitere Entwicklung entscheidender Schritt geschah im alten Israel. Hier wurde die Geschichte von Exodus und Landnahme zur fundierenden Geschichte, zum Gründungsmythos des Volkes. Damit war (historisch erstmals) ein historischer Mythos an die Stelle des kosmischen Mythos getreten, wie ihn noch die Nachbarn Israels pflegten.28 Das alte Israel war aber noch in einer anderen Weise erfinderisch tätig: Hier erfolgte nach dem Ende des Tempels - und damit nach dem Ende der Möglichkeit, den Ritus korrekt zu vollziehen - der Übergang von der Konzentration auf den Ritus zur Konzentration auf die Texte und deren Interpretation. 29 Dies gelang über die Kanonisierung der zentralen Texte, die Israels Identität auch über fünfzig Jahre Deportation bewahrte: „Der Kanon trat letztendlich an die Stelle jener Institutionen, in deren Rahmen und als deren Fundierung die von ihm aufgenommenen Traditionen entstanden waren . . . «30u
Das war ein Vorgang von kaum zu überschätzender Bedeutung: Israel ist der historisch erste und (über das Fortwirken im Christentum) unge24 25 26 27 28 29 30
Assmann, Assmann, Assmann, Assmann, Assmann, Assmann, Assmann,
51 f. 54. 56 ff. 77. 77 f. 87. 106.
Mythos, Geschichte, ethnisches Bewußtsein
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heuer bedeutsam gewordene Fall, in dem Identität und Abgrenzung vom „äußerlichen" Tempelritual ins Innere des Menschen verlegt und seiner genauen Kenntnis der Vorschriften und deren Einhaltung überantwortet wurde.31 Im Zuge der modernen Nationsbildung wurde diese Entwicklung immer bedeutsamer, da nunmehr das Wissen um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Großgruppe nicht mehr durch Haartracht und Kleidungsvorschrift äußerlich vermittelt wurde, sondern immer ausschließlicher durch ein verinnerlichtes Wissen - das Wissen um einen kulturellen Kanon. Das kulturelle Gedächtnis sichert die Identität einer Gruppe. Identität ist das Wissen einer Person, sie selbst, einzig und unverwechselbar zu sein. „Person bin ich nur in dem Maße, wie ich mich als Person weiß."32 Auch ethnische Gruppen, Stämme, Völker, Nationen können als Gruppen nur im Bewußtsein ihrer Mitglieder existieren. „Identität" einer Gruppe ist also prinzipiell das Selbstverständnis ihrer Mtglieder als Mitglieder der Gruppe. Dieses Selbstverständnis kann sehr verschiedene Wurzeln haben und außerordentlich verschiedene Ausdrucksformen finden. Anders als die personale Identität, die aus der Erfahrung der eigenen Person zu gewinnen ist, wird die Gruppenidentität nur symbolisch erfahrbar - über Gruppensymbole, wie Namen, Gebäude, Sprache, Zeichen (z. B. Wappen), Kleidung, Haartracht, Waffen, aber eben auch über Rituale, Feste, Feiern.33 „Es gibt sie nicht an sich, sondern immer nur in dem Maße, wie sich bestimmte Individuen zu ihr bekennen. Sie ist so stark oder so schwach, wie sie im Bewußtsein der Gruppenmitglieder lebendig ist und deren Denken und Handeln zu motivieren vermag."34
Dabei spielt die Vergangenheit eine besondere Rolle. Immer wieder stützen ethnische und nationale Gruppen das Bewußtsein ihrer Eigenart und Einheit auf Ereignisse der Vergangenheit. Die Herrschaft über die historische Erinnerung und über die allgemein anerkannten Geschichtsbilder bestimmt daher das Selbstbewußtsein einer Gesellschaft. Eine besondere Herausforderung für die Identität des einzelnen und der Gruppe entsteht mit der Ausbildung von großräumigen Herrschaftsgebilden, Großreichen und Hochkulturen. In diesen Prozessen müssen besondere Symbole für die (junge und neue, prinzipiell gefährdete, da über die überschaubare Stammesgruppe hinausgewachsene) 31 Assmann, 124 f. 32 Assmann, 130. 33 Mühlmann, Rassen, passim; Reinhard Wenskus, Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen Gentes, Köln - Graz 1961 = 21975, passim. 34 Assmann, 132.
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gesellschaftliche Einheit gefunden werden: Die oft gigantischen Ausmaße der mesopotamischen und ägyptischen Tempel, Zikkurate und Totenstädte werden in dieser Hinsicht als Ausdruck intensiv gesteigerten Bemühens zur Sicherung der potentiell stets labilen kollektiven Identität der neuen Kulturen interpretiert. 35 Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir die großen Anstrengungen der modernen Nationen, enorme symbolische Zeichen zu setzen (etwa die Freiheitsstatue in New York, den Arc de triomphe oder die „défense" in Paris, das Lenin-Mausoleum in Moskau, das - nicht vollendete - Kaiserforum in Wien), in einem analogen Licht sehen.
3. VOM ETHNOS ZUR NATION
Die Antike hinterließ dem Mittelalter (wenn wir uns dieser bequemen Verallgemeinerungen bedienen dürfen) im Hinblick auf die spätere Entwicklung der ethnischen Vorstellungen ein vielfältiges Erbe. Zunächst einmal das Prinzip des Universalreiches, das zwar keineswegs wirklich universal war, aber doch als zentrale Denkfigur für die Interpretation der Weltgeschichte verwendet werden konnte. Diese war in die christliche Interpretation von Geschichte als Heilsgeschichte eingeflossen, die das Ende der Weltgeschichte mit dem Ende des Römerreiches annahm, welches man daher - als jenes Ende auf sich warten ließ - sinnvollerweise zuerst auf die Franken und dann auf die Deutschen übertragen dachte.36 Ein zweites wichtiges Erbstück war das Christentum selbst, das - in Verbindung mit dem Römischen Reich - die israelitische Vorstellung vom auserwählten Volk Gottes auf alle Getauften verallgemeinerte und damit erstmals eine universale, prinzipiell gleichberechtigte Menschheit denkbar werden ließ; denn traditionell war ja nur das Mitglied des je eigenen Ethnos wirklich „Mensch" gewesen, die „anderen", die „Barbaren", die „Stummen" (nemei) hatten daran kaum oder gar keinen Anteil.37 Hinsichtlich der Erschaffung und Errettung der Welt durch Christus 35 Assmann, 146. 36 Benedetto Croce, Theorie und Geschichte der Historiographie, Tübingen 1930, 173 und 179; Werner Goez, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958; Jenö Sziics, Nation und Geschichte. Studien (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, hg. v. E. Boshof, Heft 17), Köln - Wien 1981, 21 f. 37 Assmann, 146.
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war die gesamte Christenwelt auf eine einheitliche Interpretation festgelegt, die durch die Kanonisierung der heiligen Schriften in der Spätantike ein Höchstmaß an Verbindlichkeit erlangte. Doch zugleich (und drittens) erlebte die Spätantike und die frühe Neuzeit einen beeindruckenden Prozeß neuer Ethnogenesen, deren Erforschung einen faszinierenden Einblick in die innere Mechanik der Entstehung neuer Stämme und Völkerschaften eröffnet. 38 Sofern die neuen gentilen Gruppen, die neuen „gentes" christlich wurden, mußten sie die Vorstellung, von mythischen Göttern oder Heroen gegründet worden zu sein, wohl etwas revidieren. Dafür hat sich die Kirche als recht flexibel erwiesen und einige der (traditionell zu mythischen Gründungsheroen prädestinierten) „Staats"-Gründer zur Ehre der Altäre erhoben: Innerhalb des einen Volkes Gottes konnten daher durchaus verschiedene gentile Gemeinschaften existieren, deren Eigenständigkeit ein Komplex von Landes-, Stammes- oder Reichsheiligen garantierte: die Heiligen Wenzel und Adalbert, Stephan, Emmerich und Ladislaus sind wohl in dieser Richtung zu interpretieren. Der „heilige Spitzenahn" ist primär eine Erscheinung der im 10. und 11. Jahrhundert neu christianisierten Völker. Etwas anders ist die (historisch „jüngere") Heiligkeit Karls des Großen und Heinrichs II., Eduards des Bekenners oder Ludwigs IX., und natürlich, spät aber doch, die Leopolds von Österreich zu bewerten: Der „heilige König" in den schon länger christlichen Gebieten wird erst seit dem 12. Jahrhundert möglich und steht im Zusammenhang nicht nur mit neuen moralischen Aufladungen innerhalb der Kirche, sondern auch mit dem Interesse diverser Herrscherfamilien, zur Legitimation für ihre Herrschaft auf eigene heilige Vorfahren zurückgreifen zu können.39 Diese heiligen Herrscher (und ihre Begräbnisstätten als heilige Orte) garantierten die Einbindung in den populus Christianus. Der christlichen Gemeinschaft standen die „Nichtmenschen" an ihren Rändern gegenüber, die daher auch nicht bloß zu bekehren, sondern im Weigerungsfall auch schlicht auszurotten waren. Das führte beispielsweise zu den beliebten „Litauerreisen" - militärischen Ausflugsreisen des europäischen Adels ins Land des Deutschen Ordens zur Bekämpfung und Ausrottung der heidnischen Litauer.40 38 Herwig Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung (Österreichische Geschichte, 378-907, hg. v. Herwig Wolfram), Wien 1995, insbes. 275 ff., Kap. „Völker und frühmittelalterliche Räume". 39 Mit diesem Themenkomplex befassen sich viele der Beiträge in: Jürgen Petersohn, Hg., Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Vorträge und Forschungen Bd. XLII), Sigmaringen 1994. 40 Ch. Higounet, De La Rochelle à Torun, Aventure de Barons en Prusse et relations économiques (1363/64), Le Moyen Age 69,1963.
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Die Auflösung dieser in ethnisch-religiöser Hinsicht ebenso vielfältigen wie einheitlichen Welt der westlichen Christenheit erfolgte in mehreren Etappen. Der Prozeß der Staatsbildung Nicht die großen „Reiche" bildeten den Rahmen für das Entstehen frühnationaler Bewußtseinsinhalte. Es waren viel eher die „Länder", die „pays", die den dominierenden Rahmen für gesellschaftliches Bewußtsein abgaben. In der frühen Neuzeit erwuchs aus der Kombination solcher im Mittelalter entstandener Territorien die Staatenwelt der Neuzeit. Dieser Prozeß bedeutete nicht nur eine territoriale Ausweitung der Herrschaftsgebiete der Valois oder Bourbon, der Habsburger oder Hohenzollern, er bedeutete auch und vor allem einen langwierigen und oft gewaltsamen Prozeß der Integration der erworbenen Gebiete in eine neue Einheit - den Staat. Die Staatsbildung, als Prozeß der Ausbildung von Herrschaftsgebieten mit festen Grenzen, Gesetzgebungs-, Gewalt- und Steuermonopol brachte stehende Heere und zentrale Bürokratien hervor. Die neuen Staaten wurden zunächst durchwegs von ihren Herrschern symbolisiert, aus deren höfischer Machtakkumulation sie ja hervorgegangen waren.41 Aber irgendwann wurde aus dem von den Fürsten der frühen Neuzeit geschaffenen Verband von fürstlichen Untertanen einer von Staatsuntertanen - und schließlich von Staatsbürgern. Einen unbezweifelbaren Vorsprung in diesem Prozeß erlangten jene Staaten, bei deren Herausbildung sich früh eine antifürstliche Wendung ergab, die Niederlande etwa oder die Schweiz, oder Großbritannien. Sobald sich aber diese Emanzipation der Staatsbürger aus ihrer Untertanenrolle vorbereitete, entstand das Problem der Identifikation dieser freien Staatsbürger und das Problem der Begründung von Loyalität zum Staat. Der freie Verband von mündigen Staatsbürgern, selbstbestimmt und selbstbewußt, aber vereint zu gemeinsamen Zielen und - im Normalfall - über ein gemeinsames Erinnern einer als gemeinsam angenommenen Geschichte: das war die (moderne) Nation. Die
Reformationen
Es ist wohl zu vermuten, daß Wyclif, Hus, Luther oder Calvin die ganze Kirche reformieren wollten. Das Ergebnis waren freilich Landes-, Staats- oder Nationalkirchen - eine wichtige erste Phase des Transfers 41 Ein hervorragendes Beispiel dafür, daß dies auch dem 19. Jahrhundert bewußt war, bietet Ernest Renans berühmter Sorbonne-Vortrag vom 11. März 1882 über das Wesen der
Vom Ethnos zur Nation
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des Sakralen zum Nationalen hin.42 In Deutschland wurde der jeweilige Landesfürst zum Landesbischof, in England und Skandinavien der Herrscher zum Oberhaupt der nationalen Kirche. Übrigens war wenig zuvor mit dem Fall von Konstantinopel auch im Bereich der östlichen Kirchen das Prinzip der Nationalkirchen zum vollen Durchbruch gelangt (wenngleich gebremst durch die Neigung der osmanischen Behörden, dem Patriarchen von Konstantinopel gewisse Vorrechte zuzugestehen, zwecks besserer Übersichtlichkeit in der Verwaltung der christlichen „Rajah"). Mit dem Eindringen der Volkssprachen in die Liturgie erlangten jene einen Anteil an der Heiligkeit der Texte, die vorher dem Lateinischen vorbehalten war. Zugleich begann ihre Kodifizierung und die Verfestigung zu Schriftsprachen. Mit der Abschaffung der Heiligen und ihrer Kulte verschwand einer der wichtigen Ausdrucksformen, mit deren Hilfe die alte Kirche lokale, regionale, soziale und protonationale Identitätsträger in ihrem breiten Schoß zu vereinigen vermocht hatte. Die Katholiken ahmten zwar mit einer gewissen Zeitverzögerung die Reformation teilweise nach, aber sie behielten ihr Latein, ihren Papst und ihre Heiligen. Damit blieb der Katholizismus in der Entfaltung moderner „nationaler" Eigentümlichkeiten zurück. Die moderne Nation konnte zunächst nur in reformierten Gebieten entstehen (England, Niederlande, USA) oder aber in solchen katholischen, die gleichzeitig durch einen massiv ausgeprägten aufklärerischen antikirchlichen Affekt geprägt waren - wie in Frankreich. Die Revolution der
Kommunikation
Mit dem Buchdruck, der Reformation und der Erfindung der Flugschrift beginnen neue Medien die Kommunikation zu revolutionieren. Die neuen Medien stießen auf (und erweckten) einen ungeheuren Bedarf an gedruckter Nachrichtenübermittlung, aber auch an Polemik und Satire. Sie unterstützten aus verständlichen wirtschaftlichen Gründen den Trend zu einheitlichen Großsprachgebieten, der gleichzeitig durch die religiösen Reformationen und die Prozesse der überregionalen Staatsbildung begünstigt wurde. Die konfessionellen und politischen Streitparteien des 16. und 17. Jahrhunderts bedienten sich intensivst
Nation „Qu'est-ce qu'une nation?", in deutscher Übersetzung jetzt bequem in Michael Jeismann I Henning Ritter, Hg., Grenzfälle. Über alten und neuen Nationalismus, Leipzig 1993, 290-310. 42 Pierre Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990 (urspr. Einleitung zu Pierre Nora, Hg., Les lieux de mémoire, 7 Bde., Paris 1984-1992, Bd. 1, X V - X L I I ) .
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des neuen Mediums. Seine Verbreitung durch langsam erhöhte Alphabetisierungsgrade oder durch reisende Neuigkeitsverkünder führte zu einer Frühform einer „öffentlichen Meinung", auch wenn sie noch nicht den Habermas'sehen Kriterien einer „bürgerlichen Öffentlichkeit" entsprach. 43 Unter den neueren Nationstheoretikern rekurrieren insbesondere Karl W. Deutsch und Ernest Gellner sehr stark auf diese Kommunikationsrevolution: Tendenziell werden die entstehenden Nationen zum Rahmen dieser neuen, intensivierten Kommunikation. 44 Aber nicht nur durch das Medium an sich bildeten sich Kommunikationsräume, auch die verbreiteten Inhalte trugen dazu bei, die neuen Öffentlichkeiten mit gemeinsamen Feindbildern oder aber mit Überzeugungen von der je eigentlichen Vortrefflichkeit zu versorgen - kurz, solche Öffentlichkeiten in Kinderschuhen mit den Frühformen des Nationalismus auszustatten. 45 Der Bedeutungswandel
des Begriffs „Nation"
Daß der Begriff der Nation im 19. und 20. Jahrhundert einmal eine solche enorme Bedeutung erhalten würde, ist aus der älteren Bedeutungsund Begriffsgeschichte jenes Terminus nicht a priori abzulesen. Wenn man im Mittelalter eine größere, heute würde man sagen „ethnische" Gemeinschaft bezeichnen wollte, sprach man von einer „gens" oder einem „populus". „Natio" bedeutete demgegenüber in ganz unbestimmter Weise (und der lateinischen Wurzel noch recht gut entsprechend) die Herkunft, den Heimatort, aber auch den sozialen und sprachlichen Herkunftsbereich eines oder mehrerer Menschen. Man konnte „natione über" sein oder „natione Latinus". Gerade die Diffusität und mangelnde Genauigkeit des Begriffes „natio" machte ihn aber geeignet, verschiedene Phänomene zu bezeichnen, sofern sie nur auf einen gewissen regionalen, sozialen, sprachlichen, politischen oder ethnischen Herkunftshintergrund verwiesen. So faßten die Universi43 Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied - Berlin 51971; D. Wolf, Kommunikationsformen der Flugschriften des 16. und 19. Jahrhunderts und ihre sozialgeschichtlichen Bedingungen, in: Th. Cramer, Hg., Literatur und Sprache im historischen Prozeß, Tübingen 1983, Bd. 2, 150-169; Michael North, Hg., Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, Köln - Weimar - Wien 1995. 44 Karl W. Deutsch, Nationalism and Social Communication. An Inquiry into the Foundations of Nationality, Cambridge / Mass. 71975; Ernest Gellner, Nationalismus und Moderne. Berlin 1991 (engl. Oxford 1983), passim. 45 Martina Mittag, Nationale Identitätsbestrebungen und antispanische Polemik im englischen Pamphlet 1558-1630. Frankfurt am Main (u. a.) 1993; Franz Bosbach, Hg., Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit, Köln Weimar - Wien 1992.
Vorn Ethnos zur Nation
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täts- oder Konzils-„Nationen" Gruppen von Teilnehmern unter einem Namen zusammen, den wir heute nur allzuleicht als „ethnisch" mißverstehen, während er bloß einen oft recht weiten gemeinsamen regionalen Herkunftshintergrund andeutet. 46 Als „Nationen" konnten aber auch regionale und sprachliche Gemeinschaften bezeichnet werden, die im Mittelalter im Zuge der Landes- und Territorienbildung entstanden waren. So bestand Frankreich im Spätmittelalter aus zahlreichen „nations", jenen von Calais, Gascon, France, aus den „nations" der Navarroys, der Angloys und der Bretons. Die Generalstände von 1484 setzten sich aus den Vertretern der „... nations de Languedoc, de Languedoil, d'Aquitanie, de Paris, de Normandie, de Picardie ..." zusammen.47 Der Begriff „Nation" war also äußerst variabel und konnte ebenso ein Sprachgebiet wie ein Herrschaftsgebiet oder aber auch eine einzelne Stadt bezeichnen. Recht häufig - und gerade die zitierten Anlässe zeigen das - war die „Nation" die Gruppe der politisch Berechtigten, jene, die an Landesoder Reichsversammlungen teilnehmen durften. Das wurde für die Zukunft außerordentlich bedeutungsvoll. Die ständische Bewegung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit organisierte und stabilisierte diese politische Berechtigung in Reichs- oder Landständen. Als „Nation" galten vielfach die an den ständischen Versammlungen teilnahmeberechtigten Adeligen, Geistlichen und Bürger.48 In einem bestimmten Sinne ist die moderne, demokratische „Nation" daher das Produkt der Ausweitung des Geltungsbereiches des Begriffes „Nation" von einer kleinen, „privilegierten" Gruppe von politisch Berechtigten auf alle Staatsbürger. Nicht selten waren ständische Bewegungen mit religiösen Reformbewegungen verbunden - in Böhmen, in Frankreich, in England, im Reich, in den habsburgischen Erblanden, in Ungarn. Die interessantesten dieser ständischen Versammlungen sind das englische Parlament, die französischen Generalstände und die niederländischen Generalstaaten, die ja als zentrales Organ der entstehenden niederländischen Nation gelten können. 49 Wenn sich nämlich die ständische Bewegung 46 Über die Konzils-Nationen vgl. R. Riemeck, Glaube, Dogma, Macht. Geschichte der Konzilien, 1985. AI Szücs, Nation, 203. 48 Szücs, Nation, 114. 49 Dazu vor allem zahlreiche Arbeiten von Helmut G. Koenigsberger, z. B. The States General of the Netherlands before the Revoit, in: X e Congrès international des sciences historiques, 1955, Rom 1958; ferner ders., Warum wurden die Generalstaaten der Niederlande im 16. Jahrhundert revolutionär? In: Heinrich Lutz, Hg., Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karl V., München - Wien 1982, 239-252. - Zum Gesamtkomplex mehrere
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mit einer reformatorischen Bewegung und einem antifürstlichen Affekt verband, konnte dies zur revolutionären Entstehung einer modernen Nation führen. Genau das war in den Niederlanden der Fall, ähnliches in England. Ansatzweise war diese Tendenz auch in Böhmen und Ungarn zu beobachten. 50 Aufklärung und Säkularisierung Die Geschichte der Aufklärung ist wohl eine Folge des Zeitalters der Reformationen. Hatte man einmal akzeptiert, daß keine der einzelnen Konfessionen einen Vorrang vor den anderen besaß, so mußte auch die Verbindlichkeit der dem Konfessionalismus zugrundeliegenden christlichen Wahrheiten prinzipiell fraglich und brüchig werden. Heilsgeschichte und Menschheitsgeschichte waren nicht mehr automatisch dasselbe. In der Aufklärung öffnete sich daher die Geschichte nach vorne: Ziel und Ende der Geschichte wurden ungewiß.51 Es gibt keine dogmatischen Antworten mehr auf die uralte Frage nach dem Ziel der Menschheit. Das bedeutet aber nicht, daß diese Fragen damit verschwunden waren - nur, wie sollten sie nun beantwortet werden? Unzweifelhaft stellte man sich eine stete Vervollkommnung der Menschheit mit Hilfe der Vernunft vor. Diese Menschheit war aber keine amorphe Masse, sondern in unterschiedliche Rassen, Völker und Staaten gegliedert, die ihrerseits auf den „Gesellschaftsvertrag" zurückgeführt wurden. Diese Unterteilung der Menschheit, wie sie im wesentlichen in Westeuropa durch den oben kurz angedeuteten Prozeß der Staatsbildung geschaffen worden war, würde auch weiterhin bestehen, ja gerade durch die Konkurrenz der verschiedenen Nationen in der Entwicklung der Vernunft das Heraufkommen einer universalen, edler Brüderlichkeit verpflichteten Menschheit befördern. 52 Die Menschheit gliederte sich in „Nationen", die zugleich als Träger der Souveränität und der fortschreitenden Kultur gedacht waren. Sie wurden - sozusagen - zur vorletzten Instanz vor der Universalmenschheit.
Bände der Études presentees à la Commission internationale pour l'Histoire des Assemblées d'États. - Zu den französischen Generalständen vgl. J. R. Major, Representative Institutions in Renaissance France, 1960; ders., Representative Government in early modern France, New Haven - London, 1980. 50 Estates and Revolutions, Ithaca 1971 (mit Beiträgen von Koenigsberger über die Stände von Piémont, Sizilien und dem spanischen Reich); zu Ungarn vgl. Kaiman Benda, Absolutismus und ständischer Widerstand in Ungarn am Anfang des 17. Jahrhunderts, in: Südostforschungen 33, 1974. 51 Szücs, Nation, 21 f. 52 Szücs, Nation, 22.
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Die Französische
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Revolution
Der große Schritt von der Theorie in die Praxis erfolgte in der Französischen Revolution: Die sich selbst als Souverän konstituierende französische Nation, repräsentiert in ihrer Nationalversammlung, verkündete die Menschenrechte, die freilich nur als Bürgerrechte innerhalb einer staatlich verfaßten Nation wirksam werden konnten. 53 Der in seinen Rechten geschützte Mensch ist dies also nur als Mitglied einer Nation, in diesem Falle der französischen. Schon zeigt die Nation ihr Doppelgesicht: Sie ist einerseits der seit 1789 unverzichtbare Rahmen für die Menschen- und Bürgerrechte. Und sie ist auf der anderen Seite der tyrannische Ausgangspunkt für Ausgrenzung, Verfolgung, Vernichtung jener „anderen", die eben nicht zur Nation gehören. Die Nation warf die alten Mythen über Bord: Der König wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen, zum Nichtmenschen erklärt, hingerichtet. 54 Die heiligen Orte des französischen Königtums wurden zerstört, die Grablege von St.-Denis verwüstet, der Dom von Notre-Dame in Paris säkularisiert und dem Verfall preisgegeben. Man ging gründlich vor bei der Zerstörung der mythischen Grundlagen des katholischen, königlichen Frankreich. Das Ergebnis war freilich nicht eine rationale, mythologiefreie Gesellschaft, sondern der rasche und gezielte Aufbau eines neuen Mythos der Revolution: Von der Proklamierung einer neuen Zeitrechnung über die Freiheitsbäume, die Trikolore, die neue Abstammungssage (die „richtigen" Franzosen stammten von Römern und Trojanern ab, nicht, wie der Adel, von den Franken!), die Inszenierung der republikanischen Feste, den Kult der Göttin der Vernunft bis zur neuen Hymne, der Marseillaise, entstand in kürzester Zeit ein kontingentes System von mythischen Vorstellungen, abgestützt durch besondere Zeichen, Symbole und Rituale. 55 Die Siege der französischen Armeen im Kampf mit den von außen herandrängenden Feinden vervollständigen jenes Repertoire, das es Franzosen seitdem gestattet, den 14. Juli als Erinnerungstag an die siegreiche Revolution, an den 53 Zur Entwicklung des Nationsbegriffes vor und während der Revolution vgl. Elisabeth Fehrenbach, Nation, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1618-1820, hg. v. Rolf Reichardt u. Eberhard Schmitt in Vbg. m. Gerd van den Heuvel und Anette Höfer, Heft 7, München 1986, 75-107. 54 Reinhart Koselleck, Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe, in: Jeismann / Ritter, Hg., Grenzfälle, 1993,174-192, hier 186. 55 Pierre Lantz, Krise der Politik und Krise des Symbols, in: Jürgen Link / Wulf Wülfing, Hg., Nationale Mythen und Symbole in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1991, 72-83. Zum Revolutionskalender vgl. Michael Meinzer, Der Französische Revolutionskalender (1792-1805): Planung, Durchführung und Scheitern einer politischen Zeitrechnung, München 1992.
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Sieg der Menschenrechte, aber auch an die Siege über fast ganz Europa zu begehen. Natürlich mußten die Gegner von den durch Massenheer und Massenbegeisterung unbesiegbar erscheinenden Franzosen lernen: Ansätze zur breiteren Volksbewaffnung werden diskutiert, neue Hymnen entstehen (1797 die österreichische Volkshymne). Der nationalen Begeisterung der Franzosen hatten die Gegner zunächst nichts Adäquates entgegenzusetzen. Sie mußten erst ihre eigenen nationalen Vorstellungen entwickeln. Das mußte notwendig in antirevolutionärer Wendung geschehen, eher unter Betonung des Herkommens, der guten alten Traditionen, der Legitimität fürstlicher Herrschaft. Wenigstens teilweise konnte man dabei auf die neuen Ansätze zurückgreifen, die in Deutschland in den 1780er und 1790er Jahren entstanden waren.56 Herder, die Romantik und die bürgerliche
Bildungsreligion
Hatte sich im französischen Nationsbegriff der Revolution das Streben nach Volkssouveränität, Bürgerrechten, Zentralisierung der Loyalität und Legitimität beim Volke selbst gebündelt, freilich umwoben von einem Kranz an neuen Ursprungssagen, einer neuen Revolutionsmythologie und Revolutionssymbolik, so knüpfte Herder zwar ebenfalls an die seit der Aufklärung offene Frage nach dem Sinn der Geschichte an, als er seine „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" schrieb, ging aber methodisch weit über die eher schematischen Vorstellungen der Aufklärer hinaus. Die Rolle und Funktion der einzelnen Völker in der Menschheitsgeschichte konnten nur aus ihrer Geschichte selbst erklärt werden. Diese Geschichte erscheint stark von klimatischen und topographischen Gegebenheiten geprägt. Sie war keineswegs nur eine politische, sondern auch eine Geschichte der Wirtschaft, der Innovationen, des Alltags, aber auch der Feste, der Überlieferungen, der Literatur, der Märchen und Sagen. Intensive Beschäftigung mit der Geschichte, mit der Literatur, der ,yolkskultur" war daher vonnöten. Wir brauchen hier nicht im Detail zu erläutern, daß dadurch nicht nur die historischen Wissenschaften, sondern auch die Sprach- und Kulturwissenschaften (Germanistik, Slawistik, Indogermanistik, Volkskunde usw.) enorm angeregt, ja geradezu erst ins Leben gerufen
56 Szücs, Nation, 22: „Anfang des 19. Jahrhunderts brauchte ganz Europa ein Modell einer urtümlichen, ,organischen' Nation, die sich nicht auf irgendwelchen revolutionären politischen Akt zurückführen läßt, sondern eine aprioristische oder zumindest sehr urtümliche Erscheinung der Natur und der Geschichte ist, konstituiert durch im wesentlichen unveränderliche Faktoren, bestimmt durch besondere, nur für sie gültige Gesetze . . . "
Vom Ethnos zur Nation
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wurden. 57 Herder war aber nicht nur methodisch und theoretisch einflußreich, sondern durch seine konkreten Interpretationen auch praktisch: Sein Slawenkapitel beflügelte die Phantasie zahlreicher Historiker, Sprach- und Literaturforscher Ostmittel- und Osteuropas. In seinem übrigens noch nicht begrifflich voll entfalteten Bild der Nationen (er faßte z. B. noch alle Slawen als eine Nation zusammen) spielte weniger die Volkssouveränität die erste Rolle, als die Suche nach dominanten kollektiven Charakterzügen, die es sozusagen erlauben würden, die Funktion der jeweiligen Nation im Konzert der gesamten Menschheit zu identifizieren. Aber auch bei Herder, ganz ebenso wie in der Französischen Revolution, ist ein demokratischer, partizipatorischer Grundzug bemerkbar: Die Nation besteht aus allen Individuen einer bestimmten Gruppe, alle sind davon betroffen, alle haben daher auch wohl das Recht, ihre eigenen Schicksale mitzubestimmen - auch wenn diese Phasen vorsichtigerweise erst in Zukunft kommen werden. 58 *
Alle diese Punkte müssen Berücksichtigung finden, will man die enorme Bedeutungszunahme des Begriffs „Nation" im 18. und 19. Jahrhundert erklären. Sie resultiert aus der Zusammenfügung mehrerer früher theoretisch getrennter Ebenen, die alle das politische Gemeinwesen betreffen (Autorität, Ausübung von Macht und Recht, Souveränität, Rechtsperson), in einer einzigen als kollektive Persönlichkeit gedachten Einheit sowie der Konzentration der Gruppenloyalität auf ebendiese kollektive Persönlichkeit. Die Verschiebung der Souveränität vom König zum Volk, die letzte Begründung staatlichen Handelns in dieser Souveränität des eben dadurch zur „Nation" gewordenen Volkes haben die gesellschaftliche Reichweite von „Nation" ausgeweitet und emotional stark aufgeladen. In diesen Verschiebungen spiegelt sich gleichzeitig der gesellschaftliche Wandel, die Herausbildung der „bürgerlichen Gesellschaft" mit ihrem kräftigen, wenn auch anfangs noch gedämpften demokratischen Impetus. In einer prinzipiell stärker von Rationalität geprägten Welt sollte die Nation ein rationales Gliederungsprinzip für die Verschiedenheit der Menschen sein: Im friedlichen Wettstreit sollten die verschiedenen Nationen insgesamt dem Fortschritt und der Humanität dienen.
57 Holm Sundhaußen, Der Einfluß der Herderschen Ideen auf die Nationsbildung bei den Völkern der Habsburger Monarchie, München 1973. 58 M. Rainer Lepsius, Nation und Nationalismus in Deutschland, in: M. R. Lepsius, Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, wieder in: Jeismann / Ritter, Hg., Grenzfälle, 193-214, hebt freilich die Verfassungsindifferenz des Konzeptes der „Volksnation" hervor.
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Einleitung
Seit die Geschichte durch das Ende der Einbettung der Menschheitsin die göttliche Heilsgeschichte prinzipiell offen geworden war, konnte die „Nation" als die zentrale gesellschaftliche Einheit erhebliche religiöse Energien auf sich konzentrieren, Erlösungsphantasien, Heilserwartungen und Endzeithoffnungen.59 Gleichzeitig verbanden sich mit der neuen Denkfigur der alle Staatsbürger umfassenden Nation die traditionellen mythologischen Vorstellungen, die stets mit der Mitgliedschaft bei einer ethnischen Gemeinschaft verbunden waren. Stammes-, Landes-, Königs- oder Reichsmythologie mit ihren Abstammungssagen, Helden, Heiligen und heiligen Orten wurde in eine moderne, entchristlichte nationale Mythologie transformiert. Im „Transfer des Sakralen" wird die Nation zum Träger aller jener Vorstellungen, die früher mit Gott und den Heiligen verbunden waren: Während an der Spitze der barocken Dreifaltigkeitssäule die Gottheit thront, wird sie nun durch nationale Helden und Heroen ersetzt - oder die Nation selbst setzt sich an die Stelle der Gottheit und nimmt ihre Stelle ein.60 Es verwundert daher wenig, daß die Nationen in ihrem Wettstreit nicht zu Trägern wachsender Humanität wurden, sondern Erfinder von Aus- und Abgrenzungen, von Unmenschlichkeiten und Greueln, die in der bisherigen Menschheitsgeschichte in dieser Konzentration nur in besonders grausamen religiösen Auseinandersetzungen bekanntgeworden waren. Denn die Kriege der modernen Nationen sind typologisch eher den älteren Religionskriegen verwandt als den von dynastischen Interessen dominierten Konflikten des 18. Jahrhunderts. Insofern hat der österreichische Hofrat Franz Grillparzer mit seinem zutiefst skeptischen Epigramm leider recht behalten: „ D e r W e g der n e u e r n Bildung geht von H u m a n i t ä t durch Nationalität zur B e s t i a l i t ä t " 6 1
4. „NATION" HEUTE Wie eine Zusammenfassung unserer bisherigen Überlegungen mutet ein neuerer Definitionsversuch in einem Lexikon an.62 Er bezeichnet „Nation" als den 59 H. L. Koppelmann, Nation, Sprache und Nationalismus, Leiden 1956, 116 ff. 60 Gellner, Nationalismus, 88: „In einem nationalistischen Zeitalter machen sich die Gesellschaften selbst kühn und offen zum Gegenstand der Verehrung und verzichten auf den Schleier der Idealisierung..." 61 Franz Grillparzer, Sämtl. Werke 1/12 (Gedichte III), Wien 1937, 213. 62 Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 15, Mannheim, >n991, 344-347.
.Nation" heute
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„... Rahmen ..., innerhalb dessen sich Menschen neben kultureller Eigenständigkeit v. a. polit. Selbständigkeit (Souveränität) unter Verweis auf eine als gemeinsam angenommene Geschichte, Tradition, Kultur, Sprache zumessen. Die polit. Zielsetzung drückt sich dabei v. a. in der Tendenz aus, N. und (National-)Staat zur Dekkung zu bringen. Der seit der Frz. Rev. in den Vordergrund getretene N.-Begriff zielt v. a. auf die polit. Souveränität im internat. Zusammenhang als auch die Garantie von Menschen- und Bürgerrechten im Rahmen eines Verfassungsstaates [...] N. bildet insoweit den Rahmen für ein polit. Handlungsprogramm, das mit dem Blick auf eine gemeinsame Zukunft entworfen und im Rückgriff auf angenommene gemeinsame Merkmale (Sprache, Geschichte, Kultur) legitimiert wird. Die Zuordnung einzelner Bev.-Teile kann dabei zwischen versch. N. strittig sein; sie verläuft teilweise in Konkurrenz, teilweise in Überschneidung zu anderen Zuordnungsmöglichkeiten, wobei die N. seit dem 19. Jh. für sich jedoch allgemein die höchste Loyalität beansprucht. Bis heute sind Versuche, N. anhand objektiver allgemeingültiger Merkmale zu definieren, umstritten. Bei N. handelt es sich keineswegs um etwas Naturgegebenes. Viel mehr stellt N. eine genuin historisch und kulturell bestimmte Betrachtungs(Interpretations-) und Zurechnungskategorie dar, deren Herausbildung - die in jedem Einzelfall durchaus auch hätte anders verlaufen können - in unterschiedl. historisch-politischen Zusammenhängen begründet ist..."
Wenn Nationen nichts Naturgegebenes sind, dann sind sie in bestimmten, nachvollziehbaren und analysierbaren historischen Prozessen entstanden. In diesen Prozessen muß - im Falle einer „erfolgreichen" Nationsbildung - ein Bewußtsein von Einheit entstanden sein, abgesichert vielleicht durch Einheitlichkeit des Staates, vielleicht der Sprache, der Tradition, der gemeinsamen Vorstellungen von der Vergangenheit. „Nation" ist nach dem Zerfall zweier großer multinationaler kommunistischer Staaten heute mehr denn je organisierendes Prinzip der Politik. Sich als Nationen verstehende Gruppen drängen nach Eigenstaatlichkeit - die Schwellen für die „nationale" Staatsbildung sind dabei stark herabgesetzt worden. Eigene Staaten für Slowaken, Kroaten, Slowenen, Esten oder Letten wären vor hundert Jahren noch undenkbar gewesen.63 Aber das Beispiel florierender Klein-, ja Kleinststaaten der Gegenwart hat Schule gemacht und wird wahrscheinlich noch weiter wirken. Ist das „Prinzip Nation" für diejenigen Völker, die aus Großreichen auszuscheiden wünschen, ein demokratisch-revolutionäres (freilich stets mit der Gefahr der Ausgrenzung und Benachteiligung der Nichtnationalen verbunden), so ist in vielen Gebieten Asiens oder Afrikas das „Prinzip Nation" vom antikolonialistischen Schlagwort zum staatsbildenden Mythologem 63 Eric J. Hobsbawm, Nationen und Nationalismen. Mythos und Realität seit 1780, Frankfurt/ M. 1991, 44 ff.
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Einleitung
geworden.64 „Nation" wird hier zum Versuch, über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg eine (letztlich auf die willkürlichen Grenzziehungen der Kolonialmächte zurückzuführende) Staatlichkeit gesellschaftlich integrativ zu gestalten, die weder auf historische Traditionen noch auf sonstige hilfreiche Mythologien verweisen kann - ausgenommen den „nationalen Befreiungskampf". Außerhalb Europas werden daher die negativen Konnotationen, die wir gern mit dem Begriff „Nation" verbinden, kaum verstanden. Die europäische Nationsdiskussion kreist immer wieder um die oben zitierten „angenommenen gemeinsamen Merkmale". So hat M. R. Lepsius am Beispiel Deutschlands versucht, je nach den jeweils vorherrschenden Vorstellungen von dem, was denn die „Nation" ausmache, „Volksnation", „Kulturnation", „Klassennation" und „Staatsbürgernation" zu unterscheiden.65 In der „Volksnation" dominierte die Vorstellung gemeinsamer Abstammung, sie war verfassungsneutral und konnte sich mit verschiedenen politischen Systemen verbinden. Die Denkfigur der „Kulturnation" rekurrierte auf die gemeinsame „Kultur", wobei es sich freilich primär um die Gemeinsamkeit jener Kulturgüter handelte, die mit der gemeinsamen Sprache in Zusammenhang standen. (Wir können deshalb auch anstelle von „Kulturnation" etwas präziser den Begriff „Sprachnation" verwenden). Diese Vorstellung habe, nach Lepsius, freilich einiges von ihrer verbindenden Stärke eingebüßt, so daß heute an die Stelle der „deutschen Kulturnation" eher der Begriff „deutschsprachig" getreten sei. Die „Klassennation" sah die Einheit der (DDR-)Nation in Abgrenzung zur Bundesrepublik in der gleichen Klassenlage der DDR-Bürger fundiert. Analog wie in der „Volksnation" war dabei die nationale Legitimitätsgrundlage von den Einzelinteressen der Mitglieder abgekoppelt, ihre Interpretation war bestimmten Eliten übertragen, das Konzept der Klassennation war prinzipiell undemokratisch. Dagegen konstituiert sich die „Staatsbürgernation" prinzipiell über die individuellen staatsbürgerlichen Grundrechte und die demokratische Legitimation der (stets nur temporären) Herrschaftsträger. Sie ist daher nicht verfassungsneutral. Wir wollen die Diskussion der internationalen Forschungssituation an dieser Stelle bewußt nicht weiterführen. Es sollte an dieser Stelle nur soviel klargeworden sein: 64 Ernst Bruckmüller / Sepp Linhart I Christian Mährdel, Hg., Nationalismus. Wege der Staatenbildung in der außereuropäischen Welt (Historische Sozialkunde 4), Wien 1994. 65 M. Rainer Lepsius, Nation und Nationalismus in Deutschland, in: M. R. Lepsius, Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, wieder in: Jeismann / Ritter, Hg., Grenzfälle, 193-214.
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- „Nation" ist kein Begriff von überzeitlicher Geltung, sondern bezeichnete in der Geschichte jeweils sehr Unterschiedliches; erst seit dem 18. Jahrhundert dominiert in seiner Verwendung die Vorstellung von einer menschlichen Großgruppe, die sich als „Nation" weiß und dieses Wissen auch politisch umsetzt. - „Nation" konstituiert sich über gewisse Vorstellungen - die angenommene Gemeinsamkeit kann eine solche der Abstammung, der Staatlichkeit, der „Kultur", der Religion, der Sprache, der Geschichte sein. - Diese Vorstellungen bedürfen zu ihrer Verbreitung und Verfestigung ihrerseits wiederum einer symbolischen Verdichtung in mehr oder weniger diffusen mythologischen Vorstellungen, aber auch in nationalen und staatlichen Symbolen (Wappen, Fahnen, Personen, Ereignissen, symbolischen Zentralorten), sowie besonderer gesellschaftlicher Träger (Adel, Bürger, Intellektuelle . . . ) und die nationale Identität verstärkender gesellschaftlicher Institutionen und Agenturen (Schulen, Museen, Bürokratien, Armeen, Vereine, Medien ...). - Die moderne „Nation" entsteht in einem Prozeß, in welchem die Trägerschichten des modernen Nationalbewußtseins die großen Massen der Bevölkerung davon überzeugen, daß die Loyalität zu einer gewissen Nation hervorragend geeignet ist, gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme zu lösen (oder als lösbar erscheinen zu lassen). Dieser Überzeugungsprozeß, die symbolische Eingliederung der „Massen" in die „Nation", ist ein gesellschaftlich-politischer Prozeß von größter Tragweite, der in unseren Breiten lyrisch-romantisch traditionell als „Erwachen der Nationen" beschrieben wurde und auf dem Boden der ehemaligen Habsburgermonarchie selbst wieder mythenbildend gewirkt hat. Wichtig ist die Beobachtung, daß diese nationsbildenden Prozesse häufig in konflikthafter Konkurrenz abgelaufen sind und im kollektiven Gedächtnis der Nachkommen bis heute nachwirkende, tiefe und häufig kontroversielle Spuren hinterlassen haben. - Soviel die moderne Nation auch von anderen ethnischen Formen unterscheidet, so hat sie mit diesen doch gemeinsam, daß sie als primäre „Heimat" erfahren wurde (und wird), als die „Wir"-Gruppe. Solche pränationale Formen sind nicht nur in großer zeitlicher und geographischer Entfernung zu finden, sondern auch in der eigenen Geschichte aller europäischen Nationen. Die Kontinuität oder aber die Diskontinuität solcher in der Regel kleinräumigerer ethnischer Gebilde spielt bei der Entstehung und bei der Gestaltung der modernen Nationen daher eine bedeutsame Rolle.
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Einleitung
5. FOLGERUNGEN UND FRAGESTELLUNGEN
Im II. Kapitel wollen wir uns dem Thema vorerst durch eine knappe Rückerinnerung an die Hauptlinien der durchaus kontroversiellen öffentliche Debatte der letzten fünfzig Jahre annähern, sodann durch eine ebenso knappe Zusammenfassung der Historikerdiskurse zu unserem Thema und schließlich durch ein Rekapitulieren der Ergebnisse der empirischen Sozialforschung. Ein zweiter Block von Fragestellungen (Kapitel III) will den Symbolhaushalt, die österreichischen Selbstbilder, die Fremdbilder über Österreich, die Abgrenzungs- und Verwandtschaftsannahmen darstellen. Sie beziehen sich auf die herrschenden Identifikationsfiguren, auf das „kulturelle Gedächtnis", die gemeinsamen Symbole, ihr Geschichtsbewußtsein, ihre zentralen heiligen Gedächtnisorte, ihre Helden, Heiligen oder Märtyrer. Nach der Rekonstruktion dieser Muster sollten wir uns auf die Suche nach den historischen Wurzeln (Kapitel IV), den verschiedenen tendenziell ethnos- oder nationsbildenden Prozessen in der österreichischen Geschichte seit den Anfängen der Landesbildung begeben. Gesucht werden gesellschaftliche Agenturen und Institutionen, die kollektives Bewußtsein erzeugen, befestigen, schwächen oder verändern. Während die gentilen Bildungen des Frühmittelalters außer den Bayern- und Karantaner-Namen sehr wenig für spätere ethnische Verhältnisse zurückgelassen haben, waren die Landesbildungen die historisch ersten ethnogenetischen Prozesse mit deutlichen Traditionszusammenhängen bis zur Gegenwart. Die Reichsbildung der Habsburger und die Ausbildung der Sprachnationen des 19. Jahrhunderts bilden selbstverständlich eigene Schwerpunkte. Aber auch das Problem der gescheiterten Revolutionen soll uns beschäftigen. Im Kapitel V versuchen wir abschließend die eingangs gestellten Fragen zu rekapitulieren und einige zusammenfassende Antworten zu formulieren.
II. Kontroversen und Daten 1. POLITISCHE U N D PUBLIZISTISCHE A U S E I N A N D E R S E T Z U N G E N
Zwischen deutscher und österreichischer
Nation
Unmittelbar nach der Wiedererrichtung Österreichs unterschied sich die „nationale" Programmatik der drei zunächst zugelassenen Parteien durchaus. Während die ÖVP die „... intensivste Arbeit am Aufbau der österreichischen Nation" forderte und die KPÖ ebenfalls eine österreichisch-nationale Ausrichtung deklarierte, hatte die SPÖ dazu noch keine Meinung. In den ersten programmatischen Äußerungen ist dazu nichts zu finden - nur der Hinweis, daß man das deutsche Volk nicht insgesamt zum Kollektivschuldigen an den Verbrechen der Nazis stempeln dürfe. 1 Angesichts der Parteigründung des VdU 1949 nahm die ÖVP ihre österreichnationale Ausrichtung wieder zurück, um deutschnational orientierte Wähler nicht zu verschrecken. So betonte der niederösterreichische Landesparteisekretär Weinmayer im November 1949, die deutsche Sprache „... ist und bleibt die Sprache des österreichischen Volkes", jedoch: „Als deutschsprechende Menschen lieben wir aber vor allem unser Österreich, was man von den Leuten, die heute im VdU den Ton angeben, gerade nicht behaupten kann. Diese sind und bleiben nationale Chauvinisten ..."
Im Effekt wurde damit das Österreichbekenntnis von einem „nationalen" zu einem patriotischen herabgestimmt, das bewußt auch für ein deutschnational orientiertes Österreichbewußtsein Platz lassen sollte.2 1952 war an die Stelle des „Aufbaues der österreichischen Nation" das Engagement für die „... zielbewußte Pflege des österreichischen Geistes und des eigenständigen österreichischen Kulturgutes, das in dem als Vätererbe auf uns überkommenen christlich-abendländischen Ideengut begründet ist...", getreten. 3 Vor allem nach 1955 kam es zu einem Wiedererstarken deutschnationaler Bestrebungen. 1956 erschien in der Zeitschrift „Die Aktion" ein Beitrag über das „Geflunker von der österreichischen Nation", die „nur zwischen Unkraut zu gedeihen" scheint.4 Zur Schiller-Feier 1959 1 Kriechbaumer, Parteiprogramme, 679 und 840. 2 Karl-von-Vogelsang-Institut, Archiv der ÖVP, Landesparteileitung Niederösterreich, Aufklärungs- und Informationsdienst Nr. 11 vom 23. 11. 1949. 3 Kriechbaumer, Parteiprogramme, 700. 4 Friedrich Torberg, Pamphlete - Parodien - Postscripta, München - Wien 1964, 296.
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Kontroversen und Daten
marschierten etwa 3000 Mitglieder „nationaler Jugendorganisationen" vom Wiener Rathaus zum Heldenplatz - „Nazigesichter", wie Friedrich Torberg unverblümt feststellte. 5 Und eine Berichtigung des Österreichischen Turnerbundes in der „Presse" vom 23. Dezember 1961, wonach der Turnerbund die Jugend „... außer der Treue zum deutschen Volkstum selbstverständlich zur Liebe zum Vaterland Österreich" zu erziehen versuche, kommentierte Torberg: „... am besten wäre, wenn die Jugend wirklich außer der Treue zum deutschen Volkstum erzogen würde und in der Treue zum österreichischen. Leider liegt nichts dergleichen vor.. ,"6
Nun begannen die spektakulären Freisprüche für österreichische Mitglieder der NS-Vernichtungsmaschinerie: So wurde 1963 Franz Murer, „Herr über das Wilnaer Ghetto", von österreichischen Geschworenen unter dem Beifall der Öffentlichkeit freigesprochen. 7 Institutionen zur Stärkung eines dezidiert österreichischen Bewußtseins, wie das „Institut für Österreichkunde", konnten diesen Trend wohl nur abschwächen. Waren unmittelbar nach Kriegsende ÖVP und KPÖ die eigentlich „österreichischen" Parteien, so ist auch in der SPÖ ab etwa 1957 eine „nationale" Bewußtwerdung zu beobachten. Felix Butschek hatte in diesem Jahr (erstmals) von der Verankerung eines österreichischen Nationalbewußtseins bei den Österreichern gesprochen. Zwar stellte 1962 Hermann Mörth in der „Zukunft" fest, daß dieses Nationalbewußtsein „unterentwickelt" sei. Im allgemeinen dürften seit dieser Zeit die Schwierigkeiten der SPÖ mit der Eigenständigkeit der österreichischen Nation aufgehört haben. 8 Auf der katholischen Seite des politischen Spektrums bemühte sich um 1960 insbesondere die „Furche" um eine Intensivierung der Debatte um das Nationalbewußtsein der Österreicher. 9 Göbhart und
Borodajkewicz
Aber erst durch die „Affäre Göbhart" erreichte die Kontroverse um das nationale Bewußtsein der Österreicher eine bislang unbekannte Intensität und Breite, die nun erstmals über den verhältnismäßig kleinen Kreis von Politikern und Intellektuellen hinausging. Dr. Franz 5 6 7 8 9
Torberg, Torberg, Torberg, Kreissler, Kreissler,
Pamphlete, 296 f. Vgl. dazu auch Kreissler, Österreicher, 433. Pamphlete, 297. Pamphlete, 299 f. Österreicher, 454 ff. Österreicher, 457 f.
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Göbhart war Direktor der Lehrerbildungsanstalt in Graz, engagierter Katholik und ÖVP-Mitglied. Im Jänner 1964 erhielt er eine Einladung des „Deutschen Kulturwerkes europäischen Geistes" zu einer Filmaufführung. Göbhart schrieb den Veranstaltern, daß deutschnationale Umtriebe im österreichischen Schulwesen nichts verloren hätten. Daraufhin klagten ihn die „Kulturwerker" auf Ehrenbeleidung und brachten über einen FPÖ-Abgeordneten eine schriftliche Anfrage an den Unterrichtsminister Drimmel ein, die auf eine Rüge für Göbhart durch den Minister abzielte. Die zunächst eher schwache Reaktion ermutigte die um die „deutsche Volkheit" bemühten deutschnationalen Organisationen, für den 9. April 1964 (Vorabend des 26. Jahrestages von Hitlers Volksabstimmung) einen Vortrag unter dem Titel „Sind wir Österreicher Deutsche?" anzukündigen. Reden sollte der einschlägig bekannte Schriftsteller Fritz Stüber und der ehemalige Naziprofessor Hellfried Pfeifer. Nun formierte sich in Graz eine Gegenfront. Man forderte das Verbot des Vortragsabends. 16 von 18 Grazer Schuldirektoren solidarisierten sich mit Göbhart. Schließlich wurde die neonazistische Kundgebung des „Kulturwerkes" untersagt, eine Gegenkundgebung fand aber statt, auf der Göbhart sagen konnte: „Ich freue mich, daß Graz nicht die ,Stadt der Volkserhebung', sondern die Stadt der österreichischen Erhebung ist ..." Auch in den Medien äußerte sich nunmehr eine breite Ablehnungsfront gegen die neonazistische Agitation. Jetzt, 1964-1965, wurden öffentliche Diskussionen zum Thema des nationalen Bewußtseins häufiger, erstmals auch im Fernsehen. Hier standen sich der Freiheitliche Tassilo Broesigke und Heinrich Drimmel (ÖVP) bzw. Bruno Kreisky (SPÖ) gegenüber. Gegen die bekannte These von der Zugehörigkeit der Österreicher zum „deutschen Volkstum" argumentierten die Befürworter einer spezifischen österreichischen Identität mit der seit 1945 eingetretenen Festigung des Österreichbewußtseins.10 Eine neue - tragische - Facette erhielt die Debatte durch die Person des Professors für Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule für Welthandel, Taras Borodajkewicz• Der bei den Studenten wegen seiner bescheidenen Ansprüche beliebte Prüfer pflegte seine Vorlesungen mit unverhohlen antisemitischen und deutschnationalen Zwischenbemerkungen zu würzen. Dagegen regte sich 1964/65 studentischer Widerstand. Demonstrationen pro und contra Borodajkewicz fanden statt, dabei wurde (1965) der Pensionist Ernst Kirchweger von einem neo10 Kreissler, Österreicher, 452.
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Kontroversen und Daten
nazistischen Gegendemonstranten getötet.11 Der Professor wurde schließlich außer Dienst gestellt. Aus allen diesen Vorkommnissen haben die Hauptakteure des politischen Prozesses schließlich die Folgerungen gezogen, daß eine Stärkung des österreichischen Nationalbewußtseins, seine bewußte Unterstützung durch eine zusätzliche Symbolik, notwendig sei. Die 1965 erfolgte Beschlußfassung über den österreichischen Nationalfeiertag wird nur aus dieser Vorgeschichte erklärbar.12 „Österreichische Nation" und kleine Koalition In der Debatte des österreichischen Nationalrates anläßlich der Regierungserklärung der Regierung Sinowatz I versuchte der ÖVP-Abgeordnete Heinrich Neisser, die ideologische Konsistenz der neuen Koalition in Frage zu stellen, indem er aus einer SPÖ-Broschüre („Gefahr von rechts", Dr.-Karl-Renner-Institut, Wien 1979) eine Passage zitierte, in welcher unter anderem als Element neofaschistischer Ideologie und Propaganda ausdrücklich genannt wurde: „Bekenntnis zum Deutschtum ..., damit verbundene Ablehnung der österreichischen Nation und der Eigenstaatlichkeit Österreichs." Diesem Zitat stellte Neisser eine Aussage des neuen Justizministers Harald Ofner (FPÖ) gegenüber, der in einem Interview in der „Tiroler Tageszeitung" einmal erklärt hatte: „Einer österreichischen Nation fühle ich mich nicht verpflichtet, ich betrachte mich als österreichischer Deutscher."13 An sich eine kleine Episode - aber sie legte doch klar, daß in den führenden Kreisen der Freiheitlichen Partei auch vor Haider das Bekenntnis zur deutschen Nation eine Selbstverständlichkeit bedeutete. Eine rege Leserbriefkampagne in der Tageszeitung „Die Presse" folgte und zeigte die ganze Bandbreite der Meinungen.14 Die schon anläßlich der Bemühungen um die Wahl des FPÖ-Klubobmannes Friedrich Peter zum 3. Nationalratspräsidenten geäußerten Bemerkungen des langjährigen Bundeskanzlers Bruno Kreisky am 11 Brigitte Bailer-Galanda I Wilhelm Lasek / Wolfgang Neugebauer, Politischer Extremismus (Rechtsextremismus), in: Dachs I Gerlich / Gottweis / Horner I Kramer I Lauber I Müller / Tälos, Hg., Handbuch des politischen System Österreichs, Wien 21992, 286 ff., hier 287. 12 Gustav Spann, Zur Geschichte des österreichischen Nationalfeiertages, in: 26. Oktober. Zur Geschichte des österreichischen Nationalfeiertages, hg. v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport, Wien o. J., 27-34, hier 31. 13 Nach einer Erklärung des Abg. Dr. Heinrich Neisser, abgedruckt in der „Presse" vom 23./ 24. Juli 1983. 14 Abgeschlossen am 9./10. Juli 1983 mit positiven Stellungnahmen zur eigenständigen österreichischen Nation auch in kultureller Hinsicht von Seiten des Botschafters i. R. Dr. Hans Reichmann sowie Hans Eberhard Goldschmidts.
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SPÖ-Parteitag (etwa des Inhaltes, auch ein Friedrich Adler hätte mit der „österreichischen Nation" nicht viel anfangen können) wiesen nicht nur auf das historisch relativ späte Akzeptieren des Begriffes „österreichische Nation" durch die Sozialdemokratie, sondern vielleicht auch auf Versuche, aus der gemeinsamen Gegnerschaft der alten Sozialdemokratie und der Nationalsozialisten gegen das Dollfuß-SchuschniggRegime eine gemeinsame mentale Plattform für die neue Koalition zu bauen. In journalistischer Vergröberung sah Viktor Reimann diese Gemeinsamkeit in der „Kronen-Zeitung": „Peter war 18 Jahre alt, als Hitlers Armeen in Österreich einmarschierten. Er war 13 Jahre alt, als die Demokratie in Österreich abgeschafft wurde, ein Bürgerkrieg tobte und sozialdemokratische wie nationalsozialistische Funktionäre am Galgen baumelten, auf den sie christliche Politiker geschickt hatten."15
Damit wird eine Trennlinie des Widerstandes gegen das autoritäre Regime bewußt verwischt, die nicht nur der christliche Arbeiterführer Leopold Kunschak sehr deutlich im Jahre 1936 formuliert hatte16, sondern die auch in den nationalen Grundkonsens des Jahres 1945 eingegangen war, und zwar ganz ausdrücklich über Verlangen des sozialistischen Parteichefs Adolf Schärf, der das so begründete: „Ich ging von der Tatsache aus, daß die Nationalsozialistische Partei nach den Erklärungen ihrer Führer eine verschworene Gemeinschaft zur Erringung der Macht, also eine hochverräterische Gemeinschaft [Hervorhebung von mir] gewesen s e i . . ,"17
Und so sah auch der entsprechende Passus im Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP aus: „Wer in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938 . . . jemals Mitglied der NSDAP war oder einem ihrer Wehrverbände ... angehört hat (Illegaler), hat sich des Verbrechens des Hochverrates im Sinne des § 58 des österreichischen Strafgesetzes schuldig gemacht.. ,"18
Nun, die Konsenskonstellation des Jahres 1983 war von jener des Jahres 1945 grundverschieden. Verschieden von den Resten der NSDAP war auch die damalige FPÖ. Auch ihre Mitglieder und Wähler bekannten sich schon 1979/80 in verblüffend hohem Prozentsatz zur österreichi15 Neue Kronen Zeitung vom 22. Mai 1983, 2. 16 Leopold Kunschak am 2. Mai 1936: „... Am 12. Februar haben Menschen den Kampf aufgenommen, im Glauben an ihre Ideale ... Und vor einem solchen Kampf darf man, wenn man ihn gerecht beurteilt, Respekt haben ..." Das galt für die NS-Juli-Putschisten nicht! Zit. nach: Österr. Arbeiter-Zeitung 1936, 2. Mai. 17 Hier zitiert nach Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, Wien 1981, 85. 18 Art. 3, § 10 des VerfG. vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP, StGBl. Nr. 13.
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Kontroversen und Daten
sehen Nation (49% )19, so daß die diversen Erklärungen ihrer Spitzenfunktionäre mit ausgesprochener Verharmlosungstendenz gegenüber dem Nationalsozialismus, dem entschiedensten und erfolgreichsten Gegner österreichischer Eigenständigkeit, möglicherweise nur mehr der Rhetorik eines „harten Kernes" entsprachen. Die österreichische Nation als „ ideologische
Mißgeburt"
Wer die Österreicher als Teil einer anderen (der deutschen) Nation ansah, konnte unter Umständen auch auf den Gedanken kommen, die Neukonstituierung der „österreichischen Nation" sei als ideologische Konstruktion anzusehen oder, mit den schärferen Worten des früheren Kärntner Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider, als „ideologische Mißgeburt". Diese im Jahre 1988 ausgesprochene Formulierung 20 hat heftige Kontroversen ausgelöst und verweist auf die starke deutschnationale Grundierung der Haider-FPÖ. Freilich hat sich dieses Konzept für die FPÖ als nicht unbedingt zugkräftig erwiesen, so daß es zu einer Revision der „nationalen" Haltung der Freiheitlichen kam. Viel erfolgversprechender als die traditionsreiche und vielfach (auch noch im Zusammenhang mit der deutschen Einigung 1989) belegbare großdeutsche Einstellung der FPÖ erwies sich ein genau genommen deutschösterreichisches, nur in diesem engen Sinne österreichisch-nationales Konzept. Die Konsequenz daraus wurde nicht nur mit dem Volksbegehrens-Slogan „Österreich zuerst" (1993), sondern noch etwas grundsätzlicher im Sommer 1995 gezogen. Nun definierte der Parteichef die FPÖ als „klassische österreichpatriotische Partei". Dabei meinte er auch, den Satz von der „Mißgeburt" hätte er 1995 nicht mehr verwendet.21 Dagegen soll es innerhalb der Partei keinen Protest gegeben haben. 22 Die Gefolgschaft hingegen verstand diesen Wandel nicht (oder nur zu gut?): „Nach außen war es vielleicht klug, aber nach innen ist es unklug", meinte dazu ein Kärntner Pensionist, während eine ältere Dame meinte: „Haider hat sich nicht geändert. Nur ist es überflüssig, sich im Parteiprogramm zur deutschen Kulturgemeinschaft zu bekennen, denn in Kärnten tut das sowieso jeder." 23 Wie auch immer 19 Die Zahlen bei Georg Wagner, Hg., Österreich. Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein, Studien und Ansprachen, Wien 1982,141. 20 Im Inlandsreport des 18.8.1988, vgl. Brigitte Bailer I Wolfgang Neugebauer, Die FPÖ: Vom Liberalismus zum Rechtsextremismus, in: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, 21993, 327-428, hier 373 f. 21 Die Presse vom 21. August 1995, 6 (mit Bezug auf ein Fernseh-Interview vom 20. 8. 1995). 22 Die Presse vom 30. August 1995, 7. 23 Die Presse vom 2. September 1995, 7.
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- verbal ist Jörg Haider jedenfalls vom Deutschnationalismus abgerückt - was freilich gewisse Verbindungen zur rechtsextremen Szene ebenso wenig verhindert, wie es auch keine Distanzierung von einer gewissen „Beschäftigungspolitik" oder anderen Institutionen des Dritten Reiches bedeutete, etwa von der Waffen-SS.24 Wir stehen also vor dem erstaunlichen Phänomen, daß erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik zumindest verbaler Österreich-Patriotismus mit einer positiven Einschätzung zentraler Eigentümlichkeiten des nationalsozialistischen Deutschland vereinbar erscheint. „Österreichische Nation" als Produkt des Vergessens? Alle Kritiker des zum Nationalbewußtsein verdichteten österreichischen Selbstbewußtseins der Zweiten Republik, kamen sie nun von „rechts" oder von „links", konzentrierten ihre Kritik auf das vielfache kollektive „Vergessen" im Zusammenhang mit der österreichischen Nationsbildung nach 1945. Während die volkstumsbewußten „Rechten" den nationalbewußten Österreichern ihren Ausstieg aus dem gemeinsamen „Haus der deutschen Geschichte", das Verdrängen des „gemeinsamen Volkstums" usw. vorwarfen (und -werfen), hat die „fortschrittliche" Kritik das Vergessen und Verdrängen der österreichischen Anteile an den Verbrechen des Nationalsozialismus als Voraussetzung für die vielgelästerte „Opferrolle" Österreichs angeprangert. Und die „Opferrolle" soll nach diesen vielfach wiederholten Anschuldigungen die Voraussetzung für die Konstituierung des österreichischen Nationalbewußtseins der Gegenwart gewesen sein. Nun hat ja schon Ernest Renan auf die große Bedeutung nicht nur kollektiven Erinnerns, sondern auch kollektiven Vergessens hingewiesen: „... Das Vergessen - ich möchte fast sagen: der historische Irrtum - spielt bei der Erschaffung einer Nation eine wesentliche Rolle, und daher ist der Fortschritt der historischen Studien oft eine Gefahr für die Nation... Es macht... das Wesen einer Nation, daß alle Individuen etwas miteinander gemein haben, auch, daß sie viele Dinge vergessen haben. Kein Franzose weiß, ob er Burgunder, Alane, Wisigote ist, und jeder Franzose muß die Bartholomäusnacht und die Massaker des 13. Jahrhunderts im Süden vergessen haben .. ."25
Die „fortschrittlichen" Kritiker des österreichischen Nationsbildungsprozesses befinden sich also in guter Gesellschaft, wenn sie hinter der 24 Eine Auflistung von Verbindungen zwischen FPÖ-Funktionären und der rechtsextremen Szene bei Bailer I Neugebauer, FPÖ, in: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 21993, 327-428, 419 ff. 25 Ernest Renan, Was ist eine Nation? Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882, in: Jeismann / Ritter, Hg., Grenzfälle, 290-310, hier 294 f.
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Kontroversen und Daten
Nationsbildung Prozesse des kollektiven Vergessens vermuten. Tatsächlich zeigen sich auch bei genauer, individueller Erforschung der je individuellen Selbstzuordnung, insbesondere von nichtakademischen Schichten, tiefsitzende Schwierigkeiten, den persönlichen oder kollektiven Wechsel der Selbstzuordnung (von „deutsch" bis 1945 zu „österreichisch" danach) zu verbalisieren.26 Die in den letzten Jahren sehr häufigen publizistischen Anklagen gegen ein Österreich, das einen Teil seiner Geschichte zwecks Gewinnung einer eindeutigen Identität vergessen habe, blieben freilich nicht ohne Antwort. So verwies Gabriele Holzer auf die Kontraproduktivität gewisser Vorwürfe, die eine hämische Abwertung österreichischer Selbständigkeitsbehauptungen durch deutsche und österreichische, rechte und linke Gruppen erleichterten - mit der oft deutlich durchschimmernden Absicht, jene Selbständigkeit zu destruieren.27 Der deutsche Politologe Klaus Leggewie setzte sich mit dem Phänomen des „Austromasochismus" auseinander, der in den „Verbalinjurien" einiger Schriftsteller seinen zugespitzten Ausdruck finde, die die Österreicher wenigstens zur Hälfte, wenn nicht zur Gänze als Sympathisanten der Terroristen von Oberwart erklärten. Sein Befund: „Das Österreichbewußtsein ist doppelt negativ definiert. Einerseits bleibt es mangels Tradition und Zutrauen in innerer Distanz zur eigenen Republik, andererseits grenzt es sich vehement vom deutschen Nachbarn ab, wobei die Bombenattentate das aus der angeblichen Opferrolle genährte Überlegenheitsgefühl in Subordination umschlagen ließ ..."
Leggewie kritisiert an den Österreichkritikern, daß ihre Attitüde in Wirklichkeit den Feinden der Republik in die Hände arbeite, da bei ihnen ein „Minimum an republikanischer Identifikation" nicht vorhanden sei. Freilich konstatiert Leggewie auch wachsende Kritik an dieser Attitüde: „Der routinierte und gratismutige Austromasochismus einer preisgekrönten, längst institutionalisierten Kritik findet zunehmend weniger Freunde, zumal diese dauernde Verwechslung von Karikatur und Kritik vom jüngeren Publikum als schlicht langweilig beiseite gelegt wird."
Leggewies Befund: Österreich fehle es noch immer an zivilgesellschaftlichem Bürgerbewußtsein, das freilich doch an verschiedenen Orten aufkeime, so etwa in der katholischen Kirche. Zudem erfordere die Inte26 Meinrad Ziegler / Waltraud Kannonier-Finster, Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit, Wien - Köln - Weimar 1993. 27 Gabriele Holzer, Verfreundete Nachbarn. Österreich - Deutschland. Ein Verhältnis, Wien 1994.
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gration in die E U eine gesellschaftliche Modernisierung, die genau diese noch zu schwach entwickelte Zivilgesellschaft hervorbringen könne. 28 Eine andere Richtung der Kritik an der massiven Österreichkritik der 1980er und frühen 1990er Jahre hat Herbert Berger formuliert. Er erinnert daran, was es zwischen 1938 und 1945 bedeutete, „Österreicher" zu sein: „ . . . Damals zu sagen, man sei Österreicher, war nicht nur irgendeine nostalgische Anwandlung, es bedeutete auch eine Absage an so ziemlich alles, was der NaziIdeologie teuer war. Und die Leute wußten das damals sehr wohl zu deuten. Und dann kam die Zeit, in der reumütige Umkehr und blanker Opportunismus nur schwer auseinanderzuhalten waren. Plötzlich waren sie alle wieder Österreicher. Aber weil es diese Heuchelei gab, sollte man Hitler nicht posthum gewinnen lassen und seinen politischen Erben den Triumph gönnen, Österreich nunmehr mit ihnen zu identifizieren. Denn sie werden dadurch nicht identifiziert - im Sinne von kenntlich gemacht. Im Gegenteil: Man stellt ihnen nur eine österreichische Identität als Tarnkappe zur Verfügung."
Und Berger schließt: „Um Reue und Schuldeinsicht zu wecken, um die gesellschaftliche Akzeptanz von Bestrafung und Wiedergutmachung durchzusetzen, waren in den letzten 50 Jahren Österreich-Beschimpfungen stets ein untaugliches Mittel gewesen. Sie bestätigen nur Friedrich Heer, der im wichtigsten österreichischen Geschichtswerk mit dem Titel ,Der Kampf um die österreichische Identität' (Böhlau 1981) schrieb: ,Es gibt kein geschichtliches Gebilde in Europa, dessen Existenz so sehr mit den Identitätsproblemen seiner Mitglieder verbunden ist wie Österreich.'" 2 9
Wir wollen diese Debatten nicht weiter ausbreiten. Es sollte jedenfalls offenkundig geworden sein, daß ein österreichisches Nationalbewußtsein spätestens seit etwa 1986 nicht mehr ausschließlich positive Konnotationen (antinazistisch usw.) hervorrufen kann, sondern auch mit Vorwürfen des bewußten kollektiven Vergessens und Verdrängens verbunden werden konnte. Damit hat die Geschichte der österreichischen Schwierigkeiten mit sich selbst, die Friedrich Heer 1981 so dramatisch dargestellt hat, ein weiteres Kapitel erhalten. Genug mit diesen Hinweisen auf das Kontroverse, Prozeßhafte der österreichischen Nationsbildung, auf das Wachstum der Identifikation mit diesem Begriff, aber auch auf die Möglichkeiten verminderter Zugehörigkeit. Es stellt sich nun die Frage, ob der hier freilich bloß angedeutete Befund auf die Jugendlichkeit der österreichischen Nation 28 Claus Leggewie, Wer hämmert an der Republik? In: Die Presse vom 9. September 1995, Spectrum, I und II. 29 Herbert Berger, Kumpan oder Opfer? Eine neue Identitätskrise, in: Die Presse vom 25. Juli 1995, 2 (Gastkommentar).
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Kontroversen und Daten
zurückzuführen ist und damit zu den Kinderkrankheiten gehört - dann bräuchte eine Analyse bloß bis 1955 oder allenfalls 1945 zurückzugreifen 30 , oder ob die Problematik etwa schon älter ist, vielleicht mit Wurzeln in der Entwicklung des 19. Jahrhunderts, dann müßte dieses mit in eine Untersuchung hereingenommen werden 31 ; oder noch älter - vielleicht liegen die Ursprünge des problematischen österreichischen Selbstbewußtseins in Gegenreformation und habsburgischer Staatsbildung? 32
2. DER HISTORISCHE DISKURS
Die in den letzten drei Jahrzehnten recht intensive Beschäftigung mit dem Phänomen „österreichische Nation" hat, je nach Art der Antwort auf die gestellten Fragen, jeweils ganz unterschiedliche zeitliche Tiefendimensionen aufzuweisen. Die Entstehung der österreichischen Nation erfolgte nach William T. Bluhm, Building an Austrian Nation (1973)33, im wesentlichen seit 1945. Bluhms Ausgangspunkt war die Sichtweise der „Modernisierungstheoretiker", die die Probleme der sogenannten Entwicklungsländer und ihre Schwierigkeiten auf dem Wege in eine bessere Zukunft (die natürlich irgendwie das Antlitz der USA aus den 1950er Jahren trug) erklären und damit zur Lösung dieser Probleme beitragen wollten. In der Tat haben sich die Forschungen von Karl W. Deutsch, Gabriel Almond, Lucian Pye und Stein Rokkan auch für die europäische Entwicklung als äußerst anregend erwiesen.34 Das Problem Österreichs nach 1918, so Bluhm, lag wie bei den meisten Entwicklungsländern darin, daß sowohl die äußeren Grenzen wie die politischen Institutionen mehr oder weniger fremdbestimmt waren und nur in begrenztem Maße dazu beitrugen, 30 Das würden die Ergebnisse der Umfrage in den 1970er Jahren nahelegen, vgl. Wagner, Österreich, passim. 31 Dies wiederum würde die Umfrage von 1980 (vgl. Das österreichische Nationalbewußtsein in der öffentlichen Meinung und im Urteil der Experten, Wien 1980) insoferne nahelegen, als hier der „Anschluß" von 1938 eine überraschend positive Bewertung erfährt und damit doch die „deutsche" Identifikation in einer weiteren Dimension gesehen werden müßte. 32 Dies die Haltung von Friedrich Heer, dessen großes Werk über den Kampf um die österreichische Identität wir im folgenden zu erwähnen haben. 33 William T. Bluhm, Building an Austrian Nation. The Political Integration of a Western State, New Häven - London 1973. 34 Die wichtigsten Ansätze enthalten die Sammelbände von Wolfgang Zapf, Theorien des sozialen Wandels, Köln 31971; ferner Deutsch, Nationalism and Social Communication; Peter Flora, Modernisierungsforschung, Köln 1974.
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eine neue Identität für den neuen Staat zu schaffen. Für das „Gelingen" der nationalen Integration nach 1945 war der Wechsel der Führungsgruppen innerhalb der Parteien wichtig, in denen an die Stelle der austromarxistischen bzw. austrokorporativen Ideologen eher pragmatische Politikertypen der älteren Generation (Renner; Schärf, Kunschak) bzw. von den jüngeren solche getreten waren, die entweder im Konzentrationslager oder in der Emigration ihre Lektion in Demokratie gelernt hatten (Czernetz, Pollak, Figl, Hurdes). Dessenungeachtet blieben die ideologischen Trennlinien in den Programmen klar und scharf: im Bemühen um die „österreichische Nation" das gesamte kulturelle und historische Erbe aufgreifend und bejahend bei der ÖVP; ohne Bezug darauf, zum Teil recht skeptisch gegenüber dem betont Österreichischen (wohl aber mit Hinweis auf die anzustrebende sozialistische Gesellschaft und nach wie vor in Sorge um die deutsche Nation) bei der SPÖ.35 Die zunächst gerade von der ÖVP (der Name Felix Hurdes spielt da eine große Rolle) angestrebte Forcierung einer eigenen politischen und kulturellen nationalen österreichischen Identität trat infolge der Bemühungen um die Gewinnung ehemaliger Nationalsozialisten seit 1949 bzw. 1952 stärker zurück. Eine lebhafte Kontroverse im FORVM 1955/56, an der Wilhelm Böhm, Taras Borodajkewicz, Jacques Hannak, Felix Hubalek, Felix Butschek, Adam Wandruszka, Roland Nitsche und Ernst Hoor teilnahmen, zeigte nicht bloß die Unterschiedlichkeit, sondern zum Teil auch die nach wie vor bestehende Unversöhnlichkeit der verschiedenen Standpunkte. Für den kleinen Kreis der Spitzenpolitiker konstatierte Bluhm (er unternahm seine Untersuchungen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre) eine positive, aber pragmatische Haltung zur österreichischen Nation, gekennzeichnet etwa durch die Art und Weise, wie der Nationalfeiertag entstand (1965). Der große Bereich der mittleren Politikerränge erschien ihm geteilt zwischen den Wienern, denen dieselbe pragmatischpositive Haltung, mehr oder weniger stark mit kulturellen Argumenten grundiert, eignete wie den Spitzenpolitikern, und den Vertretern der „Provinz", bei denen das Konzept der „deutschen Kulturnation" viel weiter verbreitet war. Demgegenüber sah Bluhm in der Bevölkerung einen unproblematischen, aber auch unreflektierten österreichischen Patriotismus wachsen, der mit den Haltungen der politischen Eliten teilweise nur sehr wenig zu tun hatte. Ausschlaggebend für die starke Identifikation der Österreicher mit ihrem Staat sei jedenfalls die positive ökonomische Entwicklung der Zweiten Republik. 35 Zu den Parteiprogrammen nach 1945 vgl., passim Kriechbaumer, Parteiprogramme.
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Nur, auf die abschließende Frage, warum die anderen Entwicklungsländer nicht ebenso wie Österreich eine erfolgreiche politische Integration erleben ("If the Austrians could do so, why can't others?"), wird man doch antworten müssen: Weil in Österreich bis 1918 schon entscheidende „Modernisierungsschritte" (um in der Terminologie zu bleiben), wie staatliche Integration, bürokratische Penetration, Herstellung überregionaler Kommunikation, Ermöglichung einer breiteren politischen Partizipation, getan wurden. Und weil - trotz diktierter Grenzen - doch die österreichischen Länder im großen und ganzen nicht bloß stabile, sondern auch althergebrachte und ein starkes eigenes Selbstbewußtsein hervorbringende Einheiten waren. Ebenfalls aus dem Umkreis der Modernisierungstheorie kommt die Arbeit von Peter J. Katzenstein, Disjoined Partners. Austria and Germany since 1815 (1976), als Dissertation von Karl W. Deutsch und Joseph S. Nye begutachtet. 36 Für Deutsch und seine Schule steht - wie wir schon oben betont haben - die Frage nach der gesellschaftlichen Kommunikation im Mittelpunkt. Wenn nämlich zwischen bisher weitgehend getrennt lebenden Bevölkerungsschichten ein kommunikativer Austausch entsteht, dann werden sich neue Gemeinsamkeiten des Verhaltens, der gesellschaftlichen Bedürfnisse und Zielvorstellungen entwickeln. Es wird das „parochiale" Bewußtsein der ländlichen Massen aufgebrochen und ein Gemeinschaftsbewußtsein breiterer Art entstehen. Wenn Sprache als zentrales Medium der Kommunikation gelten muß, dann sind selbstverständlich Sprachgemeinschaften potentielle Nationen. Die Kommunikation innerhalb der potentiellen deutschen, also Österreich und „Deutschland" (unter Vernachlässigung der deutschsprachigen Schweiz) umfassenden Nation, steht daher im Mittelpunkt des Interesses Katzensteins. Über die Untersuchung verschiedener Indikatoren der Kommunikation kommt Katzenstein zu einer Periodisierung, in der sechs von ihm unterschiedene Muster der Kommunikation und Integration „Deutschlands" und „Österreichs" ihren Ausdruck finden: 1815-1848 „Aristocratic Pattern" (geringe wirtschaftliche und geistige Kommunikation, zugleich relativ hohe Elitenmigration von Deutschland nach Österreich); 1848-1870 „Conflict Pattern" (gescheiterter Versuch einer Lösung der „deutschen Frage" seitens der österreichischen Regierung durch intensivierte Kommunikation mit dem außerösterreichischen Deutschland, aber gleichzeitig militäri36 Peter J. Katzenstein, Disjoined Partners. Austria and Germany since 1815, Berkeley - Los Angeles - London 1976.
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sehe und wirtschaftliche Einigung Deutschlands unter preußischer Führung, 1871 abgeschlossen); 1870-1918 „Hierarchical Pattern" (Rückgänge in der realen Kommunikation, gleichzeitig wird die politische Kommunikation immer mehr von Ungleichheit der Partner geprägt); 1918-1938 „Voluntaristic Pattern" (kein ausgeprägtes Anwachsen des Kommunikationsfeldes, gleichzeitig Ansteigen der Zahl der deutschen Studenten in Österreich; die ökonomische Entwicklung ebenso wie die Entscheidung des großdeutschen und des sozialdemokratischen Lagers für den Anschluß wirken der Entfaltung eines Österreichbewußtseins ständig entgegen); 1938-1945 „Structural Pattern" (weder war der Widerstand gegen den Anschluß so stark, wie das manchmal suggeriert wird, noch auch andererseits das Engagement für das Großdeutsche Reich überdimensional - auch in dieser Phase weitestgehender Integration bleiben Merkmale der „disjoined partnership" erhalten); 1945 ff. „Pluralistic Pattern" (stark wachsende Außenhandelsund Kapitalabhängigkeit Österreichs von Westdeutschland korrespondiert gleichzeitig mit einer breiteren Streuung des österreichischen Interesses für Vorgänge über Deutschland hinaus und mit einer nun auch unumstrittenen Politik der österreichischen Eigenständigkeit). Diese im gesamten Untersuchungszeitraum letztlich dominierende Eigenständigkeit stellt der Autor schließlich in einen europäischen Kontext: "The Austro-German case is not an exception in contemporary European politics. High degree of cultural homogeneity, social and economic interdependence, and political diversity coincide in several instances . . . Yet, the political autonomy of the traditional nation-state has prevailed ..." (S. 220 f.)
Nach einem europaweiten Exkurs zum Thema „Political unification, political fragmentation, and cultural cohesion in Europe since 1815" (227 ff.) stellt Katzenstein schließlich lakonisch fest: "The analysis has shown that the view of political unification as the normal outcome of the modernization process slights historical experience ..." (257) was nicht nur zahlreiche Ansätze der traditionellen Modernisierungstheorien in Frage stellt, sondern darüber hinaus auch einen bedeutenden Teil älterer und jüngerer Nationstheorien.37 Die Entwicklung seit 1989 hat bis auf weiteres Katzensteins Beobachtungen bestätigt. Zeitlich wieder wesentlich kürzer als die Studie Katzensteins setzt das Werk von Felix Kreissler, La prise de conscience de la nation Autri37 Vgl. den Artikel von Henning Eichberg, Balkanisierung für jedermann? Nationale Frage, Identität und Entfremdung in der Industriegesellschaft, in: Befreiung, Zs. f. Politik und Wissenschaft, Nr. 19/20,1980, 46-69.
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chienne 1938-1945-1978 (zwei Bände, Paris 1980, deutsch unter dem Titel „Der Österreicher und seine Nation. Ein Lernprozeß mit Hindernissen", Wien - Köln - Graz 1984) an. Kreissler analysiert die Entstehung des österreichischen Selbstbewußtseins im Rahmen der politischen und Kulturgeschichte seit 1934. Er beschreibt im ersten Abschnitt den Anschluß und die Desintegration Österreichs, die „drei Kapitulationen" vor Hitler (Juliabkommen 1936, Berchtesgaden Februar 1938, 11. März 1938), Besetzung, bürokratische Neuorganisation, Zustimmung und Ablehnung, die Enttäuschung der österreichischen Nazi, schließlich die Emigration. Was Kreissler dabei besonders in Erinnerung ruft: Die österreichische Literatur verließ Österreich! Und diese Literatur hat in der Emigration in einer im Verhältnis zum tatsächlichen Widerstand sehr bedeutenden Weise zum Überleben der Idee eines unabhängigen Österreich beigetragen. Der zweite Abschnitt ist dem Land ohne Namen im Kriege gewidmet. Die Verhältnisse in Österreich, der Widerstand in seinen verschiedenen Varianten und politischen Farben, das Exil sind die Hauptthemen. Dieser Abschnitt (und damit der erste Band) schließen mit einem Kapitel „Vers un consensus national (1944-1945)", in welchem die politischen, aber vor allem und in erster Linie die kulturellen Aspekte des im Exil wie im Widerstand erwachenden neuen österreichischen Nationalbewußtseins hervorgehoben werden. Die literarisch-theoretische Verarbeitung der Erfahrung, aber auch das Bewußtsein um die historische Tiefendimension Österreichs (das kommt auch in den kommunistisch dominierten Publikationen ganz deutlich zum Ausdruck!) 38 werden zur Grundlage der Nationsbildung. Der dritte Abschnitt ist dann, im wesentlichen, eine Darstellung der Entwicklung der österreichischen Nation seit 1945, freilich nicht ohne Exkurse über den alten multinationalen Staat. Viele zentrale - auch wunde - Punkte kommen zur Sprache: Neonazismus, Minderheitenpolitik. Das Buch schließt mit materialreichen Übersichten über Erhebungen zum Nationalbewußtsein, Forschungseinrichtungen und Forschungen zum Thema. Ungleich den beiden vorher genannten Büchern dominiert weniger die sozialwissenschaftliche Theoriebildung als vielmehr die historisch-genetische Darstellung mit starkem kulturhistorischen Interesse. Ein Jahr später, 1981, erschien Friedrich Heers große Auseinandersetzung mit den Grundfragen der österreichischen Geschichte, getra38 Die Zeitschrift des von den Kommunisten initiierten Free Austrian Movement, „Kulturblätter", bzw. „Kulturelle Schriftenreihe" bot eine komplette Übersicht über das kulturelle Erbe Österreichs (Kreissler; Österreicher, 324 ff.).
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gen von tiefer persönlicher Betroffenheit: „Der Kampf um die österreichische Identität".39 Die zentrale These des Buches formuliert Heer gleich eingangs: „1. Es gibt kein historisch-politisches Gebilde in Europa, das so sehr außengesteuert ist wie Österreich. 2. Vom 16. zum 20. Jahrhundert stehen sich in den deutschsprachigen Landen Österreichs, in den habsburgischen ,Erblanden' gegenüber: zwei (in besonderen Krisenzeiten drei, ja vier) politische Religionen, zwei Nationen, zwei (in besonderen Krisenzeiten drei, ja vier) Kulturen."40
Wichtigster Beleg für die „Außensteuerung" sind die „Invasionen", durch die Reformation, durch Aufklärung und protestantisch-norddeutsche Geisteskultur. Damit hängt auch die Ausbildung von zwei Nationen und zwei Kulturen zusammen: „Vom 16. bis zum 20. Jahrhundert - bis 1938/45 - tobt in Österreich ein Glaubenskampf, der die Basis aller Identitätsschwierigkeiten, aller Tragödien in und aus Österreich bildet."41 „Die zwei Nationen in den deutschsprachigen österreichischen Erblanden werden vom 16. zum 20. Jahrhundert durch die beiden religiös-politischen Glaubensformen gebildet: Glaube an das Heil aus der deutschen Sprache, aus der Sprache Luthers, Glaube an das Heil aus dem evangelischen Deutschland als Retter, als Erlöser aus der Einkerkerung durch Rom und das Haus Österreich. Der andere Glaube, an die österreichische Nation, artikuliert sich nur schwer: Katholische Sprachlosigkeit', katholische Spracharmut und bäuerliche Schwierigkeit, sich in einer Schriftsprache .auszudrücken', verdecken den oft übersehenen Sachverhalt: Es gibt eine anonyme österreichische Nationalität, die sich nur in äußersten Krisenzeiten im Worte artikuliert; so in den Türkenkriegen, so im Kampfe gegen Napoleon, so kurz um 1866, dann 1914, dann ab 1933 und ab 1938.. ,"42
Diese Grundthese Heers wird auf den folgenden 420 Seiten aus der Geschichte, vorab der Geistes-, aber auch der Kulturgeschichte in einem weiteren Sinne, der politischen Geschichte, belegt. Heer schreibt wie immer aus einer unglaublichen Wissensfülle um Daten, Persönlichkeiten, kulturelle Entwicklungen, dabei in einer reichen, suggestiven, in starkem Maße persönliche Empfindungen ausdrückenden Sprache. Eine Psychogeschichte, eine Geschichte der mentalen Entwicklung, ausgehend von der Psyche vieler in den verschiedensten Funktionen wirkender einzelner, ist sein Ziel. Kernaussage des Buches: Die katholisch-habsburgische österreichische Identität, aufbauend auf älteren Formen der politischen Religiosi39 40 41 42
Friedrich Heer, Der Kampf um die österreichische Identität, Wien 1981. Heer, Kampf, 17. Ebd., 18. Ebd., 22.
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tät, schwer gefährdet in der Reformation, voll entfaltet im höfischen Barock, stark verankert gerade in den nichtliterarischen Schichten der Bevölkerung, wird bekämpft von Reformation, Aufklärung, Preußen, von den Feinden des Hauses Habsburg, aber auch von so prominenten Vertretern dieses Hauses selbst wie Joseph II. und Franz Joseph, die den Glauben an das Heil des Hauses verloren hatten und das zukünftige Heil in der Übernahme möglichst vieler preußisch-deutscher Institutionen und Denkarten sahen. Durch die Reformen Josephs II., durch die Unterrichts- und Universitätsreformen nach 1848 wurde der „österreichische" Standpunkt erheblich geschwächt. Die entscheidenden österreichischen Führungsschichten wurden so schon im 19. Jahrhundert von der österreichischen Identität abgezogen, ja ferngehalten, so daß für die späte Monarchie und schon gar für die neue, kleine Republik gerade in diesen Gruppen nur mehr kleine Loyalitätsreserven vorhanden waren. Bis tief in das katholische „Lager" hinein geht dieser Abbau, der den „deutschen" Katholizismus des Ständestaates erklärt. Heer wollte ein „Lesebuch" schaffen - darum die Darstellungsweise, eine Aneinanderreihung zahlloser Zitate, längerer und kürzerer, hinter denen freilich Heers akzentuierter Standpunkt niemals zurücktritt. Es spricht für das Buch, daß seine Ergebnisse in bestimmter Weise die von Bluhm auf völlig anderer Quellenbasis und mit völlig anderer Methode (und für eine andere Zeit) zu bestätigen scheinen: Auch bei Bluhm ja letztlich das Konstatieren einer gewissen Reserve gegenüber der österreichischen Nation gerade bei mittleren Führungsschichten, aber ein breiter, wenig reflektierter Patriotismus „von unten". Ein Jahr darauf, 1982, erschien „Österreich. Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein", herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft „Pro Austria" von Georg Wagner. Das Hauptanliegen des Buches kann am besten mit den Worten des Bundespräsidenten Franz Jonas umschrieben werden, der bei der Eröffnung des „Austriaca-Studierzentrums" 1972 festgestellt hatte: „ . . . Wer heute von der österreichischen Nation spricht, hat nicht mehr den Herder'schen Nationsbegriff der Sprachgemeinschaft im Sinn. Vielmehr handelt es sich, so wie bei der Schweiz und bei den Niederlanden, um eine historisch gewachsene Nation, die auf einer schon um 1500 wirksamen schicksalhaften Verbundenheit der alten Erblande und heutigen Bundesländer beruht. D a s Bekenntnis zur österreichischen Nation bedeutet vor allem, daß sich unser Volk in seiner überwiegenden Mehrheit zu diesem Staat bekennt, gemeinsame Traditionen hat und seinen eigenen Weg in die Zukunft gehen w i l l . . ," 43 43 Georg Wagner, Hg., Österreich. Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein. Studien und Ansprachen, Wien 1982, VII.
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Die Kontinuität jenes „Stato de Austria" (1495), verdeckt durch die überregionale Staatsbildung der Habsburger im 17. und 18. Jahrhundert (aber bewußt als „Original-Staat von Österreich" bei dem großen Kaiserberater und Staatsdenker Christian Julius Schierl von Schierendorff, 1661-1726)44, wurde durch den Zusammenbruch von 1918 freigelegt und hätte eigentlich eine solide Basis für das neue kleine Österreich im Bewußtsein seiner Staatsbürger bieten können. Das hat übrigens auch Alphons Lhotsky, ein recht pointierter Kritiker der großdeutschen (oder weitgehend sogar: kleindeutschen) Ausrichtung des dominierenden Instituts für Österreichische Geschichtsforschung45 verschiedentlich ausgedrückt. Ob allerdings Kontinuitäten über das Hochmittelalter zurück bis in die Spätantike und ins alte Noricum gesucht werden können, sollte eher offenbleiben. Meines Erachtens (das wird ja weiter unten noch ausführlich begründet werden) beginnen die fraglosen gesellschaftlich-politischen Kontinuitäten im Hochmittelalter. Die fünf hier exemplarisch vorgeführten Werke zeigen vor allem eines: Während für die amerikanischen Forscher der 1960er und 1970er Jahre wie Bluhm und Katzenstein die österreichische Entwicklung als Modellfall angesehen wird, an welchem allgemeine sozialwissenschaftliche Theoriebildungen erprobt, überprüft, korrigiert werden können, sind die österreichischen Beschäftigungen mit dem Thema von dem Bemühen getragen, für die österreichische Identität, für ihre Geschichte und für ein Bewußtsein um diese Identität aus der Geschichte heraus, Stellung zu nehmen. Wagner dient dazu der Nachweis jahrhundertealter staatlicher Kontinuität, Heer der Nachweis des Kampfes einer ganzen Koalition von (letztlich) deutsch-protestantischaufklärerischen Gegnern gegen dieses Österreich. 44 Über Schierendorff ausführlich Alfred Fischet, Christian Julius von Schierendorff, ein Vorläufer des liberalen Zentralismus im Zeitalter Josefs I. und Karls VI. In: Alfred Fischet, Studien zur Österreichischen Reichsgeschichte, Wien 1906, 139-305. 45 Lhotsky, Historiographie 165 ff.: Die Gründung des Instituts erfolgte 1854 mit der Absicht, daß hier eine der neuen Staatlichkeit des Neoabsolutismus entsprechende Schule zur Bearbeitung der österreichischen Geschichte entstehen sollte. Durch Theodor Sickel ist das Institut dann sehr rasch zur Hilfswissenschaft, besonders zur Urkundenlehre gekommen, „... von Österreich und österreichischer Historiographie war da, zumal der .Ausgleich' (1867) das Österreich, dem diese Gründung galt, zerstörte, bald nicht mehr die Rede..." (167) Und etwas davor: Es war ein Fehler des alten Österreich, daß der Staat seit dem Anbruche des Liberalismus dieses anderwärts mit Selbstverständlichkeit geübte Recht [nämlich daß der Staat auf Unterstützung durch die Geschichtswissenschaft pochen dürfe, Erg. d. Verf.] aus den Augen verlor: er hat damit wohl das seltene Phänomen einer in keiner Weise beeinflußten, also wirklich freien Geschichtsforschung herbeigeführt, was ihm nur zur Ehre gereichen kann, aber er hat auch mit schwer begreiflicher Indolenz die Propagation mancher Auffassungen, die gegen seine Ideologie gerichtet waren, toleriert, ohne auch für diese eintreten zu lassen ..."
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Ebenfalls 1982 erschien, herausgegeben von Heinrich Lutz und Helmut Rumpier, der Band „Österreich und die deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert". 46 Dieser Band enthält mehrere für unsere Fragestellung wesentliche Beiträge, so, unter anderem, eine der (mehreren) Aufforderungen Fritz Fellners, österreichische Geschichte nach 1945 doch auch als Teil der deutschen Geschichte zu begreifen.47 Ernst Wangermann48 arbeitet mit Hilfe literarischer Beispiele (Klopstock, Sonnenfels, Denis und Schubart) die mögliche Reichweite der entstehenden deutschen Nation (mit oder ohne die Deutsch-Österreicher) heraus. Waltraud Heindl konnte durch die Beobachtung der Rezeptionsmuster von Literatur 49 zeigen, daß die hochgebildeten Spitzen der österreichischen Bürokratie langhin die zeitgenössische „deutsche" Literatur in ihrer Lektüre vernachlässigten. Dies änderte sich sukzessive erst mit dem Vormärz. Auch Hubert Lengauers Beitrag „Kulturelle und nationale Identität" (die deutsch-österreichische Problematik im Spiegel von Literatur und Publizistik der liberalen Ära 1848-1873) und schließlich Ulrich Weinzierls Aufsatz „Zur nationalen Frage - Literatur und Politik im österreichischen Exil", der durchaus analog zu Kreissler die besondere Bedeutung der österreichischen Literatur für die Tradierung einer bewußt österreichischen Kultur hervorhob, erweisen die große Bedeutung literaturwissenschaftlicher Ansätze für die Frage der nationalen Identität.50 Diese Reihe schließt die schon 1980/81 konzipierte erste Auflage des vorliegenden Bandes ab: „Nation Österreich. Sozialhistorische Aspekte ihrer Entwicklung" (1984). Die sozialhistorische Fragestellung sollte die Teilnahmemöglichkeiten an politisch-historischen Einheiten erkennen lassen, die die Entfaltung einer ethnischen oder nationalen Identität ermöglichen. Damit konnte auch dargestellt werden, welches die dabei ausschlaggebenden gesellschaftlichen Gruppen je und je waren 46 Mit dem Untertitel: Probleme der politisch-staatlichen und soziokulturellen Differenzierung im deutschen Mitteleuropa. 47 Fritz Fellner und Georg E. Schmid, Ende oder Epoche der deutschen Geschichte? Bemerkungen zum Abschlußband des Gebhardt'schen Handbuches. In: Zeitgeschichte 5,1977/78, 158 ff.; in dem hier zitierten Band variiert unter dem Titel: Die Historiographie zur österreichisch-deutschen Problematik als Spiegel der nationalpolitischen Diskussion, 33-59. 48 Deutscher Patriotismus und österreichischer Reformabsolutismus im Zeitalter Josephs II., 60 ff. 49 Die österreichische Bürokratie. Zwischen deutscher Vorherrschaft und österreichischer Staatsidee (Vormärz und Neoabsolutismus), 73 ff. Der enge Zusammenhang von Literatur und Staatsdienst wird genauer dargestellt bei Waltraud Heindl, Gehorsame Rebellen. Bürokratie und Beamte in Österreich 1780 bis 1848, Wien - Köln - Graz 1991. 50 Lengauer: 189 ff.; Weinzierl: 318 ff. - Lengauer faltete die hier skizzierten Inhalte später in einer selbständigen Publikation aus: Ästhetik und liberale Opposition. Zur Rollenproblematik des Schriftstellers in der österreichischen Literatur um 1848, Wien - Köln 1989.
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und welche historischen Prozesse die Bedingungsgrundlagen für die ersten beiden Fragestellungen bereitstellten. Im selben Jahr 1984 erschien schließlich ein von Erich Zöllner herausgegebener Sammelband mit dem Titel „Volk, Land und Staat in der Geschichte Österreichs", der in einem breiteren politik- und geistesgeschichtlichen Rahmen Bemühungen um die historisch-begriffliche Erfassung österreichischer Identitätsprobleme signalisiert. Als Autoren wirkten hier neben dem Herausgeber („Österreichbegriff und Österreichbewußtsein im Mittelalter") Reinhard R. Heinisch („Patriotismus und Nationalismus in den österreichischen Ländern im konfessionellen Zeitalter und im Hochbarock"), Manfried Rauchensteiner („Österreichbewußtsein und österreichische Staatsidee im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus und im Vormärz"), Anna M. Drabek („Tschechen und Deutsche in den böhmischen Ländern"), Walter Leitsch („Polen und Ruthenen in der Habsburgermonarchie"), Adam Wandruszka („Die Italiener in der Habsburgermonarchie"), Ferdinand Hauptmann („Die Stellung der Südslawen in der Habsburgermonarchie"), Horst Haselsteiner („Das Nationalitätenproblem in den Ländern der ungarischen Krone"), Arnold Suppan („Die Volksgruppen in Österreich im 20. Jahrhundert") und Anton Staudinger („Die nationale Frage im Österreich der Ersten und Zweiten Republik"). 51 Eigentlich glaubte man um 1984 so etwas wie ein Ende der Diskussion um die historische Dimension der österreichischen Nation zu verspüren. In diese Ruhe platzte im Frühjahr 1985 ein Vortrag des Kieler Professors Karl Dietrich Erdmann. Er sollte ein Forschungsvorhaben zur deutschen Geschichte nach 1945 umreißen. Die für unser Thema wichtigste These Erdmanns lautet: Die deutsche Geschichte nach 1945 sei eine Geschichte dreier Staaten (BRD, DDR, Österreich), zweier Nationen (der deutschen und der österreichischen) und eines Volkes (eben des deutschen). Erdmann immunisierte seinen Ansatz insofern, als er a limine jede Definition der von ihm verwendeten Begriffe ablehnte und eine nebulose „Anschauung" als Ausgangspunkt seiner Untersuchung postulierte (und damit vermied, daß die theoretischen Hintergründe und Voraussetzungen seiner „Anschauungen" diskutiert werden konnten). 52 Erdmann konnte sich in seinem Vortrag 51 Mit dem Untertitel: Landesbewußtsein, Staatsidee und nationale Fragen in der Geschichte Österreichs, Wien 1984. 52 Karl Dietrich Erdmann, Drei Staaten - zwei Nationen - ein Volk? Überlegungen zu einer deutschen Geschichte seit der Teilung. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 36, 1985, 671-683. Wieder in: Karl Dietrich Erdmann, Die Spur Österreichs in der deutschen Geschichte. Drei Staaten - zwei Nationen - ein Volk, Zürich 1989.
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immerhin auf den prominenten Salzburger Historiker Fritz Fellner berufen, der schon früher dafür plädiert hatte, österreichische Geschichte nach 1945 stärker als Teil der deutschen Geschichte zu begreifen. 5 3 B e i d e blieben nicht ohne Widerspruch: Im Spätherbst 1985 antwortete Gerald Stourzh in einem breit angelegten Vortrag zur Problematik der österreichischen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert. 5 4 Stourzh schließt mit zwei Aufforderungen: „... Erstens sollte uns die österreichische Identitätsbildung nicht hindern dürfen, einen moralischen ,Haftungszusammenhang' - ein Wort aus der bundesdeutschen Diskussion - für die Österreichern und Deutschen gemeinsame NS-Zeit zu sehen. Wer kennt bei uns die in ihrer Konventionalität unheimlichen letzten Worte Adolf Eichmanns? ,Es lebe Deutschland. Es lebe Argentinien. Es lebe Österreich. Das sind die drei Länder, mit denen ich am engsten verbunden war. Ich werde sie nie vergessen'... Wie wird die NS-Zeit in dieser Republikgeschichte .untergebracht', ohne der Gefahr der Verdrängung oder des Bagatellisierens zu unterliegen? Eine Frage an Österreichs Historiker! Zweitens ist aber auch deutlich zu machen, daß die Republik Österreich seit 1945 nicht Teil des ,dreigeteilten Deutschland' ist, wie der bedeutende Kieler Historiker Karl Dietrich Erdmann in einem inzwischen berühmt gewordenen Vortrag im April 1985 (.Drei Staaten - zwei Nationen - ein Volk?') formulierte. Eine .deutsche Geschichte seit der Teilung', die von drei aus dem Zusammenbruch des Dritten Reiches entstandenen Staaten gemeinsam gebildet würde - und dies ist Erdmanns Konzeption -, scheint äußerst problematisch zu sein. Eine derartige Auffassung der deutschen Geschichte nach 1945 als Geschichte eines .dreigeteilten Deutschland' hypostasiert nämlich ein .Normaljahr' als Bezugspunkt, das Jahr 1938, und das in diesem Jahr entstandene Großdeutsche Reich als Bezugsrahmen für das, was als deutsche Geschichte auch nach 1945 anzusehen sei. Die Wiederausgliederung und Wiedererrichtung der Republik Österreich 1945 trug einen grundlegend anderen Charakter als jener Teilungsprozeß, der zur Errichtung und schließlich Konsolidierung der Bundesrepublik Deutschland sowie der DDR geführt hat. Es ist bemerkenswert, daß die jahrelange Übung, von .beiden' deutschen Staaten oder von ,zwei' deutschen Staaten zu sprechen, in den letzten Jahren mancherorts abgelöst wird durch den Hinweis auf ,drei' deutsche Staaten oder gar wie bei Erdmann 53 F. Fellner, Das Problem der österreichischen Nation nach 1945, in: Die Rolle der Nation in der deutschen Geschichte der Gegenwart. Beiträge zu einer internationalen Konferenz in Berlin (West) vom 16. bis 18. Juni 1973, hg. v. Otto Busch und James Sheehan, Berlin 1985, 193 ff. 54 Veröffentlicht unter dem Titel: Vom Reich zur Republik. Notizen zu Brüchen und Wandlungen im Österreichbewußtsein seit 1867, in: Wiener Journal Nr. 78 und 79, März und April 1987; wieder in: G. Stourzh, Vom Reich zur Republik, Wien 1990, 25-56. - Die von Erdmann ausgelöste Kontroverse ist jetzt übersichtlich zusammengefaßt in: Gerhard Botz / Gerald Sprengnagel (Hg.), Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. Verdrängte Vergangenheit, Österreich-Identität, Waldheim und die Historiker, Frankfurt/M., 1994, insbes. Abschnitt III., Österreichische Nation oder „deutsche Kontinuität"? (194-371, mit Beiträgen von Hanns Haas, Fritz Fellner, Karl Dietrich Erdmann, Rudolf G. Ardelt, Gerald Stourzh, Lothar Höbelt, Winfried R. Garscha, Helmut Rumpier, Hans Mommsen).
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auf das ,dreigeteilte' Deutschland. Dies ist es, was ich als Tendenz zu einer ,Wiedervereinnahmung' Österreichs bezeichne ..."
Ziemlich genau ein Jahr später konnte Gerald Stourzh, gemeinsam mit Helmut Rumpier und Moritz Csäky, neuerdings solche „Vereinnahmungstendenzen" feststellen. In einem Bericht in der Tageszeitung „Die Presse" wurde redaktionell von den schweren Bedenken der drei österreichischen Historiker gegenüber Planungen zur Errichtung eines Museums der deutschen Geschichte in Berlin berichtet, in dessen Rahmen die österreichische Geschichte auch nach 1806 bzw. 1866, bis 1945, in einer ganz planen Weise als „deutsche" Geschichte dargestellt werden sollte.55 Wieder wurde dabei, ebenso schon wie in den Reaktionen auf den Vortrag von Stourzh im Jahr zuvor56, eine (mindestens!) Zweiteilung der österreichischen Historiker sichtbar: Einige, wie Fritz Fellner, Lothar Höbelt oder der Rechtshistoriker Wilhelm Brauneder, neigen dazu, die deutschen Komponenten der österreichischen Geschichte zu betonen, während andere (neben den Genannten wäre etwa Anton Staudinger, Gerhard Botz, die inzwischen verstorbenen Georg Wagner und Friedrich Heer, ferner Hanns Haas, Rudolf Ardelt, Ernst Hanisch, Moritz Csäky u. a. zu erwähnen), jedenfalls von einer gesicherten österreichischen Identität der Gegenwart ausgehend, es unternehmen wollen, die Vergangenheit kritisch zu beleuchten. Alle diese Diskussionen waren deutlich aus nichtwissenschaftlichen Motiven gespeist. Die Geschichtswissenschaft hätte freilich die Aufgabe, diese Debatten auf ein abstrakteres Niveau zu heben. In der Tat wurden sie, sieht man von den breiter ausgeführten Thesen Fellners51 und Stourzh' ab, im allgemeinen ohne eine breite Materialbasis geführt, weithin auch ohne gründliche methodisch-theoretische Reflexion. Relativ „deutsch"orientierte Historiker wie Grete Klingenstein oder Lothar Höbelt neigen ebenso wie K. D. Erdmann dazu, eine selbst bereits „historische" Begrifflichkeit zu verwenden, ohne diese auf ihre Hintergründe und historischen Bedingtheiten zu untersuchen. So hat etwa Grete Klingenstein dem Autor dieser Zeilen empfohlen, überkommene Begriffe wie „Nation und Nationalität, Volk, Staatsvolk" 55 „Geschichte einer starken Umarmung", „Die Presse" vom 12. Dezember 1986. 56 Der Vortrag von Stourzh war von dem eher „deutsch" orientierten und den Freiheitlichen nahestehenden Wiener Historiker Lothar Höbelt in der „Presse" vom 7./8. Dez. 1985 in einer Weise kommentiert worden, die die „deutsche Frage" als „offen" bezeichnete - keineswegs im Sinne des Vortrages von Stourzh! 57 Sowohl in den schon genannten Titeln wie in dem Beitrag: Die Historiographie zur österreichisch-deutschen Problematik als Spiegel der nationalpolitischen Diskussion. In: Lutz / Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert, Wien 1982, 33-59.
56
Kontroversen und Daten
usw. zu verwenden, ohne zu erkennen, daß ich natürlich sehr bewußt Begriffe wie „Volk" ausgespart habe, die auf Grund ihrer semantischen Unschärfe für eine wissenschaftliche Analyse unbrauchbar sind.58 Auch die im „historicum" publizierte Geschichte der Diskussion um die Erdmann-These blieb in jenen Grenzen, die als einziger Kritiker Erdmanns Rudolf Ardelt sprengte, der zur Begriffswahl Erdmanns feststellte, daß dieser mit der Festlegung auf den Begriff „Volk" sich „... in den Bereich einer auf einem Glaubensbekenntnis aufgebauten Geschichtswissenschaft" begeben habe. 59 Aber ebenso wie den von deutschnationalen Standpunkten aus operierenden Historikern ist auch den österreichisch-nationalen Positionen zuweilen der Vorwurf apriorischen Herangehens an das Problem nicht völlig zu ersparen; so, wenn die „Reichsdisposition" des Wiener Bekkens strapaziert wurde, die, sozusagen schon von Ewigkeit her, hier eine besondere Staatlichkeit entstehen ließ.60 Oder wenn die neutrale österreichische Kleinstaatlichkeit der Gegenwart mit dem Vorbild des keltischen „regnum Noricum" des 2. und 1. vorchristlichen Jahrhunderts begründet wird.61 Gerhard Botz hat in einem im Herbst 1986 erschienen Beitrag darauf hingewiesen, daß die Problematik des „Anschlusses" „... praktisch identisch mit dem nationalen Problem der Österreicher überhaupt..." sei.62 Botz hat davor gewarnt, die Phase von 1938 bis 1945 ausschließlich unter der Perspektive des gewaltsamen Anschlusses und des militärischen Überfalls zu interpretieren, eine Interpretationsweise, die Ernst Hanisch als Selbstinfantilisierung bezeichnete. 63 Hanisch ging im Zusammenhang mit der Frage nach einem „österreichischen" Widerstand gegen das Hitlerregime den besonderen Motiven des Widerstandes nach, der ja in Österreich auf Grund der gemeinsamen Sprache, 58 Das historisch-politische Buch 33, 1985, 1 f. Meine Antwort darauf in: Österreich in Geschichte und Literatur 29,1985, 402 ff., sowie, eher feuilletonistisch, im Wiener Journal Nr. 62, Nov. 1985. 59 Rudolf Ardelt, „Drei Staaten - zwei Nationen - ein Volk?" Oder die Frage: „Wie deutsch ist Österreich?", in: Zeitgeschichte 13,1985/86, Heft 7, 253-268. 60 Georg Wagner nach Hugo Hassinger, in G. Wagner, Hg., Österreich - Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein, 1982, 205. 61 Georg Wagner, Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein, in: Wagner, Hg., Österreich, 117, mit Verweisen auf Heinrich Lammasch, Stephan Verosta und Richard Meister. Auch der Grazer Rechtshistoriker Hermann Baltl beschwört immer wieder diese Kontinuität, etwa in seiner Österreichischen Rechtsgeschichte. 62 Gerhard Botz, Eine deutsche Geschichte 1938 bis 1945? Österreichische Geschichte zwischen Exil, Widerstand und Verstrickung. In: Zeitgeschichte 14,1986/87, Heft 1,19 ff. 63 Ernst Hanisch, Gab es einen spezifisch österreichischen Widerstand? In: Zeitgeschichte 12, 1984/85, 339 ff., hier 340.
Der historische Diskurs
57
aber auch wegen der damit in einem nicht „natürlichen", sondern wiederum vermittelten Zusammenhang stehenden national deutschen Grundierung vieler Österreicher besonderen Schwierigkeiten gegenüberstand. Als eindeutiges Ergebnis konnte Hanisch immerhin festhalten, daß in der Opferbilanz jene politischen Gruppierungen im Vordergrund standen, deren österreichische Orientierung unbestritten war: die Kommunisten (44%) und die Katholisch-Konservativen (23%). Die Waldheim-Kontroverse und das Bedenkjahr 1988 haben die historisch-politikwissenschaftliche Produktion gerade durch die damit verbundenen Irritationen durchaus angeregt. In seiner empirischen Basis freilich schon früher entstanden, erschien, herausgegeben von Albert F. Reiterer, 1988 eine Analyse des österreichischen Bewußtseins.64 Im selben Jahr veröffentlichte Erich Zöllner die erweiterte Buchfassung seiner älteren Abhandlungen über den Österreichbegriff.65 Zöllner bemüht sich hier, in knapper, aber verständlicher Weise die Geschichte und die Inhalte des Begriffes „Österreich" zusammenzufassen. 1990 veröffentlichte Anton Pelinka sein Buch über die österreichische Identität.66 Seine Hauptthese: Die traditionellen „Heimaten" (die Parteien der Sozialpartnerschaft, die Gewerkschaften und Kirchen) verlieren an Bedeutung und Bindekraft. Da diese Bindungen den Inhalt der österreichischen Identität der Zweiten Republik stark geprägt haben, entsteht eine emotionale Lücke, die überkommene Probleme der österreichischen Selbstbilder (Kleinheit als aufgezwungene Kategorie) verstärkt. Aus dieser schwierigen Situation, aus der primär die Freiheitlichen Kapital schlagen konnten, treten die politischen Eliten die Flucht nach „Europa" an. Ebenfalls 1990 erschien Gerald Stourzh' Studie „Vom Reich zur Republik" - eine Zusammenfassung mehrerer aus Anlaß der ErdmannKontroverse verfaßter Beiträge, kombiniert mit Ergebnissen eines von Stourzh geleiteten und von Peter A. Ulram 1987 durchgeführten Forschungsprojektes zur Frage des österreichischen Nationalbewußtseins.67 64 Albert F. Reiterer, Hg., Nation und nationales Bewußtsein in Österreich. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Mit Beiträgen von Wilhelm Filla, Ludwig Flaschberger und Albert F. Reiterer, Wien 1988. Übrigens erschien im selben Jahr von Reiterer eine große Studie unter dem Titel „Die unvermeidbare Nation. Ethnizität, Nation und nachnationale Gesellschaft", Frankfurt - New York 1988. 65 Erich Zöllner, Der Österreichbegriff. Formen und Wandlungen in der Geschichte, Wien 1988. 66 Anton Pelinka, Zur österreichischen Identität. Zwischen deutscher Vereinigung und Mitteleuropa, Wien 1990. 67 Gerald Stourzh, Vom Reich zur Republik. Studien zum Österreichbewußtsein im 20. Jahrhundert, Wien 1990.
58
Kontroversen und Daten
Stourzh betont zweierlei: einmal die generelle Neuorientierung des nationalen Bewußtseins der Österreicher von der Ersten zur Zweiten Republik, zweitens aber auch die Tatsache, daß diese Umorientierung nur möglich war, weil sie auf älteren Bewußtseinsbestandteilen und kulturellen Traditionen aufbauen konnte. Zentral der bemerkenswerte Satz: „Es gilt heute, der neuen Lüge von der sogenannten ,Lebenslüge' der Zweiten Republik entgegenzutreten."68 Diese Aussage ist übrigens auch Erika Weinzierl beigetreten.69 Ausgangspunkt des interessanten und zuweilen auch amüsanten Sammelbandes „Österreich und Deutschlands Größe", herausgegeben von Oliver Rathkolb, Georg Schmid und Gernot Heiß, ist das „schlampige Verhältnis" zwischen Österreich und Deutschland, unverständlich ohne die ursprünglich weitverbreitete Annahme einer kulturellen Einheit von Deutschland und Österreich.70 Die „scheinbar gemeinsame Sprache" sollte ebenso Gegenstand des Bandes werden wie die „scheinbar gemeinsame Kultur". Dabei werden Ambivalenzen (auf beiden Seiten) und Empfindlichkeiten (hauptsächlich auf österreichischer Seite) herausgearbeitet, wobei das Spektrum der behandelten Felder von der Sprache über die „österreichische Doppelseele" und Gedanken zur österreichischen Identität, Selbsteinschätzung und Vorurteile, Kapitalverflechtung und Transitfragen bis zur Anschlußfrage reicht. Die Beiträge streuen stilistisch zwischen penibler Wissenschaftlichkeit und Essayistik. Insgesamt vermag der Band einen ausgezeichneten Einblick in die angesprochenen Ambivalenzen zu geben - aber dabei wird, bei aller Genauigkeit der Recherche, keine reale „deutsche Sehnsucht" der Österreicher sichtbar. Der Autor dieser Zeilen publizierte 1994 im Auftrag des Instituts für angewandte Politikforschung (Leitung: Univ.-Prof. Dr. Fritz Plasser) eine kleine Studie, die sich mit dem Österreichbewußtsein der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzte.71 Die Zusammenstellung diverser von den empirischen Sozialwissenschaften erhobener Daten zeigt eine merkwürdige Diskrepanz zwischen stark ausgeprägtem, aber symbolisch nur schwach unterlegtem österreichischen Nationalbewußtsein,
68 Stourzh, Vom Reich, 49. 69 Erika Weinzierl, Zeitgeschichte in der Krise? in: Botz / Sprengnagel, Hg., Kontroversen, 1994,132 ff., hier 141 f. 70 Österreich und Deutschlands Größe. Ein schlampiges Verhältnis. Hg. v. Oliver Rathkolb, Georg Schmid und Gernot Heiß, unter Mitarbeit von Margarete Grandner und Klemens Renoldner, Salzburg 1990. 71 Ernst Bruckmüller, Österreichbewußtsein im Wandel. Identität und Selbstverständnis im Wandel, Wien 1994.
Der historische Diskurs
59
bei gleichzeitigen Äußerungen deutlichen Mißtrauens gegen das eigene politische System.72 1995 erschien der lexikalisch gestaltete Band „Inszenierungen. Stichwörter zu Österreich".73 Der Band geht von den methodischen Ansätzen der jüngeren Nationsdiskussionen aus, denen zufolge Nationen Produkte der Nationalisten (E. Gellner) seien und ihre Existenz im Bewußtsein ihrer Mitglieder einem Set von bewußtseinsbildenden Maßnahmen - eben: Inszenierungen - verdankten. Der durchaus informative und häufig auch witzige Band leidet freilich ein bißchen darunter, daß das Autorenteam keinen Zweifel daran läßt, daß es sich selbst zum „anderen Österreich" (also im großen und ganzen dem - wie es Antonio Fian formulierte - „gnadenlos Guten") zugehörig fühlt und daher zuweilen etwas parteinehmend formuliert.74 Gescheit und temperamentvoll nahm sich vor kurzem Gabriele Holzer des Themas der österreichischen Identität an.75 Sie stellt eine erschreckend große Zahl von Aussagen deutscher Publizisten und Politiker zusammen, die Österreich mehr oder minder als Teil der deutschen Nation begreifen und das österreichische Selbstbewußtsein entweder als Schwindel erklären oder spöttisch belächeln. Diese Tendenz werde, so Gabriele Holzer, durch die Tendenz der „gnadenlos Guten" (etwa Robert Menasse, Josef Haslinger, Peter Turrini, Gerhard Roth u. a.) verstärkt, Österreichs Eigenständigkeitsbewußtsein als faulen Trick der unmittelbaren Nachkriegszeit zu entlarven, der nur dazu gedient habe, Österreichs NS-Vergangenheit zu verdrängen. Damit spielten diese österreichischen Publizisten, deren Übertreibungen freilich zum kulturellen Repertoire dieses Landes gehörten und in einer langen Tradition satirischer Übertreibungskunst stünden, im Ausland jedoch voll vergnügter Schadenfreude als bare Münze genommen würden, nicht nur einer Gefährdung der österreichischen Eigenständigkeit von außen, sondern - über die Austauschbarkeit der Argumente - auch einer prinzipiell österreichfeindlichen Haltung im Inland in die Hände. Der letzte hier zu nennende Beitrag stammt von Gerhard Botz und Albert Müller. Sie gehen von der Annahme aus, daß Gruppenidentität primär durch Differenzbilder entstehe und abgesichert werde. Die Konstruktion der nationalen Identität der Zweiten Republik sei nun 72 Da dieses Buch sehr rasch vergriffen war, werde ich mir erlauben, einige der dort erschienenen Ergebnisse hier, freilich in verknappter Form, zu wiederholen. 73 Susanne Breuss / Karin Liebhart I Andreas Pribersky, Inszenierungen. Stichwörter zu Österreich, Wien 1995. 74 Beispiel: Art. „Anderes Österreich" (55 ff.). 75 Gabriele Holzer, Verfreundete Nachbarn. Österreich - Deutschland. Ein Verhältnis, Wien 1995.
60
Kontroversen und Daten
über Differenzbilder erfolgt, zu denen die nationalsozialistische Anschlußperiode und „die Deutschen" ebenso gehörten wie der „Ständestaat" und die Erste Republik.76 Reizvoll dabei der Hinweis auf eine Beobachtung von Marie Jahoda, die nach 1945 eine ungewöhnliche Ausbreitung der Dialektverwendung bei den Wiener Mittel- und Oberschichten konstatierte - was als eine Verschleifung von Klassengegensätzen interpretiert werden kann, war primär doch wohl ein Versuch der Distanzgewinnung zu den Deutschen.77 Aber die intensivsten Auseinandersetzungen zur Frage der österreichischen Identität finden nicht zwischen Historikern, sondern zwischen Essayisten und Schriftstellern statt. Diese Auseinandersetzungen können hier nicht in extenso verfolgt werden. Sie sind auch (wegen der häufig nicht überprüfbaren Aussagen) nicht als Teil eines wissenschaftlichen Diskurses zu begreifen. Die jeweils eher plakativen als differenzierenden Formulierungen dürfen daher nicht mit Beschreibungen von gesellschaftlicher Realität verwechselt werden, sie beschreiben aber das jeweils individuelle (und in Summe: das bei der schreibenden Intelligenz vorherrschende) Österreichbewußtsein der Schreiber. Ob diese Auseinandersetzung in Österreich intensiver, mit Hilfe von mehr Negatiwokabeln als anderswo in Europa vor sich geht, sollte einmal genauer geprüft werden. Durchaus möglich, daß die Vorliebe für kraftvolle Worte (oder sogar Kraftausdrücke) mit einer bestimmten kulturellen Tradition in Österreich zusammenhängt, nämlich mit der ehrwürdigen Tradition der Kunst verbaler Übertreibung, die vom Wiener Volkstheater über Johann Nestroy, Karl Kraus und Thomas Bernhard bis zu Gerhard Roth und Robert Menasse zu verfolgen ist.78 Die österreichische Nation, von den Österreichern selbst zu etwa drei Vierteln als real (und zusätzlich von etwa 15% als entstehend) aufgefaßt, steht nach wie vor im Mittelpunkt von Kontroversen. Schon Friedrich Heer hat im Titel seines Buches den „Kampf um die österreichische Identität" angesprochen. Dieser Kampf scheint weiterzugehen.
76 Gerhard Botz / Albert Müller, Differenz / Identität in Österreich. Zu Gesellschafts-, Politik- und Kulturgeschichte vor und nach 1945, ÖZG 6,1995,1, 7 ^ 0 . 77 Ebd., 35. 78 Wendelin Schmidt-Dengler, Der Übertreibungskünstler. Studien zu Thomas Bernhard, Wien 21989.
Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
61
3. D I E ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN SOZIALFORSCHUNG
Nationalbewußtsein Einigermaßen vergleichbare Daten zu dieser Frage liegen für die Zeit von 1956 bis in die Gegenwart vor.79 1956 veranstaltete das Fessel-Institut eine Umfrage unter dem Titel „Nationalbewußtsein der Österreicher". Auf die Frage: „Sind Sie persönlich der Meinung, daß wir eine Gruppe des deutschen Volkes sind, oder sind wir ein eigenes österreichisches Volk?" - antworteten 49%, daß die Österreicher ein eigenes Volk seien, 46% entschieden sich für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk, 5% verhielten sich unentschieden. Die Frauen waren stärker österreichbewußt als die Männer (54% : 46% „eigenes Volk"). Regional führte in der Intensität des Österreichbewußtseins Wien vor Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich und Burgenland. Nur bedingt damit vergleichbar sind die Daten der Jugendstudie des Fessel-Instituts von 1959. Gewisse Sätze konnten dabei mit einer Wertskala von 1 bis 5 versehen werden (1 = sicher richtig, 5 = sicher falsch). Der Satz: „Die Österreicher sind keine Deutschen, sondern ein eigenes Volk" erhielt im Schnitt 1,7 Punkte, der Gegensatz: „Die Österreicher sind Deutsche" 1,74. Dennoch erhielt der Satz „Österreich und Deutschland sollten vereinigt werden" nur die sehr schlechte Note 4,07. Trotz nach wie vor starker sprachnationaler Identifikation war offensichtlich kein Wunsch nach staatlicher Umsetzung in irgendeine gesamtdeutsche Einheit vorhanden. Man sieht, daß die Art der Fragestellung offenbar das Ergebnis sehr stark beeinflussen kann. Ging es 1963 um das „Deutschenbild der Österreicher", so 1964/65 wieder ausdrücklich um das Nationalbewußtsein der letzteren. Die Umfrage von 1964/65 (Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft) hat auf die Behauptung „Die Österreicher sind eine Nation" 47,4% Zustimmung erhalten, zu dem Satz „... beginnen sich langsam als Nation zu fühlen" 23% und zu dem Satz „... sind keine Nation" 15,3%. Ziemlich hoch die Zahl der Unentschiedenen: 15%. Gliedert man nach Parteisympathie, dann sah die Verteilung 1964/65 folgendermaßen aus:
79 Sie sind dankenswerterweise zusammengestellt bei Wagner, Österreich, 124 ff. - Soweit nicht anders zitiert, stammen die folgenden Zahlen bis 1980 von dort.
62
Kontroversen und Daten
Tabelle 1: Nationalbewußtsein und Parteipräferenz 1964/65
Österreich ist eine Nation Österreich ist keine Nation ... beginnen sich langsam als Nation zu fühlen weiß nicht
FPÖ
KPÖ
ÖVP
SPÖ
gesamt
55,7% 8,7%
keine Partei 37,5% 16,7%
22,0% 53,0%
50,0% 22,0%
52,5% 11,4%
20,4% 4,6%
17,0% 11,0%
22,0% 14,1%
23,8% 11,8%
24,8% 21,0%
23,0% 14,0%
47,4% 15,3%
Interessant sind die Ergebnisse, die eine Umfrage des Gallup-Instituts für William T. Bluhm 1966 erbrachte.80 Freilich macht es die etwas differenziertere Fragestellung schwer, diese Untersuchung voll mit den anderen hier genannten zu vergleichen. Nach Parteipräferenzen fällt das Bild folgendermaßen aus: Tabelle 2: Parteipräferenzen und nationale Bewußtseinslagen 1966 in Prozent, Rest auf 100 = „weiß nicht"
Österreich ist eine völlig eigene Nation... Obwohl ö . dem deutschen Sprach- u. Kulturkreis angehört, ist ö . eine eigene Nation Obwohl Ö. ein unabhängiger Staat ist, gehört Ö. zur deutschen Nation Obwohl die Ö. eine polit. Nation sind und für die Unabhängigkeit einstehen, gehören sie zur deutschen Nation Obwohl die O. zum deutschen Sprachu. Kulturkreis gehören, beginnen sie, sich langsam als Nation zu fühlen
ÖVP
SPÖ
FPÖ
keine gesamt Partei
30
44
16
36
35
31
30
21
38
29
12
6
30
7
11
10
8
23
7
9
13
7
6
6
8
Nationales Bewußtsein ist offensichtlich auch eine Frage des Alters: 40% der bis zu Dreißigjährigen, doch nur 30% der 31- bis 50jährigen bejahten die erste Frage, hingegen wieder 36% der über 50jährigen. Aber auch der Berufsschichtung: Die erste Frage bejahten 39% der Arbeiter, 33% der Bauern, 31% der Gewerbetreibenden und Selbständigen, jedoch nur 16% der Beamten (!). Hingegen bejahten die dritte Frage nur 8% der Arbeiter, 12% der Bauern, 13% der Selbständigen, aber 19% der Beamten. Auch die vierte Frage wurde von Beamten und Selbständigen überdurchschnittlich oft bejaht: 12%, gegenüber 9% der Arbeiter und nur 8% der Bauern.
80 William T. Bluhm, Building an Austrian Nation, 226 ff.
Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
63
Das stimmt noch weitgehend mit den Beobachtungen von 1956 überein. Auch damals hatten Arbeiter und Bauern überdurchschnittlich hoch die Österreicher als eigenes Volk angesehen (62% Arbeiter, 56% Bauern - 49% Durchschnitt), Selbständige und Unternehmer aber nur zu 32%. Wichtig und aufschlußreich ist auch die regionale Streuung. Am häufigsten bejahten 1966 die Niederösterreicher und die Burgenländer die erste Frage (42% vor Steiermark/Kärnten 40%, Wien 33%, Oberösterreich/Salzburg 30%, Tirol und Vorarlberg 20%). Zieht man die einzelnen Fragen zusammen, so entschieden sich klar für die deutsche Nation 33% der Oberösterreicher und Salzburger, 20% der Steirer und Kärntner, 19% der Tiroler und Vorarlberger, 17% der Wiener, aber nur 13% der Niederösterreicher und Burgenländer. Am „österreichischesten" (Kombination der Fragen 1., 2. und 5.) fühlten die Niederösterreicher und Burgenländer (77%), gleichauf mit Tirolern und Vorarlbergern, vor den Wienern (71%), Steirern und Kärntnern (70%) sowie Salzburgern und Oberösterreichern (61%). Die Umfrage verweist insgesamt auf eine wachsende Verankerung österreichischer Identität in der Bevölkerung, freilich unter Aufweis erheblicher altersmäßiger, berufs- und schichtbedingter sowie regionaler Differenzen. Wieder stärker mit den übrigen Erhebungen vergleichbar ist die IFES-Umfrage von 1973, die zentral dem Thema Bundesheer gewidmet war. Danach waren 62% der Österreicher der Meinung, Österreich sei eine Nation, 12% glaubten, Österreich begänne sich langsam als Nation zu fühlen, 19% hatten keine Meinung, und nur 7% lehnten die eigene Nation klar ab. Interessant ist das Ergebnis auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Österreicher begonnen haben, als eigene Nation zu empfinden: 14% nahmen die Monarchie dafür an, 9% die Erste Republik, 1% die Zeit zwischen 1934 und 1938, 2% die Zeit zwischen 1938 und 1945, 14% die Phase zwischen 1945 und 1955, aber 26% die Zeit ab 1955! 25% gestanden, dies nicht zu wissen. Analoge Fragen wurden 1977 in einer SWS-Studie gestellt, die recht ähnliche Ergebnisse erzielte: Wieder meinten 62% der Befragten, Österreich sei eine eigene Nation, 16% waren der Meinung, man sei auf dem Wege dazu. Die Zahl der Meinungslosen war allerdings von 19 auf 11% zurückgegangen und die Zahl der klaren Ablehnungen von 7 auf 11% gestiegen. Auch die Frage nach der Zeit, in welcher sich ein eigenes Nationalbewußtsein entwickelt habe, wurde ähnlich beantwortet, wobei die Zeit nach 1945 noch verstärkt hervortrat:
64
Kontroversen und Daten
Tabelle 3: A l t e r d e s Nationalbewußtseins vor 1918:
15%
1938-1945:
4%
nach 1918:
14%
1945-1955:
29%
1934-1938:
2%
nach 1955:
26%
1977
in d e n letzten Jahren:
3%
w e i ß nicht:
6%
Bemerkenswert jedenfalls, daß nun auch bei den FPÖ-Anhängern die Meinung, Österreich sei keine eigene Nation, stark im Rückgang begriffen war (nur 22% gegen 53% 1964/65). Ganz ähnlich die Zahlen der SWS-Studie von 1979: 68% erklärten die Österreicher zur Nation, 14% sahen sie auf dem Wege dahin, nur 6% lehnten dezidiert ab. Die Aufgliederung nach Parteianhängern zeigt, daß die FPÖ-Sympathisanten 1979 dort standen, wo sich die Anhänger der anderen Parteien 1965 befanden. Nach Parteipräferenzen aufgeschlüsselt (in Prozent): Tabelle 4: Nationalbewußtsein u n d Parteipräferenz 1979 FPÖ
KPÖ
ÖVP
SPÖ
keine Partei
Österreicher sind e i n e N a t i o n
49
60
66
75
59
beginnen, sich als N a t i o n zu fühlen
24
13
14
12
17
keine Nation
23
17
7
3
8
4
10
13
10
16
w e i ß nicht
Zeitlich benachbart zur Untersuchung von 1979 liegt jene der PaulLazarsfeld-Gesellschaft für Sozialforschung von 1980.81 Die Grobergebnisse sind denen von 1979 durchaus vergleichbar: 67% sahen Österreich als eigene Nation, 19% auf dem Wege dazu, 11% lehnten die Frage klar ab, 3% hatten keine Meinung. Die Anhänger der FPÖ wurden in den 1980er Jahren erstaunlich „österreichisch-national", 1993 zeigten sie (wieder) deutlichere deutschnationale Tendenzen.
81 Das österreichische Nationalbewußtsein in der öffentlichen Meinung und im Urteil der Experten. Eine Studie der Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft für Sozialforschung, Wien 1980 (enthält neben einer zusammenfassenden Auswertung des gesondert publizierten Datenbandes kommentierende Beiträge von Gunter Falk, Norbert Leser, Anton Pelinka, Otto Schulmeister, Gerald Stourzh und Hans Strotzkä).
65
Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
Tabelle 5: Nationalbewußtsein und Parteipräferenz 198782 Parteipräferenz ÖVP GAL SPÖ 6 6 1 2 3 — 1 2 —
Nationale Identität Deutsche(r) Deutschösterreicher(in) Österreich - regional Nationalbewußtsein: Ö. keine Nation Ö. in nationaler Entwicklung Österreich - Nation Nationsbegriff: Sprachnation Staatsnation
1987 FPÖ 5 2 3
1993 FPÖ
4 12 82
3 18 75
6 19 73
7 16 77
13 14 71
22 73
21 76
11 87
18 81
28 68
Deutlich wird also eine Konsolidierung des Österreichbewußtseins bei den drei erstgenannten Parteien sichtbar, während das österreichische Nationalbewußtsein der FPÖ-Anhänger (das in seiner starken Ausprägung 1987 vielleicht noch mit der Regierungsteilnahme 1983-1986 zusammenhängt!) gewisse Schwankungen zeigt. Freilich zeigen die jüngsten Bemühungen des Parteiführers, die FPÖ als besonders „österreichische" Partei zu konturieren, daß diese Gruppe mit allen Mitteln versucht, mehr als nur ein deutschnationales Potential anzusprechen, das sich aus Opportunitätsgründen jahrelang nicht offen geäußert hat.83 Im Zeitablauf hat sich also die Zahl jener, die Österreich als Nation empfinden, bei etwa 80% stabilisiert: Tabelle 6: Nationalbewußtsein der Österreicher Von den jeweils befragten Österreichern stimmten der Ansicht zu (in Prozent) 1. Ö. sind Nation 2. Ö. beginnen sich langsam als Nation zu fühlen 3. Ö. sind keine Nation keine Angaben
1964 1970 1977 1980 1987 1989 1990 1992 1993 47 66 62 67 74 75 79 78 80
23 15 14
16 8 10
16 11 12
19 11 3
16 5 3
15 4 3
20 5 1
15 5 2
12 6 2
82 Peter A. Ulram, Österreichbewußtsein 1987, vervielf. Ms., Teil des von G. Stourzh und P. A. Ulram durchgeführten Projekts des Jubiläumsfonds der Österr. Nationalbank Nr. 3072 „Österreichbewußtsein in den achtziger Jahren", Wien 1988 (künftig „Österreichbewußtsein 1987), 6; FPÖ 1993: Fessel + GfK. 83 „Die Demoskopie kann sehr gut offizialisierte Legitimierungsstrategien erfassen (und Nationalismus ist eine solche), doch es gelingt ihr nicht im ausreichenden Maß der Zugriff auf tiefere Bewußtseinsschichten" - Reiterer, Nation, VII.
66
Kontroversen und Daten
Ab den 1960er Jahren verdichtet sich also das österreichische Selbstbewußtsein in einer Weise, daß man von einer eindeutigen österreichischen nationalen Identität sprechen kann. Diese österreichische Identität wurde 1987 durch (mögliche) Antworten auf die allenfalls einem Österreicher im Ausland gestellte Frage „Sind Sie Deutscher?" unterstrichen: 87% hätten sich als „Österreicher" bekannt, 2% als „regionale Österreicher" (Bundesländerbewußtsein), 3% als „österreichische Deutsche", 6% als „Deutsche", und 3% wollten oder konnten die Frage nicht beantworten. 84 Analoge Fragen wären in der Zeit vor 1945, aber auch vor 1938 oder 1934 wahrscheinlich nicht in derselben Weise beantwortet worden. Übereinstimmung zeigen alle Untersuchungen der letzten (etwa) 15 Jahre hinsichtlich des angenommenen Alters des österreichischen Nationalbewußtseins: Ganz überwiegend wird es als Produkt der Zweiten Republik interpretiert. Während 1965 noch 38% der Befragten die Entstehungszeit dieses Bewußtseins in die Zeit vor 1938 verlegten, waren es 1980 nur mehr 23 und 1987 bloß noch 18%. Dagegen plädierten für die Zeit zwischen 1945 und 1955 (1965) 40%, 1980 58% und 1987 61% (+8 bzw. 9% für die Zeit nach 1955). Österreich ist in diesem Sinne eine „junge" Nation.85 Diese nationale Identität bezieht sich eindeutig auf das Gebiet der Republik Österreich.86 Etwas weniger als drei Viertel der Österreicher hatten dabei das Nationsbild „Staatsnation" im Sinn (Nation beruht auf Zustimmung der Menschen zu dem Staat, in dem sie leben), ein Fünftel bis ein Viertel (1993: 27%) „Sprachnation" (Nation beruht auf der gemeinsamen Sprache).87 Zu ähnlichen, wenngleich auf Grund der nicht ganz vergleichbaren Fragestellung leicht variierenden Ergebnissen kamen Reiterer et al. in ihrer 1984 durchgeführten Umfrage: Auch hier dominierte in den Antworten (N = 1999) das staatliche und konsensuale Element (Nation = Staat: 14% Erstnennungen, Nation = Konsensualgemeinschaft aus dem Willen, wirtschaftlich und politisch zusammenzuleben: 34% Erstnennungen) gegenüber dem sprachlichen und kulturellen (16 bzw. 10%). Die hier ebenfalls abgefragte „Abstammungsgemeinschaft" (ein historisch wichtiger Nationsglaubenssatz!) erhielt nur 6% Zustimmung.88 Nach Kriterien der Berufsposition und 84 Österreichbewußtsein 1987, 4; 85 Österreichbewußtsein 1987,12. 86 Kreissler, Österreicher; Wagner, Österreich, 109 ff.; Österreichbewußtsein 1987, passim; Stourzh, Vom Reich, hier insbes. 99 ff. 87 Österreichbewußtsein 1987,4; zu 1993: Fessel + GfK, Österreichbewußtsein. 88 Reiterer, Nation 5.
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Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
des Ausbildungsstandes läßt sich eine positive Korrelation zwischen „Höhe" der Bildungsschicht und der Vorstellung von Nation als politischer Willensgemeinschaft annehmen, „Sprache" als Kriterium nahmen nach dieser Untersuchung ganz überdurchschnittlich FPÖ-Anhänger an.89 In aller Vorsicht interpretiert, könnte dies eine Umkehrung traditioneller Zuordnungsmuster bedeuten: Das „klassische" österreichische Bildungsbürgertum verband mehr oder minder ausgeprägten österreichischen Patriotismus sehr oft mit einem deutlichen Bekenntnis zur „deutschen Kulturnation". Solche Identifikationsmuster haben stark an Kraft verloren. 90 Dagegen verweist die etwas stärkere „deutsche" Einfärbung der in ihrer Klientel enorm veränderten FPÖ 91 auf ein stärkeres Beharren auf eher deutschnationale Verhaltensmuster in solchen Schichten, in die jene erst verhältnismäßig spät eingedrungen waren. Nationalbewußtsein
und
Landesbewußtsein
Die Untersuchung zum Österreichbewußtsein 1987 stellte erstmals auch die Frage, welche regionale Einheit Träger primärer Identifikation sei. Wenn man die Fragestellung in die Ethnologie oder Ethnohistorie übersetzen wollte, wurde gefragt, was denn eigentlich die gentile Einheit sei, der sich dieser oder jene zugehörig fühle. Die möglichen Antworten lauteten: der Heimatort (Lokalpatriotismus), das eigene Bundesland (Landespatriotismus), Österreich (primär „Österreicher" - Staats- bzw. Nationalpatriotismus), Deutschland (primär „Deutscher" - Deutschnationalismus), (Mittel-)Europa („Europäer" - Europapatriotismus), die Welt („Weltbürger" - Weltbürgerlichkeit). Die Antworten fielen nach Bundesländern durchaus unterschiedlich aus: Tabelle 7:92 Emotionale Verbundenheit nach territorialen Einheiten 1987 in: Heimatort Bundesland Österreicher Deutscher (Mittel-)Europäer Weltbürger anderes
89 90 91 92
Wien NÖ Bgld. Tirol Ktn. Vlbg. Stmk. OÖ 38 30 31 16 23 21 25 35 8 16 24 58 44 53 39 23 46 55 44 19 24 28 32 37 — — — 1 0 1 2 1 4 1 — 1 — 4 2 1 4 1 2 — 3 1 2 — — — i 2 0 0 0
Ebd., 6 f. Dazu vgl. auch Lepsius, Nation und Nationalismus, 203 ff. Dazu vgl. Die Presse, Sept. 1995. Österreichbewußtsein 1987, 23.
Sbg. 24 33 35 2 4 —
3
Ö 29 27 39 1 2 2 1
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Kontroversen und Daten
Während also die Wiener, Niederösterreicher und Burgenländer verhältnismäßig ausgeprägte Lokalpatrioten, zugleich aber überdurchschnittlich „Österreicher" waren (bei schwächer entwickeltem Landesbewußtsein), erwiesen sich Tiroler, Vorarlberger und Kärntner als die glühendsten Landespatrioten, wobei sowohl der Lokal- wie auch der Staatspatriotismus zurücktraten - am stärksten bei den Tirolern. Gleichmäßiger verteilt erschienen die territorialen Bezugsrahmen emotionaler Verbundenheit bei Steirern, Oberösterreichern und Salzburgern, wobei die Steirer noch am ehesten eine Nähe zur zweiten Gruppe zeigten. „Europäische" und „weltbürgerliche" Haltungen waren 1987 wenig ausgeprägt. Sie konzentrierten sich auf Wien und Vorarlberg (das korreliert recht gut mit dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand), zum Teil auch auf Salzburg. Hinsichtlich der politischen Orientierung sind typische Unterschiede kaum zu erkennen, wenn man davon absieht, daß bei Grün-Sympathisanten Lokalpatriotismus deutlich unter- und europäische bzw. weltbürgerliche Haltungen deutlich überrepräsentiert erschienen (Landes- und Österreichbewußtsein streuen in dieser Gruppe keineswegs atypisch). Vergleicht man die nationalen Präferenzen mit den Primärheimaten, so lagen die Österreichisch-Nationalen (etwa 87% des Samples) im Durchschnitt, die „Deutsch-Österreicher" (etwa 3%) waren überdurchschnittlich Lokalpatrioten, die Deutschnationalen (6%) überdurchschnittlich Landespatrioten. (Beide Gruppen zeigen auch die Neigung, sich als „Deutsche" zu sehen, aber auch nur zu 6 bzw. 7% dieser an sich kleinen Gruppen.) Jene Österreicher, die 1987 behaupteten, Österreich sei keine Nation (5%), waren etwas überdurchschnittlich Landespatrioten und zeigten zugleich etwas unterdurchschnittlichen Lokal- bzw. Staatspatriotismus. Es ist jedoch eine inhomogene Gruppe: Hier treten sowohl „deutsche" wie auch „europäische" Haltungen (die sich gegenseitig wohl weitgehend ausschließen) überdurchschnittlich ausgeprägt auf: Von jenen, die behaupteten, Österreich sei keine Nation, zeigen 6% „deutsche", 9% europäische oder weltbürgerliche Neigungen; leicht überdurchschnittlich ist hier auch der Landespatriotismus. Der „typische" Österreicher ist zumeist der Bewohner des eigenen Landes. Insgesamt hat man aber Tiroler, Wiener und Salzburger am häufigsten genannt. Am „untypischesten" erscheinen hier die Burgenländer und die Vorarlberger - auch von seiten der Vorarlberger selbst (die ihrerseits wieder die Tiroler und Wiener als „typisch" für Österreich ansehen). Anders ausgedrückt sehen sich die Vorarlberger am wenigsten als „typisch österreichisch", ihr Landesbewußtsein erscheint
69
Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
durch eine gewisse Distanz zu den „typisch österreichischen" Ländern geprägt. 93 Nationalbewußtsein und Landesbewußtsein hängen in vieler Hinsicht zusammen. So ergeben sich etwa auf die Antwort nach den nationalen ebenso wie nach den Landessymbolen ziemlich übereinstimmende Antworten im nicht lokalspezifischen Bereich (etwa bei den Antworten „Berge", „Landschaft", „Lebensart", „politisches System" usw.). Auch das „typisch Österreichische" wird mit bestimmten Städten, Regionen und Ländern identifiziert. Nach den Umfragen von 1988 erscheinen vor allem die Tiroler als die „typischsten" Österreicher. 94 Im Blick von außen aber können die Tiroler so stark als etwas Eigenes gesehen werden, daß es im Rahmen eines in England beheimateten Publikationsvorhabens über europäische Völkerschaften den Vorschlag gab, zwischen „Tirolern" und „Österreichern" zu unterscheiden. 95 Bei einer etwas anderen Fragestellung konnte wiederum Wien als Konzentration des „typisch Österreichischen" erscheinen.96 Wir werden diese Frage im Kapitel über die Symbole Österreichs nochmals kurz erörtern müssen. Nationalstolz National- und Landesbewußtsein sind ein relativ diffuser Ausdruck gewisser Gemeinsamkeiten. Vielleicht erlaubt die Frage nach dem Nationalstolz differenziertere Aussagen zu den kollektiven Befindlichkeiten der Österreicher. Der Nationalstolz der Österreicher spiegelt sich in den Ergebnissen der empirischen Sozialforschung wie folgt:97 Tabelle 8: Nationalstolz 1973-1990 In Prozent sind ( . . . ) stolz, Österreicher zu sein:
sehr ziemlich nicht sehr gar nicht
1973
1982
1985
87/1
87/2
88/1
88/2
1989
1993
56 34 2
69 24 1 1
65
53 34
57 32 3
51 35 4
63 27
53
61 31 4
1
2
1
26 3 1
5 1
5 1
35 7 2
1
93 Anon. (Peter Diem), Integrative und desintegrative Phänomene in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Massenmedien, Wien 1988 (vervielf. Ms.), 30 f. 94 Diem, Phänomene, 10 f. 95 In einem Brief vom 12. 5. 1993 wurde der Verf. eingeladen, am „Times Guide to the Peoples of Europe" (erschienen 1994) mitzuwirken, mit der Frage: "Would you be able to take on coverage of the Austrians and the Tyrolese?" 96 Österreichbewußtsein 1980. 97 1973-1988: IMAS, bundesweite Repräsentativumfragen 1989,1993: Fessel + GfK, bundesweite Repräsentativumfragen.
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Kontroversen und Daten
Wie Forschungen aus den frühen 1990er Jahren gezeigt haben, ist das österreichische Nationalbewußtsein im internationalen Vergleich ziemlich stark ausgeprägt.98 Tabelle 9: Ausgeprägter Nationalstolz im internationalen Vergleich In Prozent sind auf ihre nationale Zugehörigkeit „sehr stolz" (USA, GB, Frankreich 1985, BRD 1990, Österreich und Schweiz 1989) 1. USA 2. GB 3. A 4. F 5. CH 6. BRD
87 58 53 42 31 21
Sogar der Nationalstolz der angeblich so chauvinistischen Franzosen und jener der (ebenso angeblich) von sich selbst so sehr eingenommenen Schweizer wirkt neben dem österreichischen Selbstbewußtsein bescheiden. Das ist zunächst um so überraschender, als die Österreicher gleichzeitig massives Mißtrauen gegenüber ihrem eigenen politischen Institutionenrahmen äußern (dazu ausführlicher unten, S. 74 ff.). Auch der Gegenstand des kollektiven österreichischen Stolzes schwankt im Laufe der Zeit nicht unerheblich - die landschaftliche Schönheit stand schon 1980 als Identifikationsfigur im Vordergrund, gefolgt von der Hochschätzung des politischen und sozialen Friedens. Tabelle 10:"Gegenstände des österreichischen Nationalstolzes 1980 Für die Liebe zu Österreich eher wichtige Gründe (in Prozent):
Landschaftl. Schönheit Polit. und soz. Friede Familie u. Freunde wohnen hier Sympathische Menschen Gemeinsame Sprache Neutralität Viele gute Musiker u. Dichter Zufriedenheit m. d. Regierungspolitik Gutes Essen
alle
Pflichtschule
97 96 94 94 93 87 79 74 74
96 95 95 95 94 85 77 78 78
Matura, Hochschule 96 96 92 90 89 82 79 62 53
98 Fritz Plasser / Peter A. Ulram, Politischer Kulturvergleich: Deutschland, Österreich, Schweiz, in: F. Plasser I P. Ulram, Hg., Staatsbürger oder Untertanen? Politische Kultur Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im Vergleich, Frankfurt/Main - Bern - New York 21993,17-48, hier 40. 99 Peter Gerlich, Nationalbewußtsein und nationale Identität in Österreich, in: Anton Pelinka / Fritz Plasser, Hg., Das österreichische Parteiensystem (Studien zu Politik und Verwaltung 22), Wien - Köln - Graz 1988, 235-270, hier 259.
Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
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Der Stolz auf Österreichs Landschaft kehrt auch in anderen Befragungen wieder, so in der großen oberösterreichischen Untersuchung über die Einstellung von Lehrern zum EG-Beitritt im Herbst 1992: 83% der Befragten waren auf die Landschaft stolz, vor 48%, die auf Wissenschaft, Kunst und Kultur der Vergangenheit stolz waren.100 Aber, so könnte man fragen, welche gemeinsame eigene Leistung (auf die allein man ja mit einiger Berechtigung stolz sein könnte) steht denn hinter der Tatsache, daß die Österreicher angenehmerweise vielfach in als „schön" klassifizierten Gegenden wohnen und von diversen Vorfahren zahlreiche beeindruckende Klöster, weitläufige Schlösser, vollgefüllte Museen und pittoreske Kleinstädte hinterlassen erhielten? Die bloße Tatsache der Erhaltung und Verwaltung dieser Kulturgüter allein ist zwar nicht unverdienstlich, aber doch wohl kein Grund, sich voller Stolz aufzuplustern. Oder - sofern dieser Stolz mit der Nationalmythologie der Neutralität verbunden ist - bedeutet er im Klartext: Österreicher sind stolz darauf, daß sie sich in einer angenehm klimatisierten Loge eingerichtet haben, aus der sie das Weltgeschehen betrachten, dafür beneidet werden („Insel der Seligen") und sich um die übrige Welt einen Teufel scheren. Fragt man nicht nach Identifikationsfiguren ganz allgemein, sondern nach dem Stolz auf österreichische Leistungen, so ergaben sich 1987 gegen 1980 nicht wenige Veränderungen. Tabelle II:101 Stolz auf österreichische Leistungen - allgemein Es sind persönlich stolz auf die österreichische Leistung im Bereich: populäre Musik (Walzer usw.) Medizin klassische Musik darstellende Kunst Wissenschaft Sport bildende Kunst Literatur Staatspolitik
Rangzahl 1980 1987 3 1 2 2 7 3 4 4 5 5 1 6 8 7 7 8 6 9
Prozent 1980 1987 81 83 82 74 60 71 73 67 73 66 90 66 57 57 58 55 72 27
+ /-
+2 -8 +11 -6 -7 -24 0 -3 -45
Geradezu abgestürzt ist die Staatspolitik. Hatte es Bruno Kreisky verstanden, den Österreichern ein Gefühl von internationaler Bedeutung zu vermitteln (das ist wohl die Ursache für die hohe Einschätzung von 100 Hans Engleitner I Wolfgang T. Schwarz / Klaus Volker, Wie denken Lehrer über Österreich und die EG? Eine Bestandsaufnahme aus Oberösterreich, Linz (vervielf. Ms.) 1993, 37. 101 Österreichbewußtsein 1987, 28.
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Kontroversen und Daten
„Staatspolitik" 1980), so lagen zwischen 1980 und 1987 zahlreiche kleinere und größere Skandale und zuletzt, 1986, der BundespräsidentenWahlkampf, der Österreichs Selbstbild vermutlich stärker erschüttert hat als das Fremdbild von Österreich im Ausland. Verstärkt zeigt sich (wie auch schon in der Tabelle 10) die Tendenz des Stolzes auf ein kulturelles Erbe, für das die heutigen Österreicher freilich nichts können. Auch der Sport, eine der möglichen identitätsstiftenden Sparten, erlitt damals gerade ein diesbezügliches Tief. In Wirtschaft und Politik - als den Bereichen, in denen jeder Mensch irgendwie direkt angesprochen ist - ist der Stolz wieder nur dort beachtlich, wo es um die Verwertung landschaftlicher Schönheiten und ererbter Kulturschätze geht: Tabelle 12:102 Stolz auf österreichische Leistungen - Wirtschaft und Politik Im Bereich von Wirtschaft und Politik sind ... Österreich als Fremdenverkehrsland innere Sicherheit, geringe Kriminalität soziale Sicherheit Wien als Kongreßstadt Sozialpartnerschaft Rolle Österreichs in der Welt moderne techn. Entwicklung Stellung der österr. Wirtschaft auf dem Weltmarkt (Exporte) Bewältigung der Umweltprobleme
in Prozent stolz nicht stolz 6 91 75 18 72 23 69 23 63 28 56 37 44 46 42 49 23 69
Auffällig ist der geringe Stolz auf die (real) wohl bemerkenswerteste Tatsache der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, daß sich nämlich Österreichs Industrie seit 1945 erstaunlich entwickelt hat und Österreich seine Rolle als tendenziell lebensunfähiger, halbagrarischer, rohstoffexportierender Kleinstaat gegen die eines hochindustrialisierten (freilich zu überzogenem Konsum neigenden) und vielen anderen europäischen Staaten dieser Größe durchaus gleichwertigen Wirtschaftsfaktors gewechselt hat. Dagegen wird der Fremdenverkehr, der relativ geringe Wertschöpfung pro Arbeitskraft mit nicht geringer Belastung (gerade der Landschaft, der Kulturgüter usw.) verbindet, sehr hoch eingeschätzt. Hier existieren erstaunliche Wahrnehmungsverzerrungen.103 Andererseits konnte sich - gerade im Umfeld der Europa-Diskussionen - ein gewisser österreichischer Stolz auch auf Produktgruppen ent102 Österreichbewußtsein 1987, 29. 103 Ewald Nowotny I Helene Schuberth, Hg., Österreichs Wirtschaft im Wandel. Entwicklungstendenzen 1970-2010, Wien 1993.
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Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
wickeln, von denen man annahm, daß sie auf Grund der österreichischen Gesetzes- und Verordnungslage besonders „vorbildlich" seien. So haben 1992 etwa ein Drittel der Österreicher Stolz auf hochwertige Lebensmittel bekundet, immerhin noch fast ein Viertel ihren Stolz auf die Stahl- und (allgemeiner) Metallverarbeitung, 21% waren stolz auf die Trachtenerzeugung und die Schifabrikate.104 Die (1984) etwas anders gestellte Frage, nämlich nach dem, was die Österreicher selbst an ihrem Land verteidigenswert fänden, wurde folgendermaßen beantwortet:105 Tabelle 13: Was wäre für Sie an Österreich verteidigenswert? a = materielle Wohlfahrt, b = kulturelle Eigenheiten, c = demokratisches System, d = typisch österreichische Art zu leben, e = staatliche Selbständigkeit Gesamt Pflichtschule Matura, Hochschulabschluß Selbständige und Freiberufler Angestellte Beamte Bauern Arbeiter Pensionisten Wiener Burgenländer Steirer Tiroler Vorarlberger
a 8 10 5 8 6 7 14 9 7 4 15 7 8 9
b 3 3 4 8 4 2 2 0 4 5 3 3 6 -
c 25 19 45 38 34 26 19 19 19 29 31 19 17 38
d 11 12 5 4 6 16 13 7 18 9 14 10 14 14
e 53 56 41 42 50 48 53 64 52 53 38 61 54 39
In besonderem Maße verteidigenswert erschien hier eigentlich bloß die staatliche Selbständigkeit - aber auch nur für eine sehr knappe Mehrheit der Bevölkerung, die freilich bei gewissen Gruppen deutlicher ausfiel, so bei Steirern, Pflichtschulabsolventen und Arbeitern, während Bauern, Wiener und Tiroler (knapp darüber) im Durchschnitt lagen. Für überdurchschnittlich verteidigenswert hielten das demokratische System Maturanten und Hochschulabsolventen, Freiberufler und Selbständige, Wiener, Burgenländer und Vorarlberger. Ansonsten zeigen die Ergebnisse, daß man doch auf das meiste, was dieses Land bietet, ohne Gegenwehr verzichten zu können glaubt. Das sind einerseits durchaus edle Züge eines offensichtlich hochentwickelten zivilen 104 trends. Die aktuelle trend-Umfrage zur inneren Lage der Nation. Text Dr. Werner Beutelmeyer, „Market"-Marktforschungsinstitut, Linz. In: trend 10/92,16 ff., hier 18. 105 Reiterer, Nation, 93.
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Kontroversen und Daten
Bewußtseins - andererseits sollte man sich nicht wundern, wenn Attakken auf Österreichs Selbständigkeit oder österreichische Lebensart usw. (von innen oder von außen) kaum Reflexe der Abwehr auslösen. Auch eine Jugendbefragung vom April 1995 zeigt durchaus analoge Reaktionen: Von etwa 400 Befragten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren wären nur 11% bereit gewesen, die Demokratie in Österreich auch mit Waffengewalt zu verteidigen, immerhin 83% hätten sich aber einer Unterschriftenaktion angeschlossen.106 In den Daten von Tabelle 12 spiegelten sich bereits Stellungnahmen zum politischen System (Sozialpartnerschaft), die wir im folgenden etwas genauer analysieren wollen. Stellung zum politischen
System
Es sind die Österreicher im allgemeinen Demokraten, nur bei FPÖAnhängern macht sich ein ausgeprägter Wille zum „starken Mann" breit: Tabelle 14:107 Sehnsucht nach dem „starken Mann" „Eigentlich brauchen wir gar kein Parlament, sondern einen .starken Mann', der Entscheidungen rasch durchsetzen kann" (eher) Zustimmung (eher) Ablehnung Österreich 1980 24% 74% Österreich 1993 19% 76% nach Berufen 1993: Hilfsarbeiter 35% 50% 66% Selbständige 31% 24% Landwirte 59% 88% Schüler / Studenten 9% nach Parteipräferenz 1993: 36% FPÖ 59% 74% 21% ÖVP 14% LIF 79% 83% SPÖ 13% Grüne 8% 91% nach Zeitungslektüre (regelm.) 1993: Kronen-Zeitung 24% 69% 21% 73% Keine Täglich Alles 21% 70% 88% Kurier 10% 86% Presse 9% 1% 89% Standard 106 Die Presse, 19. April 1995, Beilage 50 Jahre Zweite Republik, VII. 107 SWS-Rundschau 33,1993, Heft 4, kombiniert aus Grafiken 483 und 484.
D i e Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
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Eine sehr große Mehrheit (über 90%) der Österreicher vertrat aber die Meinung, daß die Demokratie auf jeden Fall besser als die Diktatur sei (BRD 90%, Italien 70%, Spanien 68%). Vielleicht wird einiges im kollektiven Bewußtsein der Österreicher deutlicher, wenn wir das politische Selbstbewußtsein mit jenem der Schweizer und der Deutschen vergleichen. Tabelle 15:108 Staatsbild in Österreich und der BRD In Prozent denken bei „Staat" an... soziale Sicherheit Verfassung Bürokratie Ordnung Freiheit Gerechtigkeit Steuerbelastung Wirtschaftslenkung Bevormundung Untertanen Gleichmacherei Anonymität
Österreich 1976 64 24 16 33 33 29 27 24 2 3 3 2
1989 55 32 30 30 28 28 25 24 10 6 5 4
BRD 1989 56 39 —
30 37 37 24 19 6 7 7 4
Die Österreicher scheinen ihre Republik sehr stark als Sozialstaat zu interpretieren (durchaus positiv). Deutlich weniger oft assoziiert als in Deutschland wird etwa der Begriff „Verfassung" - daher auch kein „Verfassungspatriotismus", wie er sich in der Bundesrepublik wohl entwickelt hat. Damit hängt vielleicht auch der geradezu sorglose Umgang mit der Verfassung seitens der politischen Eliten zusammen.109 Signifikant weniger häufig genannt werden in Österreich Begriffe wie „Freiheit" oder „Gerechtigkeit" (1989). Außerdem gilt der Staat nach wie vor eher als (ebenfalls positiv) funktionierender Behördenstaat.
108 Rudolf Bretschneider I Peter A. Ulram, Anmerkungen zur politischen Kultur Österreichs, in: Wolfgang Mantl, Hg., Politik in Österreich. Die Zweite Republik: Bestand und Wandel, Wien - Köln - Graz 1992, 316-324, hier 321. 109 Vgl. den sehr kritischen Artikel von Bernd-Christian Funk, Die Entwicklung des Verfassungsrechtes, in: W. Mantl, Hg., Politik, 1992,683-706. - Gut behandelt habe man die Verfassung nicht. Mit mehr als 8000 Verfassungsbestimmungen wurde das Bundesverfassungsgesetz „aufgefettet". Eine „emotionelle Beziehung", wie sie etwa die Amerikaner zu ihrer Verfassung haben, könne man in Österreich kaum entwickeln, konstatierte Zweiter Nationalratspräsident Heinrich Neisser (VP) - Die Presse, 12. September 1995, 6.
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Kontroversen und Daten
Tabelle 16: Vertrauen in Institutionen im Vergleich:110 In Prozent haben großes Vertrauen in ... Polizei Gerichte Behörden und Ämter Armee Regierung und Parlament Medien Parteien
Ö 56 53 46 37 27 23 17
BRD 63 58 49 54 48 44 36
Schweiz 55 52 45 49 51 — —
Zentrale Institutionen moderner Demokratien wie Parlament, Parteien oder Medien schneiden in der Wertschätzung der Österreicher deutlich schlechter ab als in den beiden westlichen Nachbarstaaten - nicht jedoch der bürokratische Apparat. Eine im Sommer 1995 durchgeführte Umfrage unterstützt diese Aussage. Danach hatten 67% der befragten Österreicher Vertrauen in die Polizei, 61% in die Nationalbank, aber nur 48% in das Parlament, 46% in die Arbeiterkammer, 42% in die Regierung, je 40% in Bundesheer und Wirtschaftskammer. Noch dahinter rangieren der ORF (37%), der ÖGB (35%) und die Zeitungen (31%), wobei die Medien deutliche Vertrauenseinbußen hinnehmen mußten. Wieder eine Besonderheit in Europa: Am wenigsten Vertrauen genossen im Sommer 1995 die katholische Kirche (29%) und die Parteien (24%) - in der EU, aber auch in den postkommunistischen Reformstaaten lagen Polizei und Kirche gleichauf. Die Bewertung der Sozialpartnerschaft war rückläufig: Nur mehr 54% der Befragten stuften sie als vorteilhaft ein.111 Demokratische Partizipation sollte staatliche bzw. nationale Legitimität begründen bzw. verstärken. Die Österreicher setzen gerade in die klassischen Institutionen politischer Partizipation wie Medien, Parteien und Parlament (also den Hauptträgern politischer Öffentlichkeit) wenig Vertrauen. In der „westlichen" Tradition der Nation sind jene aber ein zentraler Bestandteil des nationalen Bewußtseins und konnten bisher auch durch andere Möglichkeiten (Elemente der direkten Demokratie einerseits, lokale und regionale, sachbezogene Bürgerinitiativen andererseits) keineswegs zureichend ersetzt werden. Das zeigt sich ja schließlich etwa in der Mutation der Grün-„Bewegungen" in eine Partei in der gesamten europäischen politischen Landschaft. Nach einer Studie zum Parlamentsverständnis der Österreicher (Um-
110 Plasser I Ulram, Polit. Kulturvergleich, 35 (Tab. 13). 111 Die Presse, 29. August 1995,13, nach einer SWS-Telefonumfrage (N = 1005), Leitung Christian Haerpfer.
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Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
frage vom Oktober 1993, N = 1514)112 hat sich die persönliche Meinung über das Parlament bei 37% der Befragten in den letzten zwei, drei Jahren verschlechtert, bei 45% blieb sie gleich, nur 7% sahen Verbesserungen (und 12% hatten diesbezüglich keine Meinung). Die eigene politische Ordnung wird in Österreich sogar signifikant schlechter beurteilt als jene der Schweiz durch die Schweizer: Tabelle 17:113 Beurteilung der politischen Ordnung in Österreich und in der Schweiz Frage: Wenn Sie alles in allem nehmen: Haben wir in Österreich (in der Schweiz) eigentlich eine gute politische Ordnung oder keine gute? Würden Sie sagen, sie sei... in Prozent sehr gut gut insgesamt positiv gerade recht schlecht sehr schlecht insgesamt negativ unentschieden
Österreich 2 26 28
Schweiz 10 55 65
33
28
25 5 30 8
3 0 3 3
Rudolf Bretschneider hat im Sommer 1993 das Raunzen als kulturelles Phänomen bezeichnet, das Österreich mit dem übrigen Mitteleuropa verbinde. 114 Dabei stellt er freilich insbesondere auf „den" Wiener ab, aber auch auf „die" Ungarn. Solche Hinweise sind durchaus hilfreich. A b e r fruchtbar werden sie erst, wenn sie zu einer gründlichen Beschäftigung mit der historischen Dimension des Problems führen. Es genügt nicht, (etwa) Thomas Bernhards gewaltige Beschimpfungskaskaden als sozialwissenschaftliche Beschreibung mißzuverstehen. 115 Natürlich enthält ein Feuilleton (und ganz ebenso die Belletristik) zahlreiche zutreffende Beobachtungen - aber sie erscheinen uns deshalb so zutreffend, weil sie allgemein Angenommenes (Gefühltes, Verspürtes) locker und pointiert formulieren, ungeachtet der statistischen Repräsentativität der Aussage. Wie unzufrieden sind die österreichischen Raunzer wirklich?
112 113 114 115
Parlamentsverständnis in Österreich, in: SWS 33, 1993, Heft 4, 474-^88. Plasser / Ulram, Ebd., 34. Rudolf Bretschneider, Mitteleuropäische Stegreifklage, Die Presse, 10. Juli 1993, 2. Vgl. dazu Wendelin Schmidt-Dengler, Der Übertreibungskünstler, passim.
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Kontroversen und Daten
Tabelle 18:116 Politische Zufriedenheit (Österreich und Deutschland 1984-1993) In Prozent sind mit der Demokratie, den polit. Parteien und dem ganzen System zufrieden Jahr: sehr einigermaßen nicht
Österreich 84 85 88 89 91 93 15 9 9 9 15 5 69 71 72 73 75 71 13 18 17 17 9 23
BRD - West 81 85 88 89 91 32 37 24 21 18 61 54 66 68 63 6 7 10 7 12
93 12 59 25
Deutlich stieg die Unzufriedenheit in der jüngsten Vergangenheit, in Deutschland freilich noch dramatischer als in Österreich (wo man auch in real besseren Zeiten gerne bereit war, die Zukunft „schwarz wie ein Rabenpürzel" zu sehen). Am dramatischesten nahm die Unzufriedenheit bei Facharbeitern und Wienern zu: Tabelle 19:117 Politische Unzufriedenheit nach Gruppen (1989 u. 1993), in Prozent untere Bildungsschicht (Pflichtschule/Fachschule/Lehre) Landwirte unqualifizierte Arbeiter Facharbeiter Wien obere Bildungsschichten (Matura, Universität) Angestellte/Beamte Parteipräferenz: Grüne SPÖ ÖVP FPÖ LIF
1989 14 17 15 13 18 23 17 33 11 9 23 —
1993 23 26 26 32 32 22 20 16 15 19 39 37
Grüne und Absolventen von Gymnasien bzw. Universitäten wurden während der Krise der frühen 1990er Jahre offenkundig deutlicher ihrer (zumeist) relativ begünstigten beruflichen und wirtschaftlichen Situationen gewahr und zeigten eine Abnahme der Unzufriedenheit, während in allen anderen Gruppierungen diese zum Teil enorm anstieg - einiges davon ist durchaus mit der Rezession erklärbar, einiges mit dem nicht immer sehr glücklichen Erscheinungsbild der Politik, einiges ist wohl auch überzogene Wahrnehmung aus prinzipieller Ablehnungs116 Zentrum für angewandte Politikforschung, Gesellschaftspolitischer Monitor 1993 (Ergebnisse der politischen Trendforschung), Projektverantwortliche: Fritz Plasser, Peter A. Ulram, Franz Sommer, Andreas Vretscha (November 1993, vervielf. Manuskript), 18. 117 Gesellschaftspolitischer Monitor 1993, 19.
Die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung
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haltung. In wachsendem Ausmaß wird auch Politikversagen attestiert. (1993 haben nur 7% mehr der Befragten gemeint, die Politik versage selten oder nie, 1981 waren es noch 14% gewesen.)118 Wenn die Übereinstimmungen mit dem politischen System brüchig werden, so erhebt sich die Frage, ob es überhaupt so etwas wie ein den Österreichern gemeinsames Wertesystem gebe? In der Studie von Reiterer et al. (1984 durchgeführt) wurde diese Frage sehr ausführlich diskutiert. Die Autoren kommen trotz eindeutiger Wertpräferenzen einer großen Mehrheit der Bevölkerung, die man als „private" Werte zusammenfassen kann („Gesundheit" vor „Familie", „Frieden", „sicherer Arbeitsplatz" und „Umwelt"), zu dem Schluß: „Österreich ist nicht ein Wertsystem, sondern der Wille zusammenzuleben, trotz verschiedener Werte. Gerade das aber macht eine Nation aus .. ,"119 Diese Aussage ist wichtig: Nicht die Gemeinsamkeit von Werten macht den nationalen Konsens aus, sondern der Wille zum Konsens. Freilich ist dieser Wille selbst wieder ein Wert, der seinerseits gewisser Abstützungen bedarf: Extrem privatistische und extrem lokalbezogene Verhaltensweisen dürften einem solchen Konsens nicht gerade ein solides Unterfutter liefern. Insgesamt bietet sich im europäischen Vergleich Österreich eher „östlich" dar. Die demokratische Selbsteinschätzung der Österreicher liegt ziemlich weitab von der ehrwürdiger westlicher Demokratien und nähert sich dem Postsozialismus: Tabelle 20: Politische Effektivität im internationalen Vergleich120 „Leute wie ich haben keinen Einfluß darauf, was die Regierung tut" Ablehnung in Prozent 1. USA (1988) 58 2. Schweiz (1991) 46 3. Australien (1987) 42 4. Niederlande (1988) 38 5. Deutschland (1989) 32 6. Österreich (1989) 24 7. Tschechien (1993) 23 8. Slowakei (1993) 22 9. Ungarn (1992) 10 10. Polen (1992) 8 118 Gesellschaftspolitischer Monitor 1993, 20. 119 Reiterer, Nation, 146. 120 Fritz Plasser / Peter A. Ulram, Zum Stand der Demokratisierung in Ost-Mitteleuropa, in: Plasser / Ulratn, Hg., Transformation oder Stagnation? Aktuelle politische Trends in Osteuropa (Schriftenreihe des Zentrums für angewandte Politikforschung Bd. 2), Wien 1993, 9-88, hier 44.
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Kontroversen und Daten
Im internationalen Vergleich bietet sich nach diesen wenigen Parametern, die wir hier im Hinblick auf kollektives (politisches) Bewußtsein heranziehen konnten, Anlaß zur Nachdenklichkeit: einerseits hohe Demokratieneigung, andererseits enorme Politikverdrossenheit, einerseits ziemlich hohe Zufriedenheit, andererseits emotionales Mißtrauen gegen die klassischen Träger demokratischer Öffentlichkeit. Mißtrauen in den Wert der eigenen Persönlichkeit, eine vergleichsweise einzigartige Hochschätzung des Nationalsozialismus - und das alles übertönt von einem stark ausgebildeten Nationalstolz. Geschichtsbewußtsein Im Rahmen der großen Österreich-Studie 1987 wurde auch das Geschichtsbild der Österreicher etwas genauer untersucht.121 Auf kurze Formeln gebracht lautet das Ergebnis: Die Epochen vor 1914 liegen im Dunkeln, mit Ausnahme der maria-theresianischen und josephinischen Periode; besonders geringes Interesse wurde für die Babenbergerzeit und für den Vormärz geäußert; die Zeit der Weltkriege, die Erste Republik, die Phase des „Anschlusses" an das nationalsozialistische Deutschland und die gesamte Geschichte der Zweiten Republik interessieren stärker. Eher verdrängt wird die Regierungsdiktatur des „Ständestaates". Es ist also, mit Ausnahme der in den kollektiven Vorstellungen der Österreicher sehr hoch rangierenden großen Periode der Herrscherin Maria Theresia (vermutlich so etwas wie eine halbmythische Mutterfigur) kein Geschichtsbewußtsein, das in die Tiefe der Zeiten hineinleuchtet. Aber auch die relativ kurze Zeit, die stärker interessiert, ist nicht sehr gut bekannt: „Nur 56% konnten die Frage nach den einander bekämpfenden Lagern im Bürgerkrieg vom Februar 1934 richtig beantworten; 25% gaben falsche, 22% gar keine Antwort. Im Falle des Dollfuß-Mordes vom Juli 1934 geben sogar nur 43% richtige, mehr als ein Drittel (32%) falsche und ein Viertel (25%) gar keine Antwort." 122
Trotz des (angeblichen?) Interesses insbesondere an der Zeitgeschichte liegen die Österreicher an einem keineswegs ehrenvollen Spitzenplatz, was die Annahme positiver Seiten des Nationalsozialismus betrifft.
121 Österreichbewußtsein 1987, 35^3. 122 Österreichbewußtsein 1987, 43; Kommentierend Stourzh, Vom Reich, 110.
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Tabelle 21: Beurteilung des Nationalsozialismus123 In Prozent glauben, der NS hatte ... nur schlechte Seiten mehr schlechte Seiten insgesamt negativ gute und schlechte Seiten mehr gute Seiten
BRD 1989 29 34 63 35 1
D-West 1990 21 36 57 41 1
D-Ost 1990 18 37 55 40 1
Österreich 1989 16 34 55 43 1
Die mit 43% ungewöhnlich verbreitete Neigung, dem Nationalsozialismus auch positive Aspekte zuzuerkennen, macht verständlich, wieso es im späten 20. Jahrhundert in einer europäischen Demokratie einem Politiker möglich ist, über positive Aussagen zum Nationalsozialismus nicht nur Abscheu, sondern auch politische Aufmerksamkeit, Resonanz und Gefolgschaft zu ernten.124 Immerhin bemüht sich die historische Forschung seit längerer Zeit, dem großen Ausmaß an Verschweigungen und Verweigerungen nachzuspüren, das diese verzerrten Bilder weiterzutransportieren hilft.125 Die Diskrepanz zwischen offizieller österreichischer Geschichtsauffassung nach 1945 (vgl. etwa die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945) und den tatsächlichen Bewußtseinslagen und Verhaltensweisen vieler Österreicher in der Zeit zwischen 1938 und 1945 ist zumindest zum Teil auf sehr simple materielle Erfolgserlebnisse (als Folge von Rüstung und Arisierungen) und auf persönliche Herrschaftserfahrungen ehemaliger Soldaten und Parteimitglieder zurückzuführen. Diese subjektiv positiv erlebten, aber nur im Zusammenhang mit ungeheuren kollektiven (nicht notwendig individuellen) Verbrechen passierten Lebensstationen durften aber nach 1945 öffentlich nicht mehr positiv beurteilt werden.126 Freilich befindet sich auch dieses Geschichtsbewußtsein durchaus im Wandel. Vor allem die Mitglieder der jüngeren Generation verlangen eine intensivere Beschäftigung auch mit österreichischer Mittäterschaft am und im Nationalsozialismus.127 Was man sich davon erhoffen kann: 123 Plasser / Ulram, ebd., 39. 124 Vgl. Hans-Henning Scharsach, Haiders Kampf, Wien l2 1992,97 ff; Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus 21993, 378 f.. 125 Vgl. etwa Peter Malina, Erinnerung statt Entschuldigung. Für eine neue Gedächtniskultur, in: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Hg. Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 21993, 527-545; Ziegler / KannonierFinster, Österreichisches Gedächtnis. 126 Dazu vor allem Rudolf Ardelt, Der Zweite Weltkrieg und die österreichische Identität, in: März 1938. Fakten und Hintergründe = Politische Bildung 10, 1988, Heft 1, 35^43. 127 Österreichbewußtsein 1987,83: Die Ereignisse (= die Unheilsgeschichte des „Dritten Reiches") bewußt machen wollten 52% der Befragten (47% wollten lieber darüber „das Gras wachsen lassen"), aber 61% der unter 30jährigen (hier nur 35% „Verdränger").
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Kontroversen und Daten
präziseres Wissen, das zunächst einmal zur Infragestellung aller verkürzten Geschichte(n) führt und (dies vor allem) zu einer gewissen Zurückhaltung im Umgang mit anderen, zu einer leiseren politischhistorischen Sprache, die aus dem traurigen Wissen um all das Vergangene Verantwortung für die Zukunft ausstrahlt. Wir werden diesen Auseinandersetzungen um so weniger entkommen, als das intensivierte Gespräch der Völker in einem kleiner und vielleicht auch einiger werdenden Europa viel zu intensiv und viel zu genau geführt werden wird, als daß man sich davon irgendwie wird absentieren können. Wie sieht es aber mit der europäischen Kommunikationsfähigkeit der Österreicher insgesamt aus? Europabewußtseinm „Das Europa-Bewußtsein der österreichischen Bevölkerung ist absolut, wie im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern überaus schwach ausgeprägt: Lediglich 21 Prozent der Österreicher verfügen zumindest über eine teilweise Identität als Europäer (d. h. fühlen sich nicht nur als Österreicher, sondern auch als Europäer). Im Unterschied etwa zur Schweiz sind dabei die generationsspezifischen Unterschiede äußerst gering; auch die junge Generation ist vor allem nationalstaatlich und nicht übernational orientiert."129
Diese Feststellung basiert auf Umfragedaten der Jahre 1991 bis 1993, die eine nur sehr langsame Entwicklung in Richtung eines übernationalen Bewußtseins zeigen. Innerhalb der zwölf Länder der europäischen Gemeinschaft erhielt inzwischen der Ethnozentrismus ein neues Gesicht. Vergleiche zwischen 1988 und 1992 haben gezeigt, daß die „anderen", also jene, die nicht als dazugehörend empfunden werden, in abnehmendem Maße in EG-Europa selbst gesehen werden.130 Freilich gibt es dabei typische Ausnahmen: So sehen die Bewohner der EG-„Randstaaten" Irland, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland die Nord- und Mitteleuropäer als die „anderen" (umgekehrt ist das nur in Luxemburg der Fall), während das Distanzbild ansonsten „Türken", „Asiaten" und „Araber" sind. Zu viele „andere" gab es nach dem Empfinden der Bevölkerung in Belgien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland - also gerade dort, wo außereuropäische „Fremde" das Distanzbild waren.
128 Plasser / Ulram, Politischer Kulturvergleich, 41. 129 Gesellschaftspolitischer Monitor 1993,41. 130 Dieter Fuchs / Jürgen Gerhards I Edeltraud Roller, Wir und die Anderen. Ethnozentrismus in den zwölf Ländern der europäischen Gemeinschaft. In: Kölner Zs. f. Soziologie und Sozialpsychologie 45, Heft 2,1993, 238-253.
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„ D i e Grenzziehung zwischen ,Wir' und ,die A n d e r e n ' erfolgt d e m n a c h weniger über die traditionellen nationalstaatlichen Frontstellungen, sondern eher über die Wahrnehmung ethnischer Minoritäten, die sich durch Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte in einer R e i h e von westeuropäischen Ländern herausgebildet h a b e n . . .' l131
Damit haben die Populationen Europas offensichtlich andere Sorgen als viele Intellektuelle (oder auch Mitglieder der regierenden Klassen), die in sehr viel stärkerem Ausmaß auf traditionelle nationale Klischees rekurrieren. Diesbezüglich am bekanntesten wurde ja das Seminar vom 24. März 1990 in Chequers, das Margaret Thatcher über die Folgen einer deutschen Wiedervereinigung einberief und das in seltsam antiquierter Form überzeitliche, kaum veränderliche Nationalcharaktere (hier: der Deutschen) zum theoretischen Ausgangspunkt nahm. 132 Sehr interessante Ergebnisse brachte eine im Herbst 1992 durchgeführte Untersuchung über die EU-Haltung von Lehrern (Oberösterreich).133 Wohl die wichtigste Aussage dieser Studie besteht im Nachweis einer positiven Korrelation zwischen österreichischer Selbstsicherheit und Europabejahung. „Personen, die für die E G sind, h a b e n . . . im Durchschnitt mehr Bereiche, auf die sie als Österreicher stolz sein können."134 Im Klartext heißt das: Österreichische Selbstsicherheit ist die sicherste Voraussetzung für die Bejahung einer europäischen Integration unter österreichischer Teilnahme. 135 Eine etwas isolationistische Haltung dürfte durchaus im Zusammenhang mit anderen außenpolitischen Haltungen zu sehen sein. Traditionell ist ja (fast überall) die Außenpolitik keines der die Menschen überaus brennend interessierenden Themen. Nach einer neueren Studie über das außenpolitische Bewußtsein der Österreicher 136 differieren deren Einschätzungen kaum von den Einschätzungen der in den Medien tätigen Experten. So sind die Österreicher überwiegend skeptisch, was die Möglichkeiten raschen Wandels im vormals sozialistischen Bereich betrifft, mit Ausnahme einiger Staa131 Ebd., 252. 132 Dazu vgl. die Zusammenfassung von Günther Heydemann, Partner oder Konkurrent? Das britische Deutschlandbild während des Wiedervereinigungsprozesses 1989-1991, in: Bosbach, Hg., Feindbilder, 1992, 201-234. 133 Hans Engleitner / Wolfgang T. Schwarz I Klaus Volker, Wie denken Lehrer über Österreich und die EG? Eine Bestandsaufnahme aus Oberösterreich. Landesschulrat f. OÖ, PI d. Bundes f. Oö, VÖI, Landesgruppe Oö., Stat. Dienst der oö. Landesreg., Linz, Jänner 1993. 134 Ebd., 19. 135 Vgl. auch unten S. 400. 136 Hanspeter Neuhold / Paul Luif, Hg., Das außenpolitische Bewußtsein der Österreicher. Aktuelle internationale Probleme im Spiegel der Meinungsforschung, Wien 1992.
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Kontroversen und Daten
ten wie der (ehemaligen) CSFR und Ungarns. Das Verhältnis zum neuen, größeren Deutschland sah eine überwältigende Mehrheit als unproblematisch an: Fast neun Zehntel begrüßten die deutsche Wiedervereinigung, kaum jemand sah darin eine Gefahr für Europa oder die Nachbarn. Das neue Deutschland ist aber eine Außengröße: 92% der Österreicher lehnten einen „Anschluß" an Deutschland ab. Das entspricht auch vielen anderen Umfrageergebnissen, nach denen man Deutschland als zunächst „verwandt" sieht, ohne daß eine Verschmelzung der beiden Staaten gewünscht wird. Die Europäischen Gemeinschaften sahen die Österreicher 1990/91 auch in Zukunft als eher losen Verein, die Weiterentwicklung in Richtung einer echten „Union" wurde kaum gesehen (ob es sich hier um Wunschdenken handelte, kann natürlich nicht überprüft werden). Eine Mitgliedschaft in der EG wurde damals mit kleiner Mehrheit als positiv gesehen. Neutralität und EG-Mitgliedschaft wären im Falle einer klaren Alternative (Mitgliedschaft nur bei Aufgabe der Neutralität) als unvereinbar zugunsten der Neutralität angesehen worden. Was die Sicht einzelner großer Staaten betrifft, so fällt vor allem die Abnahme der Sympathie gegenüber den USA auf: 1978 haben noch 58% der Befragten erklärt, Österreich solle besonders enge und gute Beziehungen zu den USA pflegen, bis 1987 sank diese Rate auf 38%.137 Wenig gesehen wurde die „dritte" Welt - eine Mehrheit vertrat die Meinung, das Ausmaß an österreichischer Entwicklungshilfe (im internationalen Vergleich bedauerlich klein) sei gerade richtig. Und drei Viertel meinten zur Frage der Aufnahme von Asylanten und Flüchtlingen, das Boot sei voll. Für österreichische Ängste vor der großen Welt kann man einiges Verständnis aufbringen: Alte, große, in sich gefestigte Nationen brauchen natürlich um ihre eigene Identität viel weniger besorgt zu sein als junge. Und Österreich ist in diesem Sinne (trotz der diversen 1000Jahr-Jubiläen) eine junge Nation, jung im Sinne des Erstmals-in-derGeschichte-allein-Dastehens: Denn das heutige Österreich war ja bis 1918 (und dann wieder 1938-1945) in größere Komplexe eingebunden. Da nun endlich, nach den Irrfahrten von 1918 bis 1945, ein akzeptiertes Alleinsein zustande kam, haben die Österreicher ebendieses als Identitätsstifter auf ihre Altäre erhoben, mitsamt der Neutralität als Symbol für diese Akzeptanz - und wollen sich nun nicht gleich wieder davon 137 Hanspeter Neuhold, Zusammenfassung, in: Neuhold I Luif, Außenpolit. Bewußtsein, 176 (Fußnote 9, Verweis auf einen Beitrag von Rudolf Bretschneider aus dem Jahre 1978, Das außenpolitische Bewußtsein des Österreichers, in: Österr. Zs. f. Außenpolitik, Sonderheft 1979, 37^18, und auf eine in der „Presse" vom 22. 7. 1987 publizierte Umfrage).
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verabschieden. Denn die europäische Integration verspricht ja (wiederum, nachdem man etwa 1918 einiges losgeworden war!) ständiges Beschäftigtsein nicht nur mit den eigenen (kleinen und größeren) Sorgen, sondern auch mit allen Zores, die der EU eigen sein werden, von Irland bis Griechenland. Und die gesamteuropäischen Sorgen um das ehedem sozialistische Europa werden uns ganz ebenso mit betreffen.
III. Mythen, Bilder, Stereotypen 1. D E R SYMBOLHAUSHALT DER ÖSTERREICHER
Im Jahre 1993 fand - unter Leitung von Karl Stuhlpfarrer - ein vom Pädagogischen Institut des Bundes für Kärnten veranstaltetes gemeinsames Fortbildungsseminar für Lehrer aus Österreich und Slowenien statt. In diesem Rahmen wurde am 23. November nachmittags die Frage nach den nationalen Symbolen diskutiert. Für die Slowenen war die Sache ziemlich einfach: Für sie konzentrieren sich diese Funktionen um den Triglav, ihren höchsten und am meisten sagenumwobenen Berg, und um den großen Nationaldichter, France Preseren Und dann vielleicht noch um einige andere, nicht so zentrale Symbolfiguren. Bei den Österreichern - fanden die slowenischen Kolleginnen und Kollegen - sähe die Sache anders aus, vielfältiger, widersprüchlicher: kaum ein Symbol, auf das sich die österreichischen Teilnehmer wirklich geeinigt hätten. Dennoch erscheinen im Spiegel der empirischen Sozialforschung einige Identifikationssymbole ziemlich unumstritten. In der Untersuchung von Reiterer et al. treten - vielleicht auch auf Grund der Fragestellung - ganz ähnliche Reihungen zutage wie bei der Frage nach dem Nationalstolz.1 An erster Stelle steht als Identifikationssymbol die landschaftliche Schönheit, gefolgt von Anerkennung durch das Ausland - freilich eher Hinweis auf ein verunsichertes Selbstbewußtsein als auf ein Symbol. An dritter Stelle folgten Mitte der 1980er Jahre die historischen Kunstschätze, an vierter Stelle die innere Konfliktfreiheit - die Sozialpartnerschaft war damit zu einem nationalen Symbol geworden. An fünfter Stelle folgten sportliche Erfolge; das war zu einer Zeit, als Annemarie Moser-Pröll und Franz Klammer aktiv waren, nicht so unglaublich wie in den Neunzigern (vielleicht wird auch Thomas Muster zu einem ähnlichen nationalen Symbol). Gegenwärtige kulturelle Leistungen - etwa Werke österreichischer Schriftsteller oder die weltweite Übertragung des Neujahrskonzertes landeten am sechsten Platz. Nicht abgefragt wurden in diesem Zusammenhang die offiziellen Staatssymbole, wie Staatsname,Wappen, Fahnen, die aber, wie der Verlauf der Diskussion um Hammer und Sichel im Staatswappen gezeigt hat, ziemlich unangefochten sind. 1 Reiterer, Nation, 116 ff.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Name und Identität Auf! Bauen wir uns eine Stadt und einen Turm, sein Haupt bis an den Himmel, und machen wir uns einen Namen, sonst werden wir zerstreut übers Antlitz der Erde!
Diese Stelle aus der Genesis (Kap. 11) beschrieb nicht den Entschluß zum Bau des Stephansturms, sondern den Turmbau zu Babel.2 In ethnogenetischen Prozessen lassen sich analoge Strukturen immer wieder beobachten: Die Stadt und der Turm sind nicht bloß Wohnplätze oder Opferstätten, sondern primär Zeichen einer eigenen, deutlich von der anderer verschiedenen Identität. Mit diesem unterscheidenden und unterscheidbaren Zeichen ist ein Name verbunden, der die Gesamtheit der Menschen dieser Gruppe ein für allemal verbindet. Namen, Symbole und Zeichen sind also primärer Ausdruck eines Gemeinschaftsgefühls. Der Name „Österreich" hat - daran werden wir 1996 oft erinnert eine tausendjährige Geschichte. Am 1. November 996 schenkte Kaiser Otto III. der Bischofskirche von Freising einen Hof und 30 Königshufen „... in regione vulgari vocabulo Ostarrtchi in marcha et in comitatu Heinrici comitis filii Liutpaldi marchionis in loco Niuuanhova dicto .. .".3 Diese Schenkung stand damals keineswegs isoliert da: Ottonen und Salier haben zahlreiche kirchliche Institutionen mit Besitzund Herrschaftsrechten ausgestattet. Der Südosten des Reiches mit den in der Karolingerzeit erworbenen und nun, nach 955 in etwas kleinerem Umfang gesicherten Landreserven bildet dabei einen deutlichen Schwerpunkt dieses „ottonisch-salischen Reichskirchensystems".4 Warum der spätere Landes- und Staatsname gerade in dieser Urkunde auftauchte, hat einen bestimmten Grund: Der Freisinger Schreiber des Hauptteiles der Urkunde nahm sich nämlich eine Urkunde vom 973, die eine Landschenkung im Gebiet von Skofja Loka in Krain (Slowe2 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 147. 3 Monumenta Germaniae Histórica, Diplomata II/2, Die Urkunden Ottos III., hg. v. Theodor Sickel, Hannover 1893, nr. 232. - Die Urkunde ist abgedruckt und übersetzt in Anna M. Drabek / Gottfried Stangler / Adam Wandruszka, Bearb., Ostarrichi-Gedenkstätte (Katalog), o. J., NeuhofenrYbbs, 6 f. Es existiert auch eine schöne Faksimile-Ausgabe der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt Graz (1981). - Zum folgenden vgl. Ernst Bruckmüller, Millennium! - Millennium? Das Ostarrichi-Anniversarium und die Österreichische Länderausstellung 1996, in: ÖGL 39,1995, Heft 3,137-155. 4 Leo Santifaller, Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems. Wien 21964. Gegen den Begriff des „Reichskirchensystems" gibt es gewichtige Einwände, z. B. von Gerd Tellenbach, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert, in: B. Moeller, Hg., Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, Bd. 2, Lieferung Fl, Göttingen 1988, 57 f.
Der Symbolhaushalt der Österreicher
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nien) betraf, zum Vorbild.5 Die zentralen Teile der neuen Urkunde wurden dem Vorbild von 973 in dieser Form nachgebildet: 973
996
q u a n d a m nostrae proprietatis partem
q u a s d a m n o s t r i iuris r e s
in regione vulgari v o c a b u l o Chreine
in regione vulgari v o c a b u l o O s t a m e l i )
e t in m a r c h a e t in c o m i t a t u
in m a r c h a e t in c o m i t a t u
P a p o n i s comitis s i t a m
H e i n r i c i comitis
Der Name hat früher schon existiert, sonst hätte er nicht verwendet werden können.6 Ostarrichi bedeutete „östlich gelegener Herrschaftsbereich", auch „Ostreich", immer mit einer geographischen, aber auch politisch-herrschaftlichen Komponente. In dieser Bedeutung begegnet der Begriff bei Otfried von Weißenburg im 9. Jahrhundert (um 870) für das fränkische Ostreich.7 Solche östliche Länder werden auch als „Oriens", „orientales plagae", „orientalis regio" usw. bezeichnet. So hieß auch das karolingische Ostland, Pannonien und große Teile des alten Noricum umfassend.8 Im Volksmund hat man diesen Bereich wohl auch „daz Ostarrihhi" (der Baiern) genannt.9 Es wäre reizvoll, die in der Raffelstettener Zollordnung (904/906 n. Chr.) auftretenden „Bawari vel Sclavi istius patriae" mit den „Orientales" gleichzusetzen und in ihnen begriffliche Vorgänger der späteren „Österreicher" zu sehen, eine Neustammbildung des 9. Jahrhunderts. 10 Wie auch immer - ein direkter Beleg für den althochdeutschen Begriff fehlt uns bis 996. Seither haftet der Name an der zunächst kleinen babenbergischen Mark an der Donau, aus der das Land Österreich des 12. und 13. Jahrhunderts werden sollte. Der Name dieses im 13. Jahrhundert offenkundig wohlhabenden und bedeutenden Landes wird bald zur Bezeichnung für die hier herrschende Dynastie und ihre Besitzungen. Schon im frühen 14. Jahrhundert wurden im vorländischen Urbar die habsburgischen Besitzungen als „Gülten meiner Herrschaft von Österreich" bezeichnet.11 Das Herr-
5 Heinrich Appelt, Zur diplomatischen Beurteilung der Ostarrichi-Urkunde, Jb. f. Landeskunde v. Nö NF 42,1976,1-8, insbes. 5 f. 6 Zöllner, Österreichbegriff, 9-12. 7 Richard Müller, Der Name Österreich, BU. f. Landeskunde v. NÖ, NF 35,1901, 402-438,410. 8 Nach dem Verschwinden der älteren ethnisch bezogenen Gebietsbezeichnungen wie „Avaria", „Hunia" oder „Sclavinia", vgl. Müller; Name, 404 ff. 9 Müller, Name, 415. 10 Auf diese Stelle machte Michael Mitterauer aufmerksam in: Ständegliederung und Ländertypen, in: Herrschaftsstruktur und Ständebildung 3, Wien 1973, 117. 11 Zöllner, Österreichbegriff, 35; vgl. ferner jetzt zum Gesamtkomplex des Bedeutungswandels des Namens „Österreich" Richard G. Plaschka / Gerald Stourzh / Jan Niederkorn,
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Mythen, Bilder, Stereotypen
schergeschlecht nannte sich bald „Haus Österreich". So nannte man um 1500 auch das ganze von den Habsburgern beherrschte Gebiet. „Herrschaft zu Österreich" und „Haus Österreich" waren Staatsnamen-Substitute für das ganze erst später zum Staat zusammenwachsende Länderkonglomerat. Dieses bestand aus den oberen und unteren Landen (ganz analog wie das von Maximilian erheiratete Burgund). Das waren „Ober-" und „Niederösterreich" im alten Sinne. Das erste umfaßte Tirol und die Vorlande, die wahrscheinlich 1444 erstmals als die „oberen vorderen österreichischen lande" bezeichnet wurden, das zweite die beiden Länder an der Donau und die innerösterreichischen Gebiete. „Niederösterreich" wurde durch die Teilung von 1564 reduziert auf die beiden Donauländer (Österreich ob und unter der Enns), während Kärnten, Krain und Steiermark samt Görz und Triest als „Innerösterreich" eine stabile gemeinschaftliche Bezeichnung (und bedeutsame Ansätze zu einer eigenen Staatlichkeit) entwickelten. Ein innerösterreichisches Sonderbewußtsein kann hier schon auf die Teilungen des Spätmittelalters, insbesondere auf den Vertrag von 1411 zurückgreifen, denn schon 1446 nannte Friedrich III. die drei Länder seine „inneren Lande".12 „Ober-" bzw. „vorder-" bzw. „inner-" und „nieder-österreichische" Verwaltungsbehörden existierten bis in die Zeit Maria
Theresias.
„Österreich" wurde also von einer variablen Regional- zu einer stabilen Landesbezeichnung, später zum Dynastienamen und sekundär wiederum zur Territorialbezeichnung, sowohl für die althabsburgischen Territorien wie dann auch für die Länder der „deutschen" Habsburger insgesamt - das 18. Jahrhundert spricht von der „Monarchia Austriaca", die dem „Kaisertum Österreich" von 1804 vorausgeht. In der Spätphase der Monarchie wurden unter „Österreich" die nichtungarischen, „zisleithanischen" Länder der Habsburgermonarchie zusammengefaßt.13 Hg., Was heißt Österreich? Inhalt und Umfang des Österreichbegriffs vom 10. Jahrhundert bis heute (Archiv für österreichische Geschichte 136), Wien 1995. 12 Zöllner, Österreichbegriff, 48 ff.; ferner Friedrich Metz, Hg., Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde, Freiburg i. B. 1967; Winfried Schulze, Landesdefension und Staatsbildung. Studien zum Kriegswesen des innerösterreichischen Territorialstaates (1564-1619). Wien - Köln - Graz 1973; Gerhard Pferschy, Gemeinschaftssinn und Landesbewußtsein in der innerösterreichischen Ländergruppe, in: Plaschka / Stourzh / Niederkorn, Was heißt Österreich? 51-64; Franz Quarthai, Österreichs Verankerung im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Historische Bedeutung der österreichischen Vorlande, in: Plaschka / Stourzh / Niederkorn, Was heißt Österreich? 109-134. 13 Zöllner, Österreichbegriff, 63 ff.; Gerald Stourzh, Was heißt Österreich? in: Wiener Journal, Nr. 144, September 1992, 22-26; Ernst Bruckmüller, Österreichbegriff und Österreichbewußtsein in der franzisko-josephinischen Epoche, in: Plaschka / Stourzh / Niederkorn, Was heißt Österreich? 255-288.
D e r Symbolhaushalt der Österreicher
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Dementsprechend waren auch die „Österreicher" bis 1918 historisch nach- oder nebeneinander a) Bewohner Ober- und Niederösterreichs, b) Bewohner der althabsburgischen Länder zwischen Rhein und Leitha, c) Untertanen der Habsburger bzw. Angehörige des österreichischen Kaiserstaates und d) die Staatsbürger der „zisleithanischen" Reichshälfte der Monarchie. Seit 1147 (die älteren Belege sind fragwürdig) wird übrigens in lateinischen, offiziellen Beurkundungen der österreichischen Markgrafen bzw. Herzöge stets „Austria" für das stark vergrößerte und inzwischen zu einem „Land" gewordene Gebiet gebraucht. 14 Damit war das heutige internationale Kennzeichen sowie die lateinische und englische Form für „Österreich" gefunden - anschließend an fränkische Formen, die wiederum ein östliches Herrschaftsgebiet bezeichnet haben.15 Als 1918 die Republik gegründet wurde, hat man die Namensfrage leidenschaftlich debattiert. 16 Dabei trat eine in manchen Fällen überaus heftige Abneigung gegen den Namen „Österreich" zutage. Karl Kraus schrieb im Jänner 1919 jenen „Nachruf" auf das alte Österreich, den er damit einleitete, daß „... durch die Nacht der Nächte, in der wir hungernd und frierend, vom Schicksal als Deutsch-Österreicher gezeichnet, gebeugt von dem Fluch, Wiener zu sein ..." immerhin ein „trost- und hoffnungsspendender Stern" leuchte, nämlich „... nicht mehr Österreicher zu sein!"17 Diese Ablehnung des Namens Österreich teilte Kraus damals mit nicht wenigen Leuten, vor allem mit führenden Sozialdemokraten, wie Otto Bauer. In der „Österreichischen Revolution" schrieb dieser vom „verhaßten Namen", den der „Imperialismus" im Friedensvertrag von St.-Germain den Österreichern aufgezwungen hätte. 18 Gerald Stourzh sieht in diesen Ablehnungshaltungen eine „tiefe Krise des österreichischen Selbstverständnisses", eine „radikale Identitätskrise".19 Aus dieser Krise sollte die Schule die breiten - von der Anschlußbegeisterung noch unberührten - Massen heraus und hinein in die deutsche Nation führen: „EntÖsterreichern wir die Schule",
14 Zöllner, Österreichbegriff, 18 f. Das ist ein Rückgriff auf das fränkische, latinisierte „Austria"; Müller, Name, 422. 15 Zöllner, Österreichbegriff, 18. 16 Gerald Stourzh, Erschütterung und Konsolidierung des Österreichbewußtseins - vom Zusammenbruch der Monarchie zur Zweiten Republik, in: Plaschka I Stourzh / Niederkorn, Was heißt Österreich? 289-311. 17 Karl Kraus, Nachruf, 25.1.1919, hier zitiert nach K. Kraus, Ausgewählte Werke Bd. 2 („In dieser großen Zeit"), hg. v. Dietrich Simon gem. m. Kurt Krolop und Roland Links, München 1977,161-153, hier 162. 18 Stourzh, Was heißt Österreich? in: Wiener Journal, Nr. 144, September 1992,22-26, hier 23. 19 Stourzh, Vom Reich, 76.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
schrieb Karl Leuthner, führender Sozialdemokrat. 20 Und Otto Glöckel 1930: „Die Schule hat die Aufgabe, aus unserer Jugend aufrechte, freie, ihres Volkstums bewußte Menschen zu machen, die nicht mehr unter dem uns heute noch beugenden Zwang den Weg in die deutsche Heimat finden..."; es sei Aufgabe des Geschichtsunterrrichts, „die unauslöschliche Schicksalsgemeinschaft aufzuzeigen und sie den Kindern einzupflanzen"; „... die Jugend muß sich vor den Geistesfürsten des deutschen Volkes beugen lernen .. ,"21 Die Erste Republik trat also mit demselben Programm der „Entösterreicherung" an wie die übrigen Nachfolgestaaten !22 Demgegenüber ist das Wiederauftauchen Österreichs - als alt-neuer Kontinent - 1945 im wesentlichen ohne solche Ablehnung geschehen. Nicht wenige Menschen haben in den nun wieder gebrauchten Namen, Institutionen, Emblemen und Symbolen eine verlorene und wiedergefundene Heimat erlebt. 23 Heute ist die Zustimmung zum Namen Österreich allgemein unproblematisch. Etwas von jener Problematisierung des Namens mag freilich in den großen literarischen Ablehnungsgesten weiterschwingen, die nicht unbedeutende Schriftsteller besonders seit den 1970er Jahren gegenüber „Österreich" kultivieren. Landschaften und Baulichkeiten Die verschiedenen Umfragen der letzten 15 Jahre zeigen eine große Stabilität gerade dieses Symbolkomplexes. Die Landschaft ist auch als Symbol für die einzelnen Länder von großer Bedeutung. Nicht zu Unrecht beginnt daher auch die Serie der Anrufungen von Attributen Österreichs in der Bundeshymne mit „Land der Berge". Es ist allerdings kein einzelner Berg, wie etwa das Matterhorn, der Symbolwert hat, sondern das - gebirgige - Land ganz allgemein. Gefolgt wird dieses landschaftliche Zentralsymbol vom „Land am Strome". Daß die Donau weder schön noch - im Normalfalle - blau ist, brauchen wir nicht weiter zu erörtern. Aber unzweifelhaft ist der Walzer „An der schönen blauen Donau" von Johann Strauß eines jener Musikstücke, mit denen Österreich - und insbesondere Wien - in besonderer Weise identifiziert wer20 Nach Heer, Kampf, 341. 21 Heer, Kampf, 350. 22 Emil Brix, Die „Entösterreicherung" Böhmens. Prozesse der Entfremdung von Tschechen, Deutschböhmen und Österreichern. In: Österr. Osthefte 1992,6-12. Einige Literaturhinweise zur „Entösterreicherung" in der jungen Tschechoslowakei bei Jiri Kofalka, Tschechen im Habsburgerreich und in Europa (Schriftenreihe des Österr. Ost- und Südosteuropa-Instituts 18) Wien - München 1991, 36. 23 Stourzh, Vom Reich, 49 f.
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den. Das alljährliche Neujahrskonzert mit seinem weltweiten Publikum erneuert und verstärkt diesen Symbolcharakter immer wieder. Mit dem Bild des Großen Musikvereinssaales wird in allen Ländern der Welt, wo die entsprechenden Umfragen durchgeführt wurden, Österreich assoziiert - hier verlassen wir freilich schon das Feld der Selbstidentifikation und nehmen bereits ein Fremdbild, ein dominierendes Klischee von und über Österreich vorweg.24 In einer Phase schwerer österreichischer Selbstzweifel, während der Ersten Republik, wurde der Wert von Naturschönheiten und Kulturgütern entdeckt.25 Der Fremdenverkehr sollte als eine der möglichen Einnahmequellen des jungen Kleinstaates angekurbelt werden. „Österreich braucht kein Aschenbrödeldasein zu führen ... es hat noch so viele Schätze, daß es einem freienden Königssohn eine wertvolle Morgengabe bringen kann", heißt es in einem Jahrbuch der Verkehrswerbung von 1930.26 Der Bau der Wiener Höhenstraße und der Großglockner-Hochalpenstraße in den 1930er Jahren machte die gepriesenen Panoramen den automobilen Benützern zugänglich - und schuf neue Symbole.27 Der Symbolgehalt der Landschaft scheint tatsächlich in dem Maße gewachsen zu sein, wie ihr Wert von anderen Menschen als den Einheimischen geschätzt wurde. Mit der steigenden Aufmerksamkeit, die der urbanisierte Mensch der „Landschaft" widmete, stieg ihre Eignung als Identifikationssymbol. Das „österreichische" Landschaftspanorama schlechthin war im 19. Jahrhundert der Blick vom Leopoldsberg auf Wien und über die Ebene bis zu den Karpaten. Franz Grillparzer hat sein eigenes Schaffen aufs engste damit verbunden: „Hast du vom Kahlenberg das Land dir rings besehen so wirst du was ich schrieb und wer ich bin verstehn."
Später kam die Umgebung von Ischl dazu, die man besonders mit dem Kaiser oder anderen Mitgliedern des Kaiserhauses verbinden konnte. 24 Günter Schweiger, Österreichs Image in der Welt. Ein weltweiter Vergleich mit Deutschland und der Schweiz. Wien 1992, 30 f. 25 Ernst Hanisch verweist auf das von Eduard Stepan herausgegebene Buch „Neu-Österreich" (1923), in dem die Schönheit des Landes und der Glanz der alten Kultur identitätsspendend wirken sollen. Ernst Hanisch, Politische Symbole und Gedächtnisorte, in: E. Tdlos / H. Dachs / E. Hanisch / A . Staudinger, Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933, Wien 1995, 421-430, hier 425. 26 Das schöne Österreich. Illustrierte Jahrbücher der Verkehrswerbung. Wirtschaft und Denkmalpflege, hg. v. V. O. Ludwig, I. Jahrgang 1930, XV. 27 Georg Rigele, Die Wiener Höhenstraße. Autos, Landschaft und Politik in den dreißiger Jahren, Wien 1993; ders., Die Großglockner-Hochalpenstraße und die Wiener Höhenstraße, Geisteswiss. Diss. (Ms.) Wien 1993.
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Mit dem Ende der Monarchie verlor die Umgebung von Bad Ischl diese Bedeutung, nun wurde das Landschaftsensemble Großglockner - Pasterze, später angereichert um die Hochalpenstraße und Kaprun, zum zentralen geographischen Identifikationsbereich. Politisch wurde der Großglockner in der demokratischen Phase der Ersten Republik als höchster Gipfel der „deutschen Heimat" interpretiert. Ab 1933 änderte sich das. „Ihrer deutschtümelnden E l e m e n t e und der katholischen Reichsromantik entledigt, dienten die n e u e n österreichischen Landschaften d e s Ständestaates nach 1945 als wirksame Identifikationskerne für das staatliche Selbstverständnis der Z w e i t e n Republik." 2 8
In der Umfrage von 1987 wurde deutlich, daß „Landschaft" als verhältnismäßig stabiles Symbol noch an Bedeutung gewinnt, wenn andere Symbolfelder, wie Sport oder Politik, an Symbolgehalt einbüßen. Die Identifikation mit hervorragenden Punkten im geographischen Erscheinungsbild hat sicher sehr alte Wurzeln. Schon früh hat man in auffälligen Bergen Götter - oder Götterwohnungen - gesehen, so etwa im slowenischen Triglav, vielleicht auch im niederösterreichischen „Ötscher" (slow, oce - Vater). Flüsse, Städte und andere bemerkenswerte Punkte hatten ihre eigenen Götter. Man spricht ja heute noch vom „Genius loci", der, wenngleich in völlig verdünnter Form, diese Zuordnungen weiterträgt. Dieser identifikationsbildende Genius tritt in abgewandelter Form in Erscheinung, wenn man bestimmte Länder, Städte oder Gebäude betrachtet. Nach einer im Frühjahr 1993 durchgeführten Untersuchung 29 sind Landschaft, Klima und Natur auch für die einzelnen Bundesländer die wichtigsten Symbole (mehr darüber im Kapitel „Länder und Landesbewußtsein"). Dabei war der Stephansdom bundesweit das wichtigste einzeln identifizierte Landessymbol (10% ).30 Nach einer SWSStudie, die im Frühjahr 1994 veranstaltet wurde, waren übrigens der Stephansdom, der Sport und das Essen große Identitätsstifter.31 Wir werden daher in der Annahme nicht fehlgehen, daß der Stephansdom 28 Rigele, Großglockner-Hochalpenstraße, 35 29 „Symbole für Österreich", April/Mai 1993, Integral. Markt- und Meinungsforschungsges. m. b. H., N = 1010 30 Die Presse, 13. Juli 1995,7: Erzbischof-Koadjutor Christoph Schönborn und Bürgermeister Michael Häupl waren sich am Mittwoch (12. Juli) bei einer Pressekonferenz so einig wie schon Kardinal Groer und Helmut Zilk: Für den Dom, der „für Wien und ganz Österreich identitätsstiftend ist", müssen weitere Wege zur Aufbringung von Mitteln gefunden werden..." 31 Die Presse, 17. Mai 1994, 9.
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bedeutendste einzelne als Symbol wirkende Bauwerk Österreichs ist immer noch wirken, auch in einer säkularisierten Gesellschaft, alte Sakralgebäude identitätsstiftend. Oder anders ausgedrückt: Österreich erlebte einen nur unvollkommenen „Transfer des Sakralen". Wir werden daher die „heiligen Orten" speziell ins Blickfeld rücken müssen. Die „heiligen Orte" der kulturellen Identität - Kirchen, Begräbnisstätten, Hauptstädte, Denkmäler Identität sozialer Gruppen erscheint in örtlich stabilen Symbolbereichen konzentriert. Wie mit der „Familie" das „Haus" zusammenhängt, und hier wieder der Kernbereich des Hauses, der Herd bzw. der Hausaltar der Laren, so mit der Adelsfamilie die Burg, der heilige Hain, oder der zentrale Tempel bzw. Tempelbezirk mit der Identität eines Stammes bzw. einer staatlich-politischen Einheit.32 Das kann soweit gehen, daß der Name einer ethnischen Gruppe mit dem Namen eines neuen Zentralortes wechselt: Von den Ubiern berichtete Tacitus (Annalen, Kap. 28), daß sie sich nach der Gründung der Colonia Claudia Agrippinensis als „Agrippinenses" bezeichneten.33 Im Bereich des heutigen Österreich können wir mehrere Schichten von solchen „heiligen Orten" feststellen. Wahrscheinlich war das Heiligtum auf dem Magdalensberg ein Kultzentrum für jene keltischen Stämme, die sich selber als „Noriker" verstanden. Die nicht nur reale, sondern vor allem auch symbolische Bedeutung dieses Zentrums ging im Frühmittelalter auf die Karnburg, wo sich auch der berühmte Fürstenstein befand, und auf Maria Saal über, was eine Trennung von politisch-gesellschaftlicher und religiöser Zentralität als Folge der Christianisierung andeutet. Nun lockerte sich die Verklammerung von religiöser 32 „Der Paläontologe André Leroi-Gourhan hebt hervor, daß schon die frühesten dauerhaften Behausungen vor etwa 40.000 Jahren für ihre Erbauer zugleich mit den Funktionen von Schutz und Lagerung die Aufgaben einer räumlich vergegenständlichten sozialen Ordnung und einer Orientierung zu erfüllen hatten. Gerade darin ist das Haus oder die Herdstelle heilig. Das Heilige ist ein Prinzip ohne Grenzen, wie es an Orte gebunden ist." Rudolf zur Lippe, Das Heilige und der Raum, in: Dietmar Kamper / Christoph Wolf, Hg., Das Heilige. Seine Spur in der Moderne, Frankfurt 1987, 413^127, hier 415. Ferner Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, insbes. IV. Kapitel, 127-156; Otto Friedrich Bollnow, Mensch und Raum, Stuttgart 61990. - Schon Georg Simmel hat 1922 von einem „Drehpunkt soziologischer Beziehungen" gesprochen und das „Haus der Gemeinschaft" als den „räumlichen Ausdruck ihrer soziologischen Energien" bezeichnet (Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, München - Leipzig, 21922, 519). Ebenso wie in Wappen, Fahnen oder Embleme werden auch in zentrale Orte „Gruppenkräfte" hineinprojiziert (Emile Durkheim, Les formes élémentaires de la vie religieuse, Paris 71925). 33 Michael Mitterauer, Das Problem der zentralen Orte als Forschungsaufgabe, in: Ders., Markt und Stadt im Mittelalter, Stuttgart 1980, 22-51, hier insbes. 34.
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Vorstellung und politisch-ethnischem Bewußtsein. Der Bischofssitz mußte nicht mehr, wie in der Antike, als Zentrum eines „civitas"-Gebietes lokaler Bezugspunkt des politischen Identitätsbewußtseins sein. Salzburg, das in der frühbairischen Zeit ein in jeder Hinsicht wesentliches Zentrum war, behielt bis Joseph II. zwar seine religiöse Zentralität, verlor aber seine Strahlkraft als eines der politisches Zentren der Baiern. Es wurde aber später zum Zentrum des im 14. Jahrhundert faßbaren Landes Salzburg und damit auch des Salzburger Landesbewußtseins.34 Die Auflösung der frühmittelalterlichen Stammesgemeinschaften der Baiern und der Karantaner ermöglichte die Ausbildung neuer, kleinerer, aber stabilerer und letztlich sehr langlebiger Gemeinschaften der Länder, weitgehend identisch mit den heutigen Bundesländern. Drei der neuen Länder des Spätmittelalters tragen einen zentralen Burgort im Namen: Tirol, Salzburg und Steiermark. In allen drei Fällen hat sich der Landesname an einer Burg oder Burgstadt (Steyr) orientiert, die einem Dynastengeschlecht bzw. einer Bischofsherrschaft als namengebender bzw. zentraler Sitz diente.35 Otakare, Babenberger, Görzer und Habsburger haben als Fürsten dieser neuen Länder neue politisch-religiös bedeutsame Stätten gestiftet und gefördert. Meinhard II. von Görz gründete das Zisterzienserkloster Stams als Grablege für sein Geschlecht und ließ dorthin auch die Gebeine seiner tirolischen Vorfahren von Schloß Tirol übertragen. 36 Stams hatte sicher für Tirol eine analoge symbolische Bedeutung wie Melk oder Klosterneuburg für das Land Österreich. - Die steirischen Otakare wiederum gründeten oder begünstigten eine ganze Reihe von Klöstern, so Garsten, Gleink, Vorau (1163), Seitz / Zice. Erhöhte Bedeutung erlangte Seckau, das auch unter den Habsburgern als Grablege benützt wurde - Erzherzog Karl II. von Innerösterreich liegt hier begraben, sein Mausoleum ist eines der wichtigsten und schönsten Renaissancedenkmäler der Alpenländer. Auch hier hat schließlich eine schon im 12. Jahrhundert rasch gewachsene Stadt, die spätere Hauptstadt Graz, alle anderen weltlichen und religiösen Zentren an Bedeutung übertroffen, wurde zuletzt auch Bischofssitz und Grablege.37 34 Heinz Dopsch, 650 Jahre „Land" Salzburg. Vom Werden eines Landes, ÖGL 36, 1992, 255-276. 35 Zur Typologie der Länder nach ihren Namen vgl. Michael Mitterauer, Ständegliederung und Ländertypen, in: Herrschaftsstruktur und Ständebildung 3, Wien 1973,115 ff., hier 117. 36 Meinhard II. stiftete die Zisterze gemeinsam mit seiner Gattin Elisabeth,Witwe Konrads IV. von Hohenstaufen 1272 ff. Vgl. Handb. d. histor. Stätten Österr. Alpenländer, 483; Eines Fürsten Traum, Ausstellungskatalog Stams - Schloß Tirol (Innsbruck - Dorf Tirol) 1995. 37 Karl Spreitzhofer, Die Union von 1192 und die „Mitgift" der Steiermark. In: O. Pickl, Hg., 800 Jahre Steiermark und Österreich 1192-1992, Graz 1992, 43-60, hier 44.
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Eine neue Schicht von nicht nur symbolischen zentralen Orten entstand also mit den Landeshauptstädten. Die meisten von ihnen Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg, zeitweilig auch Linz - waren ständig oder vorübergehend Residenzen, regelmäßig und dauernd jedoch Sitz der Landstände. Diese konzentrierten hier seit dem 16. Jahrhundert ihre jeweils eigene Verwaltung. Dazu dienten die Landhäuser. Durch die im Bau und in seiner künstlerischen Ausschmückung verwendeten Symbolik und durch die hier gelagerten Archive wurden sie zu Zentralorten des kulturellen Gedächtnisses, des Selbstbewußtseins der Länder, bis 1848, ja bis zum heutigen Tag. In der Thematik der künstlerischen Gestaltung nahm man in Klagenfurt sehr bewußt auf die Herzogseinsetzung Bezug, in Tirol auf die Flüsse und Landschaften sowie Regenten Tirols, in Graz auf die Segnungen des Friedens. Hingegen zeigt das niederösterreichische Landhaus im Deckengemälde Antonio Beduzzis eine „Austria", deren Glanz die ganze Erde überstrahlt das Land Österreich präsentiert sich als Kernland, als namengebendes Land für die (theoretisch) weltweit herrschende Dynastie des Hauses Österreich.38 Damit nimmt das niederösterreichische Landhaus seinen Platz nicht in Opposition zum Herrscherhaus und seinen allenfalls zentralisierenden Tendenzen ein, sondern im vollem Einverständnis mit jenem. Denn das niederösterreichische Landhaus steht in Wien, und es ist das ständische Zentrum jenes Landes, das der Dynastie (und über die Dynastie wiederum weiteren Räumen) den Namen gab. Sakrale Zentralität kam freilich nicht nur den alten Bischofssitzen und Orten besonderer Heiligenverehrung sowie den Grablegen der Herrschergeschlechter zu, sondern auch bestimmten Wallfahrtsorten. Zweifellos der berühmteste von allen wurde Mariazell. Bereits im Spätmittelalter entwickelte Mariazell eine weit über die Steiermark hinausreichende Attraktivität. Markgraf Heinrich von Mähren und König Ludwig von Ungarn haben Mariazell schon im 14. Jahrhundert als Wallfahrtsziel gewählt. An diese überregionale Bedeutung konnte man in der Gegenreformation anknüpfen. Gerade durch diesen auch in die Nachbarschaft ausstrahlenden Ruf als Gnadenort konnte die „Pietas Mariana" der Habsburger des 17. Jahrhunderts Mariazell zum wichtigsten ihrer erbländischen Wallfahrtsorte erküren. Erst der Josephinismus hat diese Rolle beeinträchtigt, wenngleich es bis zum Ende der Monarchie, ja bis zum heutigen Tag Pilger und Besucher nicht 38 Vgl. Rupert Feuchtmüller, Das niederösterreichische Landhaus. Ein kunsthistorisches Denkmal 1513-1850. Wien 1949, 24 ff.
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nur aus Österreich, sondern auch aus den nördlichen, östlichen und südöstlichen Nachbarländern anzieht.39 In der Mark Österreich dürfte zuerst Melk die wichtigste Hauptburg gewesen sein. Wahrscheinlich im 11. Jahrhundert entstand hier, am Grab des hier 1014 bestatteten hl. Koloman, den man später als Landespatron verehrte, und an der Begräbnisstätte für mindestens zwei Babenberger Markgrafen, ein Kanonikerstift, dem 1089 das Benediktinerkloster folgte.40 Der als eigentlicher Stifter von Melk angesehene Leopold III. (der Heilige) rief jedoch schon das Chorherrenstift Klosterneuburg ins Leben, das als Stätte der Verehrung des Landespatrons Melk ablösen sollte. 1485 wurde Leopold III. heiliggesprochen, im 17. Jahrhundert offiziell zum Landespatron bestimmt.41 Doch es blieb nicht bei Klosterneuburg. Heinrich II. Jasomirgott gründete das Schottenstift (1155), wohl auch als neue Grablege der Herrscherfamilie, in der zweifellos damals schon wichtigsten Siedlung seines Landes, in Wien. Nun entstand auch die neue Burg, „Am Hof". Schon wurde mit dem Bau der Stephanskirche begonnen, noch außerhalb der ältesten Stadtmauern. 42 Wien begann damit verschiedene geistliche und weltliche zentrale Orte des Landes Österreich abzulösen. Um 1200 hatte Wien nach der Einwohnerzahl Regensburg bereits überflügelt. Herzog Leopold VI. konnte sich bei seinen Bemühungen um die Errichtung eines Landesbistums auf diese Größe - Wien war nach Köln die zweitgrößte Stadt im Reich nördlich der Alpen - berufen. Um 1220 erreichte Wiens Mauerring jenen Umfang, den die Stadt dann bis ins 19. Jahrhundert beibehalten sollte. Mit St. Stephan entstand ein neuer „heiliger Ort", der dazu bestimmt war, dem österreichischen Landesbewußtsein, aber auch dem Selbstbewußtsein der Dynastie eine sakrale Fundierung zu verleihen. Das zeigen nicht nur die großartigen Dimensionen, die hervorragende künstlerische Ausgestaltung und die Tatsache, daß der Dom von 39 Anna Coreth, Pietas Austriaca. Österreichische Frömmigkeit im Barock. Wien 21982, 59 f. 40 Dazu vgl. Karl Lechner, Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Österreich 9761246 (Veröff. d. Inst. f. österr. Geschichtsforschung XXIII), Wien 31985, 63 f. Zu Koloman jetzt Meta Niederkorn-Bruck, Der heilige Koloman. Der erste Patron Niederösterreichs (Schriften des Inst. f. Landeskunde von Niederösterreich 16), Wien 1992. 41 Dazu Floridus Röhrig, Leopold III., der Heilige. Markgraf von Österreich, Wien - München 1985. 42 Zur Entwicklung Wiens zusammenfassend Lechner, Babenberger, Kap. 15: Wien - Das Werden einer Fürstenresidenz, ebd. 241-251. - Über Wien als Zentralort österreichischer Identität habe ich in meinem Aufsatz „Wien und die österreichische Identität" geschrieben in: Erhard Busek, Hg., Von den Hauptstädtern und den Hintersassen. Wien als Bundeshauptstadt, Wien 1987,19-36.
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St. Stephan auch als Grablege gedacht war (Rudolfs- und FriedrichsGrab). Ein unscheinbares, aber wichtiges Zeugnis für die bewußte Verbindung des neuen Domes mit der alten „politischen Religiosität" des Landes Österreich ist die Aufnahme des Kolomans-Steines in den Bau, jenes Steines, über den angeblich das Blut des ersten Landesheiligen geflossen war; die große Verehrung des Steines ist daran zu erkennen, daß er völlig abgegriffen ist.43 Durch die Universität (1363) und das Bistum (1460) wurde Wien weiter aufgewertet. Rudolf IV. hat der Stadt Wien, die „... ein haubt ist aller unsrer lannd und herschefft ...", bereits überregionale, über ein Land hinausreichende Zentralität zugeschrieben. 44 Nachdem Maximilian /., für dessen weit ausgreifenden Pläne Innsbruck wesentlich zentraler lag, und Ferdinand /. nicht regelmäßig in Wien hofgehalten haben, wurde Wien erst unter Kaiser Matthias zur dauernden Residenz, nun auch zum Ort der dauernden Grablege der Habsburger. Die Hofburg in Wien wurde das zentrale „Haus" des Hauses Österreich. Wolfgang Schmeltzl über die Hofburg in Wien: „Hier khumb wir zu der Burgk geleich: D a s ist das hauß von Osterreich, Im welchem kunigklich Majestat, Sambt irem G m a h e l Wonung hat." 45
Wie für jedes Adelshaus, so war auch und erst recht für das fürstliche Geschlecht der Habsburger eine zentrale Burg ideeller und realer Bezugspunkt. In den diversen Teilungsverträgen des Spätmittelalters 43 Zu St. Stephan gibt es eine reichhaltige, aber interessanterweise wenig neuere Literatur. Neben Marlene Zykan, Der Stephansdom, Wien 1981, ist immer noch am informativsten Hans Tietze, Geschichte und Beschreibung des Stephansdomes in Wien = Österr. Kunsttopographie 23, Wien 1931. Kurz und informativ Susanne Claudine Pils, Das Herz der Stadt. Die Stephanskirche und das Domviertel = Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 3, 1995 (Kleinausstellung des Wiener Stadt- und Landesarchivs). Zur Funktion St. Stephans als „Landesmuseum" (durch Kolomansstein, aber auch Neidhartsgrab) vgl. Lholsky, Historiographie, 37. Es steht dies alles im Zusammenhang mit der eifrigen Aufwertung Wiens durch Herzog Rudolf den Stifter, der hier wiederum seinen Schwiegervater Karl IV. nachahmte. Karl seinerseits stand ganz unter dem Eindruck seiner in Frankreich gemachten Beobachtungen, er versuchte analog zu St. Denis oder Reims den Veitsdom als zentralen heiligen Ort zu konzipieren, indem er hier die Begräbnisstätten der böhmischen Könige konzentrierte; die Burg auf dem Hradschin sollte analog zum Louvre wirken. Natürlich spielten Reliquien dabei eine große Rolle (Ste. Chapelle in Paris!). Analog dazu dann das ebenfalls von Karl IV. geförderte und mit Reliquien bedachte Aachen, Prag, auch Wien (St. Stephan, Apostelchor) usw. 44 In einer Urkunde von 1361, jüngster Druck von Peter Csendes, Die Rechtsquellen der Stadt Wien (FRA III/9), Wien - Köln - Graz 1986, 134, Nr. 26. Auf diese Stelle hat schon Georg Wagner mehrfach aufmerksam gemacht. 45 Lobspruch der Stadt Wien 1548, zitiert nach Wagner, Österreich, 223.
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wurden die wichtigsten Teile der Wiener Hofburg als gemeinsamer Besitz deklariert.46 Im höfischen Absolutismus wurde die sakrale Zentralität Wiens noch einmal gesteigert. Die wahrhaft imperiale Architektur der Karlskirche von Johann Bernhard Fischer von Erlach zeugt von dieser Bemühung ebenso wie ihre Einweihung durch einen ungarischen Bischof. Außerdem durften sich die Stände aller habsburgischen Länder mit großzügigen Spenden an der ganzen Sache beteiligen.47 Eine großartige imperiale Prägung erhielt Wien schließlich im Neubau der Ringstraße. Die Votivkirche widerspiegelt einen letzten Versuch, eine Art geistliches Reichsheiligtum zu schaffen.48 Schließlich sollte das Kaiserforum, quer zur Ringstraße die Hofburg mit den Hofstallungen verbindend, eingefaßt von zwei neuen Flügeln der Burg und den Hofmuseen, den neuen und prunkvollen Aufstellungsorten der berühmten kaiserlichen Sammlungen, einen würdigen Rahmen für die Denkmäler dreier für die Geschichte der Monarchie zentraler Persönlichkeiten bieten. Was davon fertig wurde, ist eindrucksvoll genug. Aber damit war der imperiale Gestus im wesentlichen erschöpft 49 Zentrale Gründungsorte der Republik Österreich sind das Parlament - Ausrufung der Republik am 12. November 1918 - , aber auch, was oft übersehen wird, das niederösterreichische Landhaus: Denn hier trafen sich am 21. Oktober 1918 die deutschösterreichischen Abgeordneten des Reichsrates als provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs. Und hier traten im September und Oktober 1945 jene Länderkonferenzen zusammen, die faktisch erst die Zweite Republik begründeten.50 Aber das Landhaus wurde nicht zum Symbol der Ersten Republik. 46 So im Vertrag Friedrichs III. mit seinem Bruder Albrecht VI. von 1458: Hier wurden zahlreiche Räume auf beide Herren aufgeteilt, gemeinsam sollte aber die Schatzkammer und das Archiv („die zwen Sagrer, ainer vnden an die Kappeln, darjnn die Klainet, der ander Sagrär ober darauf, darin die brieve liegent.. .") sein, also jene Räume, die das gemeinsame historische und das gemeinsame kulturelle Gedächtnis beherbergen, vgl. Kunsthistorisches Museum, Führer Weltliche und Geistliche Schatzkammer, 1987,11. 47 Hermann Ignaz Bidermann, Geschichte der österreichischen Gesammt-Staats-Idee 15261804,1. Abtheilung 1526-1705. Nachdruck 1972 der Ausgabe von 1867, 360 f. 48 Übrigens knüpft daran auch der Versuch an, die Votivkirche zu einem Ort des Gedenkens der österreichischen Nazi-Opfer zu machen. Unter den zahlreichen künstlerisch gestalteten Fenstern fallen ein KZ-Fenster und ein Franz-/ägmiätter-Fenster auf. 49 Zur Ringstraße vgl. vor allem Renate Wagner-Rieger, Die Wiener Ringstraße - Bild einer Epoche - zehn eindrucksvolle Bände. 50 Zum Landhaus immer noch am besten Feuchtmüller, Landhaus. Zu den Länderkonferenzen Silvia Petrin / Willibald Rosner, Hg., Die Länderkonferenzen 1945 (Schriften des Inst, f. Landeskunde von Niederösterreich, Sonderband 1995), Wien 1995.
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Vielleicht das Republik-Denkmal? 1928 errichtet, feiert es nicht die Republik, sondern nur die (inzwischen verstorbenen) sozialdemokratischen Führer Jakob Reumann, Viktor Adler und Ferdinand Hanusch. Es symbolisiert also eher die Spaltung der Gesellschaft als nationale Gemeinschaft.51 Wiener Gemeindebauten entwickelten für die Sozialdemokraten eine grandiose Symbolik für „ihre" neue Zeit, den Gegnern galten sie als Festungen des Bolschewismus. Wir haben es also mit dem bemerkenswerten Phänomen zu tun, daß verbindliche neue (profane, aber) sakralisierte Zentralbauten in der Republik zunächst nicht entstanden. Erst die Zweite Republik hat mit den diversen Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus versucht, solche Gedächtnisorte zu errichten: im Äußeren Burgtor in Wien, durch das Befreiungsdenkmal in Innsbruck, den Gedenkstein auf dem Morzinplatz, die Gedenkstätte im Landesgericht und im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. Am wenigsten bekannt ist das Republik-Denkmal im Schweizer Garten unweit von Belvedere und Südbahnhof, vom letzteren her infolge einer dichten Nadelholzhecke glatt unsichtbar.52 Die Umfrage von 1980 enthielt unter anderem auch die Fragestellung, welches Bundesland die österreichische Eigenart am stärksten verkörpere. Dabei lag nun Wien mit 30% aller Nennungen weit vor Tirol (14%) und Niederösterreich (9%). Vor allem die Jugend und die Bildungsschicht identifizierten damals Österreich mit Wien.53 Dieses Ergebnis kann nicht auf einen erhöhten Lokalstolz der Wiener zurückgeführt werden, da nach derselben Umfrage ein solcher gerade in Wien unterentwickelt ist.54 Wien verlor 1918 seine zentralen Funktionen für das Gebiet der Habsburgermonarchie, 1938 auch die für das Gebiet der Republik. Wien ist heute selbst Peripherie innerhalb Österreichs und des entstehenden EU-Europa geworden: Von zwei Millionen Einwohnern 1910 bleiben 1,5 Millionen übrig. Die dennoch verbliebene emotionale Zentralfunktion für das neue Österreich nach 1945 äußert sich beispielsweise in der Mithilfe der österreichischen Bundesländer am Wiederaufbau des Domes von St. Stephan. Und, eben, in Umfrageergebnissen. 51 Hanisch, Politische Symbole, 422 f. 52 Peter Diem geht in seinem Buch Symbole Österreichs, Wien 1995, auf die Denkmäler der Republik ein (206 ff.). 53 Österreichbewußtsein 1980, 32. 54 Sowohl aus der Umfrage von 1980 wie jener von 1987 ist zu erkennen, daß den Wienern ein geringerer Regionalpatriotismus eignet als den Bewohnern der anderen Bundesländer (Niederösterreich ausgenommen). Demgegenüber waren die Wiener sehr stark „Österreicher", darin übertroffen nur von den Niederösterreichern, aber natürlich auch überdurchschnittlich „Europäer" oder „Weltbürger". Vgl. Österreichbewußtsein 1987.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Hymnen, Wappen, Fahnen,
Nationalfeiertag55
Der Text der österreichischen Bundeshymne stammt von der österreichischen Dichterin mit kroatischem Namen Paula (von) Preradovic. Als Musik wurde ein Freimaurerhymnus des 18. Jahrhunderts unterlegt, den man langhin Mozart zugeschrieben hat. Die Notwendigkeit einer neuen Hymne hatte sich schon 1918 ergeben, als die Volkshymne („Gott erhalte") etwas unzeitgemäß geworden war. Damals versuchte sich der Staatskanzler Karl Renner als Dichter, Wilhelm Kienzl komponierte die Melodie („Deutschösterreich, Du herrliches Land ..."). Sehr populär wurde die etwas schwülstige Hymne nicht, zudem galt sie der politischen Rechten stets als ein Werk der Linken und wurde 1929 durch die Hymne Ottokar Kernstocks („Sei gesegnet ohne Ende") ersetzt. Sie hatte den unbezweifelbaren Vorteil, zu der wunderbaren Musik der Kaiserhymne Haydns gesungen werden zu können, sie deutschtümelt sogar etwas weniger als die Renner-Hymne, obwohl „Arbeit" und „Liebe" auch bei Kernstock nur mit den Adjektiven „deutsch" vorkommen. Sie wurde aber, als Hymne der „Schwarzen", von den Sozialdemokraten abgelehnt - der Wiener Stadtschulrat ordnete an, an ihrer Stelle zur selben Melodie „Deutschland, Deutschland über alles" zu singen. Die Wiener Kinder sollten also, der Regierung zum Trotz, genau dieselbe Hymne wie in Deutschland singen, die in Österreich natürlich auch von deutschnationalen und nationalsozialistischen Österreichern bevorzugt wurde.56 Die schöne Haydn-Melodie war 1945 jedenfalls rettungslos kompromittiert. Der neuen österreichischen Identität der zweiten Republik entspricht daher auch eine neue Hymne, deren Melodie zwar nicht mit der Haydns konkurrieren, aber wenigstens nicht mit dem Deutschlandlied verwechselt werden kann.57 Etwas weniger Probleme hatte man mit der Fahne: Als Nationalflagge wählte man auf Anregung des späteren Bundespräsidenten Wilhelm Miklas schon am 31. Oktober 1918 „Rot-Weiß-Rot", das man auch nach 1945 beibehalten konnte. (Freilich rissen bei der Republiksverkündung am 12. November 1918 kommunistische Revolutionäre das Weiß aus der Fahne.) 58 Diese Farbkombination bedeutet einen Rück55 Zu diesem Themenkomplex vgl. Norbert Leser I Manfred Wagner, Hg., Österreichs politische Symbole. Historisch, ästhetisch und ideologiekritisch beleuchtet, Wien - Köln - Weimar 1994. Ferner Diem, Symbole Österreichs. 56 Hanisch, Politische Symbole, 424. 57 Zum Komplex der Hymnen vgl. Eckart Früh, Gott erhalte? Gott bewahre! in: „Österreich in Geschichte und Literatur" (ÖGL) Jg. 1988, Nr. 5. Die Texte der österreichischen Hymnen in Franz Grasberger, Die Hymnen Österreichs, Tutzing 1968. 58 Gustav Spann, Zur Geschichte von Flagge und Wappen der Republik Österreich, in: Leser / Wagner, Hg., Österreichs Symbole, Wien - Köln - Weimar 1994, 37-64.
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griff auf den seit dem 13. Jahrhundert bekannten Bindenschild in diesen Farben. Im Spätmittelalter galt er als Wappen von „Neu-Österreich" und wurde zu einem der Symbole des „Hauses" Österreich, daher auch früh schon überregional, nicht nur in Ober- und Niederösterreich verwendet. In der Neuzeit fungierte der rotweißrote Herzschild in Verbindung mit dem kaiserlichen Doppeladler als eine Art Staatswappen des entstehenden habsburgischen Staatswesens. Schon Albrecht Dürer fügte seinem im Wiener Kunsthistorischen Museum befindlichen Porträt Maximilians einen Doppeladler (als kaiserliches Emblem) mit dem rotweißroten Herzschild als Farben des Hauses Österreich bei. Ein solcher Adler bezeichnet im 17. und 18. Jahrhundert häufig die kaiserlichen Lande insgesamt, wenngleich der Doppeladler auch mit vielen anderen Herzschild-Varianten vorkommen kann. Eine Fahne mit der Farbkombination Rot-Weiß-Rot existierte seit 1786 als offizielle Marineflagge, mit dem gekrönten rotweißroten Schild in der Mitte. Sie blieb als Flagge der Kriegsmarine des österreichischen Kaiserstaates und der österreichisch-ungarischen Monarchie mit geringfügigen Abänderungen bis 1918 in Verwendung. Offizielle Staatsfarben waren freilich bis 1918 die vom alten Reich übernommenen Schwarz-Gelb. Aber jedenfalls blieb das Rot-Weiß-Rot nicht nur als voller Herzschild - bis ins frühe 19. Jahrhundert - , sondern auch nach der Neuregelung des Wappens (1836) im dreigliedrigen Herzschild des kleinen Reichswappens als wichtiger Kontinuitätsträger erhalten. Das Rot-Weiß-Rot der Staatsfarben bzw. des Herzschildes des Staatswappens ist also zweifellos jenes Symbol, das am stärksten zeitliche Kontinuität über viele Jahrhunderte hinweg ausdrückt. Das im Mai 1919 in Anlehnung an das kleine Wappen der österreichischen Reichshälfte neu entworfene Bundeswappen konnte 1945 ebenfalls übernommen werden - mit der kleinen, aber wichtigen Änderung, daß die Fänge des Adlers nach 1945 als Hinweis auf die wiedererlangte Unabhängigkeit mit einer gesprengten Kette verziert wurden. Auch dieses Bundeswappen geriet für kurze Zeit in Diskussion. Man verwies darauf, daß Österreich das letzte Land sei, das nach dem Ende des Kommunismus Hammer und Sichel im Wappen führe. Ursprünglich sollte das Wappen „Republik" bzw. „Demokratie" (Mauer- oder Bürgerkrone), „Stadt" (Hämmer) und „Land" (Ährenbüschel bzw. zuletzt Sichel) symbolisieren, nach den ersten Entwürfen in einer Konstruktion ohne Adler. Später wurden diese Symbole in eine Drei-Stände-Symbolik uminterpretiert. 59 Aber dieser historische Hintergrund war für das rasche Ende 59 Andreas Cornaro, Bemerkungen zu den Attributen des österreichischen Staatswappens,
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Mythen, Bilder, Stereotypen
der Debatte weniger wichtig als die Ergebnisse der Meinungsforschung, die bei einer überwältigenden Mehrheit der Österreicher keinerlei Änderungswünsche erbrachten.60 Es ist aber interessant, daß nicht bloß in der Souvenir-Industrie, sondern auch im Bewußtsein zahlreicher Österreicher der alte monarchische Doppeladler hohes Ansehen genießt.61 Weniger Kontinuität zeigt der Nationalfeiertag. In der Ersten Republik galt (seit 25. April 1919) der 12. November, der Tag, an dem 1918 offiziell die Republik ausgerufen worden war, als Staatsfeiertag. Die politische Rechte, die sich dadurch Jahr für Jahr neuerlich an ihre damals recht bescheidene Rolle und an die - wenngleich kurzlebige Macht der Sozialdemokratie erinnert sah, liebte diesen Feiertag nicht. Immerhin gewöhnte man sich daran. 1933 wurde er aber (Regierung Dollfuß) nicht mehr gefeiert, 1934 gänzlich abgeschafft, an seine Stelle trat ein Staatsfeiertag am 1. Mai.62 Übrigens hat man in den Jahren der ständestaatlichen Regierungsdiktatur den 26. Oktober als Heldengedenktag gefeiert.63 Nach 1945 knüpfte man an die Tradition von 1918 nicht an. Erst 1965 wurde der seit 1957 gefeierte „Tag der Fahne" als Nationalfeiertag deklariert. Es ist der 26. Oktober, in Erinnerung an jenen Tag im Jahre 1955, an dem der österreichische Nationalrat den Beschluß über die immerwährende Neutralität Österreichs gefaßt hat. Die Präambel zum 1965 beschlossenen Gesetz bezog sich eindeutig auf die Verabschie-
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in: Adler, Zs. f. Genealogie und Heraldik 16,1992,135 ff.; ders., Eine Darstellung des österreichischen Staatswappens vom 31. X. 1918, in: Adler 16, 1992, 221 f.; Michael Göbl, Das österreichische Staatswappen von 1918 - eine Spurensuche, in: Jahrbuch Adler 17 (XXXI), 1994, Heft 5, 169 ff.; Michael Göbl, Wie kamen Hammer und Sichel in das Wappen der Republik Österreich? In: Jahrbuch Adler 15 (XXIX), 1990, Heft 7, 233 ff. Gustav Spann, Fahne, Staatswappen und Bundeshymne der Republik Österreich. In: 26. Oktober. Zur Geschichte des österreichischen Nationalfeiertages, hg. v. BMUKS, Wien, o. J., 35-50, hier 36-38; ders., in: Leser / Wagner, Hg., Österreichs Symbole; die Ergebnisse von Meinungsumfragen, die mit einer Mehrheit von 87% die Änderung des Staatswappens (Entfernung von Hammer und Sichel) ablehnten, in: Profil Nr. 3, 13. 1. 1992, 16. Damit war die ganze Debatte - als für populistische Zwecke unbrauchbar gestorben. Zur Staatssymbolik vgl. ferner Wagner, Österreich, 257-266. Zur hohen Bewertung des Doppeladlers vgl. die Umfrageergebnisse von 1980 in: Österreichbewußtsein 1980, 45; 45% der Befragten erklärten, der Doppeladler wäre ein gutes Wappen für Österreich (allerdings in Konkurrenz zu so schwachsinnigen Vorschlägen wie Skifahrer, Skispringer, Berg und Wald, walzertanzendes Paar usw.). Gustav Spann, Zur Geschichte des österreichischen Nationalfeiertages, in: 26. Oktober. Zur Geschichte des österreichischen Nationalfeiertages, hg. v. BMUKS, Wien, o. J., 2734, hier 28. Ders., Zur Geschichte des Österreichischen Nationalfeiertages, in: ÖGL 37, 1993, 218 f. Am Beispiel das Landes Salzburg: Robert Kriechbaumer, Zwischen Kruckenkreuz und Hakenkreuz. Schule im autoritären und totalitären Staat. Dargestellt am Beispiel Pongauer Schulchroniken 1934-1945, Salzburg 1993, beisp. 55.
Der Symbolhaushalt der Österreicher
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dung des Neutralitätsgesetzes und erinnerte, damit im Zusammenhang, an den Willen Österreichs, „... für alle Zukunft und unter allen Umständen seine Unabhängigkeit zu bewahren und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen". 64 Neutralität und Unabhängigkeitswillen wurden vom Gesetzgeber in einem engen Zusammenhang gesehen - offenkundig als bewaffnete Neutralität, fähig, auch ohne Hilfe von außen Österreichs Unabhängigkeit zu schützen. Im Unterschied zu anderen Feiertagen dieser Art wird an diesem Tag weder eines besonderen militärischen Sieges noch auch einer erfolgreichen Revolution oder der Erringung bzw. Behauptung der Unabhängigkeit gedacht - dafür wären nach wie vor der 12. November oder aber der 27. April bzw., soweit dies aus meiner Rückerinnerung rekonstruierbar erscheint, vor allem der 15. Mai 1955 - Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages - besser geeignet gewesen. Sicher steht der Tag in einer engen Beziehung zur Erlangung der vollen staatlichen Selbständigkeit, gewissermaßen als Abschluß jenes langen Prozesses, der im April 1945 begonnen und am 15. Mai 1955 mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages seinen vielumjubelten Höhepunkt erreicht hatte. Aber stark emotional besetzt ist der Termin nicht. Ins Positive gewendet könnte man auch sagen: Der österreichische Nationalfeiertag bietet ganz sicher keinerlei Anlaß für nationalistischen oder chauvinistischen Überschwang. Aber seine emotionale Schwäche führt immer wieder zu Diskussionen über die Sinnhaftigkeit dieses Tages. Eine im Dezember 1993 vorgestellte psychologische Studie von Eva Braunegger (Tiefeninterviews mit vierzig Österreichern) situiert die Symbole der Republik im „Segment des Gewachsenen, der selbstverständlichen, eher anspruchslosen Heimat". 65 Die Symbole strahlten nach den Ergebnissen dieser Untersuchung - „lähmende Ruhe" aus, viel Sicherheit und wenig Dynamik. Von daher wird die Eignung dieser Symbolik in Frage gestellt, in einem wettbewerbsorientierten größeren Europa im Sinne einer Mobilisierung österreichischen Ehrgeizes einsetzbar zu sein. Kronen In Republiken spielen Kronen in der Regel keine besonders bedeutsame Rolle als Nationalsymbole. Wenn aber die ungarische Stephanskrone in Budapest als das zentrale Symbol Ungarns zelebriert wird 64 Spann, ebd., 31 f. Gerald Stourzh,Um Einheit und Freiheit. Die Geschichte des österreichischen Staatsvertrages 1945-1955, Wien - Köln - Weimar "1996. 65 Die Presse, 3. Dezember 1993, 21.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
und wenn in der Tschechischen Republik die Wenzelskrone als Symbol der jungen demokratischen Republik wiederaufgegriffen wird,66 dann sollte man die Frage wenigstens kurz aufwerfen, ob allenfalls auch den Österreichern eine Krone als kollektives Symbol zur Verfügung stünde.67 In der Tat beherbergt ja allein die Wiener Schatzkammer zumindest zwei historisch und künstlerisch hoch bedeutsame Kronen - die Krone des Heiligen Römischen Reiches aus dem 10. Jahrhundert und die wunderbare Krone Rudolfs II., die später als Krone des Hauses - und nach 1804 auch des Kaisertums - Österreich galt. Diese letztere war zwar in der offiziellen Staatssymbolik präsent, wurde aber nie für eine Krönung verwendet. Ihre emotionale Bedeutung für das heutige Österreich ist nicht bekannt, wir können sie aber nur als gering einschätzen. 1955 wurde sie aber von den Sozialisten als für das republikanische Österreichbewußtsein bedrohliches Symbol eingestuft. Damals verbot der Magistrat der Stadt Wien die Vorführung eines Kulturfilmes über die wiedereröffnete Schatzkammer mit der Begründung, der Hinweis auf die „österreichische Kaiserkrone" durch Unterrichtsminister Kolb „... lasse eine Gefährdung der geistigen Entwicklung der Jugend befürchten, weil er als Propaganda für eine monarchistische [sie!] Staatsform ausgelegt werden kann".68 Die Krone des Heiligen Römischen Reiches ging nach dem Ende dieses Reiches an den damaligen Inhaber der Krone über, an Kaiser Franz IL (L). Seitdem blieb sie in Wien, mit der Unterbrechung der Jahre 1938-1945, als sie für kurze Zeit nach Nürnberg zurückkehrte, wo sie ja auch bis 1796 gewesen war. Man hat sie nach Kriegsende als österreichischen Kulturbesitz zurückgefordert und auch erhalten. Sie ist, gemeinsam mit dem ganzen Krönungsschatz, eines der wertvollsten Objekte der Wiener Schatzkammer. Als Identifikationssymbol für Österreich kann sie freilich nicht gelten. Neben diesen Kronen könnten auch die verschiedenen Exemplare des Erzherzogshutes vielleicht als „österreichische" Kronen interpretiert werden. Zumindest hat dies Georg Wagner vermutet.69 Es existieren noch heute mehrere Stücke aus dem 17. Jahrhundert - je einer wird in Klosterneuburg, im Joanneum in Graz und in Mariastein in Tirol auf66 Etwa auf dem „cover" einer 1992 erschienen Geschichte der Länder der böhmischen Krone (!) - Dejiny zemí Koruny ceské. 2 Bde., verf. v. Ivan Rada, Vratislav Vanicek, Petr Cornej, Ivana Cornejová u. a., Paseka - Praha 1992. 67 Das folgende nach Ernst Bruckmüller, Die gespaltene Mythologie. Hintergründe eines uneinheitlichen Nationalbewußtseins, in: Peter Gerlich / Krzysztof Glass, Hg., Zwischen den Zeiten, Wien 1992,197-211, hier 206 f. 68 Ernst Kubin, Die Reichskleinodien. Ihr tausendjähriger Weg, Wien - München 1991, 253. 69 Wagner, Österreich, 113.
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Der Symbolhaushalt der Österreicher
bewahrt. In der Wiener Schatzkammer existiert ferner ein für Joseph II. angefertigtes (freilich nicht mehr ausgestelltes) Duplikat. Da es nicht für jedes Land (wohl aber für alle drei damaligen habsburgischen Ländergruppen!) einen Erzherzogshut gibt, wird man zumindest im Klosterneuburger Exemplar, das eng mit der Verehrung des hl. Leopold zusammenhängt, vielleicht wirklich ein überregionales Symbol annehmen können. Benützt wurde der Klosterneuburger Erzherzogshut aber nur für die Erbhuldigung der Stände Niederösterreichs. Eine über das Stift Klosterneuburg und vielleicht eine kleine Gruppe von Nahestehenden hinausreichende Symbolkraft kommt dem Erzherzogshut auch kaum mehr zu. Kronen fallen daher als Symbole für die österreichische Identität aus.70 Personen als
Symbolfiguren
Leider hat keine jüngere Untersuchung die Fragestellung nach „berühmten Österreichern" von 1979 wiederholt. Damals wurde getrennt nach bereits verstorbenen und nach noch lebenden Identifikationsfiguren gefragt. Tabelle 22: Berühmte Österreicher71 in Prozent a) Vergangenheit Johann Strauß Wolfgang A. Mozart Maria Theresia Karl Renner Franz Joseph Julius Raab Theodor Körner Joseph Haydn Franz Grillparzer Johann Nestroy Ferdinand Raimund Arthur Schnitzler Bertha von Suttner Sigmund Freud Ignaz Seipel
Bekanntheit
höchste Bedeutung für Österreich
charakteristisch
98 94 94 94 93 92 92
42 36 41 34 25 31 22
88 88
6 6
55 30 35 25 24 28 22 6
81
3 2 2 5 15 2
75 72 65
61 61
8 16
10 5 2 3 2
70 Floridus Röhrig, in: Der heilige Leopold. Landesfürst und Staatssymbol, Katalog Klosterneuburg 1986 (Wien 1986). 71 Österreichbewußtsein 1980, 39 f.
108
Mythen, Bilder, Stereotypen
Bekanntheit in Prozent
höchste B e d e u t u n g
charakteristisch
für Österreich
b) Gegenwart B r u n o Kreisky
99
85
56
A n n e m a r i e Moser-Pröll
98
52
39
H e i n z Conrads
96
11
33
Paul Hörbiger
96
19
41
Alois Mock
94
16
Anton Benya
91
22
H a n s Krankl
88
11
9
Elfriede Ott
87
18
12
9
11
Erhard B u s e k
86
4
2
Josef Sallinger
84
7
3
Hertha Firnberg
85
4
3
O t t o Schenk
81
5
8
T h e o d o r Mautner-Markhof
81
7
3
Eduard Wallnöfer
79
0
12
Friedrich Peter
76
2
1
Unter den ersten 15 Zelebritäten vermißt man jedenfalls den Prinzen Eugen und den Erzherzog Karl - zwei Herren, die eigentlich schon durch ihre wirklich ins Auge springenden Denkmäler auf dem Heldenplatz bekannt sein müßten. Aber vielleicht hat Robert Musil nicht zu Unrecht Denkmäler als Orte des Vergessens bezeichnet - ein Denkmal erhält danach jemand, den man anschließend zu vergessen gedenke. 72 In der Tat „sieht" man für gewöhnlich die allermeisten Denkmäler nicht. Hätte Musil recht, dann müßten die historischen Gestalten mit den imposantesten Denkmälern am wenigsten bekannt sein. Nun läßt sich ja die Imposanz der Denkmäler mit den Ergebnissen der Sozialforschung vergleichen. Zumindest bei Maria Theresia entspricht das bedeutende Denkmal, zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum, durchaus ihrer Bekanntheit. Als zentrales Denkmal des geplanten Kaiserforums wurde es 1874-1888 von Caspar von Zumbusch entworfen, die Architektur stammt von Carl Hasenauer, das Programm von Alfred v. Arneth.13 Auch bei Wolfgang A. Mozart und Johann Strauß ent72 Auf diese Stelle, die Musil 1936 im „Nachlaß zu Lebzeiten" veröffentlichte, hat Mario Erdheim hingewiesen: Mario Erdheim, „I hab manchmal furchtbare Träume", in: Ziegler / Kannonier-Finster, Österreichisches Gedächtnis, hier 10 f. Vgl. Robert Musil, Nachlaß zu Lebzeiten, II. Unfreundliche Betrachtungen, Kap. Denkmale, Taschenbuchausgabe (Rowohlt) Hamburg 1962, 59-63. 73 Anders als die rein „dynastischen" Denkmäler (Eugen, Karl, Schwarzenberg) ist bei Maria Theresia der Stadterweiterungsfonds als Denkmalfinancier aufgetreten. Arneth, der große Historiker der Kaiserin, schuf das Programm, wobei zunächst ein „historisch-realistischer" gegenüber einem „allegorischen" Aspekt überwiegen sollte. Zur Idee, die Kaiserin umgeben von ihren Ratgebern darzustellen, ergänzte Zumbusch, das Werk solle nicht nur für
Der Symbolhaushalt der Österreicher
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spricht ihr Popularitätsgrad ihren Denkmälern. Dieser steht, stark vergoldet, als Denkmal von Edmund Hellmer im Stadtpark (1921), jener, entworfen von Viktor Tilgner, seit 1953 im Burggarten. Ähnliches könnte man auch von Karl Renner sagen, dessen eindrucksvoller Bauernkopf an der dem Ring zugewandten südöstlichen Ecke des Rathausparkes von Alfred Hrdlicka 1967 modelliert wurde. Julius Raab hat dagegen nur ein verhältnismäßig bescheidenes Denkmal von Toni Schneider-Manzell und Clemens Holzmeister (1967) erhalten. Kaiser Franz Joseph wies man überhaupt nur einen abgelegenen Winkel des Burggartens zu - und auch dort erst 1957; dies ist wohl ein Ausdruck der seit 1918 ablehnenden Haltung (vorab) der Sozialdemokraten zur Monarchie. Theodor Körner, dessen Statue (von Hilde Uray, 1963) seinem Bürgermeisterkollegen Karl Seitz (von Gottfried Buchberger, 1962) gegenübersteht, verlängert mit diesem gemeinsam einerseits die Heldenallee zwischen Burgtheater und Rathaus, die aus Herzog Heinrich II. Jasomirgott, Rudolf IV., dem Stifter, Ernst Rüdiger Graf Starhemberg, Johann Bernhard Fischer von Erlach, Herzog Leopold VI., Graf Niklas Salm, Leopold Graf Kollonitsch und Josef von Sonnenfels besteht, bildet andererseits mit Seitz und Renner eine imaginäre Linie von republikanischen Staatsoberhäuptern, die beim Parlament beginnt und nahe der Universität - aber immer noch im Rathauspark - mit einer Büste des Bundespräsidenten Adolf Schärf abgeschlossen wird. Joseph Haydn hat eine Statue vor der Mariahilfer Kirche. Franz Grillparzer erhielt ein sehr klassizistisch wirkendes Denkmal (von Karl Kundmann, Architektur Karl Hasenauer, 1889, die Reliefs von Rudolf Weyr) im Volksgarten, ein eher schattiges Plätzchen. 74 Nicht wenige der historisch Prominenten wurden also über ihre Denkmäler keineswegs vergessen, bei anderen ist das aber sehr wohl der Fall. Die Ehrung lebender oder toter Symbolfiguren durch Denkmäler ist in unserem Kulturbereich relativ jungen Datums. Die Religiosität noch des höfischen Barock wies selbst dem Kaiser (Leopold I.) eine kniende die Kaiserin, sondern auch für die „ . . . großen Männer, welche wesentlich zum Glanz ihrer Regierungsperiode beitrugen, als Ehrendenkmal..." dienen, um so auch den „ . . . minderkundigen Bürger über eine große Epoche seiner Geschichte belehren..." zu können. Vgl. Gerhardt Kapner; Ringstraßendenkmäler. Zur Geschichte der Ringstraßendenkmäler (Die Wiener Ringstraße, Bild einer Epoche, hg. v. Renate Wagner-Rieger, Bd. IX), Wiesbaden 1973,19 f. 74 Die Tatsache, daß es Herren des Geldadels waren (Todesco, Schey,Wodianer, Rothschild), die sich als Proponenten des Grillparzer-Denkmals fanden, reizte Ferdinand Kürnberger zu boshaften Ausfällen gegen die „Selbstbedenkmalungsarroganz". - Grillparzer wurde, gegen den „deutsch" intendierten Schiller bewußt als „vaterländischer" Dichter stilisiert, der auch im „kaiserlichen" Volksgarten seine Aufstellung fand. 1889 wurde es enthüllt, vgl. Kapner, Ringstraßendenkmäler, 42 ff.
110
Mythen, Bilder, Stereotypen
Haltung zu, wie das die Pestsäule am Graben zum Ausdruck bringt. Es bedurfte eines kräftigen Säkularisierungsschubes, um diese Auffassung zu ändern und zunächst Herrscher, dann auch nichtfürstliche Heroen der bürgerlichen Gesellschaft zu Denkmalsehren zu bringen. Erst in Klassizismus und Biedermeier erscheinen daher die nun ganz säkularisierten Herrscherbilder. Als Vorreiter Franz I. von Balthasar Moll, also spätbarock, im Burggarten, bald nach 1800 Joseph II. auf dem Josephsplatz, schließlich Franz I. (II.) in der Burg (1842-1846). Aber auch Allegorien Österreichs und Wiens entstanden: so der Austria-Brunnen auf der Freyung, 1844-1846 von Ludwig Schwanthaler entworfen und in München gegossen; die Figur der Austria steht auf einer von Eichen umrankten Säule, um die sich die vier damaligen Hauptflüsse der Monarchie tummeln: Donau, Elbe, Weichsel und Po.75 Die „Austria" war in der barocken Ikonographie nicht selten auf Deckenfresken vertreten. Im Tympanon des Portals des niederösterreichischen Landhauses war sie schon im 16. Jahrhundert gestaltet worden.76 In einem Habsburgerzyklus aus der Zeit Rudolfs II. erscheint die „Austria" als Allegorie des Hauses Österreich mit eindeutigem Weltherrschaftsanspruch.77 Der junge Neoabsolutismus versuchte, sein Herrschaftsverständnis durch Heldenfiguren habsburgischer Staatsbildung auszudrücken und damit eine entsprechende Identität seiner Untertanen zu fördern: Die Statuen des Prinzen Eugen1*, der Erzherzoge Karl und Albrecht19, Schwarzenbergs80, Radetzkys und Tegetthoffs sind Zeugen der zuweilen recht gewaltsamen Integrationsverfahren des Hauses Österreich nach außen, aber auch nach innen. Freilich paßten die Ereignisse nicht mehr so recht mit den Denkmälern zusammen: Zeitgenossen kritisierten, daß Österreich bei jeder Denkmalaufstellung eine Niederlage kassierte - das Erzherzog-Karl-Denkmal war gleichzeitig mit der Niederlage von Solferino errichtet worden, die Aufstellung des Eugen-Denk75 Katalog Die Bildhauerfamilie Schwanthaler 1633-1848. Vom Barock zum Klassizismus (Oö. Landesausstellung in Reichersberg 1974), Linz 1974, 305 ff. (Kat. Nr. 442-444: Modelle wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört); Elisabeth Th. Winkler, Der Austriabrunnen auf der Freyung, Wr. Geschichtsblätter 49, 1994, Beiheft 4. 76 Feuchtmüller, Landhaus, 14 und Tafel 8. 77 Ostarrichi - Österreich 966-1996. Menschen - Mythen - Meilensteine. Katalog der Österreichischen Länderausstellung 1996, Neuhofen - St. Pölten (Wien 1996), Kat. Nr. 5.3.045.3.07. 78 Kapner, Ringstraßendenkmäler, 12 ff. 79 D a s Denkmal wurde nicht vom Kaiser finanziert, doch hat dieser auf den Ort der Aufstellung entscheidenden Einfluß genommen (Kapner; Ringstraßendenkmäler, 22). 80 Anläßlich der Enthüllung des Schwarzenberg-Denkmals erschien am 20.10. 1867 im Wiener Tagblatt ein bitterer Vergleich: „Drei Denkmäler großer Heerführer, welche einst die österreichischen Waffen zum Siege führten, sind im Verlaufe weniger Jahre in dem
Der Symbolhaushalt der Österreicher
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mals folgte auf Königgrätz.81 Nun begann das Bürgertum, seine eigenen (Geistes-) Helden im Denkmal zu ehren - in den großen künstlerischen Leistungen suchte es seine Identität. Kulturell sahen sich die bürgerlichen Deutsch-Österreicher als „Deutsche" - das findet seinen Ausdruck mehr im „deutschen" Schiller als im weltbürgerlicheren Goethe.92 Die Erste Republik brachte es zu keinen als „national" zu interpretierenden Denkmälern. Das Republik-Denkmal gedachte ausschließlich der sozialdemokratischen Gründerväter, konnte daher keine über das linke Lager hinausreichende integrative Gedenkleistung und Identitätsstiftung hervorbringen. Die 5eipe/-Do///w/?-Gedächtniskirche (Clemens Holzmeister) war ein Zeichen ausschließlich für „Schwarze". Die Zweite Republik kann freilich „ihre" Denkmäler vorweisen; auch ihre Politiker stehen in einem kontingenten Denkmalsraum, der Ringstraße, Rathauspark und Minoritenplatz umfaßt. 83 Historische Ereignisse und Prozesse als Identitätsstifter Österreich ist arm an historisch jüngeren nicht kontroversiellen Daten, die sich zur kollektiven Identifikation eignen, hingegen reich an möglichen (älteren) Identifikations-Symbolen, -Orten, -Personen. Nicht zur Verfügung stehen den Österreichern eine gelungene Revolution oder militärische Erfolge aus der jüngeren Vergangenheit, eine gelungene Unabhängigkeits- oder Befreiungsbewegung. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - gibt es eine Fülle von Jubiläen, deren sich die Kultur- und Fremdenverkehrsbetriebsamkeit gerne annimmt. Vielleicht hängt die nachgerade verwirrende Vielfalt von Jubiläen mit zweierlei zusammen: Erstens mit der wachsenden Historisierung des Lebens im allgemeinen. Es ist ja spannend zu beobachten, wie die Suche nach den historiWeichbilde der Stadt errichtet worden", wobei mit Erzherzog Karl Magenta und Solferino verbunden wurden, mit dem Prinzen Eugen - Königgrätz! Und es folgt die Aufforderung, nicht mehr militärische Verdienste im Denkmal zu verewigen, sondern „das bürgerliche Verdienst, die Gedanken großer Erfinder, welche Erlöser für die arbeitende Menschheit waren..." (Kapner, Ringstraßendenkmäler, 17). 81 Vgl. Anm.80. 82 Über die besondere Befähigung Schillers, als Zentralfigur des erwachenden deutschen Nationalismus zu dienen, vgl. Hans A. Kaufmann, Nation und Nationalismus in Schillers Entwurf „Deutsche Größe" und im Schauspiel „Wilhelm Teil". Zu ihrer kulturpolitischen Funktionalisierung im frühen 20. Jahrhundert (Münchener Studien zur literarischen Kultur in Deutschland, Bd. 19), Frankfurt/M. - Berlin - Bern 1993. 83 Denkmäler für Renner, Körner, Seitz, Schärf bilden freilich im Dunstkreis des Rathauses doch eine kompakt sozialistische Denkmalszone - es ist ja auch der Feierplatz zum Ersten Mai; Figl am Minoritenplatz und Raab gegenüber dem Parlament befinden sich am Rande dieser Zone.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
sehen Hintergründen und Wurzeln in den letzten etwa 20 Jahren geradezu explosionsartig zugenommen hat. War in früheren Jahrhunderten das historische Bewußtsein eine Sache von Herrschern und wenigen Experten, so wuchs es im klassischen Nationalismus nun auch den neuen Bildungsschichten, den Intellektuellen zu. Heute sucht und rekonstruiert jeder Mensch, jede Familie, jede auch noch so kleine Gemeinde „ihre" Geschichte. Das führt zu der für Historiker erfreulichen Konjunktur ihres Faches und ist notwendig eine unerschöpfliche Quelle von Jubiläen. Da - zweitens - in Österreich die „starken" Daten nicht so häufig sind, kann die zweite Garnitur von Jubiläen ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit für sich beanspruchen. Historisches Erinnern ist immer ein Spiegelbild des historischen Bewußtseins einer jeweiligen Gegenwart: Wird dieses ausschließlich auf Herrscher, Helden, nationale Märtyrer oder „große" Ereignisse ausgerichtet, dann werden die Jubiläen entsprechend aussehen. Die Themen zahlreicher historischer Ausstellungen der letzten Jahrzehnte machen aber deutlich, daß sich das historische Erinnern stark geändert hat und daß die Aufforderung zum Erinnern heute nicht mehr primär Identifikationsaufforderung mit den gründenden und stiftenden Heroen ist, sondern oft auch Aufforderung zum Erinnern an Elend und Unterdrückung - etwa in den Ausstellungen über Hexenwesen und Bauernkriege. 84 Das „klassische", identitätssichernde Jubiläum scheint eher auf politische Bewegungen übergegangen zu sein.85 Es dominiert heute im Ausstellungsbereich ein Typus von Ausstellung, der zwar durchaus auch mit prächtigen und einladenden Exponaten operiert, zugleich damit aber die Möglichkeit einer breiten Information und Auseinandersetzung mit einer bestimmten Periode, Kulturerscheinung, Person oder wirtschaftlichen Phänomenen eröffnen will. „Großen" Persönlichkeiten wie Maria Theresia, Prinz Eugen, Mozart, Joseph II., Peter Rosegger, Erzbischof Wolfdietrich von Salzburg oder dem Bischof Salm von Gurk wurden eigene Ausstellungen gewidmet. Kulturhistorisch interessante Zeiten wie das Zeitalter Franz Josephs, Renaissance, Barock, Gotik, Romanik, Biedermeier wurden in großen 84 Vgl. die Kataloge der Ausstellungen über den oberösterreichischen Bauernkrieg, Linz 1976, und über „Hexen und Zauberer", die steirische Landesausstellung 1987, Graz 1987. 85 Vgl. die Ausstellungskataloge über die „sozialistischen" Ausstellungen 1984 und 1988: Die Kälte des Februar, Wien 1984, und Helene Maimann, Hg., Die ersten 100 Jahre. Österreichische Sozialdemokratie 1888-1988, Wien - München 1988; Siegfried Mattl I Alfred Pfoser, Identitätsbildung durch historische Großausstellungen, in: Wendelin Schmidt-Dengler, Hg., Der literarische Umgang der Österreicher mit Jahres- und Gedenktagen (= Schriften des Inst. f. Österreichkunde 59), Wien 1994, 75-87.
Der Symbolhaushalt der Österreicher
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Expositionen dargestellt. Ausstellungen erinnern aber auch an die Unterdrückung revolutionärer Bewegungen oder an die Ausgrenzung und Verfolgung bestimmter Personen und Personengruppen (Bauernkriege, Hexen und Zauberer). Auch bestimmte wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse waren Gegenstand von Ausstellungen (Magie der Industrie, Arbeitswelt). Daß über Ausstellungen, die ja nicht nur wissenschaftliche, nicht nur kulturpolitische und nicht nur bildungspolitische Aufgaben und Zielsetzungen haben, sondern auch bestimmten Bedürfnissen der modernen Freizeitgesellschaft entgegenkommen, Identifikation erweckt werden kann, muß dennoch vermutet werden. Dieses Medium ist ja weniger intellektuell als ein Buch, hingegen eine vielleicht eindringlichere Vermittlungsform als etwa ein Museum, schon weil es immer an außerordentlichen Orten stattfindet. Freilich sind die meisten Ausstellungen heute nicht daraufhin konzipiert, Identifikationsfallen aufzustellen, sondern Neugier und Interesse zu erwekken und zu befriedigen, neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung anzubieten und Freizeiterleben mit Ergänzung von Wissen und diversen kulturellen Fähigkeiten zu verknüpfen. 86 In der „Österreichischen Länderausstellung" zum „1000jährigen Namenstag" 1996 geht es weder um die Konstruktion irgendwelcher staatsrechtlicher Kontinuitäten, noch um den Nachweis, daß das österreichische Volk tausend Jahre „alt" sei. Die Ausstellung will nach den die Identität der Österreicher bedingenden, bereichernden und infragestellenden Faktoren, Ereignissen und Strukturen fragen. Dargestellt werden Selbstverständnis und Fremdverständnis, Selbstbilder und Fremdbilder, Klischees und „Wirklichkeiten" von Österreich. Ziel der Ausstellung ist eine kritisch-liebevolle Auseinandersetzung der Besucher mit „Österreich" - also weder eine undifferenzierte Identifikationsaufforderung noch eine denunziatorische Umgangsweise mit österreichischen Seinsweisen und ihrer Geschichte.87
86 Nur in Auswahl: Prinz Eugen und das barocke Österreich. Kat. d. Nö. Landesmuseums NF 170, Wien 1984; Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II., Kat. d. Nö. Landesmus. NF 95, Wien 1980; Hemma von Gurk, Klagenfurt 1988; Maria Theresia als Königin von Ungarn, Eisenstadt 1980; Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs. Von der Revolution zur Gründerzeit, 2 Bde., Kat. d. Nö. Landesmuseums NF 147, Wien 1984; Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs. 1880-1916. Glanz und Elend, 2 Bde., Kat. d. Nö. Landesmuseums NF 186, Wien 1987; Renaissance in Österreich, Kat. d. Nö. Landesmuseums NF 57, Horn 1974; Bürgersinn und Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815-1848, Wien 1988; Welt des Barock, O ö . Landesausstellung 1986 in St. Florian, 2 Bde., Linz 1986, 87 Ostarrichi - Österreich. 966-1996. Menschen - Mythen - Meilensteine. Katalog der Österreichischen Länderausstellung 1996. Neuhofen - St. Pölten (Wien 1996).
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Mythen, Bilder, Stereotypen
2. SELBST- UND FREMDBILDER
Empirische
Daten
Die großen Österreich-Umfragen von 1980 und 1987 und die Studie von Reiterer et al. haben sich des Themas der Selbstbilder der Österreicher ebenso angenommen wie jüngere Untersuchungen. 1984 wurden 23 Eigenschaften genannt, die mit Hilfe einer dreistufigen Skala einzustufen waren. 88 Danach sah sich der durchschnittliche Österreicher „... selbst so, wie er sich gerne dem Ausland präsentiert, nämlich als lebensfrohen, musikalischen, zuvorkommenden, aber etwas weniger leistungsorientierten Menschen". 89 Dieses Stereotyp galt überregional, auch über diverse soziale Grenzen hinweg, klassen- und generationenübergreifend. Stärkere Unterschiede stellten sich bei der Zuschreibung von Risikobereitschaft heraus. Diese ist in West- und Südösterreich, dort wiederum in ländlichen Gebieten - und in den unteren Bildungsschichten - deutlich stärker verbreitet als in den übrigen österreichischen Ländern. Noch pointierter: „Um diesem Stereotyp anzuhängen, ist die Tatsache, in Tirol zu wohnen, wichtiger als einer bestimmten Sozial- und Bildungsschicht anzugehören." 90 Die Reihenfolge der Autostereotypen der Österreicher lautete 1984: „gemütlich", „lustig", „musikalisch", „fleißig", „tüchtig", „hilfsbereit" und „friedfertig". Attribute wie „intelligent", „kompromißbereit", „sportlich", „beredsam", „konservativ" und „mutig" folgten auf den Plätzen 9 bis 13.91 Nach einer Studie der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft vom April 1994 sahen sich die Österreicher hingegen primär als „gesellig" (85% Zustimmung), sodann als „vorsichtig" (81%) und drittens als „fleißig" (76%). Es folgten Selbstzuschreibungen als „humorvoll", „tolerant" und „konservativ". 92 „Geselligkeit" und „Gemütlichkeit" wird man weitgehend gleichsetzen können, ebenso wahrscheinlich 88 Reiterer, Nation, 101 ff. „Typische" Österreicher waren im Ergebnis (in dieser Reihenfolge) 1. gemütlich 7. friedfertig 13. konservativ 19. risikobereit 8. höflich 20. schlampig 2. lustig 14. mutig 21. streitsüchtig 3. musikalisch 9. intelligent 15. mittelmäßig 22. teilnahmslos 4. fleißig 16. genügsam 10. kompromißbereit 5. tüchtig 11. sportlich 17. schön 23. grausam 12. beredsam 6. hilfsbereit 18. großzügig 89 Reiterer, Nation, 103. 90 Reiterer, Nation, 107. 91 Reiterer, Nation, 101 ff. 92 Die Presse, 17. Mai 1994, 9.
Selbst- und Fremdbilder
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„lustig" und „humvorvoll". Sollte „Toleranz" mit „Hilfsbereitschaft" und „Friedfertigkeit" zu tun haben, dann kann man auch in diesem Bereich eine gewisse Kontinuität beobachten. Wenn die beiden Untersuchungen wohl auch nur beschränkt vergleichbar sein dürften, so fällt zweierlei auf: erstens das Verschwinden der Musik aus dem österreichischen Selbstbild der 1990er Jahre und zweitens das Aufrücken der Attribute „vorsichtig" (1984 freilich in dieser Form nicht abgefragt) und „konservativ". Die Österreicher schreiben sich also weder jene Haltungen zu, die nach Meinung der Wirtschaftsexperten dringend vonnöten wären, nämlich Risikofreude und Veränderungsbereitschaft, noch auch jene, die vom „kritischen" Feuilleton immer wieder gefordert werden - historische Selbstkritik, „Antifaschismus", „Fortschrittlichkeit" usw. Andererseits gibt es auch nur wenige Anhaltspunkte für den ebenfalls immer wieder unterstellten Hang zum rechten Autoritarismus. Aber auch das „Kulturland" Österreich, das wir in gewissen literarischen Selbst- und in Fremdbildern so oft wiederfinden, existiert in den populären Selbstbildern nicht mehr - sogar die Musik ist seit den 1980er Jahren verschwunden. Heterostereotypen erhob die Studie von Günter Schweiger über Österreichs Image in der Welt.93 Soweit Österreich überhaupt bekannt ist, erscheint es als Land, dessen Bekanntheit in erster Linie mit gewissen kulturellen Äußerungen zusammenhängt - vor allem offenbar mit dem Neujahrskonzert. Einiges kommt uns bekannt vor: An Produktkompetenz wird den Österreichern vor allem die Aufführung klassischer Musik und die Erzeugung von Skiern zugesprochen. Dagegen vermutet niemand in den Österreichern tüchtige Manager. Das Wiener Kaffeehaus wird ebenfalls mit Österreich assoziiert. Daneben wuchs seit 1986 in verschiedenen Gegenden die Vermutung, Österreich hätte mit Antisemitismus und Neonazismus zu tun. An bekannten Persönlichkeiten wird vor allem Johann Strauß und Wolfgang A. Mozart mit Österreich assoziiert, aber auch Adolf Hitler und Sigmund Freud haben im Bild der „anderen" mit Österreich (freilich viel weniger als Mozart und Strauß) zu tun. Gegenwärtig lebende Personen wurden kaum gekannt. Insgesamt ist Österreich ein Etwas, das mit dem Wiener Walzer zu tun hat - schon Schuberts „Unvollendete" verlegen zahlreiche Ausländer ins Ursprungsland Deutschland, ebenso wie „Stille Nacht". Es ist - wie alle Stereotypen - ein einfaches, für den österreichischen 93 Günter Schweiger, Österreichs Image in der Welt. Ein weltweiter Vergleich mit Deutschland und der Schweiz, Wien 1992.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Leser zuweilen lachhaftes, zuweilen bedrückendes Fremdbild. Dieses Bild ist unverkennbar vom alten Phäakenstereotyp geprägt.94 Zur Entwicklung von
Österreich-Stereotypen
Die Zuschreibung kollektiver Eigentümlichkeiten hat eine lange Tradition. Mit dem „Österreicher" bzw. insbesondere dem Wiener hat man bestimmte Bilder schon verbunden, als „Österreich" nur die beiden Länder unter und ob der Enns bezeichnete. Es wäre zu fragen, inwieweit diese Österreich-Stereotypen dann mit dem „Haus Österreich" mitgewandert sind. Immerhin schied Äneas Silvius Piccolomini noch deutlich die „Österreicher" von den „Steirern" - jene schienen ihm albern, diese bösartig.95 Schon der Dichter des „kleinen Lucidarius" (oder „Seifried Helbling") suchte satirisch den „wahren Ostermann", der sich seiner „Landessitte" entsprechend verhalte und nicht (als „Osteraffe") Böhmen, Sachsen, Polen oder Rheinfranken imitiere.96 Es wäre verlockend, in diesem frühen Zeugnis kollektiver Unsicherheit so etwas wie den Beginn österreichischer Selbstzweifel zu sehen - in Wirklichkeit war es einfach eine Krise des Landesbewußtseins als Folge mehrerer Herrscherwechsel. Ihren Ausdruck finden Auto- und Heterostereotypen in umgangssprachlichen Zuschreibungen („Deutsche sind fleißig"), in klischeebestätigenden Romanfiguren oder Filmhelden, in Karikaturen. Neuerdings beschäftigt sich auch die Wissenschaft in zunehmendem Maße mit solchen Klischees und ihren optischen Ausdrucksformen. 97 Das in der Karikatur der Zweiten Republik so beliebte Bild vom Steirerhutträger (Angerer; Peichl) ist relativ jung. Der Deutsch-Österreicher der Monarchie wurde karikaturistisch mit einem „deutschen" Symbol dargestellt - mit dem etwas schlafmützigen „deutschen Michel".98 Umge94 Schweiger, Österreichs Image in der Welt, 294 f. 95 Dies die knappe Zusammenfassung Alphons Lhotskys, Historiographie, 60. 96 Ernst Bruckmüller, Das Landesbewußtsein der österreichischen Länder im Mittelalter, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde 2,1972, 29-33; s. auch unten S. 155 ff. 97 Arnold Suppan, Nationale Stereotypen in der Karikatur. Österreich und seine Nachbarn in Osteuropa, in: Herwig Wolfram I Walter Pohl, Hg., Probleme der Geschichte Österreichs und ihrer Darstellung (ÖAW, Veröff. d. Komm. f. d. Geschichte Österreichs, hg. v. R. G. Plaschka und A. M. Drabek, Bd. 18), Wien 1991,259-284; Peter Hanäk, Der Garten und die Werkstatt. Ein kulturgeschichtlicher Vergleich Wien und Budapest um 1900, Wien - Köln - Weimar 1992, bes. das Kapitel „Das Bild vom anderen. Verbürgerlichung und ethnische Vorurteile in der ungarischen Gesellschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts", 73-100. 98 Suppan, Nationale Stereotypen, 261 (Deutsch-Österreicher entweder als „deutscher Michel" mit Zipfelmütze oder als Alpenländer mit Federhut und Kniebundhose); zum „deutschen Michel" vgl. Karl Riha, Der deutsche Michel. Zur Ausprägung einer natio-
Selbst- und Fremdbilder
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kehrt erschienen in tschechischen Zeitungen die Deutschnationalen und -radikalen als bärenfellgeschmückte Urgermanen." In der ungarischen Karikatur wiederum erschien der Deutsche der Habsburgermonarchie entweder als biederer ungarländischer „Schwab", als städtischer (meist Preßburger) „Purger" oder als dürrer (Wiener) Bürokrat.100 Als Ausdruck der österreichischen Selbstzweifel der Ersten Republik galt eine gewisse karikaturistische Figur, der von dem Zeichner Carl Josef in der „Stunde" (die von 1923 bis 1938 erschienen war) geschaffene „kleine Österreicher", ein alter, verhutzelter Mann mit abgeschabtem Gehrock, verhatschten Schuhen und verbeultem Regenschirm.101 Die beiden nach 1945 bei der Rekonstruktion des „Österreichischen" aktiven Gruppierungen, einerseits die katholisch Orientierten wie Felix Hurdes, Alfred Missong oder Ernst Joseph Görlich, andererseits die Kommunisten - primär Ernst Fischer setzten zunächst ältere Stereotypen ein, um ein zustimmungsfähiges österreichisches Selbstbild aufzubauen. Dabei arbeiteten beide Richtungen mit weitgehend übereinstimmenden Bildern: Beide zitierten die „klassische" Preußen-ÖsterreicherStereotypisierung Hofmannsthals, beide bemühten das Phäakenstereotyp, beide zeichneten im Bereich des Abstammungsmythos übereinstimmend die Österreicher als „Mischung" und nicht als „reine" GermanenAbkömmlinge, beide sahen die große Zeit Österreichs in Türken- und Preußenabwehr (Maria Theresia), beide schrieben den Österreichern Toleranz und musikalisches Talent zu. Nur in einem Punkt sahen die beiden Richtungen einen Unterschied: Die Konservativen schätzten die Österreicher prinzipiell als konservativ ein, Fischer prinzipiell als fortschrittlich.102 Es fällt auf, daß die SPÖ bei der Entwicklung dieses Bildes fehlte; sie entwickelte erst in der Ära Kreisky ihr eigenes, bis heute dominierendes Österreichbild - Österreich als zwar kleine, aber erfolgreiche, international anerkannte Republik, möglichst ohne habsburgische Vorgeschichte, mit der ruhmreichen Sozialdemokratie der Ersten Republik als Ahnen und jener der Zweiten Republik als Zentrum dieser Erfolgsstory samt Kreisky als internationalem Schiedsrichter und identitätsstiftender Leitfigur.103
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nalen Allegorie im 19. Jahrhundert, in: Link / Wülfing, Hg., Nationale Mythen und Symbole, 146-171. Suppan, Nationale Stereotypen, 264. Hanâk, Garten, 76. Josef Schöner, Wiener Tagebuch 1944/1945, hg. v. Eva-Marie Csäky, Franz Matscher, Gerald Stourzh, bearb. v. Eva-Marie Csäky, Wien - Köln - Weimar 1992, 222. Reiterer, Nation, 58. Kreisky führte bei der Österreich-Untersuchung von 1980 als wichtigster lebender Österreicher, vgl. Österreichbewußtsein 1980, 40 - er war nicht nur der bekannteste Österrei-
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Lange schon existieren auch die negativen Klischees: Österreich als Land der Geistfeindschaft, der Antiintellektualität, der Unterdrükkung, das von einer chinesischen Mauer umgebene Land - so schon die Kritik des Vormärz! Österreich - das Land ohne Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, mit Leuten ohne Eigenschaften, wo man ziellos fortwurstelt, wo man sich's richtet. Österreich - das Land der Skandale, das Land, in dem eigentlich der Nationalsozialismus erfunden wurde und wo man sich nun ebendaran so gar nicht erinnern will, Österreich - die „Waldheimat".104 Nun ist ein derart konstruierter „Nationalcharakter", der sich noch weiter anreichern ließe, ja nicht nur ein Bild von außen. Dieses Bild kann unter Umständen mit gewissen Zügen des kollektiven Selbstbildes übereinstimmen. Wenn das Fremdbild den Betroffenen zutreffend erscheint oder gar schmeichelt, kann man es möglicherweise sogar gerne adoptieren. Nicht ganz unverdächtig ist in diesem Zusammenhang insbesondere die berühmte Österreich-Lobpreisung Grillparzers im „König Ottokar", wo es nach der eingehenden Schilderung der irdischen Wonnen, die dieses Österreich bietet, plötzlich - etwas verräterisch zurückhaltend - heißt: „... 's ist möglich, daß in Sachsen und beim Rhein Es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;"
- also eine kaum versteckte Bestätigung des Nicolaischen Vorwurfes österreichischer Bildungsfeindlichkeit, der ja im Vormärz häufig wiederholt wurde! „Allein was not tut und was Gott gefällt, Der klare Blick, der offne, richtge Sinn,"
- darin vermutet der Beobachter nun den Auftakt für eine Apotheose staatsbürgerlichen Selbstbewußtseins, doch es kommt anders: „Da tritt der Österreicher hin vor jeden, Denkt sich sein Teil und läßt die andern reden."
Diese Passage hat auch wegen ihrer grammatikalischen und logischen Schwäche Kritik gefunden.105 Jedenfalls decouvriert sie Grillparzers österreichisches? - Unterbewußtsein, das ganz deutlich selbst bestimmte Züge deutscher Stereotypen über Österreich reproduziert. Sie erscheinen im klassischen Phäakenstereotyp gebündelt. eher, ihm wurde auch die höchste Bedeutung und zugleich die höchste Note bei „charakteristisch für Österreich" verliehen. 104 Reiterer, Nation, 58. 105 Etwa bei Hans Weigel, Flucht vor der Größe. Sechs Variationen über die Vollendung im Unvollendeten, Graz - Wien - Köln 1978, 112.
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Das
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Phäakenstereotypm
Mich umwohnt mit glänzendem Aug das Volk der Phäaken, immer ist's Sonntag, es dreht immer am Herd sich der Spieß. (Friedrich v. Schiller)
Früh schon haben sich mit „Österreich" Attribute des guten Lebens verbunden. Äneas Silvius Piccolomini, der spätere Papst Pius II., hat das Phäakenstereotyp wirkungsvoll vorgeformt: Ungeheure Mengen von Lebensmitteln kämen täglich nach Wien, doch sei bis zum Abend immer alles verzehrt; die unteren Volksschichten dächten überhaupt nur ans Essen, die Wiener Studenten würden lieber des Nachts herumstrolchen, als zu studieren, weil es überall wohlfeilen Wein gäbe und weil die Wiener Frauen auch ihre Freude am lockeren Leben hätten. Diese Linie läßt sich weiter verfolgen, über Johann Rasch und Wolfgang Lazius im 16. Jahrhundert, über Abraham a Sancta Clara im späten 17. Jahrhundert bis zu Johann Basilius Küchelbecker, Friedrich Nicolai und Friedrich Schiller. Küchelbecker hat 1730 immerhin eine sozioökonomische Begründung für das gute Leben in Österreich und insbesondere in Wien - geboten; nach Wien als kaiserlicher Residenz fließe eben soviel Geld, daß es kein Wunder sei, „wenn das Glück, der Reichthum und guten Tage die Herren Österreicher hochmütig, lüstern und verschwenderisch machen."107 Nicolai hat das Phäakenstereotyp schließlich unausrottbar in die deutsche Geisteslandschaft eingepflanzt: „... alles was Luxus und Luxuria zur Schwächung menschlicher Kräfte nur Verderbliches hervorbringen kann, [ist] in Wien ebenso sehr, und noch mehr als in Paris und London im Schwange."108 Noch 1842 klagte Eduard von Bauernfeld, daß „kein deutscher Literator", wenn er Wien besuche, nicht aufs neue diesem Stereotyp huldige, ohne sich viel um die Wirklichkeit zu bekümmern. 109 106 Peter Melichar, Phäakisch - intellektuell, in: Ostarrichi - Österreich. 996-1996. Menschen - Mythen - Meilensteine. Katalog der Österr. Länderausstellung. Neuhofen und St. Pölten (Wien 1996). 107 J. B. Küchelbecker, Allerneueste Nachricht vom Römisch-Kayserl. Hofe . . . Hannover 1730, 101, zit. nach Gertrude Fechner, Johann Basilius Küchelbecker über Wien und die Österreicher, in: Wiener Geschichtsblätter 42, 1987, 45-53, hier 47. 108 Thorsten Sadowsky, Reiseerfahrung und bürgerliche Mentalität. Das Bild vom josephinischen Wien in den Berichten deutscher Reisender in den Jahren 1780-1790. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 47/48 (1991/92), 229-282. Das Nicolai-Zitat hier gleich eingangs. 109 A n o n y m (Eduard von Bauernfeld), Pia desideria eines österreichischen Schriftstellers, Leipzig 1842,14: „Kein deutscher Literator, der im Solde seines Verlegers reist und seine dürftigen Anschauungen in Reiseskizzen zu Markt bringt, kehrt aus Wien zurück, ohne von den „gemüthlichen" Wienern, von Volksleben, Fiakern, Strauß und Lanner, vom
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In Wahrheit seien die Wiener aber „verzweifelt ernsthaft" geworden, keineswegs seien Lanner, Strauß und die Backhendeln ihre ausschließlichen oder auch nur wichtigsten Sorgen.110 In der Tat dürfte das relativ billige Leben in Österreich im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert einen höheren Konsum an Lebensmitteln ermöglicht haben als in den meisten deutschen Städten. Daß fremden Beobachtern natürlich primär der statusorientierte Konsum von Oberschichten in die Augen stach und nicht das - vermutlich - insgesamt erheblich frugalere Leben der Unterschichten, sollten wir jedoch nicht übersehen.111 Die Auseinandersetzung mit dem Phäakenstereotyp in Österreich selbst hat Tradition. Auf Eduard von Bauernfeld wurde schon hingewiesen. Anton Wildgans hat in seiner berühmten Rede über Österreich die Herrschaft dieses Stereotyps zu entthronen versucht - mit Ausnahme des einen Inhalts, daß die Insel der Phäaken ein „Eiland des Gesanges" gewesen sei. Zugleich reproduziert Wildgans zahlreiche andere österreichische Klischees, etwa das vom deutschen, aber doch durch die „Mischung vieler Blute" etwas anderen Österreicher, vom österreichischen Menschen, der „tapfer, rechtschaffen und arbeitsam" sei, ein Dulder, und jedenfalls eine „Künstlernatur".112 „Schöpferische Mitte" - das „Kulturland
Österreich"
Nach 1945 hat dieses Genre von Selbstzuschreibungen aus guten Gründen besonders floriert. 1947 versuchte der bekannte Soziologe August Maria Knoll, ausgehend von der Ikonographie einer bestimmten Darstellung des heiligen Leopold in Klosterneuburg, den „Genius Austriae" zu umschreiben als „... die Idee von der Harmonie des Lebens ..., welche auch die Seele und Krone, ja der Genius des ewigen Österreichertums geworden ist. Das ist - mit anderen
Prater und Backhühnern zu erzählen, wohl auch gelegentlich Schiller's Distichon vom Lande der Phäaken zu citiren." 110 Ich habe diese Bemerkung Bauernfelds als Ausdruck der beginnenden Konstituierung einer neuen bürgerlichen Klasse interpretiert in: Ernst Bruckmüller, Wiener Bürger. Selbstverständnis und Kultur des Wiener Bürgertums, in: H. Stekl / P. Urbanitsch / E. Bruckmüller / H. Heiss, Hg., „Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Gerechtigkeit" (Bürgertum in der Habsburgermonarchie II), Wien - Köln - Weimar 1992, 43-68, hier 48 f. 111 Roman Sandgruber, Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Konsumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, Wien 1982, 222 ff. 112 Anton Wildgans, Rede über Österreich (1929, in: Wildgans, Werke, Bd. 4, Leipzig 1932, 198-208 (hier zitiert nach: Ulrich Weinzierl, Hg., Lächelnd über seine Bestatter: Österreich. Österreichisches Lesebuch von 1900 bis heute, München - Zürich 1989, 72 ff.)
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Worten - die Idee der schöpferischen Mitte aller Gegensätze und Spannungen, sowohl der geistlichen wie auch der weltlichen Menschheitsgeschichte!"113
Knoll spricht dem „Österreichischen" Vielsprachigkeit und Multikulturalität zu. Auch das Theater gehört zum österreichischen Autostereotyp: „Nirgends in der Welt besitzt der Schauspieler diese öffentliche, ja sakrale Geltung wie in Wien, in Österreich. Theater ist hier Staatsaktion und Kult!". Aber noch wichtiger ist für dieses Selbstbild die Musik: „Buchstäblich aber ,erobert' hat Österreich die Welt durch die Musik [...] Ebenbürtig neben der Königsberger Philosophie und Vernunftkritik [...] steht die Wiener Symphonie, die das Allgemeinmenschliche verbindlich zelebriert."114
Und Knoll schließt, nicht ohne den Wert eines Nationalcharakters, der „seine Ruhe" haben will, verträglich ist und einen gewissen Relativismus enthalten soll, hervorzuheben: „Ja, diesen Schuß ins Relativistische, Erkenntniskritische, das hat Österreich. Daß wir die Dinge dieser Welt nicht allzu ernst nehmen - das ist österreichisch! .. ,"115 Knoll hat eine ganze Fülle von Österreichklischees ausgebreitet, die allesamt ihre mehr oder weniger ehrwürdigen Vorfahren haben, oft zitiert und variiert, aber ebensooft auch in Frage gestellt wurden. Robert Musil etwa sprach davon, daß die „österreichische Kultur" ein „perspektivischer Fehler des Wiener Standpunktes" sei.116 Das „Kulturland Österreich" ist eines der am häufigsten zitierten Selbstbilder dieses Landes. Es ist auch eines der am häufigsten erfahrbaren Fremdbilder. Freilich heißt Kultur hier immer wieder: die Traditionen der „Wiener Klassik", die Traditionen des Barock, des Biedermeier, allenfalls von „Wien um 1900", die Traditionen des Wiener Walzers. Und genau damit kommt man ja jedes Jahr am 1. Jänner pünktlich weltweit ins Fernsehen. Das Bild des Großen Musikvereinssaales wird fast überall in der Welt mit Österreich assoziiert.117 Natürlich ist dieses Kulturbild stark vergangenheitsfixiert. Die Fähigkeit, in dieses Bild Neues zu integrieren, setzt häufig voraus, daß auch dieses „Neue" bereits Patina angesetzt hat - oder daß die „Neuerer" lange nach ihren wirklich „neuen" Schöpfungen (zuweilen auf ganz anderen Gebieten, und nicht immer zur Freude ihrer 113 August M. Knoll, Genius Austriae, in: Die Furche, Jahrbuch 1947, Wien, 259 bis 265, hier 259. 114 Knoll, ebd., 261. 115 Knoll, ebd., 264. 116 Robert Musil, Der Anschluß an Deutschland (März 1919, in: Gesammelte Werke, hg. v. Adolf Frisé, Bd. II, Reinbek 1978), 1039. 117 Schweiger, Österreichs Image, 25 ff.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
früheren Bewunderer) Anerkennung erfuhren, wie etwa Friedensreich Hundertwasser: Seine Bauten zieren bereits zahlreiche Ansichtskarten, d. h. sind bereits zu den Ehren der Symbolaltäre gelangt. Dieses „Kultur"-Selbstbild schlug sich recht deutlich auch im Konflikt um den „Heldenplatz" oder, genauer gesagt, in den Auseinandersetzungen um die Uraufführung von „Heldenplatz" von Thomas Bernhard im Burgtheater 1988 nieder. Die dabei auftretenden Konfliktlinien im zeitlichen Abstand von einigen Jahren nachzuzeichnen ist nach wie vor informativ. Wir stützen uns dabei weniger auf die Kommentare der Medien, sondern auf die Ergebnisse der Meinungsforschung.118 Im Dezember 1988 und Jänner 1989 wurden 500 Menschen zu den Aufgaben des Theaters, zur Subventionierung des Theaters durch die öffentliche Hand, zur Aufführung von „Heldenplatz" und zur Diskussion ebendarüber befragt. Nur 30% hielten die ganze Debatte für eine „ernste Sache", genauso viele (30%) vertraten die Ansicht, daß man damit nur von wichtigeren Problemen ablenken wollte. Die Befragung bestätigte freilich ein anderes, sehr altes Österreichklischee: 38% der Theaterbesucher und 43% der Nichttheaterbesucher gaben zur Antwort, man gehe wegen der Schauspieler ins Theater; auch unter den regelmäßigen Theaterbesuchern gingen nur 26% wegen der Stücke. Etwa 85% der Befragten äußerten durchaus traditionelle Ansichten über das Theater: Es möge der Unterhaltung und Entspannung dienen und andererseits den Sinn für das Schöne und Gute wekken. Immerhin 74% bejahten aber auch die Funktion „Aufmerksam machen auf aktuelle Probleme und Mißstände". Für die öffentliche (finanzielle) Unterstützung der Theater sprachen sich 79% aller Theaterbesucher, aber nur 62% aller Nichttheaterbesucher aus. Junge Leute wollten das Theater eher subventioniert sehen als ältere. Die Aufführung des Stückes unterstützten 60% der regelmäßigen Theaterbesucher, aber nur 46% der Nichttheaterbesucher, 13% hätten es gerne verboten gesehen. Das Selbstbild vom „Kulturland Österreich" - in der Einschränkung auf die reproduzierende Kulturproduktion - wird durch solche Auseinandersetzungen eher bestätigt: Burgtheater und Staatsoper gelten als wichtig. „Kultur" in diesem engen Sinne ist eben bedeutsam, weil sie als bedeutsam gesehen wird, selbst von Medien, deren Wirken ansonsten nicht unbedingt als kulturelles interpretiert werden kann. Dieses Theater um das Theater kann nur so erklärt werden, daß das Burgtheater ein zentrales bildungsbürgerliches Symbol des deutsch118 Das folgende nach SWS-Rundschau 29/1989, Heft 2, 257-264.
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österreichischen Selbstbewußtseins im 19. und frühen 20. Jahrhundert war: Das Burgtheater war ein Hoftheater, also kaiserlich, eine höfische Kulturinstitution, seit dem späten 18. Jahrhundert freilich stark ins Bürgerliche gewandelt. Das Burgtheater war aber seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eines der bedeutendsten Theater der deutschen Sprache - über dieses konnte sich der deutsch-österreichische Bildungsbürger im Zentrum der imaginierten „deutschen Kultur" fühlen.119 „Burgtheater" bedeutet daher die höchste Ausformung jenes „Österreichischen", das zugleich von enormer Bedeutung für den gesamten „deutschen" Kulturraum sei. Das bedeutet natürlich eine stete Verbindung mit dem gesamten deutschen Sprachraum, aber auch, daß von diesem Zentrum Verbindlichkeit nach außen strahlt - und nicht aus Bochum in jenes hereingetragen wird. Auf das letztere reagiert daher auch der österreichische Bildungsbürger empfindlich, vor allem dann, wenn ein „deutscher" Direktor über „seine" Stücke den Österreichern ihre angeblich notorische kollektive Niedertracht vor Augen hält. Die Insel der Seligen und der
Neutralitätsmythos
Ein immer noch wichtiger Bestandteil österreichischen Selbstverständnisses ist der Neutralitätsmythos. Freilich haben sich „... die expressivsymbolischen Komponenten des österreichischen Neutralitätsverständnisses ..." unverkennbar abgeschwächt, stellten Fritz Plasser und Peter A. Ulram 1994 fest. Aber immer noch erfordere die „affektive Ladung" des österreichischen Neutralitätsverständnisses ein Höchstmaß an argumentativem Erklärungsaufwand. 120 Die mythologische Qualität dieses Selbstverständnisses wird aus gewissen Assoziationen der Österreicher zur Neutralität deutlich: „Neutralität" heißt danach nicht einfach, in einen Krieg anderer Staaten nicht einzugreifen oder eine der Streitparteien nicht bevorzugt zu behandeln, sondern es heißt - so meinen viele - „nicht angegriffen werden", „Hilfe erwarten können": „ N a c h d e r S W S - U m f r a g e v o m S e p t e m b e r 1991 d u r f t e Ö s t e r r e i c h n a c h A n s i c h t v o n 64[!] P r o z e n t a u f g r u n d s e i n e r N e u t r a l i t ä t e r w a r t e n , d a ß i h m i m F a l l e e i n e s A n g r i f f s a n d e r e S t a a t e n z u H i l f e k o m m e n w ü r d e n ; nur 19 P r o z e n t v e r n e i n t e n dies." 1 2 1 119 Daran erinnern die bekannten Klischees, daß man am Burgtheater das schönste Bühnendeutsch gesprochen habe, ja, daß das Burgtheaterdeutsch die verbindlichste Ausformung des Hochdeutschen überhaupt gewesen sei. 120 Fritz Plasser / Peter A. Ulram, Kognitive und affektive Barrieren der Entwicklung eines europäischen Bewußtseins, in: Peter Gerlich / Heinrich Neisser, Hg., Europa als Herausforderung. Wandlungsimpulse für das politische System Österreichs (Schriftenreihe des Zentrums für angewandte Politikforschung Bd. 5), Wien 1994, 209-238; hier 227. 121 Hanspeter Neuhold, Die dauernde Neutralität Österreichs, in: Neuhold / Luif, Hg., Außenpolitisches Bewußtsein, 87-108, hier 94.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Im September 1991 vertraten ferner 77% die Meinung, daß ein neutraler Staat erwarten könne, nicht angegriffen zu werden. 71% sahen in der Neutralität die Garantie, in keine militärischen Konflikte verwikkelt zu werden, und 69% verbanden mit „Neutraliät" die Erwartung, daß sich dritte Staaten nicht in die inneren Angelegenheiten Österreichs einmischen würden. „Der bezüglich der Unterstützung durch andere Staaten im Falle eines - als unwahrscheinlich angesehenen - Angriffs aufgezeigte, ,blauäugige' Optimismus erstreckte sich auch auf die UNO: 62 Prozent rechneten mit der Hilfe durch UNTruppen in einem derartigen Fall."122
Daß in der Präambel zum Neutralitätsgesetz vom 26. Oktober 1955 ebenso wie in der Präambel zum Nationalfeiertagsgesetz die Neutralität im engsten Zusammenhang mit der Behauptung der österreichischen Unabhängigkeit durch Österreich selbst steht, wird in diesem Zusammenhang kaum mehr bewußt.123 Wie ja die Bereitschaft, diese eigene, neutrale Position notfalls auch zu verteidigen, keine sehr ausgeprägte ist.124 „Neutralität" ist daher schlicht und einfach ein Synonym für „Österreich" geworden, wie es ist: selbstbezogen, selbstzufrieden, eng. Niemand faßt die Neutralität so ernst auf wie die Schweizer, die sich dieses Alleinsein sehr viel kosten lassen - nicht nur militärisch, sondern sogar durch die Nichtteilnahme an der EU, wahrscheinlich auch ökonomisch. Nein, das österreichische Neutralitäts-Selbstbewußtsein hat mit tatsächlicher „Neutralität" wenig zu tun. Das zeigt sich nicht nur in den seltsamen Windungen einer Politik, die einen eigenen strafrechtlichen Tatbestand „Neutralitätsgefährdung" erfindet, um in Wirklichkeit ganz etwas anderes damit zu leisten, nämlich die Befriedung eines unzufriedenen Flügels der SPÖ. Dieselbe Politik erteilt aber Überflugsgenehmigungen und Durchfahrtserlaubnisse für Militärgeräte, wenn der entsprechende Krieg nur von der UNO beschlossen ist. Was steht also hinter dem Neutralitätsmythos? Sieht man ihn zusammen mit anderen Komponenten des österreichischen Selbstbewußtseins, der starken Selbstbezogenheit und der geringen Außenorientierung der Österreicher, dann läßt sich folgende These überlegen: Die mythologische Auskleidung der Neutralität ist die „origo gentis", die Stammessage der Österreicher der Zweiten Republik. Sehr viele Österreicher nehmen sowieso die Zeit um 1955 als Entstehungszeit des österreichischen Nationalbewußtseins an. Das Symbol für diese Annahme 122 Neuhold, ebd., 95. 123 S.o. S. 105. 124 Reiterer, Nation, 97 ff. 125.
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ist die Neutralität. Die Hochschätzung der Neutralität und die Annahmen, die sich um sie herum gruppiert haben, drücken aus, daß die Österreicher nunmehr ihre Kleinstaatsexistenz akzeptiert haben, daß sie aber nach wie vor nicht glauben, daß ein Kleinstaat auch verteidigungsfähig sei. Daher die Erwartungen, daß ein sich selbst akzeptierender Kleinstaat im Bedrohungsfalle auf Hilfe rechnen könne. Der nicht ganz realitätsfremde Kern dieses - an sich zutiefst illusionären Gedankengebäudes liegt vielleicht in der Wahrnehmung von Kleinstaaten als notwendig außenabhängigen und daher auf das Wohlwollen der „anderen" stärker angewiesenen politischen Einheiten. Ein Papst hat diesem isolationistischen Selbstbild die Metapher von der „Insel der Seligen" geschenkt. Paul VI. sprach am 18. November 1971 gegenüber Bundespräsident Franz Jonas von Österreich zwar als einer Insel der „Glücklichen", aber bald wurde daraus die elysäische Wendung der „Insel der Seligen"; spätestens seit einem Buchtitel von Hellmut Andics war sie in aller Munde. 125 In der Tat hat ja Österreich - nach einer eher weniger glücklichen ersten Jahrhunderthälfte - in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine im allgemeinen ruhige, im ökonomischen Bereich zeitweilig auch fulminante Entwicklung genommen. Womit dies zusammenhängt, brauchen wir hier nicht zu untersuchen. Wichtig ist für uns, daß diese gute Entwicklung den Österreichern eine Situation der Zufriedenheit vermittelte, die jene mit den Symbolen des österreichischen Alleinseins verbanden. D a ß dabei die zentrale ökonomische Grundlage für das österreichische Wirtschaftswunder, nämlich offene Grenzen wenigstens in Richtung der entwickelten Welt, zugunsten einer Inselphantasie ins Nichtbewußte abrutschte, ist eine besondere Kuriosität - gerade kleine Volkswirtschaften können bei der hochentwickelten Arbeitsteilung der gegenwärtigen Wirtschaft keineswegs in Isolation bestehen. Österreich als Brücke Das Rollenverständnis der Österreicher hält das Bild der „Brücke" hoch, obwohl diese seit den 1960er Jahren hinter die Vorstellung von Österreich als „neutraler Friedenszone" auf den zweiten Platz abgerutscht ist:
125 Hellmut Andics. Die Insel der Seligen. Österreich von 1943 bis 1975, Wien - Zürich 1975.
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Tabelle 23: Österreich - Rollenverständnis 1964-I987126 Zustimmende Antworten Österreich... neutrale Friedenszone zwischen den Machtblöcken Brücke zwischen Ost und West Träger eines großen kulturellen Erbes Schaufenster der Demokratie nur für die Österreicher da Vorhut des christl. Abendlandes Bollwerk gegen Osten
1964
Rangzahlen 1980 1987
Prozentwerte 1980 1987
2
1
1
1
2
2
75 57
71 62
6 4 3 6 5
3 4 5 6 7
3 4 5 6 7
47 38 26 17 7
45 33 16 10 6
1987 sahen zwar Österreicher mit steigender Tendenz ihr Land als „Brücke", aber nur wenige als „Bollwerk" - um den Titel einer steiermärkischen Landesausstellung zu zitieren, die zweifellos mit einem nicht unbekannten Autostereotyp - zumindest - der Steirer rechnete. Nur die Brückenfunktion erhielt damals mehr Stimmen als 1980, bei allen anderen Rollenzuschreibungen hingegen erwiesen sich die Befragten als zunehmend skeptisch. Nur der Neutralitätsmythos (hier verkleidet als Funktion einer „Friedenszone") erhielt mehr Zustimmung als die „Brücke". Wie sich diese Vorstellungen bis heute entwikkelt haben, ist nicht ganz klar. Nach der enorm hohen Zustimmung zu den rigiden Ausländergesetzen zu schließen, scheinen aber völkerverbindende oder Offenheit nach allen Seiten signalisierende Phantasien mit Österreich kaum mehr verbunden zu werden. Zur Zeit driften die Österreicher eher in Richtung Isolation - dieser Wunsch läßt sich aber mit dem Neutralitätsmythos recht gut verbinden. Die angenommene Ost-West-Brückenlage, verbunden mit der Vorstellung, im Zentrum oder „Herzen" Europas zu liegen - „liegst dem Erdteil du inmitten", heißt es in der Bundeshymne -, läßt sich aber nicht nur für Österreich postulieren. Schon Robert Musil hat im „Mann ohne Eigenschaften" die Selbstzuschreibung „Herz Europas" dem Deutschen Arnheim in den Mund gelegt, zur geringen Freude des österreichischen Grafen Leinsdorf, der gern Österreich als Herz Europas gesehen hätte. Das „Gehirn" Europas zu sein, hätte er den Deutschen hingegen durchaus konzediert.127 Daß das von den Österreichern gern gebrauchte Selbstbild als „Brücke zwischen Ost und West" im späteren 20. Jahrhundert auch von Deutschen für sich selbst gebraucht 126 Österreichbewußtsein 1987, 20. 127 Auf diese Stelle verweisen Ute Gerhard und Jürgen Link, Zum Anteil der Kollektivsymbolik an den Nationalstereotypen, in: Link / Wülfing, Hg., Nationale Mythen und Symbole, 16 f.
Selbst- und Fremdbilder
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wurde, zeigen Umfrageergebnisse von 1958, wonach 32% der Befragten in der Brückenfunktion eine „deutsche Aufgabe" sahen. Damals deutete diese Haltung auch auf Skepsis gegenüber der deutschen Westintegration hin.128 In der Gegenwart sind konkrete Bemühungen der tschechischen Regierung bekannt, Prag diese Rolle als Zentrum Europas zuzuordnen. Auch dahinter stehen ältere historische Bilder. Je nachdem, wo man die Grenzen Europas annimmt, könnte die Mitte Europas aber auch in Krakau oder Brest-Litowsk gesucht werden. Irgendwo in der „Mitte", im Zentrum der Welt zu liegen, scheint daher weniger mit der Realität der Lage eines Landes zu tun zu haben als vielmehr mit einem Bedarf an Roilenzuschreibung, wie er sich - mit viel mehr Berechtigung - ja auch in der chinesischen Selbstzuschreibung als „Reich der Mitte" niederschlägt.129 Abstammungsphantasien Abstammungsmythen gehören zum ständigen Repertoire jeder nationalen Mythologie - der Glaube an eine gemeinsame Abstammung ist in vornationalen Gesellschaften (Stämmen) geradezu konstitutiv für ethnisches Gemeinschaftsbewußtsein. In der Gegenwart ist die gemeinsame Abstammung nicht mehr unbedingt ein zentraler Glaubenssatz nationaler Zusammengehörigkeit - nur etwa 6% der Befragten haben Mitte der 1980er Jahre die „gemeinsame Abstammung" als Grundlage für eine Nation genannt. 130 In den älteren Österreichbildern erscheint die Abstammungsmythologie in zwei verschiedenen und durchaus gegensätzlichen Ausformungen - in einer „germanischen" und einer, die die Österreicher als Menschen von überwiegend oder teilweise „gemischter" Abstammung sieht. Man kann das Weiterleben dieser mythologischen Komplexe immer wieder erkennen. 131 „Abstammungsmäßig sind die deutschsprachigen Österreicher zum größten Teil Baiern, zu einem kleinen Teil Alemannen, und niemand wird daran zweifeln, daß Baiern und Alemannen Deutsche sind ..." schrieb ein Klagenfurter Sprachwissenschaftler 1989 und ist damit einer 128 Wilfried Loth, Die Deutschen und das Projekt der europäischen Einigung, in: Wilhelm Mommsen, Hg., Der lange Weg nach Europa, Berlin 1992, 39-69, hier 49. 129 Ob in dieser Vorliebe für die „Mitte" eine säkularisierte Form der Vorstellungen eines mythischen Zentrums der Welt weiterlebt? Dazu Mircea Eliade, Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte, Salzburg 1954,430 ff. 130 Reiterer, Nation, 5. 131 Das folgende nach Ernst Bruckmüller, Die gespaltene Mythologie, in: Peter Gerlich / Krzysztof Glass, Hg., Zwischen den Zeiten, Wien 1992,197-210.
128
Mythen, Bilder, Stereotypen
der vielen Zeugen für den „deutschen" Abstammungsmythos der Österreicher. Eine Variante dieses Mythos haben wir oben bei Wildgans kennengelernt. Das Gegenbild des „deutschen" ist der multikulturelle Mythos, nach dem die Österreicher eben von allen Seiten irgend etwas mitgebracht hätten und daher deutsche Ordnung, slawische Seele, ungarische Küche und italienische Musikalität in unnachahmlicher Weise vereinigten. Für das gegenwärtige Nationalbewußtsein ist es dabei viel weniger wichtig, von wem irgendwer abstammt, als von wem man sich abstammungsmäßig herzuleiten glaubt. Immer hat man sich über sich selbst bzw. von der eigenen ethnischen Gruppe ein Bild dadurch gemacht, daß man sich von gewissen Göttern - oder, später, von gewissen Völkern - herleitete. Diese geglaubte Abstammung hat mit den genealogischen Realitäten manchmal nur wenig gemeinsam. Hieb- und stichfeste Beweise werden für die Zeit vor der Anlegung der Matriken - 17. Jahrhundert - kaum zu gewinnen sein. Faktisch entwickelten schon seit Jahrhunderten die Populationen der Städte und jene des Landes unterschiedliche Ergänzungsmuster: In die Städte - vor allem in die größeren - wanderte man, im Zuge der Handwerkerwanderung, auf der Suche nach Arbeit, nach Erfolg und Hofdienst, oft über weite Strecken zu. Das Land blieb von solchen Wanderungen über lange Zeiträume hin verschont. Zumindest im ländlichen Bereich der Neuzeit waren die Heiratskreise sehr häufig tatsächlich mit dem Kirchturmhorizont identisch. Wir wissen freilich nicht, wie weit wir diese Muster zurückprojizieren können. Unbekannt sind auch die Ausmaße der sogenannten „deutschen Ostkolonisation"; durch sie ist ja Österreich fast zur Gänze zu einem deutschsprachigen Land geworden. Man sollte freilich für das frühere Mittelalter eher von „Bajuwarisierung" und „Alemannisierung" sprechen als von „Germanisierung". Deutsche Forscher meinen, es seien nur einige hunderttausend Menschen gewesen, die zwischen Ostsee und Adria wirklich gewandert seien. Die Größe der vorbairischen und voralemannischen Populationen, auf die die bairischen Siedler trafen, ist vollends unbekannt. Vielfach hat es Assimilationsvorgänge gegeben, die ursprünglich in beide Richtungen wirkten. So haben bairische Adelsfamilien in Karantanien auch slawische Namen in ihr Namengut aufgenommen.132 Schließlich setzte sich die Sprache der neuen Herren als dominant durch und verdrängte die älteren Sprachen der Einheimischen. Freilich 132 Michael Mitterauer, Slawischer und bayerischer A d e l am Ausgang der Karolingerzeit, in: Carinthia 1 150,1969, 693-726.
Selbst- und Fremdbilder
129
hat sich in Kärnten und Südtirol der Gebrauch dieser älteren Sprachen zum Teil bis heute erhalten. Aber auch die Slawen und die romanisierten Alpenbewohner waren in diesem Sinne nicht „Urbevölkerung", auch sie waren Produkte gesellschaftlicher Vorgänge, von Wanderung, Eroberung, Überschichtung, Assimilation. Der Abstammungsmythos kann daher für das Gegenwartsbewußtsein letztlich bloß dekorative Funktion haben: Jeder Genealoge wird darüber Auskunft geben können, daß sich die je eigenen Vorfahren in jeder Generation quadratisch vermehren und jeder einzelne Europäer - auch bei sicherem „Ahnenverlust" durch Identität verschiedener Urahnen auf an sich verschiedenen Stammbaumpositionen - eine Unzahl höchst verschiedener Vorfahren hat; um 1200 schon mehr als 2 Millionen. Daher ist es völlig unsinnig, irgendeine „nationale" Besonderheit durch genealogische Spekulationen untermauern zu wollen. Der „österreichische Mensch" und die „österreichische Seele" Der „österreichische Mensch" als idealtypische Verkörperung gewisser Stereotypen oder auch als Versuch, solche Stereotypen zu korrigieren, wurde von verschiedenen Autoren (re-)konstruiert. Neben Hugo von Hofmannsthal sind insbesondere Anton Wildgans und Alphons Lhotsky zu nennen. Lhotskys „ österreichischer Mensch" wurde knapp vor seinem Tode formuliert, ein ergreifendes Dokument - aber letztlich nur ein Selbstbild seiner eigenen, beeindruckenden Gelehrtengestalt.133 In vielem entspricht dieses Bild dem von Wildgans. Analoge Bescheidenheits-Topoi finden sich aber schon bei Raimund und - natürlich Grillparzer („beneidet nicht, läßt lieber sich beneiden"). Immer existierten auch schon Gegenbilder, wie das furchtbare „österreichische Antlitz" aus den „Letzten Tagen der Menschheit" von Karl Kraus, der „Herr Karl" von Karl Merz und Helmut Qualtinger, Erwin Ringels „ Österreichische Seele". Obwohl Erwin Ringel seine Ausführungen ausdrücklich damit einleitet, daß sie keine Pauschalierungen seien, sind sie's dann doch.134 Kurz zusammengefaßt vermuten diese Zuschreibungen, daß in Österreich überdurchschnittlich viele 133 Lhotsky war ein Mensch von fast unfaßbarer Erudition, voller Begeisterung für seine Wissenschaft, aufopfernd tätig, dabei von der eigenen Person und vom eigenen Wohlergehen bis zum Äußersten absehend, höchst skrupulös, was das eigene Werk betraf. So ungefähr sah Lhotsky auch die (von ihm zu diesem Zeitpunkt - 1967 - bereits als ausgestorben betrachtete!) Spezies „Österreicher"; vgl. auch unten, S. 234 ff. 134 Erwin Ringel, Die österreichische Seele. 10 Reden über Medizin, Politik, Kunst und Religion, Wien 61984; ders., Zur Gesundung der österreichischen Seele, Wien 21987.
130
Mythen, Bilder, Stereotypen
Neurosen entstünden, daß hier Kinder mehr als in anderen Ländern schlecht behandelt würden, daß es hier eine überdurchschnittlich hohe Selbstmordneigung gäbe usw. Das statistische Material zu diesen Fragen ist ziemlich roh. Es zeigt allerdings, daß es im internationalen Vergleich eine hohe Selbstmordrate in Österreich gibt; auch die Zahl der Unfalltoten ist beträchtlich, genauso wie die Zahl der Opfer übermäßigen Alkoholgenusses: Tabelle 24: Sterbefälle nach Todesursachen 1982135 Gestorbene auf 100.000 Einwohner gleichen Geschlechts HerzKreislauf
Krebs
Unfälle
Selbstmord
Leberzirrhose
Belgien (1979)
m. w.
492 481
314 218
68 49
28 15
17 10
BRD
m. w.
547 620
270 250
52 36
30 14
34 17
Frankreich (1981)
m. w.
353 396
287 185
80 59
29 11
40 16
Italien (1980)
m. w.
458 472
258 171
59 34
10 5
49 20
Niederlande
m. w.
393 344
263 182
34 24
13 9
7 4
Österreich
m. w.
588 694
266 243
82 45
42 15
43 16
Schweiz (1981)
m. w.
446 455
270 200
62 36
34 14
20 6
Ungarn
m. w.
736 718
300 230
85 53
62 26
45 20
Bei einigen der hier angeführten Todesursachen liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld: so beim Unfalltod der Männer, bei Selbstmord, bei der Leberzirrhose. Dagegen fällt Österreich bei den „typischen" Todesursachen des 20. Jahrhunderts, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Krebs, statistisch nicht aus dem Rahmen. Aus ähnlich strukturierten Daten der 1970er Jahre konnte Walter Pieringer 1992 folgende Aussage formulieren: „Die relativ stabile Kurve der Unfalltoten [...] zeigt, daß der Aggressions-Autoaggressionsspiegel sich hoch, doch gleichbleibend bewegt [...] Die bekannt hohe Selbstmordrate in Österreich, wobei Ungarn, Tschechoslowakei und Finnland höhere Raten aufweisen, korreliert mit der hohen Zahl an Straßenverkehrstoten in Österreich. Beide Aspekte sind zumindest auch als Zeichen eines relativ hohen 135 Statistisches Handbuch der Republik Österreich XXXVI, 1985, 544.
Selbst- und Fremdbilder
131
unkultivierten Aggressionspotentials zu verstehen, welches sehr unmittelbar zu Selbstschädigung bzw. Selbsttötung führt."136
Die neuesten Daten zeigen hinsichtlich der Selbstmordraten wenig Veränderung: Nach wie vor führt in dieser traurigen Statistik Ungarn vor Finnland und Österreich, gefolgt von Dänemark, der Schweiz, der Ex-UdSSR, Luxemburg und der Ex-Tschechoslowakei.137 Was die Unfalltoten anlangt, so konnte Österreich seine bis in die 1980er Jahre für ein „entwickeltes" Land unverhältnismäßig hohen Zahlen tödlicher Arbeitsunfälle deutlich vermindern, die (relative) Zahl der Verkehrsopfer sank hingegen nur ganz leicht.138 In nicht wenigen Fällen, vor allem beim typischen Disco-Unfalltod junger Menschen - eines jener großen Probleme unserer Gegenwart, die keine Publizität erhalten, weil ihre offene Diskussion zuviele Geschäfte stören würde verbinden sich, wie Pieringer andeutet, Verhaltensweisen, die an die Mutproben bei Initiationsriten älterer Stammesgesellschaften erinnern, mit der viel zu leicht erlangten Herrschaft über viel zu viele Pferdestärken. Über dieses Problem gibt es nur wenig öffentliche Diskussion. Es gibt einige solcher typischen Tabus in Österreich: der alkoholverursachte Unfalltod auf der Straße, die Selbstmordhäufigkeit, die Abtreibung. Allen drei Tabubereichen ist gemeinsam, daß man mit der Diskussion über sie die Diskussion um den Wert von Leben nicht führen will. Die von Ringel vermuteten Zusammenhänge erschienen daher weiter diskutierenswert. Es ist typisch auch für den Zustand der österreichischen Sozialforschung, daß diese drei Bereiche kaum Themen der Empirie sind; bei den Abtreibungen wurde das ja auch bewußt verhindert, hier darf es nicht einmal statistisches Material geben.139
136 Walter Pieringer, Psychotherapie und Politik, inr Wolfgang Mcititl, Hg., Politik in Österreich, Wien - Köln - Graz 1992, 243-260, hier 246. 137 Journal für Sozialforschung 33,1993, Heft 3,314 f. („Euro-Social", nach World Health Statistics, 1990). 138 Journal für Sozialforschung 33, 1993, Heft 3, 316 f., („Euro-Social", nach World Health Statistics, 1990). 139 Damit steht Österreich freilich nicht allein. Daten über legale Schwangerschaftsabbrüche liegen aber immerhin aus Island, dem UK, Kanada, Frankreich, Norwegen, Schweden, Finnland, den Niederlanden, Dänemark, Polen, Deutschland (ohne D D R ) , Ex-CSFR, der Ex-UdSSR, Ungarn, Italien und Bulgarien vor. Die meisten Abtreibungen wurden danach in der ehemaligen U d S S R und in Bulgarien vorgenommen, dann folgt die ExCSFR und Ungarn. In den westlichen Ländern lagen die Zahlen deutlich tiefer, die niedersten Zahlen weisen die Niederlande auf. Vgl. Journal für Sozialforschung 33, 1993, Heft 3, 310 f. („Euro-Social", nach World Health Statitics, 1990).
132
Mythen, Bilder, Stereotypen
Das „katholische" Österreich und die „schwarze
Legende"
Nur mehr 10% der Befragten sahen 1987 Österreich als Bollwerk des christlichen Abendlandes an. Damit ist das „katholische" Selbstbild bedeutungslos geworden. Der seither noch beschleunigt fortgeschrittene Säkularisierungsprozeß dürfte die als „christlich" und insbesondere als „katholisch" zu interpretierenden Roilenzuschreibungen Österreichs seither noch weiter reduziert haben. Nach den Untersuchungen von Reiterer et al. haben 37% der Befragten (1984) angenommen, daß die katholische Kirche das Österreichertum „eher stärker" verkörpere, 28% meinten „eher schwächer", 15% „gar nicht". „ D e r vergleichsweise geringe Wert [ . . . ] in e i n e m Land, das s o sehr v o m offiziellen Katholizismus geprägt ist, spiegelt den Bedeutungsverlust dieser Institution wider [ . . . ] H e u t e ist Österreich z u m ersten Mal in seiner Geschichte säkularisiert." 1 4 0
Die noch überall erlebbare gegenreformatorisch-barocke Sakrallandschaft hat ganz offenkundig ihre gemeinschaftsstiftende Wirkung verloren. Friedrich Heer wies in seinem letzten großen Werk, dem „Kampf um die österreichische Identität", auf die große Rolle hin, die die „schwarze Legende" über Österreich, das Haus Österreich, gespielt habe - in Deutschland, aber auch bei allen „deutschgläubigen" Österreichern. Ausführlich zitiert er zu diesem Problemkreis Julius Braunthal, dessen düsteres Österreichbild genau die „schwarze Legende" widerspiegelt.141 Glaube an „Österreich" steht gegen Glauben an „Deutschland". Unterschwellig dürfte auch heute noch mancher Links-Intellektuelle diesem Glauben verbunden sein - und sei es in völlig säkularisierter Form, wie bei jenen Programmachern des ORF, die uns auch für die simpelsten wissenschaftlichen Erläuterungen immer wieder nur Damen und Herren aus Deutschland als Auskunftspersonen servieren zu müssen glauben. Diese „schwarze Legende" ist in ihren Wurzeln bis ins 16. Jahrhundert zu verfolgen.142 Sie geht aus von einem Set von Vorstellungen, das zunächst in den aufständischen Niederlanden gegenüber den Spaniern - die damals ebenfalls von der Casa de Austria regiert waren - entstanden ist. Dabei kamen Elemente zur Geltung, die schon im Schmalkaldischen Krieg zur Legitimierung des Widerstands gegen 140 Reiterer, Nation, 88 und 91. 141 Heer, Kampf, 344 ff. 142 Judith Pollmann, Eine natürliche Feindschaft: Ursprung und Funktion der schwarzen Legende über Spanien in den Niederlanden, 1560-1581, in: Franz Bosbach, Hg., Feindbilder. Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit, Köln - Weimar - Wien 1992, 73-94.
Selbst- und Fremdbilder
133
Karl V. verwendet wurden: Der Kaiser sei zwar gut, aber von bösen Räten, vor allen von welschen Pfaffen umgeben, die ihn auf den unrechten Weg brächten. Wie die alten Germanen sollte man sich gegen Rom wehren - der Humanismus hat ja Tacitus und sein Germanenbild wieder bekannt gemacht, und es begann bei gebildeten Zeitgenossen sogleich zu wirken.143 Im Zentrum steht eine zeitgenössisch häufig beobachtbare Xenophobie gegen Italiener und Spanier. Die Entstehungszeit der „schwarzen Legende" ist also die Phase des niederländischen und deutschen Protonationalismus - aus dem ersten erwuchs die niederländische Nation, während das Patt zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen Habsburg und Valois, Habsburg und Wittelsbach, Habsburg und Hohenzollera eine weitere Entwicklung der deutschen Nationsbildung entscheidend behinderte. Sie „gelang" erst im 19. Jahrhundert, als durchaus antihabsburgischer Prozeß, in dem die alte „schwarze Legende" in neuer Auskleidung eine wichtige Rolle spielte. Vor allem in der kleindeutschen Historiographie des 19. Jahrhunderts (Sybel, Treitschke) wurde den Habsburgern immer wieder vorgeworfen, daß sie ihre „deutsche" Aufgabe vergessen hätten, daß sie mit Hilfe der Jesuiten die freie, deutsche Entwicklung des Geistes zu hemmen gesucht, daß sie mit List und Gewalt ihre Untertanen wieder „katholisch gemacht" und dadurch eine Jahrhunderte andauernde Hemmung aller freien Entwicklungen bewirkt hätten.144 Diese „schwarze Legende" über das katholische, habsburgische Österreich - als Hort von Intoleranz und Indolenz, Unterwürfigkeit und Dummheit - wurde von Protestanten, Liberalen, Deutschnationalen, von Sozialisten und Nationalsozialisten immer wieder beschworen. Heute erscheint sie in einer gewissen zeitgemäßen Abwandlung Österreich als Brutstätte des Nationalsozialismus. Dabei können einige Bestandteile der alten „schwarzen Legende" weiterverwendet werden - das habsburgisch-katholische Österreich als tendenziell autoritär und obrigkeitshörig hat eben auch das Aufkommen des Nationalsozialismus mitzuverantworten. Daß solche düsteren Bilder über Österreich ab 1986 sich auszubreiten begannen, belegen die Ergebnisse der Schweiger-Studie sehr deutlich: So stiegen die Assoziationen von „Österreich" 143 Hans Kloft, Die Germania des Tacitus und das Problem eines deutschen Nationalbewußtseins, in: Archiv für Kulturgeschichte 72,1990,93-114; Michael Titzmann, Die Konzeption der „Germanen" in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts, in: Link / Wülfing, Hg., Nationale Mythen und Symbole, 120-145, hier 120 und 127. 144 Heer, Kampf, 344-348, zitiert Julius Braunthals Lebenserinnerungen („Auf der Suche nach dem Millennium"), die eine sehr ausführliche Version der „schwarzen Legende" enthalten.
134
Mythen, Bilder, Stereotypen
mit „Neo-Nazi-Bewegungen" in den USA (bei freilich nicht ganz vergleichbaren Samples) in drei Umfragen von 1986 bis 1989 von etwa 17% auf fast 50% der Befragten. 145 Genauere Untersuchungen haben gezeigt, daß im umgekehrten Verhältnis zur wachsenden Auseinandersetzung mit Österreichs Vergangenheit in den USA die negativen Einschätzungen anstiegen, die positiven aber abnahmen, dabei dürfte das Frühjahr 1988 eine entscheidende Phase gewesen sein.146 Die Wald/le/m-Kontroverse konnte - so meine These - eine so starke Beeinflussung des Österreichbildes nur deshalb bewirken, weil unterschwellig das düstere Klischee von Österreich bereits vorhanden war. Die Identifikation dieser Gleichsetzung als Fortsetzung einer alten Legende wirkt fort: So wurde etwa von einem Kritiker der „Süddeutschen Zeitung" (C. Bernd Sucher) bemerkt, daß die Österreicher den „Antisemitismus (und Fremdenhaß) so offen zur Schau stellen wie kein anderes Volk in Europa". 147 Ganz abgesehen vom möglichen Wahrheitsgehalt dieser Aussage äußert sich hier (da nicht weiter begründet) zunächst einmal ein Klischee, ein Stereotyp, die „schwarze Legende". Wenn man gegen diese Legendenbildung auftritt, bedeutet das selbstverständlich nicht die Leugnung der Teilnahme nicht weniger Österreicher an den Untaten des Naziregimes. Und es schwächt die Aufforderung von Gerald Stourzh, sich eines „Haftungszusammenhanges" mit jenen bewußt zu werden und zu bleiben,148 keineswegs ab. Die „schwarze Legende" und das Phäakenstereotyp hängen zusammen: Wo das gute Leben der Österreicher gemeinsam mit dem Fehlen von „Modernität", „Fortschrittlichkeit", „Tüchtigkeit" usw. zur Sprache gebracht werden, treten diese Zusammenhänge durchaus zutage. So konnte (1992) Johann Marte auf ein 1991 in Deutschland erschienenes Buch (Manieren und Karrieren. Verhaltensnormen für Führungskräfte) verweisen, in dem zum Thema „Österreich" klassische Stereotypen auftauchen: „Im Unterschied zu unserer (deutschen) Führungsschicht, die sich an einem hohen Leistungsanspruch und Verantwortungsbewußtsein orientiert, ist die österreichische Gesellschaft wesentlich mehr auf Tradition als auf persönliche Leistung ausgerichtet",
und: 145 Schweiger, Österreichs Image, 269. 146 Janine Prader, Das „politische" Image Österreichs in den USA. Zusammenfassung der Ergebnisse zweier in den USA durchgeführten Telefonumfragen. In: SWS-Rundschau 28,1988, 295-306. 147 Heldenplatz. Eine Dokumentation, Wien 1988, 234. 148 Stourzh, Vom Reich, 51.
Abgrenzungen
135
„Seit,ewigen' Zeiten gehörte Österreich zu den politischen Lebenskünstlern Europas, die selbst aus verlorenen Kriegen noch als Sieger hervorgingen, wie etwa aus dem letzten Krieg .. ."149
Die seltsame Annahme, daß „Österreich" den Zweiten Weltkrieg geführt habe, verbindet sich hier mit der noch seltsameren, daß Österreich zu den Siegern gezählt wurde (oder sich gezählt hat) - wichtig ist für uns an dieser Stelle nicht der Hinweis auf andernorts mangelnde historische Kenntnisse, sondern auf die Kraft von Stereotypen.
3. A B G R E N Z U N G E N
Verwandtschaft und Sympathie Ethnisches bzw. nationales Gruppenbewußtsein definiert sich über mehr oder weniger verbindliche Bilder von sich selber, genauso aber über Bilder von den „anderen" - von jenen Gruppen also, von denen man sich abhebt, die nicht dazugehören, die eben „anders" sind. „Anders" sind Fremde, sind Zugereiste, sind Menschen mit anderer Hautfarbe. „Anders" können aber auch schon die Bewohner des Nachbarstaates, des Nachbarlandes, ja der benachbarten Talschaft sein. Diese Nachbarn hatten stets eine besondere Bedeutung als „andere". Denn von ihnen unterscheidet man sich in der Regel nicht in allen, oft nur in wenigen Bereichen - um so wichtiger erscheint es daher, sie als „anders" bezeichnen zu können. Über Nachbarn existieren daher häufig besonders ausgeprägte Klischeevorstellungen, besonders klare Stereotypen. Stereotypen sind nicht nur Feindbilder. Man kann sich mit „Anderen" trotz deren gewußtem Anderssein auch verwandt fühlen. Noch einmal sei sicherheitshalber betont, daß Annahmen solcher Verwandtschaften nichts über tatsächliche familiale Beziehungen oder über tatsächliche Ähnlichkeit etwa im Bereich alltäglicher Verhaltensweisen aussagen.
149 Zit. nach Hans Marte, Wir sind Stoiker und Realisten, Wiener Journal Nr. 142/143, Juli/ August 1992, 34 f.
136
Mythen, Bilder, Stereotypen
Tabelle 25: Größte innere Verwandtschaft mit Nachbarländern 1980-1993 Österreich hat größte innere Verwandtschaft mit... Deutschland Ungarn Tschechien* Slowakei* Schweiz Liechtenstein Slowenien** Italien
1980 1987 1990 1993 1 1 1 1 2 2 2 2
4
5
3
^
2 5 5 6
3 5 7 4
4 6 6 5
4 5 5 8
Rangordnung in 1980 1998 1990 70 64 60 10 16 23
5 10 1 1 0
2 10 2 1 3
150
% 1993 61 22
7 5 1 1 2
6 2 2 1
* bis 1990: Tschechoslowakei ** bis 1990: Jugoslawien
Konstant bleibt also bei den Österreichern die Annahme größter innerer Verwandtschaft mit den Deutschen, wenngleich die Zahl jener, die sich dafür aussprachen, von 1980 bis 1993 von 70 auf etwa 60% zurückgegangen ist. Eigentümlicherweise wurden die nach Sprache, Neutralität und alpiner Kleinstaatlichkeit den Österreichern im Grunde doch sehr ähnlichen Schweizer in abnehmendem Maße als „verwandt" wahrgenommen. Ebenfalls nur schwer erklärbar ist die zweite Stelle der Ungarn in der Verwandtschaftsannahme der Österreicher: Ein Volk, dessen Sprache man - mit Ausnahme einiger Burgenländer und einiger jener Wiener, die von Ungarn abstammen - nicht versteht, lag deutlich vor den Schweizern und Liechtensteinern! Die Gründe dafür sind wahrscheinlich vielfältig. 1848 bewunderten die Wiener an den Ungarn ihren revolutionären Mut; für kurze Zeit gab es sogar so etwas wie militärische Zusammenarbeit gegen die kaiserlichen Truppen. Die feschen Magnatentrachten und die Zigeunermusik haben hier ebenfalls immer Wohlgefallen gefunden. Aber ob das alles ausreicht? Vielleicht wirkt unterschwellig ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit den zweiten mitteleuropäischen Verlierern von 1918 nach? Oder ein Nachhall der Konzeption von 1867, die - inoffiziell - zwei die Monarchie beherrschende Nationen vorsah - die Deutschen (also die Deutsch-Österreicher) und die Ungarn?151 Wir sollten zugeben, daß wir es nicht genau wissen. 1993 haben die 1980 und 1987 kaum als „verwandt" registrierten Tschechen und Slowaken Terrain gutgemacht, sie kommen zusammen 150 Fessel + GfK/IFES, Österreichbewußtsein 1980 und Fessel + GfL, Österreichbewußtsein 1987,1990,1993. Für die Daten zu 1993 habe ich Herrn Doz. Dr. Peter Ulram sehr herzlich zu danken. 151 Dies auch die Argumentation von Ruth Wodak und Bernd Matouschek, Wir und die anderen: Diskurse über Fremde, in: Journal für Sozialforschung 33,1993, Heft 3, 293 ff.
137
Abgrenzungen
1993 auf 9% Zustimmung, die Tschechen allein sind mit ihrer Verwandtschaftsrate schon auf den dritten Platz vorgerückt (allerdings: Tschechen 7%, Schweizer 6%). Gemeinsam mit Liechtenstein und der Slowakei auf dem 5. Platz rangiert Slowenien, wobei dieses - sieht man von der unterschiedlichen Sprache ab - in vieler Hinsicht mit Österreich vielleicht ähnlichste Land unserer nächsten Umgebung ebenso erstaunlich fremd wahrgenommen wird wie das in praktisch allen Lebensbereichen von Vorarlberg ununterscheidbare Liechtenstein. Das „fremdeste" Nachbarland ist Italien. Dieser Befund aus der Gegenwart stimmt auch mit dem Ergebnis der Untersuchung von 1984 überein: Damals wurde nach der „Ähnlichkeit" gefragt, nicht nach „Verwandtschaft"; dabei waren die Italiener unter allen Nachbarn an letzter Stelle gelandet. Die Reihenfolge der damals in der Wertung befindlichen Nationen lautete: 1. Deutsche, 2. Schweizer, 3. Ungarn, 4. Tschechen, 5. Jugoslawen, 6. Italiener, 7. Amerikaner, 8. Russen.152 Die innerösterreichische regionale Streuung der Verwandtschaftsannahmen war in den letzten zehn Jahren Wandlungen unterworfen. Schon 1987 war die Annahme der „deutschen" Verwandtschaft in Wien und im Burgenland am geringsten gewesen, am höchsten in Oberösterreich und Salzburg. Bis 1993 hat sich der höchste Zustimmungsgrad für die deutsche Verwandtschaft nach Tirol und Kärnten verlagert,153 gefolgt von Oberösterreich, Salzburg und Niederösterreich. Eher verblüffend erscheint die überdurchschnittlich hohe Annahme ungarischer Verwandtschaft bei den Salzburgern (31%). Tabelle 26: Größte innere Verwandtschaft nach Bundesländern154 in Prozent Bgld* Wien Vlbg* Stmk. NÖ Deutschland 41 44 59 61 66 Ungarn 38 35 24 28 18 — 4 Tschechien 14 15 9 Schweiz 5 6 5 3 3 — — 4 Slowakei 1 2 — Slowenien 1 4 3 2 Liechtenstein 2 2 4 2 1 — — — Italien 2 1 * Daten unter der statistischen Validitätsgrenze
Sbg. 67 31 3 7 2 — —
3
OÖ 68 16 4 9 1 3 6 2
Tirol 72 10 5 15 1 1 —
Ktn. 72 10 1 3 1 2 —
5
1
Im Prinzip läßt sich die Aussage von Reiterer (auf der Basis einer etwas anderen Fragestellung) nur wiederholen: „Unsere nordöstlichen und 152 Reiterer, Nation, 121-125. 153 Ähnlich schon 1984 bei Reiterer, Nation, 125. 154 Fessel + Gfk, 1993 (wie oben danke ich Doz. Ulram sehr herzlich).
138
Mythen, Bilder, Stereotypen
östlichen Nachbarn sind uns ... noch ähnlicher als unsere südlichen Nachbarn." 155 Fragt man nach der Sympathie für Nationen (1980 und 1987), also nicht nur für Nachbarn, so erhält man folgende Rangreihenfolge: Tabelle 27: Sympathie für Nationen156 Rangzahl Deutschland Schweiz Italien / Südtirol Griechenland Amerika, USA Frankreich Jugoslawien / Türkei Ungarn/ÔSSR Großbritannien Kanada / Australien skandinavische Länder andere westeurop. Länder
1980 1 2 7 10 3 4 —
7 7 11 4 4
1987 1 2 3 4 5 5 5 5 9 9 9 12
Prozent 1987 29 22 11 4 3 3 3 3 2 2 2 3
Diese Tabelle bietet ein doch etwas anderes Bild. Das ist sicher eine Folge der Fragestellung, könnte aber auch heißen, daß Verwandtschaftsannahmen nicht gleichbedeutend mit Sympathie sind. So liegen in dieser Fragestellung die Deutschen zwar auch voran, aber längst nicht so eindeutig wie bei der Verwandtschaftsfrage. Und die Schweizer erscheinen viel sympathischer als (etwa) die Ungarn, auch die Italiener schneiden besser ab, was aber vielleicht mit der deklarierten Einbeziehung Südtirols zusammenhängt. Deutlich abgerutscht sind die USA, vermutlich eine Folge der Waldheim-Affäre. Dagegen konnte Griechenland offenkundig als Urlaubsland Sympathiepunkte sammeln. Ein ganz anderes Ergebnis ergibt die (freilich auch etwas anders formulierte) Frage aus dem Jahre 1994: „Zu welchen Regionen in Österreichs Nachbarschaft fühlen Sie sich hingezogen?" Nur Bayern und Südtirol erhielten mehr Zustimmungs- als Ablehnungsantworten, während die Schweiz eher ausgeglichen ausstieg und alle östlichen und südöstlichen Nachbarregionen offenbar nur wenige Zuneigungssignale auszulösen imstande sind. Diesem Ergebnis entspricht auch die HallerStudie 1995 zum österreichischen Nationalbewußtsein: Die Österreicher sehen Deutschland und die Schweiz als wichtigste wirtschaftliche 155 Reiferer, Nation, 127. 156 Österreichbewußtsein 1987, 33.
139
Abgrenzungen
und politische Partnerländer, denen sie sich auch kulturell am nächsten verbunden fühlen. Die mitteleuropäischen Nachbarn erwecken kaum Sympathie (die Ungarn sind nach wie vor eine kleine Ausnahme), bedroht fühlen sich die Österreicher vor allem von den Serben, aber (wenngleich in geringerem Ausmaß) auch von Kroaten, Slowenen und Tschechen.157 Ob nun die 1994/95 gegenüber 1993 stark verändert erscheinenden Zustimmungswerte nur aus der etwas anderen Art der Fragestellung resultieren, oder ob sich darin die auch aus vielen anderen Beobachtungen erspürbare neue Angst vor dem „Osten" niederschlägt, müssen wir mangels genauerer Aussagen offenlassen. Nationen konstituieren sich nicht nur durch Gefühle der Nähe, Verwandtschaft und Sympathie, sondern primär durch Abgrenzung, Ausgrenzung, Antipathie. Ablehnungen - Ausländerangst und
Minderheitenfeindlichkeit
Ethnozentrismus bzw. sein Gegensatz, die Weltoffenheit, korrelieren mit bestimmten Vorurteilstypen. Ältere Menschen, Angehörige der unteren Bildungsschichten und Arbeiter sind stärker ethnozentrisch eingestellt als Jüngere, Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen und Angestellte bzw. Beamte. Städter sind weltoffener und akzeptieren multikulturelles Zusammenleben deutlicher als Leute vom Land; das gilt aber nicht unbedingt für Wiener: Tabelle 28: Ethnozentrismus als polarisierende Orientierung 1993
158
„Ausländer sind nicht nur für „Die vielen Ausländer in Ö. bringen unsere Wirtschaft notwendig, sie nicht nur Nachteile für die österr. bereichern ... Arbeitnehmer... auch den Alltag in Österreich" sie gefährden auch unsere Lebensart" 42% 25% (Rest: Meinung in der Mitte) unter 30 Jahre 45 Jahre und älter Angestellte / Beamte Arbeiter / Landwirte obere Bildungsschichten untere Bildungsschichten städtisch, inkl. Wien ländlich, teilw. auch Wien Arbeitsplatzangst, EG-Gegnerschaft Grüne, Lib. Forum FPÖ Prestigezeitungen Krone, Täglich Alles Politikunzufriedene europäische Identität nur österr. Identität 157 Die Studie von Max Haller ist noch nicht publiziert. Ich zitiere nach einem Kurzbericht in der „Presse" vom 12.1. 1996. 158 Gesellschaftspolitischer Monitor 1993, 17.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Anfang Jänner 1994 äußerten über 80% der Österreicher ihre Zustimmung zu den geltenden, äußerst restriktiven und rechtsstaatlich durchaus problematischen sogenannten „Fremdengesetzen", etwa ein Viertel sprach sich sogar für eine Verschärfung aus.159 Dies trotz der Tatsache, daß es für Ausländer sowieso schon sehr schwierig geworden ist, nach Österreich zu gelangen: 1993 wurden 160.000 Ausländer an den Grenzen zurückgewiesen, um 49.000 mehr als 1992; die Zahl der Ausweisungen stieg um mehr als 100% auf 3800; fast 9000 Ausländer wurden abgeschoben.160 Die Angst der Österreicher vor den „anderen" ist also beträchtlich. Sie hängt freilich nicht unbedingt mit der realen Anwesenheit von „Fremden", Gastarbeitern oder Füchtlingen zusammen. Die höchste Unterschriftenrate erzielte das Haidersche Anti-AusländerVolksbegehren bekanntlich in Bundesländern bzw. Bezirken mit sehr geringem Ausländeranteil: So unterschrieben in Kärnten 13% der Wahlberechtigten (bei einem Ausländeranteil von etwa 3%), im Bezirk Feldkirchen sogar fast 18%, St.Veit/Glan fast 17%, Spittal/Drau fast 15%; der außerkärntnerische Bezirk mit den meisten Unterschriften war Ried im Innkreis mit 14,5% - alle Kärntner Bezirke wiesen Ausländeranteile unter 3% auf, Ried knapp über 3%. Dagegen unterschrieben (etwa) in Vorarlberg mit einem Ausländeranteil von 13,3% nur 6,3% der Wahlberechtigten. Positive Korrelationen zwischen Ausländeranteil und Unterschriftenzahlen zeigen sich hingegen in einigen Wiener Bezirken: Die Bezirke mit dem höchsten Unterschriftenanteil hatten auch die höchsten Ausländerquoten (Ottakring, Brigittenau, Rudolfsheim-Fünfhaus, Hernais, Leopoldstadt, Favoriten und Margareten), nur Favoriten hat eine deutlich niederere Ausländeranzahl. Entkoppelt erscheinen Ausländeranteil und Unterschrift für das Volksbegehren in traditionell bürgerlichen - jetzt teilweise „grünen" - Bezirken wie Wieden, Mariahilf, Josefstadt, Aisergrund und Neubau. Damit eröffnen sich auch einige Erklärungsmöglichkeiten: Ebenso wie große Teile Kärntens wirtschaftliche Problemzonen sind, deren Bewohner nicht ohne Grund Zukunftsängste entwickeln, empfinden auch viele traditionelle „proletarische" Gruppierungen in der Großstadt analoge Ängste vor der weiteren Entwicklung. Diese Ängste werden auf die „Ausländer" projiziert - was zum Teil auf reale Verdrängungsvorgänge zurückgehen kann, zum Teil aber schlicht und einfach das gute alte Sündenbock-Schema widerspiegelt.161
159 Die Presse vom 10.1. 1994, 6. 160 Nach einem Bericht des Innenministeriums, vgl. „Die Presse", 19. 2. 1994,10. 161 SWS-Rundschau, 33,1993, Heft 1, 82-93.
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Abgrenzungen
Ein Teil des Sündenbock-Schemas und eine im Bereich der ethnischen Schablonen durchgängig zu beobachtende Denkfigur ist die Annahme, daß die „anderen" durch ihr Verhalten Feindseligkeit herausfordern. Diese „anderen" sind in der folgenden Tabelle sehr häufig auch österreichische Staatsbürger, wir können sie als „imaginierte Innenfeinde" bezeichnen: Tabelle 29: „Fordern durch ihr Verhalten Feindseligkeit heraus"162 (Österreich, 1991, N = 2000, Österr. Gallup-Institut) Serben Türken Polen Rumänen Zigeuner Slowenen Kroaten Juden Deutsche
32% 24% 21% 21% 21% 19% 18% 14% 4%
Ein ähnliches Bild der Ablehnung ergibt die Frage nach Menschen, mit denen man lieber keinen engeren räumlichen Kontakt hätte: Tabelle 30: „Lieber nicht als Nachbarn" hätten... 49% der Österreicher Zigeuner 43% Serben 41% Türken 34% Polen 34% Rumänen 31% Juden 31% Kroaten 30% Slowenen 8% Deutsche
Diese Ablehnungsbilder sind deutlich und ausgeprägt und vermögen, im Verein mit der hochgradigen Ausländerablehnung der obigen Tabelle 28, etwas von der massiven Furcht vor den „anderen" zu vermitteln, die sehr viele Österreicher viel stärker beherrscht, als man das gemeinhin annimmt. Aus dieser Angst heraus werden abgelehnte Minderheiten immer stark überschätzt. So glaubten 1976 noch 37% und 1991 immer noch 26% der befragten Österreicher, der Anteil der Juden betrage bis zu 5% der Bevölkerung. 19% (im Jahre 1991: 16%) schätzten sie auf bis zu 10%, 29% (bzw. 1991: 19%) hielten sie sogar für noch zahlreicher 162 Journal für Sozialforschung 32,1992, Heft 1, „Antisemitismus in Österreich", 95.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
nur etwa 15% schätzten ihre Zahl einigermaßen realistisch ein, nämlich unter 1%; tatsächlich sind es ca. 0,1%.163 Auf ähnliche nur sozialpsychologisch zu erklärende Überschätzungen stößt man auch bei einer Einordnung der österreichischen Sprachminderheiten, etwa in Kärnten, wo sich immer wieder tiefsitzende Angstkomplexe vor einer drohenden Slowenisierung äußern, während real die Zahl der Sprachslowenen seit mehr als hundert Jahren laufend zurückgeht und heute schon nur mehr eine Quantité négligeable darstellt.164 Antisemitismus, genauer ausgedrückt Antijudaismus, ist eines der klassischen „inneren" Feindbilder der Österreicher. Ob die Ereignisse um den Präsidentenwahlkampf 1986 diesen Haltungen neuen Auftrieb verliehen haben oder ob der danach auftretende Antisemitismus bloß ein offenerer Ausdruck von vorher als minder gesellschaftsfähig unterdrückten Ressentiments ist, wird schwer zu entscheiden sein. Wie aus Tabelle 30 ersichtlich, hätten 1991 fast ein Drittel der Österreicher Juden lieber nicht als Nachbarn gehabt, immerhin noch 14% nahmen an, daß jene durch ihr Verhalten Feindseligkeit herausforderten.165 28% vermuteten damals zuviel Einfluß von Juden in Österreich. Über 80% der Befragten machten sich zum Teil enorm überzogene Vorstellungen von der Zahl der jüdischen Österreicher. Gegenüber 1982 wachsende (!) Zustimmung fand 1991 die Aussage, Juden hätten im Lauf der Geschichte viel Unheil gestiftet - die Zustimmungsrate stieg, kombiniert man starke Zustimmung und Zustimmung „eher", von 29% auf 39%, also fast um ein Drittel, spiegelbildlich dazu sank die Ablehnungsrate von 68% auf 55%. Dazu stimmt nicht ganz die abnehmende Zustimmung zur Aussage, daß die Juden „zumindest zum Teil selbst schuld" an ihren Verfolgungen getragen hätten (1982: 79%, 1991: 50%), freilich stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Unentschiedenen - das kann auch eine Art von Verweigerung sein. Das durchaus verwirrende Bild wird dadurch noch komplizierter, daß die Zahl jener, die die Aussage „... es ist für Österreich besser, keine Juden mehr im Lande zu haben" ablehnten, von 60% 1986/87 auf 69% 1991 anstieg - und zugleich die der Befürworter dieser Aussage von 10 auf 19%. Es hat sich also in den Antwortverweigerern, deren Zahl von 30% auf 12% zurückging, ein real antisemitisches Potential verborgen, das sich nach 1986/87 wieder offener äußerte.166 163 Ebd., 97. 164 Zu den Daten vgl. Albert F. Reiterer, Doktor und Bauer. Ethnischer Konflikt und sozialer Wandel: Die Sozialstruktur der slowenischen Minderheit in Kärnten, Klagenfurt 1986,100. 165 Journal für Sozialforschung 32, 1992, Heft 1, 95. 166 Ebd., 96-100.
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Die Ausnützung des nationalsozialistischen Holocaust für ihre eigenen, nicht genauer umschriebenen Absichten unterstellten „den" Juden 1991 in Deutschland (starke und schwächere Befürwortung der Aussage kombiniert) 39%, in Österreich 32%, dagegen fiel die Ablehnung dieser Aussage in Deutschland ebenfalls (mit 42%) deutlicher aus als in Österreich (36%). Deutsche und Österreicher sind mehrheitlich bemüht, den Holocaust zu vergessen: 1991 befürworteten 58% der Deutschen und 53% der Österreicher diese Aussage, dagegen waren (wieder) eher die Deutschen (34%) als die Österreicher (28%). Zum Vergleich: In Ungarn gab es nur 28%, in Polen sogar nur 13% „Vergesser". Dementsprechend wollten 1991 auch 56% der Österreicher keine strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischer Kriegsverbrecher, in Deutschland dagegen nur 36%. Aber auch diese ernüchternden Zahlen bedeuten schon eine Verbesserung: 1976 hatten noch 83% der Österreicher dafür plädiert, Naziverbrechen ungesühnt zu lassen!167 Nach all dem, was sich hier in den verschiedensten Umfragen zeigt, gibt es in Österreich nach wie vor - und vielleicht deutlicher als früher - einen im internationalen Vergleich ziemlich ausgeprägten Antisemitismus und eine hochgradige Abneigung dagegen, die Naziverbrechen an den Juden zu sühnen. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Antisemitismus freilich - so kann man vielleicht mit aller Vorsicht folgern - geht langsam doch zurück. Wie wenig das gegenüber dem Ausland gern gebrauchte Selbstbild vom „leben und leben lassen", von der allgemeinen Gemütlichkeit und Freundlichkeit stimmt, zeigt sich nicht nur in den durchaus verbreiteten antisemitischen Neigungen, sondern auch in der Behandlung der „Volksgruppen und Sprachminderheiten". Schon die Terminologie ist verräterisch: Wenn es „Volksgruppen" gibt, die extra zu nennen sind, gehören sie dann nicht zum österreichischen „Volk"? Oder nur nicht zum „deutschösterreichischen", das ja 1918 als „Staatsvolk" deklariert wurde, mit danach noch deutlicher artikulierten rassistisch-biologistischen Konsequenzen?168 Klar ist jedenfalls zweierlei: zum einen der sehr geringe und andauernd sinkende Prozentsatz der „autochthonen" (alteingesessenen) Sprachminderheiten, die heute quantitativ gegenüber den durch Arbeitsmigration vor allem in den Großstädten entstandenen Minderheitsgruppierungen bereits erheblich zurücktreten:
167 Journal für Sozialforschung 31, 1991, Heft 4, 453-455. 168 Stourzh, Vom Reich, 22 und 34 f.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Tabelle 31: Wohnbevölkerung nach Umgangssprache und Staatsbürgerschaft169 Umgangssprache in Tausend
zus.
Deutsch Kroatisch Magyarisch Slowenisch Windisch Tschechisch Serbokroatisch Türkisch Sonstige Unbekannt
7555 27 17 19 3 7 114 58 76 8
1981 Österreicher 7.264 22 12 16 3 5 14 5 39 —
Ausländer 291 5 5 3 —
2 100 52 37 8
zus. 7456 32 19 24 4 10
1971 Österreicher 7280 28 15 15 4 8
Ausländer 177 4 4 4 —
2
(Alle nichtdeutschen Umgangssprachen enthalten auch Kombinationen mit „Deutsch"; die Zahlen für Serbokroatisch und Türkisch für 1971 nicht vergleichbar.)
Sprachminderheiten sind heute im Prinzip schlechter gesichert als nach dem Artikel XIX des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger 1867. Aber abgesehen von gezielten Strategien der Reduktion von Minderheitenrechten, die ja in Österreich eine unerfreulich lange Tradition haben,170 sind es stark wirksame Tendenzen des sozialen Wandels, die zur raschen Reduktion der alteingesessenen Sprachgruppen führen. Kroaten, Magyaren, Slowenen waren in ihren Heimatgebieten überwiegend und gegenüber der Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich stark in der Landwirtschaft tätig. Pendeln bedeutet in allen diesen Gebieten Auspendeln in deutsches Sprachgebiet. Und sozialer Aufstieg bedeutete - und bedeutet häufig noch immer - Wechsel zur deutschen Umgangssprache, häufig auch Wechsel des (sprach-)nationalen Bewußtseins.171 Wie unter diesen Umständen, bei laufender und durch neuere Bildungsinstitutionen für die Sprachminderheiten nur leicht eingebremster Reduktion der traditionellen Sprachgruppen eine Angst entstehen kann, diese könnten überhandnehmen, ist logisch und bei einiger169 Tabelle aus: Reiterer, Doktor und Bauer, 100. 170 Vgl. etwa Hanns Haas / Karl Stuhlpfarrer, Österreich und seine Slowenen, Wien 1977. 171 Zur Sozialstruktur der Sprachminderheiten vgl. (neben Reiterer, Doktor) Arnold Suppan, Die österreichischen Volksgruppen. Tendenzen ihrer gesellschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert (Österreich Archiv),Wien 1983. - Zu den gesellschaftlichen Zwängen im Zusammenhang mit der Ausbildung von (sprach-)nationalem Bewußtsein vgl. Andreas Moritsch, Der nationale Differenzierungsprozeß am Beispiel ländlicher Gemeinden Südkärntens, in: A. Moritsch, Hg., Vom Ethnos zur Nationalität. Der nationale Differenzierungsprozeß am Beispiel ausgewählter Orte in Kärnten und im Burgenland (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 18), Wien - München 1991, 44-92.
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maßen realistischer Einschätzung der Entwicklung vollkommen unerfindlich. Dennoch wissen wir, daß es solche Ängste gibt und daß man in gewissen Ländern sogar damit Politik machen kann. Diese „Urangst" könnte allenfalls - wenn wir hier sozialpsychologische Erklärungsversuche wenigstens zitieren wollen, überprüfen können wir sie nicht - als Folge von Verdrängungsprozessen erklärt werden: Da im Zuge der Entstehung eines auf einen einzigen Parameter („deutsch") zugeschnittenen Prozesses der nationalen Bewußtseinsbildung beispielsweise sprachslowenischen Vorfahren zahlreicher „Deutscher" (etwa in Kärnten) bewußtseinsmäßig verdrängt werden mußten, äußere sich diese Verdrängung in einer immer wieder hochkommenden Angst vor den verdrängten Ahnen.172 Ähnlich wie die Zahl der Sprachslowenen geht auch jene der Kroaten im Burgenland laufend zurück. Freilich dürfte die kroatische Gruppe auch als Folge der anderen Siedlungsstruktur etwas resistenter gegen die Assimilation gewesen sein: Die geschlossene Dorfsiedlung hält auch bei hohen Pendleranteilen den Sinn der überkommenen Sprachtradition aufrecht. Andererseits hat die Gruppe um den langjährigen SPÖ-Bürgermeister von Steinbrunn (Stinkenbrunn), Fritz Robak, erfolgreiche Assimilationsarbeit geleistet: In seiner Heimatgemeinde haben sich 1971 noch fast 45% zur kroatischen Umgangssprache bekannt, zehn Jahre später nur mehr 29%.173 Nachbarn im Bild der Österreicher - und
umgekehrt
Mit den Nachbarn Österreichs haben sich zumeist irgendwelche stereotypen Vorstellungen verbunden. Einige scheinen von ebensolanger Lebensdauer wie gewisse Österreichklischees - etwa die Vorstellung von den überlegenen, auftrumpfenden, tüchtigen und unsympathischen „Preußen" oder „Piefkes".174 Das Bild von den Deutschen bei den Österreichern und das Österreichbild der Deutschen Deutschland entstand - ebenso wie Italien, aber auch ebenso wie alle anderen unabhängigen Nachbarstaaten Österreichs - durch Emanzipation von Österreich, Österreich entstand durch Emanzipation von 172 Erwin Ringel, Zur Gesundung der österreichischen Seele, Wien 1987, 111 ff. 173 Albert F. Reiterer, Lokale Politik und ethnische Identität: Minderheiten im Modernisierungsprozeß, in: ÖZP 20,1991, Heft 4, 383^199, hier 397. 174 Zum österreichisch-deutschen Verhältnis vgl. Rathkolb / Schmid I Heiß, Hg., Österreich und Deutschlands Größe, Salzburg 1990.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
Deutschland - sie erfolgte endgültig 1945. Diese Aussagen erscheinen widersprüchlich, werden aber weiter unten noch genauer begründet. Letztlich konnte Österreich der bereits anlaufenden deutschen Nationsbildung keine entsprechende deutsche, nationale Staatsbildung zusagen. Das konnte nur Preußen, das mit dem Deutschen Zollverein bereits das wichtigste Instrument zur endgültigen Lösung von Österreich entwickelte. Übertriebene Achtung vor militärischen, kulturellen, wirtschaftlichen und technischen Leistungen der Sieger von 1866 erzeugten ein romantisches und wirklichkeitsfremdes Deutschlandbild, das vor allem nach 1918 weiter kultiviert wurde. Davon haben sich die Österreicher ab 1945 langsam emanzipiert. Übrig blieben die Klischees. 1989 wurden in Österreich und in der damaligen Bundesrepublik Deutschland - also noch ohne die sogenannten „neuen" Bundesländer - diese Stereotypen abgefragt.175 Dabei stellte sich heraus, daß die Österreicher von ihren (nordwestlichen Nachbarn ein durchaus positives Bild zeichneten. „Man charakterisiert sie als „zielstrebig, gesellig, erfolgreich und modern", allerdings auch als „laut". Die Effizienzurteile sind meist positiver als jene Beschreibungen, in denen Sympathie zum Ausdruck kommt - obwohl nur 12 Prozent die Deutschen „eher unsympathisch" finden." Tabelle 32: Deutsche über Österreicher ( # ) - Österreicher über Deutsche (O) Skala 1-5 1 modern gescheit laut männlich ernst friedliebend gebildet zielstrebig erfolgreich pessimistisch langsam gesellig tolerant konservativ sympathisch
2 O O
2,5
om om
•
•
O O O
3
• • o o
•
• • o « o
•
•
3,5
o •
o
• •
o o
4
5 altmodisch dumm leise weiblich fröhlich streitsüchtig ungebildet planlos erfolglos optimistisch schnell ungesellig intolerant fortschrittlich unsympathisch
175 Das folgende nach Rudolf F. Bretschneider, „Erfolglos fröhlich". Deutsche und Österreicher, einander messend, in: Wiener Journal 103, April 1989,11.
Abgrenzungen
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Diese Gegenüberstellung zeigt ausschließlich Heterostereotypen, also Bilder von außen, keine Selbstbilder. Nicht wenige dieser Fremdbilder liegen nahe beisammen. Deutlichere Differenzen zeigen sich bei den typischen Modernitätsmetaphern: Österreicher schätzen Deutsche deutlich als „schneller", „fortschrittlicher" und „moderner" ein, als dies umgekehrt der Fall ist. Dafür sehen die Deutschen die Österreicher als leiser, fröhlicher, planloser, erfolgloser, geselliger, konservativer und alles in allem - als sympathischer als die Österreicher die Deutschen. Das deutsche Heterostereotyp über die Österreicher, das nicht wenige Bestandteile des alten Phäakenstereotyps enthält, entspricht freilich auch österreichischen Selbsteinschätzungen. So wurden im Rahmen der Österreich-Untersuchung 1980 ziemlich dieselben Begriffe wie die oben verwendeten den ausschließlich österreichischen Befragten vorgelegt. Dabei zeigte sich fast genau dasselbe Vorurteilsschema, das auch die Deutschen gegenüber den Österreichern zeigen. Vorstellungen der Deutschen und der Österreicher über Österreicher und Deutsche gleichen einander fast aufs Haar. Der oft zitierte „überhebliche Piefke" existiert als Abgrenzungsbild nur bei einer kleinen Minderheit von Österreichern. Diese Minderheit ist freilich eher städtisch - es sind mehrheitlich Wiener - und zählt eher zu den gehobenen Bildungsschichten, äußert sich daher auch öfter als andere Gruppierungen. Hier werden denn auch Ängste vor einer neuerlichen Einverleibung durch „die Deutschen" öfter verbalisiert und zu Druck gebracht als die Ausländerängste anderer Bevölkerungsgruppen. Da gerade die „intellektuelleren" Österreicher über ein besonders differenziertes und intensiver kulturell grundiertes Bewußtsein verfügen, äußern sie auch ihre Bedenken und Vorbehalte häufiger. Diese richten sich gegen die allzu selbstverständliche Einverleibung von den Österreichern wichtigen Kulturgütern, Autoren, Komponisten unter die „deutsche Kultur". Hier existiert eine Zone besonderer Empfindlichkeit: „Man hat in Deutschland Schwierigkeiten, die Eigenständigkeit Österreichs besonders im kulturellen Bereich anzuerkennen und ernst zu nehmen", schrieb Hans Marte einmal176 und fuhr fort: „Hinter all dem steht ein ungebrochener Sprachimperialismus177, der in den seltensten Fällen bös gemeint ist, der aber von der unrichtigen und überholten Meinung ausgeht, daß es die Sprache wäre, die eine Nation 176 Hans Marte, Wir sind Stoiker und Realisten, in: Wiener Journal 142/143, Juli/August 1992, 35. 177 Dazu vgl. Georg Schmid, .. . sagen die Deutschen. Annäherung an eine Geschichte des Sprachimperialismus, in: Rathkolb / Schmid / Heiß, Hg., Österreich und Deutschlands Größe, 23-34.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
macht." In der Tat gibt es Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Kulturprodukten: Schuberts „Unvollendete" etwa wurde in Deutschland mehrheitlich mit „Deutschland" assoziiert, während Schweizer und Italiener hier eher „Österreich" heraushörten. Mozarts Symphonie Nr. 40 wurde in Deutschland ebenfalls eher auf Deutschland als auf Österreich bezogen. Dagegen wurden die Walzer „An der schönen blauen Donau" und „Wiener Blut" praktisch in allen Ländern, die in die Schweiger-Studie einbezogen waren, mit Österreich identifiziert und zwar bis zu hundertprozentig und ausschließlich. „Walzer" entspricht also dem Klischee „Österreich" sehr stark, ebenso wie „Musikverein" oder „Ballnacht in der Hofburg". 178 Die Ängste vor den Deutschen sind eine ideale Voraussetzung für literarische, essayistische und historische Produktionen aller Art, von Hans-Georg Behrs „Österreichischer Provokation" 179 bis zu den oft tiefgründigen, oft unterhaltsamen Essays in „Österreich und Deutschlands Größe". 180 Dahinter steht das für die österreichische Identität zuweilen gravierende Problem der gemeinsamen Sprache, aber auch einer gewissen Tradition, die die kulturellen Produkte beider Staaten unter dem gemeinsamen Oberbegriff „deutsche Kultur" subsumierte - auch von vielen österreichischen Schriftstellern, Komponisten usw. her. Die Betonung österreichischer Herkunft von Künstlern, Dichtern und Musikern oder die Betonung eines „kreativen Milieus", das Wien etwa in musikalischer Hinsicht das ganze 19. Jahrhundert hindurch für Einheimische und Zugewanderte - wie Beethoven und Brahms bereitstellte, hatte zur Zeit notwendiger stärkerer Distanzierung von Deutschland seine durchaus akzeptable Funktion. Heute ist sie ausschließlich als wissenschaftliche Frage zulässig, nicht zur Grundlegung für „nationale" Haltung: Mozart oder Schubert sind erfreulicherweise Teil des kulturellen Welterbes. Noch weniger als für Österreich dürfte man sie freilich für „Deutschland" oder eine imaginierte „deutsche Kultur" in Anspruch nehmen. Tschechen im Bild der Österreicher Auf einem Marterl am Präbichl, jenem steirischen Paß, der Vorderund Innerberg (Eisenerz) verbindet, wurde im 19. Jahrhundert die Inschrift angebracht: 178 Schweiger, Österreichs Image, 34, 58 ff. und 63. 179 Hans Georg Behr, Die österreichische Provokation. Ein Mahnruf für Deutsche, Frankfurt/M., 1973. 180 Rathkolb / Schmid / Heiß, Hg., Österreich und Deutschlands Größe.
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„Am 2. März 1854 sind hier von einer Schneelahn erschlagen worden 10 Leut und 5 Böhm."181
Ein klassischer Ausdruck von Ethnozentrismus: Immer sind ja die „eigenen" die „Menschen" schlechthin, die „anderen" sind eben etwas anderes - in diesem Falle „Böhm". Das Tschechenbild der Österreicher war lange Zeit hindurch ziemlich negativ geprägt. Man schrieb den Tschechen eine - wenn nicht die - Hauptschuld am Zerfall der Habsburgermonarchie zu, man beteilte sie mit wenig schmeichelhaften Epitheta, man sah in ihnen die „Ziegelböhm", die wenig geachteten Arbeiter in der Wiener Peripherie - und viel weniger die oft hochqualifizierten Handwerker, Schuster, Schneider und Tischler. Im besten Falle wurden sie freundschaftlich-herablassend als „böhmische Köchinnen", treue Domestiken und anhängliche Arbeitskräfte geschätzt. Hilde Spiel schildert eine sehr bezeichnende Szene im Londoner Exil: Sie nahm an einer Lesung tschechischer Literatur teil, es wurden Gedichte vorgetragen. Dabei machte sich offenkundig ihre von Kindheit an verinnerlichte soziale Verortung des Tschechischen als Unterschichtsprache bei ihr selbständig, und sie sagte zu einer englischen Bekannten, „... diese großartige Lyrik mute mich in der Sprache unserer geliebten Köchinnen und Schneider nicht nur seltsam, sondern leider auch komisch an" - was ihr prompt seitens der Engländerin die Bezeichnung „You - you Herrenvolk" einbrachte.182 Unmittelbar nach der Öffnung der Grenze zur Tschechoslowakei wurden die Wiener und Niederösterreicher über ihre Einschätzung der nördlichen Nachbarn gefragt.183 Damals lagen die Tschechen in den Sympathiewerten an 4. Stelle, hinter den Ungarn, den dauerhaften östlichen Publikumslieblingen der Österreicher, DDR-Deutschen und Russen, noch vor Slowenen und Polen. Die Slowaken wurden damals nicht gesondert abgefragt. Bei den ablehnenden Meinungen (etwa ein Viertel der Befragten) kamen zum Teil recht alte Klischees hervor („falsch/unehrlich"), zum größeren Teil wirkten die Ereignisse ab 1945 auf das negative Tschechenbild ein. Junge Leute, Höherqualifizierte und Anhänger der Grünen sahen die Tschechen deutlich positiver, während Arbeiter, Befürworter eines Anschlusses an Deutschland und 181 Marterln und Grabinschriften. Nach der Sammlung von Ludwig von Hörman herausgegeben von Walter Schmidkunz, Erfurt 1941, 92. 182 Hilde Spiel, Die hellen und die finsteren Zeiten. Erinnerungen 1911-1946, München 1989, 193 f. 183 Das folgende nach „Öffnung des Ostens", Studie von Fessel + GfK, Leitung Rudolf Bretschneider, 13.12. 1989,450 Telefonbefragungen in Wien und Niederösterreich, im Auftrag der „Presse", dort auch in den Grundzügen publiziert am 19.12. 1989.
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FPÖ-Anhänger Tschechen sehr viel negativer sahen. - Im allgemeinen wiederholen sich also bei einer detaillierten Befragung immer wieder ähnliche strukturelle Hintergründe, wenn es um Freund- oder Feindbilder geht. Die historischen Hintergründe des oft unbewußt weitertradierten negativen Tschechenstereotyps liegen, kurz zusammengefaßt, in der geringen Akzeptanz der Deutsch-Österreicher, vor allem der Deutschböhmen und Deutschmährer des 19. Jahrhunderts für die Nationsbildung der Tschechen. Den Tschechen als „Unteren", die nach „oben" wollten, hat die Karikatur zahlreiche negative Kennzeichen beigegeben: Sie waren klein, rundlich, hatten häßliche Gesichter, waren aber zahlreich; sie hatten einen zu kleinen, typisch ländlich-bäuerlichen Hut, man konnte sie also leicht „gesellschaftlich unten" verorten, und dort hatten sie auch gefälligst zu bleiben. Die staatsrechtlichen Bestrebungen der Tschechen nach einer eigenen Regierung für die Länder der böhmischen Krone wurden in der Figur des böhmischen Löwen aufs Korn genommen, der freilich als ein recht armes, wenig furchterregendes Tier dargestellt wurde. In den schlimmeren Darstellungen tummelten sich in seinem Fell die „Wenzels-Läuse", alle durch die typisierte Darstellung als Tschechen erkennbar.184 Solche weitverbreitete Stereotypen hatten nachhaltig problematische Folgen: Auf die Verachtung durch die Deutschen und die DeutschÖsterreicher antworteten die Tschechen nicht nur mit einer noch eifrigeren Selbststilisierung als gleichberechtigte Kulturnation und mit der Entwicklung eigener abwertender Stereotypen der bärenfellbehängten „Germanen", sondern auch mit der Entwicklung eines Geschichtsbildes, das die Deutschen in den böhmischen Ländern nur als „Gäste" sah, die man, falls sie sich nicht ordentlich verhielten, ja wieder ausladen konnte. Das geschah denn auch 1945, mit bis heute nachwirkenden mentalen Folgen. Die österreichische Haltung gegenüber Südslawen und Italienern „Tschuschen" sind Sprecher südslawischer Idiome - ein insbesondere in Wien verbreiteter und, wie man spätestens seit Qualtingers „Travnicek" weiß, stark abwertender Begriff mit unterschiedlicher Etymologie: Nach Peter Wehle hätten sich Arbeiter vom Balkan häufig zugerufen: „cujes?" (verstehst du?), woraus dann der „Tschusch" geworden sei; nach anderen komme es vom Russischen „Tschuzhoj", der Fremde.185 184 Suppan, Nationale Stereotypen, hier 262 ff. 185 Peter Wehle, Sprechen Sie Wienerisch? Von Adaxl bis Zwutschkerl, Wien 1980, 277.
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Die Angehörigen der hier zusammengefaßten Sprachgruppen erfahren seitens der Österreicher besonders massive Ablehnung. Traditionell, zum Teil immer nannte man sie „Jugoslawen", die besonders seit etwa 1970 als Gastarbeiter nach Österreich kamen und heute, soweit sie nicht bereits Österreicher geworden sind, jene Heimat nicht mehr haben, aus der sie vor Jahren ausgezogen sind. Seit sich Jugoslawien aufgelöst hat, ist Slowenien der einzige südslawische Nachbarstaat Österreichs. Eine Tagung von slowenischen und österreichischen Historikern beschäftigte sich im Herbst 1993 mit den Bildern von den Nachbarn.186 Die deutschösterreichischen Haltungen gegenüber den Slowenen waren jenen gegenüber den Tschechen vergleichbar: Man war irritiert über den Anspruch der Slowenen, deren Schriftsprache man als Artefakt verhöhnte, sich von dem bis um 1860 in den slowenischen Gebieten als „bürgerliche" Sprache dominierenden Deutsch zu emanzipieren; und man war noch mehr irritiert über den politischen Emanzipationsanspruch, vor allem in den zweisprachigen Kronländern Steiermark und Kärnten, weniger im fast ausschließlich slowenischsprachigen Krain. Auch hier führte Anspruch und Abwehr dieses Anspruches zu heftigen Auseinandersetzungen. Auch die Slowenen wurden dabei als „Bauern" diffamiert; die bedeutsame Rolle des Klerus in der slowenischen Nationalbewegung erleichterte es, diese als „klerikal" und „rückschrittlich" abzulehnen, denn der deutsche Nationalismus war ja „liberal", antiklerikal und damit fortschrittlich. Sind die Slowenen ebenfalls „Tschuschen"? Vor 1914 wurden sie nicht in diesen abwertenden Sammelbegriff für Südslawen einbezogen, seit 1919/20 geschah dies aber als Folge der Auseinandersetzungen um Südkärnten. Arnold Suppan wies darauf hin, daß im Bild der Karikatur damals „der" Slowene als eigener, identifizierbarer Typ überhaupt verschwunden sei - die Slowenen wurden in das gegenüber Südslawen vorherrschende Feindbild „Serbe" einverleibt, sozusagen in der Blickweise „serbisiert".187 Vermutlich hängt dies den Slowenen inner- und außerhalb der österreichischen Grenzen bis heute nach. Zumindest haben die Umfrageergebnisse vom Dezember 1989 relativ geringe Sympathiewerte für die Slowenen ergeben. Auch die Sympathiewelle, die den Slowenen 1991 aus Österreich entgegenschlug, hat Gefühle etwa - von Verwandtschaft (s.o.,Tabelle 25 und 26) nur wenig verstärkt. Umgekehrt hat sich das bis in die 1980er Jahre sehr kritische Öster186 Ein Sammelband, hg. von Franc Rozman, ist in Vorbereitung. 187 Suppan, Nationale Stereotypen, 276.
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Mythen, Bilder, Stereotypen
reichbild in Slowenien bis 1993 völlig gewandelt - die Slowenen sehen in Österreich das am meisten verwandte Nachbarland, haben aber etwas Angst vor wirtschaftlicher Bevormundung. Ein bis zur „Erbfeindschaft" ausgebautes Negativstereotyp existierte langhin gegenüber Italien.188 Abfällig gemeinte Vokabeln wie „Katzeimacher"189, die Trauer um das 1919 verlorene deutschsprachige Südtirol, die ironischen Hinweise auf die politischen Wendungen des Dreibund-Bündnispartners haben niemals verhindert, daß viele Österreicher ihren Urlaub in Italien verbrachten, daß die österreichischen Katholiken den bis Johannes Paul II. seit dem 16. Jahrhundert immer aus Italien stammenden Papst in Rom problemlos anerkannten und daß alle bildungs- und kulturbeflissenen Österreicher natürlich Italien als das Land der altrömischen Kultur, aber auch das Land Dante, Giottos und Michelangelos, das Land, in dem Renaissance und Barock entstanden waren, aber auch als Land mit einer hohen kulinarischen Kultur verehrt, ja geliebt haben. Die „Erbfeindschaft" scheint inzwischen verschwunden. An die Stelle problematischer und belasteter Beziehungen sind recht intensive getreten.190 Es bleibt freilich die Frage, ob damit die negativen Bilder nicht nur verdrängt wurden, sondern auch tatsächlich verschwunden sind. Ungarn Wir haben schon oben darauf hingewiesen, daß sich die Ungarn in den letzten beiden Jahrzehnten einer relativ positiven Einschätzung seitens der Österreicher erfreuten. Historisch war diese Nachbarschaft Jahrhunderte hindurch zum Teil durchaus spannungsreich verlaufen. Wien war für die Ungarn (also für den Adel) zwischen dem 16. Jahrhundert und 1918 (zumeist) der Hauptsitz ihres Königs - was schon einen Teil der Spannungen erklärt. Diese auswärtige Residenz des ungarischen Königs und der Einfluß der nichtungarischen Räte motivierten immer einen gewissen Grundton der ungarischen Beschwerden. Es erscheint 188 Claus Gatterer, Erbfeindschaft. Italien - Österreich, Wien - München - Zürich 1972,245266; vgl. ferner Michael Morass / Günther Pallaver, Hg., Österreich - Italien. Was Nachbarn voneinander wissen sollten. Wien 1992, hier insbes. die Zusammenfassung der beiden Herausgeber, 245-266. 189 Soll vom italienischen Wort für die Kelle kommen - Italiener waren in Österreich jahrhundertelang vielfach als Maurer (und - gehoben - als Architekten) tätig gewesen; nach anderer Etymologie aus dem Ladinischen - „cazza" eine hölzerne Schöpfkelle - ein Hinweis auf die Produktion von Holzgeräten in den ladinischen Alpentälern Südtirols und deren ambulanten Vertrieb durch Grödener Wanderhändler. 190 Günther Pallaver, L'erba del vicino. Italien - Österreich. Nachbarn in Europa, in: Michael Gehler / Rolf Steininger, Hg., Österreich und die europäische Integration 19451993, Wien - Köln - Weimar 1993, 226-266.
Abgrenzungen
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nicht zufällig, daß daher auf den Darstellungen des ylrpad-Denkmals in Budapest die jeweils Unterlegenen in den zahlreichen Darstellungen der heldenhaften Kämpfe der Ungarn mit ihren Bedrückern kaiserlichen Soldaten gleichen. Sie waren also (nach heutigen Begriffen) überwiegend Österreicher (freilich auch Tschechen oder Bundesdeutsche). In zeitgenössischen Begriffen waren das „Schwaben". Das war auch die Benennung für die Deutschen im Lande, die aber - als ungarländische Deutsche - nicht als „Fremde" galten. Im späten 19. Jahrhundert kamen „die Deutschen" der Karikatur der ungarischen Zeitungen folgendermaßen in den Blick: als behäbige und etwas beschränkte „purger" ungarischer Städte (etwa von Bratislava/Pozsony/Preßburg), als dürrer, pedantischer Bürokrat, als schwäbischer Bauer. Umgekehrt schätzte man in Österreich nicht nur den Banater Weizen und das aus Ungarn kommende Rindfleisch, sondern konnte sich - zumindest im Bereich des deutschen Liberalismus - auch für gewisse als parlamentarische Tradition interpretierbare Züge des ständischen Wesens und der adeligen Freiheitsliebe erwärmen.191 Schweizer Besonders wenig werden im österreichischen kollektiven Bewußtsein die Schweizer reflektiert. Österreicher und Schweizer leben, so wurde dies vor einigen Jahren nicht unzutreffend formuliert, „Rücken an Rücken" zueinander.192 Während die Schweiz in der österreichischen Wahrnehmung kaum existiert, ist auch umgekehrt nur ein geringes Interesse an Österreich vorhanden. Die in der Schweiz wie in Deutschland kursierenden Österreicher-Witze zeigen freilich, daß, im Falle der Notwendigkeit eines Negativstereotyps, „der" Österreicher durchaus in dieser Funktion auftreten kann.
191 Peter Hanäk, Der Garten und die Werkstatt, insbes. das Kapitel „Das Bild vom Anderen. Verbürgerlichung und ethnische Vorurteile in der ungarischen Gesellschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts", 73-100. 192 Friedrich Koja / Gerald Stourzh, Schweiz - Österreich. Ähnlichkeiten und Kontraste (Studien zu Politik und Verwaltung Bd. 14), Wien - Köln - Graz 1986, hier 7 (aus dem Vorwort von Friedrich Koja und Gerald Stourzh). - Ähnlich, mit stärker herausgearbeiteter Begründung für diese Wahrnehmungsprobleme, Urs Altermatt und Emil Brix in ihrem einleitenden Beitrag zu Urs Altermatt / Emil Brix, Hg., Schweiz und Österreich. Eine Nachbarschaft in Mitteleuropa, Wien - Köln - Weimar 1995, hier 9.
IV. Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte Der durch die „Blut- und Bodenromantik" arg verschlissene Begriff „Heimat" gewinnt heute international gesehen neue Bedeutung und auch neue Funktionen. Man beobachtet vor allem in den klassischen Zentralstaaten eine Renaissance der alten Kulturlandschaften ... (Peter Pernthaler, 1980)
1. LÄNDER UND LANDESBEWUSSTSEIN
Ethnisches Bewußtsein im Hochmittelalter Für das ethnische Bewußtsein des späteren 13. Jahrhunderts existiert im Hinblick auf das damalige Österreich, im wesentlichen das heutige Nieder- und die schon habsburgischen Teile des heutigen Oberösterreich, eine sehr schöne und wichtige Quelle: die Dichtungen des „kleinen Lucidarius", von ihrem Herausgeber auch als Gedichte des „Seifried Helbling" bezeichnet.1 Dieser „Seifried Helbling", ein kleiner, vermutlich aus dem Waldviertel stammender Ritter, war Satiriker. Nun wissen wir die Klagen der satirischen Dichter über den Sittenverfall, der ja stets gerade zu Lebzeiten des jeweiligen Literaten am schlimmsten war, bloß als ziemlich relativ zu nehmen. Der Dichter des „Seifried" ist aber deshalb besonders interessant, weil seine Klagen den Verfall der „Landessitte" betreffen. Damit werden diese Gedichte unmittelbar für unser Thema relevant. Was ist nun diese „Landessitte"? Es ist vielleicht günstig, an dieser Stelle einige Zitate aus dem „Seifried Helbling" in extenso anzuführen: „Eines tages ich gesaz in gedanken unde maz ieglichen lantsit, der dem lande wonet mit. so ist dem lande niht gelich, daz da heizet Osterrich ..." (Ged. XIV, 1 ff.)
„... der biderbe herzog Friderich den Ungarn stalte sich gelich. wir sin des niht entwahsen: kurzes har nach den Sahsen hab wir ouch getragen hie." (XIV, 15-19)
1 Seifried Helbling, hg. v. Joseph Seemüller, Halle an der Saale 1886. - Zu den Gedichten des sogenannten „Seifried Helbling" oder „Kleinen Lucidarius" vgl. Ursula Liebertz-Grün, Seifried Helbling. Satiren kontra Habsburg, München 1981.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
,,'swie groz ist Ungerlant, doch ist uns daz wol bekant, ein Unger trit niht einen trit uz sinem ungerischen sit. da bi so ist Österlich ein kleinez lant: vil ungelich leben di liute mit ir sit: der wont in maneger hande mit." (1,153-160) „... eines dinges ich iuch bit: bescheidet mir des landes sit in Osterrich, daz ist min ger. ez gat so wunderlich entwer, daz ich niht erkennen kan einen rehten Osterman." (I, 213-218) „die Beheim tragen ir gewant, als sit ist in Beheimlant, die Sahsen und die Polan, tragent ouch gewant an, da bi man sie erkennet, nach ir lande nennet, Beier und Rinfranken, den ist wol ze danken, daz sie niht manicvaldent ir lantsit behaldent, dar an tuont sie wislich so der fürst uz Osterrich, des küneges sun, ze hove get und vor sinem vater stet, so mac der künic nemen war,
daz ein fürstlichiu schar da bi sinem sun waer, an daz sie allerslaehter sint mit ir gewanden uz ander fürsten landen, sie tragent nach der Beheim sit gewant, da sie merent mit der Beheim schar unbillich und sint doch von Osterrich. ich wolt, swer in Osterlant trüeg nach Beheim sit gewant, swes in fragt ein biderb man, daz er spraech: ,nie rozmie pan' und mit sinem munde niht anders reden künde, und swer in disem lande snit gewant nach der Polan sit, daz dem sin har waer geschorn hoch uf für diu orn: daz sold im nimer wahsen. Und swer nach den Sahsen in Osterrich gewandes pflaeg, daz im diu Ostersprach gelaeg: er sol reden ,wit', ,wat', ,wet', got ich des vil gerne baet, daz er niht kund reden mer. man hat des ze sahsen er, daz sich nimt ir lantsit an manic tumber Osterman. daz sol der künec verkeren, daz lant da mit eren!" (VIII, 763-808)
D i e s e kleine Auswahl soll genügen. Wir können auch nicht auf die Hintergründe der hier geäußerten Kritik eingehen, die zweifellos mit einer gewissen Krise des Selbstbewußtseins nach d e m Aussterben der Babenberger zusammenhängt. 2 Nach der Aussage dieser Gedichte steht jedenfalls die Tracht im Zentrum der Landessitte, insbesondere auch die Haartracht. D a s erinnert unweigerlich an gewisse Stammestrachten früherer Zeiten, etwa an den Suebenknoten aus der Zeit Cäsars oder an die besondere Haartracht der Langobarden. 3 D i e Tracht war für das Gruppenbewußtsein 2 Hugo Hantsch, Die Geschichte Österreichs. 1. Bd., Graz - Wien - Köln 41959,118 f. 3 Wenskus, Stammesbildung, 374 ff. und 485 ff.
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offenbar auch im Hochmittelalter von erheblicher Bedeutung. Ein enger Bezug wird auch zur Sprache hergestellt: Der Dichter bittet Gott, daß jene Leute, die fremde Trachten trügen, die „Ostersprach" vergessen und nur mehr böhmisch oder sächsisch sprechen sollen. Nun sind die Österreicher sicher kein alter Stamm wie die Sueben oder Langobarden, nicht einmal wie die Baiern, die ja erst im späten 5. oder frühen 6. Jahrhundert entstanden waren.4 Aber deutlich ist der Österreichbegriff des späten 13. Jahrhunderts kein bloß staatsrechtlicher. Er ist mit ethnischem Gehalt erfüllt, wichtige Elemente ethnischen Bewußtseins (Tracht, Sprache) sind mit ihm verbunden. Wenn also „die Österreicher" damals als Ethnos 5 empfunden wurden, dann wird man zwei Fragen stellen müssen: 1. Seit wann war dies der Fall? 2. Welcher Personenkreis gehörte zu diesem Ethnos? Vor der Beantwortung dieser Fragen müssen wir uns nochmals vergegenwärtigen, daß „Österreich" in räumlicher Hinsicht nur das damals habsburgische Gebiet Ober- und Niederösterreichs umfaßte, also nicht die ebenfalls schon habsburgische Steiermark (auch im „Seifried Helbling" sind Österreich und Steier immer zwei verschiedene Länder!). Es kommen daher als „Österreicher" überhaupt nur Leute in Frage, die in diesem Gebiet leben. Nun zur ersten Frage. Im 12. Jahrhundert gibt es erstmals Anzeichen dafür, daß man die Österreicher als von den Baiern verschieden angesehen hat. In der „Vita Altmanni" 6 aus der Mitte des 12. Jahrhunderts werden die Baiern in antikisierender Form (und räumlich nur zum kleineren Teil zutreffend) als „Norici" bezeichnet. Österreich wird davon als „Noricum ripense" (Ufernoricum) geschieden. Im selben Jahrhundert begegnen auch erstmals ein österreichisches Landrecht 7 und die Landesgemeinde, in der Form von Hof- und Gerichtstagen Leopolds III. bzw. 4 Wenskus, ebd., 560 ff.; Herwig Wolfram, Die Christianisierung der Baiern, in: Katalog zur Ausstellung „Baiemzeit in Oberösterreich", OÖ. Landesmuseum, Kat. Nr. 96, Linz 1977, 177-188. Zur Ethnogenese der Baiern vgl. ferner Herwig Wolfram, Hg., Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern (Denkschriften der Ö. A. W., phil.-hist. Kl. 201), Wien 1990. 5 Wie wir mit Mühlmann und Wenskus neutraler anstatt „Volk" oder „Stamm" sagen werden. 6 MG, SS 12: zur Interpretation Otto Brunner. Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Darmstadt 6=51970,199 f. Vgl. ferner dazu und zum folgenden Heide Dienst, Ostarrichi - Oriens - Austria: Probleme „österreichischer" Identität im Hochmittelalter, in: Plaschka / Stourzh I Niederkorn, Hg., Was heißt Österreich? 1995, 35-50, hier insbes. 40 ff. 7 Das „ius illius terrae" wird zu 1081 genannt, freilich in der nach 1125 entstandenen Vita (wie Anm. 6). Vgl. Brunner, Land und Herrschaft, ebd. und 202 f.
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seiner Nachfolger.8 Damit wird der Zusammenhang von stabiler politischer Herrschaftsbildung und Entstehung eines bestimmten Gruppenbewußtseins deutlich. Wieder kann dabei auf Parallelen aus der alten Stammeswelt verwiesen werden,9 aber doch nur unter Berücksichtigung einer erheblichen Veränderung: Denn wenn auch das „Land" des 12./13. Jahrhunderts noch sehr stark ein Personenverband war, so doch einer, der in einem territorial deutlich abgegrenzten Bereich lebte.10 Und wenn auch das Selbstbewußtsein dieser neuen Einheit teils recht altertümliche Züge trägt, so ist es doch neu entstanden. Landesgemeinde, Landrecht, Landessitte verweisen auf das Land. Wie aber war dieses zustande gekommen? An diesem Punkt unserer Erörterungen scheinen einige allgemeine Aussagen über gewisse gesellschaftliche Verschiebungen des Hochmittelalters notwendig. Die Könige des 10. und 11. Jahrhunderts sahen sich mit dem Problem der feudalen Verselbständigung konfrontiert. Königliche Amts- und Funktionsträger (Grafen, Markgrafen) wurden zwecks Durchführung ihrer Aufgaben ebenso wie als Entlohnung für ihre Dienste mit Grund und Boden ausgestattet - noch lebte man ja in fast ausschließlich agrarwirtschaftlichen Zuständen. Diese Ausstattung mußte notwendig zu einer Herrenstellung der damit Ausgestatteten führen, da mit der Herrschaft über Grund und Boden ebenso notwendig eine solche über die den Boden bearbeitenden Leute verbunden war. Der feudale Amtsträger mußte diese Leute schützen, schirmen, Gericht über sie halten und sie zu militärischen Leistungen heranziehen. Dafür konnte und mußte er die Mittel für seinen Lebensunterhalt und für die Aufrechterhaltung seiner Herrenstellung von jenen Bauern verlangen. Die grundsätzliche Unentbehrlichkeit grundherrschaftlicher Formen läßt sich aus diesem Zusammenhang leicht erkennen. Jeder feudale Herr stand aber vor dem Problem, daß seine Bodenreserven sich ständig verringerten, da auch er seine untergeordneten Krieger (kleinen Ritter) wieder mit Land ausstatten mußte. Ein Ausgleich dafür konnte durch Erweiterung der Bodenreserven im Wege von Rodung, Eroberung nach außen oder auf Kosten der feudalen Nachbarn (bzw. des Königsgutes oder des Gutes kleiner freier Leute) geschaffen werden. Aus diesen Zwängen 8 Brunner, ebd., 203 f. 9 Wenskus, Stammesbildung, bes. 299 ff. 10 Vielleicht sollte man der griffigen Gegenüberstellung „Personenverbandsstaat" - „institutioneller Flächenstaat" von Theodor Mayer noch einen „territorialisierten Personenverbandsstaat" für das 12.-14. Jahrhundert beifügen. Vgl. Theodor Mayer, Die Ausbildung der Grundlagen des modernen Staates im hohen Mittelalter, HZ 159 (1939), 457^87.
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entstand ein feudaler Konkurrenzkampf, ein Ausscheidungskampf, in dem auf die Dauer nur wenige Herren bestehen konnten. Um die Verwirrung noch zu vergrößern, mengte sich auch immer wieder die Zentralgewalt ein und versuchte die zu selbständig gewordenen Herren mit Hilfe von Rechtsmitteln (Infidelitätsprozessen) oder durch Einsatz neuer, stärker abhängiger Gruppen von Funktionsträgern (unter den Ottonen die Reichsgeistlichkeit, unter den Saliern und Staufern die Königsministerialität) zurückzudrängen und zu dämpfen. 11 Als Folge der feudalen Konkurrenz erklärt sich nicht nur die Bildung größerer Gebietskomplexe, sondern auch - zunächst - deren Instabilität. Große Herrschaftsbereiche, wie jene der Eppensteiner oder der Weifen, sind nicht zu Ländern geworden. Die Entstehung der Länder Wir wissen aber, daß sich dieser feudale Kreisel nicht ewig weiterdrehte. Ziemlich rasch begannen sich einige solcher groß gewordener feudaler Komplexe zu verfestigen. Die Landesbildung setzte ein. Um diese zu erklären, muß man zusammen mit den Prozessen der feudalen Zersplitterung und Konkurrenz das Phänomen der Bevölkerungszunahme und Bevölkerungsverdichtung beachten, das Europa vom späten 10. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts beherrschte. Die Ursachen für dieses Bevölkerungswachstum können sicher in einer gewissen äußeren Ruhe gesucht werden, die seit der Abwehr der Araber, Normannen und Ungarn auf dem Kontinent herrschte. Aber auch die Eigenheiten des feudalen Konkurrenzkampfes, der stete Zwang, die Bodenbasis (etwa durch Rodung) zu erweitern, wirkten in dieselbe Richtung. Immer mehr Menschen bevölkerten das alte Europa. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts setzte auch in den österreichischen Gebieten jene intensive Kolonisationsbewegung ein, die bis ins 13. Jahrhundert dauern sollte.12 Sicher konnten sich jene Herren, die diese Bewegung besser als andere zu nutzen verstanden, eines Übergewichts über ihre Konkurrenten erfreuen. Dazu kommt noch ein zweites: Bevölkerungswachstum ermöglicht Arbeitsteilung. Arbeitsteilung erfordert Austausch. Das 11 Ernst Bruckmüller, Organisationsversuche der Reichsherrschaft im Mittelalter, in: Feudalismus. Beiträge zur historischen Sozialkunde 7 (1977) Nr. 3, 54 f. 12 Zusammenfassend Fritz Posch, Der Landesausbau Österreichs im Früh- und Hochmittelalter, in: Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte Österreichs, Wien 1974,75 ff. Ders., Siedlung und Bevölkerung, in: Österreich im Hochmittelalter (907 bis 1246), hg. v. d. Kommission f. d. Geschichte Österreichs bei der ÖAW, hg. v. Richard G. Plaschka und Anna M. Drabek, red. Anna M. Drabek, Wien 1991, 359-444.
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führte erstmals zu einem gewissen Aufschwung der nichtagrarischen Wirtschaftszweige Handwerk, Gewerbe und Handel. Diese Bereiche bedurften aber in der prinzipiell immer noch recht unfriedlichen Welt des Schutzes seitens irgendwelcher großer Herren. Gewerbliche Produktion und Handel konzentrierten sich daher bei den befestigten Plätzen gerade der großen und erfolgreichen Feudalherren. Daraus entstanden Städte (Krems, Tulln, Wien, Judenburg, Graz usw.), und diese Städte waren zunächst „Burgen" der großen Herren, der Babenberger, der Otakare in der späteren Steiermark, gewesen.13 Als Gegenleistung zum gewährten Schutz lieferten die neuen Städte ihren Herren erstmals auch transagrarische Ressourcen, vor allem Geld, in einem Ausmaß, das genau diesen Herren die Stabilisierung ihres Übergewichtes über die anderen Feudalherren jetzt endgültig erlaubte. Was hier in wenigen Sätzen skizziert wurde, war ein Prozeß, der etwa eineinhalb Jahrhunderte dauerte, sich aber zumeist in wenigen Jahrzehnten dramatisch zuspitzte und in gewisser Weise irreversible Ergebnisse hinterließ. Man kann diese Prozesse mit dem soziologischen Terminus „Integration" bezeichnen: Gebiete und Personengruppen wurden im Zuge dieses Prozesses gewissen Herrschaftsbereichen eingegliedert, integriert. Und diese Integrationsvorgänge verliefen so erfolgreich, daß die damals entstandenen Länder grosso modo bis heute existieren. In Österreich dürften gewisse Kontinuitäten ziemlich weit, wohl bis ins 9. Jahrhundert, zurückreichen. So könnte der erstmals 996 urkundlich belegte Landesname schon für ein älteres Herrschaftsgebilde verwendet worden sein, nämlich für den karolingischen Grenzgrafschaftskomplex östlich von Bayern. Die „Bawari vel Sclavi istius patriae" (Raffelstettner Zollordnung von 901-906) verweisen auf die Entwicklung eines besonderen Gemeinsamkeitskomplexes, dessen lateinische Benennung „oriens" wohl einem volkssprachlichen „ostarrihhi" entsprach.14 13 Zur Stadtentstehung Herbert Knittler, Städte und Märkte, in: Herrschaftsstruktur und Ständebildung 2 (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien 4), Wien 1973, bes. 23 ff. Als Fallstudie wichtig Otto Brunner, Die geschichtliche Stellung der Städte Krems und Stein, in: Krems und Stein, Festschrift zum 950jährigen Stadtjubiläum, Krems 1948,19 ff. 14 Die Belege für eine Konstanz des Namens Ostarrichi seit der Karolingerzeit, die ja nun auch irgendeine Konstanz von gesellschaftlichem Bewußtsein ausdrücken kann (nicht muß, da der Begriff relativ allgemein ist und für verschiedene Gebiete gelten konnte), bei Müller, Name (wie S.89, Anm. 7) 402-438, bes. 415. - Die berühmte Raffelstettner Zollordnung ist Gegenstand beträchtlichen Forschens gewesen. Da sie in einem neuen Sammelband leicht erreichbar ist, verweise ich anstatt einer entsprechenden Literaturliste auf die Abhandlung von Michael Mitterauer, Wirtschaft und Verfassung in der Zollordnung von Raffelstetten, MOÖLA 8 (1964, Festschrift Alfred Hoffmann), 344-377, wieder in: Mitterauer, Markt und Stadt im Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittel-
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Allerdings war die Mark des 10. Jahrhunderts nicht nur gebietsmäßig erheblich kleiner als das spätere Land. Die Markgrafen waren zudem nicht einmal die größten Grundbesitzer in ihrem Herrschaftsbereich.15 Und im 11. Jahrhundert wurden die neu eroberten Landstreifen im Osten nicht zur Mark geschlagen, sondern neue, kleine Marken geschaffen, die freilich relativ bald von den Babenbergern eingezogen werden konnten.16 Wahrscheinlich erhielten diese erst damit (um 1080-1100) jene Bodenreserven, die ihnen gegenüber den verschiedenen geistlichen und weltlichen Großen das deutliche Übergewicht des 12. Jahrhunderts verliehen.17 Mit Hilfe ihrer unfreien Dienstmannschaft, mit Hilfe der Herrschaft über Kirchengut (aus der alten Vogtei) und nicht zuletzt mit Hilfe der Herrschaft über jene „Burgen", die zu den größten und wichtigsten Städten des späteren Landes werden sollten, trieben die Babenberger im 12. Jahrhundert den Integrationsprozeß entscheidend voran. Schon vor 1156 ist mit Landrecht und Landesgemeinde zu rechnen.18 Sicher ist die Verleihung des Privilegium minus neuerlich den Babenbergern zugute gekommen. Aber noch beschränkte sich die Landesgemeinde auf die freien Herren, die freien feudalen Krieger im Herrschaftsbereich des Herzogs. Sie sollte sich aber bis zum Ende des 13. Jahrhunderts noch erheblich erweitern. Zugleich schritt der territoriale Ergänzungsprozeß um und nach 1200 sehr rasch fort. Erst jetzt entstand das „Land" auch als territorial einigermaßen geschlossener Komplex. Die in manchen Detailaussagen anzuzweifelnde Quelle des „Landbuches" 19 bietet jedenfalls einen guten
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alters, hg. v. Friedrich Prinz und Karl Bosl, Bd. 21), Stuttgart 1980, 235-265. Die hier zitierte Stelle Seite 239, gedruckt in MG, Cap. 2, 250. Diese karolingischen Marktraditionen, die allenfalls in der Raumordnung der frühen ottonischen Mark gewisse Spuren hinterlassen haben mögen, bewogen Joseph Lampel 1906, einen Vortrag mit dem Titel „1100 Jahre Österreich" zu halten. Vgl. Jubiläen und Geschichtsbewußtsein = Beiträge zur historischen Sozialkunde 6, 1976), Nr. 3, 48. Zu sozialräumlichen Kontinuitäten zur späteren Mark Michael Mitterauer, Zur räumlichen Ordnung Österreichs in der frühen Babenbergerzeit, MIÖG 78 (1970, Festschrift Heinrich Appelt), 94-120. Vgl. Karl Lechner, Das Land Niederösterreich, Geschichtlicher Überblick, in: Handbuch der historischen Stätten, Österreich I: Donauländer und Burgenland, Stuttgart 1970, 149; Karl Lechner, Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Österreich 976-1246, Wien 1976. Die Literatur, die sich mit den beiden neuen Marken befaßt, ist Legion. Zusammenfassend Lechner, Babenberger, 74-82. Die Dotation von Melk, Klosterneuburg und dem Wiener Schottenstift vorab durch Leopold III. und Heinrich II. erfolgte überwiegend in diesen östlichen und nordöstlichen Randbereichen, teils auch jene von Göttweig und Heiligenkreuz. Vgl. Katalog der Ausstellung 1000 Jahre Babenberger in Österreich, Wien 1976, 240 ff. Michael Mitterauer, Ständegliederung und Ländertypen, in: Herrschaftsstruktur und Ständebildung 3 (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien 5), Wien 1973,120-128. MG, Deutsche Chroniken III/2: Das Landbuch von Österreich und Steier, hg. v. Joseph Lampel, 1900.
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Hinweis auf die Art und Geschwindigkeit dieses Prozesses, selbst wenn man nur die aus anderen Quellen gesicherten Vorgänge gelten läßt. Der Kauf ganzer Herrschaftskomplexe (Wels, Linz, Raabs usw.), das systematische Beerben großer Geschlechter (der Peilsteiner, der Domvögte von Regensburg, der Sulzbacher, der Falkensteiner usw.) und die Eingliederung ihrer Ministerialen in das Gefolge des Herzogs, der Erwerb und Ausbau von Städten sowie, aus anderen Quellen bekannt, die Sicherung gewisser Straßenzüge und die Verpflichtung zu deren Benützung20 runden das Bild, das wir uns von diesen Vorgängen machen können, ab. Im Prinzip verlief die Entwicklung der anderen Länder ähnlich: Das Land des Spätmittelalters entstand im Wege von Konzentrationsprozessen, in deren Verlauf Güterkomplexe und Gruppen von Menschen in einen größeren, dauerhafteren Sozialverband integriert wurden. Das Werden des Landes Steier (Steiermark) illustriert diese Prozesse besonders gut. Im Landesnamen sind heute noch die beiden verschiedenen Grundlagen für die Entwicklung dieses Landes erkennbar: das Gebiet von Steyr und die (karantanische) Mark an der mittleren Mur. Diese Mark blieb ziemlich lange von bescheidener Größe und Bedeutung; nicht einmal ihr altes Zentrum, die Hengistburg, lag im Machtbereich der Markgrafen. Die Landesbildung selbst hing eng zusammen mit den Markgrafen aus dem Haus der sogenannten „steirischen Otakare", die nach 1050 sowohl die Mark als auch das Gebiet von Steyr sowie verschiedene Herrschaftsrechte im übrigen Traungau sowie im Ischlland übernommen hatten. Vorerst beschränkten sich jene auf den Ausbau der Traungauer Basis (Vogtei über Traunkirchen, Lambach, Garsten sowie über Besitz von Würzburg und Bamberg, Aufbau einer starken Ministerialität). Diese wurde wichtig, als 1122 das Erbe der Eppensteiner in der Mark und in den Grafschaften im oberen Enns-, Mur- und Mürztal ebenso wie die Vogtei über das Kloster St. Lambrecht an die Otakare fiel. Sofort begann eine lebhafte Siedlungs- und Rodungstätigkeit im Osten der Mark (Gründung von Hartberg). Neuerliche Erbfälle erweiterten die Machtbasis der Otakare (ca. 1136 Besitzungen in Friaul und Kärnten, 1147 Marburg / Maribor und Tüffer/ Lasko, 1158 große Besitzungen beiderseits von Semmering und Wechsel bis zur Piesting). Nun setzte auch eine gezielte Politik der Klostergründung (1129 Rein, 1160 Spital am Semmering, 1163 Vorau, 1164 Seitz / Zice) sowie der Erwerbung von Klostervogteien (1152 Seckau) ein. 20 Herbert Knittler, 342-350.
Eine Markt- und Zollordnung Herzog Leopolds VI. M I Ö G 85 (1977),
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Die Auseinandersetzung mit dem hochfreien, den Markgrafen an Besitz ursprünglich überlegenen und an Selbstbewußtsein offenbar gleichrangigen Adel beschleunigte sich. Einzelne Zweige dieser Geschlechter traten freiwillig oder gezwungen in die Ministerialität der Markgrafen über, andere starben aus, wieder andere gingen ins Kloster, besonders hartnäckige (so die Söhne Bernhards von Stübing, des Besitzers des Grazer Bodens) wurden hingerichtet. Nun konnte, mit Erwerbung dieser zentralen Landschaft, die zentrale Stadt ausgebaut werden - Graz um 1164. Die Verleihung des Bergregals durch Barbarossa und die Ausübung anderer Königsrechte seitens der Otakare unterstrichen nur die fürstengleiche Stellung des Geschlechts, die erstmals 1158 belegt ist und durch die Herzogswürde 1180 demonstrativ hervorgehoben, nicht erst geschaffen wurde. Grundlage dieser Stellung war nicht ein Titel, sondern die erfolgreiche Kombination von Gütererwerb und Herrschaftsrechten (vor allem auch über kirchliche Einrichtungen!) mit Landesausbau und, im Hinblick auf die feudalen Funktionsträger, deren Ausschaltung oder Integration in die Ministerialität, in den Verband der „Stirenses", der „Steyrer". Diese „Stirenses" waren es, die zu Georgenberg 1186, als der unheilbar kranke Otakar IV. die berühmte Erbverbrüderung mit dem Babenberger Leopold V. abschloß, auf die Sicherung ihrer Rechte pochen konnten. Sie waren Träger der Landesbildung, sie und ihre Nachfolger sollten als Landesadel in erster Linie Träger des Landesbewußtseins bleiben.21 Dies auch (und erst recht) dann, als das alte Zentrum Steyr im 13. Jahrhundert vom Lande abgetrennt wurde. Sind schon in der Steiermark bei der Landesbildung offenkundig Bestrebungen wirksam geworden, überregionale Integration durch Sicherung von Straßen und Pässen zu bewirken (im Machtbereich der Otakare und teilweise von diesen schon ausgebaut lagen Pyhrnpaß, Schoberpaß, Perchauer und Neumarkter Sattel, Semmering und Wechsel sowie die Pässe über die Niederen Tauern östlich des Radstädter Tauernpasses), so wird die Bedeutung solcher ökonomischer Faktoren bei den „jüngeren" Ländern (vor allem Salzburg und Tirol) fast noch höher zu veranschlagen sein. 21 Gerhard Pferschy, Hg., D a s Werden der Steiermark. Die Zeit der Traungauer, Graz 1980; Karl Spreitzhofer, Georgenberger Handfeste. Entstehung und Folgen der ersten Verfassungsurkunde der Steiermark, Graz - Wien - Köln 1986. - Eine hervorragende Quelle für den Zusammenhang von Landesbewußtsein und Landesadel ist die steirische Reimchronik des Otachar ouz der Geul an zahlreichen Stellen (MG, Dtsche. Chroniken, V/1, Hannover 1890 und V/2, Hannover 1893). Sie könnte natürlich analog zum österreichischen „Seifried Helbling" ausgewertet werden, was hier aus Platzgründen nicht geschieht.
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Besonders kompliziert ist die Entstehung des Landes Tirol.22 Die Notwendigkeit der Sicherung der Brenner- und Reschenstraße mußte ein erhöhtes Interesse der Reichsgewalt an jenem Grenzgebiete Bayerns und des lombardisch-italienischen Königreiches nach sich ziehen. Das zeitliche Zusammenfallen der aktivsten Italienpolitik mit jener Herrschaftsstrategie, die als „ottonisch-salisches Reichskirchensystem" bekannt ist, führte zu einer besonders großen Rolle kirchlicher Institutionen in den später zum Land Tirol gewordenen Gebieten. Über den reichen Besitz hinaus, den schwäbische und bayerische Klöster von Weingarten bis Chiemsee und alle benachbarten bzw. in diesen Tallandschaften Diözesanrechte ausübenden Bistümer (Chur, Augsburg, Salzburg, Brixen, Trient), aber auch Freising und Regensburg sowohl im Norden (Salzbezug aus der Saline Hall!) wie im Süden (Weinbaugebiete des Etschlandes) schon unter den bayerischen Agilolfingern und unter den Karolingern erhalten hatten, wurden den Bischöfen von Trient und Brixen die Grafschaften im Inn- und Eisack-, Puster- und Etschtal (Vintschgau) übertragen (1027 bzw. 1091). „Auf Kosten der weltlichen Macht dieser Bischöfe entstand das ,Land Tirol'." 23 Freilich war es nicht von Anfang an klar, wer von den diversen Adelsfamilien die Oberhand gewinnen würde. Auch die Bischöfe selbst wehrten sich natürlich lebhaft gegen die Aspirationen ihrer Vögtegeschlechter, letztlich vergeblich. So erbaute der Graf Albert von Tirol auf dem Boden der Churer Bischöfe die Burg Montani - Bischof Berthold von Chur mußte letztlich diese Tatsache anerkennen und gab 1228 dem Grafen die Burg zu Lehen, womit er wenigstens eine gewisse theoretische Oberhoheit bewahren konnte. 24 Als der Brixner Bischof diesem selben Grafen 1214 die Vogtei über das Bistum übertrug, 25 wurden die Rechte des Grafen präzis und in einer recht engen Weise festgelegt. Das hinderte aber gerade diesen Grafen in keiner Weise, die von ihm bevogteten Kirchen nachhaltig in ihrer weltlichen Herrschaftsbasis zu beschränken. Durch das Ausscheiden der Weifen, der Andechs-Meranier und anderer Geschlechter trat der Graf von Tirol nunmehr schon sehr deutlich als eigentlicher Sieger im Konkurrenzkampf hervor. Als nach seinem Tod das Erbe geteilt wurde, schien die 22 Dazu Josef Riedmann, Geschichte Tirols, Wien 1982. Vgl. ferner den Ausstellungskatalog: Eines Fürsten Traum, Landesbildung Tirols zur Zeit Meinhards II. Schloß Tirol - Stams (Dorf Tirol - Innsbruck), 1995 23 Franz Huter, Die historisch-politische Entwicklung Tirols, im Handbuch der Historischen Stätten, Österreich II: Alpenländer mit Südtirol. Stuttgart 1966, 431. 24 Art. „Montani" von Franz Huter im Handbuch der Historischen Stätten, Österreich II, 539. 25 Ernst Schwind / Alfons Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter, Innsbruck 1895, Nr. 27, 46 f.
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Landesbildung neuerdings gefährdet. Aber der Schwiegersohn Alberts, Graf Meinhard II. von Görz (1258-1295)26, einte das Erbe (1263) und setzte das Werk der Entmachtung der von ihm bevogteten Bischöfe sowie des noch verbliebenen hochfreien Adels mit größter Rücksichtslosigkeit und Energie fort. Unter seiner Regierung tritt auch erstmals „comitatus et dominium Tyrolense" als Bezeichnung für das neu entstandene Land auf. Ansprüche der bayerischen Herzöge auf Teilnahme der Bischöfe von Brixen und der Grafen von Tirol an bayerischen Hoftagen wurden von Meinhard II. mit Gutachten zurückgewiesen, die die Unabhängigkeit des neuen Landes von Bayern mit dem Hinweis auf die Zugehörigkeit seiner Grafschaft zum Bistum Trient und damit zu Italien belegen sollten (1282).27 Das hatte nun - so oder so - keinerlei praktische Folgen, zeigt aber die Bemühungen um eine theoretische Untermauerung der faktischen Vollendung der Landesbildung Tirols recht deutlich. Das Land Salzburg entstand aus einem Komplex von Herrschaften, die erst im Lauf des 14. Jahrhunderts endgültig von Bayern gelöst werden konnten. Allerdings ist dieses „Land" nur ein Teil, freilich das Kerngebiet, der ausgedehnten Hochstiftsbesitzungen, die Salzburg im Bereich der alten Herzogtümer Bayern und Karantanien sowie im Gebiet der östlichen und südöstlichen Marken vorab durch reiche Herzogs* und Königsschenkungen des 8., 9. und 10. Jahrhunderts erhalten hatte. Weltliche Herrschaft von geistlichen Reichsfürsten lag zwar dem ottonisch-salischen Reichskirchensystem zugrunde, ging aber keineswegs vom 10./11. Jahrhundert glatt in das „land" des 14. Jahrhunderts über. Zunächst waren ja (auch hier) die Vögte sehr stark an der Herrschaft mitbeteiligt. Den Salzburger Erzbischöfen gelang es, anders als ihren Amtskollegen von Brixen, Chur und Trient, die hochadeligen Vögte in der Verwaltung der Gerichtsbarkeit durch eigene Ministerialen zu ersetzen. Aber auch das schien noch nicht sicher genug - die feudale Verselbständigung großer Ministerialengeschlechter blieb eine Bedrohung, der die Erzbischöfe durch eine systematische Politik schon im 13. Jahrhundert energisch entgegentraten. 28 Bei der Herausbildung des Territoriums versuchte man, die Gebiete um das Herrschaftszentrum Salzburg zu sichern, aber auch territoriale Verbindung zu den Außenbesitzungen zu schaffen und zu befestigen. 26 Hermann Wiesflecker, Meinhard II., Tirol, Kärnten und ihre Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts, Innsbruck 1955. 27 Emil Werunsky, Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, Wien 1894, 597 f.: Wiesflecker, Meinhard II. 177 ff. 28 Heinz Dopsch, Der Dienstadel (Ministerialrat), in: Heinz DopschiHans Spatzenegger Hg., Geschichte Salzburgs, Stadt und Land Bd. 1., 1. Teil, Salzburg 1981, 399.
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Nicht nur diese Tendenz, sondern auch die, den wachsenden wirtschaftlichen Austausch zu kontrollieren und von ihm zu profitieren, führte zur eigentümlichen Gestalt des Salzburger Territoriums, das mehrfach in sackartigen Ausbuchtungen über den Tauernkamm hinausreichte: im Südwesten über den Felber Tauern nach Windisch-Matrei, im Süden über den Radstädter Tauern und den Katschberg bis Gmünd, im Südosten in den Lungau, als Basis einer Verkehrsverbindung zu den Besitzungen um Friesach, im Lavanttal, um Leibnitz und zu Pettau/Ptuj. 29 „Die landrechtliche Lösung von den Herzogtümern Bayern und Kärnten und damit die Anerkennung als eigenes Land gelang Salzburg im 14. Jahrhundert. Bereits 1325 wird ein Landeshauptmann genannt, 1327 traten erstmals die Landstände zusammen und 1328 wurde die erste Landesordnung erlassen. Gleichzeitig spricht Erzbischof Friedrich III. von ,lande, leut und gebiete' [...] Mit dem politischen Handeln der Stände 1387 und dem Igelbund von 1403 ist eine ständische Organisation faßbar, die Landschaft. Im selben Jahr 1403 heißt es eindeutig ,Land des Erzbistums zu Salzburg'."30
Lagen die entscheidenden Jahrzehnte der Landesbildung also im Bereich der östlichen Marken im 12. Jahrhundert (Steiermark 11381180, Österreich 1130-1156, mit wichtigen Etappen noch bis um 1220), so in den westlichen Ländern deutlich später: in Salzburg im 13. (Regierung Eberhards II. 1200-1246 mit zahlreichen Erwerbungen von Gütern und Herrschaftsrechten) und 14. Jahrhundert (s. oben), in Tirol im 13. (Albert von Tirol und vor allem Meinhard II.). Besonders spät zum Land wurde das aus dem alten Stammesherzogtum Karantanien hervorgegangene Herzogtum Kärnten: Ernst Klebel nennt hier erst die Jahre von 1335 bis 1456 (von der Beseitigung der steirischen Enklaven bis zum Erwerb des Görzer Anteiles) als entscheidend.31 Kärnten war wie Baiern ein altes Stammesfürstentum (jenes der KarantanerSlawen), das im Karolingerreich zunächst so wie alle alten Stammesherzogtümer der nivellierenden Politik zum Opfer fiel, im späten 9. und 10. Jahrhundert nach dem Zerfall jenes Großreiches aber wieder als Herzogtum (unter etwas veränderten Umständen wahrscheinlich) auftrat.32 Bis 976 in der Regel mit dem bayrischen Herzogtum verbunden, wurde es in der Folgezeit wiederholt an rasch wechselnde Herren 29 Herbert Klein, Salzburg, ein unvollendeter Paßstaat, in: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters. Vorträge und Forschungen X. Konstanz 1965, 275-291. 30 Heinz Dopsch, Die Entstehung des Territoriums, in: Dopsch / Spatzenegger Hg., Geschichte Salzburgs 1/1, Salzburg 1981, 345. 31 Ernst Klebel, Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte des alten Niederösterreich, Jb Lk Nö NF 28 (1944), 98 (Anm.). 32 Gotbert Moro, Das Land Kärnten. Geschichtlicher Überblick, im Handbuch der Historischen Stätten, Österreich II, 181 f.
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vergeben, die oft nicht einmal in ihren Herrschaftsbereich kamen. Seit der Stärkung der königlichen Macht durch Kaiser Otto I. (936-973) war der königliche Einfluß in Kärnten dominant geworden. Das Herzogtum, 976 wieder von Bayern getrennt, hatte in seiner Funktion für das Land selbst langhin wenig Bedeutung. Das umfangreiche Königsgut wurde nun nicht bloß an weltliche Feudalherren, sondern - im Sinne des Reichskirchensystems - vorab an kirchliche Einrichtungen, so an die Bischöfe von Aquileja, Brixen, Freising und in besonders hohem Maße an Salzburg und Bamberg abgegeben. 33 Erst die Spanheimer (1122-1269 bzw. 1279) versuchten wieder, eine Stärkung der Herzogsposition in Kärnten selbst herbeizuführen. Faktisch waren aber auch sie auf das Zentralgebiet (St. Veit - Klagenfurt) beschränkt. Oberkärnten war überwiegend görzisch bzw. ortenburgisch, Friesach salzburgisch; unter Salzburger Einfluß stand auch der Besitz des Bischofs von Gurk, das Lavanttal war teils bambergisch, teils salzburgisch, Villach unterstand Bamberg usw. Dennoch setzte unter den letzten Spanheimern ein langsamer territorialer Konzentrationsprozeß ein, der dann unter den Görzern (bis 1335) und Habsburgern fortdauerte. Erst mit der Eingliederung Oberkärntens (1460) und der Salzburger (endgültig 1535) bzw. Bamberger (1535/1674) Besitzungen in das Land wurde dieser Prozeß abgeschlossen.34 Trotz der ältesten Tradition unter allen herrschaftlich-politischen Raumgebilden mit Zentrum im heutigen Österreich ist Kärnten also ein relativ junges Land. Aus dem Stammesherzogtum der Karantaner bzw. aus der Phase von dessen Eingliederung ins Frankenreich haben sich zwar die berühmten Zeremonien am Fürstenstein und Herzogsstuhl erhalten. Darüber hinaus gibt es aber kaum Kontinuität. Und der Herzogstitel war für die Spanheimer im 12. und 13. Jahrhundert nur eine mäßig wirksame Hilfe bei ihren Bemühungen, Besitz und Rechte zu akkumulieren und ein „Land" zu schaffen. Die Landesbildung des Hochmittelalters führte also - soviel hat sich nebenbei aus unseren knappen Ausführungen ergeben - zu einer vollständigen Zersetzung der älteren ethnischen Einheiten, der „Stämme" der Baiern und Karantaner. Ergebnis der Landesbildung sind neue ethnische Gruppierungen, deren Zusammensetzung wir (als Beantwortung der Frage 2 von S. 157) weiter unten noch diskutieren müssen. Zuvor aber noch ein kleiner Exkurs zur theoretisch-ideologischen Seite der Neustammbildung. „Stämme" als Versammlungen politisch irgend33 Gotbert Moro, Das Königsgut in Kärnten (800 bis etwa 1000), Carinthia 1,131 (1941), 35 ff. 34 Moro, Das Land Kärnten. Im Handbuch der Historischen Stätten, Österreich II, 188 f.
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wie berechtigter Männer haben zwei wichtige Eigenheiten. Zum ersten ist die „politische" Berechtigung engstens mit Wehrtätigkeit verknüpft - nur wer selbst das Schwert führt, kann unter den frühmittelalterlichen Umständen mangelnder Staatlichkeit für sich selbst (und für die seinem Schutze Unterstellten) einstehen. Und zweitens ist ein richtiger Stamm von seinem Selbstverständnis her zumeist uralt und von irgendwie göttlicher Abstammung.35 Daran mangelte es schon den Baiern36, die ja erst im 6. Jahrhundert auftauchen, vermutlich unter dem Druck der expandierenden Franken (oder vielleicht der Ostgoten?) den Namen einer von außen (Böhmen?) kommenden Führungsgruppe auf weitere Gruppierungen germanischer bzw. provinzialrömischer bzw. (im Gebirge) vielleicht sogar vorrömischer Herkunft übertragend. Als Trost für diesen Mangel wurde im Hochmittelalter auf das alte römische Noricum zurückgegriffen, und die Baiern eben als „Norici" bezeichnet - um wenigstens an der Dignität römischer Einrichtungen teilzuhaben. Diese gelehrte Konstruktion wurde schon im 11. Jahrhundert für die nun neu entstehenden „Osterleute" erweitert und adaptiert.37 Als „Norici ripenses" wurden sie von den gewöhnlichen „Norikern" (also den Baiern) unterschieden. Verweist schon diese eigentümliche Abstammungstheorie auf das teilweise noch recht Altertümliche der österreichischen Neustammbildung, so wird dieser Eindruck noch unterstrichen durch eine weitere Beobachtung. Es sind nämlich in besonders starkem Maße Heiligenviten,38 in denen das hier nur grob umrissene historische Selbstbewußtsein der Österreicher des Hochmittelalters entworfen und tradiert wird. Damit stellt sich die Frage nach der Rolle von Religion und Kult für die ethnischen Neubildungen des Hochmittelalters. Abstammung von irgendwelchen Göttern oder zumindest halbgöttlichen Heroen zu behaupten, war seit der Christianisierung sicher untunlich. Dennoch haben gerade die christlichen (oder christianisierten) ethnischen Gemeinschaften häufig sehr enge Bezüge zu bestimmten Persönlichkeiten, deren kultische Verehrung als Heilige und zugleich als nationale Identifikationsfiguren funktional stark an den älteren Abstammungsmythos erinnert. St. Martin in Frankreich, St. Stephan in Ungarn, der heilige Wenzel in Böhmen füllen nun in christlicher Verwandlung die Rolle 35 36 37 38
Wenskus, Stammesbildung, 54 ff., 311 f. Wolfram, Die Christianisierung der Baiern (wie Anm. 4). Alphons Lhotsky, Ostarrichi, Aufsätze und Vorträge 1, Wien 1970, 232 f. Darauf hat Michael Mitterauer in einem Vortrag „Das Österreichbewußtsein im Mittelalter" (1976) besonders hingewiesen. Vgl. auch Michael Mitterauer, Die Anfänge der österreichischen Geschichte als Problem, in: Österreich in Geschichte und Literatur 6 (1962), 101 ff.
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eines „heiligen Spitzenahns" aus. Neue ethnische Identität, gesichert in der heiligen Person, erfuhr in logischer Fortsetzung dieser Kombination eine besondere Absicherung durch ein der neuen Herrschaftsorganisation bzw. dem neuen Ethnos eigenes Bistum. Gerade in Böhmen, Polen und Ungarn, im 10. Jahrhundert neu entstandenen und christianisierten Einheiten, ist diese Kombination sehr deutlich zu beobachten. 39 Besonders in Böhmen erweist sich die integrative Kraft des Landesheiligen, wenn der böhmische Adel sich um 1200 selbst als „familia Sancti Wenceslai" bezeichnet (wobei „familia" wohl ungefähr mit „wehrhafter Gefolgschaft" zu übersetzen sein dürfte). In auffallender zeitlicher Parallele zu dem böhmischen Streben nach Verselbständigung des Bistums Prag aus der Mainzer Kirchenprovinz steht nun das Bemühen der österreichischen Herzöge Leopold VI. und Friedrich II. um die Errichtung eines Bistums in Wien. Im Zuge dieses Vorhabens wandte man sich an den Papst, betonte dabei besonders die Größe und Bedeutung Wiens als geplantem Bischofssitz und hob hervor, daß auch ein entsprechender Landesheiliger vorhanden sei.40 Dieser heilige Koloman war zwar unbekannter - wohl irischer - Herkunft, konnte aber als einheimischer Heiliger gelten, war er doch im Jahre 1012 nahe der damaligen ungarischen Grenze bei Stockerau ermordet und zwei Jahre später nach dem Auftreten von Wundern nach Melk überführt worden - welche „translatio" als Kanonisierung galt.41 Landesheiliger (bzw. seine bewußte Aufwertung durch die Planung einer Kolomanskirche in Wien) und versuchte Bistumsgründung stehen also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang und unterstreichen unsere Vermutung der relativen Altertümlichkeit der österreichischen Neustammbildung im Vergleich zu den anderen späteren Bundesländern. Mit Ausnahme von Kärnten sind derartige Bezüge nirgends faßbar geworden. In Kärnten kann man den denkbar engen Zusammenhang zwischen dem (älteren) Stammesherzogtum und kultischen Einrichtungen auf Grund der räumlichen Nähe von Karnburg („civitas Carentana", was 39 Frantisek Graus, Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln - Graz 1975, bes. Kap. IV. Für Polen, Böhmen und Ungarn vgl. Aleksander Gieysztor, Politische Heilige im hochmittelalterlichen Polen und Böhmen, sowie: Gabor Klaniczay, Königliche und dynastische Heiligkeit in Ungarn, beide in: Jürgen Petersohn, Hg., Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (= Vorträge und Forschungen Bd. XLII), Sigmaringen 1994, 325-342 und 343-364. 40 Heinrich v. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters, Innsbruck 1904,23 f. Hermann Krabbo, Die Versuche der Babenberger zur Gründung einer Landeskirche in Österreich, in: AÖG 93, Wien 1903. 41 Karl Lechner, Die Anfänge des Stiftes Melk und des St. Koloman-Kultes, Jb Lk Nö NF 29 (1948), 47-81; Niederkorn-Bruck, Koloman, passim.
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wohl mit „Hauptburg der Karantaner" zu übersetzen ist) und Maria Saal auch heute noch erleben. Maria Saal42 wurde schon 767 geweiht und blieb bis 945 Sitz eines von Salzburg abhängigen Chorbischofs. 927 weilten in Karnburg und Maria Saal der Herzog von Kärnten, der Erzbischof von Salzburg, der Chorbischof und viele Adelige, gleichzeitig fand hier eine Synode statt. Weltliches und geistiges Zentrum waren also gleichzeitig Versammlungsort der weltlichen und geistlichen Führungsschichten. Mit dem Erlöschen des Chorbistums, der Übertragung von Maria Saal an Salzburg, dem Bedeutungsverlust des Herzogtums verblaßte die Bedeutung dieser Kombination, ohne doch je ganz aus dem Bewußtsein zu schwinden. Während in Kärnten die im 10. Jahrhundert noch deutlich sichtbare ethnische Identifikationszentrale immer mehr an Integrationskraft verlor, sind die Bemühungen der Babenberger um ihr Bistum Wien zwar gescheitert. Der heilige Koloman blieb aber als Landesheiliger im Bewußtsein und wurde erst durch den (wieder) bewußt politischen Akt der Kanonisation des Markgrafen Leopold III. (1485)43 in seiner Position durch eine Persönlichkeit erschüttert (und 1663 ersetzt), deren Verankerung im Lande bei gleichzeitiger Herkunft aus dem landesfürstlichen Geschlecht für die Rolle des „heiligen Spitzenahns" günstiger erschien. Trägerschichten des
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Die kurze Erklärung des Prozesses der Landesbildung hat teilweise auch schon die Beantwortung der zweiten Frage vorweggenommen, nämlich die nach dem Personenkreis, den das Land umspannte. Es ist dies jener Personenkreis, der von den genannten Integrationsprozessen erfaßt wurde. Das waren nicht überall dieselben Gruppierungen. In der Steiermark etwa standen die Ministerialen des Markgrafen ganz im Zentrum der Landesbildung. Diese verlief teilweise so, daß man vom Markgrafen unabhängige Feudalherren in- oder außerhalb der Mark in den Kreis der Ministerialen hineinlockte und -zwang.44 Die „Landleute" sind deshalb mit den „Stirenses", den „ministeriales Styriae" zunächst identisch.45 Wir können hinzufügen, daß die be42 Recht gut dokumentiert im Art. „Maria Saal" im Handbuch der Historischen Stätten Österreich II, 253 (von Walther Fresacher). 43 Vinzenz O. Ludwig, Der Kanonisationsprozeß des Markgrafen Leopold III., des Heiligen, Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg 9 (1919); Röhrig, Leopold III., 143 ff. 44 Peter Feldbauer, Herren und Ritter, in: Herrschaftsstruktur und Ständebildung 1 = Sozialund wirtschaftshistorische Studien (3), Wien 1973, 89-92. 45 Mitterauer, Ständegliederung, 148.
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rühmte Georgenberger Handfeste, also jene Verbriefung gewisser Mitspracherechte an ebendiese Ministerialen,46 den Kern aller späteren „Freiheitsbriefe" des steirischen, aber auch späterhin des Adels der anderen innerösterreichischen Länder ausmachte. In Österreich wurden von diesem Integrationsprozeß auch freie Herren erfaßt (etwa die Falkenberger, die Pottensteiner). Durch die auch hier überragende Rolle der babenbergischen Ministerialität, die sich im Zuge der Landesbildung ebenso wie die steirische aus der strengsten Form persönlicher Abhängigkeit befreien konnte,47 erschienen bald beide Gruppen gemeinsam als „Landherren" - die Kerngruppe und späterhin wichtigste Kurie der Landstände als „Herrenstand". 48 Die Zugehörigkeit der niederen („einschildigen") Ritter zum Land erscheint im 13. Jahrhundert noch zweifelhaft. Diese Zugehörigkeit konnten ohnedies nur die dem Landesfürsten Unterstehenden erreichen, „private" Ritter blieben ebenso außerhalb des Landesverbandes wie Städte und Märkte, die nicht dem Landesfürsten unterstanden. Immerhin erschienen die landesfürstlichen österreichischen Ritter gegenüber Rudolf v. Habsburg als gemeinsam handelnde Gruppe, da sie ein Landfriedensbündnis schließen konnten.49 Zwar noch völlig getrennt von den Herren (Dienstmannen - Dienstherren - Herren!), begannen sie damit, ihre Zugehörigkeit zum Lande zu dokumentieren. Wie auch immer, jedenfalls ist klar, daß die den Herzog von Österreich (Albrecht I.) an den Hof des Königs (Rudolf I.) begleitenden Leute ritterliche Leute, am ehesten aus dem höheren adeligen Gefolge, also aus dem Kreis der Herren, waren. Die Frage nach dem „rechten Osterman" beim Dichter des „Seifried Helbling" ist dementsprechend sozial eindeutig. Gemeint ist nicht irgendein Herr Jedermann aus Österreich, sondern ein adelig-ritterliches Mitglied der Landesgemeinde, wie sie sich im Integrationsprozeß der Landesbildung herauskristallisiert hatte. Unterherrschaftliche Gruppierungen, abhängige Bauern, aber auch von anderen Feudalherren abhängige Ritter oder bürgerliche Gemeinden hatten keinen Anteil am Land, sie gehörten rechtlich nicht zum österreichischen Ethnos. Komplizierter ist die Frage in Kärnten. Zwar stand auch hier die Ministerialität (vor allem jene der Spanheimer) im Mittelpunkt der 46 Heinrich Fichtenau / Erich Zöllner Hg., Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, Bd. 1, Wien 1950, Nr. 65, 85 ff. 47 Zu diesem Prozeß Paul Kluckhohn, Die Ministerialität in Südostdeutschland vom zehnten bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts, Weimar 1910. 48 Brunner, Land und Herrschaft, 405. 49 Ebd., 407 (1281, Schwind-Dopsch, Nr. 63,125).
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Landesbildung. Zum Land gehörten hier aber auch die Edlinger, freie, bäuerliche Leute mit militärischen Verpflichtungen, deren Existenz möglicherweise auf die Gefolgschaft des Herzogs im alten Stammesherzogtum zurückgeht. Freilich schieden diese mit ihrer Unterstellung unter adelige Gerichtshoheit im 14. Jahrhundert weitgehend aus dem Landesverband aus, so daß zuletzt nur mehr einer aus diesem Kreis, der Herzogsbauer, dem Lande zugezählt wurde. 50 Gerade die gegenteilige Entwicklung fand in Tirol statt. Hier war die Landesbildung durch die Ausschaltung eigenständiger adeliger Gerichtsrechte im Zuge des meinhardinischen Integrationsprozesses gekennzeichnet. Sehr bald gehörten in Tirol deshalb nicht nur die ritterlichen Gefolgsleute des Fürsten zum Land, sondern auch jene Gerichte, die unter landesfürstlicher Gerichtshoheit standen. 51 Noch vor den Gerichten, aber nach den ritterlichen Leuten erreichten auch die landesfürstlichen Städte die Zugehörigkeit zum Lande. In Österreich traten sie in eigenen Rechtsakten dem Landfrieden Rudolfs von Habsburg bei.52 Als Friedrich der Schöne seine Hochzeit mit Elisabeth von Aragon vorbereitete, bestätigten die Städte ebenso wie die anderen zum Lande gehörenden Gruppierungen der Braut ihre Morgen- und Witwengabe. 53 Es fehlte nur noch, daß alle zum Lande gehörenden Gruppen gemeinsam handelnd auftraten. Das geschah in Österreich erstmals 1396/97, in Steiermark 1412.54 Damit waren aus diesen diversen, oft getrennten Versammlungen Landtage geworden. Die zum Lande gehörenden Gruppen formierten sich zu Landständen. Aus dieser Genese wird der Satz Otto Brunners verständlich, der die zunächst etwas dunkel scheinende Feststellung getroffen hat: „Stände ,vertreten' nicht das Land, sie sind es."55 Diese Entwicklung der zum Land integrierten Gruppen in Richtung veritabler „Stände" zeigt nun eine weitere Facette dieser so bedeutungsvollen sozialen Prozesse. Integration in ein dauerhaftes Sozialgebilde („Land") war im Hoch- und frühen Spätmittelalter nicht bloß ein Ausdruck gesellschaftlicher Ein- und Unterordnung, sondern auch 50 Herwig Ebner, Von den Edlingern in Innerösterreich, in: Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 47, Klagenfurt 1956; Walther Fresacher, Das Ende der Edlinger in Kärnten, Klagenfurt 1970. 51 Mitterauer, Ständegliederung, 193; Ernst Bruckmüller, Täler und Gerichte, in: Herrschaftsstruktur und Ständebildung 3, Wien 1973,11 ff. 52 Brunner, Land und Herrschaft, 407; Knittler, Städte und Märkte, 17 f. 53 Knittler, ebd. 18. 54 Werunsky, Reichs- und Rechtsgeschichte, 274; Brunner, Land und Herrschaft, 432. 55 Brunner, Land und Herrschaft, 423.
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ein Ausdruck von Emanzipation, von Erringung erweiterter Autonomie. Aus den unfreien Ministerialen des Herzogs wurden Landherren, die „Freiherren" späterer Jahrhunderte. Aus hofrechtlicher Abhängigkeit wurde landrechtliche Zugehörigkeit. Diese Entwicklung ist nicht so rätselhaft, wie sie hier in verkürztem Ausdruck klingen mag, sondern die Folge der Übertragung von Herrschaftsrechten an diese abhängigen Gruppen gerade im Zuge der Landesbildung. Wenn der österreichische Herzog seine Ministerialen mit Gerichtsrechten über Kirchengut betraute, dann mußte dieser Vorgang, bei währenden feudalen Verhältnissen, zum Ausbau einer eigenen Herrenstellung, die sich dann im Burgenbau dieser Gruppen äußerte, führen. 56 Da die feudalen Zwänge in dieser Zeit (12./13. Jahrhundert) noch immer auf die Ausbildung einer gewissen Verselbständigung bei solchen Amtsträgern hindrängten, eine volle Verselbständigung aber nicht mehr möglich war (dazu war eben der Integrationsprozeß schon zu weit gediehen), kam es nur mehr zu einer relativen und nur mehr korporativen Verselbständigung. Nicht mehr der einzelne Landherr oder Ritter emanzipierte sich (teilweise) vom Landesfürsten, sondern die Gesamtheit aller Landherren, als Stand, als „Herrenstand". Ähnliches gilt für die Ritter. Und ähnliches gilt auch für die zum Lande gehörigen Gemeinden, vor allem die Stadtgemeinden. Auch sie erhielten in wachsendem Maße Autonomierechte, zunächst im Heer-, dann auch im Gerichtswesen, und auch sie konnten nun als Gruppe mit ihrem Herrn, dem Landesfürsten, über gewisse Probleme verhandeln. Diese Verhandlungen der Stände mit dem Landesfürsten sollten die späteren Landtage ausfüllen. Das interessiert hier nicht weiter. Nur soviel, daß sich solche Verhandlungen an der finanziellen Ablösung älterer lehens-, hof- oder landrechtlicher Hilfeverpflichtungen entzündeten.57 Die Landstände sind also das Land. Sie sind die Trägerschichten des Landesbewußtseins vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Bis 1848 hängt die Existenz der Länder, des Landesbewußtseins und der Tradition der Länder aufs engste mit der Existenz von Landständen zusammen.58 Die Stände (zunächst) als Verband der wehrhaften Leute, später als zu Rat und Hilfe verpflichteter Personenkreis von dem Landesfürsten direkt unterstehenden, aber mit gewissen Autonomierechten ausgestat56 Michael Mitterauer, Burg und Adel in den österreichischen Ländern, in: Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Hans Patze = Vorträge und Forschungen 19., Sigmaringen 1976, 379 ff. 57 Brunner, Land und Herrschaft, 426 ff. 58 Brunner, Land und Herrschaft, 441 ff.
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teten Personen und Personengruppen, mußten unter zwei Voraussetzungen an Bedeutung gewinnen. Die erste Voraussetzung ist in andauernden finanziellen Verlegenheiten der Landesfürsten zu suchen, welche diese zwangen, immer wieder die Stände um finanzielle Hilfen („Steuern") anzugehen. Denn wenn etliche der frühen Ständeversammlungen noch ganz den Charakter von Musterungsversammlungen trugen, so änderte sich dieser Charakter im 15. Jahrhundert: Die Stände erlaubten dem Landesfürsten, Steuern auch von ihren (der Stände) Untertanen einzuheben und mit dem Geld seine Auslagen vor allem im militärischen Bereich zu bestreiten.59 Die zweite Voraussetzung ist im komplizierten Bereich der Herrschaftsvorstellungen zu suchen. Wenn das fürstliche „Heil" nicht an einer Person, sondern an der ganzen fürstlichen Familie, der „stirps regia", hing, dann mußten alle Mitglieder etwa des habsburgischen Hauses im Spätmittelalter irgendwie an der Herrschaft beteiligt werden. Die aus diesen Vorstellungen zwanglos resultierenden Familienstreitigkeiten der Habsburger (um Teilungen und Vormundschaften) mußten immer wieder die Stände der einzelnen Länder zu Aktionen anspornen, das Interesse des Landes gegenüber den Interessen der fürstlichen Familie zu artikulieren. So geschehen 1406,60 nach dem Tode Herzog Wilhelms in Niederösterreich, oder 1451,61 als die Niederösterreicher zu Mailberg die Herausgabe des jungen Ladislaus Posthumus, ihres angestammten Landesfürsten, von seinem Vormund Friedrich III. forderten. Mit diesen und zahlreichen anderen Aktionen wurden die Stände von bloß fallweise einberufenen „Tagen" immer mehr zu festen Organisationen. Ausdruck dieser institutionellen Verfestigung wurde der Bau eigener Landhäuser, der ziemlich parallel ging mit der Einrichtung einer eigenen ständischen Finanzverwaltung. Verwaltung braucht Raum ... So erwarben die niederösterreichischen Stände 1513 das ehemalige Liechtensteinsche Freihaus in der Herrengasse, das anschließend umgebaut und erweitert wurde.62 Nicht unbeträchtliche Reste dieser gotischen und der anschließenden Renaissance-Bauperiode wur59 Brunner, Land und Herrschaft, 433, zu 1442: Die Herren und Ritter betonen, daß sie nicht besteuert werden dürften, weil sie mit eigener Person das Land zu beschützen hätten, „... wiewol sy ettwan durch des lands notdurft und bessere befridung auch ains fürsten fleissige pet willen gedult und die irn zu steurn gegünnet haben, das sy doch nur von gutem willen und nicht von rechtens wegen haben getan ..." - es ist also die Besteuerung der „Ihren" kein selbstverständliches Recht des Fürsten! 60 Grundsätzlich schon bei Werunsky, Reichs- und Rechtsgeschichte, 175 f. 61 Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs, 2. Bd., Stuttgart - Gotha 1927,308 f. 62 Reclams Kunstführer Österreich Bd. 1, Stuttgart 31968,557 f.; zum Neubau vgl. Viktor Bibl, Die niederösterreichischen Stände im Vormärz, Wien 1911, 141 f. und 237; Feuchtmüller, Landhaus, passim.
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den beim Neubau dieses Gebäudes (1837-1848) in das neue Landhaus einbezogen. Auch die steirischen Stände hatten schon Ende des 15. Jahrhunderts eine eigene Kanzlei eingerichtet und seit 1510 Objekte angekauft und erweitert, aus denen schließlich das Landhaus hervorging.63 1643 noch durch das berühmte Zeughaus erweitert (Ausdruck der in der Sondersituation der Grenznähe noch lange weiterbestehenden großen Bedeutung der Stände für das Wehrwesen!), bietet der Gesamtkomplex noch heute ein eindrucksvolles architektonisches Beispiel ausgeprägten ständischen Landesbewußtseins. Eine Besonderheit stellt Kärnten dar, insoferne die Landeshauptstadt Klagenfurt nicht bloß Sitz der ständischen Verwaltung (auch hier Neubau eines Landhauses seit 1574), sondern auch der Obrigkeit der Landstände unterstellt war (seit 1518).64 Da in Kärnten seit der Erwerbung durch die Habsburger (1335) niemals ein Landesfürst tatsächlich residierte, wurden die Stände hier für die Landestradition besonders wichtig. In Linz65 wurde seit 1564 ein neues Landhaus erbaut. Mit diesen Beispielen wollen wir es bewenden lassen. Freilich trat um 1500 eine Erstarrung dieser Strukturen ein. Die Stände (das Land, die „Nation" im alten Sinne) erweiterten sich nicht mehr. Noch im 15. Jahrhundert hatten die Tiroler Täler und Gerichte die volle Standschaft erreicht, in Salzburg eine zeitweilige, und in den übrigen Ländern gab es Ansätze für eine Erweiterung des Landes in Richtung gewisser bäuerlicher Gruppen. 66 Im 16. Jahrhundert ist davon nichts mehr zu verspüren. Im Gegenteil - gewisse Adelsgruppen (kleine Ritter) nahmen zahlenmäßig ab, gewisse kleinere Städte nahmen an Landtagen nicht mehr teil, weil ihnen das zu kostspielig war, einige wurden vom Landesfürsten aus Geldnot zuerst verpfändet und dann verkauft und verließen so die Sphäre des Landes.67 Das Land schrumpfte 63 Reclams Kunstführer Österreich, Bd. 2, Stuttgart 3 1968,164 ff. 64 Gustav Adolf v. Metnitz, Das ständische Klagenfurt, in: Die Landeshauptstadt Klagenfurt Bd. 1, Klagenfurt 1970 (hg. v. Gotbert Moro), 102 ff. 65 Reclams Kunstführer Österreich Bd. 1, Stuttgart 31968, 263 f. 66 Bruckmüller, Täler und Gerichte, passim; Peter Blickle, Landschaften im alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland, München 1973, bes. 54 ff., 74 ff., 159 ff.; Gerhard Pferschy, Zu den politischen Aktivitäten der steirischen Bauernschaft im 15. Jahrhundert, in: G. Pferschy Hg., Siedlung, Macht und Wirtschaft. Fs. F. Posch, Graz 1981, 151 ff. 67 Knittler, Städte und Märkte, 39 f.; Helmuth Feigl, Die Ursachen der niederösterreichischen Bauernkriege des 16. Jahrhunderts und die Ziele der Aufständischen, in: Die Bauernkriege und Michael Gaismair, Protokoll des internationalen Symposions vom 15.-19. November 1976 in Innsbruck, hg. v. Fridolin Dörrer, Innsbruck 1982, 201.
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gesellschaftlich also eher, als daß es sich erweiterte. Dennoch hat man keineswegs den Eindruck, daß der soziale Geltungsbereich des Landesbewußtseins ebenso zurückging. Nicht nur, daß die adeligen Stände häufig für das Vorhaben der Habsburger, ein Großreich zu errichten, wenig Verständnis aufbrachten und in regionaler Interessenorientierung verharrten, steif und fest ihre Privilegien verteidigend, deren Inhalte eben noch dem mittelalterlichen „Land" angemessen waren.68 Nicht nur, daß ebendiese Stände im 16. Jahrhundert zum allergrößten Teil protestantisch wurden und sich die religiöse Widerstandsideologie mit dem traditionellen Landesbewußtsein zu einem mächtigen Abwehrblock gegen den überregionalen absolutistischen Anspruch der Habsburger verband. 69 Es begegnen darüber hinaus fast verblüffende Zeugnisse eines über die Stände langsam hinausgreifenden, auch die unterherrschaftlichen Gruppierungen erfassenden Landesbewußtseins. Schon 1478 waren die aufständischen Kärntner Bauern darangegangen, die funktionslos gewordene adelige Landesgemeinde, die die überkommene Schutzfunktion angesichts der jährlichen Türkeneinfälle nicht mehr ausüben konnte, durch einen eigenen Bund zu ersetzen. Im Erfolgsfalle wäre dieser Bauernbund zweifellos das „Land" in Kärnten geworden. Er scheiterte freilich an der militärischen Unzulänglichkeit.70 1596/97 erklärten die aufständischen niederösterreichischen Bauern, daß sie zwar die Steuern, die der lange Türkenkrieg erforderte, ebenso satt hätten wie die in Notfällen übliche Aushebung des 30., 15. oder fünften Mannes, daß sie aber allesamt, Mann für Mann, in den Krieg ziehen wollten, wenn die Stände ebenfalls ins Feld zögen.71 Damit wollten auch sie jene Rolle wenigstens mit übernehmen, die im 68 Die berühmten „Schadlosbriefe", mit denen sich die Stände jede irgendwie geartete Bewilligung abgelten ließen, erinnern daran. Vgl. Brunner, Land und Herrschaft, 426, der darauf hinweist, daß die landrechtliche Verpflichtung der Herren und Ritter zur Landesverteidigung nur zum einmonatigen Dienst ohne Sold reichte. Was darüber hinausging, mußte der Landesfürst zahlen, oder die Stände bewilligten ihm eine „Steuer", aber eben mit der Verbriefung der Tatsache, daß dies deren „Freiheiten" nicht zum Schaden gereichen dürfe (ebd., 432 f. und bes. 436, Anm. 4: Schadlosbriefe nur für Herren und Ritter). 69 Hans Sturmberger, Georg Erasmus von Tschernembl. Religion, Libertät und Widerstand, Linz 1953; Gustav Reingrabner, Adel und Reformation. Beiträge zur Geschichte des protestantischen Adels im Lande unter der Enns während des 16. und 17. Jahrhunderts, Wien 1976, bes. 58-72. 70 Brunner, Land und Herrschaft 439; Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, Darmstadt 8 1969, 36 f., Josef Vre, Bauernkrieg und Türkennot in Kärnten unter Friedrich III., phil. Diss. (ms.), Wien 1905; Jakob Unrest, Österreichische Chronik, hg. v. K. Grossmann (MG SS n.s. XI), Weimar 1957, 95 f. 71 Gottfried E. Friess, Der Aufstand der Bauern in Niederösterreich am Schlüsse des XVI. Jahrhunderts, Wien 1897, Urkunden Nr. 1,244.
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Mittelalter die adelige Landesgemeinde zu tragen gehabt hatte. Wenn man die enge Verknüpfung von militärischer Leistung und politischer Mitsprache, wie sie in der Konstruktion älterer Stämme ebenso zu beobachten ist wie im mittelalterlichen „Land", bedenkt, dann bedeutet das nichts anderes, als daß diese Bauern sich nun ebenfalls zum Lande zählen wollten. Und im Jahre 1626 unterbreiteten die aufständischen oberösterreichischen Bauern dem Kaiser wiederholt das Angebot, sie wollten das dem Bayernherzog verpfändete Land finanziell auslösen. Auch damit ging die Bauernschaft in die Richtung, sich als Landesgemeinde zu konstituieren, wenn auch unklar ist, ob sie eine Anteilnahme an der traditionellen ständischen Organisation anstrebte.72 Kontinuitäten
Offenkundig konnte in Krisenzeiten das Landesbewußtsein rasch breite Kreise erfassen. Diese Schübe an Bewußtseinsbildung in Richtung auf Großgruppen (Nationen, Klassen) werden uns noch in weiteren Krisensituationen (1809, 1848, 1918) begegnen. In der Regel blieb das Gruppenbewußtsein der unterherrschaftlichen Gruppen lokal orientiert. Man war primär Mitglied seines Dorfes, Marktes, seiner Pfarre. 73 Freilich wurden diese Lokalgruppen, ob ihnen das nun recht war oder nicht, in die großen Auseinandersetzungen der Zeiten hineingezogen. Deren Dimensionen hatten sich nun aber erheblich gewandelt. Hatten sich die steirischen Otakare des 12. Jahrhunderts oder die Babenberger derselben Zeit mit mehr oder weniger standesgleichen Konfliktpartnern von letztlich doch nur regionaler Bedeutung herumzuschlagen gehabt, so waren die Habsburger des 14. und 15. Jahrhunderts in wesentlich erweiterte Konkurrenzkämpfe mit Wittelsbachern, Görzern, Luxemburgern, Jagellonen und Corvinen verwickelt. Und mit dem Erwerb des burgundischen Erbes durch Maximilian I. trat man in die europaweite Konkurrenz zu den Valois, die zu allem Überfluß zeitgleich mit der türkischen Konfrontation sein mußte, welche zu tragen man von den Jagellonen (1526) übernommen hatte. 72 Darauf weisen auch mehrere Quellen aus dem Umkreis des zweiten oberösterreichischen Bauernkrieges 1595-1597. Vgl. Albin Czerny, Der zweite Bauernaufstand in Oberösterreich 1595-1597, Linz 1890, 196; dafür Belege in Oberösterreich 1626: Hans Sturmberger, Der oberösterreichische Bauernkrieg von 1626 im Rahmen der Landesgeschichte, in: Katalog der Ausstellung „Der oberösterreichische Bauernkrieg 1626", Linz 1976,10. 73 Michael Mitterauer, Pfarre und ländliche Gemeinde in den österreichischen Ländern, in: Blätter f. deutsche Landesgeschichte 109 (1973), 1-30, wieder in: Mitterauer, Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften = Kultur und Gesellschaft 5, hg. v. R. v. Dülmen, Stuttgart 1979, 123-147.
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Die Habsburger mußten alle ihre Ressourcen voll in Anspruch nehmen, um diese Konkurrenzsituationen durchstehen zu können. Das erschien noch wenig problematisch, solange die Reichtümer der burgundischen Niederlande voll zur Verfügung standen. Mit den habsburgischen Teilungen (1564) und dem Beginn der Auseinandersetzungen um jenes ehemalige Kernstück der habsburgischen Macht waren die österreichischen Habsburger weitgehend auf ihre Erblande verwiesen, wenn Spanien auch weiterhin wichtige Hilfe gewährte. Nicht zufällig begann deshalb unter Maximilian /., systematischer fortgeführt unter Ferdinand /., ein Prozeß, der mit dem treffenden soziologischen Fachterminus „Penetration" bezeichnet wird: die Penetration der habsburgischen Länder, ihre Durchdringung und Erfassung vor allem zum Zweck der besseren Nutzung der materiellen Ressourcen, mit Hilfe neuartiger Herrschaftsinstrumente - Hof und Bürokratie. 74 Freilich - dies sei vorausgeschickt - geriet sie über einen gewissen Grundstock an Einrichtungen der Zentralbehörden am Hof und einigen landesfürstlichen Organisationsformen in den Ländern oder Ländergruppen bis ins 18. Jahrhundert nicht hinaus. Dennoch mußte dieser neue Apparat jedenfalls für die traditionellen ständischen Einrichtungen eine erhebliche Konkurrenz bedeuten. Nicht nur dies - es mußte über kurz oder lang die grundsätzliche Frage nach der Legitimation jener Herrschaft auftauchen, die die ständischen Grundherren über ihre Untergebenen als prinzipiell autonome Hausherrschaften ausübten. Damit war aber auch die Legitimation des alten „Landes" in Frage gestellt. Ob bewußt oder unbewußt - die Stände begannen jedenfalls seit dem 16. Jahrhundert ebenso einen eigenen bürokratischen Apparat zu entwickeln, der sich auf Grund der unmittelbaren Verfügung der Stände über die Finanzquellen des Landes, soweit sie über das Kammergut des Fürsten hinausgingen75, tadellos entfalten und aufblühen konnte. 76 Für unsere Frage wichtig ist die Tatsache, daß die Versuche dieser 74 Zum Hof: Hubert Ch. Ehalt, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert, Wien 1980: zur Bürokratie Thomas Fellner / Heinrich Kretschmayr I Friedrich Walter; Die österreichische Zentralverwaltung, Wien 1907 ff. 75 Das Kammergut steuerte ja direkt in die fürstliche Kammer, vgl. Brunner, Land und Herrschaft, 435 f. 76 Zur Entwicklung der ständischen Bürokratie zusammenfassend am besten Herbert Hassinger, Die Landstände der österreichischen Länder. Zusammensetzung, Organisation und Leistung im 16.-18. Jahrhundert. Jb Lk Nö NF 36 (1964) Bd. 2,989 ff. Eine kurze praktische Übersicht für Niederösterreich bot Max Vancsa, Die Anfänge des ständischen Beamtentums in Österreich unter der Enns. MbH. d. Ver. f. Lk. Nö 9 (1918), 130-138.
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Jahrzehnte, den ständischen Autonomiebereich einzuschränken, politisch bis um 1620 zwar erfolgreich waren, daß dieser Erfolg aber nicht bis zur Beseitigung der ständischen Einrichtungen und damit der Länder gediehen ist.77 In den Auseinandersetzungen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zwischen habsburgischem Absolutismusstreben und ständischem Autonomismus und Regionalismus wandten die Stände erhebliche Kräfte für die juridische und historische Fundierung ihrer Position auf. Hervorragende Ständemitglieder, wie die ober- und niederösterreichischen Barone Job Hartmann von Enenkel oder Reichart Streun von Schwarzenau, trieben historische Studien und sammelten eifrig die verschiedensten Quellen, die die ständischen Ansprüche untermauern sollten.78 In seinen späteren Jahren als Mitarbeiter Enenkels im Dienste der ob-der-ennsischen Stände stand Hieronymus Megiser, dessen „Annales Carinthiae" freilich im wesentlichen das Werk des 1595 verstorbenen protestantischen Predigers Michael Gotthard Christalnick waren.79 Bei Georg Erasmus von Tschernembl verband sich dieses Streben mit aktivem, aus calvinischen Quellen gespeistem Widerstandsgeist, der bis zum Plan eines beinahe republikanischen Ständebundes der habsburgischen Länder fortentwickelt wurde.80 Von diesen Plänen wird später (S. 329 f.) noch zu reden sein. Die Niederlage der Stände zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (in Innerösterreich waren die entsprechenden Entscheidungen schon früher gefallen) bremste diese Entwicklung. Die Ober- und Niederösterreicher brachten es trotz der Vorarbeiten Enenkels und Streuns nicht zu eigenen „Landesfreiheiten", wie sie die Innerösterreicher auf Georgenberg aufbauend ihr eigen nannten.81 Dennoch konnten, in den Anstrengungen des Dreißigjährigen Krieges und der anschließenden Franzosen- und Türkenkriege, die Habsburger bei währender Geldnot nicht daran denken, die ständische Bürokratie, die ihnen ja die Steuern eintrieb, zu ersetzen oder zu übernehmen. Trotz der politischen Niederlage blieben die Stände und blieben damit auch die Länder reale politisch-soziale Gegebenheiten. Auch im Barock schlägt sich dieser Tatbestand in eindrucksvollen Leistungen der Geschichtsschreibung nieder. Teils im Auftrag der Stän77 78 79 80 81
Brunner, Land und Herrschaft, 449 ff. Lhotsky, Historiographie, 104 f. Lhotsky, Historiographie, 108. Slurmberger, Tschernembl, passim. Brunner, Land und Herrschaft, 202; Sergij Vilfan, Les Chartes de Libertés des Etats provinciaux de Styrie, de Carinthie et de Carniole et leur Importance pratique, in: Tirage à part de l'album Elemér Mâlyusz. O. O. 1976, 201-209.
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de, teils auf eigene Initiative (und mit anschließender Widmung an die Stände) entstanden berühmte Werke, etwa Johann Weikhard Valvasors „Die Ehre des Herzogtumes Krain"82 oder Jakob Andreas von Brandis' „Landeshauptleute von Tirol"83. Ohne Stände kein Land - kein Land ohne Stände. So ist durch das Entstehen entsprechender Stände noch im 16. Jahrhundert zwischen Tirol und der Eidgenossenschaft, teils als Rest der alten Landbrücke zu den westlichen habsburgischen Besitzungen, teils durch Zukauf einiger Herrschaften und durch Verselbständigung dieses räumlich ziemlich geschlossenen Komplexes aus dem vorder- bzw. schwäbisch-österreichischen Bereich, ein neues Land entstanden, das Land „enhalb des Arl", Vorarlberg. Hier waren die Habsburger Nachfolger der Montforter Grund- und Gerichtsherren, kein Adel stand neben oder zwischen bzw. über den 21 Gerichten und den drei Städten, die nun allein die Stände des Landes bildeten. Ausschließlich die Städte und Gerichte konstituierten das Land, das niemals ein eigener gesonderter Verwaltungskörper der habsburgischen Bürokratie war.84 Wieder, wie in Tirol, hatte die große (hier: alleinige) Rolle der Städte und Gerichte eine besonders breite Verankerung des Landesbewußtseins zur Folge. Wenn man sich manchmal über gewisse Übertreibungen im Landesbewußtsein dieser Länder mokiert, dann muß man diese Traditionen, diese soziale Breite, die dort das „Land" hatte, mitberücksichtigen. Freilich waren auch die Tiroler und Vorarlberger Städte und Gerichte „Hausväterdemokratien". Eine übertriebene Idealisierung ist deshalb fehl am Platze! Vielleicht waren es 10-15% der Bevölkerung, die auf diese Weise politische Mitspracherechte hatten. Aber das ist im Vergleich zu den östlichen Ländern, wo eben nur die grundherrlichen Hausväter, nicht auch die ihnen gerichtsmäßig unterstehenden bäuerlichen, solche Rechte hatten, sehr viel, und es vermag jedenfalls die breite Fundierung des Landesbewußtseins wenigstens mit zu erklären. Komplizierter ist die Frage der Landesentstehung in Oberösterreich. Sicher ist auch hier das Entstehen eigener Stände letztlich entscheidend geworden. Aber den Anfang machte doch eine landesfürstliche Verwaltungseinrichtung. So setzte Kaiser Friedrich II. während der Zeit seiner Herrschaft für die ehemals babenbergischen Gebiete ob der Enns einen eigenen Richter ein - 1237 soll zu Wels ein Gerichtstag 82 1689 in Nürnberg erschienen, Neuausgabe Laibach 1901. 83 Innsbruck 1850. 84 Karl Heinz Burmeister, Geschichte Vorarlbergs, Wien 1980, bes. 99 ff. Anton Brunner, Die Vorarlberger Landstände von ihren Anfängen bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Innsbruck 1929.
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stattgefunden haben, aus dem sich das oberösterreichische Landtaiding entwickelte.85 Auch nach der Wiederherstellung der Position Herzog Friedrichs II. begegnen Amtsträger des Herzogs für dieses Gebiet, die „Schreiber" des Herzogs, ab 1240. Entscheidend für die Sonderung des Landes ob der Enns wurde aber die Zeit nach dem Aussterben der Babenberger. Versuche des bayerischen Herzogs, das Land zurückzugewinnen, ebenso wie die Besetzung des Ennstales durch den Erwählten Philipp von Salzburg führten zu einer immer stärkeren Trennung von der Steiermark. Hier im Norden konnte sich Ottokar II. Premysl seit 1252 durchsetzen, während die Steiermark südlich des Gebirgskammes 1254 an den ungarischen König fiel. Diese Trennung sollte nun aber auch nach der Wiedervereinigung von Österreich und Steiermark in der Hand Ottokars nicht mehr aufgehoben werden. Das nun entstehende Land heißt „ob der Enns" oder aber auch schon das „obere Österreich", welches nun eindeutig ein Gerichtssprengel mit eigenen Gerichtsversammlungen war. In der Folge begegnen dann Landeshauptleute und Landrichter für das Gebiet ob der Enns.86 Deutlich bildeten hier die Städte und die Mitglieder der Prälatenkurie den Anfang ständischer Sonderung, während der Adel noch bis ins 15. Jahrhundert hinein auf gemeinsamen Tagen mit den Niederösterreichern auftrat. 87 Die Städte des Landes veranstalteten 1400 einen eigenen Tag,88 und 1408 berief der Landeshauptmann Städte und Prälaten zu einer Tagung zusammen, die als erster oberösterreichischer Teillandtag gilt.89 Besonders die Prälatenkurie galt daher in Oberösterreich zu Recht als „erster Stand" (während diese Position in den anderen Ländern mehr als Ehrenvorrang gelten mußte), mit welchem Kontinuität und Landesbewußtsein in hohem Maße verknüpft waren.90 Verschiedentlich wurde schon auf die Konkurrenz der landesfürstlichen Instanzen mit dem Apparat der Stände hingewiesen. Die „Landschaftsschulen", „Landschaftsapotheken" und „Landschaftschirurgen" (Landschaft = Stände) der letzteren begannen seit dem 16. Jahrhundert, 85 Alois Zauner, Ottokar II. Premysl und Oberösterreich. in: Ottokar-Forschungen = Jb Lk Nö NF 44/45 (1979), bes. 58. 86 Zauner, ebd., 59 ff. 87 Mitterauer, Ständegliederung, 138 ff. 88 Alfred Hoffmann, Der oberösterreichische Städtebund im Mittelalter. Jb. d. oö. Musealvereines 93 (1948) 107-145. 89 Alfred Hoffmann, Die oberösterreichischen Landstände und Landtage in alter Zeit, in: Verfassung und Verwaltung des Landes Oberösterreich vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Linz 1937, 5-34. 90 Alfred Hoffmann, Das Land Oberösterreich - Geschichtlicher Überblick, im Handbuch der Historischen Stätten, Österreich I, 2.
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langsam auch Funktionen für über die Ständemitglieder hinausreichende Gruppierungen zu übernehmen. 91 Damit konnten die Stände wichtige zusätzliche Legitimationsargumente in einer Zeit gewinnen, als ihre traditionellen Funktionen immer mehr zurücktraten. Aber auch die weitere Zurückdrängung der Stände seit etwa 1750 änderte an der Faktizität der Länder und des Landesbewußtseins nichts mehr. Wir sind mit der erstaunlichen, für unser Thema aber wichtigen Tatsache konfrontiert, daß bloße Verwaltungseinheiten ohne entsprechende aktive Mitwirkung der Betroffenen (oder wenigstens die theoretische Gelegenheit dazu, auch wenn sie sich nur fallweise realisierte) kein oder nur ein schwaches Gemeinsamkeitsbewußtsein erzeugen. Nicht zufällig betonen offenbar die Soziologen, daß Gruppen nur durch einen ständigen Handlungszusammenhang (und nicht bloß passiven Zusammenhang durch gemeinsames Verwaltetwerden) konstituiert werden. Es gab kein Gruppenbewußtsein, das einem Gubernium entsprach, also kein ob- und unterennsisches, kein tirol- und vorarlbergisches, kein görz-triest- und istrisches. Eher noch ein innerösterreichisches, aber in diesem Falle hat man es nicht nur mit einer Ländergruppe unter einem über längere Fristen eigenen Landesfürsten zu tun (was etwas anderes ist als bloß eine besondere Bürokratie!), sondern auch mit zeitweilig gemeinsamem Handeln der Stände dieser Länder.92 Wir können das auch später beobachten. Während in Niederösterreich bis heute ein gewisses „Viertelsbewußtsein" vorhanden ist (die Viertel waren Einheiten zunächst der ständischen Organisation), wird wohl niemand behaupten, es gäbe ein „Bezirkshauptmannschaftsbewußtsein". 93 Auch die vorübergehende Einverleibung der Verordnetenkollegien der Stände unter Joseph II. in die landesfürstlichen Landesstellen (und damit deren faktische Auflösung) konnten daran nichts ändern.94 Im Gegenteil. Als Reaktion auf diese Maßnahmen kommt es unter Leopold II. nicht nur zu einer Restaurierung der ständischen Einrichtungen. Zugleich wurden Überlegungen zur Erweiterung der Stände 91 Hassinger, Landstände, insbes. 1028 ff. 92 Das bis ins 14. Jahrhundert zurückzuverfolgen ist und durch die gemeinsamen Schicksale dieser Ländergruppe während der Teilung nach 1379 und 1564 immer von neuem evoziert wurde, dazu Brunner, Land und Herrschaft, 450; Winfried Schulze, Landesdefension und Staatsbildung. Studien zum Kriegswesen des innerösterreichischen Territorialstaates, Wien - Köln - Graz 1973; Pferschy, Gemeinschaftssinn und Landesbewußtsein, in: Plaschka I Stourzh I Niederkorn, Hg., Was heißt Österreich?, Wien 1995, 51 ff. 93 Das „Viertelsbewußtsein" wird auch durch rezente Organisationen, etwa durch den „Kulturbund Weinviertel" oder den „Waldviertier Heimatbund" gepflegt. Vgl. 30 Jahre Niederösterreichisches Bildungs- und Heimatwerk, Wien 1976, 31. 94 Brunner, Land und Herrschaft 460.
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in Richtung Bürger und Bauern angestellt.95 Schon unter Joseph II. hatte sich der ständische Widerstand gegen die habsburgische Zentralisierung zu veritablen Aufstandsbewegungen, so vor allem in Belgien und Ungarn, verdichtet.96 In Belgien waren sie so erfolgreich, daß die Ständerevolte vorübergehend zu einer unabhängigen belgischen Nation führte. Leopold II. konnte allerdings diese Entwicklung nochmals rückgängig machen, bevor Belgien endgültig den Habsburgern (an das revolutionäre Frankreich) verlorenging.97 In abgeschwächter und veränderter Form trugen die einzelnen Landstände ihre Opposition gegen den franziszeischen Zentralismus weiter. Sieht man von Ungarn ab, wo die Reformbewegung der 1830er und 1840er Jahre deutlich antihabsburgische und antizentralistische Spitzen trug,98 mangelt es vor 1848 freilich an spektakulären Ereignissen. Etwas anderes sollte viel wichtiger werden. Die Stände manifestierten nämlich ihre stille Opposition in der Förderung jeweils einheimischer Tradition: also der niederösterreichischen, oberösterreichischen, steirischen, tirolischen, böhmischen usw. So hingen die damaligen historisch-landeskundlichen Bemühungen, die sich schon verschiedentlich in eigenen Vereinsgründungen niederschlugen, durchwegs mit den Ständen zusammen.99 Solche eng mit den Ständen liierte Vereine entstanden auch für die Zwecke der Agrikulturförderung, teils unter einem organisatorischen Dach mit den landeskundlichen.100 Diese Bestrebungen traten in allen Ländern auf. Besonders weitreichende Folgen hatten sie dort, wo die hier angesprochenen Traditionsbelebungen mit dem Aufbrechen des Sprachnationalismus zusam95 Viktor Bibl, Die Restauration der niederösterreichischen Landesverfassung unter Kaiser Leopold II., Innsbruck 1902; Adam Wandruszka, Leopold II. Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana, König von Ungarn, Böhmen, Römischer Kaiser, Bd. 2., Wien 1965, 249 ff. In der Steiermark erweiterte man tatsächlich die Stimmen des vierten Standes (der Städte) von 1 auf 10 und schuf diesem auch einen Platz im Verordnetenkolleg, vgl. Hermann Ignaz Bidermann, Die Verfassungskrisis in Steiermark zur Zeit der I. Französischen Revolution, Mitt. d. hist. Ver. f. Stmk. 21 (1873), 41, 53, 65. 96 Jan Roegiers, Der Umsturz in Brabant, in: Kat. d. Nö. Landesausstellung „Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II." (Katalog d. Nö. Landesmuseums NF 95), Wien "1980,266-270. Zu Ungarn vgl. Horst Haselsteiner, Joseph II. und die Komitate Ungarns, Wien - Köln - Graz 1983. 97 Wandruszka, Leopold II. Bd. 2., 315 ff. 98 George Barany, Stephen Szechenyi and the Awakening of Hungarian Nationalism, 1791— 1841, Princeton 1968. 99 Karl Lechner, 100 Jahre „Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien" im Rahmen wissenschaftlich-landeskundlicher Bestrebungen seit Ende des 18. Jahrhunderts, Wien 1964, insbes. 23 ff. 100 Christian d'Elvert, Geschichte der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde, mit Rücksicht auf die bezüglichen Cultur-verhältnisse Mährens und Österreichisch-Schlesiens, Brünn 1870.
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menfielen und den letzteren förderten. Es ist bekannt, daß Frantisek Palackys grundlegende Geschichte Böhmens über Aufforderung und durch Förderung der Stände erarbeitet wurde.101 Sicher wirkte die Tatsache, daß gerade durch solche Bücher nicht nur den adeligen Ständemitgliedern, sondern auch weiteren Kreisen die alte staatsrechtliche Selbständigkeit sowie die hussitische Revolution mit ihrer sozial breiten Basis ins Bewußtsein drangen, auf die Ausbildung des modernen Nationalismus stimulierend. Man kann ohne Übertreibung sagen, daß der moderne Nationalismus eine seiner Wurzeln in diesen regionalbewußten Maßnahmen einiger Stände hatte. Das altertümliche Landesbewußtsein legte vor allem in Böhmen den Grund für die Entwicklung der modernen bürgerlichen Nation. Freilich konnten jene „böhmischen Patrioten", die Palacky gefördert hatten, selbst nicht (oder nicht besonders gut) Tschechisch, weshalb jenes Buch zunächst auch in deutscher Sprache erschien. Aber die Wirkung dieses und ähnlicher Werke griff rasch über auf die entstehenden bildungsbürgerlichen Gruppierungen tschechischer Sprachzugehörigkeit, die durch die Maßnahmen des aufgeklärten Absolutismus mehr oder weniger erst entstanden waren.102 Damit sind wir freilich schon beim Thema des vierten Kapitels. Das heißt aber nicht, daß es seit dem Vormärz kein Landesbewußtsein mehr gäbe. Die Ausbreitung sprachnationaler Identifikation drängte zwar seine Bedeutung zurück. Aber daß jenes nach wie vor eine gesellschaftliche Realität darstellt, zeigen nicht nur gewisse Ereignisse im Vorarlberg der 1960er und 1970er Jahre.103 Die Verankerung der Landes101 Peter Burian, Die Nationalitäten in „Cisleithanien" und das Wahlrecht der Märzrevolution 1848/49. Zur Problematik des Parlamentarismus im alten Österreich, Graz - Köln 1962,19 f. verweist darauf, daß Palacky selbst bezeugt hat, er habe seit 1843 „... einer Elite des böhmischen Herrenstandes im Hause des Fürsten Schwarzenberg Vorlesungen über die in der böhmischen Landesverfassung [...] eingetretenen Veränderungen zu halten..." die Möglichkeit gehabt. Darin hatte er Gedanken aus seiner „Geschichte von Böhmen" (Prag 1836/67) zusammengefaßt. 102 Miroslav Hroch, Das Erwachen kleiner Nationen als Problem der komparativen sozialgeschichtlichen Forschung, in: Sozialstruktur und Organisation europäischer Nationalbewegungen, hg. v. Peter Burian und Theodor Schieder (= Studien zur Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts, 3), München 1971,121-139. 103 Gerhard Wanner, Schiffstaufe Fussach 1964. Bregenz 1980. Die sehr stark von einer AntiWien-Stimmung grundierte Vorarlberger Bewegung „Pro Vorarlberg" schien immerhin schon so antiösterreichische Dimensionen zu gewinnen, daß sich dagegen eine Bewegung „Pro Österreich" mit freilich wesentlich schwächerem Anhang bildete. „Pro Vorarlberg" erreichte mit einer Petition im Jahre 1979 (unter erheblicher medialer Unterstützung) einen Landtagsbeschluß, mit dem eine Volksabstimmung für den 15. Juni 1980 mit folgender Fragestellung eingeleitet wurde: „Sollen Vertreter des Landes mit dem Nationalrat und mit der Bundesregierung in - auch den anderen Ländern offenstehende - Verhandlungen mit dem Ziel eintreten, im Rahmen des österreichischen Bundesstaates dem Land (den Ländern) mehr Eigenständigkeit und den Gemeinden eine Stärkung ihrer Stellung
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bürgerschaft in Landesverfassungen, die bewußte Pflege des Landesbewußtseins durch eigene Institutionen beweisen, daß solche Bewußtseinsinhalte nach wie vor mehr als bloß folkloristische Bedeutung haben. Die Länder waren zwischen 1848 und 1861 keine verwaltungsmäßigen Realitäten gewesen. Die Stände gab es nicht mehr. Die landesfürstlichen Verwaltungen stimmten nicht überall mit den Landesgrenzen überein. Seit 1861 bestanden aber wieder Landtage. In deren Kuriengliederung spiegelte sich bis 1918 noch ein bedeutender Rest altständischer Mitbestimmungsprinzipien. 104 Wieder, wie vor 1848, wurden die Landtage und ihre Organe die eigentlichen Träger des Landesbewußtseins, ohne daß man hier auf das politische Gewicht der rechtlichen Kompetenzen dieser Landtage, die bis heute in der Forschung nicht unumstritten sind,105 eingehen müßte. Landesbewußtsein
und
Konservativismus
Das Landesbewußtsein wies in seiner altständischen Ausprägung ebenso wie in den Landtagen ab 1860 stets eine konservative Note auf, defensiv gegen Zentralismus und verschiedene Formen des „Fortschrittes", die immer wieder von den Zentralstellen ihren Ausgang gefunden hatten. Von dieser Beurteilung dürfte wahrscheinlich nicht einmal die „liberale" Bewegung des niederösterreichischen Landtages, die zum März 1848 hingeführt hatte, ausgenommen werden. Auch hier ging es im wesentlichen um die Aufrechterhaltung oder Neueinrichtung traditioneller Freiräume, in deren Nutzung dem Adel besonderer Raum gewährt werden sollte.106 Mit dem Entstehen der modernen „Politik", also der Ausbreitung von Versuchen, Regierungshandlungen irgendwie von „außen" oder im Sinne der nachfolgend angeführten 10 Punkte zu sichern?" Bei einer Teilnahme von über 90% der Stimmberechtigten stimmten fast 70% der Abstimmungsteilnehmer mit „Ja". - Vgl. Unterlagen zur Volksabstimmung am 15. Juni 1980, hg. vom Amt der Vorarlberger Landesregierung: Bürgerinitiative Pro Vorarlberg, Bittschrift vom 6. 9. 1979, Petition der Bürgerinitiative Pro Vorarlberg vom 12. 3.1983 (alles mitgeteilt von der Bürgerinitiative Pro Vorarlberg, Hohenems, wofür der Autor Herrn Manfred Dörler zu herzlichem Dank verpflichtet ist). - Ferner Siegbert Morscher, Pro Vorarlberg, in: Andreas Khol I Alfred Stirnemann, Hg., Österreichisches Jahrbuch für Politik 1980, Wien 1981, 31 ff. 104 Georg Schmitz, Die Anfänge des Parlamentarismus in Niederösterreich. Landesordnung und Selbstregierung 1861-1873, Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung 36, Wien 1985, 27 ff. 105 Vermutlich hat das folgende Zitat aus dem Jahre 1918 einiges für sich: „Die Landtage verstanden es, den durch die Landesordnungen von 1861 ziemlich enggezogenen ... und sachlich äußerst bescheidenen Wirkungskreis . . . in der Richtung der Erweiterung der Landesautonomie auszugestalten ..." (Georg Schmitz, Der Landesamtsdirektor, Entstehung und Entwicklung, Wien 1978, 11.) 106 Bibl, Stände, passim.
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von „unten" zu beeinflussen, konnte eine auf jenes Landesbewußtsein aufbauende und es geschickt verstärkende Propaganda daraus einen Eckpfeiler konservativer regionaler Identifikation bauen. Das ist einer der Hintergründe für den fraglosen Erfolg breiter konservativer Bewegungen mit stark auf das eigene Land bezogener Ideologie in Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Steiermark nach 1868. Organisatorisch getragen von den gegen den Wiener Liberalismus opponierenden katholischen Preßvereinen und Casinos (ab 1869),107 verband sich bei diesen Föderalistisch-Konservativen die Betonung der regionalen Eigenständigkeit mit einer gewissen patriarchalischen Attitüde und starkem gesellschaftspolitischen Konservativismus. Wo massive soziale Probleme auftraten, wurde daher die Vorherrschaft der Konservativen früher oder später in Frage gestellt. In Tirol mit dem Auftreten der „schärferen Tonart" der Jung-Konservativen, die späterhin in den Christlichsozialen aufgingen, aber auch in Vorarlberg und in Niederösterreich.108 Aber auch die neuen Kräfte des zunächst primär ländlichen Protestes gegen die Schuldtragenden am Niedergang des Bauerntumes spielten die Karte des Landesbewußtseins bald wieder aus. Um den Erfolg und bestimmte in den Ländern weiterwirkende Traditionen des föderativen Konservativismus verstehen zu können, darf man freilich zwei andere, ebenfalls ins 19. Jahrhundert fallende Ereignisse nicht außer Betracht lassen. Sicher hat - zum einen - die Entdeckung der „Volkskultur", lokaler und regionaler Trachten, teils unter romantisch-historischen Vorzeichen (man wollte möglichst alte, vorzüglich „germanische" Relikte in den Bauernhäusern und Volkstrachten finden)109, teils mit deutlicher Opposition gegen die alten und neuen zentralistischen Führungsschichten (man lese nur bei Erzherzog Johann nach, warum ihm der graue Rock des Steirers so lieb war!)110 eine wich107 Karl Schwechler, 60 Jahre Grazer Volksblatt. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Bewegung in Steiermark, Graz 1927; Walter Sauer, Katholisches Vereinswesen in Wien, Salzburg 1980, insbes. 34 ff. Das meiste Material bietet nach wie vor Gustav Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich, etwa Bd. 3, Wien 1905, 9,120 ff. usw. 108 Ernst Bruckmüller, Wirtschaftsentwicklung und politisches Verhalten der agrarischen Bevölkerung in Österreich 1867-1914. VSWG 59 (1972), insbes. 515 ff. 109 Über die Anfänge der Volkskunde recht gut Hermann Bausinger, Volkskunde, Darmstadt o. J. Die Neigung, in lokalen Trachten möglichst urtümliche Formen zu finden, dokumentiert etwa der Wunsch, kulturelle Ausdrucksformen auf Sprachgemeinschaften („Germanen") bzw. auf alte Stämme zurückzuführen (noch heute lernt man in den Schulen von „bayrisch-fränkischen" Hofformen). Der Landespatriotismus steht zunehmend im Dienste des Sprachnationalismus des 19./20. Jahrhunderts und führt damit vom kulturellen Regionalismus weiter zum Sprachnationalismus. Das ist aber erst Gegenstand des übernächsten Kapitels. 110 Viktor Theiß, Erzherzog Johann, der steirische Prinz, Wien - Köln - Graz 31982, 147 f. (Brief des Erzherzogs an seine Hausfrau Anna Plochl).
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tige Identifikationsfigur für regionales Bewußtsein geschaffen - so brave Trachtenträger wie bei Defregger können die Tiroler Bauern von 1809 im Original nur schwer gewesen sein! Trachten und Schützenwesen erweisen sich als zentrale Zeichenträger insbesondere des Tiroler Landesbewußtseins - wobei beide gerade durch die Feier gewisser Feste und die damit verbundene Förderung von oben ihre Bedeutung für die breite Verankerung von Landesbewußtsein noch verstärken konnten.111 Zum zweiten war der Konservativismus breiter bäuerlicher Bevölkerungsschichten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Einbildung. Er ist aber auch nicht „uralt", sondern in seinem ökonomischen, sozialen und politischen Aspekt durchaus aus der Zeit zu erklären. Seine Anfänge sind in den Vormärz zu datieren, als mit der beginnenden Industrialisierung die Stellung der ländlichen Unterschichten prekär wurde und die Bedeutung der Bauern als Arbeitgeber stieg. Ferner hat die Grundentlastung die Bauern aus patriarchalischer Bevormundung entlassen, aber durch die Sicherung des Eigentums, die Übertragung und Sicherung einiger Rechte in Haus und Gemeinde an die bäuerlichen Hausväter einen lebhaften Sekundärpatriarchalismus begünstigt. Man sehe sich nur die Forderungen diverser Bauernvertreter nach Verschärfungen der ohnedies nicht sehr arbeitnehmerfreundlichen Dienstbotenordnungen an! m Begünstigt dürfte diese Bewegung durch eine Verlangsamung der landwirtschaftlichen Modernisierung worden sein, die im 18. Jahrhundert in Kärnten, Steiermark und Oberösterreich schon lebhaft eingesetzt und bis um 1848 mit zentralen Neuerungsschritten (Rückgang der Brache, Hackfrüchte, Sommerstall111 Laurence Cole, Nation or Region? Cultural identity in Tirol in the years before 1914, in: Nationalism in Europe. Past and Present 1, ed Justo G. Beramendi / Ramón Máiz I Xosé M. Núñez, Santiago de Compostela 1994, 435-467 ders., Andreas Hofer: The Social and Cultural Construction of a National Myth in Tirol, 1809-1909, in: E U I Working Paper, E U F No. 94/3, Badia Fiesolana 1994. In seiner im Druck befindlichen Dissertation Province and Patriotism: German National Identity in Tird in the Years 1850-1914, (Ms.) Florenz 1995, hat Cole die beiden Landesjubiläen von 1863 und 1909 untersucht. Die erste Feier erwies sich dabei als überwiegend städtisch-bürgerliches Fest, mit liberaler Grundierung und patriotisch-österreichischen ebenso wie großdeutschen Konnotationen, daher auch von den den Landtag beherrschenden Konservativen abgelehnt; das zweite stand ganz unter der Dominanz der Konservativen, Tirol wurde nun absolut und ausschließlich als katholisches Land dargestellt, das Schützenwesen auf „bäuerlich" orientiert. Interessant, daß in beiden Fällen Tracht und Schützenwesen von oben her für den Anlaß gefördert wurden. Coles Arbeit zeigt jedenfalls, daß 1863 ebenso wie 1909 das tirolische Landesbewußtsein - in welcher Färbung auch immer - die dominante kollektive Haltung in (Deutsch-)Tirol war. 112 Ernst Bruckmüller, Bäuerlicher Konservativismus in Oberösterreich. Sozialstruktur und politische Vertretung in einem österreichischen Kronland. Zeitschrift f. bayr. Landesgeschichte 37 (1974), 135 ff.
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fütterung) weit ausgegriffen hatte, dann aber zu stocken begann. Investitionen der Bauern gingen nach 1850 typischerweise in Statussymbole wie das Haus oder in eine schöne Mostpresse. Betriebswirtschaftliche Neuerungen treten dagegen in den Hintergrund. In der Konjunktur der 1850er und 1860er Jahre schienen sie nicht notwendig. Und seit den 1880er Jahren, seit dem Einbruch der Agrarkrise, wurden sie immer weniger möglich.113 Die österreichischen Bauern reagierten auf die Agrarkrise defensiv sie schränkten ihren Konsum und die Heiratsmöglichkeiten ihrer Kinder ein, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Gesindezahlen begannen zu schrumpfen. Und in der politischen Organisation wandte man sich teilweise einem relativ radikalen Konservativismus zu, der das Heil in besonderen Schutzmaßnahmen für die bedrohte Bauernschaft versprach. Dieser regional aufgebaute Konservativismus half mit, die defensive ökonomische Reaktion ideologisch zu überhöhen und zu einer sittlich erwünschten Sache zu erklären. Diese beiden Hintergründe sind wohl notwendig für die Erklärung des gerade für Österreich so eigentümlichen Phänomens Trachtenanzüge tragender Landespolitiker - und ihrer Erfolge. Die weitere Entwicklung des Landesbewußtseins wurde durch den Zusammenbruch der Monarchie sehr verstärkt. Er erhöhte die Bedeutung der Länder. Nicht nur, daß durch den Wegfall wichtiger zentraler Instanzen die Länder notwendige Aufgaben, die früher die Zentralgewalt wahrgenommen hatte, übernehmen mußten. Es kam auch zur Eingliederung des staatlichen Verwaltungsapparates (Statthaltereien bzw. Regierungen und Bezirkshauptmannschaften) in jenen der Länder. Die von den Landtagen gewählten Landeshauptleute, die vor 1918 nur über einen relativ bescheidenen Apparat (Landesausschuß) verfügt hatten, übernahmen de facto auch die Rolle der landesfürstlichen Statthalter.114 Und die Verfassung von 1920 trug diesen Veränderungen Rechnung, indem sie den Ländern zu ihren älteren Kompetenzen neue, vor allem im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung übertrug.115 Das sind die verfassungshistorischen 113 Roman Sandgruber, Die Landwirtschaft als Nachfragefaktor für Gewerbe und Handel in den Anfängen der Industrialisierung, (Vortrag auf der Arbeitstagung für Agrargeschichte, Graz 1983). 114 Walter Goldinger, Die Stellung der Länder in der Verfassung der Republik Österreich, in: Der österreichische Föderalismus, Wien 1969,117-122. 115 Eine genaue Herausarbeitung der Entwicklung vom Herbst 1918 bis zur Verfassung verdanken wir Georg Schmitz, Die Vorentwürfe Hans Kelsens für die österreichische Bundesverfassung, Wien 1981. Hier (21 f.) die ansprechende These, die Beitrittserklärungen der Länder bzw. deutschsprachigen Neu-Länder hätten primär den Zweck gehabt, den
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Hintergründe der Stellung der Länder in der Republik - soweit man das derart verkürzend zusammenfassen darf. In der Tat war und blieb Landespatriotismus eine der Konstanten der konservativ grundierten Länderparteien. Dabei blieben sie letztlich erfolgreich - so erfolgreich, daß die Sozialdemokratie als gesamtstaatlich-zentralistisch, ja deutschnational bis internationalistisch orientierte Partei letztlich auch Inhalte des Landespatriotismus übernehmen mußte, um in den Ländern konkurrenzfähig zu bleiben. So wurde die Vorarlberger Sozialdemokratie „... mit allen Klischees einer ,landfremden' und .traditionsfeindlichen' Gruppe versehen und vermochte sich nur unter Angleichung an herrschende kulturelle und sozioökonomische Normen zu halten".116 Auch in den anderen Ländern hatten die christlichsozialen Landesparteien den Landespatriotismus ganz besonders auf ihre Fahnen geschrieben, so natürlich die Tiroler Volkspartei, aber auch die steirischen und oberösterreichischen Christlichsozialen.117 Im Grunde gehörte der Landespatriotismus auch zu jenem politischen Repertoire, mit dem der „christliche Ständestaat" seine Legitimität zu untermauern versuchte. Das klingt befremdlich und war auch deshalb widersprüchlich, weil zugleich die Befugnisse der Landeszugunsten der Bundesregierung stark eingeschränkt wurden.118 Notwendigerweise blieb der Landespatriotismus daher stark dem Volkskundlichen verhaftet: „Er ( L a n d e s h a u p t m a n n Karl Maria Stepari) war [ . . . ] d e n G e d a n k e n d e s Volksbildners Josef Steinberger
verpflichtet und fand Z u g a n g zu den von Viktor von
Geramb
vermittelten Ideen der H e i m a t b e w e g u n g und Volkstumspflege. Er strebte d e m Beispiel Erzherzog Johanns
nach und versuchte in großen Ständetagen die B e v ö l -
kerung zu g e w i n n e n .. ," 119
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Anspruch der Deutschen Österreichs auf ihren Nationalstaat zu unterstreichen. Dagegen Peter Pernthaler, Die Staatsgründungsakte der österreichischen Bundesländer, Innsbruck 1979, der die Beitrittserklärung als einen Akt ansieht, mit dem die revolutionär entstandenen Länder den Bundesstaat Deutschösterreich ins Leben riefen. Neuerdings Georg Schmitz, Demokratisierung und Landesverfassung in Niederösterreich, in: Demokratisierung und Verfassung in den Ländern 1918-1920, Wien 1982, 102 ff. Gerhard Wanner, Vorarlberg, in: Erika Weinzierl / Kurt Skalnik, Hg., Österreich 19181938. Geschichte der Ersten Republik. Graz - Wien - Köln 1983, Bd. 2, 1023. Josef Riedmann, Tirol, in: Weinzierl / Skalnik Hg., Österreich 1918-1938 Bd. 2, 978; Harry Slapnicka, Oberösterreich, ebd. 880 f. Helmut Wohnout, Regierungsdiktatur oder Ständeparlament? Gesetzgebung im autoritären Österreich (Studien zu Politik und Verwaltung, hg. v. Chr. Brünner, W. Mantl, M. Welan, Bd. 43), Wien - Köln - Graz 1993,167 ff. Gerhard Pferschy, Steiermark, in: Weinzierl / Skalnik, Hg., Österreich 1918-1938, Bd. 2, 957.
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Und als Alternative zu den weißen Stutzen der illegalen Nationalsozialisten ging die Vaterländische Front daran, offizielle Landestrachten entwickeln zu lassen, um damit ein neues Identifikationsobjekt anbieten zu können: „... Damals, vor 1938, wurden die sogenannten .Landestrachten' geschaffen. Es waren dies vielfach überstürzte, wissenschaftlich ungenügend fundierte Vorschriften für trachtliche Einheitsanzüge, die primär ein gewisses patriotisches Gegengewicht gegenüber dem Braunhemd bilden sollten. So teilte man Oberösterreich einfach den ,Kaiser-Franz-Joseph-Jagdrock', den der Monarch in Bad Ischl und Mürzzuschlag getragen hatte, zu. Niederösterreich erhielt ein dem Kärntner-Anzug ähnliches braun-grünes Gewand und das Burgenland einen blauen Anzug, der eine fatale Ähnlichkeit mit Uniformen der Post- bzw. Bahnbediensteten hatte ..." 120
Diese Haltung äußerte sich auch in anderen Bereichen der Kulturpolitik, etwa in der Literaturförderung. Waren die Christlichsozialen auch vor 1933 der städtischen bürgerlich-liberalen (und besonders in Wien vielfach von Juden getragenen) Literatur skeptisch bis massiv ablehnend gegenübergestanden, so zeigte die besondere Bevorzugung heimatverbundener Literatur seit 1933 den Versuch, jene künstlerische Ausdrucksform besonders zu fördern, die sich gegenüber dem Nationalsozialismus als noch heimattreuer, noch boden- und schollenverbundener präsentieren ließ und sich zugleich deutlichst von jeder „jüdischmarxistischen" Zersetzung des Geistes abhob. Aber es ist fraglich, ob man damit den gewünschten Effekt erreichte: „Im Kulturkampf gegen Deutschland so sehr auf die Heimatliteratur zu setzen, erwies sich als ambivalente Strategie. Die Betonung der Regionalliteratur mag das Heimatbewußtsein gestärkt haben, aber es ist fraglich, ob sie der Bildung eines österreichischen Staatsbewußtseins nicht geradezu entgegenwirkte .. ."121
Wendelin Schmidt-Dengler verweist in seiner knappen Zusammenfassung der Literatur der Jahre 1918-1938 auf jene Autoren, die 1938 im „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter" den Anschluß bejubelten.122 Dabei zeigte es sich, daß ländlich-regionale „Volksverbundenheit" oft genug für überregionale Reichs- und Führerträume überdurchschnittlich empfänglich machte. Nicht nur bekannte Anschlußanhänger wie Bruno Brehm, Mirko Jelusich und Hans Kloepfer sind 120 Franz C. Lipp, Der „Niederösterreicher". Aus der Serie neuer österreichischer Trachtenanzüge, in: Heimatwerk in Österreich, Heft 2/83, 28. 121 Horst Jarka, Zur Literatur- und Theaterpolitik im „Ständestaat", in: Franz Kadrnoska Hg., Aufbruch und Untergang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938, Wien 1981, 532. 122 Wendelin Schmidt-Dengler, Literatur, in: Weinzierl / Skalnik Hg., Österreich 1918-1938, Bd. 2, 646.
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hier zu finden, sondern auch so beliebte Landes- und Landschriftsteller wie Karl Heinrich Waggerl, Paula Grogger, Max Meli, Josef Friedrich Perkonig, von denen die meisten in der offiziellen Literatur des Ständestaates an ehrenvoller Stelle vertreten waren. Ganz zu schweigen von Josef Weinheber, der im „Bekenntnisbuch" genau mit jenen Acker-Dichtern vereinigt erscheint, von denen er sich noch 1935 in seinem Gedicht „Sieg der Provinz" ironisch distanziert hatte.123 1945 erstanden die Länder wieder und das Landesbewußtsein behauptete seine politische und gesellschaftliche Funktion. Landesbewußtsein
als
Identifikationsmittel
Das Landesbewußtsein ist keineswegs eine überzeitliche Konstante, sondern ein durchaus bewußt gepflegtes Identifikationsmittel. Es sei gestattet, an dieser Stelle eine persönliche Erfahrung mitzuteilen. Irgendwann während meiner Gymnasialjahre zu Melk wurde es mir nämlich ganz deutlich bewußt, daß die Mitschüler, die aus Oberösterreich oder aus der Steiermark stammten, ihr Oberösterreicher- bzw. Steirertum ganz besonders deutlich und jederzeit äußerten, während die Masse der hier dominierenden Niederösterreicher ihr Niederösterreichertum in keiner Weise betonten. Das kann natürlich ein Reflex der Tatsache sein, daß sich Minderheiten ihrer Rolle deutlich bewußt sind, während der Mehrheit anzugehören normalerweise kein besonderes Gefühl auslöst. Aber es stand doch mehr dahinter. Es gab nämlich kein vom Österreichbewußtsein gesondertes niederösterreichisches Landesbewußtsein. „Österreich" - das war Jahrhunderte hindurch Niederösterreich (sobald sich nämlich das Land ob der Enns gesellschaftlich, d. h. ständisch, deutlich davon geschieden hatte), mit Wien als Zentrum. Die Niederösterreicher waren die Österreicher, darin übertroffen höchstens von den Wienern. Tatsächlich beraubte die Trennung von Wien und Niederösterreich (1.1.1922) das Land seines natürlichen Zentrums und zentralen Identifikationspunktes.124 Irgendwann wurden sich die politisch Verantwortlichen dieses Mankos ebenso bewußt wie der Melker Gymnasiast von 1960. Es wurde daher 1946 das Niederösterreichische Heimatwerk gegründet, in dessen Statuten die Pflege des österreichischen Staatsgedankens unter besonderer Berücksichtigung der niederösterreichischen Eigenart als Aufgabe vorgesehen war. „30 Jahre Niederösterreichisches Bildungs123 Josef Weinheber, Sämtliche Werke. 2. Bd., Salzburg 31972, 134. 124 Georg Schmitz, Die Entstehung des heutigen Bundeslandes Niederösterreich. Unsere Heimat 52 (1981), 20 ff.
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und Heimatwerk - das bedeutet drei Jahrzehnte Arbeit im Dienste und im Interesse einer Verstärkung und Erneuerung des NiederösterreichBewußtseins", konnte daher auch Landeshauptmann Andreas Maurer 1976 feststellen.125 Fast mit den gleichen Worten wurde dem Vorsitzenden des Bildungs- und Heimatwerkes, Prof. Hans Gruber, vom selben Landeshauptmann im Jahre 1979 gratuliert.126 War nun das vom Bildungs- und Heimatwerk Geleistete noch zuwenig, oder erforderte die Konkurrenz der anderen Länder eine weitere Steigerung des Landesbewußtseins - jedenfalls wurde im Herbst 1976 der „NiederösterreichFonds" gegründet, zu dessen Zielsetzungen es wiederum gehört, u.a. das „niederösterreichische Landesbewußtsein zu stärken".127 Offenbar gilt ein Land innerhalb Österreichs nur dann etwas, wenn es ein bewußtseinsmäßiges Sonderprofil gegenüber dem Bund entwickelt. „Wir brauchen was, damit wir mehr gelten" - so formulierte Prof. Hans Gruber gesprächsweise die Stimmung, die schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Gründung des Heimatwerkes Pate gestanden war.128 Das war auf Grund des schon erwähnten, historisch jedoch verständlichen Mangels schwierig, weil in Niederösterreich die Opposition zur österreichischen Staatlichkeit (in welcher Form auch immer - ob Monarchie oder Republik) entweder nicht oder nur in viel schwächerer Form entwickelt war als in Vorarlberg, Tirol, Kärnten, Steiermark und Oberösterreich. In der langen Landeshauptstadtdiskussion Niederösterreichs spielte die Landesidentität eine nicht unerhebliche Rolle. Ähnlich wie dem Verfasser ist auch den niederösterreichischen Politikern die starke Betonung des Landesbewußtseins bei den Nachbarländern Niederösterreichs aufgefallen (und dessen Praktikabilität für Wahlkämpfe), wogegen die Niederösterreicher sich zwar - in welcher Bedeutung auch immer - stets als „Österreicher" gefühlt haben, aber kein besonderes Landesbewußtsein aufwiesen: „Als Bürger des Kernlandes unserer Heimat haben die Bewohner Niederösterreichs immer besonders gesamtösterreichisch' gedacht und gehandelt." 129 Jetzt sollten sie daneben ihre 125 30 Jahre Niederösterreichisches Bildungs- und Heimatwerk, Wien 1976, 7. 126 Festschrift Hans Gruber zum 65. Geburtstag, gewidmet vom Nö. Bildungs- und Heimatwerk, Wien 1979. 127 So zu lesen in jedem Impressum der vom Niederösterreich-Fonds herausgegebenen ebenso schönen wie inhaltlich hervorragenden Kulturzeitschrift „morgen". 128 In einem Gespräch, das Prof. Gruber dem Autor freundlicherweise am 10. Mai 1983 gewährte. 129 Alois Mock, St. Pölten: Kristallisationspunkt der Europaregion Niederösterreich, in: Festschrift zum Spatenstich für das neue Landhaus St. Pölten, hg. v. Wolfgang Streitenberger, 1992, 8.
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regionale Identität stärker betonen. Daher wurde 1986 nach einer Volksbefragung der Beschluß gefaßt, St. Pölten zur neuen niederösterreichischen Landeshauptstadt zu bestimmen. „St. Pölten sollte Symbol unseres L a n d e s w e r d e n - ich m e i n e , e i n e Stadt ist w o h l das einzige z e i t g e m ä ß e Symbol - und tatsächlich, St. Pölten ist Ausdruck der Landesidentität geworden, die es vor zehn, zwanzig Jahren noch k a u m gab. E i n e Zustimmungsrate v o n 74% im Schnitt der B e v ö l k e r u n g Niederösterreichs zur e i g e n e n Landeshauptstadt beweist dies." 1 3 0
So erhielt Niederösterreich eine eigene Landeshauptstadt - St. Pölten wurde dazu per Volksentscheid und Landesgesetz erhoben. 1996 beginnt hier der Niederösterreichische Landtag seine Tätigkeit. So verlockend es auch wäre, den gegenwärtigen Manifestationen des Landesbewußtseins in den verschiedenen Ländern nachzugehen und sie hier zu dokumentieren - das Spektrum reicht von Heimatwerken, über die von dorther angeratenen Landestrachten, über Landesausstellungen bis zu Kärntner-, Steirer- und vor allem Burgenländer-Witzen so muß doch hier dieser Versuch zurückgestellt werden zugunsten einer anderen Frage, nämlich jener nach der Bedeutung der Länder bzw. des Landesbewußtseins für die Entstehung des österreichischen Nationalbewußtseins im modernen Sinne. Es gibt eine Publikation, die sich die Beantwortung dieser Frage zum Ziel gesetzt hat („Der Anteil der Bundesländer an der Nationswerdung Österreichs").131 Liest man dieses Buch genauer, dann erscheint jener Anteil doch recht zwiespältig zu beurteilen. Häufig verbanden sich im 19. und 20. Jahrhundert, anschließend an jene Kombination von Ständen und Entstehung des Nationalismus, mit dem Landesbewußtsein kräftige sprachnationale Komponenten. „Kärnten frei und ungeteilt" - dieser Kampfruf enthält ja diese Komponente bis heute.132 Aber auch in den Anschluß-Volksabstimmungen der frühen 1920er Jahre schlug sich diese Stimmung nieder. Sieht man davon ab, so erleichterte auch in jenen Ländern, wo die sprachnationalistische Tendenz vielleicht weniger stark mit dem Landesbewußtsein verbunden war (etwa Oberösterreich), die starke Landesidentifikation nicht gerade jene mit dem Gesamtstaat. Vielleicht sind Ansätze eines auf den Ländern basieren130 Siegfried Ludwig, Am Beginn stand die Zukunft - Perspektiven der Hauptstadtentwicklung, in: Festschrift St. Pölten, 1992, 9 ff., hier 12. 131 Walter Jambor, Hg., Der Anteil der Bundesländer an der Nationswerdung Österreichs (= Die Nationswerdung Österreichs, Schriftenreihe des österreichischen Nationalinstituts 1) Wien 1971. 132 Kärnten bleibt deutsch. Zur Tradition und Gegenwart der Feiern zum 10. Oktober, Wien - Klagenfurt 1980 (hg. v. Klub slowenischer Studenten in Wien), insbes. 14.
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den Österreichbewußtseins im Zusammenwirken gewisser Widerstandsgruppen im Frühjahr 1945 vorab in Tirol nachweisbar, wo stärker regional orientierte mit stärker österreichisch orientierten Gruppen kooperierten.133 Das sozialwissenschaftliche Material zu unserer Frage ist seit 1984 deutlich angewachsen. Erstmals stellte die Untersuchung zum Österreichbewußtsein 1987 auch die Frage, welche regionale Einheit Träger primärer Identifikation sei. Wir haben darauf im Abschnitt über die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung hingewiesen (s.o.S. 67 ff.). Nur zur Erinnerung: 1987 waren Wiener, Niederösterreicher und Burgenländer verhältnismäßig ausgeprägte Lokalpatrioten, zugleich aber überdurchschnittlich „Österreicher" (bei schwächer ausgeprägtem Landesbewußtsein). Tiroler, Vorarlberger und Kärntner erwiesen sich als die glühendsten Landespatrioten, wobei sowohl der Lokal- wie auch der Staatspatriotismus zurücktraten - am stärksten bei den Tirolern. Gleichmäßiger verteilt erschienen die territorialen Bezugsrahmen emotionaler Verbundenheit bei Steirern, Oberösterreichern und Salzburgern, wobei die Steirer noch am ehesten eine Nähe zur zweiten Gruppe zeigten. Schon die Umfrage von 1980 enthielt die Fragestellung, welches Bundesland die österreichische Eigenart am stärksten verkörpere. Dabei lag nun Wien mit 30% aller Nennungen weit vor Tirol (14%) und Niederösterreich (9%). Vor allem die Jugend und die Bildungsschicht identifizierten damals Österreich mit Wien.134 Dieses Ergebnis kann nicht auf einen erhöhten Lokalstolz der Wiener zurückgeführt werden, da nach derselben Umfrage ein solcher gerade in Wien unterentwickelt ist.135 Ein von Peter Diem geleitetes Forschungsprojekt bot ein durchaus vergleichbares Bild: In Wien und Niederösterreich dominierte (1988) der Österreichpatriotismus über das Landesbewußtsein und lag im Burgenland etwa gleichauf, während in Oberösterreich, Steiermark und Salzburg der Landespatriotismus den Staatspatriotismus überwog. In Kärnten, Tirol und Vorarlberg dominiert der Landespatriotismus eindeutig. Auf die Frage nach der Einstufung des eigenen Landespatriotismus auf einer zehnstufigen Skala verliehen diesem den höchsten 133 Werner Kunzenmann, Tirol und Österreich, in: Jambor Hg., Anteil (wie Anm. 130), 93119, insbes. 115-118. 134 Österreichbewußtsein 1980, 32. 135 Sowohl aus der Umfrage von 1980 wie jener von 1987 ist zu erkennen, daß den Wienern ein geringerer Regionalpatriotismus eignet als den Bewohnern der anderen Bundesländer (Niederösterreich ausgenommen). Demgegenüber sind die Wiener sehr stark „Österreicher", darin übertroffen nur von den Niederösterreichern, aber natürlich auch überdurchschnittlich „Europäer" oder „Weltbürger". Vgl. Österreichbewußtsein 1987.
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Wert 83% der Kärntner, 69% der Tiroler, 63% der Vorarlberger, Burgenländer und Steirer, 59% der Ober Österreicher, 55% der Niederösterreicher, 47% der Wiener und 43% der Salzburger.136 Die Ergebnisse dieser Studie verweisen ferner auf Kontakt- und Kenntnisdefizite der Bewohner der einzelnen Bundesländer in bezug auf andere Bundesländer. Die Bundesländer sind auch weitgehend endogam, entsprechen also dem, was die Ethnologen einen „Stamm" nennen würden: Ein sehr hoher Anteil der Schwiegerkinder der Befragten stammt aus demselben Bundesland. Am höchsten lag dieser Satz in Oberösterreich (97%), vor Tirol (96%), Steiermark (88%) und Niederösterreich (81%), es folgen Kärnten (79%), das Burgenland (76%), Vorarlberg (71%) und das am wenigsten endogame Wien (55%). Stärkere Heiratsverbindungen existieren zwischen Niederösterreich und Wien (22% der niederösterreichischen Schwiegereltern haben Wiener als Schwiegerkinder, umgekehrt 19% der Wiener niederösterreichische) sowie zwischen Salzburg und Oberösterreich (21% der Salzburger haben oberösterreichische Schwiegerkinder); Schwiegerkinder aus dem Ausland haben 32% der Vorarlberger, 21% der salzburgischen, 19% der Wiener, 18% der steirischen und 15% der Kärntner Schwiegereltern.137 Es war daher wohl auch zulässig, die Bewohner der österreichischen Bundesländer als jene „tribes" zu identifizieren, die ein in London erscheinendes Handbuch zum Inhalt hat.138 Sehr deutlich sichtbar wird die quasiethnische Qualität des Landesbewußtseins bei der Frage nach Sympathie und Antipathie, sind doch Distanzgefühle typisch und konstitutiv für ethnisches Bewußtsein: Sympathieüberhänge können dabei die Tiroler (+18%), die Kärntner (+17%), die Salzburger (+15%) und die Steirer (+14%) verbuchen, Ober- und Niederösterreicher liegen weniger deutlich über dem Durchschnitt, Sympathieverlierer sind (sehr schwach) die Burgenländer (-2%), die Vorarlberger (-9%) und in großem Ausmaß die Wiener, auf die sich die gesammelte kollektive Abneigung aller Österreicher (auch die der Wiener selbst!) konzentriert (^46%).139 Ähnliche Ergebnisse zeigen die Dialektpräferenzen (Tiroler Dialekt am beliebtesten, 136 Peter Diem, Integrative und desintegrative Phänomene in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Massenmedien, Wien 1988 (vervielf. Manus.). - Basis für diese Arbeit stellten je Bundesland 90 Interviews mit Personen ab 19 Jahren dar, die Durchführung der empirischen Arbeit oblag Ifes (Leitung Ernst Gehmacher), hier 89. 137 Diem, Integrative Phänomene, 10 f. 138 The Times Guide to the Peoples of Europe, ed. by Felipe Ferndndez-Armesto, London 1994 (Art. des Autors über die Österreicher und die einzelnen Länder, 130-137). 139 Diem, Integrative Phänomene, 24 f. Anti-Wien-Stimmungen lassen sich daher ziemlich leicht auch politisch mobilisieren.
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Wiener am unbeliebtesten, negativ auch hier Vorarlberg und Burgenland). Der „typische" Österreicher wird zumeist im eigenen Land gesehen, insgesamt werden aber Tiroler, Wiener und Salzburger in Beantwortung dieser Frage am häufigsten genannt, am „untypischsten" erscheinen hier die Burgenländer und die Vorarlberger - auch von seiten der Vorarlberger selbst (die ihrerseits wieder die Tiroler und Wiener als „typisch" ansehen). Anders ausgedrückt sehen sich die Vorarlberger am wenigsten als „typisch österreichisch", ihr Landesbewußtsein erscheint durch eine gewisse Distanz zu den „typisch österreichischen" Ländern geprägt.140 In einer detaillierten Vorurteilsuntersuchung wurden ferner Stereotypen über die Wiener, Niederösterreicher usw. erhoben.141 Sie können hier nicht im Detail dargestellt werden. Einige Stereotypen scheinen sehr alt zu sein. So werden die Wiener als eher faul und verschwenderisch gesehen (nicht von den Wienern), dafür aber als fröhlich (nicht von den Wienern!), kultiviert und modern (auch am wenigsten von den Wienern selbst) usw. Ginge man hier ins Detail, es käme ein Essay genau von jener Art heraus, die wir ja genugsam kennen: Das Außenbild sieht fröhliche Wiener (und Älpler), das Innenbild ist vor allem in der Großstadt wesentlich komplizierter. Eine 1993 durchgeführte Untersuchung142 erforschte die wichtigsten Symbole für die einzelnen Bundesländer. Der größte Anteil der Antworten entfiel auf Nichtwisser bzw. Verweigerer (31%), gefolgt von den Befürwortern „natürlicher" Identifikationssymbole - Klima, Wetter, Landschaft, Natur (27%). Das unterstreicht wieder die schon mehrfach betonte symbolische Bedeutung dieser Gegebenheiten für die österreichische Identität. Die dritte Gruppe von Landessymbolen bestand österreichweit aus Lebensart und Neutralität (Ruhe, Friede, Freundlichkeit, Gemütlichkeit). Mit 17% an vierter Stelle folgten kulturelle Identifikationsfiguren - Bauwerke, Kunstwerke, Plätze, Veranstaltungen, Persönlichkeiten. 14% erzielten die „Berge" mit 11%, gleichauf mit „anderes" und nur knapp vor dem Stephansdom, dessen überragende Nennungshäufigkeit für Wien auch bundesweit das wichtigste einzeln identifizierte Landessymbol erbrachte (10% ).143 Genau140 Diem, Integrative Phänomene, 30 f. 141 Diem, Integrative Phänomene, 37-76. 142 „Symbole für Österreich", April/Mai 1993, Integral. Markt- und Meinungsforschungsges. m. b. H., N = 1010. 143 Die Presse, 13. Juli 1995, 7: Erzbischof-Koadjutor Christoph Schönborn und Bürgermeister Michael Häupl warben um Mittel „Für den Dom, der für Wien und ganz Österreich
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soviel erreichten die Landeswappen, vor „Wohlstand, Freiheit, Sicherheit, Unabhängigkeit, Sozialsystem" (9%). Das Bild wird detaillierter und schärfer, wenn man den Blick auf einzelne Länder lenkt und nur das „wichtigste" genannte Symbol ins Auge faßt. Beginnen wir in Wien, so ist hier der Stephansdom eindeutiger Spitzenreiter mit 31% aller Nennungen, weit abgeschlagen folgt die „Kultur" ganz allgemein (7%) und an dritter Stelle mit 6% das Landeswappen. - Zu Niederösterreich konnten 16% keine Angaben machen, 14% nannten den Bereich Natur, Klima, Landschaften, 7% das Landeswappen und 6% die Politik samt Regierung - genauso viele wie die Landeshauptstadt St. Pölten, die offenbar als Landessymbol noch sehr unscharf wahrgenommen wird. - Die Burgenländer sehen sich primär als Weinland, 23% nannten als wichtigstes Symbol den Wein und den Heurigen. 17% führten diverse andere Symbole an, je 11% die Schlösser und Burgen sowie die Mentalität der Leute; mit 9% folgte die Landschaft. - Die Steirer identifizieren sich primär mit ihrer Landschaft (14%), es folgt das Landeswappen, der steirische Panther, mit 12% gleichauf mit dem Wald (die „Grüne Mark") und dem Grazer Uhrturm. - Auch in Kärnten steht die Landschaft (14%) an erster Stelle der Nennungen, gemeinsam mit dem Lindwurm (ebenfalls 14%), beide gefolgt von den Seen (10%), 8% nannten als wichtigstes Symbol die Lebensart und Mentalität, je 6% „Tourismus" sowie „Wohlstand, Freiheit, Sicherheit, Unabhängigkeit". - Am stärksten von allen identifizieren sich die Oberösterreicher mit ihren natürlichen Gegebenheiten - wie Klima und Landschaft - mit 17% der Nennungen, es folgt die Landeshauptstadt (8%) und das Wappen (7%). Einen wenig ausgeprägten Symbolhaushalt haben die Salzburger, bei denen - nach der Landschaft (8%) und den gleich hoch bewerteten Schlössern und Burgen - Mentalität und Lebensart (7%) folgen, noch vor den Salzburger Lokalgöttern wie Mozart, Festspielen und Mozartkugeln (je 5%). - Die Tiroler erblicken ihr wichtigstes Symbol in den Bergen (23%), vor dem Adler. Die bei diesem Stichwort genannten 12% wären vermutlich noch mit den 6% für „Landeswappen" zusammenzuziehen, da wahrscheinlich die meisten Tiroler unter „Adler" den Tiroler Adler gemeint haben; noch einmal 10% erhielt die Landschaft ganz allgemein und 12% die Mentalität samt Lebensart. Den Tirolern eignet also eine ausgeprägte Vorstellung über ihre Landessymbole. Was Nicht-Tiroler vielleicht erwartet hätten - das „Goldene
identitätsstiftend ist".
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Dachl" wurde mit 2% selten genannt. - Die höchste Bewertung der eigenen Mentalität erhielt von den Landesbewohnern jene von Vorarlberg (17%), wobei wieder einmal die Berge (11%) und die Landschaft allgemein (8%) folgten. Verstärktes Augenmerk widmet den Ländern die jüngere Verfassungsrechtslehre.144 Unter dem Eindruck zweier großer, miteinander freilich nur indirekt verbundener Strömungen, nämlich der Renaissance älterer regionaler Einheiten und Bewußtseinsschichten in ganz Europa einerseits und der verbreiteten Bewegung für erhöhte Partizipationsrechte der Bürger auf verschiedenen Ebenen andererseits, wird die Bedeutung der Länder häufig weit positiver gesehen, als dies noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war. Nicht nur die Tatsache, daß die Länder rein praktisch als kleinere Einheiten in zahlreichen Einzelproblemen für den Bürger sehr häufig das nach den Gemeinden zunächst liegende Feld politischer Partizipation darstellen (was übrigens verschiedentlich von der Landesverfassungsgesetzgebung aufgegriffen und zu verstärkten Möglichkeiten bürgerlicher Mitbeteiligung an Akten der Gesetzgebung und Verwaltung umgemünzt wurde145), sondern auch die Verbindung des Landesbewußtseins mit der Identität der Menschen führt zu einer neuen Bewertung der Länder im Rahmen einer breiteren Verankerung bürgerlich-demokratischen Selbstbewußtseins.146 Sicher kann hier ein „neues Heimatgefühl" weit eher ansetzen als 144 Bes. die zahlreichen Werke von Peter Pernthaler, beispielsweise auch das dem Nichtjuristen inhaltlich zugängliche kleine Büchlein „Land, Volk und Heimat als Kategorien des österreichischen Verfassungsrechtes" (Schriftenreihe des Inst. f. Föderalismusforschung 27), Wien 1982. Typisch für ein Zurückkehren auch der sosehr als „positivistisch" verschrieenen Verfassungsrechtslehre die hier vollzogene Rezeption Otto Brunners - Pernthaler beleuchtet das „Land" von der historischen Seite, von der territorialen, von der staatlichen (Land als Gliedstaat Österreichs) und zuletzt, hier bewußt auch ökologische Fragestellungen aufgreifend, das „Land als Lebensraum". Sehr interessant das hier vollzogene Aufgreifen des ursprünglich forstwirtschaftlichen Begriffes der „Nachhaltigkeit der Nutzung", welche Pernthaler in einer historisch bewußten generationenlang ansässigen Bevölkerung besser gewahrt sehen möchte als bei Fehlen solcher Voraussetzungen. Das klingt zwar sehr schön, wir halten es aber nicht für ausgemacht, daß die traditionsbewußten Bewohner unserer Alpengebiete das Prinzip der „Nachhaltigkeit" hochhalten, wenn man sich die Dauerverwüstungen durch Skipisten usw. vor Augen hält. 145 Illustrativ dafür mehrere Beiträge in dem (als Studien zu Politik und Verwaltung 3) erschienen Sammelband von Reinhard Rack Hg., Landesverfassungsreform, Wien - Köln - Graz 1982; den Stand der Landesverfassungsreformen etwa 10 Jahre später dokumentiert Joseph Marko, Die Verfassungssysteme der Bundesländer: Institutionen und Verfahren repräsentativer und direkter Demokratie, in: Dachs / Gerlich / Gottweis / Horner / Kramer / Lauber / Müller / Tälos, Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs, Wien 21992, 729-743. 146 Pernthaler, Land 28 ff.
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auf der schon wesentlich abstrakteren Ebene des Bundesstaates.147 Die damit verbundene Möglichkeit erhöhter politischer Partizipation auf überschaubarer Ebene vermag die Nachteile überhöhter Identitätsbemühungen148 möglicherweise zu paralysieren und föderalistischen Vorstellungen zusätzliche Dignität zu verschaffen. Als eine allerdings nicht unwesentliche Stufe im Aufbau einer nicht ausschließlich fixierten Identität (von der Gemeinde bis zur „Weltgesellschaft") kann das Landesbewußtsein wohl auch hinkünftig einen sinnvollen Platz einnehmen.
147 Herbert Dachs, Heimat - Dimensionen eines rehabilitierten Begriffes, in: Eberhard Zwink, Hg., Salzburg-Diskussionen II. Salzburger Landessymposion, Salzburg 1981,11 ff. 148 Diese Gefahr besteht immer dann, wenn die Gewinnung von Selbstbewußtsein aus der Selbstüberhöhung einer Gruppe gegenüber einer (oder mehreren) anderen geschieht. Nicht ohne humoristischen Einschlag geschah solches, zunächst als „lapsus linguae" bei der Eröffnung der Ausstellung zum Gedenken an den oberösterreichischen Bauernkrieg 1626 am 14. Mai 1976, als dem oberösterreichischen Landeshauptmann der „Oberösterreicher" unversehens zum „Überösterreicher" geriet - und dabei blieb man dann, launig zwar, aber bestimmt.
200 Endlich waren Menschen da, auf das Wort des Herrschers erschaffen. Es entstand die Nation der Hofräte. Künstlich am Hofe, im kaiserlichen Dienst, in den Kanzleien, auf Befehl gezeugt. Künstlich in den Gedanken, in den Gefühlen, ja bis auf die Sprache - das Österreichisch, das heute noch in unserer Verwaltung und von Juden, die es nicht sein wollen, gesprochen wird, ist erfunden. Sozusagen: von oben fingierte Menschen. Diese haben nun zweihundert Jahre unseren Staat und unsere Gesellschaft getragen. Hermann Bahr, 1906
2 . D E R HABSBURGISCHE A B S O L U T I S M U S U N D DIE HOFRATSNATION
Staatswerdung Die Habsburger waren seit 1282 Herren nicht nur Österreichs, sondern auch der Steiermark. Krain, mit dem sie ebenso belehnt worden waren, wurde an die verbündeten Görzer verpfändet, die auch Kärnten zu Lehen bekamen. Im 14. Jahrhundert profitierte Habsburg recht geschickt von den innergörzischen sowie wittelsbachisch-luxemburgischen Querelen und konnte im Zuge dieser Auseinandersetzungen 1335 Kärnten und Krain und schließlich 1363 auch Tirol in Besitz nehmen. „Mit Kärnten und dem tatsächlichen Wiederbesitz Krains rundete sich die Gruppe der Ostalpenherzogtümer zu einem achtunggebietenden Großterritorium, das in der Folge der nur noch nach Westen hin Erweiterung heischende Kern eines weiteren .Österreich' geblieben ist."149
1338 erhielten die Kärntner und Krainer neue „Landesfreiheiten", dabei wurden die Rechte der Steirer subsidiär als verbindlich erklärt.150 Der zeitgenössische Chronist Johann von Viktring kommentierte diese Vorgänge mit den Worten: „... ut esset populus unus .. ,"151 1355 ließ Albrecht II. seine „Hausordnung", die eine Herrschaft der Erben zu gesamter Hand vorsah, von den Landherren (den später als „Herrenstand" geltenden Grafen und Freiherren) Österreichs, Steiers und Kärntens in getrennten Urkunden bestätigen. Das geschah zu Wien, 149 Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281-1358), Wien 1967, 329. 150 Lhotsky, Geschichte, 333; Sergij Vilfan, Les Chartes de Libertés des Etats provinciaux de Styrie, de Carinthie et de Carniole et leur Importance pratique, in: Tirage à part de l'album Elemér Mâlyusz. O. O. 1976, insbes. 204. 151 Zitiert bei Lhotsky, Geschichte, 333.
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wo sich Deputationen aus allen Ländern versammelt hatten. „Es war die erste unmißverständliche Demonstration der durch die Personalunion zur Einheit der Domus Austriae gewordenen Länder."152 Tatsächlich begegnen seit dem 14. Jahrhundert Aussagen, die sehr deutlich unterstreichen, daß dieses „Haus Österreich" nicht nur die habsburgische Familie, sondern auch die Gesamtheit ihrer Besitzungen bezeichnete. Die Belege dafür hat Alphons Lhotsky zusammengestellt.153 Das ist nun merkwürdig und für die Zukunft außerordentlich folgenreich. Jenes Herrschaftsgebiet im Südosten des Reiches, das mehrere Länder, darunter vier Herzogtümer, umfaßte, wurde als „Haus" bezeichnet. Dabei wurde der Name des „Hauses" von jenem Land genommen, das offenkundig Zentrum und wahrscheinlich auch ökonomisch der wichtigste Bestandteil war. „Haus" bedeutete aber mehr als heute - nicht bloß „Behausung" oder auch „Familienverband". „Haus" war das Zentrum und Kernstück von „Herrschaft", Herrschaft über abhängige Leute jedweder Art, von den engsten Familienmitgliedern bis zu abhängigen adeligen oder bäuerlichen Leuten.154 Lhotsky selbst hat auf diese Erkenntnisse Otto Brunners eindringlich hingewiesen - so wie der Name eines Adelsgeschlechts von seinem wichtigsten Herrschaftssitz sich herleitet, so jener der Habsburger von ihrem wichtigsten Herrschaftsgebiet. Die Konzeption dieses Länderkomplexes als „Haus", das unter Hausherrschaft steht, und nicht als Land, dem eine Landesgemeinde korrespondiert, wird man wohl als Ausgangspunkt für die folgende Entwicklung im Auge behalten müssen. Denn was war der frühneuzeitliche Absolutismus anderes als eine ins Große, ja Übermäßige geweitete patrimoniale Herrschaft? Der „Landesvater" ist ja begrifflich nur denkbar, wenn sich das Haus dieses Vaters, theoretisch wenigstens, so weit erstreckt, daß es das ganze Land in sich einschließt. Daher sind die gesellschaftlichen Prozesse, die zur Ausbildung des Absolutismus führten, als eine immer weitergehende Konzentration von Machtchancen im Haus des Zentralherrn, also beim fürstlichen Hof interpretiert worden.155 Im Zuge der Überwindung der feudalen Zersplitterung wurde die tatsächliche Verfügungsgewalt über die mate152 Lhotsky, Geschichte, 370. 153 Alphons Lhotsky, Was heißt „Haus Österreich"? in: Ders., Aufsätze und Vorträge Bd. 1, Wien 1970, 344-364. 154 Brunner, Land und Herrschaft, 254 ff. 155 Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bde., Bern 21969, bes. der zweite Band: Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Neuwied - Berlin 1969.
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riellen und geistigen Ressourcen eines Gebietes an einer einzigen Stelle zusammengefaßt. Natürlich waren diese Vorgänge viel komplizierter und langwieriger, als sie hier umrissen werden können. Und vor allem darf man nicht vergessen, daß bis zum endgültigen Sieg dieser Tendenz erhebliche Widerstände zu überwinden waren. Gerade die zu ständischen Vereinigungen geronnenen Autonomie- und Mitspracherechte jener Personen, die sich im Zuge der Landesbildung von engerer Bindung an ihren Herren emanzipiert hatten, ließen sich nicht ohne weiteres beiseite schieben. Die „Landleute" (also die Landstände) konnten nicht widerspruchslos zu „Landeskindern" gemacht werden. Die angesprochene Tendenz der Herrschaftskonzentration bedeutet nun eine wesentliche Komponente der Staatsbildung. In der Regel spricht man von Staat dann, wenn das so bezeichnete Herrschaftsgebilde über zwei einander bedingende und stützende Monopole verfügt: das Gewaltmonopol und das Steuermonopol. Das erstere konnte nur durch die endgültige Überwindung „rechter Gewalt" des Adels erreicht werden (nach innen) und in der Monopolisierung des Schutzes nach außen durch die fürstliche Militärhoheit. Das Steuermonopol mußte ebenso in Auseinandersetzung mit der autonomen adeligen Sphäre, freilich auf verschiedenen Ebenen, errungen werden. Genaugenommen ist daher die österreichische Staatsbildung erst 1848 abgeschlossen worden, denn erst seit diesem Jahr konnte keine nicht aus staatlichem Recht ableitbare Instanz Abgaben und Dienste öffentlich-rechtlichen Charakters von „Untertanen" fordern.156 Aber de facto ist jenes Monopol doch viel früher durchgesetzt worden. Entscheidende Phasen waren die Zeiten der endgültigen Übernahme der Militärhoheit durch den Landesfürsten im Dreißigjährigen Krieg sowie die fast gleichzeitige allgemeine Reduktion der ständischen Widerstandsmöglichkeiten. Noch um 1600 waren die Verhältnisse verwickelter gewesen. Da gab es Söldnerscharen, die über Auftrag der Stände oder des Fürsten von einem „Obristen" geworben worden waren, Kommandanten über solche Scharen, die teils noch fast selbständige Condottieri waren teils fürstliche, teils auch ständische Offiziere und in Resten das ständische 156 Zum hier thematisierten Problem der Grundentlastung und „Bauernbefreiung" gibt es eine breite, aber in der Regel langweilige Literatur; die dahinterstehende Auseinandersetzung zwischen staatlicher Zentrale und Grundherren über die Verfügungsgewalt über das agrarische Mehrprodukt wird in der Regel übersehen. Eine moderne praktische Zusammenfassung in deutscher Sprache existiert nicht. Ich verweise dafür auf Edith Murr Link, The Emancipation of the Austrian Peasant 1740-1848, New York 1949, und Jerome Blum, Noble Landowners and Agriculture in Austria, 1815-1848, Baltimore 1948 (diese Dissertation des heute weltbekannten Historikers wurde von Friedrich Engel-Janosi angeregt und betreut); sehr anregend ist die Studie von Roman Rosdolsky, Die Bauernabgeordneten im konstituierenden österreichischen Reichstag 1848-1849, Wien 1976.
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bzw. auch bäuerliche Aufgebot.157 Wie große Angst man davor hatte, das einmal errungene Gewaltmonopol aufzugeben, beweist die absolute Weigerung der Hofstellen, im Zusammenhang mit der allgemeinen Volksbewaffnung im April 1797 den Ständen die Errichtung eines Korps im eigenen Wirkungsbereich zu gestatten.158 Wie auch immer sich das nun im einzelnen verhalten hat, es war nach 1648 im böhmisch-österreichischen Teil des Habsburgerreiches - und nur dieser entwickelte sich ja zu einem Staat! - klar, daß sich die Gewichte eindeutig zugunsten des Kaisers verschoben hatten. Kurioserweise muß man den Beginn dieser Entwicklung doch mit Friedrich III. (1440-1493) datieren. Es ist bekannt, daß dieser langlebige Regent eigentlich pausenlos von schweren Problemen heimgesucht wurde. Die Auseinandersetzungen um seinen Neffen (und Mündel), den spätgeborenen Ladislaus, seinen Bruder Albrecht (VI.), um die Besetzung des Salzburger Bistums und daran anschließend der wenig erfolgreiche Kampf mit Matthias Corvinus von Ungarn, zahlreiche Fehden mit fremden und einheimischen Söldnerführern (denen der allzeit geizige Kaiser niemals rechtzeitig ihren Sold gezahlt hatte) und ab 1469/70 noch dauernde Türkeneinfälle in den innerösterreichischen Ländern hätten wohl auch aktivere Naturen überfordert. Alle diese Auseinandersetzungen mußte er im Prinzip von der schmalen Basis seiner ererbten innerösterreichischen Länder aus führen, denn über die Donauländer konnte er verhältnismäßig selten ungestört verfügen, und die Vorlande waren ihm ebenso verschlossen.159 Aber bei alldem beharrte er, im Reiche ebenso wie im „Haus Österreich", zäh auf seinen Prärogativen, auch und besonders dann, wenn sie augenblicklich gar nicht durchsetzbar waren. Den ob Vormundschafts- und Verwandtschaftsstreitigkeiten ebenso wie ob währender Landesnot (Fehden, Türken, Ungarn) vorpreschenden Ständen trat er stets kühl entgegen, immer 157 Eugen Heischmann, Die Anfänge des stehenden Heeres in Österreich, Wien 1925; ferner allgemein die Handbücher von Hermann Meynert, Geschichte der österreichischen Armee, 2. Bd., Wien 1854, und Alphons von Wrede, Geschichte der k. u. k. Wehrmacht, Wien 1898. Illustrativ für die verwirrende Militärorganisation die Vorkommnisse anläßlich des niederösterreichischen Bauernaufstandes 1596/97: Da wird die Bereithaltung der „Gültpferde" (des ständischen Aufgebotes) gefordert - oder auch Ablösung in geworbenen Soldaten, da gibt es von den Ständen vorgeschlagene Offiziere, aber auch solche, die der Kaiser vorschlägt usw.: vgl. Gottfried Stangler, Die niederösterreichischen Landtage von 1593 bis 1607, Wien phil. Diss. (Ms.) 1972, 124-218. 158 Reinhold Lorenz, Volksbewaffnung und Staatsidee in Österreich (1792-1797), in: Deutsche Kultur, Historische Reihe, gel. v. Alfons Dopsch, IV., Wien 1926, 128 f. und 152. 159 Alphons Lhotsky, Kaiser Friedrich III. Sein Leben und seine Persönlichkeit, in: Katalog der Ausstellung Friedrich III. Kaiserresidenz Wiener Neustadt. (Kat. d. Nö. Landesmuseums. N F 29), Wien 1966,16-47.
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fordernd, aber alles im Prinzip ablehnend, was nicht von ihm her initiiert oder mindestens abgesegnet worden war. Diese für die augenblickliche Lage der österreichischen Länder zweifelsohne recht oft sehr nachteilige Politik Friedrichs zeigte aber alle Ansätze, die der Absolutismus Ferdinands I. und besonders Ferdinands II. bei gebesserten Umständen dann massiv weiterentwickelte. Es sei hier nur daran erinnert, daß Friedrich schon gelehrte Juristen unter seinen Räten hatte, daß er bis zur Skrupellosigkeit neuartige Gerichtsverfahren anwendete (etwa im Falle Baumkircher) und daß er offenkundig schon begann, dem „Hof" als Herrschaftsinstrument Bedeutung zuzumessen.160 Friedrich hinterließ seinem Sohn Maximilian I. (1493-1519) die österreichischen Länder wieder als Einheit und war wesentlich am schließlichen Erfolg von dessen burgundischer Heirat beteiligt. Nun beherrschten die Habsburger zwei „Häuser" - Österreich und Burgund. Das sicherte nicht nur das Übergewicht im Reich, es trug auch innerhalb der österreichischen Erblande dazu bei, den Einfluß der Habsburger massiv zu verstärken. Diese österreichischen Länder, um 1500 um die vordere Grafschaft Görz, Kufstein, Rattenberg, Kitzbühel, etwas früher schon um Teile der Grafschaft Bregenz, etwas später um Görz und nach Ende des end- und ergebnislosen Venezianerkrieges 1516 um einige Herrschaften auf dem Karst und in Friaul erweitert und abgerundet, wurden damals tatsächlich als „stato de Austria" bezeichnet.161 Auch reichsrechtlich trat „Österreich" nun im 16. Jahrhundert bei endgültiger Durchbildung der Reichstage als eine Stimme im Reichsfürstenkollegium (ebenso wie „Burgund") auf, als Summe der verschiedensten von den Habsburgern innegehabten Reichslehen verstanden. Schließlich wurden die österreichischen Lande auch noch als eigener Kreis konzipiert.162 160 Daß der Hof schon eine beachtliche Größe erreichte, zeigt eine Aufstellung bei Karl Schalk, Die Wiener Handwerker um die Zeit des Aufstandes von 1462 und die Bevölkerungszahl von Wien. Jb Lk Nö NF 13/14 (1915), 300-346, insbes. 338 ff., der für die Gruppe „Adel und Hof" ca. 3000 Menschen annimmt (gegenüber 2 000 Universität, ca. 2000 Klerus und 8000 Gewerbe und Handel). Etwas geringere Zahlen hat Richard Perger, Beiträge zur Wiener Verfassungs- und Sozialgeschichte im Spätmittelalter, in: Jahrb. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Wien 32/33 (1976/77), 11 ff. Hier werden folgende Daten geboten: Hof und Adel 1500, Klerus 1500, Gewerbe und Handel („Bürger" und deren Angehörige) 10.000. 161 Georg Wagner, Österreich - Profil zweier Jahrtausende, in: Wagner, Hg., Österreich, 224 ff., 273 ff., 591 (Faksimile). 162 Volker Press, Die Erblande und das Reich von Albrecht II. bis Karl VI. (1438-1740), in: Robert A. Kann / Friedrich Prinz, Hg., Deutschland und Österreich, Wien 1980, 44-88, bes. 50 und 64 f.: Gerhard Ostreich, Verfassungsgeschichte vom Ende des Mittelalters bis zum Ende des alten Reiches, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Stuttgart »1970 (Taschenbuchausgabe Bd. 11, 1974, 21 ff. und 139: Übersicht über die Reichsstände). Zu Österreich als Kreis vgl. Anton Karl Mally, Der Österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des Römisch-Deutschen Reiches, Wien 1967.
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Daß also dieser Gebietskomplex von außen als eine Einheit betrachtet wurde und daß man dies auch ohne die öfter angestrebte Erhebung zum Königreich163 empfand, zeigt sich in merkwürdigen, von Alphons Lhotsky zusammengestellten Formeln wie in jener, die „Österreich" als ein insgesamt vom Reich lehensabhängiges Ganzes, quasi als eigenes Staatswesen sieht.164 Obgleich nun diese Länder auf dem berühmten Innsbrucker Generallandtag von 1518165 auch von den Ständen, „von unten" her Ansätze zu einem länderübergreifenden Gemeinsamkeitsbewußtsein gesucht haben, ist dennoch die Staatsbildung der Habsburger eine durchaus dynastische, „von oben" betriebene gewesen. Denn sehr rasch spitzten sich die Dinge zu, innere und äußere Notwendigkeiten drängten zur Einführung stetiger, bürokratischer Herrschaftsformen, und es mußte sich nun zeigen, ob diese von den Ständen oder vom Herrscher geprägt werden sollten. Schon die dramatischen Ereignisse nach der Ankunft Ferdinands I. (Wiener Neustädter Blutgericht 1522) sollten die langwierigen Auseinandersetzungen mit einem deutlichen Sieg des Fürsten einleiten - beendet waren sie damit freilich noch lange nicht. Ferdinand /. (1522-1564) gilt durchaus zu Recht als Begründer des neuzeitlichen habsburgischen Absolutismus. Er hat sich zwar nach seinem brutalen Eintritt in die österreichische Geschichte als recht geschickt und anpassungsfähig erwiesen. Sein burgundisch-spanischer Hintergrund ermöglichte ihm aber vor allem eines: den Wert einer stabilen und kontinuierlichen Regierungstätigkeit mit Hilfe eines Hofes und einer zum Hofe gehörigen Zentralbürokratie zu schätzen. Nicht zufällig gelten seine Hofstaatsordnungen von 1527 und 1537 als dauerhafteste Ergebnisse seiner Herrschaft, die Ansätze aus der Zeit Friedrichs III. und seines Großvaters Maximilian /. erneuerten und stabilisierten.166 163 Georg Wagner, Pläne und Versuche der Erhebung Österreichs zum Königreich (mit fünf Dokumenten), in: Wagner, Hg., Österreich, 394-432, verweist auf sechs mehr oder minder intensiv betriebene Versuche: unter Friedrich II. (1245), Friedrich III. (ca. 1465-1470), Maximilian I. (vor allem 1516/17), Karl V. bzw. Ferdinand I. (1520/21), Ferdinand I. (ca. 1550/60), Ferdinand II. (1623). 164 Lhotsky, „Haus Österreich" 363: „Dann mit dem so zeucht S.K.M. die krön Beheim wider unter das Hl. [Reich] und machet die krön Hungern dem Hl. Reich verwandt wie das hauß osterreich" (1505). 1512: „... das Romisch Reich vorzustellen und darnach die österreichischen lannde, die dem Reich verwandt sein ..." (Herrn Bibliotheksrat Anton Karl Mally danke ich für den freundlichen Hinweis, daß „verwandt" hier wohl „lehensabhängig" bedeutet). 165 Wagner, Österreich 229 f., 281-284; Alfred Nagl, Der Innsbrucker Generallandtag vom Jahre 1518. Jb Lk Nö NF 18/19 (1919) 12-36. 166 Alphons Lhotsky, Das Zeitalter des Hauses Österreich. Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. in Österreich (1520-1527), Wien 1971; Berthold Sutter, Kaiser Ferdinand I.,
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Der Hof und seine Bedeutung für das entstehende Staatswesen Voll trat nun der Hof in seiner Bedeutung für den neuen Regierungsstil hervor. Daran sollte sich bis 1848, ja eigentlich bis 1918 nichts Grundlegendes ändern. Beim Hof werden alle erheblichen Entscheidungen konzentriert. Und deren werden um so mehr, je mehr der Hof das Zentrum jenes Beziehungsgeflechtes wird, das den werdenden „Staat" ausmacht. Man kann hier geradezu von einem „absolutistischen Zirkel" sprechen, der die Integrationsbewegung des Hoch- und Spätmittelalters fortsetzt und vertieft. Im 16. Jahrhundert erkannte das der Adel prinzipiell an. War der ständische Adel im 15. Jahrhundert der Sphäre des Hofes lieber ferngeblieben, so zeigen allein die Namen österreichischer Studenten an italienischen Universitäten im 16. Jahrhundert167, daß man sich in den Kreisen des ständischen Adels jetzt der Bedeutung einer gewissen, vor allem juristischen Bildung als Voraussetzung für den Eintritt in die fürstliche Rätehierarchie voll bewußt geworden war. Diese Räte (Hofrat, Hofkriegsrat, Geheimer Rat) waren ja das eigentliche Entscheidungszentrum, in dem es nicht nur um Macht, sondern auch um Geld ging. Freilich verlief die Entwicklung des Absolutismus nicht so klar und glatt wie etwa in Frankreich. Hatte hier die Krise des 17. Jahrhunderts ein im wesentlichen bereits auf transfeudalen Herrschaftsmethoden aufbauendes Königtum betroffen, so blieb die Entfaltung des Frühkapitalismus in den habsburgischen Ländern schon um 1550-1600 stecken, ohne daß bereits ein starkes, kapitalistisch orientiertes Bürgertum mit einem ebenso starken Hof korrespondiert hätte.168 Dementsprechend war auch keine „noblesse de robe" entstanden - die geadelten bürgerlichen Beamten und Unternehmer schlössen sich eher dem Hof- bzw. in: Katalog der Ausstellung Renaissance in Österreich, Schallaburg 1974 (Kat. d. Nö. Landesmuseums NF 57), 350-360; Die österreichische Zentralverwaltung, I. Abt. Von Maximilian I. bis zur Vereinigung der österreichischen und böhmischen Hofkanzlei (1749), Bd. I, bearb. v. Thomas Fellner und Heinrich Kretschmayr. Wien 1907; Günther R. Burkert, Landesfürst und Stände. Karl V., Ferdinand I. und die österreichischen Erbländer im Ringen um Gesamtstaat und Landesinteressen (Forschungen und Darstellungen zur Geschichte des Steiermärkischen Landtages 1), Graz 1987. 167 Arnold Luschin von Ebengreuth, Österreicher an italienischen Universitäten zur Zeit der Reception des römischen Rechts. Bll Lk Nö NF 14 (1880), 15 (1881), 16 (1882), 17 (1883), 18 (1884) und 19 (1885). 168 Die Diskussion um das Erlahmen des Frühkapitalismus in Österreich wurde mit dem vordergründig allzu überzeugenden Hinweis auf die wirtschaftsschädigende Haltung der Gegenreformation eher abgebogen als in sinnvolle Bahnen gebracht. Immer noch am besten: Ferdinand Tremel, Der Frühkapitalismus in Innerösterreich, Graz 1954; derzeit am besten: Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995, 87 ff. („Im Zeichen des ,Frühkapitalismus'").
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dem Landesadel an, die soziale Basis des Absolutismus damit in widersprüchlicher Weise teils stärkend, teils wiederum schwächend. 169 Es war, damit offenbar im Zusammenhang, auch nicht gelungen, die Steuereinhebung und -bewilligung den Ständen gänzlich abzunehmen. Dieser entscheidende Durchbruch gelang erst unter Maria Theresia mit den Dezennalrezessen. 170 Die habsburgischen Höfe - man muß an die Teilung von 1564 erinnern, die nochmals für ca. 100 Jahre drei, später zwei höfische und Verwaltungszentren schuf - begannen denn auch im 16. Jahrhundert zunächst langsam zu wachsen. Erst im späteren 17. und frühen 18. Jahrhundert erfolgten die bekannten Ausweitungen, die letztlich dazu führten, daß große Teile der hauptstädtischen Populationen direkt oder indirekt von der höfischen Sphäre abhängig waren.171 Direkt zum Wiener Hof gehörten nach 1700 schon 2175 Personen! Darin äußert sich die wachsende Bedeutung des Hofes nicht nur in bezug auf monopolistische Vergabe von Machtchancen und Reichtum, auf die Kontrolle des bei Hofe konzentrierten Adels und auf die aus dem Hofe herauswachsende Staatsverwaltung, sondern auch eine repräsentative Komponente, da durch den demonstrativen, öffentlichen Luxuskonsum die außerordentliche Rolle dieses Hofes und seines Herrn gegenüber allen Herrschaftsunterworfenen, aber auch Außenstehenden, unterstrichen werden sollte.172 169 Zu diesem Problemkreis gibt es keine zusammenfassende Untersuchung. Für einen ersten dürftigen Überblick mag genügen Nikolaus v. Preradovich, Der Adel in den Herrschaftsgebieten der deutschen Linie des Hauses Habsburg, in: Hellmuth Rössler, Hg., Deutscher Adel 1555-1740 (Schriften zur Problematik der deutschen Führungsschichten in der Neuzeit Bd. II), Darmstadt 1965, 200-215. Der Aufstieg der unterschiedlichen Briefgeadelten ist dagegen in den meisten Einzelfällen bekannt. Ferner vgl. etwa Alfred Hoffmann, Die geschichtlichen Grundlagen der österreichischen Wirtschafts- und Sozialstruktur, in: ders., Staat und Wirtschaft im Wandel der Zeit (Studien und Essays, hg. v. Alois Mosser, Bd. 1), Wien 1979, insbes. 135. Als Einzelbeispiel der Aufstieg des in den niederösterreichischen Bauernaufstand von 1596/97 verwickelten Wilhelm Seemann von Mangern: sein Vater Georg Seemann war Mautner zu Ybbs an der Donau, übernahm 1562 die Herrschaft St. Peter in der Au zu Pfand (kam offenbar aus dem Bereich der Kameralverwaltung); sein Sohn Wilhelm studierte in Padua und Bologna, wurde vor 1584 zum Landesanwalt in Österreich ob der Enns berufen und konnte 1586 die Herrschaft St. Peter käuflich erwerben (Franz Klein-Bruckschwaiger, Der Bauernaufstand in St. Peter in der Au. Vorgeschichte und Folgen. Jb Lk Nö NF 39 [1971-1973] 113 ff.). 170 Franz v. Mensi, Finanzgeschichte, in: Mischler I Ulbrich, Hg., Österr. Staatswörterbuch 2, Wien 21906, 36 ff.; P. G. M. Dickson, Finance and Government under Maria Theresia 1740-1780, Bd. II, Oxford 1987,15 ff. 171 Hanns Leo Mikoletzky, Der Haushalt des kaiserlichen Hofes zu Wien (vornehmlich im 18. Jahrhundert), Carinthia I, 146 (1956), 669; Franz Mathis, Zur Bevölkerungsstruktur österreichischer Städte im 17. Jahrhundert, Wien 1977. 172 Hubert Christian Ehalt, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert, Wien 1979, insbes. 64 ff.
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Nun ist für uns an dieser Stelle die weitere Analyse der höfischen Gesellschaft weniger wichtig als die Feststellung, daß der Hof das Haus des Fürsten war und seine Ausweitung daher Ausweitung der patrimonialen Herrschaft des Fürsten bedeutete. Der Landesherr wird zum „Landesvater". Diese schon eingangs festgestellte Tendenz setzte sich im Barock durch. Da infolge dieser Ausweitung bislang eigenständige Hausherren, nämlich die adeligen Grundherren, deren Herrschaft ja im Grunde auch nichts anderes als Hausherrschaft war,173 unter die hausväterliche Gewalt des Fürsten gelangten (was sich etwa in Hofdiensten jüngerer Familienmitglieder äußerte), wurde dadurch erstmals der Bezug auch zu unterherrschaftlichen Gruppierungen ermöglicht. Erst dadurch konnten wenigstens theoretisch alle Landesbewohner zu „Landeskindern" werden, wobei diese Attitüde zweifellos ideengeschichtlich eng mit der Betonung hausväterlicher Rollen in Reformation und Gegenreformation zusammenhängt.174 Kirche und Religion Die habsburgische Staatsbildung würde aber nur unzureichend begriffen werden, wenn die kultisch-religiöse Seite ausgeblendet bliebe. Sie steht in engstem Zusammenhang mit der Kaiser-Idee und mit der erfolgreichen katholischen Reform. Speziell im Nahbereich des Kaisers mußte die barocke Neigung zu einer alle Sinne ergreifenden Repräsentation göttlicher Majestät gerade durch die Person des Kaisers und seine Art des Auftretens eine besondere Entfaltung finden. Gemeinschaft des religiösen Handelns war für die Grundlegung des Gemeinsamkeitsbewußtseins vorsäkularisierter Gesellschaften außerordentlich wichtig. Die mittelalterliche Verwandlung des heidnischen Gründungsheros in den christlichen „heiligen Spitzenahn" wurde oben bereits erwähnt (s. o. S.21). Reste der älteren Anschauung, wonach der König als Träger des „Heiles" eine besondere Heilkraft gewissen Krankheiten gegenüber haben sollte, hielten sich zumindest in Frankreich und England sehr lange. Auch den Habsburgern wurde ein solches Heilungsvermögen bei Kropf, Skrofulöse und Stottern nachgesagt. Wichtiger erschien den gegenreformatorischen Apologeten aber ihre Fähigkeit, die Krankheit der Religionsverschiedenheit zu heilen.175 Diese Herstellung der Religionseinheit durch den Landesfürsten war bloß dann zu rechtfertigen, wenn - mindestens in der Theorie - eine 173 Brunner, Land und Herrschaft, insbes. 254 ff. 174 Michael Mitterauer I Reinhard Sieder, Vom Patriarchat zur Partnerschaft, München 21980. 175 Coreth, Pietas Austriaca (wie S.98, Anm. 39), 11.
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umfassende Verantwortung des Fürsten für das zeitliche und ewige Heil der Bewohner seiner Lande bestand. Diese Verantwortung äußerte sich jedenfalls bei der Durchführung der Gegenreformation, ist aber auch noch bei Joseph II. und seinen peniblen Regelungen der Vorschriften für die Gestaltung des Gottesdienstes spürbar. Entstanden ist sie aber schon früher und läßt sich in Ansätzen bis zu den landeskirchlichen Bemühungen der letzten Babenberger nachweisen. Die Landesbildung des Hochmittelalters stand im Zusammenhang mit der Entstehung eines auch religiös grundierten Gemeinsamkeitsbewußtseins, symbolisiert durch besondere Landes- oder Reichspatrone und besondere heilige Orte. Sehr wichtig erschien ferner die Konzentration von Vogteirechten über klösterliche Gemeinschaften in der Hand des Landesfürsten. Gerade die letztere bot zahlreiche Handhaben für Eingriffe auch in das religiöse Leben, und nebenher auch für die Entstehung der Vorstellung vom Charakter des Kirchengutes als Teil des (weiteren) Kammergutes.176 Es fehlte den österreichischen, steirischen usw. Landesfürsten aber eines: ein Landesbistum. Ihre Länder wurden kirchlich von den Metropolitanbistümern Salzburg und Aquileja beherrscht. Aber auch die Bischöfe von Passau, Brixen, Trient, Augsburg, Konstanz und Chur galten als Reichsfürsten. Nur die kleinen Salzburger Suffragane von Lavant, Gurk und Seckau hatten ihre Sitze in den habsburgischen Territorien, seit 1374 auch der Bischof von Pedena/Piben in Istrien und seit 1382 jener von Triest. Hatten Leopold VI. und Friedrich II. noch versucht, in Wien ein Bistum zu begründen, so erlahmten diese Bestrebungen unter den ersten Habsburgern, die aber durch besondere Förderung der der bischöflichen Jurisdiktion entzogenen Bettelorden die Aushöhlung der bischöflichen Kompetenzen dennoch vorantrieben. Erst Rudolf IV. (1358-1365) verfolgte die Vorbereitung einer eigenen Landeskirche wieder energischer. „Rudolfus dux Austrie ... episcopatum Pataviensem voluit transtulisse in Viennam", behaupteten die Annalen des Stiftes Mattsee.177 Ob Rudolf tatsächlich diese Verlegung beabsichtigt hatte oder nicht - jedenfalls erhielt er 1358 die Erlaubnis zur Errichtung einer von der bischöflichen Gewalt eximierten Kollegiatkirche mit 24 Kanonikern, die 1365 nach St. Stephan übertragen wurde. In den Bestrebungen Rudolfs, der habsburgischen Herrschaft auf verschiedene Weise eine besondere Legitimität zu verschaffen - es sei hier nur an die berühmten Urkundenfälschungen und an die Gründung 176 Srbik, Staat und Kirche, 1904. 177 Srbik, Staat und Kirche, 27.
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der Universität Wien erinnert nahmen diese Bemühungen sicher einen zentralen Platz ein.178 Aber erst unter Friedrich III. gelang 1469 die Erhebung Wiens zu einem Bistum, zur gleichen Zeit wurde auch eines in Wiener Neustadt eingerichtet, während schon 1461 das Laibacher vorausgegangen war. Alle neuen Bistümer waren von Umfang und Ausstattung her eher bescheiden.179 Gerade im 15. Jahrhundert griffen die Landesfürsten aber auch schon ziemlich deutlich in die innerkirchlichen Angelegenheiten in einer Weise ein, die nicht bloß auf Machtstreben oder auf den Wunsch nach zusätzlicher Legitimation von Herrschaft zurückzuführen ist (oder nur zum Teil). Besonders Albrecht V. (1411-1439) war ein eifriger Verfechter der Reformbestrebungen jener Zeit. Seinem massiven Einsatz ist die weite Ausbreitung der sogenannten „Melker Reform" (seit 1418) in hohem Maße zu verdanken.180 Zwecks Wiederaufrichtung strengerer Sitten in Klöstern und Pfarren sicherte sich der Landesfürst nunmehr ein starkes Einflußrecht auf das Visitationswesen - ein Instrument, das dann im 16. und 17. Jahrhundert nur mehr weiter ausgebaut werden mußte.181 Daß der Landesfürst als Vogt der Landesklöster die Pflicht zur Reform der Kirche hatte, erschien also schon dem Spätmittelalter selbstverständlich. Verstärkt mußten diese Anschauungen bei jenen Habsburgern auftreten, die nicht bloß durch eine vertiefte persönliche Religiosität (wie der von der niederländischen Devotio moderna beeinflußte Karl V.)182, sondern nun auch durch die Kombination ihrer landesfürstlichen Stellung mit dem Kaisertum in noch erhöhtem Maße Verantwortung für die Kirche empfanden. Noch immer war ja der Kaiser der Vogt der Kirche und trat daher auch immer wieder für eine gründliche Reform ein. Das ist nicht nur bei Karl V. und seinem Bruder Ferdinand /., sondern auch bei einem persönlich eher toleranten Herrscher wie Maximilian II. (1564-1576) zu spüren, dessen Gründung des Klosterrates (1568) ein wichtiges Instrumentarium für die spätere Er178 Srbik, ebd., 27 ff. Zu Rudolf dem Stifter ist die große Biographie von Ernst Karl Winter heranzuziehen: Rudolf IV. von Österreich, 2 Bde., Wien 1934 u. 1936. Dieses Buch wurde vor allem von der dominanten deutschnationalen Richtung der österreichischen Geschichtsforschung jener Zeit abgelehnt, aber auch so zutiefst „österreichische" Historiker wie Alphons Lhotsky meldeten gewisse Bedenken an: Lhotsky, Die Problematik der geschichtlichen Erscheinung Rudolfs IV., in: Aufsätze und Vorträge Bd. V, Wien 1976, 127 ff. 179 Srbik, Staat und Kirche, 29. 180 Zur Melker Reform vgl. jetzt Meta Niederkorn-Bruck, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen, Wien 1986. 181 Srbik, Staat und Kirche, 210 ff. 182 Coreth, Pietas, 28.
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neuerung, aber auch für eine stete Kontrolle des klösterlichen Lebens schaffen sollte.183 Die Erneuerung des katholischen Glaubens in den österreichischen Ländern war praktisch ausschließlich das Werk der Habsburger und der von ihnen gerufenen Orden, besonders der Jesuiten. Nun blieb die Durchführung der Gegenreformation, vorab als Kampf gegen den malkontenten Adel, sicher bis 1620 bzw. bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges in hohem Maße auf polizeilich-militärische Maßnahmen aufgebaut, zu denen sich aber schon früh solche der Propaganda und der barocken Inszenierung traditioneller oder moderner religiöser Inhalte gesellten. Um die Legitimität des Katholizismus besonders zu unterstreichen, wurde in allen Ländern der Kult mittelalterlicher einheimischer Heiliger gepflogen wie Koloman, Florian, Leopold oder (als eher obskures Beispiel) Domitian in Kärnten. Damit betonte man zugleich die Tatsache, daß ein großer Teil des protestantischen Klerus ja aus fremden Gebieten zugewandert war - als „echtere" Religiosität sollte daher jene gelten, die sich auf althergebrachte Verehrungsformen und besonders auf einheimische Leitfiguren stützen konnte.184 Die im Zuge der Reformation abgekommenen Prozessionen, öffentlichen Andachten und Wallfahrten erlebten einen Aufschwung. Schon 1599 konnte der spätere Kardinal Khlesl 23.000 Pilger nach Maria Zell führen.185 Und im Jahre 1636 war Ferdinand II. in Linz „ . . . allda man nit gar lengst wider das hochheyllige sacrament also gifftig und gottlos geprediget, vnnd darauß als auß einem Brunnquellen deß vbels ein irrthumb auß dem andern, ein rebellion nach der andern entsprungen s e y n d t . . . "
Zeuge, unter welch großer Beteiligung von Adel und Bürgerschaft hier die wiedereingeführte Fronleichnamsprozession stattfand.186 Vom Kaiserhaus ging ferner die große Bewegung der Schaffung einer neuen Sakral-Landschaft aus. Zunächst wurden neue Bildsäulen geschaffen, von denen vorzüglich die in bewußter Opposition zum Protestantismus stehenden Mariensäulen zu nennen sind. Nach bayerischem Vorbild wurde 1647 eine Maria-Immaculata-Säule am Hof errichtet, in Verbindung mit dem Akt einer Unterstellung des ganzen Landes unter den besonderen Schutz Mariens - nicht ohne einen vorherigen, bestätigenden Beschluß der Landstände Österreichs unter der Enns.187 183 Alfons Huberl Alfons Dopsch, Österreichische Reichsgeschichte, Wien 1901, 228. 184 R. J. W. Evans, The Making of the Habsburg Monarchy 1550-1700. An Interpretation, Oxford 1979, 190. 185 Coreth, Pietas, 59. 186 Coreth, Pietas, 30. 187 Coreth, Pietas, 55 f.
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Nach dem Vorbild dieser 1667 durch eine in Erz gegossene ersetzten Säule wurden danach unzählige in der ganzen Monarchie errichtet. Besonders die Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag wurde als Monument der Gegenreformation und späterhin der nationalen Unterdrückung betrachtet und als Gegenstand heftiger Ablehnung daher sofort nach Errichtung der Republik 1918 demonstrativ entfernt.188 Trat die Marienverehrung besonders in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stark in den Vordergrund, so hatte die Verehrung der Dreifaltigkeit eine ältere Tradition - schon seit dem Spätmittelalter stand sie in engem Zusammenhang mit der Suche nach Schutz vor der Pest. In den Seuchenzeiten des 17. Jahrhunderts und demonstrativ auch gegen den nichttrinitarischen Gottesglauben des Islam erhielt sie eine kräftige Belebung. Schönster Ausdruck dieser Gesinnung ist sicher die Pestsäule auf dem Graben zu Wien.189 Der Aufbau der Architektur läßt übrigens der göttlichen Dreifaltigkeit an der Spitze des Denkmals die Dreifaltigkeit der habsburgischen Länder, dargestellt in den Wappengruppen der ungarischen, böhmischen und österreichischen Länder, entsprechen. Nach dem Vorbild des Kaiserhauses gingen nun seit dem späteren 17. Jahrhundert zahlreiche „Gut-Täter" daran, die Aufstellung verschiedener Bildsäulen und -stocke anzuregen und zu fördern.190 Damit drang offenkundig auch das Bewußtsein einer intensiveren Heiligenverehrung neuerdings in breitere Bevölkerungsschichten. Neben den Marien- und Dreifaltigkeitssäulen darf dabei besonders an die zahlreichen Denkmäler des hl. Johannes Nepomuk erinnert werden, der, 1729 heiliggesprochen, bald „... in einem ungeahnten Siegeszug die ganzen Erblande und das Reich eroberte .. .".191 Nepomukstatuen sind tatsächlich zu besonderen Merkmalen althabsburgischen Gebietes geworden: Sehr genau zeigt etwa in Istrien das Auftreten dieses böhmischen Brückenheiligen, wo man die vor 1797 venezianischen Gebiete verläßt und die Grenzen der österreichischen Grafschaft Mitterburg (Pazin / Pisino) überschreitet. Mit einer gleichfalls intensivierten Verehrung der Heiligen Josef (auf Theresia von Avila und den Karmeliterorden zurückgehend), Leopold (besonders seit Kaiser Leopold /.) und Karl geht offenkundig auch eine langsame Veränderung des Namengutes Hand in Hand. Wenn und in188 Hiezu das Zeugnis des gelehrten und historisch sehr gebildeten Journalisten Karl Tschuppik in dem Aufsatz „Prag und die Prager" (1930), in: Klaus Amann Hg., Karl Tschuppik. Von Franz Joseph zu Adolf Hitler, Wien - Köln - Graz 1982,145 ff. 189 Coreth, Pietas, 15 und Gerhardt Kapner, Barocker Heiligenkult in Wien und seine Träger, Wien 1978, 66 f. und 73 ff. 190 Kapner, Heiligenkult, 29 ff. 191 Coreth, Pietas, 76.
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soferne Namengebung Ausdruck gesellschaftlichen Bewußtseins ist, sind die Marien, Annen, Theresien ebenso wie die Poldln, Karin und Seppein Ausdruck der sozialen Folgen der barocken, religiös gesättigten Staatsbildung der Habsburger im Absolutismus.192 Vielleicht könnte man sagen, daß die räumliche und gesellschaftliche Verbreitung solcher Namen als Ausdruck bewußter oder unbewußter Identifikation mit dem Herrscherhaus und dessen neuem Staat die Enge oder Weite, das Ge- oder Mißlingen der Staatsbildung der Habsburger ausdrücken müßte.193 Bald traten neben die Neuaufstellung von Heiligensäulen die Neuund Umbauten zahlreicher Kirchen und Klöster. Wieder stand das Erzhaus an der Spitze der Bewegung, diese, sobald sie auf die wiedererstarkten Klöster übergriff, nach Kräften fördernd, ja sogar fordernd.194 Die enge Verbindung von Klosterneubau und Kaiserhaus zeigt nicht nur das berühmte Beispiel von Klosterneuburg, dessen im Verhältnis zum fertiggestellten Bau heute überdimensioniert wirkende Kaiserkrone jene Verbindung eindrucksvoll dokumentiert, sondern auch die Neubauten von Göttweig, Melk, St. Florian usw. Überall verweisen Kaiserstiegen und Kaiserzimmer auf die Funktion dieser Bauten für die Beherbergung des Hofes.195 Und verschiedentlich tritt Karl VI. höchstpersönlich in Erscheinung - als Türkensieger in St. Florian oder als Sonnengott im prächtigen Stiegenaufgang von Göttweig, mit Perücke und etwas gelangweiltem Habsburgergesicht freilich nicht ohne humoristischen Einschlag. Sicher war wieder das Fehlen eines Landesbistums mitverantwort192 Allgemein zum Problem der Namengebung Michael Mitterauer, Ahnen und Heilige. Namengebung in der europäischen Geschichte, München 1993. 193 Nämlich in den tabellarischen Auswertungen, die Josef Heider an oberösterreichischen Kirchenbüchern vorgenommen hat: Josef Heider, Tabellen zu den Kirchenbüchern Mühlviertler Pfarren. Taufen, Trauungen, Sterbefälle und Taufnamen im 17. und 18. Jahrhundert, 7 Bde., Wien 1963 ff. (Ms.). Neben den Mühlviertler Pfarren hat Heider auch für andere Gebiete diese Auswertungen vorgenommen. Ein erster Überblick zeigt für das Mühlviertel einen starken Rückgang der alttestamentarischen und ein erhebliches Vordringen der Apostelnamen. Erst relativ spät hatten dann die der habsburgischen „Pietas" entspringenden Namen hohe Wachstumsraten (am wenigsten Karl). Interessant wäre, wie das nun in solchen Ländern aussah, die von Wien als Ausstrahlungszentrum noch weiter entfernt waren, bzw. wo die Gegenreformation primär auf der Belebung einheimischer Heiligengestalten aufbaute (vgl. Evans, der diese Betonung der je einheimischen Traditionen als im Sinne gewünschter habsburgischer Einheit zwiespältig beurteilte). Ferner Peter Schmidtbauer, Zur Veränderung der Vornamengebung im 19. Jahrhundert, in: Österr. Namensforschung 4 (1976), Heft 2 (das hier verwertete Material bezieht sich freilich nur auf Salzburg, das im 18. Jh. ja noch außerhalb des direkten habsburgischen Herrschaftsbereiches lag - die indirekten Abhängigkeiten waren aber vielfältig). 194 Lhotsky, Historiographie, 115 f. 195 R. Miller, Die Hofreisen Kaiser Leopolds I. MIÖG 75 (1967), 66-103.
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lieh für die große Rolle der Klöster im Bereich der religiösen Staatsmystik des Barock. Besonders von den Klöstern wird ja auch die Geschichtsschreibung der Zeit getragen; in Melk und Göttweig entwickeln Bernhard Pez und Gottfried Bessel die Grundlagen für jede spätere kritisch-wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte. 196 Die enge Verbindung von Politik, gesellschaftlichem Bewußtsein und Geschichte braucht dabei nicht besonders unterstrichen zu werden. Wird gerade im Barock das Einwirken auf Denken, Gefühle und Empfindungen durch Architektur, Malerei und Plastik in den Dienst der Vermittlung göttlicher und kaiserlicher Majestät gestellt, so wird der Zusammenhang von Religion und habsburgischer Herrschaft darüber hinaus verstärkt durch zahlreiche kirchliche und höfische Zeremonien. Dieses religiös-höfische Zeremoniell spielt sich zu einem guten Teil durchaus öffentlich ab, auf diese Weise eine „repräsentative Öffentlichkeit", aber auch einen kultischen Handlungszusammenhang zwischen Herrscher und Herrschaftsunterworfenen erzeugend. Man war sich der Funktion des Zeremoniells dabei vollkommen klar: „ . . . D e n n die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind v o n solcher Beschaffenheit, daß b e y ihnen die sinnliche E m p f i n d - und Einbildung m e h r als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche D i n g e , w e l c h e die Sinnen kiitzeln und in die A u g e n fallen, mehr, als durch die bündig- u n d deutlichsten Motiv e n c o m m o v i r e t w e r d e n .. ," 197
Eine erste Erschütterung erfuhr das Zeremoniell durch die Kaiserwahl Karl Alberts von Bayern 1741. Durch die Kaiserwürde Franz Stephans (1745) zwar teilweise wiederhergestellt, wurde das Zeremoniell aber gerade unter diesem Herrscher zur leeren Form. 198 Den Rest besorgte Joseph II.199 Die josephinischen Reformen dürften in diesem Zusammenhang aber durchaus zweischneidig gewirkt haben. Ihre positiven Seiten brauchen wir hier nicht hervorzuheben. Aber wurde nicht die bislang so stark vor-rationale Identifikation mit dem Herrscherhaus durch die rasche Rationalisierung zu schnell abgebaut, ohne daß schon andere Identifikationsmöglichkeiten entwickelt worden wären? Die Frage war, ob es gelang, an die Stelle der sakralen Identifikation eine diesseitige 196 Lhotsky, Historiographie, 114 ff. 197 Zeitgenössisches Zitat, hier nach Elisabeth Koväcs, Kirchliches Zeremoniell am Wiener Hof des 18. Jahrhunderts im Wandel von Mentalität und Gesellschaft, MÖStA 32 (1979), 109-142, bes. 116. 198 Vgl. Adam Wandruszka, Die Religiosität Franz Stephans von Lothringen. Ein Beitrag zur Geschichte der „Pietas Austriaca" und zur Vorgeschichte des Josephinismus in Österreich, MÖStA 12 (1959), 162 ff. 199 Koväcs, Zeremoniell, 130 f.
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zu setzen. Wir vermuten, daß dies nur sehr beschränkt gelang. „... Der schwarz-gelbe Patriotismus' der ,Hofratsnation' war ja ideologisch gesehen urtümlich und gewissermaßen primitiv", schrieb Alfred Hoffmann dem Autor am 26. August 1981. Jener blieb eine simple Anhänglichkeit an das Herrscherhaus bzw. an die Person des Kaisers. Inhaltlich war er, nach dem Ende des barocken Überschwanges, gekennzeichnet von einem dürren Pflichtethos, wie es schon 1783 in dem berühmten, weiter unten nochmals zu nennenden „Hirtenbrief" Josephs II. formuliert wurde. In die Lücke, die der barocke Prunk hinterließ, strömte schließlich etwas anderes ein - die neue Diesseitsreligion des modernen Nationalismus der Sprachnation. Wir stehen hier an einem entscheidenden Wendepunkt - würde der „Transfer des Sakralen" eine säkularisierte österreichische Nationalreligion hervorbringen - oder etwas anderes? Immerhin blieb auch die josephinisch erneuerte Kirche, nun selbst in den zahlreichen Neubauten von Kirchen für die neu errichteten Pfarren jenen rationalistischen, nüchternen Geist verkündend, eine zentrale Stütze des Staates und der habsburgischen Herrschaft, bis zum Ende des Reiches. Die zahlreichen neuen, verkleinerten Pfarren erlaubten nicht nur eine verbesserte Betreuung der seelsorglichen Bedürfnisse, sondern auch den Einsatz der Pfarrer als Organ staatlicher Beglükkungspolitik auf der unteren Ebene. „Gerade dieses über seine geistlichen Verrichtungen hinaus erweiterte Blickfeld des josefinischen Pfarrers wurde dem Kaiser später am meisten verübelt, und seine Bemühungen lächerlich gemacht, als ob er durch seine Sorge um die Volkswohlfahrt im weitesten Sinne die geistliche Würde verletzt hätte. Dabei wird vergessen, daß gerade durch diesen erweiterten Aufgabenkreis dem Pfarrer die seltene Gelegenheit geboten wurde, umfassenden Einfluß zu gewinnen. Der josefinische Pfarrer ist wirklich der Vater der Gemeinde und hat in allem ein gewichtiges Wort mitzusprechen .. ,"200
Diese gerade durch Joseph II. wesentlich intensivierten Beziehungen zwischen Klerus und Kirchen-„Volk" wurden nicht nur zu einer wichtigen Herrschaftsstütze, sondern müssen auch für die besondere Form der katholisch-konservativen, später christlichsozialen politischen Mobilisierung gerade auf dem flachen Lande unbedingt mitberücksichtigt werden,201 dies um so mehr, als die österreichische Gesellschaft bis ins 19., ja bis ins 20. Jahrhundert überwiegend eine ländliche Gesellschaft war. 200 Eduard Winter, Der Josefinismus und seine Geschichte, Brünn - München - Wien 1943, 163. 201 Gawin Lewis, Kirche und Partei im politischen Katholizismus, Salzburg 1977.
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Das Heer Bildet der Klerus einen wesentlichen Bestandteil des habsburgischen Herrschaftskomplexes, so wird für die Ausbildung der modernen Staatlichkeit dem Heerwesen mindestens genausoviel Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen. Die Ausbildung des stehenden Heeres bildet bekanntlich den Mittelpunkt der modernen Staatswerdung: Ständige Soldtruppen an der Stelle fallweiser landständischer Aufgebote erfordern erhöhte finanzielle Mittel. Zu deren Eintreibung entwickelt sich ein wachsender Beamtenapparat. Der Widerstand gegen die Einbeziehung in den Steuer- und Militärkomplex muß ebensohäufig gewaltsam gebrochen werden, wie die ununterbrochenen Kriege an den Grenzen das Anwachsen des Heeres fördern usw. Die Soldtruppen des 16. Jahrhunderts wurden in der Regel auf sechs Monate aufgenommen. Über den Winter ruhten zumeist die Kriegshandlungen. Im „langen Türkenkrieg" Rudolfs II. (1592-1606) mehren sich die Nachrichten über Kriegsvolk, das auch den Winter über unter den Fahnen blieb. Obgleich damit noch kein kontinuierlich gleichbleibender Mannschaftsstand verbunden war (noch immer wurden die Truppen über den Winter stark reduziert), sieht man doch darin den Anfang eines stehenden Heeres. 202 Auch nach dem Ende dieses Krieges blieben mehrere Einheiten kontinuierlich im Solde - kurioserweise oft aus Geldmangel, da man häufig die vereinbarten Mittel nicht ausbezahlen konnte und die Söldner bei den bedauernswerten Untertanen einquartierte, wo jene sich dann schadlos hielten. Deren Haß auf die einquartierte Soldateska führte zu zahllosen Zwistigkeiten, die oft mit Mord und Totschlag endeten, wofür es auch bildliche Quellen der Zeit gibt.203 Zwischen dem Kriegsherrn - dem Kaiser - und den Söldnern standen die Obristen, richtiggehende Kriegsunternehmer, die nicht nur an der Gesamtbeauftragung verdienten, sondern häufig auch noch an der Ausrüstung der Truppen. Unter den schon vor dem Dreißigjährigen Kriege auftretenden Obristen, die jeweils ein paar hundert oder (maximal) einige tausend Mann kommandierten, sind zahlreiche bekannte Namen zu finden - Ausdruck der Möglichkeit, auf diesem Wege Reichtum, Ruhm und Ansehen zu erwerben. Namen wie Althan, Breuner, Hofkirchen, Kollonitsch, Mannsfeld, Raitenau, Salm, Starhemberg, Thum, Trauttmansdorff, Tilly, Strassoldo, Schwarzen202 Heischmann, Anfänge (s. o. S. 203, Anm. 157), 182 ff. 203 Ebd., 194, 162 f., 184; zwei instruktive Abbildungen bei Jerome Blum, Die bäuerliche Welt, München 1982,151.
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berg, Montecuccoli, Dampierre usw. zeigen nicht nur die große geographische Streuung des Einzugsgebietes der kaiserlichen Armeen, sondern auch die Anziehungskraft dieses Dienstes - wobei freilich zu berücksichtigen ist, daß die zahlreichen Wallonen und Italiener häufig aus Gebieten kamen, die direkt oder indirekt dem Hause Habsburg unterstanden, ebenso wie ja der Adel aus dem Heiligen Römischen Reich kaiserlichen Dienst stets als Aufstiegsmöglichkeit wie als Ehre betrachtete. 204 Gab es zu dieser Zeit also eine große Zahl von miteinander mehr oder weniger konkurrierenden Militärunternehmern, so brachte die Bestellung Wallensteins, der 1625 dem Kaiser angeboten hatte, ein Heer von 50.000 bis 60.000 Mann aufzustellen, die große Wende. Diese Armee wuchs in kurzer Zeit auf die angebotene Zahl und erreichte schon 1629 die damals unerhörte Größe von 150.000 Mann. An die Stelle der Obristen war der noch mächtigere Generalissimus getreten, an die Stelle konkurrierender Militärunternehmer ein Monopolist. Mit dem Sturz Wallensteins erfolgte die faktische Verstaatlichung des Heeres, wenngleich die Inhaber der Regimenter noch lange allerdings abnehmende Befugnisse innerhalb ihrer Einheiten besaßen und vor allem mit dem Verkauf von Offizierspatenten einen einträglichen Handel betrieben. Erst im 18. Jahrhundert (1766) wurde festgelegt, daß die Beförderung von Stabsoffizieren ausschließlich durch den Hofkriegsrat zu erfolgen habe, und erst seit 1849 war deren, seit 1868 die Beförderung aller Offiziere dem Kaiser vorbehalten.205 Damit erst wurde aus den Offizieren eines Obersten bzw. eines Regimentes erst das kaiserliche Offizierskorps, dem sich etwa Joseph II. durch demonstratives Tragen der Uniform verbunden zeigte - eine Attitüde, die unter Franz Joseph wiederauflebte. Wie wichtig gerade für Maria Theresia dieses neue Offizierskorps als eine der zentralen gesellschaftlichen Gruppierungen des entstehenden Einheitsstaates war, zeigt die Bestimmung, daß Offiziere nach dreißigjähriger Dienstzeit und Teilnahme an einem Feldzug automatisch in den Adel erhoben wurden (1757).206 Fast 50% der zwischen 1701 und 1918 vorgenommenen Adelserhebungen betrafen denn auch Offiziere.207 204 Heischmann, Anfänge, 228 ff. (Anhang). 205 Zentralverwaltung (s. o. S. 206, Anm. 166) 1/1, 251; Wrede (s. o. S. 203, Anm. 157), 1. Bd., 62 f. - Antonio Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich. Militär, Staat und Gesellschaft 1848-1867, Boppard am Rhein 1975, 457 ff. 206 Berthold Waldstein-Wartenberg, Österreichisches Adelsrecht 1804-1918, MÖStA 17/18 (1964/65), 127. 207 Hanns Jäger-Sunstenau, Statistik der Nobilitierungen in Österreich 1701-1918, in: Österreichisches Familienarchiv. Ein genealogisches Sammelwerk. Hg. v. Gerhard Geßner, Schriftleitung H. Jäger-Sunstenau, Bd. 1. Neustadt a. d. Aisch 1963, 3 ff., insbes. 14.
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Der Adel Selbstverständlich war das Instrument der Adelserhebung eine der zentralen Möglichkeiten, eine dem Kaiser ergebene Gesellschaft zu schaffen. Aber bis zum Dreißigjährigen Krieg blieb die Anerkennung dieses Adels doch sehr stark an ein Land gebunden: Landstandschaft konnte nur erwerben, wer ein adeliges Gut im Lande besaß, gleichgültig, welchen Rang er ansonsten einnahm. Einen entscheidenden Fortschritt in die Richtung eines habsburgischen Reichsadels bedeutete daher die Bestimmung der „Verneuerten Landesordnung" von 1627, wonach sich der König die Verleihung des „Inkolates", also der Zugehörigkeit zum böhmischen Adel, vorbehielt.208 Faktisch lagen die Adelsagenda in der Hofkanzlei, und entsprechend den Wirkungskreisen der böhmischen und der österreichischen Hofkanzlei entwickelte sich auch ein böhmischer und ein österreichisch-erbländischer Adel, der mit der Verlegung der ersteren Kanzlei nach Wien immer mehr sich vereinigte.209 Die Entstehung des habsburgischen Reichsadels, vorab seit 1620, als in den beschlagnahmten Gütern des rebellierenden böhmischen Hochadels auch eine solide materielle Grundlage vorhanden war, soll hier nur gestreift werden. Nicht sosehr die internationale Gesellschaft der Heerführer (Gallas, Piccolomini, Questenberg, Bucquoy, Leslie) war der hauptsächliche Nutznießer jener Konfiskationen, als vielmehr die nicht unbeträchtliche Schar von treuen katholischen Geschlechtern aus diversen habsburgischen Gebieten (Colloredo, Collalto, Morzin, Eggenberg, Trauttmansdorff, Harrach usw.) und die großen einheimischen Geschlechter Lobkowitz, Waldstein, Kinsky, Czernin, Kolowrat u. a., die - aus Grundsatz oder Überlegungen konjunktureller Natur katholisch geblieben oder wiederum geworden waren.210 In erster Linie sollte dieser Adel das Ansehen des Hofes stärken und unterstreichen - womit wir wieder bei der repräsentativen Komponente barocker Höfe wären. Aber finanzielle und militärische Notwendigkeiten mußten die Staatsentwicklung in kurzer Zeit zur Formulierung neuer Ansprüche führen. Die Realisierung dieser Ansprüche, die vor allem in Richtung massiver Disziplinierung nicht nur des höfischen Adels, sondern des weiteren auch immer breiterer „Unterta208 Evans, Habsburg Monarchy, 199. 209 Waldstein-Wartenberg, 109. 210 Evans, Habsburg Monarchy, 202 ff.; Thomas M. Barker, Army, Aristocracy, Monarchy. Essays on War, Society, and Government in Austria, 1618-1780, New York 1982. Ferner vgl. Herbert Knittler, Hg., Adel im Wandel, Ausstellungskatalog Rosenburg (Wien 1989); Evelin Oberhammer, Hg., Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, Wien - München 1990.
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nen"-Gruppen zielen mußte, war durch die neuen Instrumente des Absolutismus, stehendes Heer und Bürokratie, in Angriff zu nehmen. Die Bürokratie Die Bürokratie ist zunächst ein Teil des Hofes. Die architektonische Ausweitung der Hofburg erfolgte im 17. Jahrhundert nicht nur durch den Bau des langen sogenannten „Leopoldinischen" Traktes, sondern bald darauf auch durch den sogenannten „Reichskanzleitrakt", der seine bürokratische Funktion klar im Namen ausdrückt. Der deutliche architektonische Ausdruck der Verselbständigung der Zentralbürokratie aus dem Hof ist der Neubau der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei (heute: Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof) in der Wipplingerstraße, der der sozialen Verselbständigung parallel geht.211 Diese Zentralbürokratie entwickelte sich aus dem Rat des Fürsten, der unter Ferdinand I. zum ständigen Hofrat stabilisiert worden war. Daneben entstand für die militärischen Probleme der Hofkriegsrat und als Expeditions- und Einlaufstelle die Hofkanzlei, die sich späterhin zur eigentlichen Schaltzentrale der Haus- und also der Außenpolitik entwickeln sollte. Damit erweisen sich diese Einrichtungen, deren Wandel hier nicht nachzuzeichnen ist,212 als Vorläufer der seit 1848 eingerichteten Ministerien. Man darf daneben aber nicht übersehen, daß der Landesfürst auch in den Ländern bzw. Ländergruppen eigene Verwaltungsstellen eingerichtet hatte, die ihn zu vertreten und für einen kontinuierlichen Geschäftsgang zu sorgen hatten. Die Namen jener Landesstellen drücken trotz ihrer Diskontinuität diesen Sachverhalt ganz gut aus, sie hießen „Regiment" oder „Statthalterei", oder auch „Repräsentation", im 18. Jahrhundert auch „Gubernium". 213 Diese landesfürstlichen „Regimenter" (oder Statthaltereien etc.) für die Ländergruppen standen nun neben bzw. teilweise auch in Konkurrenz zur entstehenden ständi211 Der Bau wurde 1708-1714 als böhmische Hofkanzlei errichtet, mit dem Anwachsen der Aufgaben, die das Gebäude übernahm, hängt offensichtlich auch seine Erweiterung 1751-1754 zusammen (Reclam-Kunstführer, hg. v. Karl Oettinger, Band Österreich I. Stuttgart 31968, 566). 212 Darüber grundsätzlich „Die österreichische Zentralverwaltung" von Fellner I Kretschmayr / Walter. 213 Unter Maximilian I. gab es deren drei: zu Ensisheim, Innsbruck und Wien (für die Vorlande, „Oberösterreich" und „Niederösterreich" - wobei letzteres neben Ober- und Niederösterreich, Görz und „Isterreich" auch Steiermark, Kärnten und Krain umfaßte), vgl. Nagl, Generallandtag (wie S. 205, Anm. 165); ferner Albert Starzer, Beiträge zur Geschichte der niederösterreichischen Statthalterei, Wien 1897 (mit Verweisen auf die ältere Literatur wie Adler usw.). Die unterschiedlichen Namen der Behörde bei Starzer, 6.
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sehen Bürokratie. Die Stände brauchten für ihre Zwecke (Steuereinhebung, Verwaltung der ständischen Fonds) einen eigenen Apparat. Das Nebeneinander beider Einrichtungen soll im folgenden am Beispiel Niederösterreichs kurz skizziert werden, um bürokratisches Wachstum zu veranschaulichen und eine gewisse Basis für spätere Aussagen zu schaffen. In Niederösterreich (Erzherzogtum Österreich ob und unter der Enns und bis zu den Teilungen von 1564 auch Innerösterreich, also Steiermark, Kärnten und Krain mit Anhängen!) entwickelte sich der Personalstand des Regimentes folgendermaßen (ich biete hier nur Summen von sehr verschiedenen Positionen): 1539 24
1620 41
1657 47
1705 52
1740 99
1742 101214
Zugleich wuchs der ständische Apparat, der aber innerhalb der Grenzen der traditionellen Länder verblieb. Entsprechend der Aufgabe der Steuereinhebung war das Einnehmeramt eigentlich das älteste. Es wurde bald durch die sechs bzw. acht Verordneten an Gewicht übertroffen, die freilich eine Art ständischen Landesausschuß bildeten und nur schwer als eigentliche „Beamte" anzusehen sind - trotz der geregelten Besoldungsverhältnisse - , denn sie wurden ja aus den oberen Ständen gewählt. Im 16. Jahrhundert bildeten sich „Landschaftsoffiziere" heraus, deren wichtigster der Syndikus war, zugleich Protokollführer auf den Landtagen und ausführendes Organ. Die Verordneten wieder brauchten eigene Sekretäre (1530 einen, 1575 zwei, 1595 drei). Daneben hielt man sich Landschaftsadvokaten, Sollizitatoren und Landschaftsagenten, allerdings eher fallweise. Mit dem Wachstum des Aktenmaterials mußte eine Registratur ins Leben gerufen werden, die weitere Personalvermehrungen nach sich zog. Im Jahre 1656 bezahlten die Stände Niederösterreichs (allerdings inklusive Verordnete etc.) 93 Amtsträger, von denen die meisten bereits einen ausgeprägt bürokratischen Charakter hatten, also ganz vorwiegend oder ausschließlich im Dienste des Landes standen.215 Zu diesen beiden Bereichen einer ständischen und landesfürstlichen Verwaltung kam nun noch jener für den engeren Bereich des fürstlichen Besitzes, für das Kammergut. Dazu gehörten nicht nur die Grundherrschaften des Fürsten, seine Maut- und Zollstätten, die Verwaltung des Bergregals und ähnlicher Einkünfte, sondern auch in einem weite214 Starzer, Statthalterei, 51. 215 Max Vancsa, Die Anfänge des ständischen Beamtentums in Österreich unter der Enns, in: Monatsblatt d. Ver. f. Lk. v. Nö 9 (1918), 130-138.
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ren Sinne die (ja gleichzeitig auch auf den Landtagen vertretenen) landesfürstlichen Städte und Märkte sowie die unter landesfürstlicher Vogtei stehenden geistlichen Institutionen.216 Die Kammer ist schon von der Begrifflichkeit her deutlich der hausrechtlichen Sphäre zuzuordnen. In einer gewissen Weise (und besonders wenn man die Ausweitung der von der Hofkammer besorgten Agenden bedenkt, die sich bis ins 18. Jahrhundert zu denen eines veritablen „Wirtschaftsministeriums" steigerten) ist daher Absolutismus als ein stetig sich ausweitender Zugriff der fürstlichen Kammer auf bisher anderen Ingerenzen unterstehende Ressourcen zu deuten.217 Neben der zentralen Hofkammer gab es entsprechende Institutionen in den Ländern. Eine Art Statthalter, ein „Vize-Dominus" (Vitzthum) stand dieser wenigstens in Niederösterreich vor.218 Hier wirkte ein notwendig besonders geschäftstüchtiger Typus von Amtsträgern, bei denen häufig bürgerliche Herkunft und Verbindung mit kapitalkräftigen städtischen Häusern festzustellen ist. Genaugenommen schon seit dem späten 13. Jahrhundert.219 Alfred Hoffmann hat dafür den Begriff des „Kameralunternehmers" vorgeschlagen, weil in der Regel ein solches Amt wie ein „Haus" übernommen wurde, häufig als Pfand für dem Ärar vorgestreckte Summen, und der „Beamte" auch ziemlich frei schaltete, obgleich es nicht an Kontrollsystemen (Gegenschreiber!) mangelte.220 Diese von vornherein stets primär „bürgerliche" Sphäre fürstlicher Verwaltungstätigkeit ist später als Rekrutierungsbasis für die Ausweitung der allgemeinen 216 Brunner, Land und Herrschaft, 374 ff. 217 Eine derartige Interpretation der hochinteressanten Geschichte der Wiener Hofkammer ist zweifellos unschwer aus dem Wandel dieses Organs von einer Verwaltungsstelle der landesfürstlichen Besitzungen und Renten zum höchsten finanz- und wirtschaftspolitischen Organ mit weit ausgreifenden Planungen und Befugnissen auch aus den gängigen Handbüchern abzulesen. 218 So seit ca. 1500. Bis 1498 bestand für Österreich das Hubmeisteramt, das aber mangels einer übergeordneten Kameralverwaltung noch weiterreichende Befugnisse hatte: Karl Schalk, Österreichs Finanzverwaltung unter Berthold von Mangen 1412-1436, in: Bll Lk Nö NF 15 (1881), 277-288. 219 Otto Brunner, Zwei Studien, in: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen 21968, 242 ff. und 266 ff. (über das Wiener Bürgertum des 13. Jh.s bzw. Adel und Bürgertum). 220 Alfred Hoffmann, Die Wirtschaft im Zeitalter Friedrichs III., in: Ders., Staat und Wirtschaft im Wandel der Zeit (Hoffmann, Studien und Essays, hg. v. A. Mosser. Bd. 1), Wien 1979, 208-225, insbes. 214 f. und 224. Auf Beispiele aus späterer Zeit haben wir schon hingewiesen. Neben dem zitierten Seemann wären die Seeau, Geizkofler usw. zu nennen. Daß aus diesem Bereich dann auch die allgemeine Verwaltung in Zeiten rapiden Wachstums gespeist wurde, belegt Georg Grüll, Bauer, Herr und Landesfürst. Sozialrevolutionäre Bewegungen der oberösterreichischen Bauern von 1650-1848, Linz 1963, 365, wo auf die Herkunft des ersten Kreishauptmannes für das Mühlviertel aus der Kameralverwaltung verwiesen wird.
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Beamtenschaft im 18. Jahrhundert im Auge zu behalten - auch und gerade wenn viele Herren aus diesem Bereich geadelt wurden. Diese frühen Felder der Beamtenschaft waren relativ ausführlich zu besprechen, weil nicht nur die Zentralverwaltung die Basis für die im 18. Jahrhundert massiv fortgeführte bürokratische Penetration bot. Es ist aber auch nicht zu übersehen, daß unter der Annahme, daß gewisse bürokratische Haltungen allgemein prägende Kräfte entwickelten, diese Haltungen jedenfalls weit über den engeren Rahmen der Zentralverwaltung hinaus schon vor der Mitte des 18. Jahrhunderts verbreitet gewesen sein müssen. Die Hofratsnation des franziszeischen und franzisko-josephinischen Österreich muß eine breitere Basis gehabt haben als bloß den Josephinismus. Wenn nun die Versuche des Fürsten, sein Herrschaftsgebiet zu „penetrieren", mit traditionellen, ziemlich autonomen Herrschaftsansprüchen zusammenstießen, auf welche Art konnte er jene begründen und dann auch durchsetzen? Schon im 15. Jahrhundert wurden zwei rechtliche Möglichkeiten gesehen. Einmal im Auftrag der Friedenswahrung und des Landesschutzes nach innen und außen.221 Wenn es hier Probleme gab (und es gab sie massenhaft), dann konnte der Fürst legitimerweise die ebenfalls legitimen Rechte anderer Herrschaftsträger zurückdrängen. Ein anderer Ansatzpunkt ergab sich aus der Betonung der Regalien, deren Wert ja schon Friedrich Barbarossa zu Roncaglia entdeckt hatte. Im Spätmittelalter lag die Verfügung über diese freilich bei den Landesfürsten, in den habsburgischen Ländern also bei den Habsburgern. Besonders das Berg-, aber auch das (damit oft genug zusammen zu sehende) Forst- und letztlich das Jagdregal, aber auch die Straßenhoheit boten Möglichkeiten für eine fürstliche Ordnungspolitik, die verstärkt unter Friedrich III. einsetzte, freilich erst im 16. Jahrhundert mit diversen Wald-, Polizei- und Kleiderordnungen zu größerer Dichte geriet 222 Zweifellos haben die Bestätigungen des „Privilegium maius" seit Friedrich III. mit ihrer nun auch reichsrechtlichen Befestigung der außerordentlichen Position der Habsburger als Landesfürsten ihrer Erblande diese Tendenz gestützt. Man versuchte unter Ferdinand I. zuerst, solche Ordnungen für 221 Michael Mitterauer, Die Wirtschaftspolitik der österreichischen Landesfürsten im Spätmittelalter und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt, hg. v. Hermann Kellenbenz, Wien 1974,15^16, insbes. 16 ff. 222 Hoffmann, Die Wirtschaft im Zeitalter Friedrichs III., passim; ferner zu den Polizeiordnungen des 16. Jahrhunderts: Sergij Vilfan, Rechtsgeschichte der Slowenen bis zum Jahre 1941. Graz 1968,172.
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ganze Ländergruppen zu erlassen (Polizeiordnung für die niederösterreichischen Länder 1542). Das erwies sich als unpraktikabel, so daß ab etwa 1553 Ordnungen nur mehr einzelne Länder betrafen. Die in den verschiedenen Landesarchiven aufbewahrten Patentsammlungen legen davon Zeugnis ab. Auch die Publikation der Gesetze erfolgte noch zersplittert. Erst seit 1704 erschien der „Codex Austriacus", eine Sammlung der wichtigsten Gesetze und Verordnungen aus der vorangegangenen Zeit, mit Ergänzungsbänden, die dann in die Gesetzessammlungen des späteren 18. Jahrhunderts münden.223 Selbst der „Codex" belegt noch sehr gut das Prozeßhafte, Unvollendete der Staatsbildung: Die hier abgedruckten Erlässe und Dekrete stammen zunächst ganz überwiegend aus dem Bereich der niederösterreichischen Regierung. Schon innerösterreichische Betreffe oder gar böhmische sind vorerst selten und werden erst in den Supplementbänden immer häufiger. So kann man zwar zahlreiche Erlässe finden, die das Baden in der Donau und im Wienfluß verbieten, aber es fehlen noch um 1730 erheblich wichtigere Dekrete, etwa über die Verwaltung von Triest oder über Mauten und Zölle.224 Noch die josephinischen Gesetzessammlungen informieren nicht über alle Verordnungen, die etwa hinsichtlich der Verhältnisse der bäuerlichen Untertanen ergingen.225 Auch die bürokratischen Institutionen verdichteten sich. Unter Maria Theresia erhielten nun auch die einzelnen Länder (nicht mehr bloß Ländergruppen) bürokratische Einrichtungen der Zentralregierung (Repräsentation und Kammer, seit 1763 Gubernien bzw. in Niederösterreich „Regierung", in Oberösterreich, Kärnten und Krain „Landeshauptmannschaft"). 226 Und ab 1749 wurden Kreisämter nach böhmischem Vorbild eingerichtet, die zunächst hauptsächlich für die 223 Codex Austriacus. Eigentlicher Begriff und Inhalt aller . . . unter der Regierung seiner Majestät Leopolds I. ausgegangenen ... Generalien, Patente, Ordnungen, 2 Teile, Wien 1704. Im Untertitel heißt es dann erklärend: „... Satzungen; So viel solche insonderheit beede Erz-Herzogthumb Österreich unter und ob der Enns betreffen..." 224 In einem jüngeren Werk über die Entwicklung der Verwaltung von Triest (Dea Torbianelli-Moscarda, Vicende giuridico-amministrative a Trieste da Carlo VI a Leopoldo II. Varese 1971) wurde verschiedentlich das Fehlen von wichtigen Gesetzen im „Codex" moniert. Auch Zollgesetze waren noch unvollständig aufgenommen. So wird in der Bestätigung der Freiheiten von Triest und Fiume vom 7. Juni 1730 (Cod. Austr. Suppl. II. 629 ff.) eines Patentes vom 31. 8. 1729 gedacht, das aber nicht abgedruckt ist. 225 So Sergij Vilfan, Die Agrarsozialpolitik von Maria Theresia bis Kudlich, in: Dan Berindei u. a. Hg., Der Bauer Mittel- und Osteuropas im sozio-ökonomischen Wandel des 18. und 19. Jahrhunderts, Köln - Wien 1973,1-52. 226 Friedrich Walter, Die theresianische Staatsreform von 1749, Wien 1958. Über die schwankende Zuständigkeitsabgrenzung vgl. Starzer, Statthalterei, 64 ff.
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Steuer- und Militärangelegenheiten zuständig waren, später aber zu einer staatlichen Kontrollinstanz allgemeiner Art wurden. 227 Der territoriale Wirkungsbereich der Kreisämter war freilich noch zu groß (in Niederösterreich gab es vier, entsprechend den vier Landesvierteln, in Kärnten zwei), als daß diese Ämter schon allzuviel an „Staat" auf das Land getragen hätten. Alle diese Prozesse beschleunigten sich, wie schon angedeutet, unter Joseph II. In seinem berühmten „Hirtenbrief" von 1783 wird die Beamtenschaft durchaus als Säule des „Vaterlandes" stilisiert: „Wenn aber [...] alle Beamten [...] mit allen ihren kräften auf die befolgung aller befehle, auf die erklärung und einleitung aller auftrage wachen und das gute in allen theilen erhalten und bewerkstelligt wird, als dann ist deren zahl und beköstigung eine väterliche Vorsorge [!], wovon jedes individuum in der monarchie seinen nutzen und das gute zu ziehen hat."
Jeder Beamte muß ausschließlich das Gesamtwohl im Auge haben, sein „Vaterland" ist die Monarchie: „Da [...] alle provinzen der monarchie nur ein ganzes ausmachen und also nur ein absehen haben können, so muss nothwendig alle eifersucht, alles vorurtheil, so bis itzo öfters zwischen provinzen und nazionen, dann zwischen departements so viele unnütze schreybereien verursacht hat, aufhören.. ,"228
Ziemlich genau zeigt diese bemerkenswerte Quelle den Stellenwert des neuen Beamtentums im Prozeß der Staatsbildung an. Die Gesellschaft der Habsburgermonarchie wird konzipiert als Gesellschaft von Soldaten und Beamten, die ausschließlich vom Kaiser abhängen, ihm und seinem Reich aber auch ausschließlich zu dienen haben. Es ist daher kein Wunder, wenn die Identität gerade dieser Gruppierungen späterhin jene „schwarz-gelbe" Färbung aufweisen wird, die von Franz Grillparzer bis Joseph Roth und Heimito von Doderer so vielfältig literarisch gespiegelt werden sollte. Eine dem Staat der Habsburger entsprechende „Gesellschaft", ein diesem Staat entsprechendes „österreichisches" Nationalbewußtsein ohne Rücksicht auf regionale Herkunft oder Sprachzugehörigkeit, sollte für diese Gruppierungen typisch werden, sich aber auch auf sie beschränken. Das Wort von der „Hofratsnation" trifft genau diesen Sachverhalt. Nun also vollendet sich die Staatswerdung, freilich nicht in der gesamten Monarchie. Schon die Zusammenlegung der böhmischen und österreichischen Hofkanzlei zeigt, welcher Bereich innerhalb der Mon-
227 Starzer, ebd., 77 und passim. 228 Der „Hirtenbrief" ist abgedruckt bei Walter, Zentralverwaltung II/4,Wien 1950,123 ff.
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archie sich zu einem „Staat" entwickeln sollte. Diese Länder waren es dann auch, die 1775 in einem eigenen einheitlichen Zollgebiet zusammengefaßt wurden, dem 1784 noch Galizien beigefügt wurde. 229 Damit erscheint das spätere Zisleithanien doch schon weitgehend präfiguriert. Ungarn, Tirol, Mailand und Belgien blieben außerhalb dieses Zollgebietes. Nur für den engeren Staat war auch die bürokratische Penetration erfolgreich. In Ungarn blieb die Komitatsverwaltung in der Hand des Adels. Daß aber die habsburgischen Länder allesamt zu einer vom Reich deutlich getrennten Staatlichkeit erwachsen sollten, zeigte die neue Flagge, die 1786 auf den kaiserlichen Handelsschiffen eingeführt wurde. Entwürfe dazu bzw. ein Exemplar davon waren bei den Ausstellungen von Halbthurn und Melk 1980 zu sehen.230 Diese Seeflagge ist in den Farben Rot-Weiß-Rot gehalten, mit einem gekrönten rotweißroten Bindenschild im Zentrum. Sicher hängt dieser Akt vordergründig mit den Mißerfolgen Josephs II. im Reich zusammen. Aber er war nur möglich vor dem Hintergrund der Staatswerdung des habsburgischen Herrschaftsgebietes. 231 Bis 1869 führte die Handels- und bis 1918 die Kriegsflotte diese rotweißrote Flagge, als Sinnbild einer letztlich doch steckengebliebenen Nationswerdung - denn im 19. Jahrhundert trat das dynastische (vom alten Reich übernommene) SchwarzGelb wieder ganz in den Vordergrund. Die rasch und gewaltsam vorangetriebene Penetration löste im Verein mit anderen Reformen, besonders im kirchlichen Bereich, zahlreiche massive Widerstände aus. Beim Tode Josephs II. schien das ganze Werk am Zerbrechen zu sein. Der geschickten Politik seines Bruders Leopold II. gelang es jedoch, durch partielles Nachgeben diese Bewegungen weitgehend zu besänftigen. Der vorhandene Apparat sollte sich als kräftig genug erweisen, das Staatswesen weiterhin zu betreiben. Massenbasis für die
Hofratsnation?
Doch trat dieses, kaum erst konstituiert, nun in die mehr als zwanzig Jahre andauernde Konkurrenz mit dem revolutionären Frankreich ein. Das war nun ein Gebilde mit einem ganz anderen Selbstverständ229 Adolf Beer, Die Zollpolitik und die Schaffung eines einheitlichen Zollgebietes unter Maria Theresia, in: MIÖG 14,1893, 237-326. 230 Katalog der Ausstellung „Maria Theresia als Königin von Ungarn" in Halbthum, Eisenstadt 1980, Nr. 419-423,229; Katalog der Ausstellung „Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II." in Melk, Wien 1980, Nr. 82, 342. 231 Karl O. Frh. v. Aretin, Fürst Kaunitz und die österreichisch-ostindische Handelskompagnie von 1775, in: VSWG 46 (1959), 377.
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nis. Hier war die Nation seit 1789 ganz klar aus der großen Masse der Bevölkerung konstituiert, mit dem Bürgertum als wichtigstem Träger des Nationalbewußtseins. Auf die „levée en masse" Lazare Carnots vom Jahre 1793 mußte auf längere Sicht auch das Habsburgerreich mit dem Versuch einer Mobilisierung der Massen antworten. War es möglich, daß aus dem Staat Josephs II. eine „Nation" werden konnte? Bei all den regionalen, staatsrechtlichen, sprachlichen, sozialen und ökonomischen Unterschieden zwischen den einzelnen Teilen dieses Reiches? Daß die historische Antwort letztlich „nein" gelautet hat, muß freilich noch nicht heißen, daß dies gleichzeitig auch die einzige denkbare Antwort war. Der langwierige Krieg gegen die französische Republik ließ nicht nur die traditionelle Heeresorganisation ungenügend erscheinen, es zeigte sich vor allem, daß jene von einer breiten enthusiastischen Zustimmung getragen wurde, während das Habsburgerreich ausschließlich auf Kirche, Adel, Heer und Bürokratie beruhte. Im äußersten Westen des habsburgischen Herrschaftsgebietes, im Breisgau, nahm man schon im Kriegsjahr 1793 Ideen der Volksbewaffnung vorweg. Teils auf ältere Muster ländlicher Milizsysteme zurückgreifend, organisierte der Regierungspräsident Freiherr Josef von Sumerau einen Landsturm aus bewaffneten Bauern zur Sicherung der Rheinlinie im Breisgau. Propagandistische Unterstützung fand er dabei in dem Journalisten Johann Michael Armbruster, der später in Wien eine bemerkenswerte Publikationstätigkeit entfalten sollte.232 Dieselbe Kombination von propagandistischer Einwirkung auf breitere Volksschichten und Volksbewaffnung tritt im Jahre 1797 zu Tage. Wieder war es ein Vertreter der Bürokratie, der niederösterreichische Regierungspräsident Graf Franz von Saurau, der eine zentrale Rolle spielte. Saurau betraute im Winter des Jahres 1796 den Dichter Leopold Lorenz Haschka mit der Verfassung des Textes einer Hymne. Auch wenn hier im wesentlichen nur in den verschiedensten Variationen der Wunsch ausgesprochen wurde, Gott möge den guten Kaiser Franz erhalten, so wurde damit doch die herrschende Staatstheorie, die eben eine ausschließlich patrimoniale war, hervorragend ausgedrückt. Und vor allem gelang es der wunderbaren Musik Joseph Haydns, den eher platten Text zu ungeheurer Popularität zu führen. Am 12. Jänner 1797 fand die erste Aufführung der neuen Nationalhymne statt.233 232 Lorenz, Volksbewaffnung, 47 ff. 233 Ebd., 107.
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Derselbe Graf Saurau organisierte bald darauf, im April 1797, die Volksbewaffnung zur Verteidigung Wiens vor den in der Steiermark vordringenden Truppen Napoleons. Bemerkenswert der Appell an den österreichischen Nationalstolz: „... Aber da des Kaisers Majestät nichts versäumen darf, was mit dem öffentlichen Wohle in so naher Verbindung steht, so sind Allerhöchstdieselben auch zu der Erwartung berechtigt, daß, wofern der Feind durch wandelbares Kriegsglück getäuscht wider besseres Verhoffen jede Aussöhnung übermütig ablehnt oder auf unmäßigen, die österreichische Nation drückenden Forderungen bestände, jeder getreue Untertan eingedenk seiner beschworenen Pflicht alle Kräfte aufbieten werde ..." (Manifest vom 4. April 1797).234
Damit versuchte man Ideen zu realisieren, die teilweise in dem Roman „Dya- Na-Sore" Friedrich Meyerns um 1790 formuliert worden waren und eine allgemeine Wehrpflicht vorsahen.235 Fortgeführt wurden solche Gedankengänge von dem Schweizer Historiker Johannes von Müller, der im Dienste der kaiserlichen Regierung einer allgemeinen Volksbewaffnung das Wort redete. 236 Stark von Müller, aber mehr noch von der Erfahrung des Tiroler Aufgebotes von 1797 beeindruckt war einer der wichtigsten Propagatoren der neuen, dem Habsburgerstaat entsprechenden Nationalidee, der Freiherr Joseph von Hormayr.731 Hormayr wollte die Geschichte, aber auch die Künste voll in den Dienst patriotischer Propaganda stellen: „... Keine Sorge kann so leicht des tiefsten und vielseitigsten Nachdenkens würdiger, für Mit- und Nachwelt wichtiger sein als: die Historie und den Chor redender und bildender Künste [...] in einem Bund zu vereinen, und durch diesen, der öffentlichen Meinung Herr, dem Vaterlande, dem Gesetz, aus biederen Bürgern eben so viele begeisterte Parteigänger zu machen .. ,"238
In den Vorbereitungen zum Krieg von 1809 vereinigten sich die Bemühungen publizistischer und militärischer Art. Die neu eingerichtete Landwehr sollte dem Ideal der Volksbewaffnung entsprechen. Die 234 In Auszügen abgedruckt bei Lorenz, Volksbewaffnung 108. Die Stilisierung rührt wohl vom Verfasser der Volkshymne, Leopold L. Haschka, her, aber auch eine Anteilnahme des Historikers Johannes von Müller ist nicht ausgeschlossen. Nun versuchte man also sehr wohl, die breiten Volksschichten mit „bündig- und deutlichsten Motiven" zu „commoviren" und nicht mehr mit höfischem Prunk (vgl. Anm. 197, S. 214) - deutlicher kann der eingetretene Wandel in der Staatsauffassung nicht illustriert werden. 235 Lorenz, Volksbewaffnung, 33 f. 236 André Robert, L'idée nationale Autrichienne et les guerres de Napoléon. L'apostolat du Baron Hormayr et le salon de Caroline Pichler, Paris 1933, 236 ff. 237 Robert, L'idée nationale, passim. 238 Zitiert nach Alexandra Siegl-Siegville, Das Problem der österreichischen Nation bei Freiherrn v. Hormayr, Wien, phil. Diss. (Ms.) 1936, 9.
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Wehrmannslieder Heinrichs von Collin und zahllose andere patriotische Dichtungen sollten den Widerstandswillen und Nationalgeist der habsburgischen Untertanen kräftigen. 1808 konnte Graf Stadion mit Emphase feststellen: „Nous nous sommes constitués Nation." - Wir haben uns als Nation konstituiert.239 Nun, es ist bekannt, daß alle diese Bestrebungen mit der Niederlage von 1809 scheiterten. Die von Hormayr und dem Erzherzog Johann weitergesponnenen Ideen des „Alpenbundes" endeten mit der Verhaftung Hormayrs am 7. März 1813.240 Dieses Datum mag als Symbol für die vollständige Wendung stehen, die in der Regierung inzwischen eingetreten war. Nichts mehr von Volksbewaffnung, von national-österreichischer Begeisterung! Für die beginnende Ära Metternich ist das vollkommene Abschneiden der um 1793 begonnenen Bemühungen typisch, eine breite Verankerung von Staatsbewußtsein und nationaler Identifikation im habsburgischen Sinne zu versuchen. Am Ende dieser
239 Dazu Helmut Hammer, Österreichs Propaganda zum Feldzug 1809 (Zeitung und Leben, hg. v. Karl d'Ester, Bd. 23). München 1935 - auch mit zahlreichen Beispielen über die Wirksamkeit dieser Propaganda. Sie dürfte in Wien am größten gewesen sein. Vgl. ferner Peter Berger, Die Idee einer österreichischen Staatsnation bis 1938. Der Donauraum 12 (1967), 57 ff.; Peter Berger, Graf Stadion über die „österreichische Nation". Der Donauraum 20 (1975), 193 ff. (Aus der Denkschrift des Erzherzogs Johann über die Einführung der Landwehr von 1807: „... Hier muß die Nation, die Masse, kämpfen, alle für einen, einer für alle; [...] stehet die Nation, so ist Österreich unbesiegbar..." Man müsse „... die Sache des Staates zur Sache der Nation ..." machen.) Anton Karl Mally, Der Begriff „österreichische Nation" seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Der Donauraum 17 (1972), 48 ff.; Richardis Wustl, Der Begriff des „Vaterlandes" im politischen Denken Österreichs in der Zeit des ausklingenden Barock bis zum Biedermeier, Wien, phil. Diss. (Ms.), 1940; Friedrich Tscherne, Deutsches Reich und österreichischer Staat in der Wiener Dichtung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, Wien, phil. Diss. (Ms.), 1935. - Überblickt man die Masse der Belege, dann gewinnt man den Eindruck, daß den Propagandisten der Abwehr gegen Napoleon ein vermutlich zutreffendes Wissen zu eigen war - daß Gemeinschaftsbewußtsein primär durch gemeinsames Handeln zu gewinnen ist. Das gemeinsame Handeln sollte natürlich ein kriegerisches sein. Die Motivation wollten Leute wie Heinrich von Collin noch ausschließlich aus spätaufklärerischer Staatsideologie schöpfen, Hormayr aber primär aus der Geschichte. Sein „Österreichischer Plutarch" diente ja ausdrücklich der Schaffung eines Gemeinsamkeitsbewußtseins durch das Bewußtmachen der gemeinsamen Geschichte. Freilich liegen genau hier auch die Grenzen Hormayrs, denn das Betonen der einzelnen Königreiche und Länder und ihrer Traditionen und Helden mußte notwendig immer wieder den Kampf dieser regionalen Traditionen gegen die habsburgische Zentralgewalt zutage fördern, von den Ereignissen zur Zeit Friedrichs III. und Ferdinands I. über die Hinrichtung der böhmischen protestantischen Adeligen 1621 bis zur Magnatenverschwörung der ungarischen Großen 1671 und den Kuruzzenaufständen im frühen 18. Jahrhundert. Robert (578 ff.) hat auf dieses Problem nachdrücklich hingewiesen - wenn der Hormayrschen Propaganda vom Bund gleichberechtigter Völker als „österreichische Nation" die Wirklichkeit nachhaltig nicht entsprach, mußten die Geister, die sie rief, schließlich mit Notwendigkeit antihabsburgischen Charakter annehmen. 240 Robert, L'idée nationale, 505 ff.
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Ära konnte daher Victor Frh. von Andrian-Werburg mit Recht feststellen: „ . . . es hat sich in d i e s e m Scheidungsprozesse [der e n t s t e h e n d e n Sprachnationen, Erg. d. Verf.] auch nicht v o n fern etwas gezeigt, w a s e i n e m E r w a c h e n e i n e s österreichischen Nationalgefühles [ . . . ] ähnlich g e s e h e n hätte - und es konnte dieses auch nicht seyn, weil die R e g i e r u n g [ . . . ] es unterließ, hiezu einen A n s t o ß , einen Stützpunkt zu g e b e n .. ." 241
Es blieb also bei der Hofratsnation, und mit dieser Selbstbeschränkung eröffnete der Habsburgerstaat zweifellos dem modernen Sprachnationalismus erst alle seine Möglichkeiten. Doch sind diesem Problem sowie dem Jahre 1848, in dem sich die Sprachnationen erstmals auch öffentlich konstituierten, eigene Kapitel zu widmen. Nach der Niederschlagung der Revolution wurde 1849/50 erstmals ein alle habsburgischen Länder, auch Ungarn, überspannender bürokratischer Apparat eingerichtet. Dieser Versuch einer Staatsbildung über das ganze Reich hin blieb Episode. Er scheiterte 1859/60 an außenpolitischen Mißerfolgen ebenso wie an den damit zusammenhängenden inneren, primär finanziellen Problemen. Wenigstens im westlichen Teil der Monarchie sollten aber Einrichtungen aus dieser Zeit, nach 1861 noch leicht modifiziert, erhebliche Dauerhaftigkeit entwickeln. Das Gerichts- und Verwaltungssystem jener Jahre existiert in Österreich in seinen Grundzügen bis zur Gegenwart. Die bürokratische Penetration des Staatsgebietes wurde erst durch die Einrichtung der Bezirkshauptmannschaften und der staatlichen Bezirksgerichte vollendet.242 Das bedeutete aber auch einen neuen Wachstumsschub für die Bürokratie, die auch deshalb neben der Armee nun zum eigentlich integrativen Faktor werden mußte, weil der Hofadel durch die Maßnahmen Josephs II. einen Teil dieser Funktion schon eingebüßt hatte. Joseph hatte die wichtigsten Elemente der höfischen, repräsentativen Öffentlichkeit mit ihrem Prunk und Glanz beseitigt, ohne übrigens dabei sehr viel Verständnis zu finden.243 Der aus dem Hof hervorgegangene Staat hatte sich schon soweit verselbständigt und führte sein Machtmonopol nebst einer Reihe zusätzlicher Legitimationsnachweise 241 Victor Frh. v. Andrian-Werburg, Österreich und dessen Zukunft, Hamburg 31843, 23. 242 Carl v. Czoernig, Österreichs Neugestaltung 1848-1857, Wien 1857; Adolf Ficker, Die Veränderungen in der Gliederung der politischen Behörden des österreichischen Kaiserstaates und der ihnen zugewiesenen Verwaltungsgebiete während der Jahre 1848-1855. Mitt. a. d. Geb. d. Statistik 4 (1855). Von 1853 bis 1867/68 waren übrigens Gerichte und Verwaltungsorgane auf der unteren Ebene in den „gemischten Bezirksämtern" vereinigt. 243 Herbert Haupt, Die Aufhebung des spanischen Mantelkleides durch Kaiser Joseph II., ein Wendepunkt im höfischen Zeremoniell, in: Katalog der Ausstellung „Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II." in Melk, Wien 1980. 79 ff.; ferner Ehalt, Ausdrucksformen, 141 ff.
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dem Volk so deutlich vor Augen, daß die alte höfische Öffentlichkeit überflüssig geworden war. Freilich blieb der Hof auch nach dieser Entrümpelung wichtigstes Entscheidungszentrum. Die Zugangsmöglichkeiten zum Hof sicherten daher dem Reichsadel nach wie vor eine höchst einflußreiche Position bis 1918.244 Aber die öffentliche, integrative Funktion war ihm verlorengegangen. Diese adeligen Gruppierungen wurden nun durch eine gezielte Politik der Adelsverleihungen immer wieder ergänzt und erweitert. Für unser Problem am wichtigsten sind die Adelsverleihungen an Beamte und an Wirtschaftstreibende. Zwischen 1740 und 1780 waren 38% aller Nobilitierten Beamte, 7% waren Unternehmer; angefügt darf werden, daß ein nicht unerheblicher Teil der geadelten Beamten solche aus dem Wirtschaftsbereich waren. Zwischen 1781 und 1790 waren schon 18,2% aller Nobilitierungen solche für Wirtschaftstreibende. 245 Dieser Beamten- und Wirtschaftsadel rückte in die traditionellen Adelsränge ein, ohne vom alten Adel als gleichwertig anerkannt zu werden. Reiche Bankiers brachten es im späten 18. Jahrhundert bis zum Grafenrang, während bürgerliche Beamte kaum höher als bis in den Freiherrenrang aufsteigen konnten. 246 Die Identifizierung des kapitalistischen Bürgertums mit der Monarchie wird uns noch später beschäftigen. Jene der Beamten bot die Voraussetzung für die Ausbildung des „österreichischen Menschen" als idealistische Inkarnation aller positiven Eigenschaften, die man Beamten nur nachsagen kann. 247 Literarische
Beispiele
Zu dieser Art von „österreichischer Nation" zählten also Offiziere, Adelige und Beamte, daneben aber auch ein gewisses Bürgertum meist jüdischer Herkunft, das sich in der Ringstraßengesellschaft mit jenen anderen Gruppen symbolisch verbinden konnte. Unterstrichen und besiegelt wurde diese Integration in der Regel durch Nobilitierung und nachfolgende Karriereversuche im nichtwirtschaftlichen Bereich. 244 Joseph Redlich, Das österreichische Staats- und Reichsproblem, Leipzig 1920 ff.; ders., Kaiser Franz Joseph von Österreich, Leipzig 1928, 196 f.; Ivan v. ¿olger, Der Hofstaat des Hauses Österreich, Leipzig 1917. 245 Brigitte Andel, Adelsverleihungen für Wirtschaftstreibende während der Regierungszeit Maria Theresias, Wien, phil. Diss. (Ms.) 1969. 246 Die Fries brachten es bald zum Grafen, die Wetzlar von Plankenstern (urspr. jüdische Hoffaktoren) zu Freiherren. Der Hofkammerpräsident Kübeck hat es ebenfalls nur bis zum Freiherrn gebracht. 247 Alphons Lhotsky, Der österreichische Mensch, in: Aufsätze und Vorträge, hg. v. Hans Wagner und Heinrich Koller, Bd. 4, Wien 1974, 225-331, bes. der letzte Beitrag, Lhotskys letzter Vortrag: „Das Problem des österreichischen Menschen" (308 ff.).
Der habsburgische Absolutismus und die Hofratsnation
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Alle diese Gruppen boten die Vorbilder für jene literarische Verklärung des Habsburgerreiches, die Claudio Magris als „habsburgischen Mythos" zusammenfaßte. 248 Inhaltlich ist dieser Mythos am ehesten mit Haltungen zu identifizieren, die letztlich aus der höfisch-bürokratischen Welt stammen. Eines der letzten literarischen Beispiele dieser Art ist der berühmte Amtsrat Julius Zihal, dem Heimito von Doderer nicht nur in der „Strudlhofstiege" eine nicht unwichtige Rolle zuwies, sondern auch noch einen eigenen kleinen Roman („Die erleuchteten Fenster oder die Menschwerdung des Amtsrates Julius Zihal") widmete. Aus der „Strudlhofstiege" erscheint uns für unsere Frage die klassische Definition des Glücks aus dem Munde des Amtsrates immerhin bemerkenswert genug, um sie hier zu zitieren: „Es erhob unser Amtsrat das Glas und hielt eine Rede. Ihm stand zu Gebote der gewaltige Schub einer nach Jahrhunderten schließlich in der Dienstpragmatik des k. k. Finanzministeriums vollends ausgereiften fiskalischen Sprache . . . Es hat der Amtsrat Julius Zihal damals eigentlich Großes unternommen, nämlich eine Definition des Begriffes: das Glück [...] Endlich rollte rein und rund, wie eine Billardkugel a u f s grüne Tuch, die Definition hervor; sie war wohl noch mehr als eine solche, in gewissem Sinne: denn sie zeigte recht deutlich den Weg, auf dem ein ganzer Volks-Stamm in seiner Eigentümlichkeit allein zum Glücke gelangen, allein sich darin befestigen kann. ,Glücklich ist nicht' (so hat der Amtsrat am Ende zusammengefaßt) ,wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist; so etwas kann überhaupt nur in einer Operette vorkommen. Eine derartige Auffassung würde nicht weniger wie ein Unterbleiben der Evidenz bedeuten, beziehungsweise als solches anzusehen sein. Glücklich ist vielmehr derjenige, dessen Bemessung seiner eigenen Ansprüche hinter einem diesfalls herabgelangten höheren Entscheid so weit zurücktritt, daß dann naturgemäß ein erheblicher Übergenuß eintritt.'" 249
Vermutlich wird dem Leser sofort die innere Verwandtschaft mit den diversen Raimund'sehen Bescheidenheitstopoi und mit Grillparzers „Traum ein Leben" usw. auffallen. Aber wir wollen hier nicht Material zum „habsburgischen Mythos" zusammentragen, sondern festhalten, daß der Dichter den Amtsrat als Produkt jahrhundertelanger habsburgisch-bürokratischer Tradition ansieht. Das zeigt sowohl die hier einleitend gebrachte Stelle („Ihm stand zu Gebote [...]") als auch eine andere, kurz vorher. Sie zeigt den Amtsrat als Brautführer bei der Melzerschen Hochzeit in Lichtental, durchaus bedacht mit feierlichen, der höfischen Sphäre, der ja diese Bürokratie letztlich entsproß, angemessenen Metaphern: 248 Claudio Magris, Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur, Salzburg 1966. Magris bietet in der Einleitung bereits die höfisch-bürokratische Sphäre und letztlich die Staatsbildung als Grundlage für den „Mythos" an (bes. 16 ff.). 249 Heimito von Doderer, Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre, München 1951, 909.
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„Hier jedenfalls erreichten Inhalt und Form ihre so vielfach zerworfene Einheit, das Dekor seine Höhe, das Geziemende seinen ganzen Glanz, da alles am natürlichen Platze sich befand und ihn voll einnahm, das junge Weib, unschuldig wie eine Rose im Garten, der würdige Brautführer, den gleichsam Jahrhunderte einer Kultur vor sich herschoben, die ihn bis zu diesem Punkte geformt hatten.. ,"250 N u n noch ein zweiter Typus dieser „habsburgischen Nation". Joseph Roth hat in seiner Erzählung „Die Büste des Kaisers" diesen Typus vollendet, wenngleich auch verklärt, zur Darstellung gebracht: „Der Graf Morstin hatte als junger Mann bei den Neuner Dragonern gedient. Er betrachtete sich weder als einen Polen noch als einen Italiener, weder als einen polnischen Aristokraten noch als einen Aristokraten italienischer Abkunft. Nein: wie so viele seiner Standesgenossen in den früheren Kronländern der österreichischungarischen Monarchie war er einer der edelsten und reinsten Typen des Österreichers schlechthin, das heißt also: ein übernationaler Mensch und also ein Adeliger echter A r t . . ,"251 Mindestens genauso wichtig für unser T h e m a ist vielleicht die folgende, etwas längere Stelle. Sie zeichnet nochmals den Hintergrund dieser Art v o n Gruppenbewußtsein, die bürokratisch-militärische Penetration eines Herrschaftsgebietes durch dessen Herrscherhaus und seine wichtigsten Folgen. Sie waren ein profunder Konservativismus sowie ein außerordentlicher Mangel an allen jenen Bewußtseinsinhalten, die uns als „modern" gelten, wie Zukunftsglaube, Optimismus, Vertrauen in Technik und demokratische Herrschaftsformen bei den Trägerschichten dieses Reiches (oder anders ausgedrückt: bei den Angehörigen dieser habsburgisch-österreichischen Nation): „Wenn er so kreuz und quer und durch die Mitte seines vielfältigen Vaterlandes fuhr, so behagten ihm vor allem jene ganz spezifischen Kennzeichen, die sich in ihrer ewig gleichen und dennoch bunten Art an allen Stationen, an allen Kiosken, in allen öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kirchen aller Kronländer des Reiches wiederholten. Überall trugen die Gendarmen den gleichen Federhut oder den gleichen lehmfarbenen Helm mit dem goldenen Knauf und dem blinkenden Doppeladler der Habsburger; überall waren die hölzernen Türen der k. u. k. Tabaktrafiken mit schwarz-gelben Diagonalstreifen bemalt; überall trugen die Finanzer die gleichen grünen (beinahe blühenden) Portepees an den blanken Säbeln; in jeder Garnison gab es die gleichen blauen Uniformblusen und die schwarzen Salonhosen der flanierenden Infanterieoffiziere auf dem Corso, die gleichen roten Hosen der Kavalleristen, die gleichen kaffeebraunen Röcke der Artillerie; überall in diesem großen und bunten Reich wurde jeden Abend gleichzeitig, wenn die Uhren von den Kirchtürmen neun schlugen, der gleiche Zapfenstreich geblasen, bestehend aus heiter tönenden Fragen und wehmütigen Antworten. Überall gab es die glei250 Ebd., 904. 251 Joseph Roth, Die Büste des Kaisers, in: Romane, Erzählungen, Aufsätze, Köln - Berlin 1964, 343-361, hier 343.
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chen Kaffeehäuser mit den verrauchten Wölbungen . . . Fast überall, in allen Kaffeehäusern des Reiches, schlich, die Knie schon etwas zittrig, auf aufwärts gestreckten Füßen, die Serviette im Arm, der backenbärtige Zahlkellner, fernes demütiges Abbild der alten Diener seiner Majestät, des hohen backenbärtigen Herrn, dem alle Kronländer, all die Gendarmen, all die Finanzer, all die Tabaktrafiken, all die Schlagbäume, all die Eisenbahnen, all die Völker gehörten . . . wie jeder Österreicher jener Zeit liebte Morstin das Bleibende im unaufhörlich wandelbaren, das Gewohnte im Wechsel und das Vertraute inmitten des Ungewohnten .. ," 252
Die ganze Erzählung ist ein einziger wehmütiger Nachruf auf die alte Monarchie, bis hin zum inneren Monolog des Grafen, der sich nach dem Ende des Weltkriegs als einen „Vaterlandslosen" sehen lassen muß: „In ihren Augen bin ich ein sogenannter Vaterlandsloser. Ich bin es immer gewesen. Ach! Es gab einmal ein Vaterland, ein echtes, nämlich eines für die ,Vaterlandslosen', das einzig mögliche Vaterland .. ," 253
Diese Passage kann zum letzten literarischen Beispiel überleiten, zum „3. November 1918" von Franz Theodor Csokor. Hier nur einige ganz kurze Ausschnitte: (Aus dem 1. Akt) Zierowitz (zu Radosin) „... Ich bin hier am nördlichen Rand meiner Berge. Da drüben reden sie wie meine Eltern, - und der Vanini, der hat das in Trient, und der Kaminski in Krakau, - und dem Orvanyi seine hausen in Arad, - und so zieht es jeden jetzt heimlich woanders hin, sogar den Ludoltz, - ja, sogar Sie, Herr Oberst!" Radosin (straff) „Mich? Ja! Gewiß! Aber nach keinem Land, - in ein Leben, das verzichten gelernt hat und dienen um etwas, das über dem einzelnen steht! ..." (Aus dem 1. Akt) Radosin „... wir rüsten nicht eher ab, wir Soldaten, wir haften auch weiter mit unserem Leben für das Vaterland dieser Armee, ein Vaterland über den Völkern! Kommt h e r ! . . . " (Aus dem 2. Akt) Vanini (in jäher Angst) „Ja, wohin soll der Herr Oberst auch wirklich? Er ist kein Kroate, kein Deutscher, kein Ungar - " Orvanyi (nervös) „Ein Österreicher ist er, - plausch nicht soviel! (Plötzlich nachdenklich) Ja, - eigentlich, wohin soll er wirklich? ..."
Unmittelbar darauf ertönt der Schuß, mit dem der heimatlos gewordene Oberst seinem Leben ein Ende setzt. Das Begräbnis vereint zum letzten Male die Offiziere, die sich nun deutlich als Vertreter ihrer Nationen (im modernen, sprachorientierten Sinne) bekennen. Nur der Arzt Dr. Grün hat da Schwierigkeiten: 252 Ebd., 344. 253 Ebd., 350.
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(Aus dem 3. Akt) Grün (verlegen am Fenster) „Ich? (Mit einem Zögern, nicht lächerlich, eher rührend.) Erde - aus - Erde aus - Österreich!.. ,"254
Der hier in der Person des Dr. Grün angesprochenen (aber nicht nur jüdischen) Bourgeoisie des alten Österreich hat niemand anderer als Otto Bauer einen ergreifenden Nachruf gehalten: „... Derselbe Prozeß der Geldentwertung (wir befinden uns jetzt in der Nachkriegszeit), der die neue Bourgeoisie emporgetragen hat, hat breite Schichten der alten Bourgeoisie pauperisiert. Zunächst traf dieses Schicksal die Rentiers [...] Mit den Rentiers wurden die Hausbesitzer expropriiert [...] Auch die höhere Beamtenschaft wurde von der Geldentwertung niedergedrückt [...] Es war das Altwiener Patriziat, es waren die führenden Schichten der österreichischen Intelligenz, es waren große Teile des mittleren und kleinen Bürgertums, die durch die Geldentwertung verelendet wurden. Sie waren die eigentlich herrschende Klasse der Habsburgermonarchie gewesen. Sie hatten der Habsburgermonarchie ihre Beamten, ihre Offiziere gestellt. Sie waren die Träger des österreichischen Patriotimus, der altösterreichischen Tradition gewesen. Sie waren seit einem Jahrhundert die Träger der spezifisch österreichischen Kultur, der Wiener Literatur, der Wiener Musik, des Wiener Theaters gewesen. Sie waren die eigentlich Besiegten des Krieges. Es war ihr Reich, das im Oktober 1918 zusammengebrochen war. Und mit ihrem Reich hatten sie auch ihren Reichtum verloren." 255
Der „österreichische
Mensch"
Der „österreichische Mensch" als Artefakt der Habsburgermonarchie existiert also nicht mehr. Aber etwas anderes existiert noch. Man wird nicht ungestraft regiert „[...] in einer aufgeklärten, wenig fühlbaren, alle Spitzen vorsichtig beschneidenden Weise von der besten Bürokratie Europas, der man nur einen Fehler nachsagen konnte: sie empfand Genie und geniale Unternehmungssucht an Privatpersonen, die nicht durch hohe Geburt oder einen Staatsauftrag dazu privilegiert waren, als vorlautes Benehmen und Anmaßung"256, und das durch 170 Jahre in der Monarchie - und schließlich ist gerade das bürokratische System ja auch seither ziemlich stabil geblieben. Worauf anders als auf ungebrochen seit Josephs II. und der Entstehung der Dienstpragmatik Zeiten fortwirkendes bürokratisches Bewußtsein können gewisse Haltungen zurückgeführt werden, etwa jene, die menschliche und gesellschaftliche Probleme zuerst einmal auf Zustän254 Franz Theodor Csokor, 3. November 1918. Drei Akte, Wien 7=11936, 25, 30 f., 55, 59. 255 Otto Bauer, Die österreichische Revolution, in: Bauer, Werkausgabe, Bd. 2, Wien 1976, 489-866, hier 755 f. 256 Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, hg. v. Adolf Frisé, Hamburg 1952, 33.
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digkeitsfragen reduziert? Ist die übergroße Vertretung von öffentlich Bediensteten in parlamentarischen Körperschaften historischer Zufall, oder hängt sie nicht eng mit der 1914 erlassenen Dienstpragmatik zusammen?257 Oder womit sonst als mit dem Glauben an die alles regelnde Kraft der Bürokratie kann die im internationalen Vergleich frappierend hohe Zahl an öffentlich Bediensteten in Österreich zusammenhängen? Oder die nach wie vor höchst unentwickelte Neigung, sich unternehmerisch zu betätigen?258 Bei diesen abschließenden Überlegungen muß nun so manches ausgespart bleiben. Etwa die Beobachtung, daß die Bürokratie ihre ausschließlich dienende Stellung doch schon in der Monarchie gegen eine wenigstens teilweise Emanzipation vertauscht hat, die sich in großen selbständigen Organisationen der Beamtenschaft niederschlug.259 Damit ist nun nach der Verselbständigung des Staates durch die Beamtenschaft auch eine teilweise Verselbständigung der letzteren vom Staate erfolgt. Ebenso wenig können wir die feine Beobachtung Alphons Lhotskys weiter verfolgen, daß im altösterreichischen Sozialklima zwar die Musik, kaum aber der Diskurs gedeihen konnte260 - es gab dafür im obrigkeitlich entstandenen Staat zuwenig Freiräume. Sicher ermöglichte die habsburgische Art der Staatsbildung zahlreiche kulturelle Großleistungen. Der Hof förderte Theater und Musik, Architektur und bildende Künste für die Zwecke repräsentativer Öffentlichkeit. 257 Zur Dienstpragmatik Walter Goldinger, Die Zentralverwaltung in Cisleithanien - die zivile gemeinsame Verwaltung, in: Adam Wandruszka / Peter Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. II, Verwaltung und Rechtswesen, Wien 1975, insbes. 113 f. Hier auch einige Zahlen: Inklusive der Eisenbahn- und Postbediensteten gab es um 1870 80.000, um 1880 100.000, um 1910 aber schon 400.000 Beamte im Staatsdienst. - Die wesentlich kleinere Republik wies 1990 297.000 Planstellen des Bundes auf (Heinrich Neisser, Verwaltung, in: Dachs u. a., Handbuch des politischen Systems, 1992, 140-152, hier 144). 258 Österreich: Kein Land von Unternehmern, Die Presse vom 9. September 1995, 31: 70% von 1500 Interviewten halten es für zu riskant, selbständig zu werden. - Im OECD-Vergleich hat Österreich die geringste Selbständigen-Quote: 1995 waren nur 6,3% der Erwerbstätigen selbständig, gegen 10,8% im OECD-Durchschnitt (Belgien 13%, Italien 24%). Die Presse, 12. 2. 1996, 18. 259 Damit wurde die Beamtenschaft von einer „Nation" (ebenjener des „Hauses Österreich") zu einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft. Die bürgerliche Gesellschaft ist aber prinzipiell sprachnational gegliedert - und deshalb schlägt seit etwa 1900 diese sprachnationale Gliederung auch in den zahlreichen Beamtenvereinen durch. - Karl Megner, Beamte. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte des k. k. Beamtentums, Wien 1985, 195 ff. und 245 ff. 260 Lhotsky, österr. Mensch, 329: „Was ist wertvoller, auch für die Nachwelt, daß in einer Stadt die .Neunte' und die ,h-Moll' entstanden, oder daß am Teetisch über das Gewäsch Hegels disputiert wurde?"
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Davon spürt man heute noch beachtliche, auch positive Nachwirkungen. Die vielen Hemmungen und Belastungen, die man gerade den „treuen Dienern" auferlegte, führten zu Resignation, aber auch zu allen Spielarten von Kritik und Satire und trugen sicher zuletzt über den steten Zwang zu genauer Beobachtung seiner Mitmenschen und (vor allem) Vorgesetzten zu jenen psychologischen Fähigkeiten bei, die man schon bei Grillparzer (um einmal von Schnitzler und Freud zu schweigen) bewundert hat. Sehr viel von dem, was wir heute - immer noch - als „österreichische Kultur" schätzen, hängt also von jener Art und Weise der Staatsbildung ab, der eine „österreichische Nation" eigener, besonderer Art aus Adeligen, Beamten, Offizieren und jüdischen Kapitalisten entsprach. Daß dabei aber eine besondere Achtung und Fähigkeit für partizipatorische und demokratische Regierungsformen entwickelt worden sei, kann freilich nicht einmal der wohlwollende und teilweise auch bewundernde Beobachter vermerken.
237 Vor 25 Jahren gab's Leute, die wollten den österreichischen Nationalfeiertag nicht. Vor 42 Jahren haben sie auf dem Heldenplatz sinnlos gejubelt. Davor hatten wir den Staat, den keiner wollte, weil wir Deutsch-Österreicher sein wollten; und noch ein Stück zurück: Franz Josef als deutschen Fürsten. Und die Intervention in SchleswigHolstein. Den Erzherzog-Reichsverweser Johann und die schwarz-rotgoldene 48er Revolution ... Und davor noch den zweiten Joseph, der nach Preußen schielte und wie der gleichnumerierte Friedrich auch ein Großer sein wollte, obwohl er doch ohnedies groß war ... Solch eine Geschichte zu bewältigen, wie das jetzt neu-hochpolitchinesisch heißt, ist schon eine Viechsarbeit. Da wir gelegentlich zum gehirnlichen Müßiggang neigen - irgendeine Nationaleigenschaft ist uns ja doch geblieben -, versuchen wir's mit dem Verdrängen. Sascha Jurek, 1980
3. D I E NATIONSBILDUNG DER NICHTDEUTSCHEN N A T I O N E N DER M O N A R C H I E 1 8 4 8 - 1 9 1 8 : D E R SPRACHNATIONALISMUS U N D DAS IDENTITÄTSPROBLEM I
Nation und Sprache Unsere Umgangssprache, aber auch die Begriffe der Wissenschaft, sind noch immer erschreckend unpräzis, wenn es um die Darstellung der Fragen von Nation und Sprachgruppe geht. Diese mangelnde Präzision haftet nicht nur dem Deutschen an, in dem „deutsch" ebenso eine Sprache wie eine nationale Gruppe, aber auch eine Staatlichkeit bezeichnen kann. Genauso ist es im Französischen und noch schwieriger etwa im Tschechischen, wo man nicht zwischen „böhmisch" (auf das Land Böhmen bezogen) und „tschechisch" (auf die Sprache der Böhmen und Mährer bezogen) unterscheiden kann und konnte.261 Dabei gibt es nun unter diesen Bezeichnungen solche, die durchaus Aufschluß über die Art und Weise des Zustandekommens einer Nation geben können. Klar ist etwa, daß die Franzosen als „Franken" nicht nur bezeichnet wurden, sondern sich auch fühlten - also Herkunft der Nationsbezeichnung aus einem alten Stammesnamen, der freilich zur Reichsbezeichnung sich erweitert hat. Dagegen erhielten die aus demselben karo261 Jin Kofalka / R. J. Crampton, Die Tschechen, in: Adam Wandruszka / Peter Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Band III: Die Völker des Reiches. 1. Teilbd., Wien 1980,489-521, bes. 489.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
lingischen Reich herausentwickelten Deutschen ihre Bezeichnung von der Volkssprache (tiutiska lingua), in der sich die Leute dort unterhielten. 262 Damit sind wir nochmals beim Mittelalter, freilich nur kurz. Vielleicht ist es günstig, auf das Kapitel über die Landesbildung zurückzuverweisen, in dem die ethnisch konstitutiven Faktoren des Mittelalters herausgestrichen wurden: Ganz im Mittelpunkt stand die Tracht als wesentlicher Bestandteil der Landessitte, und in diesem Zusammenhang spielt auch die Sprache für die Identität einer ethnischen Gruppe eine Rolle. Aber dieser Faktor stand keineswegs im Zentrum, im Gegenteil: Man kann ihn geradezu als sekundär ansehen. Die „Ostersprach" entstand sekundär, nach der Landesgemeinde und -sitte, als Gruppensprache einer bereits entstandenen Gruppe. Das soll nun nicht heißen, daß man im Mittelalter sprachliche Unterschiede nicht gespürt hätte und daß sie keine Rolle für die ethnische Distanzierung gespielt hätten. Ein solches sprachliches Differenzbewußtsein existierte sehr wohl und hat sich auch in gewissen Sammelbezeichnungen niedergeschlagen. So bedeuten verschiedene slawische Selbstbezeichnungen „Leute, die wahr (verständlich) reden", während man die Deutschen „nemci", also „Stummerl" nannte. 263 Es hieße aber die Sache unzulässig zu vereinfachen, bliebe man dabei stehen. Denn Frantisek Graus hat zu Recht darauf hingewiesen, daß etwa bei den Tschechen im Mittelalter zwar ein deutliches, auch sprachlich begründetes Distanzgefühl zu den Deutschen vorhanden gewesen sei, daß man sich aber auch gegenüber den Polen in teils recht kräftigen Ausdrücken distanzierte - und die Polen waren im 11./12. Jahrhundert von den Tschechen sprachlich wahrscheinlich noch kaum so stark entfernt, daß hier das Sprachliche eine primäre Rolle gespielt haben kann.264 Primär ging die Entstehung einer ethnischen Gruppe auf politisch-militärische Prozesse zurück. Und dementsprechend hing das ethnische Bewußtsein auch an den militärischen Kräften, gruppiert um eine Abstammungssage und einen entsprechenden „Traditionskern", ein Königshaus, einen Mythos, eine tragende Stammeskrieger262 Walter Schlesinger, Die Grundlegung der deutschen Einheit im frühen Mittelalter. In: Schlesinger, Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters. Bd. I, Göttingen 1963, 245-285; Eckard Müller-Mertens, Regnum Teutonicum. Aufkommen und Verbreitung der deutschen Reichs- und Königsauffassung im frühen Mittelalter, Wien - Köln - Graz 1970; Joachim Ehlers, Hg., Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter (= Nationes 8), Sigmaringen 1989. 263 Frantisek Graus, Die Entstehung der mittelalterlichen Staaten in Europa, in: Histórica X, Praha 1965, 5-65. 264 Graus, ebd.
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schaft, denkbar als Gefolgschaft des jeweiligen Fürsten. Im Prinzip änderte sich daran im Mittelalter nicht viel. Die „Nation" - das waren die wehrhaften Stammesmitglieder, bzw. in der entwickelten Feudalgesellschaft der Adel oder die etwas um andere Gruppen erweiterten Stände.265 Daneben blieben große Bevölkerungsgruppen ganz primär doch an regionalen und lokalen Bewußtseinsinhalten orientiert. Verschiedentlich war in den beiden vorangegangenen Kapiteln schon vom Aufbrechen dieser älteren Strukturen, von der langsamen, in Krisensituationen schubweise vorangetriebenen Integration verschiedener lokaler und regionaler Kleingruppen in große, übergeordnete Organisationsformen, in die Staaten der frühen Neuzeit die Rede. Hier liegt nun der Ansatzpunkt für die Entstehung der modernen Nationen, für den modernen, primär sprachbezogenen Nationalismus. Dieser Prozeß ist relativ wenig problematisch, wenn das der nationalstaatlichen Integration und Penetration eröffnete Gebiet sprachlich einheitlich ist. In Europa gibt es allerdings, genau genommen, diesen Fall kaum - eher ist die sprachliche Einheitlichkeit die Folge der entsprechenden Prozesse. Immerhin konnte in England, Frankreich und Spanien die Existenz großer Sprachgruppen außerhalb der offiziellen Staatssprache mehr oder weniger ignoriert werden. Die Macht des Zentrums (Paris, London, Madrid) im Verein mit dem Gewicht der zentralstaatlichen Ideologie war stark genug, um Staats- und Nationsbildung zu einander ergänzenden und verstärkenden Prozessen zu machen.266 Vergleichen wir damit das Länderkonglomerat der Habsburgermonarchie. Hier waren die Unterschiede zwischen den einzelnen Teilen in jeder Hinsicht beträchtlich. Eine gemeinsame Staatsideologie fehlte ebenfalls. Im wirtschaftlichen Bereich kam es erst 1775 zur Ausbildung eines einheitlichen Zollgebietes, das aber nur den zentralen böhmischösterreichischen Teil der Monarchie umfaßte. Auch in staatsrechtlichen Belangen gab es enorme Unterschiede: Ungarn, Galizien, Venetien seit 1797 bzw. seit 1815 das lombardo-venezianische Königreich lagen außerhalb des alten Heiligen Römischen Reiches bzw. des Deutschen Bundes (während Mailand und Belgien im 18. Jahrhundert wohl zum Reichsverband gerechnet wurden); Böhmen war ein Königreich, das zudem eine lange Herrschaftstradition mit Mähren und Schlesien gemeinsam gehabt hatte und dessen Zurechnung zum Reich nicht immer ganz klar gewesen war. Dagegen kam der Name des ganzen Komplexes „Österreich" von 265 Vgl. das Kapitel über das mittelalterliche Landesbewußtsein, oben S. 155 ff. 266 H. L. Koppelmann, Nation, Sprache und Nationalismus, Leiden 1956,186 ff.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
einem zwar ansehnlichen, aber im Verhältnis zu Ungarn, Böhmen, Galizien usw. doch relativ kleinen Erzherzogtum des Reiches. Hier lag auch das Zentrum Wien. Die Herrschaft der Habsburger in diesem höchst unterschiedlichen Bereich basierte auf ihrer seit dem späten 17. Jahrhundert auch in Ungarn durchgesetzten Erblichkeit als Landesfürst bzw. König. Ihre Stellung wurde darüber hinaus mindestens ideologisch, teils aber auch ganz reell (durch die Reichshilfe in den Türkenkriegen etwa) vermittels der Kaiserkrone des Hl. Römischen Reiches befestigt. Diese Kaiserideologie war es auch, die man 1804 auf das Haus Österreich transplantierte, um sie als einigende Idee von freilich höchst altertümlich-patrimonialem Zuschnitt gegenüber dem heterogenen Länderkonglomerat zu verwenden. Der lange, im 18. Jahrhundert beschleunigte Prozeß der tatsächlichen Umwandlung wenigstens der zentralen, böhmisch-österreichischen Teile dieses Gebietes in einen Staat ging vom Hof aus und wurde mit Hilfe von Armee, Hofadel und Bürokratie, seit dem 18. Jahrhundert auch mit Hilfe eines neuen Wirtschaftsbürgertums vorangetrieben. Seit Maria Theresia und Joseph II. spielte auch das Erziehungswesen dabei eine wichtige Rolle. 267 Im 19. Jahrhundert gingen alle diese Prozesse mehr oder weniger rasch weiter. Aber damit sind wir an einem entscheidenden Punkt angelangt, den Hans Raupach, in sehr zutreffender Form, folgendermaßen charakterisierte: „Das Wachstum der Städte, die Auflösung der Gutsherrschaften und der Reste der ständischen und zünftigen Selbstverwaltung, die wachsende Kompliziertheit des öffentlichen Lebens mit seinen neuen Verkehrseinrichtungen, Post und Eisenbahn, vermehren die Tätigkeit des Staates und vervielfachen den Parteienverkehr. Wird so der vereinzelte Staatsbürger häufiger und unmittelbarer mit der Staatsmaschine in Zusammenhang gebracht, so wächst auch in einem mehrsprachigen Staate, zumindest in den unteren Stellen, der Bedarf an Beamten, die mehrere Sprachen beherrschen. Hier liegt eine der Hauptursachen dafür, daß der zentralistische Germanisierungsversuch Josephs II. sich selbst aufheben mußte. Er hätte für die Spitzen einer ständischen Landesverwaltung mit einem entschlossenen Willen leicht wirksam gemacht werden können. So wie aber der Staat seine unmittelbare Wirksamkeit ausdehnt, die Schulbildung verallgemeinert, und durch die größere Verwickeltheit und Anzahl der Verwaltungsakte die Schriftlichkeit sich verbreitet, macht sich das Schwergewicht der anderssprachigen Bevölkerung mit neuer Wucht geltend, und diese Masse muß zwangsläufig die dünne Decke der einheitssprachigen Verwaltung sprengen.. ,"268 267 Ernst Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung. Gottfried van Swieten als Reformator des österreichischen Unterrichtswesens 1781-1791, Wien 1978. 268 Hans Raupach, Der tschechische Frühnationalismus. Ein Beitrag zur Gesellschafts- und Ideengeschichte des Vormärz in Böhmen. Neudruck der 1. Aufl. von 1939, Darmstadt 1969, 43.
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Die Tschechen Betrachten wir zunächst die Entwicklung in den böhmischen Ländern, da diese Entwicklung für die Geschichte der Monarchie von zentraler Bedeutung sein mußte. Denn Böhmen und seine Nachbarländer lagen im theresianisch-josephinischen Einheitsstaat (zum Unterschied von Ungarn); in diesen Ländern existierte kein sprachlich tschechischer Adel mehr, und hier schien zunächst die sprachlich einheitliche Staatsbildung bei weitergehender Zurückdrängung des Tschechischen fast schon problemlos zu sein. Die „Verneuerte Landesordnung" Ferdinands II. von 1627, der folgende (teilweise) Austausch 269 des hohen und die weitgehende Ausschaltung des niederen Adels, die endgültige Vereinigung der böhmischen und österreichischen Länder unter Maria Theresia hatten der traditionellen Sonderstellung jener Länder de facto ein Ende bereitet. Das Tschechische galt nur mehr als Haussprache bzw. als Sprache der Bauern und Dorf- oder Vorstadthandwerker. Wer als Angehöriger eines bürgerlichen Berufes ein höheres Sozialprestige genießen wollte, sprach Deutsch. 270 Aber diese Bauern- und Unterschichtensprache mußte letztlich gerade durch die josephinischen Bemühungen neuerlich belebt werden. Wenn der Staat bis ins letzte Bauerndorf mit seinen Gesetzen und Erlässen verstanden werden will, dann ist das durch die Übersetzung dieser Erlässe und ihre Erläuterung in der Sprache der Bauern leichter möglich als umgekehrt durch die Erziehung aller Bauern zur deutschen Sprache der Zentralbürokratie. (Dieser letztere Weg ist nur in Staaten mit einem deutlichen quantitativen Überwiegen der Zentralsprache gangbar und wurde in den westlichen „Nationalstaaten" ja auch mit allen möglichen Mitteln konsequent eingeschlagen.)271 Man mußte also der Bevölkerung Lesen und Schreiben beibringen, dafür Lehrer ausbilden, für die Lehrerausbildung Lehrbücher und Lexika schaffen, für die Zwecke der Verwaltung die Bauernsprache ausdrucksvoller und geschmeidiger machen. Bücher und Zeitungen sollten aufklärerisches Gedankengut bis in die Bauerndörfer bringen. 272 269 Evans, Making, passim, betont mit Nachdruck, daß die führenden Positionen im Lande doch von einheimischen Geschlechtern eingenommen worden seien! Auch nach 1620! 270 Raupach, ebd., 19. 271 Wolfgang Dressler, Minderheitssprachen als Spannungsfaktoren, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde 7 (1977), Nr. 2, 31 ff., insbes. 34. 272 Diese Zusammenhänge, aber auch die weitere Entwicklung bis 1918 faßt ausgezeichnet zusammen Arnold Suppan, Nationalbewegung und Nationalismus der Tschechen im sozialen Wandel, in: Nationalbewegungen Ostmittel- und Südosteuropas - Nationalismus als gesellschaftlicher Prozeß, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde 9 (1979), Nr. 1., 3 ff. Eine gute Übersicht bietet Jörg K. Hoensch, Geschichte Böhmens. Von der slavischen
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Kommerzielle Verleger widmeten sich diesen Aufgaben ebenso wie diverse halboffizielle Organisationen, wie die „patriotisch-ökonomischen Gesellschaften" zur Pflege der Landwirtschaft. 273 1786 erschien in zwei Sprachen der „Volkslehrer", und im selben Jahr gab der Verleger Kramerius die erste Zeitschrift ausschließlich in tschechischer Sprache heraus. Es war nun außerordentlich wichtig, daß diese sprachpflegerischen Maßnahmen mit zwei anderen Strömungen zusammentrafen. Eine davon war die adelig-ständische Opposition gegen den Wiener Zentralismus. Obgleich die böhmischen adeligen Herren in der Regel kaum Tschechisch verstanden (oder gerade soviel, um Dienern oder Kutschern befehlen zu können), gefiel es ihnen ausgezeichnet, durch den Gebrauch und die Förderung der alten Landessprache ihre eigenen Wünsche nach mehr Autonomie und mehr Mitbestimmungsrechten zu unterstreichen und zugleich ihr Mißfallen an gewissen Zentralisierungsmaßnahmen auszudrücken. Als Leopold II. anläßlich seiner Krönung in Prag weilte, wurden die Huldigungsadressen der Stände extra ins Tschechische übersetzt, übrigens von dem Seminarprofessor Josef Dobrovsky, einem der wichtigsten Mitglieder der neuen Garnitur von Sprachforschern und Volkskundlern, die auch aus anderen Gründen gerade begonnen hatten, sich um die kleinen, slawischen Völker Ostmittel- und Osteuropas besonders zu kümmern. 274 Das hängt mit der zweiten der oben genannten Strömungen zusammen. Johann Gottfried Herder hatte in seinen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" ein berühmtes Kapitel gerade über die slawischen Völker Europas verfaßt (IV. Abschnitt des 16. Buches). 275 Sie schienen ihm Landnahme bis ins 20. Jahrhundert, München 1987,299 ff. und 314 ff. (mit Literatur); vgl. ferner Anna M. Drabek, Tschechen und Deutsche in den böhmischen Ländern, in: E. Zöllner, Hg., Volk, Land und Staat. Landesbewußtsein, Staatsidee und nationale Frage in der Geschichte Österreichs, Wien 1984,54-82. - Zum Detailproblem der Sprachmodernisierung im Hinblick auf die Erfordernisse der modernen Wirtschaft vgl. Jin Pokorny, Praktische Erziehung, Gewerbsgeist und Entstehung der tschechischen Unternehmerschaft, in: Hannes Stekl u. a. Hg., „Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Gerechtigkeit". Bürgertum in der Habsburgermonarchie II, Wien - Köln - Weimar 1992, 222-230. 273 Suppan, Nationalbewegung; ferner Raupach, Frühnationalismus, 35 f.; Norbert Angermann, Die erste böhmische Zeitschrift für den Landmann, in: Dan Berindei u. a. Hg., Der Bauer Mittel- und Osteuropas im sozio-ökonomischen Wandel des 18. und 19. Jahrhunderts, Köln - Wien 1973, 274-280. Die literarische Erneuerung sehr gut zusammengefaßt bei Hans Renner, Studien zum tschechischen Frühnationalismus, Motivation, Anfänge und Initiatoren der tschechischen Wiedererweckung. Diss. Erlangen - Nürnberg 1974. 274 Anna M. Drabek, Die Desiderien der böhmischen Stände von 1791, in: Die böhmischen Länder zwischen Ost und West, Fs. F. Karl Bosl, hg. v. Ferdinand Seibt, München - Wien 1983,132-142. 275 Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Wiesbaden 1985, 433 ff.
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gegenüber den unter vielfältigen Problemen leidenden Völkern des Westens nicht nur eine Fülle von ursprünglichen menschlichen Tugenden zu verkörpern, sondern auf Grund dieser Traditionen (Pflege einer urtümlichen Demokratie, Fehlen einer einheimischen Schicht von Feudalherren) auch für die Zukunft besser gerüstet zu sein. Dieses Urteil mußte die noch wenig zahlreichen Sprachforscher und -beförderer nun geradezu mit einem moralischen Anstrich versehen - man tat also nicht nur das Richtige, sondern hatte dabei offenkundig noch die Zukunft des Menschengeschlechts auf seiner Seite!276 Dieses Zusammentreffen von aufgeklärt-absolutistischen Verwaltungserfordernissen, ständischem Oppositionsdenken und Landesbewußtsein sowie herderisch-romantischer Geschichtsdeutung leitete die erste Phase der Nationsbildung bei den sogenannten „kleinen Völkern" Ostmittel- und Osteuropas ein.277 Leopold II. bewilligte 1791 eine Lehrkanzel der tschechischen Sprache an der Prager Universität. Erstmals gab es jetzt tschechische Theaterstücke. Eine tschechische Literatur entstand. Nach 1805 erschien das erste nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten angelegte „Vollständige Wörterbuch der böhmischen, deutschen und lateinischen Sprache".278 Im Vormärz, etwa seit 1820, wurde diese erste Phase des „gelehrten Interesses" in eine zweite übergeleitet, in die Phase der nationalen Agitation durch kleine Eliten. Für diese Phase, die mit 1848 ihren Abschluß fand, war nun doch schon, trotz bleibender ständisch-adeliger Protektion, ihr bürgerlicher Charakter entscheidend. Diese Verbindung von ständischer Förderung 276 Suppan, Nationalbewegung, 3 f.; Raupach, Frühnationalismus, 97 f.; die gründlichste kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Herderschen Idee im Zusammenhang mit der Nationsbildung im Bereich der Habsburgermonarchie bietet Holm Sundhaußen, Der Einfluß der Herderschen Ideen auf die Nationsbildung bei den Völkern der Habsburger Monarchie, München 1973. Die Neigung einer ganzen Reihe von Historikern im Gefolge von Eugen Lemberg, die gesamte Entwicklung zur modernen Sprachnation in Ostmitteleuropa auf Herder zurückzuführen, wird von Sundhaußen kritisiert. Etwas verkürzt wird man sagen können, daß ohne entsprechende gesellschaftliche Veränderungen (in einigen Ländern gewichtige Rolle des kleinen und mittleren Adels bei der Opposition gegen fremdsprachige Einflüsse, überall Entwicklung einer Schicht von Intellektuellen, später von bürgerlichen Unternehmern als Träger der nationalen Bewegung) die Ideen Herders allein kaum soviel Einfluß genommen hätten. So kamen sie gerade zur rechten Zeit und trieben freilich die entsprechenden Prozesse wieder voran. 277 Die Einteilung in drei Phasen, von denen die erste jene des gelehrten Interesses gewesen sei, stammt von Miroslaw Hroch, Das Erwachen kleiner Nationen als Problem der komparativen sozialgeschichtlichen Forschung, in: Peter Burian I Theodor Schieder, Hg., Sozialstruktur und Organisation europäischer Nationalbewegungen, München - Wien 1971, 121-139. 278 Suppan, Nationalbewegung, 3: Raupach, Frühnationalismus, 33 ff.
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und national fühlendem und agitierendem Bürgertum verkörperte sich am eindrucksvollsten sicher in der Person Frantisek Palackys, des „Historiographen der böhmischen Stände", der gleichzeitig der Historiograph des tschechischen Volkes werden sollte. Den Übergang von der Phase des gelehrten Interesses zu jener der nationalen Agitation durch intellektuelle Minderheiten markierten zweifellos auch jene berühmt-berüchtigten Handschriftenfunde, die so sehr einem massiven Bedürfnis entsprangen, daß die sofortige Fälschungserklärung Dobrovskys einfach übersehen wurde und man bis in die 1870er Jahre weiterhin jeden Kritiker entweder als nationalen Verräter oder als bezahlten Agenten der Wiener Regierung brandmarkte. Selbstverständlich glaubte auch Palacky den Inhalt der Fälschungen, der natürlich genau den Herderschzn Idealen entsprach. Die Fälschung der Königinhofer (und einiger anderer) Handschriften durch Wenzel Hanka oder seine Mitarbeiter sollte der entstehenden Nation den Nachweis des Alters ihrer ehrwürdigen Kultur und damit zugleich das Anrecht auf Gleichstellung mit den Nationen des Westens verschaffen. Für die Männer der zweiten Phase, bei denen Studenten, Lehrer, kleine Beamte der Gemeinden usw. gegenüber den älteren Förderungskreisen der Adeligen und Geistlichen in den Vordergrund traten, 279 war dieser Nachweis für den Sinn der eigenen Tätigkeit geradezu entscheidend. Die erwachende Nation brauchte ihren Mythos - solange er nicht im Hussitenmythos Palackys gefunden war (der dann die führende Ideologie der tschechischen Bewegung bis ins 20. Jahrhundert werden sollte), erfüllten die Fälschungen diese Aufgabe tadellos. 280 Aber nicht nur die Handschriftenfälschungen sind wichtig und bezeichnend für diese zweite Phase der Nationsbildung, sondern vielleicht noch mehr das Auftreten neuer sozialer Organisationstypen, vor allem des bürgerlichen Vereinswesens. Dieses Vereinswesen hing zunächst eng mit Institutionen zusammen, die von den Ständen mit dem Zweck der Betonung des antizentralistischen Landesbewußtseins geschaffen worden waren. 1818 wurde das Böhmische Landesmuseum gegründet, das eine wichtige Institution für die weitere Entfaltung des tschechischen Nationalbewußtseins werden sollte. 1827 entstand die Museumszeitschrift in einer deutschen und einer tschechischen Ausgabe - die erstere stagnierte rasch (ein Hinweis auf die Abnahme des Landesbewußtseins alten Stils bei den Deutschen in Böhmen), die 279 Hroch, Erwachen (wie Anm. 277), insbes. 130 f. 280 Dazu jetzt Frantisek Graus, Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln - Wien 1975; zur Entwicklung der tschechischen Historiographie vgl. Richard G. Plaschka, Von Palacky bis Pekaf, Graz - Köln 1955.
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zweite brachte es ebenso rasch zu erheblicher Bedeutung. 1831 wurde, wieder vom Museumsausschuß her, die „Matice ceska" gegründet, eigentlich ein Verein zur Förderung guter Publizistik, des weiteren aber überhaupt jeder Art von tschechischer Literatur und Wissenschaft.281 Sie funktionierte wie eine Art von Buchgemeinschaft und war das Vorbild für die später so zahlreich entstehenden Lesevereine. Büchereien und Laientheater, die in der Folge in dieselbe Richtung wirkten, rundeten diese sprachlichen Bemühungen nun schon auf erheblich breiterer Basis ab: 1848 hatte die „Matice" immerhin schon 3500 Mitglieder, die nun ganz überwiegend als „bürgerlich" einzustufen waren. Aber noch blieben die Bauern draußen, noch waren viele städtisch-bürgerliche Menschen national unentschieden, denn noch sprach man, auch in den angesprochenen Gruppen, bei gewissen Gelegenheiten ausschließlich Deutsch, und das nationale Bewußtsein war noch keineswegs stabil.282 Für die Verbreitung und Stabilisierung des Nationalbewußtseins war es unerläßlich und wichtig, daß sie von der raschen Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft in Böhmen gefördert und beeinflußt wurden. Schon im Vormärz wurde Böhmen zum wichtigsten Industrieland der Monarchie. Diese Modernisierungsbewegung erfaßte nun auch breite Schichten kleinerer tschechischer Gewerbetreibender; andererseits ergab sich die Notwendigkeit, für diese Schichten jetzt Fortbildungseinrichtungen zu schaffen. Sie entstanden im Schöße eines weiteren für die Nationsbildung wichtigen Vereins, des „Vereins für die Ermunterung des Gewerbsgeistes in Böhmen", 1833 noch (und zum letzten Male) unter adelig-ständischer Führung in ganz patriarchalischem Geiste konstituiert. Der Verein griff zunehmend in Fragen der Aus- und Fortbildung, also des Gewerbeschulwesens ein. Es leuchtet ein, daß hier in der Umgangssprache, also primär in Tschechisch, gelehrt werden mußte. Die vorhandene tschechische Intelligenz nützte diese Chance, um ihre eigenen nationalen Bestrebungen diesem aufstrebenden Kleinbürgertum zu vermitteln. Soziale Emanzipation und nationale Emanzi281 Zur „Matice" vgl. Raupach, Frühnationalismus, 37 ff.; Hroch, Erwachen, 127; Anna M. Drabek, Matice Ceskä und Matice Moravskä. Ihre Bedeutung für die kulturelle und nationale Entwicklung der tschechischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert, in: Vereinswesen und Geschichtspflege in den böhmischen Ländern, Vorträge der Tagungen des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 25. bis 27. November 1983 und vom 23. bis 25. November 1984, München 1986, 71-96. 282 Beispiele für schwankendes nationales Bewußtsein waren 1848 vor allem in Mähren noch zahlreich (aber kaum mehr in Böhmen!), dazu vgl. Peter Burian, Die Nationalitäten in „Cisleithanien" und das Wahlrecht der Märzrevolution 1848/49. Graz - Köln 1962, insbes. 81 ff. - Ferner vgl. Jin Kofalka, Fünf Tendenzen einer modernen nationalen Entwicklung in Böhmen, in: Ders., Tschechen im Habsburgerreich und in Europa (Schriftenreihe des Österr. Ost- und Südosteuropa-Instituts 18), Wien - München 1991, 23-75.
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pation gingen ineinander über. Das äußerte sich im Verein selbst. Raupach beschreibt dessen Wandel folgendermaßen: „Von den Interessen des bodenständigen böhmischen Deutschtums weit entfernt, muß diese Selbstverwaltungskorporation in dem Augenblick der Tschechisierung anheimfallen, als der Adel aus seiner vorherrschenden Stellung verdrängt, das Deutschtum aber seiner leistungsbedingten Monopolstellung durch die wachsende tschechische Intelligenzschicht, seiner gesellschaftlichen Rolle in Prag durch die zunehmende Vermehrung des Tschechentums in der Landeshauptstadt ledig wird. Die Vorstufe für die Nationalisierung ist hier die Demokratisierung. Die gegenseitige Bedingtheit beider politischer Kategorien in den Formen des 19. Jahrhunderts kann man an der weiteren Geschichte des Vereins wie an einem Wetterglase ablesen." 283
Das Jahr 1848 bedeutete das Ende der zweiten Phase - die Agitation durch kleine Eliten ging erstmals in Massenaktionen über, die freilich noch der räumlichen Geschlossenheit und der zeitlichen Beständigkeit entbehrten. Diese trat erst in den 1860er Jahren ein. An einer erfolgreichen Aktion läßt sich aber erkennen, wie weit doch schon die nationale Durchdringung des Landes gediehen war. Nach Palackys berühmtem Absagebrief an die deutschen Vorparlamentarier (11. April 1848) wurden die Wahlen zum Frankfurter Parlament in den tschechischen Wahlkreisen Böhmens praktisch erfolgreich boykottiert. 284 Daneben ließen sich die sozialen Forderungen der tschechischen Bauern durchaus in nationalem Sinne interpretieren, da die Grundherren überwiegend deutschsprechende Adelige waren. Ganz ähnlich konnte der Gegensatz Unternehmer - Arbeiter für die Nationsbildung günstig wirken. Roman Rosdolsky hat auf diese Förderung des Nationalbewußtseins durch das Zusammenfallen sozialer und sprachlicher Grenzen hingewiesen.285 Palacky und Rieger haben aber auf diesem Gebiet nur eine maßvolle Agitation sich entwickeln lassen nicht nur, da sie liberal und eigentumsfreundlich und damit jeder entschädigungslosen Grundentlastung abhold waren, sie standen auch selbst in enger Verbindung zur Grundherrenschicht (Palacky besaß selbst ein Gut) und dachten keineswegs in den Idealvorstellungen wirtschaftlicher Demokratie. 286 Dies und die rasche Befriedigung der bäuerlichen Wünsche in den Grenzen des Patentes vom September 1848 durch den Neoabsolutismus 283 Raupach, Friihnationalismus, 57-68, hier zitiert 61. Für die große Rolle dieses Vereins bei der Nationsbildung auch Burian, Nationalitäten, 22. 284 Burian, Nationalitäten, 64 und 73; Raupach, Frühnationalismus, 105 ff. 285 Roman Rosdolsky, Die Bauernabgeordneten im konstituierenden österreichischen Reichstag 1848-1849, Wien 1976, insbes. 9. 286 Raupach, Frühnationalismus, 112 f.
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verlangsamten die Integration der Bauern in die erstmals 1848 konstituierte tschechische Nation. In den agrarischen Organisationen der späteren 1850er Jahre soll, trotz dieser Gegebenheiten und trotz des Bachschen Polizeisystems, ein nationales Bewußtsein dennoch schon ziemlich klar vorhanden gewesen sein.287 Neben diversen sozialen Forderungen wurde als nationale Forderung 1848 massiv das „böhmische Staatsrecht" vertreten, also die Forderung nach einer eigenen, Böhmen, Mähren und Schlesien (vereinzelt auch die Slowakei) umfassenden Staatlichkeit innerhalb der Habsburgermonarchie. Durch die Majorität der Tschechen in diesen Ländern wäre hier natürlich auch die Herrschaft der Tschechen in einer demokratischen Ordnung gesichert gewesen. Es verwundert daher wenig, daß die Deutschen Böhmens gegen diese Vorstellungen Sturm liefen, das „böhmische Staatsrecht" vehement ablehnten und 1848 erstmals einen Verein zur Erhaltung ihrer Nationalität gründeten. 288 Sie forderten im Gegenzug eine weitgehende Trennung des Landes in national einheitliche Kreise. 289 Interessant ist der unterschiedliche Entwicklungsstand des Nationalismus - in Böhmen war er auf beiden Seiten schon recht lebendig, in Mähren noch gar nicht: Ein sprachlich indifferentes Landesbewußtsein mit einer klaren Bevorzugung des Deutschen dominierte, und allgemein wurde die Konzeption des „böhmischen Staatsrechtes" abgelehnt. 290 Womit dieser unterschiedliche Entwicklungsstand zusammenhängt, ist nicht ganz klar; wahrscheinlich ist der Unterschied vor allem in der Existenz von Prag als böhmischer Hauptstadt und gleichzeitig nationalem Symbol der Tschechen zu suchen, an der sich der Nationalismus hier beschleunigt ankristallisieren konnte. Jedenfalls bedeutete das Jahr 1848 „a year of many ,firsts' in modern Czech history".291 Es brachte das erste tschechische politische Programm, die ersten freien Volksversammlungen, die erste große tschechische Tageszeitung, die ersten modernen Verfassungen, Wahlen und Wahlkampagnen und die ersten politischen Parteien. Für die nationale Massenbewegung seit den 1860er Jahren wurde zweifellos 1848 der Grund gelegt. 1848/49 wurde aber, auf dem Kremsierer Reichstag, erstmals und auch zum einzigen Male mit Zustimmung bzw. von Seiten der Betroffenen, eine Konzeption entwickelt, 287 Christoph Stölzl, Die Ära Bach in Böhmen. Sozialgeschichtliche Studien zum Neoabsolutismus 1849-1859, München - Wien 1971. 288 Paul Molisch, Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich, Jena 1926, 52; Josef Pfitzner, Volkstumsschutz und nationale Bewegung, Reichenberg 1938, 10. 289 Burian, Nationalitäten, 77. 290 Burian, Nationalitäten, 80 ff. 291 Kofalka I Crampton, Die Tschechen, 500.
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wie die verschiedenen Nationen der Habsburgermonarchie miteinander auskommen könnten.292 „Die Oktroyierung einer zentralistischen Verfassung im März 1849 versetzte daher der nationalen Politik des Palacky-Kreises einen schweren Schlag und hatte schwerwiegende nationalpsychologische Auswirkungen: Bei den Tschechen entwickelte sich nun ein zunehmendes Mißtrauen gegen den Staat... Gleichzeitig aber war die große Chance vertan, die Nationalitätenfrage in den böhmischen Ländern zu lösen, bevor der tschechische wie der deutsche Nationalismus aus einer relativ begrenzten bürgerlichen Führungsschicht eine Massenbasis bei den Bauern und Arbeitern erlangt hätte .. ,"293
Die dritte Phase der Nationsbildung, wenn man so will die „Penetration" aller tschechischsprechenden Gebiete mit dem Bewußtsein, der tschechischen Nation anzugehören, vollzog sich auf der Grundlage der vormärzlichen Entwicklung und des Jahres 1848 dann in den 1860er Jahren. Ihr mächtigster Ausdruck war die Massenbewegung der „tabory", großer Versammlungen unter freiem Himmel, auf denen, angespornt durch den ungarischen Erfolg 1867, das böhmische staatsrechtliche Programm verfochten wurde.294 Schon vor dem Scheitern dieses Programms (Ablehnung der „Fundamentalartikel" 1871) verflachte die Tabor-Bewegung wieder. Aber die tragenden Organisationen dieser Bewegung bestanden weiter und verdichteten sich in den kommenden Jahren zu einem engen Netz von Turn-, Schul- und Schutzvereinen, welches die weitere nationale Entwicklung der Tschechen entscheidend mitprägte.295 Mindestens genauso wichtig wie diese mehr oder minder „lauten" nationalen Vereinigungen wurden aber die national „leiseren" wirtschaftlichen Organisationen. Wenn in den Jahrzehnten zwischen 1870 und 1890 ein tschechisches kapitalistisches Bürgertum, ein eigenes Kapital, eine eigene tschechische Industrie entstanden, dann nur über eine rasche und erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung, deren Zentrum und Ausgangspunkt der agrarische Sektor war. Schon seit den theresianisch-josephinischen Reformen und besonders seit 1848 entstand eine wohlhabende bäuerliche Oberschicht, insbesondere von Müllern, die 292 Burian, Nationalitäten, 175 ff.; Paula Geist-Länyi, Das Nationalitätenproblem auf dem Reichstag zu Kremsier 1848/49, München 1920. 293 Suppan, Nationalbewegung, 5. 294 Koralka / Crampton, Die Tschechen, 504; die politisch-gesellschaftliche Entwicklung von 1848 bis 1918 jetzt in dem monumentalen Werk von Otto Urban, Die tschechische Gesellschaft 1848 bis 1918, 2 Bde. (Anton-Gindely-Reihe zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas, hg. v. G. Stourzh, Bd. 2), Wien - Köln - Weimar 1994, zur Taborbewegung, Bd. 1, 336 ff. 295 Koralka I Crampton, 503; Suppan, Nationalbewegung, 5.
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sich nunmehr der landwirtschaftlichen Industrie zuwandte, so daß man zu einer gewissen Zeit die industrielle Struktur Böhmens in eine deutsche (Textil- und Glasindustrie, Bergbau, aber auch Maschinenbau) und eine tschechische (Lebensmittelindustrie, Zuckerfabriken, Brennereien, Müllereibetriebe, Lederverarbeitung) trennen konnte.296 Die Kapitalbildung hing dabei eng mit dem Organisationswesen zusammen. Sie lief in hohem Maße über das hoch entwickelte System der Kreditgenossenschaften, die hier teils auf josephinische Einrichtungen zurückgingen. Als zentrale Kreditvermittlungs- und Kapitalausstattungseinrichtung fungierte die 1868 gegründete Zivnostenskä bankä.297 Aus diesen Ansätzen entwickelte sich außerordentlich schnell eine komplette industrielle Struktur. Nach der Landwirtschaftsindustrie entstand ein eigener tschechischer Maschinenbau und eine eigene Fahrzeugindustrie. Aber nicht nur gewerblich-industriell waren die Tschechen hoch entwickelt. In den Volkszählungen von 1900 und 1910 zeigen sie sich im Bildungswesen auf der höchsten Stufe innerhalb Österreichs überhaupt. Bei den Tschechen gab es sogar weniger Analphabeten als bei den Deutschen: Waren es bei diesen 6,8%, so bei jenen bloß 4,3% der über sechs Jahre alten Bevölkerung.298 Darüber hinaus entwickelte sich das mittlere und höhere Schulwesen bei den Tschechen, immer ausgehend von vereinsmäßig organisierten freiwilligen Schulerhaltern, besonders im realistisch-technischen Bereich in einer hervorragenden Weise. Das hing mit der enormen gewerblich-industriellen Entwicklung zusammen, die bis 1910 soweit gediehen war, daß anteilsmäßig bei den Tschechen unter den Berufstätigen die Zugehörigkeit zum sekundären Sektor am stärksten war (1910 37,1% gegenüber 36,4% bei den Deutschen).299 Die rasche Entwicklung des mittleren und höheren Unterrichtswesens führte bis um 1890/1900 auch zur Entfaltung einer sehr beachtenswerten bildungsbürgerlichen Schicht.300 Die Tschechen wurden also zu einer sozial kompletten Nation, wie man überhaupt sagen muß, daß soziale Differenzierung und nationale Integration kein Widerspruch, sondern komplementär ablaufende Prozesse gewesen sind. Auch die politische Struktur fächerte sich auf: Aus 296 297 298 299 300
Suppan, Nationalbewegung, 6; Kofalka I Crampton, Die Tschechen, 505 ff. Kofalka / Crampton, 503. Ebd., 510 ff. Ebd., 507; Urban, Gesellschaft, Bd. 1, 526 ff. Jiri Kofalka, Tschechische Bildungsbürger und Bildungskleinbürger um 1900 (am Beispiel der südböhmischen Stadt Tabor); Otto Urban, Bürgerlichkeit und das tschechische Bildungsbürgertum am Ende des 19. Jahrhunderts, beide in: Hannes Stekl u. a. Hg., „Durch Arbeit...", Wien - Köln - Weimar 1992, 210-221 und 203-209.
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den Honoratiorenparteien der Alt- und Jungtschechen entstanden die jüngeren Massenparteien des agrarischen, bürgerlichen und proletarischen Bereiches.301 Das ist der Hintergrund, vor dem sich die berühmt-berüchtigten nationalen Kämpfe der Jahrzehnte bis hin zum Ersten Weltkrieg abspielten. Jahrelang galt in Prag der Ausnahmezustand. Gegen die faktische Vorherrschaft des (der) Deutschen setzten die Tschechen das „Staatsrecht". Dabei blieben sie im wesentlichen bis 1918 erfolglos. Aber die entstandene soziale Differenzierung, die Organisation in zahlreichen Vereinen und Genossenschaften ebenso wie die politische und verwaltungspraktische Schulung auf den Feldern der Gemeinde- und Länderautonomie seit 1861302 brachten jene Binnenstruktur hervor, die es 1918 ermöglichte, rasch und problemlos die Macht im Lande zu übernehmen. Das böhmische Problem war zweifellos das schwierigste in der ganzen Monarchie. Unter den gegebenen Voraussetzungen - nämlich Forderung der Tschechen nach dem „böhmischen Staatsrecht" und Forderung der Deutschen nach autonomen Kreisen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Zentralismus - mußte es sich als unlösbar erweisen. Dennoch wurden im deutsch-tschechischen Dauerkonflikt wenigstens vorübergehende Lösungen erzielt, von denen der „Mährische Ausgleich" 1906 zweifellos der bemerkenswerteste ist.303 Irgendwie litten die führenden Kreise der Monarchie unter einem gewissen Mangel an Phantasie. Das rührte wohl von der letztlich sehr engen Begrenzung der ausschlaggebenden Schichten in gesellschaftlicher Hinsicht her - Hofadel, führende Militärs und einige emporgekommene Beamte, die sich alle das Habsburgerreich nur als bürokratisch-zentralistisches System vorstellen konnten.304 Allerdings gab es 301 Koralka / Crampton, 513 ff. 302 Jiff Klabouch, Die Lokalverwaltung in Cisleithanien, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonachie 1848-1918 Bd. II, Verwaltung und Rechtswesen,Wien 1975, 270-305, hier insbes. 293: „Insbesondere die slawischen Völker gewannen auf der lokalen Ebene die ersten festen Positionen in der öffentlichen Verwaltung, was wiederum ihre wirtschaftliche, politische und kulturelle Reife förderte ..." 303 Er wird in der wissenschaftlichen Diskussion heute freilich durchaus kritisch beurteilt, da er durch die strikte administrative Trennung und die Festlegung der Volksgruppenzugehörigkeit in nationalen Katastern zu einer noch stärkeren gesellschaftlichen Kommunikationslosigkeit zwischen den beiden nationalen Gruppen führte, vgl. Gerald Stourzh, Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848-1918, Wien 1985; eine knappe Zusammenfassung bietet ders., Ethnic Attribution in Late Imperial Austria: Good Intentions, Evil Consequences, in: R. Robertson / E. Timms, eds., The Habsburg Legacy. National Identity in Historical Perspective (= Austrian Studies V), Edinburgh 1994, 67-83. 304 Redlich, Reichsproblem 1/2,26: „Es ist merkwürdig zu beobachten, wie die höfische Wie-
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Ausnahmen - erzwungene oder durch Taktik nahegelegte. Zudem hatten diese Ausnahmen den Vorteil, sehr stark ständisch-aristokratisch geprägt zu sein - es handelt sich hier um die Polen und die Ungarn. In beiden Fällen gab es eben eine ungebrochene und auch unbestrittene Kontinuität der von einer breiten adeligen „Nation" getragenen staatsrechtlichen Vorstellungen, die weder durch die polnischen Teilungen noch durch die Anerkennung der Habsburger als erbliche Könige von Ungarn verdrängt oder gar in Vergessenheit geraten waren. Die Polen Der Wandel der polnischen Nation von einer ausschließlich adeligen Entität zur bürgerlichen Gesellschaft braucht hier nur kurz gestreift zu werden. Erste Ansätze zu einer Ausweitung der polnischen „Gesellschaft" über die adeligen Kreise hinaus gab es während der Reformzeit zwischen der ersten und zweiten Teilung Polens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 305 Das war den Teilungsmächten so unheimlich, daß sie die Aufteilung des Landes um so schneller durchführten, je reformistischer man sich in Polen gerierte. Das fernere Geschehen, die Auslöschung Polens 1795 und das napoleonische Herzogtum Warschau, Kongreßpolen, der Freistaat Krakau usw., interessieren hier nicht. Im Zusammenhang mit den Erhebungen in Krakau, die 1846 zur Einverleibung des Freistaates in das Habsburgerreich führten, kam es auch zu einem Aufstand im österreichischen Polen, in Galizien, der aber mit einem Bauernaufstand gegen die Adeligen beantwortet wurde, welcher angeblich sogar von den Österreichern geschürt worden sein soll.306 Was auch immer daran richtig sein mag - für unser Problem entscheidend ist die sich in diesem Tatbestand manifestierende Abneigung der galizischen Bauern, gleich ob polnischer oder ruthenischer Sprache, gegen die polnische „Nation" der Adeligen. Auch die polnisch sprechenden Bauern waren überzeugt, daß eine Wiedererrichtung des Königreiches Polen nur die Erneuerung ihrer Leibeigenschaft und den Verlust der ner Staatskunst dem österreichischen Problem gegenüber durch mehr als anderthalb Jahrhunderte hindurch bis zum Ende des Reiches keine andere geistige Stellungnahme gekannt hat als die der rein dynastisch gegründeten und mechanisch durch Gewalt festgehaltenen E i n h e i t . . . die militärischen und bureaukratischen Ratgeber Franz Josefs sind niemals imstande gewesen, sich vorzustellen, daß das Prinzip und die Tatsache des legitimen Herrschertums der Dynastie auf einer anderen Grundlage besser bewahrt werden könnte, als auf der reichseinheitlichen Armee und der möglichst umfassenden Zentralisation der bureaukratisch organisierten Amtsgewalt der kaiserlichen Behörden ..." 305 Kurt Georg Hausmann, Adelsgesellschaft und nationale Bewegung in Polen, in: Otto Dann, Hg., Nationalismus und sozialer Wandel, Hamburg 1978, 23-48; 306 Hausmann, Adelsgesellschaft, 47 (Anm.).
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österreichischen Bauernschutzmaßnahmen bedeuten würden.307 Eine Identifikation der polnischen Bauern mit der polnischen Nation trat auch 1848 praktisch nirgends zutage. Die polnische Nation blieb bis in die 1860er Jahre ausschließlich eine Sache des Adels. Wieder erfolgte die Erstreckung dieser Nation in die bürgerlichen Bereiche über gewisse intellektuelle Gruppierungen. Dabei spielte zweifellos die Tatsache eine große Rolle, daß der Adel anteilsmäßig erheblich beträchtlichere Bevölkerungsteile umfaßte als in sonst irgendeinem Lande, Ungarn nicht ausgeschlossen.308 Dieser zum großen Teil verarmte Kleinadel dürfte dann auch die unverhältnismäßig großen Zahlen von Juristen aller Art (Advokaten, Notare, Beamte), Ärzten und anderen Freiberuflern gestellt haben, die die Sozialstruktur der galizischen Polen noch späterhin geprägt haben. Dafür mitverantwortlich war sicher auch die Polonisierung der galizischen Verwaltung, die seit etwa 1869 erfolgte und zweifellos einer relativ großen Schar von juristisch Gebildeten Unterschlupf gewähren konnte. Diese Polonisierung Galiziens war ein Teil des Preises, den Wien für die Unterstützung praktisch jeder Regierung seit 1867 (genaugenommen schon seit 1848)309 an die polnischen Abgeordneten (fast ausschließlich Mitglieder der Szlachta) zu zahlen hatte. Der andere war die überdurchschnittliche Beteiligung der Regierung an der galizischen Grundentlastungsschuld.310 Das alles waren die Gründe, warum die nationalistischen Polen gegen das Habsburgerreich nicht allzuviel einzuwenden hatten, wenngleich sicher kein bewußter Pole jemals den Gedanken an die Wiedererrichtung des polnischen Staates aufgegeben hat. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erfolgte nun langsam der Wandel, die Ausweitung der polnischen Nation auf breitere Schichten. Auch dabei spielte das Bildungswesen, das ja den Polen nicht nur eigene Grundschulen und Gymnasien, sondern auch zwei Universitäten (Krakau und Lemberg) zur Verfügung stellte, eine bedeutende Rolle. Bildung hörte auf, ein Privileg des Adels zu sein.311 Das hat aber 307 308 309 310
Rosdolsky, Bauernabgeordnete, 9. Hausmann, Adelsgesellschaft, 23. Rosdolsky, Bauernabgeordneten, 142 ff. Henryk Batowski, Die Polen, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. III/l,Wien 1980,522-554, insbes. 551 ff.; Gustav Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich 3, Wien 1905. 324 ff. 311 Czeslaw Majorek, Haupttendenzen in der Entwicklung des Bildungswesens in Galizien zur Zeit der Autonomie, in: Karlheinz Mack, Hg., Galizien um die Jahrhundertwende (= Schriftenreihe des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 16), Wien - München 1990, 69-78.
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für die Habsburgermonarchie insoferne keine sehr große Bedeutung, weil durch den faktischen Verzicht Wiens auf eine enge Integration Galiziens der Gegensatz zwischen diesem Nationalismus und den Habsburgern nicht sehr groß war. Allerdings blieb der polnische Nationalismus zunächst ganz auf das Königreich in den Grenzen von 1772 bezogen: Das mußte nun freilich Konflikte mit den Litauern, Weißruthenen und Ukrainern (Ruthenen) mit sich bringen, die ja nun langsam selbst begannen, sich als Nationen im modernen Sinne zu fühlen. Wie auch immer - die Nationsbildung der Polen Galiziens erfolgte in einem institutionellen Rahmen, der es gestatten konnte, dieses Land als das „polnische Piemont" zu bezeichnen.312 Die
Ungarn
Ganz ähnlich wie in Polen ging auch in Ungarn die nationale Erneuerung (oder wie immer man diese Prozesse euphorisch-euphemistisch benannt hat) von der Adelsnation aus. Sie war zwar nicht so groß wie die polnische (diese soll bis zu 25% der Bevölkerung vor 1790 erfaßt haben), betrug aber immer noch regional bis zu 5 und 10% der Bevölkerung. Die ungarische Adelsnation war ursprünglich sprachlich indifferent - ihr gehörte jeder ungarländische Adelige an, egal welche Sprache er sprach. Das Lateinische als Amtssprache einer solchen „Adelsrepublik" mag diesen Zustand veranschaulichen.313 Den Umschlag zum Sprachnationalismus bereitete Joseph II. sicher mit vor: Er versuchte, das Deutsche als Amtsprache einzuführen. Wir wissen, daß dies scheiterte. „Omnia subsellia a minimo usque ad maximum occupastis vos Germani, et ubi est Hungarus?"314 In solchen und ähnlichen bewegten Klagen äußerte sich der Unmut über die Gesetzgebung Josephs II. Dabei dürfte es weniger um die Einführung der deutschen Sprache an sich, die ohnehin bei einem großen Teil des magyarischen Adels in Gebrauch war, als vielmehr um das Vordringen deutscher Beamter gegangen sein, welches vor allem dem 312 Richard G. Plaschka, Polnisches „Piemont" im Norden der Donaumonarchie, in: Mack, Hg., Galizien, 1990, 11-26. 313 Vgl. den Beitrag von Horst Haselsteiner, Strukturelemente, Triebkräfte und Ideologie des magyarischen Nationalismus, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde 9 (1979) Nr. 1 sehr geeignet als kurze Einführung. Zur näheren Orientierung der einschlägige Beitrag in A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918 von Läszlö Katus, Die Magyaren, ebd. Bd. III/l, 410-488, insbes. 410 ff. 314 So heißt es in einer 1791 erschienenen Schrift A. Horänyis „Eleutherii Pannonii mirabilia fata ...", zit. nach Sundhaußen, Einfluß, 68.
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Kleinadel zahlreiche Berufsmöglichkeiten zu versperren schien. Ein zeitgenössischer Beobachter meinte, daß die „nationale" Begeisterung 1790/91 weniger von der „Liebe zur nationalen Sprache", sondern eher von der Angst um den Verlust der Adelsprivilegien getragen worden sei.315 Wie auch immer - im Zuge der Proteste der Komitate gegen die Maßnahmen Josephs II. und gegen den Gebrauch der deutschen Sprache taucht erstmals neben dem Lateinischen und Deutschen auch das Magyarische in den Schriftstücken der Komitate auf.316 Jene Maßnahme löste aber eine andauernde Diskussion über die Einführung einer lebenden Sprache als Amtssprache aus - und diese konnte letztlich nur das Ungarische sein.317 Bis 1844 wurde das Ziel erreicht und Ungarisch an Stelle des Lateinischen als Amtssprache eingeführt. Ganz parallel zu allen anderen „neuen" Nationen verbanden sich auch bei den Ungarn sprachreformerische mit adelig-ständischen Tendenzen, nur daß die letzteren einen enormen Startvorteil hatten: So stark sich bei den Zentralbehörden der Einfluß des Herrschers durchsetzen konnte, so stark blieb der Einfluß des Adels, und zwar auch des mittleren, auf der Ebene der Komitatsverwaltung, die niemals absolutistisch transformiert werden konnte.318 Das war letztlich die unerschütterliche Basis, auf der die Reformer um Graf Istvan Szechenyi seit den 1830er Jahren, die Unabhängigkeitspartei um Lajos Kossuth 1848/49 und die gemäßigten Autonomisten des Ausgleichs von 1867 um Franz Deak stets aufbauen konnten. Dieser ungarischen Nation des hohen und mittleren Adels gehörte jeder Adelige an, gleich welcher Sprache er sich bediente. Freilich führte die schrittweise Betonung der ungarischen Sprache zu einer Distanzierung der nichtmagyarischen Nationalitäten von der ungarischen Nation, so daß der wachsende ungarische Nationalismus umgekehrt immer mehr von einem ständisch-adeligen zu einem sprachnationalen wurde. Diese Entwicklung begann zwar schon als Reaktion auf die Maßnahmen Josephs II, verstärkte sich aber erst im 19. Jahrhundert. Zusätzlich zur adelig-ständischen Strömung wurde nun die kulturpolitische einer verstärkten Sprachpflege wirksam. War in dieser Hinsicht bei Tsche-
315 Samuel Decsy im „Pannonischen Phönix", zit. nach Sundhaußen, Einfluß, 68. 316 Horst Haselsteiner, Joseph II. und die Komitate Ungarns. Herrscherrecht und ständischer Konstitutionalismus, Wien 1983,191. 317 Über die Entwicklung des politischen Bewußtseins in Ungarn an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert vgl. Moritz Csäky, Von der Aufklärung zum Liberalismus. Studien zum Frühliberalismus in Ungarn, Wien 1981. 318 Über die Komitate als Zentrum des Widerstandes gegen die zentralistische Politik Haselsteiner, Joseph II., passim.
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chen (und Slowaken) das berühmte Slawenkapitel Herders wirksam, so konnte bei den Magyaren dies nicht der Fall sein: Herder hatte bloß konstatiert, daß die Magyaren eine Minderheit inmitten der slawischen Völker seien und daß ihre Sprache höchstwahrscheinlich zum Aussterben verurteilt sei.319 Gerade diese Prognose wird es gewesen sein, die die Bemühungen um die magyarische Schriftsprache sehr förderten. Freilich wirkte Herders Voraussage insoferne lange nach, als die gesamte Dichtung der magyarischen Romantik von historischem Pessimismus durchdrungen war.320 Auch die wichtigste Persönlichkeit im Rahmen dieser kulturellen „Renaissance", Graf Istvan Szechenyi, war von diesem Pessimismus durchdrungen.321 Schon auf dem Landtag von 1805 wurde aber festgestellt: „Die ungarische Sprache hängt eng mit der Eigenschaft bzw. dem Charakter der Nation zusammen, und dies hält wahrlich die Nation aufrecht.. ,"322
Damit begann die Identifikation von (politischer) Nation und Sprachnation, die niemand anderer als Lajos Kossuth 1847 ebenso klar wie radikal ausgedrückt hat: „Ich werde nie und nimmer unter der heiligen ungarischen Krone ein anderes Volk oder eine andere Nationalität anerkennen als die magyarische."323
Voll sollte sich diese Tendenz freilich erst nach 1867 auswirken. Die Niederlage von 1849 und das Polizeiregime von 1849 bis 1860 hatten die ungarische Opposition zwar geschwächt, aber nicht gebrochen. Der Niedergang des Absolutismus führte zum „Ausgleich", durch den Ungarn als eigener Staat wiederhergestellt wurde und durch die Bestellung eines eigenen Ministeriums auch ein irgendwie konstitutionellliberales Antlitz bekam. Dabei setzte sich der ungarische Standpunkt voll durch, daß es nur eine, eben die ungarische Nation gebe, deren Mitglieder jeder freie Staatsbürger, gleich welcher Sprache, werden könne. Politische Vollberechtigung war an die Voraussetzung der Beherrschung des Magyarischen gebunden - nur solchen Leuten stand das passive Wahlrecht zu. Diese Theorie führte daher, unbeschadet einiger minoritätsschützender Gesetze, doch zu einem mehr oder weniger sanften Assimilierungsdruck gegenüber den nichtmagyarischen Nationalitäten, denen ja ein Schutz als Gruppe verwehrt war. Wie stark dieser Druck war, mag daraus hervorgehen, daß unmittelbar vor dem 319 320 321 322 323
Sundhaußen, Einfluß, 76. Ebd., 82. Ebd., 87 f. Ebd., 80 f. Ebd., 97.
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Ersten Weltkrieg ein Drittel bis ein Viertel der ungarischen Gesamtbevölkerung als „Assimilierte" gelten konnte. 324 Grundentlastung und Wirtschaftsentwicklung führten immer mehr zu einer Einbeziehung der bürgerlichen und bäuerlichen Schichten in die Nation, die aber bis zum Ersten Weltkrieg eine stark adelige Note aufwies. Man muß daran erinnern, daß durch die große Zahl von Adeligen viele bürgerliche freie Berufe aus diesen Kreisen rekrutiert wurden und daß andererseits die Erwerbung des Adels viel leichter war als im Westen der Monarchie, so daß wirtschaftlicher Erfolg rascher zum Aufstieg in Adelsränge führen konnte als dort. Insgesamt führte die ungarische Nationsbildung zu einer Gesellschaft, in der das traditionelle adelige Leitbild des „Herrschaftsmittelstandes" die Verbürgerlichung dieser Gesellschaft nicht nur überdauerte, sondern sogar prägte. Das machte zugleich aber zweifellos einen Teil der Anziehungskraft des Magyarentums für die nichtmagyarischen Sprachgruppen Ungarns aus.325 Die
Italiener
Ein selbstverständliches nationales Bewußtsein war schon im ganzen 19. Jahrhundert den Italienern der Monarchie zu eigen. Mit einem (historisch) älteren Bürgertum als alle anderen entstehenden Nationen des Habsburgerreiches ausgestattet, mit einer eigenen Aristokratie, 326 selbstverständlich mit kräftigen kulturellen Traditionen mußten die Italiener eigentlich mit Notwendigkeit die erste Nation sein, der das patriarchalische Gewand des alten Österreich zu eng wurde. Dennoch muß man hier mehrere Unterschiede machen. Als Österreich 1815 neben Dalmatien, Istrien, Triest, Görz und Tirol auch Venetien und die Lombardei zugesprochen erhielt, war eigentlich nur in Venetien mit einer apriorischen massiven Ablehnung zu rechnen. In Mailand gab es die Erinnerung an die Reformen Maria Theresias und Josephs II. als positive Voraussetzung für die Erneuerung der habsburgischen Herrschaft,
324 Katus, Die Magyaren, 431 ff. 325 Katus, Magyaren, 464 f.; zur Frage des Verhältnisses zu den Minderheiten bzw. zur Frage der zum Teil recht glatten Assimilation vgl. Handk, Garten, 783-100; ders., Ungarn in der Donaumonarchie. Probleme der bürgerlichen Umgestaltung eines Vielvölkerstaates (Schriftenreihe des österr. Ost- und Südosteuropa-Instituts, 10), Wien - München - Budapest 1984, 281-442. 326 Berthold Waldstein-Wartenberg, Österreichisches Adelsrecht 1804-1918, MÖStA 17/18 (1964/65), 117 ff., über die Schwierigkeiten bei der Anerkennung des italienischen Adels nach 1815 und die Fehler, die man dabei in Wien machte. Man sieht, wie unter Umständen auch „feudale Überreste" recht erheblich zu bürgerlicher Verärgerung beitragen können.
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und in Triest, Görz und im Trentino waren die traditionellen Anhänglichkeiten noch durchaus haltbar. Freilich verspielte man allfällige Sympathien rasch und sicher, indem man das lombardo-venezianische Königreich ausschließlich als steuerliche Goldgrube ausnützte und ansonsten alle Selbständigkeits- oder auch nur Autonomieregungen massiv unterdrückte. Dem selbstbewußten und aufstrebenden Bürgertum dieser Region mußte das habsburgische Regiment außerdem auch ökonomisch zweckwidrig erscheinen - patriarchalische Gängelung konnte in der ökonomisch bei weitem am höchsten entwickelten Provinz der Monarchie eben keineswegs mehr die wirtschaftlich positiven Ziele erreichen wie in den zurückgebliebenen Regionen.327 Dementsprechend reagierten die italienischen Populationen der Monarchie 1848/49 unterschiedlich: Im großen Aufstand in Mailand und Venedig, mit äußerster Erbitterung gerade in der letzteren Stadt Widerstand leistend gegen das österreichische Militär (bis 22. August 1849), nur sporadisch ablehnend in Trient und Triest, bei grundsätzlicher Teilnahme an den gesetzgebenden Körperschaften. Dasselbe Muster zeigte sich 1861, als es wiederum Parlamente in Österreich gab: Die Venezianer wählten nicht und verweigerten die Mitarbeit im Reichsrat - sie zählten sich einfach nicht mehr zu dieser Monarchie; dagegen arbeiteten die Italiener in Trient, Triest, Görz, Istrien und Dalmatien sehr wohl in den Landtagen und im Reichsrat mit, wo sie auf Grund ihrer höheren wirtschaftlichen und „kulturellen" Entwicklung auch relativ gut vertreten waren.328 Sicher verminderte die „irredentistische" Propaganda ebenso wie der Unwillen oder die Unfähigkeit der österreichischen Regierung, gewissen Wünschen der italienischen Bevölkerung (etwa nach einer eigenen Universität) entgegenzukommen, langfristig die Loyalität zur Monarchie, so daß aus dem entwickelten Nationalbewußtsein letztlich der zunehmende Wunsch entstand, sich dem neuen italienischen Nationalstaat, dem „regno", anzuschließen. Aber so ganz geschlossen wurde dieser Wunsch doch nicht geäußert. Als die Monarchie am Ende war, lehnten am 25. Oktober 1918 die Friauler Katholiken den Anschluß an Italien ab, und die Triester Sozialisten forderten das volle Selbstbestimmungsrecht für Triest und Istrien. 327 Edith Saurer, Straße, Schmuggel, Lottospiel. Materielle Kultur und Staat in Niederösterreich, Böhmen und Lombardo-Venetien im frühen 19. Jahrhundert, Göttingen 1989; Brigitte Mazohl-Wallnig, Österreichischer Verwaltungsstaat und administrative Eliten im Königreich Lombardo-Venetien 1815-1849, Mainz 1993. 328 Umberto Corsini, Die Italiener, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie 1848-1918, III/2, Wien 1980, 868.
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Alle anderen politischen Gruppierungen (alle Liberalen und die Katholiken des Trentino und aus Triest) sprachen sich jedoch für den Anschluß an Italien aus.329 Die Kroaten Die mehr oder weniger solide Basis ständisch-adeliger Tradition war auch für die Nationsbildung der Kroaten von großer Wichtigkeit. Dies in zweifacher Hinsicht: Einmal stellte das Vorhandensein eines relativ großen mittleren und kleineren Adels ein nicht unerhebliches soziales Substrat für nationale Bestrebungen dar. Und zum zweiten bot die Tradition des Königreiches Kroatien die wichtigste ideologische Begründung für die nationalen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts. Die Tradition der staatsrechtlichen Selbständigkeit konnte mit der kulturpolitischen Figur des „Illyrismus" als Ausdruck der kulturellen Selbständigkeit der Südslawen (und insbesondere der Kroaten) zusammenfließen und somit ihre Identifikationskraft erheblich verstärken.330 Seit der Vereinigung mit Ungarn (1102) war natürlich Kroatien faktisch keineswegs ein selbständiger politischer Faktor. Aber das alte Ungarn war, wie gesagt, sprachlich neutral. Und zudem konnte man in der Neuzeit gegen ein etwaiges Herrschaftsstreben der ungarischen Führungsschichten immer die Beziehungen zu den habsburgischen Erblanden ausspielen, die zeitweilig ziemlich eng waren. So war für die Erhaltung und Verpflegung gewisser Abschnitte der die kroatische Entwicklung stark beeinflussenden Militärgrenze seit dem 16. Jahrhundert Innerösterreich zuständig.331 Die Grenze selbst blieb bis zu ihrer Auflösung (1869-1884) stets dem Hofkriegsrat in Graz bzw. Wien, später dem Kriegsministerium in Wien unterstellt. Die kroatische Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts fand ihre wichtigste gesellschaftliche Trägergruppe im niederen Adel, gerade zu dem Zeitpunkt, als jener Adel - verarmt und verschuldet - in zunehmendem Maße Beamtenstel329 Corsini, ebd., 878 f. 330 Zur kroatischen Nationsbildung in kultureller Hinsicht Sundhaußen, Einfluß, 145 ff.; Mirjana Gross, Einfluß der sozialen Struktur auf den Charakter der Nationalbewegung in den kroatischen Ländern im 19. Jhdt., in: P. Burian / Th. Schieder, Hg., Sozialstruktur und Organisation europäischer Nationalbewegungen, München - Wien 1971, 67-92; Arnold Suppan, Die Kroaten, in: A. Wandruszka IP. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/l. 626-733, bietet eine methodisch ausgezeichnete, materialreiche Zusammenfassung. Zum Illyrismus vgl. Reinhard Lauer, Genese und Funktion des illyrischen Ideologems in den südslawischen Literaturen (16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts), in: KlausDetlev Grothusen, Hg., Ethnogenese und Staatsbildung in Südosteuropa, Göttingen 1974, 116-143. 331 Bidermann, Gesammt-Staats-Idee 1, 46.
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len anzustreben begann, die er bei wachsender Betonung des magyarischen Charakters ganz Ungarns (auch Kroatiens) seitens der Magyaren für sich nicht erringen konnte.332 Die ungarischen Ansprüche beschleunigten die Nationsbildung der Kroaten im sprachnationalen Sinne: Der kroatische Landtag beschloß am 20. Oktober 1847, daß die nationale Sprache in Kroatien zur öffentlichen proklamiert werde.333 Trotz der günstigen politischen Voraussetzungen und trotz der erfolgreichen Arbeit der Sprachwissenschaftler, Historiker und Literaten wie Ljudevit Gaj oder Bischof Strossmayr, trotz einer gewissen Förderung des Illyrismus durch die Wiener Zentralstellen des Vormärz334 blieb die nationale Integration der Kroaten bis 1914 eine unvollständige. Diese nationale Integration wurde durch mehrere Faktoren geschwächt. Zunächst durch die schwache ökonomische Entwicklung, für die die Randlage der Territorien mit mehrheitlich kroatischer Bevölkerung verantwortlich war, dann durch die Politik der Wiener Regierung, für die Kroatien keinen besonderen Stellenwert hatte, schließlich durch die ungarische Politik, die an der Entwicklung eines nationalstolzen Kroatien kein Interresse entwickeln konnte.335 „Nach wie vor fehlte ein einheitliches politisches Territorium, der gesellschaftliche Modernisierungsprozeß hatte erst in wenigen Urbanen Regionen die Anfangsstufe einer Industriegesellschaft erreicht, schließlich hatte die Ausbildung eines Nationalbewußtseins die breiteren Gesellschaftsschichten noch nicht zur Gänze erfaßt. [...] Bauerntum und Arbeiterschaft konnten erst schrittweise in die nationale Bewegung einbezogen werden [...] Erste Erfolge im Schulwesen, im Vereinswesen und im Genossenschaftswesen seit den neunzigerJahren ließen auch hier (in Istrien bzw. in Bosnien-Herzegowina) einen zunehmenden nationalen Integrationsprozeß erwarten.. ,"336
332 Sundhaußen, Einfluß, 146. 333 Suppan, Die Kroaten, 716. 334 Redlich, Reichsproblem 1/2, 61 f. - als Gegengewicht gegen den Magyarismus. Unterstrichen durch eine Notiz des Polizeiministers Sedlnitzky vom 9. 10. 1836, wo es mit einem Unterton von Billigung heißt: „Um diesem Streben ihrer Gegner einen kräftigen Damm entgegenzubauen, beabsichtigen die Anhänger und Verteidiger der Provinzialverfassung von Kroatien und Slavonien den Nationalsinn ihrer Landsleute durch die Gründung einer illyrischen Zeitschrift und einer Gesellschaft der Freunde der illyrischen Literatur, besonders aber durch Erhöhung der Industrie und Kultur des Vaterlandes zu heben." (Zit. nach Sundhaußen, Einfluß 165.) 335 Ausführlich wird dieser ganze Problemkreis dargestellt bei Mirjana Gross, Die Anfänge des modernen Kroatien. Gesellschaft, Politik und Kultur in Zivil-Kroatien und Slawonien in den ersten dreißig Jahren nach 1848 (Anton-Gindely-Reihe zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas, hg. v. Gerald Stourzh, l),Wien - Köln - Weimar 1993. 336 Suppan, Die Kroaten, 731 f.
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Die Serben Zeigen die Kroaten so das Bild einer zwar traditionsbewußten, aber dennoch mühevollen nationalen Integration auf der Basis ständischadeliger Überlieferungen, so waren die Serben der Monarchie in ihrer ethnischen Identität primär und durch lange Zeit von religiös-kirchlichen Einrichtungen geprägt. Sieht man von den Serben der erst 1878 okkupierten bosnischen Gebiete sowie von jenen Dalmatiens ab, so bewohnten serbische Gruppen hauptsächlich gewisse Gegenden Südungarns (die Vojvodina), Slawoniens und der Militärgrenze. Hierher waren sie auf der Flucht vor den Türken gekommen, einzeln oder in kleinen Gruppen, oder aber in Form großer Übertritte, wie jenem von 1690, als etwa 30.000 serbische Flüchtlinge unter Führung des Patriarchen Arsenije Crnojevic nach Südungarn kamen. Sie erhielten Privilegien, die ihnen ein gewisses Maß an religiöser und verwaltungsmäßiger Autonomie sicherten.337 Von Wien aus besann man sich der Serben übrigens immer dann, wenn es darum ging, die widerspenstigen Ungarn ein wenig in die Zange zu nehmen - so unter Leopold II. 1792 und 1848-1850.338 Diese Serben der Vojvodina spielten eine hervorragende Rolle bei der Entwicklung der serbischen Kultur. Schon 1791 war in Karlowitz/ Sremski Karlovci ein serbisches Gymnasium gegründet worden, dem 1810 ein weiteres in Neusatz/Novi Sad folgte. Hier erschien 1825 eine erste serbische Zeitschrift. 1826 wurde die „Matica Srpska" (in Pest) gegründet, die 1864 nach Novi Sad verlegt wurde. Die Mitgliederzahl der „Matica" wuchs von 200 im Jahr 1864 auf etwa 1400 im Jahre 1880 - Indiz sowohl für das Wachstum der serbisch-nationalen Bestrebungen wie für ihre relative Zurückgebliebenheit im Vergleich etwa mit den Tschechen.339 Trotz der vergleichsweise geringen Breite der serbischen Intelligenz hatten die Serben seit 1817 allen anderen Südslawen einen unverhältnismäßigen Startvorteil für die nationale Konsolidierung voraus - das autonome Fürstentum Serbien mit dem Zentrum Belgrad. Langsam verschob sich auch das kulturelle Zentrum der serbischen Nation von Novi Sad nach Süden, wenngleich diese Stadt das ganze 19. Jahrhundert hindurch als „serbisches Athen" und die Vojvodina als „Wiege der serbischen Nation" galt.340 337 Dimitrije Djordjevic, Die Serben, in: A. Wandruszka IP. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/l. 734 f. 338 Kann, Nationalitätenproblem 1, Graz - Köln 21964, 288 f. 339 Djordjevic, Die Serben, 744. 340 Ebd.
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1848 entwickelte die serbische Nationalbewegung das Programm einer autonomen serbischen Vojvodina, das von den Ungarn abgelehnt wurde. Von 1850 bis 1860 existierte ein eigenes Verwaltungsgebiet „Serbische Wojwodschaft und Temeser Banat", freilich bloß als Ausdruck des Versuches, Ungarn im Neoabsolutismus seiner staatlichen Identität zu entkleiden. Mit dem Ende dieser Versuche wurde diese Wojwodschaft wieder Ungarn angegliedert. 341 Obgleich die serbische Gesellschaft Südungarns eine bäuerliche war, dominiert von der Geistlichkeit und lokalen händlerisch-bürgerlichen Gruppierungen, ließ sie offenkundig die Entwicklung eines deutlichen Nationalbewußtseins zu. Das wird u. a. mit der Tatsache in Verbindung gebracht, daß es unter den serbischen Bauern dieser Gebiete viele gab, die als ziemlich wohlhabend gelten konnten und ihre Wirtschaften, die hier in Gemengelage mit den fortschrittlicheren vorab der Banater Schwaben lagen, modernisierten. Das führte zu intensiveren Marktverflechtungen, ermöglichte aber auch die Entwicklung verschiedener sozialer Aufstiegschancen und eines stärkeren kaufmännischen Elementes. 342 Die Entfaltung einer zahlenmäßig relativ großen Intelligenz bereitete schließlich jener national-radikalen jüngeren Generation den Boden, die schließlich am Vorabend des Ersten Weltkrieges von der Notwendigkeit der gewaltsamen Destruktion der Habsburgermonarchie überzeugt war. Die Slowenen Weder adelig-ständische noch autokephal-kirchliche Traditionen begünstigten die Nationsbildung der Slowenen. Allenfalls konnte man für die historische Erinnerung auf das karantanische Fürstentum des 8. Jahrhunderts zurückgreifen - aber als traditionsbildender Kern einer modernen Nationalbewegung lag jenes doch zeitlich schon etwas weit zurück. 343 Wie immer stand am Beginn eine Gruppe von sprachlich-historisch interessierten Aufklärern, mehr oder weniger in Verbindung mit den Krainer Ständen - der erste slowenische Historiker, der Geschichte nicht mehr als Landes-, sondern als Nationalgeschichte verstand, 341 Ebd., 747 f. 342 Ebd., 742 f. 343 Bogo Grafenauer, Ustoliüevanje koroskih vojvod in drzava karantanskih Slovencev (Die Kärntner Herzogseinsetzung und der Staat der Karantaner Slawen), Ljubljana 1952, bietet das beste jüngere Beispiel einer am nationalen Interesse motivierten Beschäftigung mit dem alten Karantanien (was nichts an der grundlegenden Bedeutung und Qualität des Buches ändert).
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Anton Thomas Linhart, sei hier beispielshalber genannt.344 Diese sprachlich-historischen Bemühungen dauerten bis weit in den Vormärz hinein. Sie wurden gefördert durch den Zusammenschluß der meisten slowenischen Gebiete in den „illyrischen Provinzen" des französischen Kaiserreiches 1809-1814. Die slowenische Sprache wurde zur Unterrichts- und Amtssprache, und die Einführung des Illyrien-Begriffes in die offizielle Regionalbezeichnung wirkte auf die weitere Entwicklung der südslawischen Eigenständigkeit enorm anregend. 1812 wurde übrigens auch in Graz eine Lehrkanzel für slowenische Sprache errichtet, was noch ganz mit aufklärerischen Argumenten begründet worden war.345 In den 1840er Jahren wurde die Sprachrenaissance durch eine endgültige Regelung der Orthographie und Grammatik (Bartholomäus Kopitar) abgeschlossen. Diese Bemühungen erfolgten primär in Wien, wie denn auch die erste breitere nationale Bewegung 1848 in Wien, Graz und Klagenfurt ihre radikaleren Zentren fand, und nicht im späteren slowenischen Zentrum Laibach / Ljubljana. Erstmals wurde 1848 ein vereinigtes Slowenien innerhalb der Monarchie gefordert, typischerweise von den Studenten in Graz und Wien, während die Landtage in Klagenfurt und Graz dies natürlich ablehnten und auch die Krainer nicht allzuviel Energie in dieses Programm investierten.346 Während des folgenden Neoabsolutismus gab es natürlich keine politische Betätigung, aber man ließ dem Klerus freie Hand für seine sprachlich-kulturellen Bestrebungen. Der Klerus spielte überhaupt eine große Rolle für die slowenische Nationsbildung, wie man vielleicht ganz allgemein sagen kann, daß die Geistlichkeit bei den „geschichtslosen" Nationen sowohl den traditionellen Adel als auch das fehlende Bürgertum zu ersetzen hatte (und weitgehend auch ersetzt hat). Autokephale (orthodoxe oder unierte) Kirchen, wie bei den Serben (oder den Ruthenen), waren sogar der traditionsbildende und -tragende ethnische Kern schlechthin.347 Für die slowenische Nationsbildung der 344 Fran Zwitter, Prva koncepcija slovenske zgodovine (Die erste Konzeption der slowenischen Geschichte), in: Glasnik muzejskega drustva Slovenije 20 (1939), 355 ff. 345 Andreas Moritsch, Die nationalen Bewegungen der Kroaten, Serben und Slovenen, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde 9 (1979) Nr. 1, 15 f.; auf die Bedeutung von Graz verweist auch Sundhaußen, 150 (Societas Slovenica mit Ausstrahlung in alle slowenischen Gebiete; 1813 im Grazer „Aufmerksamen" Abdruck von Herders Slawenkapitel sowie auch zahlreicher slowenischer Beiträge). 346 Janko Pleterski, Die Slowenen, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/2, 801 ff., insbes. 802. 347 Vgl. dazu die einschlägigen Kapitel von Djordjevic, Bihl u. a. in dem Werk über die Habsburgermonarchie 1848-1918. - Zur Rolle der Geistlichkeit in der Ausbildung nationalen Bewußtseins in Kärnten vgl. Andreas Moritsch, Hg., Matija Majar Ziljski, Klagenfurt/ Celovec - Ljubljana/Laibach - Wien/Dunaj 1995.
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Untersteiermark war die Verlegung des Bistums Lavant aus St. Andrä nach Marburg / Maribor von großer Bedeutung. 348 Reichte bei den Slowenen die erste, gelehrt-interessierte Phase der Nationsbildung fast bis 1848, so muß die zweite, die agitatorische, trotz aller Hemmnisse doch auch während der 1850er Jahre weitergegangen sein, denn spätestens 1868 trat die dritte, die Phase der Massenbewegungen, ähnlich wie bei den Tschechen in Gestalt der „Tabore", großer Versammlungen unter freiem Himmel, den verwunderten Zeitgenossen entgegen. 349 Dennoch blieb die slowenische Nationsbildung lange Zeit problematisch. Anders als bei den Tschechen, bei denen sich außerordentlich rasch ein eigenes Wirtschafts- und Bildungsbürgertum entwickeln konnte, bedeutete in den slowenischen Gebieten noch langhin sozialer Aufstieg gleichzeitig auch nationale Neuzuordnung, vorab zum deutschen (im Küstenland zum italienischen) Bereich. 350 Das hing sowohl mit der Kleinheit der slowenischen Sprachgruppe wie mit der Tatsache zusammen, daß diese nur in den Ländern Krain und Görz die Mehrheit, in Kärnten, Steiermark, Triest und Istrien aber nur mehr oder weniger große Minderheiten stellte.351 Ein eigenes Bürgertum entwickelte sich also nur langsam. Es verwundert daher nicht, daß die Einbeziehung der Bauern in die Nation nicht auf dem Wege einer bürgerlich-liberalen Parteibildung (wie bei der tschechischen Agrarpartei), sondern über eine christliche Massenpartei erfolgte, bei der um die Jahrhundertwende christlichsozial orientierte Politiker eine große Rolle spielten (Janez Evangelist Krek)?52 Ähnlich wie bei den Tschechen verlegte man sich dabei auf die Gründung verschiedener Genossenschaften. Übrigens gab es Verbindungen mit den Tschechen gerade in wirtschaftlicher Hinsicht, da die erste slowenische Bank mit Hilfe der Zivnostenskä banka gegründet wurde. 353 348 Über Bischof Slomsek, der diese Verlegung betrieb und von ihrer Sinnhaftigkeit auch die Regierung des Neoabsolutismus überzeugen konnte, vgl. Sergij Vilfan, Obmocja okrozij in Lavantinske skofije v Slomskovem casu ( D i e Kreisgrenzen und das Bistum Lavant zur Zeit Slomseks), in: 130 let visokega solstva v Mariboru (130 Jahre höheres Schulwesen in Marburg), Maribor - Celje 1991, 44-54. 349 Pleterski, Slowenen 808; ferner Vasilij Melik, Slovensko narodno gibanje za casa taborov ( D i e slowenische Nationalbewegung zur Zeit der ,tabori'), in: Zgodovinski casopis 23 (1969), 75 ff. 350 Pleterski, ebd., 803. 351 Emil Brix, Die Umgangssprachen in Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation, Wien - Graz - Köln 1982, 152-223. 352 Über Janez Evangelist Krek vgl. Walter Lukan, Zur Biographie von Janez E. Krek (18651917), phil. Diss, Wien (Ms.), 2 Bde., 1984; ferner Edo Skulj, Hg., Krekov simpozij v Rimu, Celje 1992. 353 Pleterski, Slowenen, 817.
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Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts waren freilich auch die Slowenen deutlich auf dem Weg zu einer bürgerlichen Nation: Der Anteil der Agrarbevölkerung schrumpfte überdurchschnittlich rasch. Freilich blieb der wachsende sekundäre Sektor ebenso überdurchschnittlich von unselbständiger Arbeit gekennzeichnet - Ausdruck des noch immer mangelnden eigenen Wirtschaftsbürgertums.354 Die Slowaken In noch stärkerem Ausmaß eine „Bauernnation" als die Slowenen waren die Slowaken. Noch 1910 waren fast 70% der Slowaken in der Landwirtschaft tätig, nur 15% im sekundären Sektor.355 Die Slowaken konnten weder auf eine historische Staatsidee zurückgreifen, noch besaßen sie ein geschlossenes Siedlungsgebiet. Sie besaßen im 18. Jahrhundert keine Schriftsprache. Es gab zwar einen slowakisch sprechenden (kleinen) Adel, aber der fühlte sich als Teil der „ungarischen Nation" (im alten ständischen Sinne) und wurde mehr und mehr magyarisiert.356 Immerhin regte sich auch hier ein neues Interesse an der Volkssprache. 1792 wurde eine Gelehrte Gesellschaft gegründet. Von ihren 446 Mitgliedern waren 355 katholische Geistliche. Durch die religiöse Spaltung gab es freilich keine einheitliche geistliche Führungsschicht - Katholiken und Protestanten gingen getrennte Wege. Seit dem Toleranzpatent Josephs II. entfaltete die protestantische Geistlichkeit eine rege Tätigkeit. Ihre Ausbildungsstätten lagen im protestantischen Deutschland. Hier wurden die jungen Studenten mit dem Gedankengut der protestantischen Aufklärung (Schlözer), aber auch mit den Ideen Herders bekannt. Jan Kollär und Pavel J. Safarik, alten böhmischen Exulantenfamilien entstammend, lernten in Jena die neue deutsche Geistigkeit kennen, die ihre eigenen Anschauungen entscheidend beeinflussen sollte.357 Kollär und Safarik entwickelten allerdings eine tschechoslowakische Konzeption und schrieben in einer Sprache, die von den Slowaken kaum verstanden wurde. Erst Eudevit Stur baute um 1842-1844 die Theorie einer eigenständigen slowakischen Nation und Sprache auf. Gesellschaftlicher Hintergrund dieses Wandels war der steigende 354 Pleterski, ebd., 816. 355 Ludovit Holotik, Die Slowaken, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/2, 789. 356 Holotik, ebd., 786; Ludwig Gogolak, Beiträge zur Geschichte des slowakischen Volkes. 1. Bd., München 1963, insbes. 200 ff. 357 Sundhaußen, Einfluß, 101 ff., bietet eine gründliche Übersicht gerade über die slowakische Entwicklung.
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Magyarisierungsdruck - parallel zur Wende zum Sprachnationalismus seitens der herrschenden Gruppierungen Ungarns. 358 1848 kämpften slowakische Gruppen aktiv gegen das revolutionäre Ungarn, in der Hoffnung, dafür von der kaiserlichen Regierung bestimmte Selbstverwaltungsrechte zugestanden zu bekommen. 359 Das heißt aber, daß die Nationsbildung trotz aller Hemmnisse weiter fortschritt. Sowohl im Neoabsolutismus wie auch nach dem Ausgleich von 1867 war es mit nationalen Selbstverwaltungsrechten bescheiden bestellt. Erst 1863 wurde die „Matica slovenskä" gegründet - im Verhältnis zu anderen slawischen Völkern der Monarchie sehr spät.360 Nach dem Ausgleich und besonders seit den 1880er Jahren waren die Slowaken in verstärktem Maße dem Druck der Magyarisierung ausgesetzt. Die „Matica slovenskä" wurde liquidiert. Das Schulwesen wurde ebenfalls als Magyarisierungsinstrument eingesetzt, so daß - ein wesentlicher Unterschied zu den Verhältnissen in Zisleithanien! - die Lehrer als Instrumente wachsender nationaler Solidarisierung immer mehr ausfielen. Allerdings führte dieser steigende Druck auch zu steigender Abwehr. Freilich fehlten dafür vor allem stärkere bürgerliche Schichten: Die heutige Hauptstadt Bratislava / Preßburg / Pozsony war zu Beginn des 20. Jahrhunderts sprachlich überwiegend deutsch (ca. 42%) bzw. magyarisch (ca. 40%). Nur 15% waren Slowaken.361 Die Unmöglichkeit, im Rahmen des damaligen politischen Systems Ungarns zu politischem Einfluß oder auch nur zu politischer Mitwirkung in einigermaßen zureichendem Maße zu gelangen, begünstigte nunmehr alle Konzeptionen, die den Slowaken Rückhalt bei den übrigen nichtmagyarischen Nationen Ungarns bzw. bei anderen slawischen Völkern und Staaten (Russophilie!) sichern sollten. Das historisch wichtigste und folgenreichste Konzept sollte das tschecho-slowakische werden. 362 Die Rumänen Bloß kursorisch kann hier die Beschäftigung mit den Rumänen und Ruthenen ausfallen. Die siebenbürgischen Rumänen waren fast ausschließlich ein Bauernvolk, dessen sprachliche Kontinuität hauptsächlich von den beiden 358 359 360 361
Sundhaußen, ebd., 131. Holotik, ebd., 776. Ebd., 780. Peter Salner, Migration und Akkulturation im 20. Jahrhundert, in: Ethnokulturelle Prozesse in Groß-Städten Mitteleuropas, Bratislava 1992, 17-25, hier 18. 362 Holotik, 793 ff.
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Kirchen, der orthodoxen und der unierten, getragen wurde. Aus Geistlichen und einigen anderen Intelligenzberufen rekrutierte sich auch jene schmale Schicht von zwei- bis vierhundert Leuten, die sich die bekannten Ideen der deutschen Aufklärung und Romantik vom Wesen und von den Rechten einer Nation angeeignet hatten.363 Wie überall, so löste auch hier das Jahr 1848 die Phase des „Gelehrtenpatriotismus" ab, und man schritt zur politischen Agitation. Hatte man zunächst nur die Gleichstellung mit den drei „historischen" Nationen Siebenbürgens (den magyarischen Aristokraten, den Sachsen und den Szeklern) verlangt, so forderte eine Versammlung im Februar 1849 schon die Vereinigung aller Rumänen der Monarchie. Wenngleich diese Bestrebungen scheiterten, brachten sie doch eine weitere Verfestigung des Nationalbewußtseins mit sich. Eine Anerkennung als „Nation" bedeuteten die Verfassungsversuche von 1860 und 1861: Im neu konstituierten siebenbürgischen Landtag erreichten die Rumänen 57 Abgeordnete (neben 54 Magyaren und 43 Sachsen). Freilich ging diese Position mit dem Ausgleich wieder verloren. Der Landtag wurde geschlossen, und die Rumänen galten offiziell wieder als Teil der ungarischen Nation. In den folgenden Dezennien politisch erfolglos, organisierten sich die Rumänen in fortschreitendem Maße in einer eigenen gesellschaftlichen Binnenstruktur. Eigene rumänische Banken, landwirtschaftliche Genossenschaften, Leseklubs und literarische Gesellschaften, Lehrervereinigungen, Arbeitergruppen verweisen auf die zunehmende gesellschaftliche Differenzierung, aber auch auf die wachsende Konzentration des rumänischen kulturellen Lebens auf die eigene Volksgruppe, in der an die Stelle der Priester immer mehr Lehrer, Geschäftsleute und Angehörige der freien Berufe traten. An die Stelle von Budapest als Zentrum der kulturellen Bestrebungen trat Bukarest.364 Die Ruthenen Noch schwieriger als bei den Rumänen gestaltete sich die Nationsbildung bei den Ruthenen. Erst 1816 erfolgte die Gründung einer Gesellschaft zur Verbreitung von Bildung und Kultur, noch ganz unter dem Einfluß des unierten Episkopats.365 Entscheidende soziale Gegensätze bestanden zur herrschenden polnischen Aristokratie, die sich in den 363 Keith Hitchins, Die Rumänen, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/l, 585 f. 364 Hitchins, ebd. passim., 366 365 Wolfdieter Bihl, Die Ruthenen, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/l, 556.
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Massakern an polnischen Grundherren 1846 in grausamer Form entluden. 366 Die ruthenischen Bauern sahen im Kaiser den wichtigsten Garanten dafür, daß die „szlachta" nicht wieder an die Macht kam, und die Organe des Kaisers, Militär und Bürokratie, galten dem kleinen Bauern als Wundermittel gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit: „... Und da sah ich in der Kreisstadt, daß es eine Ordnung in der Welt gibt: man hielt uns streng, aber gerecht... Und wenn ich Wache stand vor dem Kreisamte und hörte die Bauern, wie sie zusammen redeten und wie sie da Recht und Hilfe fanden gegen die Polaken, da blickte ich zu dem Adler empor, der über dem Tore hing und dachte mir: Du bist nur ein kleiner Vogel und hast kleine Flügel, aber sie sind doch groß genug, um ein ganzes Volk zu schützen. Wenn wir später zur Parade marschierten, die gelbe Fahne mit dem schwarzen Adler über unseren Köpfen flatterte, brauchte ich nur hinzusehen und war zufrieden."367
Freilich waren die Ruthenen in Galizien nach der Befriedung der Polen 1868 der polonisierten Verwaltung ausgeliefert. Die Spannungen äußerten sich in Unruhen und Attentaten. 3 6 8 Doch selbst die Grausamkeiten der deutschen und österreichisch-ungarischen Armee bei der Wiedereroberung Galiziens 1915 konnten die altertümliche Loyalität zum Kaiser nicht endgültig brechen - die Ruthenen blieben die unvollendete Nation par excellence, selbst in den führenden intellektuellen Kreisen tief gespalten (in russophile und ukrainophile), was selbstverständlich die Wirkungslosigkeit dieser Führungskräfte für die nationale Integration nur verstärken mußte. 369 Die Juden Religion als ethnisch bestimmender Faktor mußte zunächst das Selbstbewußtsein der Juden in der Habsburgermonarchie prägen. Die Verminderung der Bedeutung von Religion für soziale Selbst- und Fremdzuordnung hätte daher die Gruppenkonsistenz der Juden langsam aufbrechen und früher oder später zu Assimilation führen müssen - sofern nicht andere ethnisch integrative Faktoren dagegenwirkten. Von allen anderen ethnischen Gruppierungen unterschieden sich die Juden durch zweierlei - erstens durch ihre nicht- bzw. in genauem Sinne vorchristliche Religion und zweitens durch die bis Joseph II. bzw. bis 1848 und 366 Rosdolsky, Die Bauernabgeordneten, passim. 367 Aus der Erzählung „Der Kapitulant" von dem galizischen, slawisch-habsburgischen Leopold v. Sacher-Masoch (1836-1895), hier zit. nach Magris, Mythos, 160. 368 1908 wurde der Statthalter Andrzej Graf Potocki ermordet, vgl. Bihl, Ruthenen, 557. 369 Bihl, Ruthenen, ebd.; grauenhafte Einzelbeispiele für das Vorgehen der österreichischungarischen Armee 1915 bei Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, besonders im IV. Akt, 30. Szene.
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1860/67 fortdauernde Rolle als prinzipiell nichtansässige, als Gruppe ohne Bindung an eine ältere landsässige Tradition. In Nachfolge älterer Vorstellungen der Kammerknechtschaft war ihre Existenz ganz von landesfürstlicher bzw. kaiserlicher Gnade abhängig. Positiv formulierte sich diese Tatsache als besonders starke Bindung des jüdischen Bewußtseins an das übernationale, überregionale Kaisertum. Die wichtige Rolle, welche reiche und gebildete Juden und deren jüdische, christliche oder einfach säkularisierte Nachkommen in der Spätphase der Hofratsnation spielten, als sie in deren bürgerlicher Spielart („Ringstraßengesellschaft") auch quantitativ nicht unerheblich auftraten, spiegelt sich im Werk Stefan Zweigs, Arthur Schnitzlers, Gustav Mahlers, Egon Friedells und vieler anderer. Für die bewußte jüdische Nationsbildung spielte aus diesem Kreis aber nur die kleine Gruppe um Theodor Herzl eine Rolle, der aus Säkularisierung und wachsendem Antisemitismus schließlich die Konsequenz zog, die Juden sollten sich als Nation konstituieren - bis zur Forderung nach dem jüdischen Nationalstaat. Schon um 1860 war - eine Folge von innerjüdischer Aufklärung und wachsender Säkularisierung - das Judentum erstmals als „Nation" begriffen worden (Moses Hess). Gerade in jenen Gebieten der Monarchie, wo Juden massenhaft siedelten, also in Galizien und in der Bukowina, kam es in der Folgezeit zu immer stärkeren Bestrebungen, das Judentum als eigenen Volksstamm anerkannt zu sehen. Dies wurde zwar stets abgelehnt, da von der österreichischen Gesetzgebung die Juden als Religionsgemeinschaft verstanden wurden, tatsächlich kam es aber im Rahmen des Ausgleichs in der Bukowina (1908-1910) zu einer De-facto-Anerkennung der Juden als politisch-nationale Gruppierung im Rahmen einer außerordentlich komplizierten Kuriengliederung.370 Ansätze dazu finden sich auch in analogen galizischen Bestimmungen. Dagegen überwogen in den Minderheitensituationen der westlicheren und der meisten ungarischen Gebiete stets assimilationsbereite Gruppierungen, wobei sich freilich die Zielgruppe der Assimilation verschob - waren es zunächst praktisch überall die Deutschen gewesen, so wurden es in Galizien ab etwa 1880 zunehmend die Polen, in Ungarn die Magyaren und in Böhmen auch die Tschechen. Insofern der Prozeß der Nationsbildung auch bei den Juden einsetzte (typischer370 Gerald Stourzh, Galten die Juden als Nationalität Altösterreichs? Ein Beitrag zur Geschichte des cisleithanischen Nationalitätenrechts, in: Ders., Wege zur Grundrechtsdemokratie. Studien zur Begriffs- und Institutionengeschichte des liberalen Verfassungsstaates (Studien zu Politik und Verwaltung, hg. v. Chr. Brünner I W. Mantl / M. Welan, Bd. 29), Wien - Köln 1989, 259-308.
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weise fand er auch hier seinen Ausdruck in einem seit den 1880er Jahren entstehenden nationaljüdischen Vereinswesen), blieb er im wesentlichen auf die östlichen Randgebiete der Monarchie beschränkt, wo nicht nur die großen Anteile an Juden, sondern auch deren stärkere soziale Differenzierung diesen Prozeß erleichterten. 371 Das Scheitern der Monarchie Nach diesem notwendig sehr kursorischen Überblick zur Nationsbildung bei den Völkern der Habsburgermonarchie (mit Ausnahme der Deutschen - aber damit werden wir uns noch zu beschäftigen haben) stellt sich ganz von selbst die Frage, warum die Monarchie diese Entwicklung nicht positiv bewältigen konnte. Zumindest der westliche Teil, „Zisleithanien", wurde und wird ja doch immer wieder als ein Staatswesen bezeichnet, das hinsichtlich Verwaltung und Rechtspflege vorbildlich war. Die Dezembergesetze von 1867 und besonders der berühmte Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes hätten theoretisch ein Zusammenleben der verschiedenen Nationen ermöglichen können. Die Lösung der „nationalen Frage" gelang jedoch nicht. Mehrere Faktoren werden für diese Unfähigkeit verantwortlich gemacht: 1. Die mangelnde Modernisierung der Monarchie. Es besteht kein Zweifel, daß die Monarchie von „alten" Spitzengruppen regiert wurde. Die Integration und Penetration des Habsburgerreiches durch Hof, Adel, Bürokratie und Armee war im 17. und 18. Jahrhundert sicher „modern". Sie war es nicht mehr im 19. und 20. Jahrhundert, als die Menschen nach mehr Mitbestimmung drängten und aus „Untertanen" zu „Bürgern" wurden (oder werden wollten). Die traditionellen Führungsschichten der Monarchie konnten kein Verständnis für die Wünsche der in der Nationsbildung zu eigener Identität und zu eigenem politischen Wollen emanzipierten Völker entwickeln. Die Außenminister und Diplomaten gehörten bis zuletzt dem Hochadel an, desgleichen die Spitzen der Beamtenschaft. Moderne bürgerliche Führungsschichten entstanden dieser Monarchie kaum. 2. In diesen Zusammenhang gehört auch die Neigung dieses Staatswesens, den „historischen" Nationen (Ungarn, Polen) gewisse Rechte einzuräumen - ein Zeichen, daß es für die staatsrechtlich-adelige Argumentationsweise einen Zugang zum Hof und zu den alten Führungs371 Eine gedrängte, sehr materialreiche Übersicht bietet Wolfdieter Bihl, Die Juden, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/2, 880-948. Neuere Darstellungen: Marsha L. Rozenblit, Die Juden Wiens 1867-1914. Assimilation und Identität, Wien - Köln - Graz 1989; Steven Beller, Wien und die Juden 1867-1938, Wien - Köln Weimar 1993.
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schichten gab. Gerade dadurch mußten aber die anderen Nationen, besonders die Tschechen, in ihren Forderungen nur bestärkt werden, denn was man den Ungarn gewährte, konnte man rationalerweise nicht anderen abschlagen (noch dazu, wenn diese sich einer ganz ebenso staatsrechtlich-autonomistischen Argumentation bedienten - wie die Alttschechen um 1870). Der Ausgleich mit Ungarn von 1867 gilt bei vielen Forschern daher nicht zu Unrecht als wichtige Ursache für die folgende nationalpolitische Immobilität. Das hängt auch mit der strikten Weigerung der Ungarn zusammen, eine weitergehende Veränderung in der westlichen Reichshälfte zu akzeptieren, die wiederum ihre eigenen Nationalitätenfragen stark belebt hätte. 372 3. Der Ausgleich mit Ungarn hatte die unausgesprochene Prämisse vorausgesetzt, daß in zwei relativ zentralistischen Staatswesen je eine führende Nation existiere: hier die Deutschen, dort die Ungarn. Das war freilich in Ungarn, besonders nach dem Ausgleich mit Kroatien 1868, leichter durchzusetzen als im Westen, wo die Mehrheitsverhältnisse wesentlich schwieriger waren. In Österreich wurde an diesem Konzept zwar festgehalten, aber nicht so konsequent wie in Ungarn. Die Deutschen blieben immer die eigentlich staatstragende Nation, verständlicherweise lösten die Versuche, diese Vorzugsstellung zu beschneiden, sehr ernste Krisen aus (Badeni-Krawalle 1897).373 4. Die Beibehaltung des Großmachtanspruches und die Entfaltung eines gewissen, ideologisch eigenartig zwischen altertümlich und modern schwebenden Imperialismus. Dieser Großmachtanspruch wurde zwar von den alten Führungsschichten in beiden Reichsteilen getragen, aber nicht einmal ganz von den unausgesprochenen Führungsnationen: Die deutschen Liberalen opponierten heftig gegen die Okkupation Bosniens und der Herzegowina 1878 und wurden zur Strafe dafür aus der Regierung ausgeschlossen. Daß diese ideologische Ausrichtung keine Massenbasis bei den anderen Nationen finden konnte, versteht sich von selbst. Der österreichisch-ungarische Imperialismus spielte
372 Diese weit verbreitete und früher auch von ihm selbst geteilte Ansicht hat Robert A. Kann zuletzt in seinem Aufsatz „Zur Problematik der Nationalitätenfrage in der Habsburgermonarchie 1848-1918", in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie 1848-1918, III/2,1313, relativiert. Zu Recht wies er darauf hin, daß der Ausgleich im wesentlichen die Stellung Ungarns wiederherstellte, die bis Joseph II. und z. T. bis 1848 bestanden hatte. Allerdings fehlten ab 1867 alle Ansatzpunkte für eine antimagyarische Politik der diversen Volksgruppen der ungarischen Reichshälfte in Wien - was jene nicht sofort begriffen haben und in manchmal rauher Weise erst lernen mußten. 373 Berthold Sutter, Die politische und rechtliche Stellung der Deutschen in Österreich 1848-1918, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie 1848-1918, III/ 1, 222 ff.
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daher zum Unterschied etwa vom deutschen keine integrative, sondern eher noch eine desintegrative Rolle für die Monarchie. 5. Eng damit hing das Fehlen einer ideologischen Neuorientierung zusammen. Tomas G. Masaryk hat mehrfach gefordert, daß Österreich sich, wolle es überleben, in eine Art von Schweiz wandeln müsse. Es sollte ein Bund ziemlich selbständiger Staaten (Österreich, Böhmen, Ungarn) werden, der nichts weiter als die Friedens- und Existenzsicherung der kleinen Völker in seinem Bereich bezwecken sollte.374 Das war natürlich ganz unmöglich, nicht nur wegen der Borniertheit der alten Führungsschichten, sondern weil im Zeitalter des überschäumenden Nationalismus eine solche Konzeption niemals einen Massenanhang mobilisieren konnte. 6. Verknüpft mit der Frage der gesellschaftlichen Modernisierung ist jene der politischen Partizipation. Nun war das Parlament der westlichen Reichshälfte, der Reichsrat, sowohl nach dem Konzept der deutschen Vorherrschaft als auch der liberalen Ideologie von „Besitz und Bildung" zusammengesetzt (was um 1870 noch voll in eines gehen mußte). Dieses Parlament hatte nicht allzu viele Rechte. Im wesentlichen war es aus dem Wunsch nach einer gewissen Finanzkontrolle seitens der wirtschaftsbürgerlichen Kreise entsprungen, die den Bankrott von 1859 bezahlen sollten. Diese Kombination von relativer Bedeutungslosigkeit und Konzentration auf „staatstragende" Gruppen konnte aber weittragende Folgen entwickeln, wenn, aus welchen Gründen auch immer, das Wahlrecht zu diesem Parlament erweitert wurde. Erweiterte Teilnahme hieß hier nicht erweiterte Verantwortung - das Parlament konnte (theoretisch) keine Regierung stürzen oder tragen (natürlich haben sich kluge Regierungschefs wie Taaffe ihre Koalitionen gesichert). Erweiterte Wahlrechte bedeuteten daher letztlich auch nicht erhöhte Integration in den Staat, sondern - und das ist entscheidend - als Agitationsmöglichkeit für die modernen Nationalbewegungen ohne deren Bindung an eine staatliche Verantwortung eher eine Verschärfung der Desintegration. 7. Der auf Staatsebene bis 1907 unbefriedigenden Reichweite der politischen Partizipation stand in der Lokal- und wirtschaftlichen Selbstverwaltung eine wesentlich breitere Palette von Möglichkeiten gegenüber, über die sich eine komplette, jeweils nationale Infrastruktur ausbildete. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß neben dem allgemeinen Männerwahlrecht von 1907 auf Staatsebene auf lokaler 374 R. W. Seton-Watson, Masaryk in England, Cambridge 1943, 20 (nach Kann, Nationalitätenproblem 1, 422).
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Ebene das Kurienwahlrecht fortdauerte. Das Habsburgerreich war wirtschaftlich insgesamt nicht so hoch entwickelt, daß die Existenz seines großen Marktes für andere Gruppen als die deutsch-jüdischen Industriellen und für die ungarischen Agrarier unerläßlich (oder jedenfalls von großem Vorteil) gewesen wäre. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse erwiesen sich daher nicht als entscheidender Hemmschuh für die Entwicklung der Sprachnationen. Die Donaumonarchie hat also die Nationsbildung in ihrem Herrschaftsbereich auf verschiedenste Weise teils gehemmt, teils beschleunigt. Gehemmt, weil man hinter allzu heftiger nationaler Agitation Versuche einer Zerstörung des Reiches vermutete; gefördert, weil schon der aufgeklärte Absolutismus die bürokratische Penetration nur durchführen konnte, wenn er seine Intentionen den verschiedenen Bauern und anderen kleinen Leuten in ihrer Sprache mitzuteilen imstande war. Gefördert sicher auch durch eine germanisierende Reform, die in ständisch-adeligen ebenso wie in gelehrten Verehrern der diversen eigenständigen, böhmischen, ungarischen, aber auch tirolischen Traditionen eine lebhafte Abwehr hervorrief. Wir haben zu zeigen versucht, wie sich hier adelige und gelehrt-bürgerliche Interessen zu einer ersten Phase nationalen Bewußtseins verbanden, das zwar noch keine große soziale Breitenwirkung erreichte, aber im Bereich der Sprachwissenschaften, der Geschichte und Literatur Grundlegendes und Hervorragendes leistete. Zeitlich lag diese erste Phase - spätes 18., frühes 19. Jahrhundert mit den von uns weiter oben besprochenen Versuchen parallel, ein breites Nationalbewußtsein für den Gesamtstaat, motiviert durch die Abwehrkämpfe gegen das revolutionäre Frankreich, zu schaffen. Das schloß sich zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs aus. Hormayrs Bemühungen etwa galten durchaus auch der Geschichte und Kultur der nichtdeutschen Völker der Monarchie und der Bewahrung ihrer Eigenart. Der große Umschwung erfolgte im Vormärz. Aus purer Revolutionsfurcht lehnte die Regierung von nun an auch völlig loyale, aber von unten kommende politische Regungen ab. Zitieren wir noch einmal Andrian-Werburg, dessen Schrift ein beredtes Zeugnis des jetzt rascher sich ausbreitenden nationalen Gedankengutes ist - und darüber hinaus ein Zeugnis, wie diese zweite Phase der Nationsbildung mit der Politik Metternichs zusammenhing: „... Es wäre Zeit, daß die Erfahrung ihre Früchte trüge - es wäre Zeit, daß die Regierungen, durch die Geschichte belehrt, endlich einsehen lernten, daß ein kräftiger, beständig reger Gemeingeist, welcher jeden Bürger mit dem Staate verkörpert, und um die Interessen, Ansichten und Bestrebungen sämmtlicher Individuali-
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täten das Band einer gemeinschaftlichen Farbe zieht, ihr bester, ihr verläßlichster Bundesgenosse sey - daß aber die Regierungs-Maschine allein, ohne die kräftige Mitwirkung jedes Einzelnen, aus dessen Überzeugung, nie mehr hervorbringen wird, als ein negatives, passives Staatsleben [...] Auch Österreich hat seine Periode einer schmachvollen Willens- und Theilnahmslosigkeit, einer gänzlichen politischen Apathie gehabt, und es mag seyn, daß es bei seinen eigenthümlichen Verhältnissen länger, als sonst ein Staat, darin verharrte, und in einer vollkommenen Vernachlässigung alles dessen, was nicht unmittelbar ein materielles Bedürfniß befriedigte, ein trauriges Beispiel gab [...] Aber diese Zeit ist vorüber, ohne daß man sie zurückwünschen könnte [...] die höheren Bedürfnisse einer zum Bewußtseyn gekommenen Intelligenz, haben sich in Österreich so gut wie anderswo geltend gemacht, und von einer Apathie an öffentlichen Angelegenheiten, von einer Theilnahmslosigkeit an den Fortschritten der Zeit und der Menschheit kann jetzt in Österreich ebenso wenig mehr die Rede seyn, als irgend einem Staate Europas. Mit dieser neuen Regsamkeit ist das Bedürfniß der Vereinigung mit gleichgestimmten Kräften, somit die Theilnahme, Beachtung und Mitwirkung an den Bewegungen der nächsten Umgebung in die Gemüther gekommen, als erste und nächste Grundlage eines schnell und riesenstark erwachsenden Gemeinsinnes. Aber in Ermangelung eines allgemeinen Bindungsmittels, welches den ganzen Staat durchdränge, und an das diese neuentstandenen Nationalgefühle anschließen könnten, haben sich dieselben vereinzelt, getrennt, isoliert - bei dem Abgange eines politischen Prinzipes, einer dem Staate zu Grunde liegenden Idee, hat das nationale, traditionelle Prinzip, das Band der Sprache, der Abstammung den Sieg davon getragen, und die neuerwachten Kräfte um sich geschaart. Es hat sich ein slavisches, ein ungarisches, ein italienisches Nationalgefühl gebildet, welches sich täglich mehr konsolidiert, alles Fremde von sich abstößt, und mit einer ahnungsreichen Heftigkeit um sich greift. Die Sympathien der deutschen Stämme haben sich mit verdoppelter Gewalt, welche bald alles Widerstandes spotten wird, ihren Brüdern im Norden und Westen zugewendet [.. .]" 375 Einer der wichtigsten Bestandteile der neuen nationalen Ideologien war die von Herder und der deutschen Romantik entwickelte Idee, daß jede Nation ein „Organismus" sei, der seine bestimmte Rolle im göttlichen Heilsplan zu erfüllen habe, daß ferner Sprache das wesentliche Konstituens der Nation sei und daß die Sprachnation letztlich zu eigener Staatlichkeit gelangen müsse. Freilich wird man bezweifeln müssen, daß Herders Slawenkapitel allein schon die Nationsbildung in Ostmitteleuropa hervorgerufen hat. Aus Herders Modell wurde vielmehr nur das übernommen, was der Bestätigung der je eigenen Erfahrung und den eigenen Interessen diente. D a s zeigt sehr schön die unterschiedliche Rezeption Herders bei Magyaren und Slowaken - diente sie bei den ersteren der Bestätigung und Untermauerung der Theorie von 375 Victor Frh. von Andrian-Werburg, Österreich und dessen Zukunft, Hamburg 31843,12 und 21 ff.
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der Einheit der ungarischen Nation auch in sprachlicher Hinsicht (und damit der späteren Magyarisierung der nichtmagyarischen Völker), so bei den letzteren dem Kampf um die Erhaltung der eigenen Sprache; aber auch hierbei sind Unterschiede in den Phasen der politischen Auseinandersetzung zu beobachten. 376 Die Nationsbildung war ein kultureller, aber später immer mehr und in erster Linie ein politisch-gesellschaftlicher Prozeß. Das ist Andrian 1843 noch ziemlich klar gewesen. Später ging das Bewußtsein vom Prozeßcharakter verloren, und man hantierte im öffentlichen und privaten Sprachgebrauch mit „Tschechen", „Ungarn", „Ruthenen" usw., als ob das von jeher fertig vom Himmel gefallene Brocken der Weltgeschichte gewesen wären. Mit fortschreitender nationaler Integration ging eine mentale Segregation vom Habsburgerreich Hand in Hand. Das begann bei Italienern und Ungarn, setzte sich fort bei Polen und Tschechen und erreichte erst relativ spät auch bei den anderen nichtdeutschen und nichtmagyarischen Völkern erheblichere Intensität. Die grundsätzlichen oder auch nur opportunistischen 377 Erwägungen, die es den meisten dieser Nationen geraten erscheinen ließen, die Monarchie als kleineres Übel gegenüber einem übermächtigen Rußland bzw. Preußen/Deutschland zu akzeptieren, sind Bestandteil der politischen Geschichte. Sie mögen bis zu einem gewissen Grad das Überleben der Monarchie von 1848 bis 1918, ferner die Phasen größerer nationaler Aufregung oder Beruhigung erklären. 378 Aber es ist doch von Bedeutung, daß etwa bei den Tschechen gerade im letzten Jahrzehnt vor 1914 die Verdichtung des gesellschaftlichen Lebens im eigenen Rahmen und die vollständige Konsolidierung „eigener" Führungsschichten soweit fortgeschritten war, daß „die Weltkriegskonjunktur es der fertigen Bourgeoisie ermöglichte, die Schutzhülle der habsburgischen Monarchie zu verlassen, den selbständigen Staat zu errichten". 379 Wir haben bislang mit Bedacht gerade die Deutschen der Monarchie aus unseren Überlegungen ausgespart. Selbstverständlich gab es auch hier wachsende sprachnationale Integration, aber zugleich doch bis zuletzt eine demgegenüber übermächtige Identifikation mit dem Staat der Habsburger. Dadurch unterscheidet sich die nationale Integration 376 Sundhaußen, Einfluß, 181. 377 Fran Zwitter, Les problèmes nationaux dans la monarchie des Habsbourg, Beograd 1960, hat angelegentlich auf diese Erwägungen hingewiesen. 378 Zwitter, Problèmes, unterscheidet eine Krisenphase von etwa 1865 bis um 1872, sodann eine Phase relativer Stabilisierung bis in die 1890er Jahre und ab etwa 1896 die Endkrise. 379 Raupach, Frühnationalismus, 134.
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der Deutschen Österreichs natürlich wesentlich von jener der anderen Nationen. Dem Problem der Identität der Deutsch-Österreicher werden wir also ein spezielles Augenmerk widmen müssen.
276 Nation - „ . . . ein Begriff, da kann ich mir wenig vorstellen - obwohl ich mich als Österreicherin bezeichne. In Deutschland zum Beispiel bin ich stolz, eine Österreicherin zu sein." Sonja S., zum Nationalfeiertag 1982
4. DIE DEUTSCHEN ÖSTERREICHER VOM „HEILIGEN" ZUM „GROSSDEUTSCHEN" REICH: DER SPRACHNATIONALISMUS UND DAS IDENTITÄTSPROBLEM II Reichspatriotismus Die Prozesse der Nationsbildung führten nicht bloß bei den nichtdeutschen Völkerschaften der Habsburgermonarchie, sondern auch bei den Deutschen dieses Reiches im Laufe des 19. Jahrhunderts zu erheblich veränderten Bewußtseinsinhalten und Verhaltensweisen. Zuletzt so kann man wohl sagen - führten sie bis zum Anschluß 1938 und zu tatkräftiger Mitwirkung nicht unerheblicher Teile der österreichischen Bevölkerung an den verschiedenen Aktivitäten des „Dritten Reiches". Einer der wichtigsten Kampfrufe aller Anschlußfreunde besonders seit 1918 hieß: „Heim ins Reich!" Untersucht man die historische Begründung für dieses Motto, so gerät man freilich leicht in Verlegenheit, denn „Heim ins Reich" hieße doch wohl, daß Österreich irgendwann einmal gegen seinen Willen aus einer staatlichen Einheit, dem „Reich", herausgebrochen worden wäre und nun den dringenden Wunsch verspüre, in ebendiese oder in eine zu jener in staatlicher Kontinuität stehende Einheit „heimzukehren". Nun, sicher ist mit „Reich" nicht das Deutsche Reich von 1871, das Reich Bismarcks, gemeint gewesen, zu dem ja niemals irgendwelche Teile Österreichs gehört hatten. Oder meinte man den Deutschen Bund von 1815 bis 1866? Diesem gehörten die bis 1806 zum „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" zählenden Gebiete der Habsburgermonarchie wohl an, ohne daß - mit der bedeutenden Ausnahme des Jahres 1848 - über die Regierung hinaus eine intensivere Kommunikation mit den anderen Gebieten des Bundes möglich oder erwünscht gewesen wäre. Es muß sich also das „Heim ins Reich" doch wohl auf jenes alte, heilige und fast bis zuletzt auch noch römische Reich beziehen, dessen Krone Franz IL (I.) am 6. August 1806 niederlegte.380 380 Eine knappe Zusammenfassung des Wandels vom „Römischen" zum „Römisch-deutschen" bzw. „Deutschen" Reich bei Wagner, Österreich 328 f.: Bei den Wahlen ging es bis zuletzt um einen „römischen Kaiser", der zu wählen war. Erstmals wurde „Römisch-
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Nun wird das alte Reich jetzt wesentlich positiver, ja liebevoller betrachtet, als dies vorab unter kleindeutsch-preußischen Vorzeichen zwischen 1870 und 1945 üblich war.381 Man sieht heute nicht nur die außenpolitische Machtlosigkeit dieses eigentümlichen Herrschaftsgebildes, sondern vielmehr die Möglichkeiten und Chancen, die dieses Reich ja wohl auch geboten hat. Nur - als „Staat" wird man es doch kaum bezeichnen können. Im 1. Kapitel dieses Abschnittes wurde etwas ausführlicher dargelegt, wie nach der Phase der „feudalen Zersplitterung" sich immer stärkere Tendenzen zur Territorialisierung von Herrschaft bemerkbar machten. Seit der Stauferzeit wirkten die Tendenzen vor allem in Richtung der Ausbildung von stärker integrierten Territorien („Ländern") von meist sehr großer Beständigkeit. Im Spätmittelalter entwickelten sich gerade in den Gebieten mit großer herrschaftlicher Zersplitterung - die häufig auch Gebiete mit relativ hoch entwickelter gemeindlicher Autonomie waren - bündische Versuche der Rechts- und Friedenswahrung, von denen die schweizerische Eidgenossenschaft nicht der einzige, wohl aber der dauerhafteste und erfolgreichste wurde.382 Diese Einungsbewegung der kleinen autonomen Gewalten, im allgemeinen gegen die Ausbreitungstendenzen der Großterritorien gerichtet, konnte durchaus auch dem Reiche zugute kommen. König Ludwig TV. (der Bayer) bediente sich des Instruments solcher Einungen im Kampf gegen das avignonensische Papsttum. Und sicher hat der Gedanke der Einungen die Ausformungen der alten kaiserlichen Hoftage zu den stärker von den Reichsständen her bestimmten Reichstagen, wie sie sich bis um 1500 herausgebildet haben, bestärkt.383 Dazu kommen die Gedankengebäude des Konziliarismus und schließlich die Realität der Konzilien des 15. Jahrhunderts, die ja keineswegs ausschließlich
Deutsches Reich" von Franz II. in jenem Patent vom 11. August 1804 verwendet, mit welchem er die Würde eines erblichen Kaisers von Österreich annahm. Erst in der Erklärung vom 6. August 1806, mit welcher Franz II. (I.) die Kaiserkrone des Reiches niederlegte, nannte er dieses dabei „Deutsches Reich", im eigenen Titel hieß er selbst freilich noch „römischer Kaiser". - Über die Vorgänge von 1804 bis 1806 vgl. Gottfried Mraz, Österreich und das Reich 1805-1806. Ende und Vollendung, Wien 1993. 381 Neuinterpretationen des „Heiligen Römischen Reiches" gehen in eine „europäisch-föderalistische" Richtung; man betont die Erhaltung regionaler Eigenständigkeit, die jenes garantierte, die Gleichberechtigung großer und kleiner Reichsstände, die Friedenswahrung zwischen den Konfessionen zwischen 1648 und 1806 usw. Vgl. etwa Peter Claus Hartmann, Bereits erprobt: Ein Mitteleuropa der Regionen, in: Das Parlament N. 49/50 vom 3./10. Dezember 1993, 21. 382 Heinz Angermeier, Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter, München 1966, 118 ff. 383 Angermeier, ebd., 123 ff.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
geistliche Versammlungen waren. In der Gliederung der Konzilien nach „Nationen" dominierte zwar das geographisch-ständische Prinzip - die „natio Germanica" umfaßte auf dem Konstanzer Konzil neben dem Reich auch Ungarn, Böhmen, Polen, Dänemark usw.384 - , konnte freilich zum Ausgangspunkt weiterer Entwicklungen des politischen Selbstbewußtseins werden. So wurde gerade im Bereich der kirchlichreligiösen Unzufriedenheit das Schlagwort von der „natio Germanica", die dem Papst gegenüber gewisse Forderungen erheben könne und müsse,385 geprägt. „Als Träger des mittelalterlichen deutschen Nationalbewußtseins dürfen wir König, Hof und königsnahen Adel ansehen, Teile der Geistlichkeit, Juristen im Hofdienst", urteilt ein hervorragender Kenner des Sachverhaltes.386 Eine gewisse Verdichtung, zugleich eine Verlagerung auf eher humanistische, literarische Trägerschichten eines deutschen Wir-Bewußtseins ist zweifellos ab etwa 1500 zu beobachten.387 Hier könnte sich schon ein „nationales" oder ein als „proto-national" zu bezeichnendes Bewußtsein entwickelt haben.388 Gegen Ende des 15. Jahrhunderts tauchte der Begriff der „Deutschen Nation" überhaupt in zahlreichen Quellen auf. Sicher stand seine Verwendung in Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Reichsreform, das heißt um die Herstellung eines Landfriedens, um die Regelung der höchsten Gerichte des Reiches und um die Einrichtung eines ständigen halbbürokratischen Regierungsapparates für das Reich. Es ist bekannt, daß dabei die Vorstellung des Kaisers auf der einen (Friedrich III. und Maximilian /.) und der Stände (repräsentiert primär durch den Reichskanzler Berthold von Henneberg, Erzbischof von Mainz) auf der anderen Seite, sehr weit auseinandergingen, so daß schließlich Ergebnisse zustande kamen, die keine Seite befriedigten. Immerhin erwiesen sich die Institutionen, die man um 1500 entwickelte 384 Dazu Walther Müller, Deutsches Volk und deutsches Land im späteren Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Namens. HZ 142 (1925), 460 ff.; Ulrich Paul, Studien zur Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, Berlin 1936. 385 Alfred Schröcker, Die Deutsche Nation. Beobachtungen zur politischen Propaganda des ausgehenden 15. Jahrhunderts, Lübeck 1974,15 ff. 386 Joachim Ehlers, Die deutsche Nation des Mittelalters als Gegenstand der Forschung, in: J. Ehlers, Hg., Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter (Nationes 8, hg. v. H. Beumann u. Werner Schröder), Sigmaringen 1989, 11-58, hier 57. 387 Eberhard Isenmann, Kaiser, Reich und deutsche Nation am Ausgang des 15. Jahrhunderts, in: J. Ehlers, Hg., Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter (Nationes 8, hg. v. H. Beumann u. Werner Schröder), Sigmaringen 1989,145-245. 388 K. O. Frh. v. Aretin, „Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation", in: Die Rolle der Nation in der deutschen Geschichte und Gegenwart, hg. v. Otto Büsch und J. J. Sheehan, 1985, 73-80.
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- Kammergericht, Kreiseinteilung, Reichssteuer -, als äußerst langlebig. Sie dienten im wesentlichen als Gerüst des Reiches bis zu dessen Ende 1806, ergänzt später durch den ständigen Reichstag zu Regensburg (seit 1663). Man hat übrigens nachgewiesen, daß der Begriff „deutsche Nation" von Seiten des Kaisers gebraucht wurde, um mit seiner Hilfe ein allgemeines Interesse zu postulieren, das die widerspenstigen Reichsstände zur Stellung von Geld und Truppen motivieren sollte. Besonders Maximilian ging damit sehr freigebig um.389 Daß es dabei tatsächlich vorwiegend um Propaganda ging, zeigt die Selbstdarstellung des Kaisers, für dessen persönliche Motivation die „deutsche Nation" keine Rolle spielte.390 Im Gebrauch des Begriffs schwingen um 1500 zahlreiche Untertöne wie „gemeinsame Abstammung, Sprache" usw. mit. Aber auch die bis um 1500 voll ausgebildeten Reichsstände heißen gemeinsam die „deutsche Nation". In einer Denkschrift von 1553 für den Augsburger Reichstag von 1555 begegnet genau dieser Bedeutungsgehalt der „natio Germanica". „Nation" als Summe der politisch Berechtigten, der Stände (organisiert in den drei Kurien des Kurfürstenrates, des Fürstenrates und des Städterates) wurde hier also ziemlich analog wie in anderen Reichen, etwa in Polen und Ungarn, verwendet.391 Freilich zeigt sich in der Zusammensetzung des Reichstages zugleich der Unterschied zur entstehenden französischen Nation. Deren Generalstände setzen sich aus Delegierten zusammen, die auf Befehl des Königs gewählt werden, sie sind also Ausdruck der königlichen Integration Frankreichs und vertreten schon sehr früh große Teile der Bevölkerung. Der Deutsche Reichstag ist eine Versammlung von Kurfürsten, Fürsten und Städten kraft eigenen Rechts. Sie steht dem Kaiser als „Nation" oder „Reich" gegenüber und bildet mit ihm gemeinsam die politische Gesamtheit „Kaiser und Reich". Eine Weiterbildung zu einer modernen Nation war von dieser Basis aus zwar nicht undenkbar, aber zweifellos wesentlich schwieriger als in Frankreich.392 Mit Reichstag, Kammergericht und Reichskreisen sind die ständi389 Schröcker, Deutsche Nation, passim. 390 Schröcker, Deutsche Nation, 143 f. 391 Denkschrift des Reichsvizekanzlers Georg Sigmund Seid, hg. v. Heinrich Lutz und Alfred Kohler im Anhang zum Reichstagsprotokoll des kaiserl. Kommissars Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555. Österr. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl., Denkschriften 103, Wien 1971, 163-208. Über weitere Bedeutungsvarianten der „Deutschen Nation" im 16. Jahrhundert vgl. Heinrich Lutz, Die deutsche Nation zu Beginn der Neuzeit, H Z 234 (1982), 529 ff. 392 Bernhard Töpfer, Stände und staatliche Zentralisation in Frankreich und im Reich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 1,1977, 233-272.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
sehen Instrumente des Reiches aufgezählt. Es hieße aber die Entwicklung verzeichnen, wollte man den Kaiser und seine Institutionen, den Reichshofrat und das Hofgericht, bei der Frage nach möglichen integrativen Faktoren für das gesamte Reich ausblenden. Der kaiserliche Hof mußte gerade im beginnenden Barock auch für das Reich ein nicht unwesentlicher Integrationsfaktor werden. Bis ins 18. Jahrhundert war es üblich, daß häufig und zu verschiedenen Anlässen Reichsfürsten und Angehörige des Reichsadels hier weilten.393 Der habsburgische Hof als Ansatzpunkt einer staatlichen Integration auch des Reiches? Wir haben schon weiter oben darauf hingewiesen, daß diese staatsbildende Funktion auf die Dauer nur von Erfolg sein konnte, wenn aus dem Hofe eine spezialisierte Bürokratie entsproß. Für das Reich blieb es aber bei der Reichskanzlei (Reichskanzleitrakt der Wiener Hofburg!). Unterbehörden in den Territorien der Reichsstände entwickelten sich nicht. War in der europäischen „Regel" die Nationalstaatsbildung ein von einem Zentrum ausgehender Integrationsprozeß (von London, Paris, Madrid aus), so hatte das Reich bis zuletzt mehrere symbolische und reale Zentren - Aachen, Frankfurt, Regensburg, Wien.394 In der Pattstellung der konkurrierenden, zu eigener Staatlichkeit gelangten Mächte (Frankreich, Habsburg, die Niederlande, Preußen) erstarrte die Mitte des Reiches in politisch kleinteiliger, feudal-reichsständischer Struktur, garantiert durch den Friedensvertrag von 1648, der diese „deutsche Libertät" gegen die Expansionsgelüste der Großterritorien ebenso absicherte, wie er auch jedweden Fortschritt der Staatsbildung auf Reichsebene abschnitt. Außerhalb der Großterritorien Österreich, Preußen, Sachsen, Bayern lag das „Römische Reich" - so sah es die zweifellos unsentimentale und realistische österreichische Handelsstatistik des 18. Jahrhunderts. 395 393 Diese integrative Funktion des Hofes auch für das Reich (freilich eben für ein feudalständisches!) und die große, im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert noch wachsende Bedeutung des Reichshofrates als kaiserliches Gericht gerade für die kleineren Reichsstände und auch für deren Untertanen (so daß das Reichsbewußtsein auch aus diesem Grunde gerade im Bereich größter territorialer Zersplitterung am größten sein mußte!) hat sehr schön Volker Press in seinem Beitrag „Die Erblande und das Reich von Albrecht II. bis Karl VI. (1438-1740)" (in: Kann I Prinz, Hg., Deutschland und Österreich, Wien 1980, 44 ff.) herausgearbeitet. 394 Peter Moraw, Voraussetzungen des deutschen Nationalbewußtseins im späten Mittelalter, in: J. Ehlers, Hg., Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter (Nationes 8), Sigmaringen 1989, 99-120,104. Moraw verweist hier nicht nur auf die Polyzentrik, sondern auch auf die enorme räumliche Ausdehnung des Reiches, die ebenfalls die Entfaltung eines überregionalen Gemeinsamkeitsbewußtseins behinderte. 395 Als ein Beispiel verweise ich auf den innerösterreichischen Zolltarif von 1766, in dem es
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Eine engere Übereinstimmung von Kaiser und Reich war nur so lange vorhanden, als der Kaiser diesen Zustand garantierte und über die Unverletzlichkeit gerade der kleineren Reichsstände wachte. Joseph II. mißachtete diesen Grundsatz in seinem Streben nach der Erwerbung Bayerns und schuf sich so zusätzlich zum ererbten Gegensatz zu Preußen eine breite Mißstimmung im Reich. Nicht nur in seiner österreichischen, sondern auch in seiner deutschen Politik mußte er deshalb scheitern, obgleich gerade Joseph II. von vielen prominenten Stimmen des deutschen Raumes lebhaft als Kaiser begrüßt worden war.396 Will man alle diese Entwicklungen unter dem Aspekt einer alten „deutschen Einheit" oder einer „gemeinsamen deutschen Geschichte" interpretieren, so stößt dieser Versuch auf große Schwierigkeiten. Reichsgeschichte war eine Fülle von Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen deutschen Reichsständen bzw. zwischen den Ständen und dem Kaiser. Pointiert zugespitzt ließe sich auch sagen: Deutsche Geschichte der frühen Neuzeit ist der erfolgreiche Versuch der Reichsstände, ihre (unter Karl V. und kurz unter Ferdinand II. drohende) Einbeziehung in eine von den Kaisern aus dem Hause Österreich ausgehende und das ganze Reich integrierende Staatsbildung abzuwehren. Sie ist daher nicht die Geschichte von „Einheit", sondern von strukturellen Gegensätzen. Im Gegenzug entzogen die Habsburger ihre Erbländer dem Zugriff der Reichsinstitutionen - Reichstag und Kammergericht konnten über diese nicht das geringste verfügen. Insgesamt erscheint uns daher das Désintégrations- bzw. Dissoziationsmodell („1866 - die erste Teilung Deutschlands") 397 nicht sehr hinsichtlich des Grenzzolles von Kremsbrücke heißt: „... Waaren, welche entweder aus Italien über Pontafell und Kremsbruck, oder vice versa aus dem römischen Reiche über Kremsbruck und Pontafell durch Kärnten nach Italien verführet werden ..." (Codex Austriacus VI., 880). Diese Begriffsbildung stand vollkommen fest, wie eine intensivere Beschäftigung mit den einschlägigen Aktenbeständen des Wiener Hofkammerarchives ergab. Sie stimmen vollständig mit jenem Bedeutungsgehalt von „Reich" überein, den Lexika des beginnenden 19. Jahrhunderts verzeichnen, wonach das „Reich" eben das südwestliche Deutschland sei, im besonderen die Gegenden um Rhein und Main. Sanders Wörterbuch der deutschen Sprache (1863) zu „Reich": allgemein „Regierung", veraltend für bestimmte Teile des Römischen Reiches, d. h. Oberdeutschland, gebraucht. Die letzteren Belege nach Wilhelm Mommsen, Zur Bedeutung des Reichsgedankens, HZ 174 (1952), 387. 396 Dazu Ernst Wangermann, Deutscher Patriotismus und österreichischer Reformabsolutismus im Zeitalter Josephs II., in: Lutz / Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, 60 ff.; noch immer informativ: Friedrich Engel-Janosi, Josephs II. Tod im Urteil der Zeitgenossen, MIÖG 44 (1930), 324 ff. 397 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, 791.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
geeignet, die Entwicklung des Verhältnisses von „Österreich" und „Deutschland" zu diskutieren. Untersucht man die gesellschaftlichen Integrationsprozesse genauer, dann wird man zweifellos keine alte „deutsche Einheit" 398 auffinden. Wie sah es denn mit der Selbstidentifikation, mit dem „Wir-Bewußtsein", in diesem Heiligen Römischen Reich aus? Vermutlich lagen bei jenen Bevölkerungsschichten, die überhaupt schon derlei reflektieren konnten und über die normalen lokalen Bindungen hinaussehen durften, verschiedene, im 18. Jahrhundert noch kaum miteinander konkurrierende Identitätsebenen in Gemengelage. „Wer ist Landsmann?" fragte Joseph von Sonnenfels in seiner 1771 in Wien erschienenen Schrift „Über die Liebe des Vaterlandes", um darauf zu antworten: „In Frankreich ein H a n s e a t e und ein Bayer. In H a m b u r g ein Königsberger und ein Berliner. In Berlin ein Königsberger und ein Memeler. In M e m e l zwei Königsberger .. ," 399
Der alte Reichspatriotismus erwies sich letztlich als zu wenig konsistent, um zum neuen deutschen Nationalgefühl mehr beizutragen als einige mehr oder weniger romantische Reminiszenzen. Auch der Bürger einer der wichtigsten Reichsstädte, Johann Wolfgang von Goethe, hatte an dieses alte Reich sehr wenige Bindungen. Er schrieb im Jahre 1807: „ . . . w e n n aber die M e n s c h e n über ein G a n z e s jammern, das verloren s e y n soll, das d e n n d o c h in D e u t s c h l a n d kein M e n s c h sein Lebtag gesehen, n o c h viel w e n i g e r sich darum b e k ü m m e r t hat." 4 0 0
Literatur und
Einheitsbewußtsein
Das neue Nationalbewußtsein der Deutschen wurde zweifellos von einer ganz anderen Seite her vorbereitet - von der Sprache und Dichtung, von den Bemühungen Gottscheds und Lessings, von den Dichtungen des „Sturm und Drang", von der Weimarer Klassik und deren Breitenwirkung. Sicher entstand im späteren 18. Jahrhundert ein literarischer Handlungszusammenhang, dessen Zentren freilich weniger in den alten 398 Heinrich Srbik, Deutsche Einheit. Idee und Wirklichkeit vom Heiligen Reich bis Königgrätz, 4 Bde., München 1936 und 1942. 399 Hier zitiert nach Lorenz, Volksbewaffnung, 24. Vgl. ferner Grete Klingenstein, Sonnenfels als Patriot. In: Judentum im Zeitalter der Aufklärung. Hg. v. Vorstand der Lessing-Akademie (= Wolfenbütteler Studien 4), Wolfenbüttel 1977,211-228. 400 Zitiert nach Mommsen, Reichsgedanken, 388. Bei Goethe im übrigen „Reich" sonst ganz analog wie die oben (Anm. 395) beschriebenen Bedeutungsinhalte.
D e r Sprachnationalismus und das Identitätsproblem II
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Reichszentren (Wien, Frankfurt, Regensburg, die Rheinlande), sondern nördlich und östlich davon lagen - in Leipzig, dem „Klein-Paris", das zur wichtigsten Verlegerstadt Mitteleuropas wurde, in Göttingen, in Hamburg, in Jena, in Weimar, schließlich auch in Berlin. Die Frage, inwieweit die österreichische Literatur in diese entstehende literarische deutsche Nation eingebunden war, ist selbstverständlich von den Forschern sehr unterschiedlich beantwortet worden. Sicher war aber das immer wieder konstatierte Überlegenheitsgefühl des protestantisch-aufgeklärten „Nordens" gegenüber dem katholisch-rückständigen Süden nicht bloß Einbildung der Österreicher. Friedrich Nicolais Reisebeschreibungen legen genügend Zeugnis davon ab, und Heinrich von Collin gab dieser Stimmung beredt Ausdruck, als er schrieb: „[...] wenn ich bedenke, daß mein Name schon an und für sich nomen ne fastum für die Preußen sein muß und weiter bedenke, daß ich wirklich ein Wiener bin und bleibe, die im Auslande wenig gelten, es sey denn, daß sie selbst über ihre Landsleute schimpfen [...] so wird mir ganz schauerlich [.. ,]"401
Damit deutet sich eine Entwicklung an, die für die folgenden zwei Jahrhunderte mehr oder weniger bestimmend wurde: Für österreichische Schriftsteller war (und ist) es wichtig, auf dem außerösterreichischen, deutschen Markt zu reüssieren. Umgekehrt befand sich aber die österreichische Literatur von Deutschland aus gesehen stets in einer nicht unproblematischen Situation: War sie erfolgreich, wurde sie mit größter Selbstverständlichkeit und ausschließlich als „deutsche" Literatur akzeptiert - oder aber ignoriert, was Marie von Ebner-Eschenbach schon 1858 zu einer amüsanten Kurzsatire veranlaßte. In dieser kurzen Geschichte versucht die „österreichische Muse", bei „Zeus Gervinus" (dem u. a. von Franz Grillparzer äußerst kritisch beurteilten Literaturhistoriker Gervinus402 eine Audienz zu erhalten, wird aber aufgefordert, sich zu entfernen, nachdem sie dem Gott die Namen Grillparzer, Halm und Hebbel genannt hatte.403 Bis 1809 wurde nun zwar der deutsche Patriotismus gerade von den österreichischen Schriftstellern immer wieder auf den Schild gehoben. 401 Hier zitiert nach Friedrich Tscherne, Deutsches Reich und Österreichischer Staat in der Wiener Dichtung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, Wien, phil. Diss. (Ms.) 1935, 86. 402 Georg Gottfried Gervinus, 1805-1871, schrieb eine Geschichte der deutschen Nationalliteratur in 5 Bänden, 1835-1842 erschienen, später unter dem Titel „Geschichte der deutschen Dichtung". 1835 auf Dahlmanns Empfehlung Prof. in Göttingen, einer der „Göttinger Sieben", 1837 des Landes verwiesen, 1844 in Heidelberg, später Abgeordneter zum Reichstag, trat für die Unabhängigkeit Deutschlands von Österreich ein. 403 Marie von Ebner-Eschenbach, Aus Franzensbad, hg. v. Karlheinz Rossbacher, Wien 1985 (Leipzig >1858), 46 f.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Man wird darin aber nicht viel mehr sehen dürfen als den propagandistischen Versuch, eine breitere positive Stimmung im „Reich" für den Kampf Österreichs gegen Napoleon zu erzeugen.404 Tatsächlich blieb das österreichische Bildungsbürgertum, welches im späteren 18. und früheren 19. Jahrhundert noch fast ausschließlich aus Beamten bestand,405 von der Integration in die entstehende literarische deutsche Nation noch weithin ausgeschlossen. Waltraud Heindl hat in einer bemerkenswerten Studie auf die Lesegewohnheiten gerade der Bürokratie hingewiesen.406 In der älteren Generation (Heindl zieht als Beispiele dafür den Rat in der Hof- und Staatskanzlei Johann Georg Obermayr, gest. 1801, und den Hofkriegsrats- und Hofkammerbeamten Anton Kraus Elislago, 1777-1860, heran) dominierten griechische und römische Klassiker, daneben wurden aber auch schon Voltaire, Rousseau, Molière, La Fontaine gelesen, Calderón, Ariosi, Tasso und Dante, zumeist in der Originalsprache. Von den deutschen Dichtern wurden zunächst nur Wieland, Geliert und Hagedorn zur Kenntnis genommen, später auch Kleist, Lessing, Schiller und Goethe, schließlich die Philosophie Kants, Fichtes und Hegels.407 Diese Lektüremuster erinnern nun sehr an die Grillparzers, der ja dem romanischen Bereich, insbesonders der spanischen Literatur stets eng verbunden blieb. Doch änderten sich die Verhältnisse im Vormärz grundlegend. Der spätere Unterrichtsminister Leopold Hasner, 1818 in Prag geboren, berichtete in seinen Memoiren, in den Beamtenkreisen Prags der späten dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts habe man Jean Paul, Herder, Kant, Fichte, Hegel und Goethe gelesen, wobei die Versuche der Regierung, diese Einflüsse zurückzudrängen, offenbar einen besonderen Leseanreiz boten.408 404 Vgl. dazu Helmut Hammer, Österreichs Propaganda zum Feldzug 1809. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Propaganda, München 1935. - Hier übrigens auch das vollständige Fehlschlagen dieser Propaganda vorab in Bayern, wo ja zu Beginn des Feldzuges österreichische Truppen eingerückt waren. 405 Zur literarischen Situation vor 1800 am besten Leslie Bodi, Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österreichischen Aufklärung 1781-1795, Frankfurt/M. 1977 (Wien z1995); Bodi betont 57 ff. die unterschiedliche Funktion der Literatur in Deutschland und Österreich sowie die Nichtintegration der österreichischen Literatur in die deutsche. 406 Waltraud Heindl, Die österreichische Bürokratie. Zwischen deutscher Vorherrschaft und österreichischer Staatsidee (Vormärz und Neoabsolutismus), in: Lutz / Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, 73 ff. 407 Heindl, Bürokratie, 84 f. 408 Heindl, ebd., 85. Hans Kudlich, der als Gymnasiast unter der Bank Schiller las und dabei ertappt wurde, fand folgende sehr treffende Formulierung: „... ein vollständig grundloses Mißtrauen kam jedem Buch entgegen, das mit Erlaubniß erschien - dagegen wurde jedes Opfer gebracht, um das verbotene kennen zu lernen..." (Hans Kudlich, Rückblicke und Erinnerungen, 1. Bd.,Wien 1873,144).
Der Sprachnationalismus und das Identitätsproblem II
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Auch von einer anderen Seite her erfolgte die Integration der deutschsprachigen Schriftsteller Österreichs in den Gesamtzusammenhang des literarischen Deutschland. Die kritische Literatur der österreichischen Opposition wurde (hauptsächlich) in Leipzig und Hamburg verlegt und von dort auf den deutschen und österreichischen Markt gebracht - offen oder heimlich (besonders im letzteren Falle).409 Dadurch erfolgte in der Tat die Integration deutschösterreichischer Schriftsteller in die entstehende literarische Öffentlichkeit einer tendenziell das ganze Bundesgebiet erfassenden deutschen Sprach- und Literaturnation.410 Nach dem heißen Wunsch junger Dichter sollte dem bald die politische Integration „Deutschösterreichs" in ein neues Deutschland folgen 411 Tatsächlich verwandelte sich der literarische Handlungszusammenhang in einen politischen im Zuge der Ereignisse des Jahres 1848. Das politisch und ökonomisch machtlose und überdies infolge der in ihm weit verbreiteten Beamtensituation regierungsabhängige Bildungsbürgertum wurde für kurze Zeit einer der entscheidenden politischen Faktoren. Das äußerte sich auch in der Zusammensetzung des Frankfurter Parlamentes: „Die Literatur - das Wort im weitesten Sinne g e n o m m e n - war die Trägerin der Einheitsidee gewesen, sie hatte das Vielgestaltige als Eines, als eine Nation gefaßt, die Literatur und Wissenschaft hatten die zahlreichsten Vertreter in die Versammlung geschickt und diese sollten nun für die ideelle Einheit die staatliche Form f i n d e n . . ," 412
409 Instruktiv die Geschichte des bekannten Buches „Österreich und dessen Zukunft" von Viktor von Andrian-Werburg (übrigens auch ein Staatsbeamter!): Im September 1841 vollendete er das Buch und schrieb es selbst rein. Seine Versuche, einen österreichischen Verleger zu finden, scheiterten: Er wurde bald an den bekannten Hamburger Verleger oppositioneller Schriften, den Verlag Hoffmann und Campe, verwiesen, und schon am 17. Jänner 1842 konnte Andrian in sein Tagebuch eintragen, daß Campe die Drucklegung seines Manuskriptes übernommen habe (Fritz Fellner, Die Tagebücher des Viktor Franz von Andrian-Werburg, MÖStA 26 [1973] 332). 410 Frank Th. Hoefer, Der „Strukturwandel der Öffentlichkeit" im Spiegel der politisch-polizeilichen Untersuchungen Metternichs, in: H. Rumpier, Hg., Deutscher Bund und deutsche Frage 1815-1866 (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 16/17), Wien - München 1990, 74-93. 411 So schrieb Alfred Meißner 1845 ein Gedicht („Weihe"), in dem „Ein Deutschland, stark und frei" beschworen wird, worauf sich zwei Zeilen später reimt: „Deutschöst'reich mit dabei". O. Rommel, Hg., Die politische Lyrik des Vormärz, Wien - Teschen - Leipzig 1903, 154. Die Kenntnis der Stelle verdanke ich einem freundlichen Hinweis von Anton Karl Mally. 412 A. Meißner, Geschichte meines Lebens 2, Teschen 1884, 70 (zit. nach Hubert Lengauer, Kulturelle und nationale Identität. Die deutsch-österreichische Problematik im Spiegel von Literatur und Publizistik der liberalen Ära [1848-1873], in! Lutz / Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, 189 ff., bes. 197).
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Und Josef Redlich, zweifellos einer der feinsten Analytiker des alten Österreich, schrieb über die „Gebildeten", vorab in Wien: „Das große Ereignis der Revolution bedeutete für diese Kreise vor allem die nach Jahrhunderten zum ersten Male wieder lebendig zum Ausdruck kommende Tatsache, daß Deutschösterreich ein Stück von Deutschland war. Darum bildete Frankfurt für diese Elemente den Mittelpunkt der politischen Interessen: allerdings kam auch von dort sehr bald die schwere Enttäuschung .. ,"413
Zwei deutsche Nationsbildungen
im 19. Jahrhundert
Die große Enttäuschung, die den deutschbewußten - zugleich aber auch österreichisch-patriotischen - Österreichern in Frankfurt bereitet wurde, lag in den berühmten Artikeln 2 und 3 des Entwurfes der Reichsverfassung vom Herbst 1848.414 Gerade in der praktischen Erfahrung des tatsächlichen politischen, nationalen Handlungszusammenhanges erfolgte daher eine erstaunlich rasche Verösterreicherung vieler begeisterter Revolutionäre. Viktor von Andrian-Werburg (den man ja nur teilweise zu dieser Kategorie zählen sollte) stellte während seiner ganzen Frankfurter Tätigkeit die Österreichidee über die Idee der deutschen Einheit: Er entdeckte sich nun plötzlich als Österreicher und sah seine eigentliche Aufgabe darin, für den Weiterbestand der österreichischen Vielvölkerfamilie zu kämpfen.415 Sowohl der Freiherr von Lasser, Hofkammerbeamter und Abgeordneter in Wien und Frankfurt, als auch der schon zitierte Hasner waren „mehr Österrei413 Redlich, Reichsproblem 1/2, 27. 414 Die beiden Artikel sahen vor, daß nichtdeutsche Staaten mit einem Mitgliedsstaat des deutschen Reiches - im Falle sie dasselbe Staatsoberhaupt hätten - nur in Form einer Personalunion vereinigt sein dürften. Das hätte natürlich das Ende der Habsburgermonarchie in der bis 1848 entwickelten Form bedeutet. 415 Anläßlich seiner bevorstehenden Abberufung aus Frankfurt schrieb Andrian ins Tagebuch: „Übrigens bin ich herzensfroh, daß ich von hier wegkomme - die Ereignisse hier nehmen einen Gang, der mir durchaus nicht gefällt - und ich habe auch das Interesse daran verloren, seit es mir klar geworden ist, daß Österreich, wenigstens unter diesen Bedingungen und vielleicht unter keinen, nicht bei Deutschland bleiben kann." Und am 22. Dezember 1848 druckte die Wiener Zeitung ein „Sendschreiben an meine Wähler", in dem es u. a. hieß: „Ich leugne nicht und will es nicht leugnen, daß ich als Österreicher vor allem anderen an dem Namen Österreich, an seinen tausendjährigen Erinnerungen, an seiner glorreichen Geschichte hänge, und daß ich selbst, wenn ich es für möglich hielte, die Hand nicht dazu bieten könnte, diese Bande zu zerreißen und diesen ruhmvollen Namen zu verwischen. Aber abgesehen von subjektiven Gefühlen glaube ich, daß der kalte unbefangene Blick des Staatsmannes zu keinem anderen Resultat gelangen wird. Ich hege die feste Überzeugung, daß ein großes einiges Österreich im europäischen und besonders im deutschen Interesse unumgänglich notwendig ist - und daß dieses Österreich nicht auf einer vorherrschenden Nationalität, sondern auf der Gleichberechtigung aller Nationalitäten begründet sein müsse." Fellner, Tagebücher Andrian-Werburg, MÖStA, 26 (1973), 336 f.
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eher" als Deutsche (Lasser) und dachten nicht daran, „sich dem Zug der deutschnationalen Bewegung nach einem Aufgehen Österreichs in einem geträumten deutschen Einheits- und Bundesstaat anzuschließen" (Hasner).m Auch Franz Schuselka wandelte sich vom aggressivdeutschnationalen zum betont das Kaiserreich bejahenden Politiker.417 Das Frankfurter Parlament war ja schon durchaus ein modernsprachnationales: Die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung wurden zwar im gesamten Gebiet des Deutschen Bundes ausgeschrieben, aber nach Palackys Absagebrief beteiligten sich die Tschechen nicht an dieser Wahl, und genauso verweigerten die Italiener des Trentino ihre Teilnahme.418 Damit wurde die deutsche Nation vom Bundesgebiet auf das Sprachgebiet eingeschränkt. Nach dieser Vorentscheidung von der Basis her fiel freilich die endgültige von der Seite der Regierungen, die nach ihren militärischen Erfolgen 1848/49 das Frankfurter Parlament beiseite schieben konnten. Ob es die reale Machtlosigkeit war, die schon 1848 einen prominenten Theoretiker des Deutschnationalismus, und zwar Ernst Moritz Arndt, am 5. Juni im Frankfurter Parlament zu folgenden martialischen Tönen bewog: „Entweder die sechs bis sieben Millionen Slawen in den deutschen Bundesstaaten sind ein integrierender Teil der deutschen Nation, wie die Elsässer und Bretagner der französischen, die Waliser, Gälen und Iren der britischen, die fünf Millionen Deutschen der Union der angloamerikanischen Nation, oder aber sie sind und sollen sein deren Knecht." - ? 419
Gemeint waren hier neben der slawischen Bevölkerung Preußens die Tschechen und Slowenen. Neigung zu gewaltsam-kriegerischen Lösungen der „deutschen Frage" sprach auch aus gewissen Versen eines anderen berühmten Poeten, nämlich Friedrich Hebbels, der schon 1862 die Einigung Deutschlands als kriegerischen Akt nach außen (mit möglichen Dämpfungen der diversen Untermenschen) ansah: „... weis't ihr den Welschen und den Reußen, Die andern sterben so, zur Ruh! Horcht, wie's in vollem, immer vollem,
416 Heindl, Bürokratie, 88. 417 Lengauer, Identität, 195 ff. 418 Burian, Nationalitäten, 168, betont die Wahlenthaltung der Trentiner für den Tiroler Landtag, während man nach Frankfurt wohl ging, aber nur, um dort die Entlassung des Trentino aus dem Deutschen Bund zu fordern (ebd. 164). 419 Zitiert nach Jirf Kofalka, Prag - Frankfurt im Frühjahr 1848: Österreich zwischen Großdeutschtum und Austroslawismus, in: Lutz I Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, 117 ff., hier bes. 127.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Accorden durch das Reich erklingt: Ob Habsburg oder Hohenzollern, Der Kaiser ist, wer das vollbringt.. ,"420
Beziehungsweise: „... Auch die Bedientenvölker rütteln Am Bau, die jeder tot geglaubt, Die Czechen und Polacken schütteln Ihr struppig Karyatidenhaupt.. ,"421
Damit ist das überlieferte Überlegenheitsgefühl der Deutschen auf eine andere Ebene als die traditionelle kulturelle transformiert worden. Josef Redlich führt diese machtpolitische Wendung des deutschen Nationalismus auf das im Jahre 1848 siegreich gebliebene kleindeutsche Denken zurück: „Eine Geschichte der deutschen Revolutionszeit von 1848, welche ein erschöpfendes Bild der geistig-politischen Kräfte gäbe . . . würde beweisen, wie schwer die kleindeutsch-preußische Richtung mit ihrer Realpolitik' die geistige und ethischpolitische Entfaltung des jungen deutschen Nationalismus beeinträchtigt und ihn von vornherein allzu stark mit machtpolitischen Gedankengängen erfüllt hat.. ,"422
Etwas von diesem Geist blieb später in beiden deutschen Nationen erhalten - kriegerisch-aggressiv aufgeladene Überlegenheitsgefühle gegenüber vor allem den slawischen Völkern im Osten und Südosten des deutschen Sprachgebietes. Das ist für spätere Entwicklungen im Auge zu behalten. Doch zurück zur Frage der Nationsbildung: Hatte man sich in Frankfurt im Frühjahr 1849 letztlich auf eine Ausschließung Österreichs aus Deutschland geeinigt, so konnte das erstarkte Österreich Schwarzenbergs diesen Beschluß annullieren und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes bewirken. Aber dieser Schwebezustand war auf die Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Zweifellos wirkten sich nunmehr, seit etwa 1850, die wirtschaftlichen Wachstumskräfte zugunsten der kleindeutschen Lösung, zugunsten eines Deutschland ohne Österreich, aus.423 Die Niederlage von 1866 bedeutete nur die Besiegelung jener Vorgänge. Jetzt wurde der Deutsche Bund faktisch aufgelöst. Das deutsche Nationalbewußtsein nach 1871 bezog sich auf das Bismarck-Reich. Es war „kleindeutsch". Dies war aber die Konsequenz 420 421 422 423
Lengauer, Identität, 200. Ebd., 199. Redlich, Reichsproblem 1/2, 33. Vgl. die Artikel von Karl Erich Born und Herbert Matis über die deutsch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen 1815-1938 in dem genannten Band von Kann / Prinz, 350 und 370, wobei Born aus deutscher, Matis aus österreichischer Sicht schrieb.
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nicht nur der preußischen Politik, sondern schon des vormärzlichen Nationsbildungsprozesses. Die Deutschen im „außerösterreichischen Deutschland" „bildeten" sich zur Nation. Der Kampf gegen Napoleon, das Reformationsjubiläum (Wartburgfest 1817), die deutsche Klassik, die Brüder Grimm, der Zollverein, der Kölner Dombau, der angeblich drohende Krieg mit Frankreich 1840, die Eisenbahn - alles das beförderte die Entwicklung der Deutschen zu einer Nation. 424 Und diese Nationsbildung schloß schon vor 1848 Österreich in den führenden Köpfen der bürgerlichen Nationalbewegung aus.425 Immer deutlicher fiel in diesem Deutschland Preußen die entscheidende Rolle zu, zunächst auf wirtschaftlichem Gebiet, in der Entwicklung der Wissenschaften usw. „Preußen" wurde zum Symbol für Fortschritt und Einigkeit, „Österreich" zum Symbol für Spaltung und Rückschritt: „Österreich ist Deutschland fremd geworden, hat seinen deutschen Namen gegen einen europäischen vertauscht und steht nun allem, was wir von deutschem Eigentum noch gerettet haben, allem, worauf Deutschland noch einen Stolz setzen darf, seinem geistigen Leben, seiner Literatur, seinen Hochschulen, schroff, man könnte sagen, feindselig, gegenüber. In Deutschland ist für Österreich und für Deutschland ist von Österreich forthin nichts mehr zu erwarten... Für das alte und starre Österreich tritt nun das junge und bewegliche Preußen ein. Dieser Staat besitzt ein wohlwollendes Fürstenhaus, eine aufgeklärte Regierung, eine musterhaft geordnete Verwaltung, ein System der Volksbewaffnung . . . endlich, . . . ein Volksgefühl, wodurch die Preußen vor allen deutschen Stämmen sich auszeichnen .. ."426
Während also die nationalbewußten liberalen „Reichsdeutschen" Österreichs Mitgliedschaft in Deutschland höchst ungern sahen, wurde ebendieses „Deutschland" in Österreich vielfach bewundert. Es entstand ein romantischer Deutschnationalismus, der sich von den diversen Vorzügen des außerösterreichischen Deutschland meist übertriebene Vorstellungen machte - übertrieben schon deshalb, weil man nicht so leicht dorthin kam. 427 Andererseits blieb Wien im Vormärz 424 Otto Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland 1770-1990, München 1993, 93 ff. 425 Lothar Gall, Bürgertum in Deutschland, Berlin 1989, 265 (die Mannheimer „Deutsche Zeitung" von Karl Mathy und Friedrich Daniel Bassermann forciert Einigung Deutschlands unter Ausschluß Österreichs). 426 Paul Pfizer, Briefwechsel zweier Deutschen, 1831 (zit. nach Weber-Baldamus, Lehr- und Handbuch der Weltgeschichte, 23. Aufl., 4. Bd., Neueste Zeit, Leipzig 1923, 248 f.). 427 So hat Franz Schuselka, einer dieser Deutschland-begeisterten Publizisten, auf eine erste Begegnung mit der deutschen Realität so reagiert: „Der grelle Unterschied zwischen dem Deutschland in Zeitschriften und Büchern und im eigentlichen deutschen Volke machte uns stumm." Zit. nach Hubert Lengauer, Ästhetik und liberale Opposition. Zur Rollenproblematik des Schriftstellers in der österreichischen Literatur um 1848, Wien - Köln 1989, 83 ff.
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und bis in die 1850er Jahre noch ein wichtiges Ziel zahlreicher aus Deutschland kommender Publizisten, Künstler, Politiker, Handwerker, Unternehmer. Doch es gab auch auf seiten der deutschen Österreicher starke Distanz- oder Differenzempfindungen. Franz Grillparzer etwa, der andererseits sehr viel Wert drauf legte, ein deutscher Dichter zu sein, schrieb unter anderem: „Die neueren Deutschen treiben ihre gelehrten Wunderlichkeiten ohne sich um die möglichen praktischen Folgen viel zu kümmern. Damit wagen sie bei ihren Landsleuten nicht viel, da diese nicht so schnell bereit sind, ihre Meinungen oder (s. v. v.) Überzeugungen in's Werk zu setzen. Kommen aber derlei Schlagworte an Völker, die bei weniger Denkkraft, mehr Neigung haben ihre Entschlüße praktisch zu machen, oder bemächtigt sich ihrer gar die Schurkerei als willkommenen Vorwand für eigene Unternehmungen, so entstehen daraus Verwirrungen, ja Kalamitäten, unter denen gerade wir Österreicher am meisten zu leiden haben. Diese neu=deutschen Fortschritts=Pharasen nun sind: Nazionalität, Sprachen=Abgötterei und übertriebene Werthschätzung der Geschichte .. ."428
Von Grillparzer stammt aber nicht nur dieser sehr erhellende Hinweis auf die nationsbildende (und damit tendenziell für die Habsburgermonarchie gefährliche) Kraft von „Sprache" und „Geschichte" als neuer Symbollieferanten. Er hat einige Exponenten der neueren deutschen Geistesströmungen auch direkt angegriffen, etwa den Literaturhistoriker Gervinus. Zur dritten Auflage (1849): „Die ganze Poesie wäre also nichts als eine Vorschule für die politische Freiheit und Goethe und Schiller nur die bornierten Vorläufer der Herren Gervinus, Dahlmann und sonstiger volkstümlicher und radikaler Lumpe .. ."429 Dahlmann430, ferner Gustav Droysen, Georg Waitz und Georg Beseler haben 1848 schon nach einem klaren kleindeutsch-preußischen Programm in Frankfurt gearbeitet.431 Gervinus hat auch öffentlich in bösartigster Weise gegen Österreich Stellung genommen, was den späteren Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchives, Alfred von Arneth, zur Charakterisierung „widerlich" bewog.432 Aber auch Gagern, Rotteck,
428 Grillparzer, Sämtliche Werke, 2/12,51, zit. nach Lengauer, Kulturelle und nationale Identität, 206. 429 Franz Grillparzer, Werke 2 (hg. v. Paul Stapf), München o. J., 617-628. 430 Friedrich Christoph Dahlmann, 1785-1860, Verfasser des Protestes der „Göttinger Sieben" (1837), nach Ausweisung nach Leipzig, 1842 Universität Bonn, galt als politische Autorität. Seine Vorlesungen bestimmten das Urteil der gebildeten Mittelklassen in Deutschland (Brockhaus, 1896), für Deutschlands Einigung unter Ausschluß Österreichs. 431 Adam Wandruszka, Großdeutsche und kleindeutsche Ideologie 1840-1871, in: Kann / Prinz, Hg., Deutschland und Österreich, hier 121. 432 Wandruszka, Ideologie, 123.
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Droysen, Bunsen, Sybel, Heinrich von Treitschke und Theodor Mommsen waren gegen die Integration der Deutschösterreicher in das neue Deutsche Reich. Treitschkes Ablehnung Österreichs ist bekannt. 433 Und von Theodor Mommsen stammt der erhellende Satz: „Der Bayer ist der Übergang vom Österreicher zum Menschen."434 Der berühmte Sybel - Ficker-Streit ist nur vor diesem (kultur- und nations-)historischen Hintergrund zu verstehen: 1859 machte Kaiser Franz Joseph seinen deutschen (insbesondere preußischen) Verbündeten wegen mangelnder Hilfe bittere Vorwürfe. Diese Auseinandersetzungen provozierten den Historikerstreit um den Stellenwert der mittelalterlichen Kaiserpolitik, die der kleindeutsch orientierte Heinrich von Sybel unter dem freilich anachronistischen Aspekt der Bedürfnisse der deutschen Nation negativ bewertete, während Julius von Ficker eine positivere Bewertung vornahm.435 Im übrigen machten etwas später deutschnationale, schlagende österreichische Studenten ähnliche Erfahrungen: Den Bestrebungen nach Gründung einer das Deutsche Reich und Österreich umfassenden Dachorganisation von Burschenschaften stand man in Deutschland kühl gegenüber.436 Versucht man, diese Differenz-Erfahrungen etwas abstrakter und thesenhafter zu formulieren, so ließe sich sagen: Die deutsche Nationsbildung in „Deutschland" (= auf dem Gebiet des späteren BismarckReiches) rankte sich um die preußischen und protestantischen Traditionen, ihre Symbolfiguren waren Luther und Friedrich II. von Preußen. Zu den Differenzbildern der sich zwischen etwa 1830 und 1871 konstituierenden deutschen Nation gehörte neben Frankreich und Rußland auch das „rückständige", „reaktionäre", „undeutsche" Österreich. Die parallel dazu verlaufende Nationsbildung der Deutschösterreicher verwendete dagegen die Identifikationsbilder „österreichischer Kaiser" und „deutsche Kultur", wobei im letzteren Bereich neben Identifikationen auch wieder diverse Differenzen wahrgenommen wurden (bei Grillparzer und Stifter, später bei Hofmannsthal). Diese Differenzen könnten in einer gewissen Verstandeslastigkeit gesehen werden, die man den Deutschen in Deutschland zuschrieb, anders aus433 Erwin Dillmann, Österreich und die Österreicher im Werk Treitschkes, in: Ö G L 36,1992, Heft 1, 13-23. 434 Berhold Sutter, Die politische und rechtliche Stellung der Deutschen in Österreich 1848 bis 1918, in: A . Wandruszka / P. Urbanilsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918 III/l (Wien 1980), 154-339, 205. 435 Zum Sybel-Ficker-Streit vgl. V. Dotterweich, Heinrich von Sybel. Geschichtswissenschaft in politischer Absicht, 1978. 436 Johann Ramminger, Nationalismus und Universität: die Genese des Nationalismus und die cisleithanischen Universitäten 1859-1900, ms. phil. Diss.,Wien 1981.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
gedrückt, dem Erbe des deutschen Idealismus (Grillparzer hat Hegel auch nicht gemocht), der seinerseits in Österreich niemals wirklich rezipiert wurde.437 Wir stehen hier auch (und nicht zuletzt) vor einem semantischen Problem. Während für Ungarn, Tschechen, Slowenen „die Deutschen" die österreichischen Deutschen waren (die unmittelbaren Kontrahenten der nationalen Auseinandersetzungen), waren für die Deutschen „im Reich" „die Deutschen" sie selbst, die österreichischen Deutschen waren Deutschösterreicher oder österreichische Deutsche. Von österreichischer Seite sprach man, meinte man jene Deutschen, von „Reichsdeutschen"; analoge Bildungen gibt es auch im Tschechischen und Slowenischen. Der gemeinsame Oberbegriff „Deutsche" bezeichnet eine Sprachgruppe, kann aber im Zeitalter des Nationalismus auch das Vorhandensein einer gemeinsamen Nation suggerieren, während tatsächlich zwei Nationsbildungen abliefen. Die „reichsdeutsche" Nation hatte dabei keine Probleme, sich symbolisch durch den Stolz auf Luther, die Aufklärung, die Weimarer Klassik, die Entwicklung der Wissenschaft, ökonomisch durch den Zollverein, politisch durch die Verfassung 1848/49 und die Reichsgründung 1870/71 von Österreich nationskonstitutiv abzugrenzen. Umgekehrt war das etwas komplizierter, da die einheitsstiftende Symbolik der Deutschösterreicher neben dem eigenen Herrscherhaus eben auch die „deutsche Kultur" umfaßte. So konnte Schiller zu einer „gesamtdeutschen", die Deutschösterreicher mit umfassenden Symbolfigur werden, zu deren Ehre 1859 im ganzen deutschen Sprachraum (und darüber hinaus) Feiern stattfanden, die nicht nur eine ideelle, sondern auch die praktisch-politische Einheit der sich formierenden deutschen Nation befördern sollten. Zugleich war Schiller eine zentrale Identifikationsfigur des Bürgertums allgemein.438 Das aufkeimende Nationalbewußtsein der deutschsprachigen Österreicher begann sehr früh jene mehrfältige Identifikationsebenen auszubilden, die es späterhin gestatten sollten, die emotionale Beheimatung in der „deutschen Kulturnation" mit der im österreichischen Kaiserstaat (und in den jeweiligen Kronländern) zu verbinden. Es entstand die Nation der Deutschösterreicher (oder der österreichischen Deutschen). Geradezu in klassischer Weise hat deren doppelseitige Selbst437 Peter Kampits, Zwischen Schein und Wirklichkeit. Eine kleine Geschichte der österreichischen Philosophie, Wien 1984. 438 Zu den Wiener Schiller-Feiern vgl. Juliane Mikoletzky, Bürgerliche Schillerrezeption im Wandel: österreichische Schillerfeiern 1859-1905, in: Hanns Haas I Hannes Stekl, Hg., Bürgerliche Selbstdarstellung. Städtebau, Architektur, Denkmäler (= Bürgertum in der Habsburgermonarchie IV, Wien - Köln - Weimar 1995), 165-184.
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Zuordnung Robert Hamerling in seinem Gedicht „Vaterland und Mutterland" zum Ausdruck gebracht: „Deutschland ist mein Vaterland! U n d Ostreich? Ei, mein Mutterland! Ich liebe sie innig beide .. ." 439
Die Deutschösterreicher sahen sich als staatstragende Nation der Monarchie, als „beste Österreicher".440 Als „Deutsche" orientierten sie sich aber auch an einem „Deutschtum", das irgendwie mit „Deutschland" verbunden war. Dieses hatte bis 1870 nur ungenaue Konturen, war aber mit positiven Konnotationen verbunden: Deutschland war ein Land der Kultur, großer Dichter und Philosophen, einer tüchtigen Wirtschaft.441 Mit diesem Zugehörigkeitsgefühl zu „Deutschland" war bei vielen Deutschösterreichern ein ausgeprägter österreichischer Patriotismus und ein ebenso ausgeprägtes Festhalten an der eigenen österreichischen Staatlichkeit verbunden.442 Vielleicht fühlten Akademiker und Wissenschaftler intensiver „deutsch" (und sich selbst stärker der „deutschen" Kulturwelt zugehörig) als Wirtschaftsbürger, Unternehmer, Handwerker. Ein Beispiel für viele: Der große Altphilologe Theodor Gomperz pflegte eine gewisse 1848er Attitüde, so wenn er seine Kinder an den fünfzigsten Jahrestag der Vereidigung der deutschen Bundestruppen auf den Reichsverweser erinnerte. Sein Bruder, der Unternehmer Julius, war hingegen ein ausgesprochener österreichischer Patriot.443
439 Arthur Trebitsch, Hg., Deutscher Geist aus Österreich, Berlin - Wien - Leipzig 1920, 33. 440 Vgl. Emst von Plener (1892, Österr. Delegation, 17. 10.): „Die Deutschen in Österreich sind, ich will nicht sagen, die besten Österreicher - das würde die anderen Nationalitäten verletzen - allein sie sind durch und durch gute Österreicher, sie wollen aber zugleich und das sollten gerade die nationalen Parteien der anderen Seite ihnen nicht verübeln ihre nationale Eigenschaft als Deutsche in diesem vielsprachigen Lande aufrecht erhalten ..." Ernst von Plener, Reden 1873-1911, Stuttgart - Leipzig 1911, 719. 441 So schon im Vormärz, vgl. Lengauer, Ästhetik, 210, der auch auf eine gewisse Tradition dieser Konnotationen verweist (auch Richtung Marx und die „linke" Tradition). 442 Das hat 1848 der „Bauernbefreier" Hans Kudlich recht gut gesehen, als er - natürlich abfällig - schrieb: „Die Wiener . . . wollen sich Deutschland nicht unbedingt, sondern nur unter Vorbehalt einer ganz unbedeutenden Kleinigkeit, der Souveränität, anschließen ..." (Hans Kudlich, Rückblicke und Erinnerungen, 1, Wien - Pest 1873, 250). 443 Robert A. Kann Hg., Theodor Gomperz. Ein Gelehrtenleben im Bürgertum der FranzJosefs-Zeit. Auswahl seiner Briefe und Aufzeichnungen, 1869-1912, erläutert und zu einer Darstellung seines Lebens verknüpft von Heinrich Gomperz. (Sitzungsberichte der österr. Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Kl., 295. Bd.), Wien 1974, 20 (Einleitung), 292 (Erinnerung an den fünfzigsten Jahrestag der Vereidigung der Bundestruppen auf den Reichsverweser), 433 (kühles Verhältnis zum Kaiser).
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Deutsches Nationalbewußtsein
in Österreich 1848-1918
Im Vormärz akzentuierten sich, wenngleich zeitlich abgestuft, die diversen (sprach-)„nationalen" Strömungen deutlicher - die deutsche, aber auch die tschechische, polnische, magyarische, slowenische, kroatische usw. „Österreichisch" blieb demgegenüber eine übernationale bzw. nichtnationale Größe, nur wenige Schriftsteller, die sich mit dem Phänomen des Nationalismus auseinandersetzten, forderten die Konstituierung der österreichischen Nation. 444 Die Deutschen in Österreich hatten zweifellos die relativ größten bürgerlichen Schichten, den höchsten Bildungsstand, die größte wirtschaftliche Kraft. Die Nationsbildung hätte bei den Deutschen daher am weitesten fortgeschritten sein können. Sie konnte aber, als Folge der engen Bindung der Deutschösterreicher an die Monarchie, keine Dynamik aus der Opposition gegenüber dem Staat gewinnen. Außerdem hat sich im Neoabsolutismus zwischen 1849 und 1860 noch verstärkt eine Identifikation zwischen dem absolutistisch-bürokratischen Staatswesen und dem deutschösterreichischen Bildungs- und Besitzbürgertum herausgebildet. 445 Mit der Änderung der gesellschaftlichen Basis des bewußten Deutschtums in Österreich von einer Bürokratie, die selbst in ihren Germanisierungsabsichten immer nur das Habsburgerreich retten wollte,446 zu einem neuen Wirtschaftsbürgertum - dieser Wandel vollzieht sich prototypisch im Beamten Viktor von Andrian, der nach 1848, vom Staatsdienst ausgeschlossen, eine neue Funktion als Verwaltungsrat der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn erhielt 447 - änderte sich das Verhältnis zur Staatsgewalt nicht grundlegend. Das Wirtschaftsbürgertum hatte Interesse an einem großen, einheitlichen Wirtschaftsgebiet, an einheitlicher Gesetzgebung und Verwaltung, an Schutz vor der Konkurrenz des Auslandes, vor allem auch vor jener des deutschen Zollvereines. 448 Das politische Bewußtsein 444 So beispielsweise Victor Frh. von Andrian-Werburg, Österreich und dessen Zukunft, Hamburg 31843 - er fordert Reichsstände als „oberstes repräsentatives Organ der österreichischen Nation", ohne die fortschreitende Konsolidierung der (Sprach-)Nationen zu übersehen. 445 Redlich, Staats- und Reichsproblem 1/1, 477 ff. 446 Anton von Springer (1859): „Wohl müssen, ähnlich wie die Heerglieder, auch die einzelnen Stämme zum einheitlichen Österreicherthume disciplinirt werden: eine blos äußerliche Schulung würde jedoch das gemeinsame politische Bewußtsein nicht schaffen, die schroffen nationalen Gegensätze nicht abschleifen. Gleich über der untersten Schicht muß das zweisprachige Volk beginnen, in den bürgerlichen Kreisen der Anschluß an deutsche Bildung, in den gelehrten an deutsche Wissenschaft ernst durchgeführt werden." (Zit. nach Lengauer, Identität 203.) 447 Fellner, Tagebücher Andrian-Werburg (wie Anm. 409) 339. 448 Vgl. dazu Véra Vomacková, Österreich und der deutsche Zollverein, in: Histórica V (1963),
D e r Sprachnationalismus und das Identitätsproblem II
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der deutschen bürgerlichen Oberschichten der Monarchie paßte sich, gegen einige Konzessionen auf dem Gebiete der Vertretung wirtschaftlicher Interessen (Einrichtung von Handelskammern - einzige unabhängige Interessenvertretung im Neoabsolutismus!), dem österreichischen Obrigkeitsstaate an: „... Die Versöhnung der Deutschen in Österreich mit dem erneuerten Obrigkeitsstaat wurde zweifellos auch dadurch besonders gefördert, daß sich ihre Oberklasse als den historischen Hauptinteressenten an diesem Staate erkannte, daß ferner damals die Deutschen allein in Österreich eine eigentliche Bourgeoisie besaßen. Für diese aber ist überall der .Staat' als Inbegriff der zentralistisch geleiteten und daher im gesamten Staatsgebiete gleichmäßig und zuverlässig arbeitenden öffentlichen Gewalt sozusagen ein unentbehrliches Produktionsinstrument [...] was in Deutschland der Zollverein herbeiführte, gewährte der jungen deutschösterreichischen Großindustrie, der Wiener Finanz und dem Wiener Großhandel die konsolidierte Administration des Einheitsstaates, d. h. der kaiserlichen Zentralregierung."449
In einem Staatswesen, in dem die deutsche Sprache de facto (nicht de jure!) Staatssprache war, in dem die höchst industrialisierten Gebiete die deutschen waren und in dem das Zentrum in einem deutschen Kronland lag, bedeutete die Kenntnis der deutschen Sprache zahlreiche soziale Vorteile. Noch immer war sozialer Aufstieg praktisch mit Übergang zur deutschen Sprachgruppe und des weiteren oft genug mit Übergang zu einem deutschen Nationalbewußtsein identisch 450 Die Verfassungen von 1861 und 1867 befestigten diese Zustände. Das Zensus- und Kurienwahlrecht sicherte auf gut liberale Manier den wirtschaftlich besser entwickelten und gebildeten Deutschen einen unverhältnismäßig großen Anteil am parlamentarischen Leben. Aber auch nach einer gewissen Reduktion dieses Anteiles behielten sie ihre führenden Positionen in Verwaltung und Armee.451 Die Zentralverwaltung und ihre Unterbehörden bis hinunter zu den Bezirksbehörden bedienten sich (abgesehen von Galizien) der deutschen Sprache. Es dauerte lange, bis die 1867 grundgesetzlich festgestellte Gleichheit der Sprachen und Sprachgruppen auch mehr oder weniger Realität wurde. Zum 109 ff.; ergänzend Arnost Klima, Verhandlungen über den Beitritt Böhmens zum deutschen Zollverein 1848, in: Herbert Knittler Hg., Wirtschafts- und sozialhistorische Beiträge, Festschrift für Alfred Hoffmann, Wien 1979, 308 ff. 449 Redlich, Reichsproblem 1/2, 71. 450 Berthold Sutter, Die politische und rechtliche Stellung der Deutschen in Österreich 1848 bis 1918, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918 Bd. III/l, 154-339, 159. 451 Peter Urbanitsch, Die Deutschen in Österreich. Statistisch-deskriptiver Überblick, in: A. Wandruszka I P. Urbanitsch, Hg., Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. III/l, 33-153, insbes. 109.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Selbstbewußtsein der Deutschen in der Monarchie trug es zweifellos bei, daß Wien als Regierungszentrum und wirtschaftliche Kommandozentrale von den Transfereinkommen profitierte, die hier konzentriert wurden, so daß indirekt die Wiener von den übrigen Reichsteilen ernährt wurden.452 Aus allen diesen Verhältnissen resultierte ein ungebrochenes Besitzdenken der Deutschösterreicher hinsichtlich der gesamten Monarchie, das sich beispielsweise in der Denkweise der Großelterngeneration noch ganz deutlich äußert, wenn man davon spricht, daß „wir" 1918 Böhmen, Galizien, Ungarn (!) usw. verloren hätten. Man war also der Herr im Hause. Die wildesten Auseinandersetzungen der Jahrzehnte zwischen etwa 1870 und 1914 gingen immer aus der Abwehr irgendwelcher Versuche hervor, die Ansprüche der nichtdeutschen Nationen wenigstens in bescheidenem Maße zu erfüllen: Jeder dieser Versuche hätte notwendig eine Minderprivilegierung der Deutschen zur Folge gehabt. Einige, wie die Badenischen Sprachenverordnungen, hätten bei der Verwirklichung ihrer Bestimmungen über die Zweisprachigkeit von Beamten tatsächlich eine momentane Bevorzugung der Tschechen bedeutet, da sich ja die Deutschen niemals in der Zwangslage befunden hatten, Tschechisch lernen zu müssen.453 So entstand der deutsche Nationalismus in der Habsburgermonarchie als defensiver Nationalismus: Je weniger die Monarchie als Herrschaftsbereich der österreichischen Deutschen empfunden werden konnte (die übrigens durch dieses Empfinden langhin auf andere Wünsche nach politischer Partizipation verzichten konnten 454 ), desto weniger wurde das Habsburgerreich als 452 Der die Frage der Gleichberechtigung betreffende Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes von 1867 lautet: (1) Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache. (2) Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt. (3) In den Ländern, in welchen mehrere Volksstämme wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein, daß ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausbildung in seiner Sprache erhält." Hinsichtlich der Gleichberechtigungsfrage ist für einen Teilbereich recht instruktiv Sergij Vilfan, Die Österreichische Zivilprozeßordnung von 1895 und der Gebrauch der slowenischen Sprache vor Gericht, Graz 1970. Allgemein die umfängliche Zusammenfassung von Gerald Stourzh, Die Gleichberechtigung der Volksstämme als Verfassungsprinzip 1848-1918, in: A. Wandruszka / P. Urbanitsch, Hg., Habsburgermonarchie III/2, 975-1206, insbes. 1041 ff.; partiell ergänzt als eigenständige Publikation unter dem Titel „Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848-1918", Wien 1985. - Zur Frage der Transfereinkommen vgl. Peter J. Katzenstein, Disjoined Partners. Austria and Germany since 1815, Berkeley - Los Angeles 1976,115 f. 453 Ebd., 222 ff. 454 Vgl. dazu unten S. 340, Anm. 582.
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Bezugsrahmen der deutschen Identifikation gefühlt und desto stärker traten im deutschen Nationalbewußtsein deutschnationalstaatliche Komponenten auf. Freilich blieben sie immer in der Minderheit. Schönerer und seine österreichfeindliche Komponente des Deutschnationalismus zog niemals große Massen an. Es genügte aber zweifellos, daß diese Art von Deutschnationalismus eine breite Anhängerschaft bei den Studenten und in gewissen Kreisen von Mittelschülern finden konnte - man lese nur bei Adolf Hitler nach.455 Dieser massive defensive Nationalismus blieb im großen und ganzen gesehen recht erfolgreich. Man konnte vorübergehend sogar solche Forderungen der „kleinen Nationen" verhindern, die, wie jene nach den slowenischen Parallelklassen des Untergymnasiums in Cilli, noch gar nichts anderes zur Folge gehabt hätten als eine leichtere Integration slowenischer Bauernkinder in die deutsche Bildungsnation. Dieses Problem wurde 1894/95 zu einer nationalen Frage ersten Ranges hochstilisiert und bedeutete den Beginn der letzten, heißen Phase der nationalen Auseinandersetzungen in der Monarchie.456 Der wachsenden sprachnationalen Identifikation konnten sich auch so prinzipiell anationale oder vornationale Institutionen wie die Kirche oder die Bauernschaft nicht mehr entziehen. Katholische Studentenverbindungen in Wien wurden bis spätestens 1900 „deutsch", nichtdeutsche Studenten durften nicht mehr aufgenommen werden, die Kontakte zu katholischen Studentenvereinen der Italiener oder Slowenen in Wien rissen ab. Und im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurden auch von konservativen und christlichsozialen Bauernorganisationen, die vordem von nationalen Fragen fast ganz unberührt gewesen waren, immer deutlicher nationale Forderungspunkte aufgestellt. Auch die Einrichtungen der Arbeiterschaft begannen, mit dem Wachsen des nationalen Selbstbewußtseins, besonders der tschechischen Arbeiter, nach sprachnationalen Kriterien zu zerfallen.457
455 Adolf Hitler, Mein Kampf, München 551933, 10 f.; Paul Molisch, Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich von ihren Anfängen bis zum Zerfall der Monarchie, Jena 1926, 90 f. und öfter. 456 Sutter, Die Deutschen, 222 ff.; die hier angesprochene Periodisierung bei Fran Zwitter, Les problèmes nationaux dans la monarchie des Habsbourgs, Beograd 1960. 457 Ernst Bruckmüller, D i e Verbindungen des C V in Österreich vor dem Ersten Weltkrieg, in: Gerhard Hartmann, Hg., Der C V in Österreich, Graz 1977, insbes. 15 ff.; vgl. dazu ferner: Gerhard Popp, CV in Österreich 1864-1938. Organisation, Binnenstruktur und politische Funktion, Wien - Köln - Graz 1984, 145; Ernst Bruckmüller, Landwirtschaftliche Organisationen und gesellschaftliche Modernisierung, Salzburg 1977, 234 f. Zur nationalen Problematik der Arbeiterbewegung vgl. Hans Mommsen, Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburgischen Vielvölkerstaat, Wien 1963; Helmut
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
Auch bei den Deutschen spiegelt sich die Nationswerdung und das Wachstum des Nationalismus im Vereins wesen. Typischerweise als erster erschien 1848 in Wien ein „Verein der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien zur Aufrechterhaltung ihrer Nationalität", 1867 entstand ein „Deutscher Volksverein" in Wien, 1869 ein Verein der Deutschnationalen in Graz. 458 Ab etwa 1880 trat eine neue Erscheinung auf, die Schulvereine. Sie wurden als Schulerhalter in nationalen Problemzonen, neben den Turnvereinen, die wichtigsten Träger des Nationalitätenkampfes. In den österreichischen Alpenländern wirkte der heute noch existente deutschnationale Schutzverein „Südmark", der 1889 in Graz gegründet wurde. 459 Langfristig verringerte sich die Identifikation der österreichischen Deutschen mit der Monarchie. Als Gegenbewegung zu dieser gefährlichen Entwicklung wurde dann immer wieder der „deutsche" Charakter des Staates betont oder zumindest die zentrale Rolle oder „Sendung", die die Deutschen in ihm durchzuführen hätten.460 Prompt löste aber diese deutsche Betonung Österreichs Frustrationen bei den anderen, gerade zu betontem Selbstbewußtsein gekommenen Nationen aus. Das war in Friedenszeiten mehr oder weniger schlimm; während des Ersten Weltkrieges mußte diese deutsche Orientierung, die von den deutschen Parteien und Organisationen massiv gefordert und von Regierungen infolge dieses inneren ebenso wie des Druckes des Deutschen Reiches exekutiert wurde, das Ende der Monarchie letztlich nur beschleunigen. Bis zuletzt beharrten die Deutschen auf der Fiktion, dies sei ihr Staat, während die nichtdeutschen Nationen, die aus den verschiedensten Gründen an der Monarchie bislang festgehalten hatten, nunmehr darangingen, ihre gefundene nationale Identität in staatliche Realitäten zu kleiden.461 Deutschnationaler Radikalismus und seine Symbole in Österreich Radikalisierter Deutschnationalismus konnte aber nicht mehr nur die Vorherrschaft der Deutschen im österreichischen Teil der Monarchie
458 459 460
461
Konrad, Nationalismus und Internationalismus. Die österreichische Arbeiterbewegung vor dem 1. Weltkrieg (Materialien zur Arbeiterbewegung 4), Wien 1976. Molisch, Deutschnationale Bewegung, 73. Molisch, ebd., 139; Sutter, Die Deutschen, 213. Ganz durchdrungen von dieser Anschauung ist etwa das weit verbreitete Handbuch der Geschichte Österreichs von Karl und Mathilde Uhlirz, bes. II/2 (1848-1914), freilich 1941 erschienen (aber vor 1938 las man's auch nicht anders!). Sutter, Die Deutschen, 318 ff.
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anstreben, sondern gleich deren Auflösung und die Einkehr der Deutschösterreicher ins deutsche Mutterland. Symbolisch drückt sich das in gewissen Zeichen aus, die etwa von Georg von Schönerer und seinen Anhängern getragen wurden. Die Kornblume als Symbol der Deutschnationalen - noch das Blau der heutigen österreichischen Freiheitlichen trägt die Farbe weiter - hat natürlich einen ausgesprochen irredentistischen Einschlag, galt sie doch als Lieblingsblume des deutschen Kaisers Wilhelm I. Ferner galt sie als Sinnbild des alten Germanentums, denn: „Die Kornblume ist für uns Deutsche das Sinnbild deutscher Treue [...] So eine Kornblume ist ein Stück Himmelsblau auf Erden und die blaue Blume im goldglänzenden Kornfeld erinnert uns an die blauen Augen und den goldblonden Haarschmuck unserer germanischen Voreltern."462
Die Behörden reagierten darauf mit dem Verbot für Mittelschüler, die Kornblume zu tragen; dabei handle es sich um einen Verstoß gegen das „Verbot des Tragens von politischen oder sonstigen Abzeichen".463 Im Juli 1882 wurden in Leitmeritz prompt 26 Gymnasiasten relegiert, als sie mit Kornblumen im Knopfloch auf einem Volksfest erschienen waren.464 Nicht anders war es mit den Sedan-Feiern und der „Wacht am Rhein", die seit 1870 auf zahllosen deutschnationalen Versammlungen gesungen wurde.465 Immer wieder tauchten schwarzrotgoldene oder schwarzweißrote Fahnen auf, als Symbol des Einheitsstrebens, der Sehnsucht nach dem Aufgehen im Deutschen Reich.466 1875 beklagte ein Artikel in den Österreichisch-Ungarischen Militärischen Blättern unter dem Titel „Unsere geistige Gefangennahme durch Preußen" die Farbenwahl zahlreicher Studentenverbindungen, die „österreichische" Kombinationen wie Rot-Weiß oder Schwarz-Gold stets vermieden und dafür irgendwelche Schwarz-Rot-Gold-Kombinationen (oder ähnliche) bevorzugten. Auch in den Namen spiegelte sich das. Bloß einige liberale Corps und katholische Verbindungen wie „Austria" (1876), „Carolina" in Graz (1883) oder „Rudolfina" (1898) haben sehr bewußt an die österreichischen bzw. kaiserlichen Farben angeschlossen.467 462 Deutsch-National und Christlich-Social, zit. nach Ingeborg Winkler, Die deutschnationalen Bestrebungen und der Gedanke des Anschlusses der Deutschösterreicher an das Deutsche Reich von 1870/71 bis 1907. Ms. phil. Diss., Wien 1974, 297. 463 Winkler, ebd. 464 Winkler, 197. 465 Winkler, 56. 466 Winkler, 228 f. (Turner haben häufig Schwarz-Rot-Gold als Vereinsfarben) und 266 ff. 467 Winkler, 191; vgl. ferner Ausstellungskatalog Gaudeamus igitur - Studentisches Leben
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Viele Gymnasiasten und Studenten suchten das Heil im letztendlichen Aufgehen in der „Mutter Germania". 468 Einen wirklichen mentalen Riß innerhalb der Deutschösterreicher brachte vor allem die Los-von-Rom-Bewegung. Sicherlich hatte der deutschösterreichische Liberalismus nicht nur josephinische Ahnen, sondern von daher auch eine erhebliche Abneigung gegen jeden „Ultramontanismus". Eine gewisse Kirchenferne prägte nicht unbeträchtliche Teile des deutschösterreichischen Bürgertums schon seit dem späten 18. Jahrhundert. Es spielte später auch das Konkordat als Katalysator der deutschliberalen Bestrebungen eine wichtige Rolle, auch als Ersatzsack, den man anstelle des Kaisers prügelte. 469 Diese Auseinandersetzung erhielt schließlich seit 1897 eine neue Dimension, als im Gefolge der Badeni-Krawalle der große Abfall von Rom durch Georg von Schönerer gepredigt wurde: Rom wurde - man konnte da auf das Repertoire des deutschen Vormärz-Schrifttums zurückgreifen - zum Inbegriff der antigermanischen Verschwörung: „Immer klarer und deutlicher tritt es in Erscheinung, daß in der alten Ostmark slawischer Ü b e r m u t und römische Herrschsucht sich e n g e v e r b u n d e n haben, u m das D e u t s c h t u m in d i e s e m auf deutscher Grundlage a u f g e b a u t e n R e i c h e zu vernichten..."470
Analoge Stimmen waren zahlreich.471 Man hatte dabei auch den Hintergedanken, daß eine vorher protestantisch gewordene „Ostmark" leichter den „Anschluß" vollziehen könne. 472 Mit Hilfe beachtlicher finanzieller Mittel des 1832 in Deutschland gegründeten Gustav-AdolfVereins erreichte die Übertrittswelle bedeutende Ausmaße: Von 1898 bis 1913 gab es mehr als 76.000, von 1914 bis 1918 weitere fast 20.000 Übertritte von der katholischen zur evangelischen Kirche. 473 Der „deutsche Glaube" erforderte „deutsches Gebet" und - „deutschen
468 469 470 471
472 473
einst & jetzt (Schallaburg 1992), = Katalog des Nö. Landesmuseums NF 296, Wien 1992, insbes. 140 ff. (Verbindungen mit dem Namen „Austria"). Winkler, 78. Karl Vocelka, Verfassung oder Konkordat? Der publizistische und politische Kampf der österreichischen Liberalen um die Religionsgesetze des Jahres 1868, Wien 1978. Winkler, 334. Sutter, Die Deutschen, 277: Die Ostdeutsche Rundschau wurde nicht müde, den Klerikalismus als Wurzel aller Übel in Österreich hinzustellen, Houston Stewart Chamberlain zu zitieren und sich darauf zu berufen, daß dieser in in seinen „Grundlagen des XIX. Jahrhunderts" dem Basken Ignatius von Loyola als den vollendetsten Typen des Antigermanen dargestellt habe. Die Umsetzung der Geschichtsphilosophie Chamberlains in Realpolitik sei die Aufgabe der Deutschen Österreichs! Winkler, 334. Sutter, Die Deutschen, 276.
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Fluch".474 In der Tat wird in der Los-von-Rom-Bewegung der Übergang von der Universalreligion, die eng mit dem noch immer irgendwie universalen Kaisertum zusammenhing, zur Nationalreligion ganz deutlich faßbar - wobei die Transzendenz ganz augenfällig zerfließt und der Gegenstand des Kultes auch unter noch irgendwie christlichem Vokabular nicht mehr eine umfassende Gottheit, sondern nur mehr das eigene „Volk" ist, denn: „Deutsch sein ist an und für sich schon religiöser als pfäffisch sein!"475 Auch Bismarck wurde zu einer nationalen Ikone, schon zu Lebzeiten: Hermann Bahr als Abgesandter der Wiener Burschenschaften brachte dem Idol seine leidenschaftlichen alldeutschen Wünsche dar (ohne freilich Gehör zu finden). So oder ähnlich opfert man einem Gott (Georg von Schönerer hat ja Bismarck als seinen Gott verehrt und sich selbst als seinen Propheten bezeichnet).476 Aber schon vor Schönerer hatten radikale deutschnationale Studenten Bismarck gefeiert: Bereits 1871 gab es Bismarck-Feiern. Eine Reichsgründungsfeier des Lesevereins deutscher Studenten am 18. Januar 1877, dem Jahrestag der Proklamation des deutschen Kaisers in Versailles, ganz auf Bismarck hin orientiert.477 1892, bei seinem Wien-Besuch, empfing der Exkanzler wieder Ovationen der Studenten.478 Das gilt fast noch mehr nach seinem Tod. Die Benennungen von Straßen nach ihm verweisen in dieselbe Richtung, genauso die Bemühung um die Errichtung von Bismarck-Denkmälern.479 Die Regierung bremste hier vorsichtig, ebenso wie man zu den diversen runden Geburtstagen des langlebigen Idols versucht hatte, zu bremsen.480 Am Sitz Schönerers, beim Schloß Rosenau in der Nähe von Zwettl, errichtete der fanatische Pangermane einen „Bismarckturm". Daneben existierte freilich auch ein fast exaltiertes Österreichertum, das das neue Deutschland emotional ablehnte. So berichtet etwa Albert Fuchs von der Erregung seines Vaters, als jenem in einem norddeutschen Badeort mitgeteilt wurde, man wisse nicht, wo Trautenau liege. „1866 hat man in Preußen sehr genau gewußt, wo Trautenau 474 Winkler, 336. 475 Winkler, 337. 476 Hermann Bahr, Schwarzgelb. Zur Zeitgeschichte (1917), 38: Aus der Rück-Sicht kam es damals freilich, unter Bismarcks Einfluß, auch schon wieder zu einer „österreichischen" Konversion - denn plötzlich fühlte er, wie alle ringsumher doch „anders" waren als er. 477 Winkler, 223. 478 Winkler, 205, 275 ff. 479 Winkler, 281 (Bemühungen um ein Denkmal), 282 und 289: Straßenbenennungen in Eger/Cheb und Reichenberg /Liberec. 480 Molisch, 173.
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ist!", soll jener empört ausgerufen haben. (In Trautenau / Trutnov bezogen die Preußen die einzige Niederlage in jenem ansonsten für sie so glorreichen Feldzug.)481 Denn das gab es ja auch: Die Herrschaft der preußischen Junker und Militärs, die Demonstrationen militärischer Stärke und die wirtschaftlichen Erfolge konnten Abscheu, Neid und Eifersucht wecken, was durch gewisse Eigenheiten in den Umgangs- und Denkformen noch verstärkt wurde.482 Hofmannsthals Preußen- und Österreichklischees (die man natürlich nicht als Beschreibungen mißverstehen darf - sie sind eher Ausdruck eines Bedürfnisses, sich eines eigenen Selbstbewußtseins zu vergewissern) sind in ihrer massiven Schwarzweißzeichnung durchaus auch von daher zu sehen.483 Und wenn es einerseits auch einen den ganzen deutschen Sprachraum übergreifenden Konnubiumskreis des Adels (und teilweise auch des Großbürgertums) gab, so werden dabei daneben auch wiederum Distanzhaltungen sichtbar.484 Friedrich Heer hat die These vertreten, gewisse „deutsche" Orientierungen seien Ausdruck österreichischer Selbstaufgabe gewesen nach so vielen Niederlagen und Demütigungen sei das Aufgehen im „Deutschtum" und logischerweise dann auch in „Deutschland" als dem erlösenden Machtstaat der Deutschen schlicht und einfach eine 481 Albert Fuchs, Ein Sohn aus gutem Hause, London 1943 (hier zitiert nach der gekürzten Fassung, die als Lebensbild dem Buch „Geistige Strömungen in Österreich 1867-1918", Wien 21984, vorangestellt wurde. Die entsprechende Passage XIV). 482 Ferdinand von Saar schrieb eine nicht genau datierbare Ode „Germania", die in diese Richtung interpretierbar ist. Am Anfang steht die einstige Verehrung: „O, wie liebt' ich dich einst, jetzt so gewaltiges Volk ...", damals als deutsche Sitte und Kunst noch bewundernswert waren, jetzt aber: „Sieghaft, drohenden Blicks, starrst du von Waffen nun ..." (zit. nach Karlheinz Roßbacher, Literatur und Liberalismus. Zur Kultur der Ringstraßenzeit in Wien, Wien 1992, 472). 483 Hugo von Hofmannsthal, Preuße und Österreicher (1917), in: Hofmannsthal, Ausgewählte Werke, Erzählungen und Aufsätze, Frankfurt/M., 1957, 615 ff. 484 So heiratete Bismarcks Sohn eine Gräfin Hoyos usw. - Im Hause Windisch-Graetz erregte die Aussicht, daß eine Tochter einen preußischen Adeligen heiraten wollte, nicht gerade helle Freude: Als Graf Edgar Henckel-Donnersmark seine Werbung um Karoline Windisch-Graetz vorbrachte, reagierte deren Mutter Valerie mit großer Zurückhaltung: „Mir ist die Sache unsympathisch - ein Preuße, unbekannte Verhältnisse,... eine Familie, die uns ganz fremd ist..." Fünf Jahre später heirateten sie doch, aber die Mutter blieb dabei: „Ein Preuße ist immer doch anders. Edgar ist ein herzensguter, gentlemanliker Mann, aber es bleibt doch immer etwas disgracioses, eckiges, philiströses an einem Urdeutschen. Für uns Österreicher ist es immer etwas nicht recht zu uns Passendes in ihrer langsamen, pedantischen Denkweise und kleinlichen A r t . . . " Zit. nach Hannes Stekl / Marija Wakounig, Windisch-Graetz. Ein Fürstenhaus im 19. und 20. Jahrhundert, Wien - Köln Weimar 1992, 75 f.
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Flucht vor der zunehmend als unerträglich empfundenen Situation in Österreich gewesen. Diesem Selbstbild kontrastierte - zumindest von Österreich aus - das von Selbstbewußtsein strotzende Deutsche Reich, mit seiner gewaltigen Armee und seinen beeindruckenden Wirtschaftsdaten, aufs stärkste. Immer stand es als Alternativmodell im Hintergrund, wenn man die stets problematische Lage der Monarchie mit einem „modernen" Nationalstaat verglich. Immer neue Generationen von jungen Leuten verfielen auch aus Protest gegen die komplizierte Welt der Erwachsenen den Verlockungen eines Nationalismus, der im deutsch-österreichischen Bereich immer aufs neue das Deutsche Reich als Vorbild, als Fluchtziel, als mögliche neue Heimat identifizierte. Der Anschlußgedanke
in der Ersten
Republik
Unter den beiden - damals völlig unbestrittenen - Voraussetzungen Herderschen, späterhin romantischen, deutschnationalen Denkens, daß nämlich (erstens) Sprachgemeinschaften zugleich Abstammungsgemeinschaften (das „Blut" spielt in dieser Terminologie eine fast schon unappetitliche Rolle) und damit Nationen seien und daß (zweitens) Nationen das Recht auf staatliche Einheit hätten, wurde die Frage der Identität der deutschen Österreicher sowohl in der Republik Österreich wie auch in der Tschechoslowakei (Sudetendeutsche!) zur Frage nach dem „Anschluß". Die Republik Österreich konstituierte sich daher am 12. November 1918 als Teil der deutschen Republik. Freilich konnten die Siegermächte eine so deutliche Stärkung Deutschlands nicht hinnehmen und fügten dem Staatsvertrag von St.-Germain ein Anschlußverbot ein. Ungeachtet dessen war die Anschlußbegeisterung unterschiedlich groß - am größten sicher bei den deutschnationalen Gruppierungen, stark ausgeprägt auch bei der Sozialdemokratie, am schwächsten bei den Christlichsozialen, die zum Teil ein bißchen der alten Monarchie nachtrauerten, zum Teil aber noch auf der vor-sprach-nationalen Basis des Landesbewußtseins verharrten. Die tatsächliche soziale Breite des Anschlußwillens ist unsicher. Otto Bauer kann als Kronzeuge dafür angerufen werden, daß die deutschösterreichische Arbeiterschaft noch keineswegs richtig anschlußfreundlich war.485 Er kritisierte auch die anschlußfeindliche Haltung jener Kreise des Wirtschaftsbürgertums, die 485 Zur Anschlußfrage in der Ersten Republik vgl. Hanns Haas, Staats- und Landesbewußtsein in der Ersten Republik, in: Tälos I Dachs / Hanisch / Staudinger, Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933, Wien 1995, 472^87.
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sich nicht der verstärkten Konkurrenz in einem gesamtdeutschen Wirtschaftsraum aussetzen wollten.486 Nach der ersten, eher von Otto Bauer und der Sozialdemokratie getragenen Welle der Anschlußbegeisterung 1918/19 kam eine zweite, nun eher von „rechts" getragene 1921. Damals haben Tirol und Salzburg in einer Phase der in Deutschland vordringenden Reaktion massiv für den Anschluß gestimmt. Man darf aber bei der Beurteilung dieser „Volksabstimmungen" den eher manipulativen Charakter dieser Demonstrationen nicht übersehen, bei denen die Anschlußgegner keine echte Chance hatten, ihre Meinung auszudrücken. 487 Neben diesen in ihrer Breitenwirkung letztlich schwer abzuschätzenden Anschlußbewegungen eher spontaner Art und über diese hinaus existierten aber mehrere Institutionen, die den Anschluß vorbereiten und den Anschlußwillen langfristig absichern sollten. Die erste Absicherung lag in anschlußfördernden Organisationen überparteilicher Art. In erster Linie ist hier der „Österreichisch-deutsche Volksbund" zu nennen, der 1925 gegründet wurde und der als Massenbewegung zahlreiche Gruppierungen der verschiedensten Schattierungen zusammenfaßte. Vorsitzender war übrigens der der Sozialdemokratie nahestehende Generaldirektor der GESIBA und spätere nationalsozialistische Bürgermeister von Wien, Dr. Hermann Neubacher. Eine mehr spezielle Organisation von Fachleuten war dagegen die „Österreichisch-deutsche Arbeitsgemeinschaft". 488 Zum zweiten ist bekannt, daß von Berlin aus Anschlußbewegungen gezielt unterstützt wurden. Das geschah vorab, seit man unter Gustav Stresemann wieder zu einer aktiven Außenpolitik übergegangen war. Mittel dieser Politik war die „Ossa", eine Organisation zur wirtschaft-
486 Otto Bauer, Die österreichische Revolution. Wien 1923. Werkausgabe Bd. 2, Wien 1976, 489-866, insbes. 681 ff.; zur Haltung der Arbeiter, vgl. Hanns Haas, Die österreichische Arbeiterschaft 1918/19 und die Anschlußdoktrin. Weg und Ziel 37 (1979, Sondernr. Dez.), 13 ff. 487 Über die Abstimmung in Tirol, die mit einer 90% igen Zustimmung zum Anschluß endete, hat Erich Bielka eine Untersuchung vorgelegt, die zeigt, daß diese hohe Zustimmungsrate keineswegs den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, sondern auf vielfache Manipulation zurückzuführen ist. Die Ergebnisse Bielkas zusammengefaßt bei Wagner, Österreich, 354. 488 Ziemlich ausführlich dazu und zum folgenden: Karl Stuhlpfarrer / Leopold Steurer, Die Ossa in Österreich, in: vom Justizpalast zum Heldenplatz, Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938, hg. v. Ludwig Jedlicka und Rudolf Neck, Wien 1975,35-64. Ferner Wolfgang Rosar, Deutsche Gemeinschaft. Seyß-Inquart und der Anschluß, Wien 1971; Winfried Garscha, Die Deutsch-Österreichische Arbeitsgemeinschaft. Kontinuität und Wandel deutscher Anschlußpropaganda und Angleichungsbemühungen vor und nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung", Wien 1984.
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liehen Durchdringung außenpolitischer Hoffnungsgebiete, besonders im Wege der Stützung des Auslandsdeutschtums.489 Diese wirtschaftliche Durchdringung wurde (drittens) durch den faktischen Zerfall des eigenständigen österreichischen Kapitals seit 1918 begünstigt, der es dem deutschen Kapital erlaubte, wichtige Eigentumsrechte schon in den 1920er Jahren an sich zu bringen. Beispielhaft und zentral war der Übergang der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft in die Hände des Stinnes-Konzernes.490 Dabei folgte man einer Strategie, die schon vor 1914 dazu geführt hatte, daß bis 1914 13% aller langfristig im Ausland investierten deutschen Kapitalien in der Donaumonarchie angelegt wurden.491 Österreich bedeutete für diese Konzepte bloß Ausgangspunkt für weitere Expansion, eine Durchgangsstation für die Durchdringung des Balkans mit dem Fernziel einer Beherrschung auch des Nahen Ostens. Nach 1918 wurde diese Politik wiederaufgenommen. Neben den wichtigsten Unternehmungen der Stahlindustrie war die österreichische Elektroindustrie zu einem guten Teil in der Hand von Siemens-Schuckert, Siemens & Halske sowie der AEG-Union (zu 47%). Nach 1933 verstärkte sich der Einfluß auch in den Bereichen des Bankwesens, der Versicherungen und der chemischen Industrie.492 Die politischen Veränderungen im Donauraum und die Versuche der Nachfolgestaaten, eigene Industrien aufzubauen, erschwerten (viertens) die Fortsetzung der überkommenen ökonomischen Beziehungen nach Osten und Südosten. Parallel zur Reduzierung der österreichischen Industrieexporte in diesen Raum kam es aber auch zu einer Reduktion der Agrarimporte aus diesen Ländern. Demgegenüber erweiterte sich der Außenhandel mit dem Westen, vorab mit dem Deutschen Reich. Freilich standen nicht mehr Fertigwaren, sondern Rohstoffe und Halbfabrikate im Zentrum der österreichischen Ausfuhren, die Art des Warenaustausches entwickelte sich immer mehr in Richtung eines halbkolonialen Typus Österreichs gegenüber Deutschland.493 489 Stuhlpfarrer / Steurer, ebd. 490 Norbert Schausberger, Anschlußideologie und Wirtschaftsinteressen 1918-1938, in: H. Lutz IH. Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, Wien 1982, 290. 491 Fritz Weber I Karl Haas, Deutsches Kapital in Österreich. Zur Frage der deutschen Direktinvestitionen in der Zeit vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Weltwirtschaftskrise. Jahrb. f. Zeitgeschichte (1979), 169-235. 492 Schausberger (wie Anm. 490). Zum ökonomischen Interesse einiger Kreise der deutschen Wirtschaft bzw. seit der Wiederaufrüstung Deutschlands, eben dieser an den ökonomischen Ressourcen Österreichs allgemein Norbert Schausberger, Der Griff nach Österreich. Der Anschluß, Wien - München 21979. 493 Kurt W. Rothschild, Wurzeln und Triebkräfte der österreichischen Wirtschaftsstruktur, in: Wilhelm Weber, Hg., Österreichs Wirtschaftsstrukturen gestern - heute - morgen, Berlin 1961,1,1-158.
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Fünftens darf an die beständige Arbeit des kulturellen Anschlusses erinnert werden, die sich nicht nur literarisch bemerkbar machte, oder etwa in Sängerfesten, sondern auch in der Angleichung der Rechtssysteme der beiden Staaten.494 Und sechstens lief die berühmte Debatte über die Lebensfähigkeit Österreichs mit wenigen Ausnahmen immer wieder in die Richtung, daß die kleine Republik ökonomisch nicht bestehen könne.495 Das dürfte letztlich eher mental als wirtschaftlich begründet gewesen sein, denn sowohl von der Rohstoffbasis als auch vom industriellen Erbe der Monarchie (auf Österreich entfielen rund 23% der Bevölkerung, aber rund ein Drittel der Fabriken Zisleithaniens) her sah die wirtschaftliche Situation nicht so enorm schlecht aus - freilich unter der Voraussetzung des Funktionierens einer gewissen internationalen Arbeitsteilung. Ein Denken, in dem politische und ökonomische Souveränität zusammenfällt, ist diesen Verhältnissen freilich nicht angepaßt.496 Diese deutsche Identität Deutschösterreichs, wie sich der Staat des November 1918 selbst benennen wollte, wurde ferner dadurch betont, daß Beamte, die 1918/19 von der Republik übernommen werden wollten, davor ein klares Bekenntnis zur deutschen Nation abgeben mußten. Dieses Bekenntnis war durch die Volkszählung 1910 zu belegen!497 Diese Orientierung wurde noch auffälliger unterstrichen durch die außerordentliche Betonung und Bevorzugung der deutschen Geschichte im Bereich der schulischen Erziehung. Geschichte war eine „gesamtdeutsche", keine „österreichische".498 Aber auch die Kirchen gaben sich 494 Eine kleine Übersicht über die Angleichung der verschiedenen Rechtsmaterien bei Katzenstein, Disjoined Partners, 150. - Zu den zwei großen Sängerfesten, dem „bürgerlichen" und dem „proletarischen", aus welchem Anlaß die Arbeiter-Zeitung nicht müde wurde, das erheblich intensivere Deutschtum der Arbeiterklasse zu betonen, vgl. Werner Jank, Arbeitermusik zwischen Kunst, Kampf und Geselligkeit. Sozialdemokratische Arbeiter-Musikbewegung in der Ersten Republik, Wien, phil. Diss. (Ms.) 1982. 495 Prominentester Vertreter der Theorie von der Lebensunfähigkeit Österreichs (und damit der bei weitem vorherrschenden These) war Gustav Stolper, Deutschösterreich als Sozialund Wirtschaftsproblem, München 1925; die gegenteilige Meinung fast nur bei Friedrich Hertz, Ist Österreich wirtschaftlich lebensfähig? Wien 1921. 496 Das war vermutlich das mentale Grundproblem der politischen Führungsschichten Österreichs in der Zwischenkriegszeit, die, gleichgültig, ob auf Thomas von Aquin oder auf Karl Marx zurückgehend, das Heil jedenfalls in politisch-ökonomisch identischen GroßRäumen erwarteten. In diese Richtung gehen auch einige Bemerkungen von Klemens von Klemperer, Das nachimperiale Österreich, 1918-1938: Politik und Geist, in: H. Lutz / H. Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, Wien 1982, 300 ff. 497 Hertha Hafner, Der sozio-ökonomische Wandel der österreichischen Staatsangestellten 1914-1924, ms. phil. Diss., Wien, 1991 227 ff. 498 Wolfgang Huber, Zur Geschichte der Wissenschaften, in: E. Weinzierl / K. Skalnik, Hg.,
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„deutsch" - die protestantischen ohnehin,499 aber auch die katholische war nicht frei davon, wie eine Publikation aus dem Jahre 1933 belegt: „ D i e Österreicher sind, was zu b e w e i s e n überflüssig ist und jedenfalls hier vorausgesetzt w e r d e n muß, Glied der deutschen Volks- und damit der deutschen Artgemeinschaft . . . sie sind als G e s a m t h e i t e i n e w e s e n s e i g e n e Verwirklichungsform des deutschen Volkstums. D i e deutsche (wie j e d e völkische) Artgemeinschaft beinhaltet auch eine b e s o n d e r e Erlebnisform d e s R e l i g i ö s e n . . . E s gibt also e i n e deutsche Religiosität, e i n e deutsche Form des christlichen, des katholischen Frömmigkeitslebens; im Bereich des österreichischen D e u t s c h t u m s zeigt diese selbe Form arteigene U m p r ä g u n g , o h n e aber irgendeinen W e s e n s z u g ihrer allgemeinen deutschen Erscheinung zu verlieren .. ." 50 °
Das dürfte wohl miterklären, warum auch die katholische Kirche Österreichs als Hort neuer österreichischer Identität zunächst nur beschränkt in Frage kam. Tatsächlich stieg die Notwendigkeit einer solchen neuen Identität, weil die zunächst selbstverständliche deutsche in wachsendem Maße von den Nationalsozialisten monopolisiert wurde. Die nationalsozialistische Bewegung besetzte zunächst jenes Spektrum des politischen Lebens, das zuvor die Großdeutschen und der Landbund eingenommen hatten - prononciert anschlußfreundliche, verschiedentlich nichtparlamentarischen Regierungsformen zuneigende, aber keineswegs grundsätzlich faschistische oder präfaschistische Gruppierungen, die bis 1932 ihre Anhängerschaft weitgehend an die Nationalsozialisten verloren hatten.501 Als Antwort auf die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland ebenso wie auf die Monopolisierung des Anschlußgedankens durch die Nationalsozialisten schwor sowohl das Regierungslager wie die Sozialdemokratie 1933 dem Anschluß ab. Freilich nicht ohne Österreich 1918-1938, 2. Bd., 575 f.; Herbert Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß 1918-1930, Wien - Salzburg 1974. 499 Heer, Kampf um die österr. Identität, 383 (Tagebuchnotiz des früheren Vorstands der Militärkanzlei des Thronfolgers Franz Ferdinand, Carl Frh. von Bardolff: Die Bevölkerung von Schladming sei noch heute stark protestantisch und seit 1932 eine der festesten Stützen der nationalsozialistischen Bewegung). - Auch wenn man die These Heers von den zwei Nationen in Österreich, der katholisch-österreichischen und der protestantischdeutsch-aufklärerisch-liberal-national-sozialdemokratischen nicht teilt, so war die protestantische Bewegung seit dem Toleranzpatent Josephs II. sehr stark mit Deutschland in Verbindung und auf Grund der Tatsache, daß faktisch bis 1918 der Katholizismus Staatsreligion blieb, fast notwendig ein Hort deutschnationaler Opposition. 500 Anton Böhm, Geist und Erscheinung des österreichischen Katholizismus, in: Katholischer Glaube und Deutsches Volkstum in Österreich, hg. v. Volksdeutschen Arbeitskreis österreichischer Katholiken, Salzburg 1933, 41 ff., hier bes. 42. 501 Gerhard Botz, Strukturwandlungen des österreichischen Nationalsozialismus (19041945), in: I. Ackerl / W. Hummelberger / H. Mommsen, Hg., Politik und Gesellschaft, Wien 1981, 2,163-193, hier bes. 175.
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Vorbehalt. Die Sozialdemokratie hat in prominenten Vertretern nicht nur noch 1933 betont, daß „hüben und drüben" Deutsche wohnten, sondern Österreich 1933 ebenso als den „besseren" deutschen Staat gespriesen wie - wenig später - das Regierungslager. 502 Und Otto Bauer hat nach vollzogenem Anschluß 1938 diesen als unverlierbaren Fortschritt - natürlich im Hinblick auf eine kommende gesamtdeutsche Revolution - gepriesen. 503 Die Antwort des Regierungslagers war wohl die Entwicklung einer eigenen staatstragenden Ideologie, aber diese sollte sich als recht zwiespältig erweisen. Sie operierte mit Bestandteilen, die dem Fundus der Monarchie entlehnt wurden. So wurden seit 1933 die Uniformen des Bundesheeres, die in den zwanziger Jahren „prussifiziert" worden waren, nun wieder austrifiziert. 504 Und das Emblem des „Bundesstaates Österreich" von 1934 wurde ein leicht modifizierter Doppeladler. 505 Die Sehnsucht nach einer Art von „Reich", die sich darin ausdrückte, aber auch oft genug anderswo verbalisiert wurde, mußte sich letztlich ambivalent bzw. eindeutig gegen Österreich auswirken. 506 Das kleine, wirtschaftlich in tiefster Depression steckende, politisch instabile Österreich (gerade das Jahr der Verkündigung der neuen Verfassung, 1934, war jenes, in dem zwei gewaltsame Auseinandersetzungen bürgerkriegsartigen Ausmaßes stattgefunden hatten) als Ausgangspunkt für ein wie immer auch nebulos bleibendes besseres, „heiligeres" Deutsches Reich auszugeben, war bei währender Massenarbeitslosigkeit und massiver Propaganda des aufrüstenden und erste wirtschafts- und außenpolitische Erfolge vermeldenden Hitler-Reiches eine außerordentlich große Zumutung. 507 Bis zuletzt, bis zur Volksabstimmungs502 Stourzh, Vom Reich, 35, verweist auf einen Text Otto Bauers vom 14. Oktober 1933 für den Parteitag der österreichischen SDAP, nach dem Österreich „für die gesamte deutsche Nation die Mission erfüllt, [...] auf einem Teil deutschen Bodens, deutscher Freiheit, deutscher Kultur, dem Aufwärtsringen deutscher arbeitender Volksmassen eine Stätte zu erhalten", und fährt fort: „Die These vom ,besseren' deutschen Staat war also kein Spezifikum des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes." 503 Otto Bauer; Nach der Annexion, in: Der sozialistische Kampf 1 (2.6.1938). - Das hier verwendete „Hüben und Drüben" will bewußt an die Polemik von Karl Kraus gegen die auch 1932 noch so ausgeprägte deutsche Sehnsucht der österreichischen Sozialdemokratie anklingen: Karl Kraus, Hüben und Drüben. Die Fackel, Mitte Okt. 32, 876-884, 1-31. Wieder in: K. Kraus, Vor der Walpurgisnacht. Ausgew. Werke Bd. 3, München 1977,484 ff. 504 Peter Broucek, Heerwesen, in: E. Weinzierl/K. Skalnik, Hg., Österreich 1918-1938, Bd. 1, 216.
505 Wagner, Österreich, 263. 506 Auf die Verwendung von Wortverbindung mit „Reich-" (wie „Reichsbauernbund" usw.) verwies Gerald Stourzh, Vom Reich, 25 ff., zur Reichsromantik, ebd., 47 ff. 507 Anton Staudinger, Zur „Österreich"-Ideologie des Ständestaates, in: Das Juli-Abkommen von 1936 - Vorgeschichte, Hintergründe und Folgen, hg. v. Ludwig Jedlicka und
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frage Schuschniggs im März 1938, blieb dieses offizielle Österreich ein „deutsches", gerade durch dieses deutsche Bekenntnis (das ja offenbar im erfolgreichen Deutschen Reich dieser Jahre wesentlich besser aufgehoben war!) seine mentale und gesellschaftliche Basis entscheidend schmälernd. Denn die aus dem der Regierungsgruppierung keineswegs fernstehenden Kreis um Ernst Karl Winter entwickelte Idee einer „österreichischen Nation" wurde offiziellerseits nicht aufgegriffen. 508 Hatte die österreichische Nationsidee Ernst Karl Winters schon in dem 1927 erschienenen Buch „Die österreichische Aktion" 509 und dann wieder in seiner zweibändigen Biographie Rudolfs IV.510 - die selbstverständlich von der dominant deutschnationalen Geschichtsschreibung massiv zurückgewiesen wurde - ihre Umrisse gewonnen, so erschien 1937 eine Begründung einer eigenständigen österreichischen Nation von politisch so ziemlich entgegengesetzter Seite, nämlich aus der Feder des Kommunisten Alfred Klahr.511 Winter argumentierte historisch, Klahr marxistisch-leninistisch, ziemlich direkt an Stalins Konzept der Nation orientiert.512 Dahinter stand die gerade praktizierte Volksfrontstrategie im Kampf gegen den Faschismus, für die ein über die kleine kommunistische Bewegung hinausreichendes Integrationsinstrument gebraucht wurde. Wie auch immer - der Versuch ist heute noch lesenswert. Beiden Konzepten blieb eine Massenbasis jedenfalls versagt. Genausowenig darf man eine Massenbasis für die komplizierte und etwas verschraubte Regierungsideologie Schuschniggs vom zweiten, besseren
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Rudolf Neck, Wien 1977, 198-240. Die Reichssehnsucht wird etwa bei Otto Schulmeister deutlich als Hintergrund des politischen Bewußtseins angesprochen: „Was ,Reich' mir, dem Altersgenossen aus der Jugendbewegung, bedeutet hatte, das heute jungen Leuten zu erklären, habe ich längst aufgegeben . . . Reich - das klingt heute wie eine romantisch-pubertäre Verranntheit, daß das Wort auch in Österreich vorkommt, etwas mit universalistischem Anspruch zu tun hat, das ist völlig verblaßt... Messianismus, deutsche, im besonderen österreichische Mission verband sich damit, die Vorstellung einer erneuerten politischen O r d n u n g . . . " (Otto Schulmeister, Reifeprüfung auf Tod und Leben. In: Jochen Jung, Hg., Vom Reich zu Österreich, Salzburg 1983, 155). Staudinger, ebd. Winter arbeitete dabei mit August Maria Knoll, Alfred Missong, Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, Wilhelm Schmid zusammen. Ausgangspunkt war freilich auch eine Reichsidee, nämlich die habsburgische. Erschienen 1934 und 1936. Vgl. dazu die Sondernummer von Weg und Ziel. Monatsschrift für Theorie und Praxis des Marxismus-Leninismus, 37. Jahrgang, Dezember 1979, in der 23 ff. auch die beiden einschlägigen Artikel Klahrs („Zur nationalen Frage in Österreich") von 1937 abgedruckt sind (23 ff.). Josef W. Stalin, Marxismus und nationale Frage, in Auszügen erstmals in deutscher Sprache in: Leninismus, Heft 6, Moskau 1935, Wien 21946. Stalins Nations-Definition: „Die Nation ist eine historisch entstandene, stabile Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der in der Kulturgemeinschaft zum Ausdruck kommenden Geistesart..."
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deutschen Staat Österreich annehmen. Dies auch dann, wenn die kurzfristig anberaumte Volksbefragung tatsächlich stattgefunden und infolge der Bereitschaft der illegalen Arbeiterbewegung, mit „Ja" für Schuschnigg zu stimmen - eine Mehrheit für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges" Österreich ergeben hätte. 513 An die Stelle der für den 13. März geplanten Volksbefragung kam es - nach vollzogenem Anschluß - vielmehr zur Volksabstimmung Hitlers, die bekanntlich 99,6% „Ja"-Stimmen aufwies. Damit war der Anschluß legitimiert. Die tatsächliche Zustimmungsrate kann aber damit nicht identisch sein, auch wenn man in Rechnung stellt, daß die Ereignisse des Anschlusses selbst und die unmittelbar darauf losbrechende massive Propaganda weit mehr als die etwa 30% der Bevölkerung ausmachenden Anhänger der Nationalsozialisten dem Faktum geneigter machten. Die bekannten Erklärungen Karl Renners und der katholischen Bischöfe - wie immer man deren Hintergründe einschätzen mag - haben sicher Teilen der traditionell katholisch-konservativen Bauernschaft und der Arbeiterbevölkerung die Zustimmung erleichtert.514 Erosion der gesamtdeutschen
Idee
Die Idee des großen, einigen Deutschland wurde in den folgenden Jahren eifrig traktiert, aber schon um 1943 war sie nicht mehr sehr lebendig. Das war nun sicher nicht die Folge des österreichischen Widerstandes, der uns im nächsten Kapitel noch interessieren wird. Die Erosion der gesamtdeutschen Idee in Österreich wurde viel erfolgreicher durch andere Vorgänge bewirkt. Für die Anschlußideologie folgenreicher war sicher, daß nach dem Anschluß gerade die bravsten Gefolgsleute der Nazis und die sonstigen Betont-Nationalen bei der Machtausübung in Österreich relativ leer ausgingen. Aus welchen Gründen auch immer Hitler so gehandelt hat, 513 Gerhard Botz, Schuschniggs geplante „Volksbefragung" und Hitlers „Volksabstimmung" in Österreich. Ein Vergleich, in: Anschluß 1938. Protokoll des Symposiums in Wien am 14. u. 15. März 1978 (Wiss. Kommission zur Erforschung der österr. Geschichte 1918-1938. Veröffentlichungen Bd. 7), Wien 1981, 220 ff. - Ein Ergebnis von 65% bis 78% für die von der Regierung vorgelegte Frage konnte erwartet werden. Die rasche Reaktion Hitlers zeigt, daß auch in seiner Umgebung ein ähnliches Ergebnis erwartet wurde. 514 Jacques Hannak, Karl Renner und seine Zeit. Versuch einer Biographie, Wien 1965,648 ff. (Erklärung vom 3. April 1938 im Neuen Wiener Tagblatt). Zur Erklärung der Bischöfe Maximilian Liebmann, Die März-Erklärungen der österreichischen Bischöfe vom Jahr 1938 im Licht neuer Quellen. Theol.-praktische Quartalschrift (1980) 1, und ders., Die Geheimverhandlungen zwischen NS und Kirche 1938 in Österreich, in: Geschichte und Gegenwart 1982/1, 42-78.
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er versagte jedenfalls den Seyß-Inquart und Genossen jeden Anteil an der Macht und schob sie irgendwohin ab - die zahlreichen besetzten Gebiete seit dem September 1939 boten ja genug Möglichkeiten.515 Diese Abdrängung der treuen Nationalen schuf freilich in Wien ziemlich rasch ein Legitimitätsdefizit, das durch gewisse Eigenheiten des Gauleiters Bürckel noch vergrößert wurde, aber sicher nicht nur auf diese zurückgeführt werden darf. Dieses Defizit hätte zweifellos nur durch große wirtschaftliche und militärische Erfolge überbrückt werden können - aber die Wiener „nationalen Kreise" sahen sich beispielshalber aus der erhofften „Durchdringung" Südosteuropas weitgehend ausgeschlossen.516 Hitler erkannte diesen Sachverhalt und ernannte 1940 an der Stelle Bürckels den prestigemäßig hoch rangierenden Baidur von Schirach zum Gauleiter von Wien. Schirach bemühte sich auch teils sehr erfolgreich, das angeschlagene Selbstbewußtsein der Wiener Parteikreise, unter anderem durch einen bewußten Rückgriff auf die Bedeutung Wiens als Kulturstadt, zu heben. Als er dabei freilich zu weit ging, wurde er von Berlin aus in die Schranken gewiesen.517 Zumindest in Wien hatte wohl um 1943 die großdeutsche Idee schon ausgespielt. Das Einsetzen der alliierten Luftangriffe erledigte wohl den Rest. Symptomatisch erscheint der Inhalt eines Gesprächs des späteren Bundespräsidenten Adolf Schärf mit reichsdeutschen Sozialdemokraten über eine Beteiligung an einer Nach-Hitler-Regierung: Schärf, vorher kein Gegner des Anschlusses, sei selbst von der Heftigkeit überrascht gewesen, mit der er plötzlich sagte: „Der Anschluß ist tot. Die Liebe zum Deutschen Reich ist den Österreichern ausgetrieben worden .. ,"518 Ganz analog verhielt sich Lois Weinberger, später Gründer des ÖAAB, Vizeparteichef der ÖVP und langjähriger Vizebürgermeister von Wien, als er bei einem Gespräch mit Jakob Kaiser und Dr. Karl Goerdeler im Oktober 1942 einen Verbleib Österreichs in einem von Hitler durch einen erfolgreichen Putsch oder Aufstand befreiten Deutschland vehement ablehnte: „Sehen Sie, wir wollen gewiß alles tun, um Ihnen zu helfen, [...] wir werden auch nicht undankbar und bestimmt keine Verräter werden, aber laßt uns doch vor allem wieder das werden, was wir lange gewesen sind: Österreicher!"519
515 Radomir Luza, Österreich und die großdeutsche Idee in der NS-Zeit, Wien - Köln - Graz 1977, 89 ff. 516 Luza, ebd., 91 f. 517 Luza, ebd., 187 ff. 518 Botz, Anschlußproblem, 197. 519 Lois Weinberger, Tatsachen, Begegnungen und Gespräche. Ein Buch um Österreich, Wien 1948,135.
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Ein bißchen anders verhielt es sich in den Ländern, den „Reichsgauen". Trotz einiger Gebietsveränderungen hat die Gleichschaltung von Partei- und Verwaltungsgliederung in der Organisationsform „Reichsgau" das überkommene Landesbewußtsein erhalten und befestigen können. Das war auch insofern unproblematisch, als dieses Landesbewußtsein ohnehin in mehreren Ländern schon seit dem 19. Jahrhundert stark deutschnational grundiert war. Hier kamen nun einheimische Nazis zum Zuge, die als gleichzeitige Chefs der Partei und der staatlichen Verwaltung natürlich eine erhebliche Machtfülle vereinigten. Zweifellos hat sich diese Konstellation als günstig erwiesen. Die Abkoppelung der Länder von Wien und ihre direkte Unterstellung unter Berlin rief dort eine gewisse hämische Genugtuung hervor, während die Wiener mit Verbitterung den Verlust auch der letzten zentralen Funktionen (1918 jener für die Monarchie, 1938/39 jener für die Republik) registrierten. Diese Erhaltung der Eigenständigkeit der Länder und die Tatsache, daß in ihnen einheimische Chefs regieren konnten, hat dazu geführt, daß die Friktionen zwischen großdeutscher Ideologie und NS-Wirklichkeit viel weniger stark bemerkbar wurden als in Wien. Es sind denn auch gewisse Länder, in denen bis heute die Reste der großdeutschen Ideologie viel lebendiger blieben als in der Bundeshauptstadt. 520 „ Deutsche Kulturnation "? Im wesentlichen kann die Idee des Anschlusses heute als historische Reminiszenz gelten. Eine gewisse Fortsetzung fand sie wohl in der Formulierung der „deutschen Kulturnation", die auch heutzutage zuweilen noch gebraucht wird. Dabei bleibt offen, wie stark dieser Sprachgebrauch nach Herstellung einer staatlichen Basis für dieses „kulturelle" Nationalbewußtsein drängt. Da abseits von der Tagespolitik auch seriöse Wissenschaftler, wie der Historiker Fritz Fellner, Österreich als Teil der „deutschen Nation" begreifen können, sollten wir dieser Diskussion abschließend noch einige Worte widmen. Bei Fellner sollte freilich dieser Begriff des Preußisch-Militaristischen entkleidet und mit „Partikularismus", „Föderalismus" und wohl auch der Anerkennung staatlicher Mehrfalt verbunden werden: 520 Luza, ebd., 199 f.; Das österreichische Nationalbewußtsein in der öffentlichen Meinung und im Urteil der Experten, Wien 1980, enthält leider keine Frage, die sich sinnvoll auf dieses Problem beziehen ließe. Man beobachte aber nur die Verhältnisse in Kärnten oder gewisse Äußerungen, wie sie auch in anderen Ländern mit „deutscher" Vergangenheit noch immer relativ massiv zu hören sind!
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„... entkleidet seines Uniformitätsanspruches könnte der Begriff „deutsche Nation" als jene Überordnung kultureller Gemeinsamkeit von allen jenen anerkannt werden, die zur Wahrung der Eigenständigkeit ihrer kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Selbstverwirklichung sich vom Nationalismus der deutschen Einheit abgewandt haben. Von einer solchen Überlegung aus ließe sich die Koexistenz von deutschen Staaten verschiedener gesellschaftlicher und ideologischer Systeme innerhalb einer ,deutschen Nation' anerkennen, und in einer solchen Interpretation läßt sich auch die Geschichte Österreichs in allen Phasen ihrer Vergangenheit bis in ihre Gegenwart unter den Begriff einer deutschen Geschichte subsumieren.. ."521
Da wäre zunächst die Frage zu stellen, wie man „Kultur" definiert, worin also „kulturelle Gemeinsamkeit" (Fellner) bestehen kann. Die „Kulturseiten" der Zeitungen meinen unter „Kultur" zumeist die mehr oder minder schönen Künste, also Musik, Literatur, bildende Kunst, Architektur, Malerei. Sicher gab und gibt es in diesen Bereichen starke Bindungen an die BRD (inkl. der Gebiete der ehemaligen DDR), aber genauso an die Schweiz, an die Nachfolgestaaten der Monarchie, an Italien, an Frankreich, Großbritannien, an die USA. Jeder Blick in die Wiener Tageszeitungen wird das bestätigen, ohne daß wir hier mühsame Quantifizierungsversuche vornehmen sollten. Dann gibt es Begriffsbildungen wie „politische Kultur".522 Obgleich selbstverständlich auch hier Gemeinsamkeiten mit der Bundesrepublik Deutschland (wie ähnliche Verteilung der politischen „Lager") existieren - schon mit der ehemaligen D D R gab es keine, und jene Ähnlichkeiten mit dem westdeutschen politischen System sind auch solche mit zahlreichen anderen westlichen, liberalen Demokratien. Außerdem hat die österreichische Verfassungsentwicklung (etwa die Entscheidung, nach 1945 auf die Verfassung von 1920/29 zurückzugreifen und nicht, wie in der BRD, ein neues Grundgesetz zu entwerfen) zu durchaus eigenartiger politischer Kultur geführt. Freilich verschleift die permanente journalistische Gleichschaltung diese Unterschiede. - Um nur ein bekanntes Beispiel herauszugreifen - die sogenannte „Sozialpartnerschaft" gibt es in dieser Gestalt und auf so vielen Ebenen in keinem anderen kapitalistischen Land, sie ist Ausdruck der relativen Stärke der österreichischen 521 Fritz Fellner, Die Historiographie zur österreichisch-deutschen Problematik als Spiegel der nationalpolitischen Diskussion, in: H. Lutz / H. Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, Wien 1982, 33-59, hier bes. 58. 522 Daß ganz selbstverständlich der Begriff der „politischen Kultur" staatlich verfaßten Gemeinschaften zugeordnet wird, zeigen zwei voneinander völlig unabhängige Beispiele: Walter Hildebrandt, Politische Kultur in Deutschland - Herausforderungen und Chancen, Deutsche Studien XV, Dez. 1977 (Heft 60), 317 ff.; Manfried Welan, Hat sich die politische Kultur Österreichs gewandelt? in: Josef Höchtl / Fritz Windhager, Politische Moral. Beiträge zur politischen Kultur Österreichs. Bd. l , W i e n 1981, 79-99.
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Arbeiterbewegung wie der relativen Schwäche des (einheimischen) Kapitals.523 Ist man aber der Meinung, daß Kultur „Alltagskultur" sei, also die Summe der menschlichen Tätigkeit in der Verwandlung der Natur, als Alltags-, Freizeit-, Arbeits-, Haushaltswelt, dann ist die heutige Alltagskultur Österreichs ganz sicher in abnehmendem Maße von überkommenen kleinräumigen oder schichtspezifisch kleinräumigen Verhaltensformen 524 geprägt und vielmehr von jenen Veränderungen, welche, von den USA ausgehend, die gesamte industrialisierte Welt erfassen. Überall werden bald die gleichen Maschinen, die gleichen Computer, damit gleichartige Arbeits- und Überwachungsschritte, mit der wachsenden Freizeitindustrie auch ein wachsend konformes Freizeitverhalten zu konstatieren sein. Obgleich der Bereich des Arbeitsrechtes, des Sozialrechtes - und damit wieder ein kultureller Tatbestand, der wie alle Teile des gesetzlichen Normensystems an Staatlichkeit gebunden ist - sicher ein mehr oder minder großes Maß an Autonomie des kulturellen Verhaltens in diesen Belangen weiter fortführen wird,525 ist doch insgesamt mit einer immer stärkeren Ausrichtung des Lebens an der Uhr, an stärkerer Selbstdisziplinierung zu erwarten. Das wird kaum eine Eigenheit eines wie auch immer „deutschen" Kulturraumes sein. Die wachsende Orientierung des Normenbestandes an der Europäischen Union könnte in vielen Bereichen eher so etwas wie eine „europäische Kultur" hervorbringen. Immer wieder wird deutlich, daß von den Verfechtern der „Kulturnation" eigentlich die „Sprachnation" gemeint wird - denn natürlich besteht in jenen kulturellen Belangen, die mit Sprache zu tun haben, in der Literatur, im Zeitungs- und Verlagswesen, im Bereich der irgendwie medial „bearbeiteten" Sprache, die engste Beziehung zwischen Österreich und den übrigen Ländern des deutschen Sprachraumes - wobei wieder die Bundesrepublik ganz voran steht, die Schweiz dagegen viel weniger bedeutsam ist. Das ist ein klarer und eindeutiger, wenngleich viel eher ökonomischer als „kultureller" Tatbestand, der einfach auf der Überlegenheit des ökonomisch Stärkeren in einem Gebiet freien 523 Zur Sozialpartnerschaft vgl. die Sondernummer der ÖZPW, 1982 Heft 3; ferner Bernd Marin, Die paritätische Kommission. Aufgeklärter Technokratismus in Österreich, Wien 1982. 524 Diese sind Gegenstand der jüngeren, entromantisierten Volkskunde, vgl. beispielsweise Olaf Bockhorn und Karoly Gaäl, Hg., Tadten. Eine dorfmonographische Forschung der Ethnographia Pannonica Austriaca 1972/73, Eisenstadt 1976. 525 Emmerich Tälos, Staatliche Sozialpolitik in Österreich. Rekonstruktion und Analyse, Wien 1981; Gerda Falkner, Soziale Sicherung und europäische Integration, in: Emmerich Tälos, Hg., Der geforderte Wohlfahrtsstaat. Traditionen - Herausforderungen - Perspektiven, Wien 1992, 171-194.
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Austausches beruht. Der Autor dieser Zeilen gesteht, sich kulturell viel eher mit jenen verbunden zu fühlen, die zu den Fisolen „fizol", zu den Ribiseln „ribez", zu den Agraseln „agraz" und zu den Paradeisern „paradiznik" sagen als mit jenen, bei denen die entsprechenden Früchte grüne Bohnen, Johannisbeeren, Stachelbeeren und Tomaten heißen auch wenn auf Grund der schon genannten ökonomischen Abhängigkeitsverhältnisse die letzteren Benennungen in Österreichs Supermärkten zu überwiegen beginnen (immerhin konnte in den Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union einiges an Austriazismen gerettet werden). Es bleibt also, bis zum endgültigen Beweis des Gegenteiles, die Vermutung aufrecht, daß die Verfechter der „deutschen Kulturnation" im Hintergrund doch etwas anderes damit meinen. Es wäre vielleicht für die Frage nach der Ausbildung nationaler Identität wichtiger, dem tatsächlichen sozialen Interaktionsradius der Menschen nachzugehen. Ein wichtiger Ausdruck gesellschaftlichen Kontaktes ist das Konnubium. Systematische Untersuchungen darüber gibt es kaum.526 Sicher hat die allgemeine Mobilisierung durch Wandlungen in der Agrarstruktur, durch die Industrialisierung und nicht zuletzt durch die zwei Weltkriege dieses Jahrhunderts die traditionellen Konnubiumskreise aufgebrochen. Der seit 1938 intensivere Kontakt mit Menschen aus dem „Altreich", die damals als Angehörige von Partei-, Wehrmachts- oder Arbeitsdienststellen nach Österreich kamen, hat die Konnubiumskreise der Österreicher zweifellos in diese Richtung erweitert. In meinem engeren Verwandtschafts- und Bekanntschaftskreis gibt es mehrere solcher Heiraten. Ganz ebenso intensiviert wurde der gesellschaftliche Kontakt zwischen Deutschen und Österreichern zwischen 1938 und 1945 durch den gemeinsamen Dienst in der Wehrmacht. Auch hier wurden Beziehungen geschaffen, die - wie auch immer man derlei bewerten mag durch die Traditionspflege der „Heimkehrer", wenngleich sicher mit langfristig abnehmender Intensität, weitergeführt werden. Ob aber mit diesen Handlungszusammenhängen immer auch verstärkt deutschnationale Bewußtseinszusammenhänge einhergingen (oder gehen), kann nicht eindeutig beurteilt werden. Gerade die geringschätzige Bewertung der „Ostmärker" seitens gewisser „preußischer" Organe hat wohl eher desintegrierend gewirkt.527 526 Für Bockfließ in Niederösterreich konnte Therese Weber, Bäuerliche Familienverhältnisse im 20. Jahrhundert. Eine Oral-History-Untersuchung in zwei Gemeinden Niederösterreichs, Wien, phil. Diss. (Ms.) 1983, auf eine bereits vorhandene KonnubiumskreisAnalyse zurückgreifen. 527 Einige Belege dafür bei Maurice Williams, The Aftermath of Anschluß: Disillusioned
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Sehr verstärkt wurden deutsch-österreichische Kontakte dann durch den expandierenden Fremdenverkehr vorerst im Süden und Westen Österreichs. Das führt auch zu sprachlichen Angleichungstendenzen. Sowohl in Süd- wie auch in Nordtirol gibt es junge Leute, die neben ihrem Dialekt als Quasihochsprache jenen bundesdeutschen EinheitsKauderwelsch gebrauchen, der mit großer Beharrlichkeit auch von der „nationalen", mit Monopolrecht ausgestatteten Bildungsinstitution des ORF dem übrigen Österreich nahegebracht wird. Dennoch läßt sich feststellen: Enge und häufige Kontakte müssen nicht unbedingt die Ausbildung übereinstimmender Identitäten bedeuten. Trotz wachsender ökonomischer Verbindungen (sprich: Abhängigkeit) zwischen Österreich und der BRD, trotz praktisch gemeinsamem Wissenschafts- und Arbeitsmarkt hat sich die deutsche Identifikation der Österreicher seit 1945 insgesamt wohl eher abgeschwächt, obgleich den Österreichern - nach den Österreichern - die Deutschen nach wie vor am sympathischsten sind. So glaubten 1980 33% der Österreicher, die Nation Österreich am sympathischsten zu finden, 26% entschieden sich für „Deutschland", 11% für die Schweiz. Und auf die Frage, mit welchen Nachbarstaaten Österreich die größte innere Verwandtschaft habe, votierten 70% für Deutschland vor je 10% für Ungarn und die Schweiz.528 Zugleich sind aber auch in jenem Teil der österreichischen Bevölkerung, welcher Österreich am kritischsten gegenüberstand, also in der Anhängerschaft der FPÖ, die intensiven Identifikationen mit Deutschland gesunken und jene mit Österreich angestiegen.529 Alle jüngeren Befragungen bestätigen diesen Befund: Deutschland steht den Österreichern am nächsten, aber die Österreicher sehen sich nicht als „Deutsche". Das sprachnationale Kriterium hat seine ausschließliche Identifikationskraft wohl endgültig eingebüßt.
Germans or Budding Austrian Patriots, in: Austrian History Yearbook XIV (1978), 129 ff. (insbes. 140). 528 Das österreichische Nationalbewußtsein, 27 und 29. 529 Im Jahre 1965 erklärten 53% der Anhänger der FPÖ, Österreich sei keine Nation, nur 22% bejahten die Frage. 1979 empfanden immerhin schon 49% der FPÖ-Wähler Österreich als Nation, und nur mehr 23% lehnten die Frage ab. Das korrespondiert mit der Beantwortung der Frage nach dem bevorzugten Wohnland: War dieses 1965 bei FPÖSympathisanten zu 56% die BRD und nur zu 28% Österreich, so 1979 zu 56% Österreich und nur mehr zu 25% die B R D (Journal für angewandte Sozialwissenschaft 20, 1980, 30 f.).
317 Für mich heißt Staatsbürgerbewußtsein, dafür zu sorgen, daß m a n auch in hundert Jahren noch in d i e s e m Land leben kann. A k t i o n e n g e g e n die Umweltverschmutzung, g e g e n die Kontaktlosigkeit unter den Menschen, g e g e n die Vereinsamung unter d e n Jugendlichen. D i e abgeschmackten Österreich-Appelle interessieren mich nicht... Peter M., z u m Nationalfeiertag 1982
5. DIE GESCHEITERTEN REVOLUTIONEN UND DIE BÜROKRATISCHE DEMOKRATIE
Revolution und Nationsbildung Die beiden wichtigsten gesellschaftlich-geschichtlichen Begriffe der Neuzeit, „Revolution" und „Nation", werden in der österreichischen Geschichtswissenschaft nicht nur relativ ungern gebraucht, sondern noch weniger gern miteinander verknüpft. Das entspricht offensichtlich der historischen Erfahrung Österreichs, wohl auch Deutschlands und vielleicht Italiens. Sieht man sich aber innerhalb und außerhalb Europas um, so erscheinen „Revolution" und „Nation" fast ständig in engster Wechselwirkung. Erfolgreiche Nationsbildungen hängen mit erfolgreichen Revolutionen so oft zusammen, daß man fast schon geneigt ist, in diesem Zusammenhang jene Regel zu erblicken, die durch die mitteleuropäische Ausnahme nur bestätigt wird. Gegenüber der allgemeinen Evidenz der Nationsbildung wird die mitteleuropäische Erfahrung nicht nur zur Ausnahme, sondern es stellt sich auch insonderheit die Frage nach der Konsistenz und Dauerhaftigkeit nichtrevolutionär gebildeter Nationen: Die deutsche Nation etwa, bis um 1943 ziemlich fraglos der größte Teil der deutschsprachigen Einwohner Mitteleuropas, ist praktisch zerfallen, und zwar nicht nur durch die neue Eigenständigkeit der Österreicher, sondern auch durch die wohl unaufhaltsame Ausbildung einer eigenen BRD-Nation und einer D D R Nation. 530 530 Zum Problem der DDR-Nation aus marxistisch-leninistischer Sicht Alfred Kosing, Nation in Geschichte und Gegenwart. Berlin 1976; Werner Weidenfeld Hg., Die Identität der Deutschen. München 1983. - Ich lasse diesen Satz in der 2. Auflage bewußt stehen, weil sich in den Verhaltensweisen und im kollektiven Bewußtsein der beiden deutschen Teilnationen tatsächlich viele Unterschiede herausgebildet haben, so daß die nationale Reintegration bisher noch keineswegs vollzogen wurde, ja durch gewisse Eigentümlichkeiten der westlichen „Abwicklung" des Ostens vielleicht noch auf längere Sicht sehr schwer sein wird.
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Demgegenüber sind die Beispiele revolutionärer Nationsbildungen bekannt und zahlreich. Es sei hier nur auf Frankreich verwiesen, wo sich der durch die vorangegangene erfolgreiche königliche Staatsbildung immerhin schon stark in das Reich integrierte „Dritte Stand" 1789 zur „Nation" erklärte. Dementsprechend wurde eines der Sturmlieder revolutionärer Truppen, die Marseillaise, zur Nationalhymne und der Tag des Bastillesturmes von 1789, der 14. Juli, zum bis heute unbestrittenen Nationalfeiertag. Die nationale Identität und ihre Symbole knüpften unmittelbar an jene revolutionäre Wendung an. Bestätigt und unterstrichen wurde diese neue revolutionäre nationale Identität dann durch den erfolgreichen Kampf gegen die alten Mächte außerhalb Frankreichs. Dies verweist auf die bei erfolgreichen Nationsbildungen ebenfalls sehr häufige glückliche Abwehr äußerer Feinde, die natürlich zur Stärkung des Wir-Bewußtseins in ganz hohem Maße beiträgt. Ziemlich oft stehen solche Erfolge nach außen mit Revolutionen im Inneren in Zusammenhang. Zweifellos spielte die Behauptung der russischen Oktoberrevolution gegen die äußere Intervention eine ähnliche Rolle für das nachrevolutionäre sowjetische Nationalbewußtsein wie die Revolutionskriege für Frankreich. Seither ist diese Kombination von Revolution im Innern zugleich mit Befreiung nach außen überhaupt zum dominanten Modell der Nationsbildung geworden: Man denke an die Türkei der frühen zwanziger Jahre, an China seit dem „Langen Marsch", an Algerien, Ägypten, Kuba,Vietnam usw.531 Diese Beobachtungen könnten uns dazu verleiten, Revolutionen als Voraussetzungen erfolgreicher Nationsbildung als typisch „modernes" Phänomen darzustellen. Dieser Schluß wäre irrig. Sicher, jene „Nationen", zu denen sich die Masse der Population eines Staates zählt, sind Produkt und Voraussetzung politisch-sozialer Verhältnisse, wie sie erst seit dem 18. Jahrhundert denkbar geworden sind. Aber auch ältere „Nationen", die nur einen Teil (in der Regel adelige und städtische Führungsgruppen) der Bevölkerung eines Herrschaftsbereiches umfaß531 Für eine rasche Information John Dunn, Moderne Revolutionen. Analyse eines politischen Phänomens, Stuttgart 1974; Kenneth R. Minogue, Nationalismus, München 1970, der ähnlich wie wir den Zusammenhang von Nationsbildung und Revolution formulierte. Als seriöse Fallstudie für die USA nützlich: Richard L. Merritt, Nationenbildung: eine Fallstudie, in: W. Zapf, Hg., Theorien des sozialen Wandels. Köln - Berlin 31971, 213 ff.: Zu unserem Problem, wie auch überhaupt, relativ unergiebig Richard Lorenz, Sozialgeschichte der Sowjetunion 1: 1917-1945, Frankfurt / Main 21978, der zwar die Anfänge der Revolution brav marxistisch erklärt, den Stalinismus aber völlig systemwidrig als bloß personalistisch erklärbaren „Sündenfall" darstellt. Zur Frage der Nationsbildung in der dritten Welt vgl. Ernst Bruckmüller / Sepp Linhart / Christian Mährdel, Hg., Nationalismus. Wege der Staatenbildung in der außereuropäischen Welt (Historische Sozialkunde 4), Wien 1994.
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ten, sind manchmal durch revolutionäre Handlungen entstanden und haben sich oft erst viel später zur modernen Nation erweitert. Man denke etwa an die Niederlande, deren Nationsbildung, durch die burgundische Staatsbildung vorbereitet, zweifellos eine städtisch-patrizisch-aristokratische war, als man sich von der spanischen Herrschaft abkoppelte. Und die bürgerliche belgische Nation von 1830 wurde zweifellos durch die ständisch-aristokratische Revolte gegen die Maßnahmen Josephs II. 1788-1790 vorbereitet.532 Auch die englische Nation, als deren zentrale Repräsentation das Parlament anzusehen ist, erscheint ohne die Revolutionen des 17. Jahrhunderts nicht denkbar, obgleich nach deren Beendigung die „Nation", soweit sie im Parlament repräsentiert war, noch immer ein aristokratisch-stadtbürgerliches Phänomen blieb, unter Ausschaltung der bäuerlichen, aber auch nichtbäuerlichen „mittleren" und „unteren" Schichten. Schließlich und endlich müssen wir die in unmittelbarer Nachbarschaft, ja im Herrschaftsbereich der Habsburger erfolgte revolutionäre Staatsbildung der Schweiz mit einbeziehen, die zwar von bäuerlichen Gemeinden ausging, letztlich aber größtenteils eine städtisch-patrizische Domäne wurde, wo große Teile (wieder) der ländlichen Bevölkerung als „Untertanenlande" aus der politischen Willensbildung und damit aus der entstehenden schweizerischen Nation ausgeschlossen waren.533 Unzweifelhaft haben die zuletzt genannten Revolutionen älteren Zuschnitts also auch nationsbildend gewirkt, wobei dann oft noch spätere mehr oder weniger direkt revolutionäre Schübe notwendig waren, um die Nationsbildung zu vollenden (etwa der Sonderbundkrieg in der Schweiz 1846/47). Wir dürfen daher bei der Frage nach möglichen Ansätzen einer alternativen Nationsbildung in Österreich, alternativ zu den bereits vorgestellten Modellen des Landesbewußtseins, der habsburgischen Hofratsnation und des Sprachnationalismus, nicht jene spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Auseinandersetzungen vergessen, die als Adels- und Ständeaufstände, als städtische Unruhen oder Bauernkriege von der österreichischen Geschichtsforschung immer ein bißchen scheel angesehen wurden.
532 Zur letzteren vgl. Jan Roegiers, Der Umsturz in Brabant (1789-1790), in: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II., Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung Melk 1980, (Kat. d. Nö. Landesmuseums Nr. 95), Wien 21980, 266-270, wo die Überlegenheit der traditionell-ständischen gegenüber der demokratischen Strömung gut zum Ausdruck kommt. Vgl. auch Helmut Stradal, Die brabantische Revolution des Jahres 1789 aus Wiener Sicht. Standen en Landen 47 (1968), 217-317. 533 Hans Nabholz / Leonhard v. Muralt / Richard Feller / Edgar Bonjour, Geschichte der Schweiz 1, Zürich 1932, 316 ff.
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Revolutionär-oppositionelle Strömungen des Adels, der Städte und der Bauern Den Übergang von älteren Formen feudaler Auseinandersetzungen zu den späteren Ständekämpfen markieren wohl die Aufstände gegen Albrecht I. in Österreich und Steiermark am Ende des 13. Jahrhunderts. Wenn die Nachricht des schon zu Beginn dieses Abschnitts ausführlicher zitierten „Seifried Helbling", nach der die Spitzen der Verschwörung, unter ihnen Kuenringer und Puchheimer, die Zerlegung Österreichs in vier Markgrafschaften geplant haben,534 stimmt, dann verweist dieser Plan noch auf das ältere feudale Muster der Verselbständigung großer Herren in eigenen Herrschaftsgebieten. In der Regel ist später derlei nicht mehr nachweisbar - nach der erfolgreichen Landesbildung spielten sich die Auseinandersetzungen nicht mehr mit dem Ziel einer völligen Verselbständigung einzelner großer Adeliger, sondern mit dem einer möglichst weitgehenden korporativen Verselbständigung der Gesamtheit des Adels, also der Stände, ab. Die Kuenringer sind denn auch gescheitert, ebenso wie jene reichen Wiener, die ebenfalls die Habsburger vertreiben und wieder Bürger einer Reichsstadt werden wollten. Die Verschwörer blieben stets auf ihren Kreis beschränkt, der Landesfürst konnte andere, weniger reiche und mächtige Gruppen gegen jene ausspielen.535 Das 14. Jahrhundert ist im Osten Österreichs relativ ruhig; in den westlichen Gebieten der Habsburger rumorte es freilich kräftig - aus einer Serie spektakulärer Niederlagen der habsburgischen Ritter (Morgarten 1315, Sempach 1386, Näfels 1388) schälte sich langsam die Eidgenossenschaft heraus. Fast gleichzeitig mit dem Zusammenbruch der habsburgischen Stellung in der Schweiz gefährdeten die Teilungen seit 1379 mit ihren von den Ständen oft und gerne genützten Möglichkeiten, sich in die Vormundschaftsstreitigkeiten der habsburgischen Vettern einzumengen, die Positionen des Herrscherhauses. Wäre damals die Möglichkeit für eine ständische Staatsbildung gegeben gewesen? Man wird diese Frage für das 15. Jahrhundert wohl verneinen müssen, besonders wenn unter „Staatsbildung" die Integration größerer Gebiete, also etwa mehrerer Länder zu einer größeren Einheit, verstanden wird. Denn die Stände dachten noch fast ausschließlich in den Dimensionen ihrer jeweiligen Länder. Ein Erfolg ihrer Politik hätte im 15. Jahrhundert wohl eher Desintegration als Integration bedeutet. 534 Seifried Helbling, hg. v. Jos. Seemüller, Halle/Saale 1886, Gedicht IV, 129 ff., vgl. Ursula Liebertz-Grün, Seifried Helbling. Satiren contra Habsburg, München 1981. 535 Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, Wien 1967, 71 f. und 78 ff. mit der weiteren Literatur.
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Von einer historischen Perspektive aus erscheinen die Querelen des 15. Jahrhunderts eher als planlose Vorgeplänkel einer größeren Auseinandersetzung. Sie mußte ausbrechen, als die Frage der Finanzierung jenes seit Maximilian I. und seit 1526 groß und weitläufig gewordenen Herrschaftsbereiches und der mit ihm verbundenen Aufgaben dringend geworden war. Denn die Finanzierung mußte die Stände beschäftigen, und die gemeinsamen Tagungen der diversen Ständevertreter schufen erstmals so etwas wie einen gemeinsamen institutionellen Rahmen für die meisten der habsburgischen Länder, wenn man vom fürstlich-höfischen Bereich einmal absieht. Am längsten gab es solche Länderkongresse im Bereiche der drei bzw. vier innerösterreichischen Länder, die sich vom 15. bis ins 17. Jahrhundert nachweisen lassen und hier tatsächlich einem wachsenden Gemeinschaftsbewußtsein dieses in der zweiten Teilungsperiode (1564-1619) fast schon zu einer Art Staatlichkeit gediehenen Territorialkomplexes korrespondierten. 536 Unter Maximilian I. kam es um 1500 zu gemeinsamen Tagen der niederösterreichischen Lande, also der innerösterreichischen gemeinsam mit den Ländern ob und unter der Enns.537 Die Niederösterreicher (in dem hier gebrauchten Sinne!) und Oberösterreicher (also Tirol und die Vorlande) tagten gemeinsam in Innsbruck vom 15. Januar bis 6. Juni 1518. Ergebnis war eine gemeinsame Defensionsordnung, die man sich 1519 in Bruck an der Mur noch bestätigte.538 Freilich waren diese Tagungen nicht nur Ausdruck wachsender Gefährdung der Erblande durch die vordringenden Türken, sondern auch Ausdruck starker Unzufriedenheit mit der Regierung Maximilians. Nach seinem Tode sollte diese ständische Unzufriedenheit massiv zum Ausdruck kommen. Doch bevor wir uns dieser zuwenden, muß nochmals darauf verwiesen werden, daß die ständische Unruhe nicht die einzige Konfliktfront des 15.-17. Jahrhunderts darstellte. Immerhin gab es vorab im 15. Jahrhundert nicht unbeträchtliche städtische Unruhen, besonders in Wien. 536 Hermann Ignaz Bidermann, Die österreichischen Länder-Kongresse. MIÖG 17, 1896, 268 f. Der hier als erster genannte Landtag von 1338, den Bidermann nach Krones aufgenommen hat, ist aber nach einer Bemerkung Loserths nicht nachweisbar. Zur Frage der Ausbildung einer innerösterreichischen Staatlichkeit Winfried Schulze, Landesdefension und Staatsbildung, Wien - Köln - Graz 1973. 537 Bidermann, Länder-Kongresse, 269. 538 Alfred Nagl, Der Innsbrucker Generallandtag vom Jahre 1518. Jb Lk Nö NF 18/19 (1919) 12-36. Ausführlich werden die Ergebnisse von Innsbruck dargelegt bei Wagner, Österreich, 281 ff. Über das tatsächliche Funktionieren des dort vereinbarten „nachbarlichen succurses" der habsburgischen Länder nicht unkritisch Bidermann, Gesammt-Staats-Idee 2, 101 ff. (dagegen beurteilt Wagner gerade dieses gegenseitige Hilfeversprechen und seine Verwirklichung als zentrale Grundlegung eines österreichischen Gemeinschaftsbewußtseins auf Ständeebene).
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Wenn es gelang, diese städtische Unzufriedenheit für die ständischen Ziele einzuspannen, konnte das eine gefährliche Konstellation ergeben. - Diese letztere Bemerkung muß allerdings insoferne entdramatisiert werden, als die „städtische Unzufriedenheit" ein Sammelbegriff ist für eine Reihe häufig gegenläufiger Bestrebungen: Gewisse reich gewordene zünftische Bürger wollten mehr Mitsprache im Rat, die Reste älterer städtisch-ritterlicher Gruppen wollten ihre Stellung aufrechterhalten, die erstmals im 15. Jahrhundert von Restriktionen getroffenen Gesellen wollten die Möglichkeit zur Erlangung der Meisterwürde bewahren oder erweitern, und die Taglöhner wollten einfach bessere Arbeitsbedingungen.539 All das ließ sich wohl kaum dauerhaft unter einen Hut bringen, wofür das Schicksal des „Volkstribunen" Wolfgang Holzer, eines reichen Viehhändlers, ein gutes Beispiel bietet: Holzer, der für sich und einige Gefährten mehr Macht im Rat wollte, verbündete sich mit dem Bruder Friedrichs III., Albrecht VI., wurde schließlich durch geschickte Versprechungen nach allen Seiten Bürgermeister, fand sich dann durch die tatsächliche Herrschaft Albrechts VI. enttäuscht, versuchte einen neuerlichen Stellungswechsel durchzuführen, hatte aber inzwischen seinen Anhang verloren und wurde 1462 hingerichtet.540 Und eine weitere aufstandsbereite Gruppierung fand sich in der Bauernschaft. Verunsichert durch das Unvermögen der traditionellen feudalen Gruppen, das Land gegen äußere und innere Feinde zu schützen, erzürnt über immer neue Abgaben an ihre Herren, erhoben sie sich zunächst dort, wo die Legitimation der Herren am schwächsten oder die Bedrohung von außen, durch die Türken, am schwersten war: in Salzburg (1466), wo man sich gegen die Weihsteuern habgieriger Bischöfe zur Wehr setzte (und wo die Herrschaftslegitimation des geistlichen Fürsten immer wieder in Frage gestellt wurde), in Steiermark und Kärnten (1478), später auch in Krain und Untersteiermark (1515), dann, 1525, in Tirol, Salzburg und Obersteiermark, 1595-1597 in Oberösterreich, 1596/97 in Niederösterreich, 1626 in Oberösterreich, 1635 in Steiermark usw.541 539 Zu den sozialen Konflikten des Spätmittelalters in Österreich zusammenfassend Peter Feldbauer, Soziale Konflikte in Österreich im 14. und 15. Jahrhundert, in: E. Zöllner Hg., Revolutionäre Bewegungen in Österreich, Wien 1981, 28 ff. 540 Zu den Wiener Unruhen von 1461/62 noch immer unentbehrlich Karl Schalk, Aus der Zeit des österreichischen Faustrechtes (1440-1463), Wien 1919. Eine sehr gute neuere Zusammenschau bietet Richard Perger; Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter, Wiener Geschichtsblätter 38 (1983), 1-36. 541 Einen Überblick über die Bauernkriege vorab des 16. Jahrhunderts bietet der vom Tiroler Landesarchiv herausgegebene Band über Michael Gaismair: Fridolin Dörrer, Hg., Die Bauernkriege und Michael Gaismair, Innsbruck 1982.
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Nun haben Bauernaufstände auch die großen „gelungenen" ständisch-parlamentarischen, bürgerlichen oder proletarischen Revolutionen vorbereitet, begleitet, vorangetrieben; sowohl in England als auch in Frankreich, und ganz besonders zuletzt in Rußland. 542 Warum kamen die drei unterschiedlichen revolutionären Strömungen in den österreichischen Ländern nicht zu einem Erfolg? Dazu genügt es zunächst, sich vor Augen zu führen, wie schwierig und problematisch im 15./16. Jahrhundert noch die Kommunikation zwischen größeren Menschenmassen war. Tatsächlich konnten Bauernaufstände größerer Art überhaupt erst ausbrechen, als in den seit den Hussitenkriegen des 15. Jahrhunderts notwendig gewordenen bäuerlichen Massenaufgeboten und ihrer Aufgebotsordnung ein Instrumentarium zur raschen Mobilisierung des flachen Landes von mehr oder minder großer Wirksamkeit gefunden worden war.543 Ein zweites: Die entscheidende gesellschaftliche Trennungslinie jener Jahrhunderte ging entlang der Scheidung von Grundherren und Untertanen. Von vornherein standen sich Bauern und Adel als Gegner gegenüber. Selbst in den heftigsten Auseinandersetzungen zwischen Reformation und Gegenreformation, als große Teile des Adels und der Bauernschaft auf derselben Seite standen, kam es zu keiner Koalition. Nicht einmal bei der letzten großen Auseinandersetzung dieser Art, dem oberösterreichischen Bauernkrieg von 1626 (für dessen Charakterisierung es freilich zusätzlich notwendig ist, seine antibayerische, also „patriotische" Grundhaltung mit ins Kalkül zu ziehen), ging der Adel, von einigen wenigen Randfiguren abgesehen, mit.544 Und drittens: In den parallelen westlichen antifürstlichen Bewegungen spielten die Städte eine sehr wichtige Rolle. Aus verschiedenen Gründen konnte das in den österreichischen Ländern nicht der Fall sein. Zunächst muß man sich vergegenwärtigen, daß in den österreichischen Ländern ein reiches und selbstbewußtes Stadtbürgertum nur
542 Barrington Moore, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie. Die Rolle der Grundbesitzer und Bauern bei der Entstehung der modernen Welt, Frankfurt/Main 1969. 543 Dazu ist ein kleines, zu Unrecht vergessenes Werk des großen oberösterreichischen Landeshistorikers Franz Kurz zu zitieren: Geschichte der Landwehre in Österreich ob der Enns, Linz 1811. Recht deutlich erscheint die Verknüpfung von militärischem Aufgebot und Bauernaufstand beim Ausbruch der Unruhen in Steyr im Herbst 1596, die aus Anlaß einer Musterung nach einer Niederlage gegen die Türken ausbrachen; vgl. Gottfried Edmund Frieß, Aufstand der Bauern in Niederösterreich am Schluß des 16. Jahrhunderts, Bll Lk N ö 31 (1897), Sonderdruck. 544 Georg Heilingsetzer, Der Adel zur Zeit des Bauernkrieges, in: Der oberösterreichische Bauernkrieg 1626, Katalog der Ausstellung des Landes Oberösterreich 1976, Linz 1976, 143 ff.
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rudimentär existierte. Das 15. Jahrhundert sieht zwar die Entfaltung eines besonderen Frühkapitalismus in unseren Ländern, der im Zusammenhang mit der gesteigerten Nachfrage nach den ostalpinen Montanprodukten einerseits und mit einer intensivierten Handelstätigkeit (erste Handelskompagnien in dieser Zeit) andererseits zu sehen ist. Aber die wichtigsten Anteile an den Gold- und Silbergruben Tirols, Salzburgs, Kärntens und der Steiermark gingen bald an die übermächtigen oberdeutschen Handelshäuser (Fugger; Hochstätter) über. Der Salzabbau wurde weitgehend verstaatlicht, und die Handelskompagnien fielen teils der starken oberdeutschen Konkurrenz, teils fürstlicher antikartellistischer Ordnungspolitik zum Opfer.545 Die einzige wirklich bedeutende Stadt des ganzen Bereiches, nämlich Wien, war niemals primär eine Handelsstadt gewesen, obgleich ihre Oberschicht aus dem Stapelrecht gewiß gute Gewinne zog. Aber der Donauhandel darf nicht überbewertet werden. Und mit dem Vordringen der Türken wurden donauabwärts zusätzliche neue Handelssperren errichtet. Wien lebte, etwas vergröbert ausgedrückt, stets von Weinbau und Weinexport. Als dieser im 16. Jahrhundert in Schwierigkeiten kam, geriet die Ökonomie dieser Stadt insgesamt in eine Krise. Die traditionellen Wiener Oberschichten versuchten zwar, durch eine führende Beteiligung an der Ständerevolte gegen das „Regiment", die Regierung Maximilians, nach dessen Tode ihre Position erneut zu befestigen. Damit sind wir auch schon bei der genau genommen letzten einheitlichen ständischen Front gegen die absolutistische Regierungsweise der Habsburger. Die Revolten des frühen 17. Jahrhunderts (aber auch die ungarische „Magnatenverschwörung" der 1660er Jahre) waren ein rein adeliges Unternehmen. Eigentlich war ja die „Ständerevolte" von 1519/20 eine relativ harmlose Auflehnung gewesen. Im Prinzip war es darum gegangen, ob die Amtsgewalt des „Regimentes", also der von Maximilian I. eingesetzten höfischen Frühbürokratie, nach seinem Tode anerkannt werden sollte und konnte. Das Testament des Kaisers befahl diese Anerkennung. Älteren Rechtsanschauungen, nach welchen nur ein lebender König vertreten werden konnte (und die 1490 und 1493 eingerichteten Regimenter waren solche Vertretungen, da Maximilian ja nicht überall zugleich sein konnte!), widersprach dies ebenso wie den Landesprivilegien. Es wurde daher noch für Ende Jänner 1519 ein Landtag nach Wien ausgeschrieben, der einen lököpfigen Ausschuß für die Führung 545 Zum Frühkapitalismus und seiner fehlenden Fortentwicklung Ferdinand Tremel, Der Frühkapitalismus in Innerösterreich, Graz 1954.
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der Regierungsgeschäfte wählte.546 Das maximilianische Regiment zog sich daraufhin nach Wiener Neustadt zurück. An der Spitze der die ständische Bewegung dominierenden Gruppe stand der langjährige Stadtrichter und mehrmalige Bürgermeister von Wien, Dr. Martin Siebenbürger, der schon früher mehrmals Konflikte mit dem Regimente ausgetragen hatte. Anschließend trafen sich Delegierte aller niederösterreichischen Länder auf dem schon genannten Brucker Landtag (13.-27. März), wo man auch eine Botschaft an den Ältesten des Hauses, Karl, den nachmaligen Fünften, nach Spanien abzusenden beschloß. Erst Anfang November kam man nach Barcelona, wo Siebenbürger durch sein unhöfisches Benehmen auffiel. Die anderen (adeligen!) Gesandten distanzierten sich von den bürgerlich dominierten Unterösterreichern. Die Steirer kehrten zur angestammten Obödienz zurück, doch die Wiener verharrten bei ihrer Opposition und verwalteten nach wie vor das fürstliche Kammergut aus eigener Machtvollkommenheit - natürlich ein ganz zentraler Konfliktpunkt! In den ersten Monaten des Jahres 1520 wurde endlich Kommissaren der habsburgischen Brüder die Huldigung geleistet, im Juli schließlich auch in Wien. Damit war aber die Sache noch nicht zu Ende, man leistete weiterhin hinhaltenden Widerstand, der auch nach einer ziemlich ergebnislosen Reise an den Hof Karls V. nach Aachen und Maastricht nicht aufgegeben wurde. Der letzte Akt erfolgte erst nach der Bereinigung der Probleme zwischen den Brüdern. 1521, zu Worms, wurde zunächst festgelegt, Ferdinand solle die fünf niederösterreichischen Länder bekommen - aber ohne Triest und die anderen am Meer gelegenen Gebiete. Da auch die Windische Mark - von Krain getrennt - an Karl V. fallen sollte, erhob sich lebhafter Widerspruch der Krainer Stände. Erst mit dem Brüsseler Vertrag vom Februar 1522 erhielt Ferdinand den gesamten Komplex des Hauses Österreich, wie ihn sein Großvater Maximilian /. besessen hatte. Nun kam er als Landesherr in seine Erblande. Im Juni wurde zu Wiener Neustadt Gericht gehalten. Am 23. Juli erfolgte der Urteilsspruch, und am 9. August wurden Michael von Eytzing und Hans von Puchheim, die adeligen Führer der Opposition, am 11. dann Siebenbürger und fünf andere Wiener Bürger hingerichtet.547 546 Alphons Lhotsky, Das Zeitalter des Hauses Österreich. Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. in Österreich (1520-1527), Wien 1971, 85; Günther R. Burkert, Landesfürst und Stände. Karl V., Ferdinand I. und die österreichischen Erblande im Ringen um Gesamtstaat und Landesinteressen (Forschungen und Darstellungen zur Geschichte des Steiermärkischen Landtages 1), Graz 1987. 547 Lhotsky, Zeitalter, 128; Burkert, Landesfürst, 139 ff.
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Wie stark diese Ereignisse in der Bewertung schwanken, zeigt nicht bloß das Schicksal der am Wiener Rathause 1922 angebrachten Gedenktafel für Siebenbürger (sie wurde 1934 entfernt und erst 1954 wieder aufgestellt), sondern auch das Urteil der Historiker: Während Alphons Lhotskys akribisch genaue Beschreibung der Vorgänge in ihrer Interpretation keinen Zweifel an der Haltung des Autors läßt und diese klar die Berechtigung Ferdinands I. für seine Handlungsweise unterstreicht, verweist Alexander Novotny auf Parallelen zwischen dem Bestreben Siebenbürgers und dem Freiheitskampf der Niederländer - im letzteren hat der Typus „Siebenbürger" in Johann von Oldenbarneveldt gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Führung in einer Bewegung übernommen, die ebenfalls als adelig-ständische begann und als bürgerlich-ständische zum Erfolg führte, während sich in Österreich der größte Teil des Adels arrangierte und die schwache Partei des Wiener Bürgertums untergehen mußte.548 Wien erhielt schließlich 1526 eine neue Ratsordnung, in der nicht nur gewisse Errungenschaften des 15. Jahrhunderts, wie eine wenigstens theoretische Beteiligung der Zunftbürger am Rat, wieder beseitigt wurden, sondern vor allem den landesfürstlichen Räten eine entscheidende Rolle zugewiesen wurde. Die alte Münzerhausgenossenschaft, offenbar ein Hort alt-stadtbürgerlicher Opposition, wurde aufgelöst.549 Die keineswegs konsequente oder auch nur einheitliche Opposition des Wiener Stadtbürgertums erscheint mit den drei Hinrichtungen von 1408 (Bürgermeister Vorlauf), 1462 (Wolfgang Holzer) und 1522 (Siebenbürger) in ihren Höhepunkten ebenso wie in ihrer endgültigen Niederschlagung markiert. Bleibt noch die adelig-ständische Bewegung im engeren Sinne. Auch dieser wurde ja im Wiener Neustädter Blutgericht eine kräftige Niederlage bereitet. Aber damit war sie noch lange nicht tot. Zwei von außen kommende Akzidenzien konnten ihr immer wieder neuen Auftrieb verleihen. Die eine dieser beiden Strömungen war die Reformation. Man hat nicht zu Unrecht die Reformation in den österreichischen Ländern als religiös ausgedrückte Widerstandsideologie vorab des Adels gegen den absolutistischen Landesfürsten angesehen.550 Allerdings muß man 548 Lhotsky, ebd.; Alexander Novotny, Ein Ringen um ständische Autonomie zur Zeit des erstarkenden Absolutismus (1519-1522). MIÖG 71 (1963), 354 ff. 549 Geschichte der Stadt Wien, Bd. II, Wien 1905, 577-591. 550 Karl Gutkas in seinem Katalog-Beitrag „Die Stände Österreichs im 16. Jahrhundert", in: Renaissance in Österreich (Kat. Nö. Landesmuseum NF 57), Wien 1974, 384 ff.; Gustav Reingrabner, Adel und Reformation. Beiträge zur Geschichte des protestantischen Adels im Lande unter der Enns während des 16. u. 17. Jahrhunderts, Wien 1976.
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gleich einschränkend hinzufügen, daß die lutherische Version der Reformation letztlich doch auch wieder diesen Widerstand lähmte, da eine ihrer leitenden Denkfiguren jene des „leidenden Gehorsams" war. Es ist bezeichnend, daß aktiverer Widerstand mit Namen wie Georg Erasmus von Tschernembl verbunden ist, der nun seinerseits der calvinischen Version der Reformation anhing.551 Neben dem Eindringen calvinischen Gedankengutes muß aber der langhin erfolgreiche Widerstand des protestantischen Adels doch vor allem den Türken zugeschrieben werden. Die seit 1526 fast ununterbrochen anhaltende Gefahr eines weiteren türkischen Vordringens, die häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen und der stete Zwang zu Rüstungen mußte die Habsburger daran hindern, gegen den Adel entschieden vorzugehen, brauchte man doch die Stände immer wieder zu Steuerbewilligungen für die oben beschriebenen Zwecke. Und noch eines dritten Ereignisses muß in diesem Zusammenhang gedacht werden: Sicher ist die letzte heiße Phase der Auseinandersetzungen zwischen Fürsten und Ständen in dieser Form nicht denkbar ohne den berühmten Bruderzwist. An den Mißhelligkeiten zwischen Rudolf II. und Matthias konnten die malkontenten Stände die mannigfachsten Anknüpfungspunkte finden. Ebenso wie schon im Spätmittelalter erwiesen sich die Herrschaftsteilungen als Gefahr für die Dynastie und als Chance für die oppositionellen Stände.552 Gerade unter der Führung von Männern wie Tschernembl, die nun auch zum aktiven Widerstand entschlossen waren, entstanden in der Zeit zwischen 1608 und 1618 weitreichende Konzepte, die letztlich auf eine weitgehende Reduktion bzw. überhaupt Beseitigung der Position der Habsburger hinausgelaufen wären. An deren Stelle sollte eine mehr oder weniger lose Konföderation ständisch-adelig beherrschter Länder treten, deren Zentrum die Länder der böhmischen Krone gebildet hätten. 1619 schrieb der venezianische Gesandte von Wien nach Hause, es zeige sich immer deutlicher, daß es das Ziel der Länder (also der revoltierenden Stände) sei, eine Konföderation unter sich zu schlie-
551 Über das theoretische Widerstands-Problem vgl. Hans Sturmberger, Jakob Andreae und Achaz von Hohenfeld. Eine Diskussion über das Gehorsamsproblem zur Zeit der Rudolfinischen Gegenreformation in Österreich, in: Fs. Karl Eder, Innsbruck 1959, wieder in: Sturmberger, Land ob der Enns und Österreich, Aufsätze und Vorträge Linz 1979, 1732. Zu Tschernembl die große Biographie Sturmbergers, Georg Erasmus von Tschernembl. Religion, Libertät und Widerstand. Ein Beitrag zur Geschichte der Gegenreformation und des Landes ob der Enns, Linz 1953. 552 Dazu vgl. wieder Hans Sturmberger, Die Anfänge des Bruderzwistes in Habsburg. MOÖLA 5 (1957), 143 ff.; wieder in: Ders., Land ob der Enns, 32-75.
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ßen und eine freie Regierung ähnlich jener der Schweiz oder der holländischen Generalstaaten zu errichten. 553 Es darf an dieser Stelle auf eine sehr bemerkenswerte Beobachtung Josef Redlichs hingewiesen werden, der, unter Verweis auf Bodin und Macchiavelli, unterstrich, daß „Staat" („lo stato") in der frühen Neuzeit nur den „Status" des Fürsten und seiner Dienerschaft, schließlich die Summe der dem Fürsten zur Verfügung stehenden Ressourcen bedeutet habe. 554 Weder die Stände als Versammlung der politisch Berechtigten noch die Untertanen im weiteren Sinne hatten mit dem „Staate" zu tun. Gegen die Ausweitung der Ingerenz dieses „Staates" wehrten sich vorab die Stände, in Einungen, Bünden, Unionen. Bis zur Konsolidierung der Schweiz und der Niederlande als selbständiger „Staaten" fehlte es weithin an Vorbildern für die Weiterentwicklung dieser zunächst völlig defensiven Rolle der ständischen Bündnisse. Im wesentlichen sollten sie nur der Statussicherung ihrer Mitglieder vor der sich ausbreitenden Staatsgewalt dienen. „Ein individualistisch-politischer, nicht ein assoziativ-politischer Trieb lag allen mittelalterlichen und späteren Städtebünden, ständischen Einungen usw. zugrunde ...", urteilte Redlich.555 Das war nun zwar ein Manko der ständischen Bewegungen, für die Habsburger des aufstrebenden höfischen Absolutismus war aber auch das schon zuviel. Zwar waren sie durch die Umstände, konkret also durch die Türkengefahr, immer wieder gezwungen worden, gemeinsame Tagungen der Stände der von ihnen beherrschten Länder anzustreben, um vor allem die Finanzleistungen dieser Länder zu koordinieren. Dem Mißtrauen der Fürsten gegen solche Möglichkeiten zu allenfalls auch konspirativer Tätigkeit korrespondierte glücklich der Stolz und die Borniertheit der Stände, die sich auch nur höchst ungern herbeiließen, mit den anderen zusammenzuarbeiten (wenn man von den Innerösterreichern im besonderen und den „Nieder"-Österreichern im allgemeinen einmal absieht). Erst 1541/42 war die erste gemeinsame Tagung der böhmischen und österreichischen Länder möglich geworden.556 Ein Ausschußlandtag der niederösterreichischen Lande 1556 zu 553 Zu den Föderationsplänen auf republikanischer Basis Hans Sturmberger, Vom Hradschin zum Weißen Berg. Zur Erinnerung an den Prager Fenstersturz vor 350 Jahren, in: Österr. Militärhist. Zs. 4 (1968), 271-276. wieder in: Ders., Land ob der Enns, 76 ff. Die Beurteilung Tschernembls im selben Bande, 98. 554 Redlich, Reichsproblem 1/2, 27. 555 Ebd., 27 f. 556 Bidermann, Gesammt-Staats-Idee 1, 9 f.; Johann Loserth, Die Prager Ländertagung von 1541/42. Verfassungs- und finanzgeschichtliche Studien zur österreichischen Gesamtstaatsidee (gem. m. Franz v. Mensi). AÖG 103/11 (1913), 435 ff.
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Wien schien einen weiteren Grundstein für die Entwicklung gesamthabsburgischer Reichsstände zu legen.557 Mit der Verschärfung der religiösen Gegensätze mußten ständische Vereinigungen mit ihren obligat protestantischen Mehrheiten den Habsburgern zunehmend verdächtig werden. Als erster verbot Ferdinand II. für seinen innerösterreichischen Herrschaftsbereich gemeinsame Landtage. 558 Die niederösterreichischen Lande (nunmehr bloß Ober- und Niederösterreich), unter Maximilian II., Rudolf II. und Matthias mit Böhmen und Ungarn vereinigt, traten hingegen auf Ständeebene mit diesen in engere Kontakte. Daß Matthias hier mitspielte, lag allein an seiner Gegnerschaft zu seinem Bruder Rudolf II. Inhaltlich war er von der Linzer Tagung von 1614 (die Anton Gindely als „ersten österreichischen Reichstag" bezeichnete)559 wenig erbaut, da die Stände seinen Kriegsplänen erfolgreichen Widerstand leisteten. 1606 hatten sich die Stände Innerösterreichs mit den Niederösterreichern, Böhmen, Mährern, Schlesiern, Ungarn, Siebenbürgern und Kroaten verbündet. Diese Konstellation wurde 1608 zu Preßburg ausgebaut. 1609 tauchte der Plan eines ständischen Zentralausschusses für alle Länder auf, der 1612 weiter ausgefeilt wurde. Wieder traf man sich 1615 und 1620 (jeweils die Vertreter der böhmischen Länder und die „Nieder"-Österreicher ob und unter der Enns), nun schon eindeutig in revolutionärer Absicht.560 Bidermann, der Historiker der österreichischen Gesamtstaatsidee, notiert: „Die revolutionären Hintergedanken, mit welchen sich diese Versammlungen trugen ... Hessen freilich da keinen wahrhaften österreichischen Patriotismus aufkommen."
Er muß aber gestehen: „Immerhin ist es jedoch merkwürdig, dass die Völker Österreichs in einer Zeit der wildesten Anarchie, wo sie allen äußeren Zusammenhaltes ermangelten, den Staatsverband, welchen das Haus Habsburg um sie geschlungen hatte, nicht nur respektierten, sondern sogar innerhalb desselben sich enger an einander schlössen, als das Geheiss der Fürsten sie zu vereinigen vermocht haben würde."561
Es ist daher kein Wunder, daß Ferdinand II. die Meinung vertrat, daß die „... hochschädliche Union der böhmischen Rebellion Mutter" ge557 Bidermann, Gesammt-Staats-Idee 1, 10 f. 558 Hans Sturmberger, Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus,Wien 1957,20. 559 Anton Gindely, Der erste österreichische Reichstag zu Linz 1614, in: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien 40 (1862), 230-254; Gerhard Putschögl, Die Ausschußtage der österreichischen Stände, in: ÖGL 8 (1964), 431-437. 560 Bidermann, Gesammt-Staats-Idee 1, 25 f. 561 Ebd., 26.
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wesen sei562 und daher jedwede Kontaktnahme der Stände nach seinem Siege unterband. Mit der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 wurde nicht nur die böhmische, sondern auch die ober- und niederösterreichische Adelsfronde entscheidend getroffen (die Steirer waren schon um 1600 in die Zange genommen worden). Der Proponent der oberösterreichischen Stände in dieser Bewegung, Georg Erasmus von Tschernembl, wird von seinem Biographen, Hans Sturmberger, abschließend als konservativer Revolutionär beurteilt, als „Propagator eines föderativen Österreich der Stände und der Länder", der „in seinem Ringen um diesen Ständestaat die andere Variante der möglichen Staatswerdung Österreichs" angedeutet habe. 563 Scheitern der Stände: Ursachen und Folgen Das Scheitern der Stände ist zum einen wohl aus der Schwäche der Städte erklärlich. Die Nichteinbeziehung der Städte in die ständische Opposition nach 1522 ist aber nicht nur auf jenes Ereignis und auf das Eingeständnis des Adels zurückzuführen, daß die Städte nun einmal zum landesfürstlichen Einflußbereich („weiteres Kammergut") gehörten, sondern hat auch eine andere ganz handfeste Wurzel. Städte und adelige Grundherren trugen nämlich seit dem 15. Jahrhundert massive Streitigkeiten hinsichtlich der Reichweite ihrer ökonomischen Wirksamkeit aus. Im wesentlichen befanden sich dabei die Städte in der Defensive. Wahrscheinlich als Folge der spätmittelalterlichen Agrardepression versuchten gerade die größeren und aktiveren Grundherren, Einnahmen aus nichtlandwirtschaftlichen Zweigen zu realisieren, sei es, daß man ländliche Gewerbe förderte, sei es, daß man einen gewissen Handel im eigenen Bereich abwickeln wollte. Das alles erschien den Städten, deren Politik stets auf Sicherung eines gewerblich-kommerziellen Monopols für einen bestimmten Landstrich („Bannmeile") hinausgelaufen war, als tödliche Bedrohung für ihre Bestrebungen und für die „bürgerliche Nahrung" ihrer Insassen. Im 16. Jahrhundert spitzte sich die Lage insoferne zu, als sich nun die Konjunktur langsam umdrehte, die Landwirtschaft wieder rentabler wurde (also die Grundherren wieder bessere Profite machten) und die Städte tatsächlich in eine ernsthafte Krise gerieten, deren Ausdruck die sinkende Teilnahme der Städte an den Landtagen, andauernde Klagen über ihre schrumpfende Einwohnerschaft und abnehmende Steuerkraft und fast ununter562 Ebd. 563 Sturmberger, Land ob der Enns (wie Anm. 551), 98.
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brochene Bitten an den Landesfürsten sind, den Gäuhandel, also die gewerblich-kommerzielle Betätigung der Bauern und letztlich auch der Grundherren, zu unterbinden. 564 Vor diesem Hintergrund wird erst voll verständlich, daß die adeligen Stände die Städte, den „vierten Stand", schmählich im Stiche ließen, als die Habsburger mit der Gegenreformation ernst machten, und nur an die Sicherung ihrer eigenen Religionsfreiheit dachten. Auch diese war mit dem Jahre 1620 endgültig verspielt. Die adeligen Stände selber, Herren und Ritter, waren ja auch nicht so große Herren, wie sie selber stets dachten. Wenn sich in Polen, Ungarn, teilweise auch in den böhmischen Ländern eine fast ausschließlich ständische Regierungsform, eine Adelsrepublik, durchsetzen konnte, so muß man eben ins Kalkül ziehen, daß es sich hier wirklich um einen reichen, mit großem und wachsendem Grundbesitz ausgestatteten Adel handelt, dessen ökonomische Basis allein schon genügte, um jeden König das Fürchten zu lehren: Ganz grob gesprochen profitierte man in jenen Regionen Ostmitteleuropas von der im Spätmittelalter entstandenen großräumigen Arbeitsteilung, bei der der Nordwesten Europas Gewerbeprodukte, der Nordosten Agrarprodukte herstellte - der Südosten lieferte vor allem das Rindfleisch, das durch Viehtrieb zum Konsumenten keine großen Frachtprobleme mit sich brachte; Getreide mußte ja verschifft werden, und deshalb konnten nur die Grundherren jener Länder davon profitieren, deren Flüsse zur Nord- und Ostsee (Elbe, Oder, Weichsel) führten, also jene der ostdeutschen Fürstentümer, Polens, Böhmens und des Baltikums. 565 Der Adel der österreichischen Länder blieb immer um eine Stufe kleiner. Man darf weiters nicht vergessen, daß jene östlichen Magnaten ein Reichsadel waren, also vergleichbar eher mit deutschen Reichsfürsten als mit österreichischen oder steirischen Herren. Diese Unterschiede haben auch auf den General- und Ausschußlandtagen der Habsburger immer eine Rolle gespielt, da sich besonders der ungarische Reichsadel mit dem Landesadel der österreichischen Länder nicht auf eine Bank setzen wollte. 566 Und auch ökonomisch gediehen die 564 Die Gegnerschaft Städte - Adel im kommerziellen Bereich hat ausführlich Alfred Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich., Salzburg 1952, 155 ff., dargestellt. Ebendort, 88 ff. und 98 f., die Weiterentwicklung der Grundherrschaften zu „Wirtschaftsherrschaften" (der Begriff wurde von Hoffmann in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt). - Die abnehmende Teilnahme der Städte an den Landtagen etwa bei Karl Gutkas, Landesfürst, Landtag und Städte Niederösterreichs im 16. Jahrhundert. Jb Lk N ö 36/1 (1964), 48-64. 565 Wilhelm Abel, D i e drei Epochen der deutschen Agrargeschichte, Hannover 1964, 44 ff. 566 Dazu die mehrfach genannten Arbeiten von Bidermann und Loserth / Mensi.
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Grundherrschaften des österreichischen Adels zwar zu „Wirtschaftsherrschaften" mit gesteigerter agrarischer und nichtagrarischer Produktion, die durchaus marktorientiert war, aber niemals zu den imposanten „Gutsherrschaften" ihrer preußischen, polnischen oder böhmischen Kollegen. Dazu trug auch die Absatzsituation bei: Für den Getreideexport nach dem gewerblichen Nordwesten Europas (Niederlande, Nordfrankreich, Westdeutschland) floß die Donau verkehrt; und eine Rinderzucht im großen wie in Ungarn konnte man aus natürlichen Gründen nicht aufziehen.567 Und außerdem waren die Habsburger, unbeschadet ihrer zeitweiligen Probleme, doch übermächtige Gegner. Wir haben schon im zweiten Kapitel das Gewicht der Kaiserkrone betont. Dieses hatte auch einen durchaus materiellen Inhalt, etwa in der Türkenhilfe des Reiches (so ungenügend sie auch stets erschien). Und im Entscheidungskampf konnte der Kaiser eben dank seiner Stellung die katholische Liga für sich mobilisieren. Daneben dürfen die spanischen, und solange sie noch funktionierten, burgundisch-niederländischen Verbindungen, denen immerhin das Wiener Kunsthistorische Museum seine Bruegels, Rubens' und Rembrandts verdankt, nicht vergessen werden: Die Habsburger konnten also gegen ihre oppositionellen Stände die Macht der Kaiserkrone, die Macht Spaniens und die Reichtümer der Niederlande, wenigstens teilweise, einsetzen. In dieser Betrachtungsweise erscheint es nun nicht erstaunlich, daß die Stände unterliegen mußten. Erstaunlich ist vielmehr, wie lange dennoch ihr Widerstand anhalten konnte - wofür letztlich wieder Reformation und Türkenkriege verantwortlich gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund darf aber jene Auseinandersetzung durchaus nicht bagatellisiert werden, sondern muß als Kampf um eine mögliche Alternative der österreichischen Staatsbildung mit allen ihren Konsequenzen im Sinne Sturmbergers voll in das Geschichtsbild der Österreicher eingebaut werden. Denn wenn auch ein Erfolg der Stände um 1600 sicherlich momentan nur bornierten Adelsinteressen gedient hätte, so muß doch die Fernwirkung stärkerer ständischer Institutionen im Auge behalten werden. Letztlich entstanden doch aus diesen die modernen Parlamente. Und 567 Altred Hoffmann, Grundherrschaft als Unternehmen. Zs. f. Agrargeschichte und Agrarsoziologie 6 (1958), 123 ff.; Herbert Knittler, Adelige Grundherrschaft im Übergang. In: G. Klingenstein I H. Lutz, Hg., Spezialforschung und „Gesamtgeschichte" (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 8), Wien 1981, 84-111; Herbert Knittler, Nutzen, Renten, Erträge. Struktur und Entwicklung frühneuzeitlicher Feudaleinkommen in Niederösterreich (Sozial- und wirtschaftshistorische Studien 19), Wien - München 1989.
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letztlich könnte Österreich heute ein wesentlich breiter verankertes Parlamentarismusbewußtsein haben, wenn die ständischen Bestrebungen 1620 nicht so vollständig besiegt worden wären. Die Folge der ständischen Niederlage war die absolutistische, bürokratische Staatsbildung der Habsburger und damit die „Hofratsnation" (siehe dort). Unter anderem wurden damit auch jene Ansätze zu überregionalen Repräsentativgremien, wie sie die General- und Ausschußlandtage seit 1518 in unregelmäßigen Abständen geboten hatten, nicht mehr weiterentwickelt. 1614 tagte der letzte habsburgische Ausschußlandtag dieser Art - übrigens zeitlich recht nahe der letzten Einberufung der französischen Generalstände vor 1789. Damit wurde nun sicherlich mehr abgeschnitten als eine konspirative Möglichkeit für die protestantischen, oppositionellen Stände. Erst 1848 entstand ein überregionales, von unten getragenes repräsentatives Organ, das aber an die ständischen Traditionen nicht anknüpfen konnte, während die französische Nationalversammlung aus den Generalständen erwuchs, freilich in einem revolutionären Umbruch ihrer Struktur. Revolutionär-oppositionelle
Strömungen
des 18. Jahrhunderts
Gegenüber dieser breiten und für die Habsburger wirklich bedrohlichen Bewegung erscheinen die oppositionellen Strömungen des 18. Jahrhunderts relativ harmlos. Aber nur relativ: Immerhin haben die oberösterreichischen und böhmischen Stände dem einrückenden Karl Albrecht von Bayern als Landesfürsten gehuldigt, was jenen natürlich eine dauerhafte Mißbilligung durch Maria Theresia eintrug. Diese Huldigungen blieben aber Episoden, da sie vom Erfolg der österreichischen Waffen korrigiert wurden. Sie zeigen aber mit wünschenswerter Deutlichkeit, daß immer noch, solange eben irgendwie feudale Verhältnisse herrschten, die Landausstattung des Adels zu einer teilweisen Verselbständigung und zu einer potentiellen Gegnerschaft zum Zentralherrn führen mußte. Denn der widerspenstige Adel des 18. Jahrhunderts war ja kein alteingesessener, sondern bestand aus den Nachkommen jener italienischen, reichsdeutschen und wallonischen Katholiken, die die Kaiser nach der Niederwerfung des Protestantismus mit großen Gütern für ihre Dienste belohnt hatten. 568 Mehr Grund hatte der Adel zweifellos, mit Joseph II. unzufrieden zu 568 Zur Zusammensetzung dieses Adels Nikolaus v. Preradovich, Der Adel in den Herrschaftsgebieten der deutschen Länder des Hauses Habsburg, in: H. Rößler, Hg., Deutscher Adel 1555-1740, Darmstadt 1965, 200-215.
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sein. In zwei Ländern, Belgien und Ungarn, kam es zu veritablen Aufstandsbewegungen, aber auch in Böhmen und in den österreichischen Ländern rumorte es kräftig. Es ist nun fraglich, ob diese ständischen Unruhen Ansätze für eine „moderne" Revolution irgendeiner Art bieten hätten können. Am ehesten wäre dies in Belgien zu vermuten, obgleich auch hier programmatisch bloß eine Wiederherstellung der traditionellen Ständemacht gefordert wurde. Die Stände von Brabant, Flandern, Hennegau etc. waren nun sicherlich schon seit dem Mittelalter durch jeweils starke Städtebeteiligung gekennzeichnet. Dennoch wird man Ansätze für eine „bürgerliche" Revolution nur mit Mühe ausnehmen können.569 Das wird denn auch der Grund dafür sein, daß Leopold II. für kurze Zeit nochmals die habsburgische Oberhoheit durchsetzen konnte - bis 1795 die Truppen der Französischen Revolution diese endgültig beseitigten. Dennoch entsproß aus der josephinisch-leopoldinischen Reformbewegung eine prinzipiell bürgerlich-revolutionäre Gruppe. Später wurden sie als „Jakobiner" bekannt, obgleich dieser Sammelbegriff ihre Bedeutung zweifellos überbetont. 570 Im Prinzip handelte es sich bei diesen wenig zahlreichen Jakobinern um meist bürgerliche Josephiner, die größtenteils auch Freimaurer gewesen waren. Leopold II. hatte sich eine Gruppe von Konfidenten und Propagandisten aufgebaut, die als Gegengewicht gegen die offiziell restaurativen Tendenzen seiner Regierung Wünsche von aufklärerischen, ja konstitutionellen Inhalten an den Thron bzw. an die Stände heranzutragen hatten. So soll Leopold II. etwa die Forderung nach einer Vertretung der Bauernschaft auf dem steirischen Landtag initiiert haben.571 Die wichtigsten Herren dieser Gruppe waren der Erzieher Franz II-, der Mathematiker Andreas Riedl, ferner der Wiener Platz-Oberleutnant Franz Hebenstreit, einige Beamte, ehemalige Geistliche, Schreiber, Literaten. Nach dem Tode Leopolds II. wurde Riedl zwar geadelt, seinen Aktivitäten aber ein jähes Ende gesetzt: Die Gruppe, vorher schon im Untergrund tätig, aber für den Kaiser, trieb jetzt ihre Tätigkeit in einer antikaiserlichen Form weiter. Mehr oder weniger phantastische Pläne in Richtung auf Zusammenarbeit mit dem revolutionären Frankreich, konstitutionelle Regierungsformen, mehr Gleichheit, wurden ausgearbeitet - wobei für die „Bürgernähe" dieser Gruppe sprechen mag, daß Hebenstreit sein programmatisches Gedicht „homo hominibus" in latei569 Vgl. S. 183, Anm. 96. 570 Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa. Eine Einführung, Stuttgart 1981 (mit reicher Literatur). 571 Adam Wandruszka, Leopold II., 2. Bd., Wien 1965, 376.
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nischen Hexametern abgefaßt hatte (Walter Markov spricht von „egalitärer Maurerpoesie"). 572 Die ganze Affäre, die durch die „Verschwörer" (und letztlich durch einen „agent provocateur", den Polizeispitzel Degen) selbst phantastisch aufgeplustert wurde, wahrscheinlich um der Regierung Angst vor einer Fortsetzung des antifranzösischen Kurses zu machen, wurde hart und grausam unterdrückt. Die militärischen Teilnehmer wurden hingerichtet (wofür man die unter Joseph II. abgeschaffte Todesstrafe während des Verfahrens wiedereinführte), andere, wie Riedl, erhielten lebenslängliche Festungshaft unter gräßlichen Bedingungen.573 Anscheinend hat das absolutistische Regime Franz II. und des Grafen Pergen doch gefühlt, daß jene Bestrebungen intentional selbst über den aufgeklärten Absolutismus, in dessen Diensten sie ursprünglich standen, hinauswiesen. Betrachtet man diese Bewegung nicht so sehr aus der Nähe, sondern aus einer zeitlich ferneren Warte, so muß man vor allem auf die noch ganz ungenügende Ausbildung eines als Träger einer solchen Erhebung in Frage kommenden Bürgertums hinweisen. Selbst im relativ am höchsten entwickelten Niederösterreich (mit Wien!) konnte man nur 6,5% der Bevölkerung zum „Bürgertum" zählen, also zur Kategorie der Kaufleute, Handwerker, Unternehmer und Intellektuellen (Beamte, Lehrer usw.). In allen anderen Ländern der Monarchie sah es noch bescheidener aus.574 Und man muß hinzufügen, daß gerade der modernere Teil dieses Bürgertums, nämlich die Beamten einerseits, die privilegierten nichtzünftischen Unternehmer, Händler und Kaufleute andererseits, geradezu als Artefakt des Absolutismus angesehen werden muß und daß dieses Bürgertum nach wie vor, ob seiner währenden Schwäche, prinzipiell auf den Hof und die absolute Monarchie angewiesen war. Das tendenziell widerspenstige Bauerntum aber, die größte Bevölkerungsklasse, war in den meisten Ländern, vorab aus Entrüstung über gewisse religiöse und teils auch nationale Gesetze Josephs IL, eher für die ständisch-konservative Bewegung und kaum für den „Leopoldinismus" mobilisiert worden.575 572 Walter Markov, Jakobiner in der Habsburger-Monarchie, in: Helmut Reinalter Hg., Jakobiner in Mitteleuropa, Innsbruck 1977, 291-3 12, die hier zitierte Stelle: 301. 573 Reinalter, Jakobinismus, 104 ff. 574 Kaiman Benda, Probleme des Josephinismus und des Jakobinertums in der Habsburgischen Monarchie, in: Reinalter, Hg., Jakobiner (wie Anm. 574), 271-290. 575 Wandruszka, Leopold II., Bd. 2,256 f. verweist auf die Zwiespältigkeit der Lage, die durch die Rücknahme verschiedener josephinischer Gesetze entstanden war - Leopold II., noch viel deutlicher als sein Bruder von physiokratischen und daher landwirtschaftsfreundlichen Gedanken begeistert, mußte zunächst eher als Vemichter des Werkes seines Bruders erscheinen.
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Ethnos- und nationsbildende Prozesse in der österreichischen Geschichte
„Österreichische Nation" während der Napoleonischen
Kriege
Freilich begann, trotz des Scheiterns der Jakobinerbewegung, in den 1790er Jahren die entscheidende Phase der österreichischen Nationsbildung im habsburgischen Rahmen: Denn vielleicht hätte eine gegen den äußeren Feind gerichtete Massenbewegung eine ähnliche durchgreifende Identifikation mit dem Staat erzeugen können wie eine innere Revolution? Ganz ausgeschlossen ist dies nicht. Die Zeugnisse der kritischen Jahre des ersten Koalitionskrieges, als man nach den Niederlagen von 1793 bis 1795 zuerst in den vorderösterreichischen Gebieten mit einer Volksbewaffnung (Aufstellung eines Landsturmes nach älteren Aufgebotsmustern) begann, die zuletzt, im Frühjahr 1797, auch in Wien und Niederösterreich durchgeführt wurde, sind freilich zwiespältig. Wenn nicht alles täuscht, dominierten dabei doch Gefühle, die sich auf das engere „Land" bezogen, also einen eng begrenzten Patriotismus mobilisierten, wie dies für Vorderösterreich und Tirol mit Sicherheit zu sagen ist. Und die österreichische Begeisterung in Wien und Umgebung darf auch nicht überinterpretiert werden, da doch „Österreich" damals und noch langhin einmal primär Wien und die beiden Donauländer bedeutete. Wesentlich weitere Dimension erhielt diese Bewegung im Jahre 1809. Freilich muß man davor warnen, den Aufstand der Tiroler als gesamtstaatlichen Patriotismus mißzuverstehen. Hier ging es um das Land, das seinen Landesfürsten und vor allem seine Eigenständigkeit wiederhaben wollte, nicht um die Monarchie. Anders sah die Sache sicherlich im Kreis um Erzherzog Johann aus. Nicht zufällig verfaßte Johann einen Aufruf an die „Nation". Nicht zufällig sprach Graf Stadion davon, daß sich Österreich „als Nation konstituiert" hätte. Die Volksbewaffnung in der Form des Landsturmes sollte der Ausdruck dieser bewaffneten Nationsbildung werden. Aber dieser Ansatz zur Nationsbildung bedurfte einer militärischen Bestätigung - nur erfolgreiche Abwehrkämpfe und Abkoppelungsmanöver wirken nationsbildend. Und um einen Erfolg garantieren zu können, war einfach die Vorbereitungszeit viel zu kurz: Nach dem Desaster von 1805 hätte die wirtschaftliche und militärische Wiederaufbauphase wesentlich länger andauern müssen. Die begeisternden Aufrufe der Dichter und Publizisten konnten eine solche sorgfältige Vorbereitung zweifellos nicht ersetzen - obgleich die Tätigkeit der Hormayr und Collin wesentlich billiger kam als eine systematische - auch wirtschaftliche - Aufrüstungspolitik. So darf man denn auch die Frage stellen, ob es nicht dem Hof und dem Kaiser ganz angenehm war, daß dieses Experiment scheiterte - bewaffnete Volksmassen, das hatte man ja in Frankreich gesehen, waren nicht so
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recht lenkbar und konnten sich womöglich letztlich auch gegen das angestammte Herrscherhaus richten. Ob nicht, wenigstens im Unterbewußtsein, dieser Krieg deshalb so schnell, viel zu schnell, begonnen wurde, weil man den Erfolg einer volkstümlichen Bewegung scheute? Wie auch immer (dies mögen die Diplomatie-Historiker klären) Tatsache ist jedenfalls das unglückliche Ende des Krieges und das auffällig rasche Verschwinden aller jener Kräfte, die ihn vorbereitet hatten. 576 An die Stelle des Nationspolitikers Stadion trat der Kabinettspolitiker Metternich. Revolution
1848
Muß man das Jahr 1809 als eine - zwar vergebene - Chance im Hinblick auf eine mögliche breite Nationsbildung von unten verstehen, so ist die Frage, ob die Revolution von 1848 eventuell auch in dieser Richtung hätte wirksam werden können, noch skeptischer zu beurteilen. Sicher dachten im Jahre 1848 die Ungarn und Italiener in ihrer großen Mehrheit nur mehr an ihre eigenen Nationen. Auch bei den anderen Völkern der Monarchie war die Nationswerdung schon weit fortgeschritten, aber abgeschlossen war sie weder bei den Polen, wo sich die Bauern weigerten, zur „polnischen Nation" zu gehören, noch bei den Ukrainern, noch bei den mährischen Tschechen (wohl aber bei den Tschechen Böhmens). Die Revolution von 1848 war nur zu einem Teil eine Summe nationaler Revolutionen, einer italienischen, einer ungarischen, teils (Pfingstaufstand) einer tschechischen; dazu kam noch das Frankfurter Parlament als Ausdruck einer gesamt-deutschnationalen Revolution. Aber diese nationalen Revolutionen waren nur die eine Seite. Die andere bildeten die Bauernaufstände und das bäuerliche revolutionäre Bestreben nach Grundentlastung, das weder als Parallele noch als Gegensatz zu den bürgerlich-nationalen Revolutionen verstanden werden kann. Und gewisse Tendenzen vor allem der Wiener bürgerlichen Revolution waren weniger national als liberal ausgerichtet, im Sinne eines großen, monarchieweiten einheitlichen Wirtschaftsgebietes mit liberal-konstitutioneller Regierungsform, die jenen großbürgerlichen Interessen am besten hätte dienen können. Schließlich wurde seit dem späten Frühjahr 1848 erstmals auch aus der dumpfen Verzweiflung 576 Wir haben über diese Phase schon oben in dem Kapitel über die Hofratsnation (225 ff.) ausführlicher gehandelt. Dort auch die Literatur. Als Versuch einer breit fundierten militärischen Behauptung gegen einen gewaltigen Druck von außen mußte dieser Phase auch hier Erwähnung getan werden.
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der „Unteren" über die währende Not, ausgelöst durch Wirtschaftskrise und Kartoffelfäule, eine in Ansätzen über die bürgerliche Revolution hinausgehende proletarische Bewegung sichtbar, die gemeinsam mit den Resten der bürgerlichen Intellektuellen und den Studenten den verzweifelten Kampf des Oktober 1848 gegen die Truppen Windisch-Graetz' kämpfte. Sicher standen die egalitären und wirtschaftlichen Forderungen dieser letzten revolutionären Strömung weder im Interesse der bürgerlich-national-liberalen Kräfte noch der Bauern.577 Die Revolution war also gespalten, regional ebenso wie inhaltlich. Das war der Grund dafür, daß - wie Eric J. Hobsbawm das so eindrucksvoll formulierte - zuletzt slawische Bauern in habsburgischen Uniformen die nationalen Revolutionen der Deutschen, Italiener und Ungarn niederschlagen konnten (die letztere freilich nur mit russischer Hilfe). 578 Tatsächlich griff die kaiserliche Regierung die Möglichkeit auf, bei den bäuerlichen Schichten eine altertümliche Loyalität gegen die Grundherren, aber auch gegen die bürgerlichen Honoratioren und Händler, die jene in der Realität des Alltags stets als Gegner empfunden hatten, zu mobilisieren. Das war schon 1846 in Galizien so, das wiederholte sich während der Revolution, und das wurde eindrucksvoll durch die Gleichzeitigkeit, mit der die Regierung die Schließung des Reichstages von Kremsier und die Inangriffnahme der Grundentlastung Anfang März 1849 durchführte, unterstrichen.579 577 Zum Problemkreis „Bauern und Revolution" vorab Roman Rosdolsky, Die Bauernabgeordneten im konstitutionellen österreichischen Reichstag 1848-1849, Wien 1976. Die Anfänge der proletarischen Bewegung bei Wolfgang Häusler, Vom Pauperismus zur Arbeiterbewegung. Demokratie und soziale Frage in der Wiener Revolution von 1848, Wien 1978. 578 Eric J. Hobsbawm, Europäische Revolutionen 1789 bis 1848, Zürich 1962. - Aus diesem Sachverhalt resultiert die bekannte Beurteilung von Marx und vor allem Engels über die „reaktionären", „geschichtslosen", zum Untergang verurteilten „Völkersplitter" im Bereich der Monarchie. Als Träger des „Fortschritts" wurden eben nur Deutsche, Ungarn, Polen und Italiener gesehen, die Slawen hingegen als dessen Behinderer. Vgl. dazu Ernst Hanisch, Der kranke Mann an der Donau. Marx und Engels über Österreich, Wien 1978,169 ff. Ob Marx und Engels bemerkt haben, daß sie jene Nationen bevorzugten, denen gesellschaftlich weniger eine entwickelte Bourgeoisie als eine mächtige Aristokratie gemeinsam war? 579 Am 20. Jänner 1849 beriet der Ministerrat unter Anwesenheit des Kaisers die Auflösung des Kremsierer Reichstages. Dabei hieß es u. a.: „Um jedoch die von der Auflösungsmaßregel unzertrennliche Aufregung zu beschwichtigen und die Besorgnisse des Bauernstandes wegen der Wiedereinführung der Robot zu zerstreuen, welche von gewisser Seite auf alle mögliche Art werden angeregt werden, müßten gleichzeitig mit dem Ausspruch der Auflösung nachstehende Publikationen erfolgen: 1. eine oktroyierte Charte für die ganze Monarchie [...] 2. das Entschädigungsgesetz für die Urbarialabgaben; 3. das provisorische Jagdgesetz;
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Wenn nun das Jahr 1848 im Hinblick auf die Ausbildung einer wenigstens den Westteil der Monarchie umfassenden „österreichischen Nation" nicht gänzlich pessimistisch zu beurteilen ist, so eben wegen der Existenz jenes Reichstags. Sicher war dieses Parlament nicht in gleicher Weise Zentrum der Revolution wie das englische Parlament des 17. Jahrhunderts oder die französische Nationalversammlung bzw. der Konvent der 1790er Jahre. Seine praktisch widerstandslose Auflösung verweist zweifellos auf einen geringen Massenrückhalt (und auf die geschickte Politik der Regierung, die diese Auflösung erst vornahm, als sie militärisch Herr im Hause war). Dennoch war der Reichstag von 1848 für die nächsten fünfzig Jahre das breitest gewählte Repräsentationsorgan gewesen - erst mit den Wahlrechtsreformen von 1907 erreichte man wieder die Breite möglicher politischer Öffentlichkeit, die das Jahr 1848 im Hinblick auf das Wahlrecht eröffnet hatte. Damals waren immerhin alle wirtschaftlich selbständigen Männer, auch die Arbeiter (nicht aber Dienstboten) wahlberechtigt gewesen. 580 Dieser so breit zusammengesetzte Reichstag mußte nun sicher sogleich zum Forum der bereits ausgebildeten oder in Ausbildung begriffenen Sprachnationen werden. Das zeigten ja die Debatten um die Geschäftssprache des Reichstages zur Genüge. Aber der Reichstag hielt - und dies ist für unsere Beurteilung jener Institution als möglicher Integrationsfigur für eine weitere „österreichische Nation" revolutionären Gehalts wichtig - doch zusammen, bis er eben gewaltsam aufgelöst wurde - ja mehr als das: Er war die einzige Institution, die vor 1918 auf der Basis freien Einvernehmens der verschiedenen Sprachgruppen ein Konzept für das Zusammenleben in einem neu strukturierten Staatswesen ausarbeitete, einen auch späterhin vorbildlichen Grundrechtskatalog eingeschlossen. Noch in der gegenwärtigen Verfassung lebt ein gutes Stück Kremsier fort. Auch wenn diese gar nicht zu überschätzende Leistung, die von der Regierung Schwarzenberg wohl allzu schnell in den Papierkorb geworfen worden war, primär unter der Drohung der Bajonette zustande gekommen sein soll, so bleibt sie doch als Leistung bestehen. Sicher war der Augenblick insofern günstig gewesen, weil, wie oben schon gezeigt wurde, die Ausbildung der Sprachnationen noch unvollkommen war. Noch konnte - neben oder anstatt - einem Sprachnationalbewußt4. ein Assoziationsgesetz [...]" (Redlich, Reichsproblem 1/2, 86). 580 Karl Obermann, Die österreichischen Reichstagswahlen 1848. Eine Studie zu Fragen der sozialen Struktur und der Wahlbeteiligung auf der Grundlage der Wahlakten. M Ö S t A 26 (1973), 342 ff.
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sein Raum für andere Identitätsinhalte in einem größerem Ausmaß als jemals später vorhanden sein. Vielleicht hätte das hinter dem nationalen Kompromiß von Kremsier sichtbar gewordene gesamtstaatliche Bewußtsein bei weiterer Entfaltungsmöglichkeit und weiter beibehaltenen breiten Mitbestimmungsmöglichkeiten doch zu einer „österreichischen Nation" führen können, die über das Heer, die Geistlichkeit und die Beamten hinausgereicht hätte.581 Mit der Auflösung des Reichstages wuchs notwendig die Skepsis gegen diesen Staat, dessen weitere Erhaltung man aus den verschiedensten Gründen der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit (wie bei den großbürgerlichen Deutschen) oder der politischen Opportunität (wie bei den das neue Deutsche Reich von 1871 fürchtenden Slawen) vielleicht weniger wünschte als ertrug. Die reichen deutschen Bürger schlössen ihren Frieden mit dem Neoabsolutismus und wurden dafür mit weitgehender Befreiung des Wirtschaftslebens von hemmenden Auflagen belohnt. Das deutsch-zentralistisch-liberale Bürgertum mußte seinen Liberalismus in der Folge auf einige Ausbrüche von Antiklerikalismus beschränken, war aber im übrigen für seine eigene privilegierte Weiterexistenz gerade auf den militärisch-bürokratischen Komplex der Monarchie angewiesen.582 Natürlich war diese Abhängigkeit der Entstehung eines partizipatorischen Nationalbewußtseins hinderlich - so hinderlich, daß man bis zum Herbst 1918 das Nationalbewußtsein der Deutschen der Monarchie als gleichzeitig obrigkeitsgläubig und herrschbewußt charakterisieren muß. Die wirtschaftlich am höchsten entwickelte Sprachgruppe in der Monarchie wurde durch Tradition und bewußte Privilegierung zur „herrschenden" in einem Staate, in dem sie genaugenommen doch nicht sehr viel zu reden hatte. Man kann die nationale 581 Über den Kremsierer Entwurf als mögliche Grundlage für eine fernere gemeinsame positive Haltung zum Habsburgerreich vgl. Kann, Nationalitätenproblem 2, 30; ferner Redlich, Reichsproblem 1/2,70 f.: „Mehr als irgendein anderer Verfassungsplan jener Zeit ist dieser Entwurf über die Formenlehre und Ideologie der konstitutionellen Doktrin hinweg in den Kern des Problems einer wirklich demokratischen Staatsordnung und vollends in den Kern des spezifischen österreichischen Problems eingedrungen..." 582 Redlich, Reichsproblem 1/2, 78, erklärt so die „bemerkenswerte Tatsache, daß durch die vollen 70 Jahre, die seit der Verfassungsarbeit von Kremsier verstrichen sind, keine einzige dieser gewidmete Monographie von wissenschaftlichem Werte veröffentlicht worden ist. Die deutsch-liberale Partei hat in ihrer Blütezeit geflissentlich vermieden, die Erinnerung an das große gemeinsame Gesetzgebungswerk, das von der Demokratie der österreichischen Völker zustande gebracht wurde, zu beleben. Dem Verfasser selbst steht noch in lebendiger Erinnerung, mit welcher Erbitterung der Versuch des letzten hervorragenden Mitarbeiters am Kremsierer Entwurf, Dr. Adolf Fischhofs, einen nationalen Ausgleich zwischen Deutschen und Slawen in Anknüpfung an die Ideen des Kremsierer Verfassungswerkes anzubahnen, in den 80er Jahren von der deutsch-liberalen Presse Wiens bekämpft und verhindert worden ist."
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Überprivilegierung der Deutschen geradezu als Kompensation der politischen Unterprivilegierung ansehen, wobei die erstere die letztere erträglich und annehmbar machte. Auf diese Probleme sind wir schon eingegangen. Im Prinzip können wir zwischen 1848 und 1918 keine im engeren Sinne revolutionäre Situation erblicken. Die Durchsetzung der Industrialisierung und die Krise von 1873 bzw. die lange Depression danach waren zwar von zahllosen sozialen Problemen gekennzeichnet, aber letztlich wird man weder das Auftreten anarchistischer Gruppen in den 1880er Jahren noch die Konsolidierung der Christlichsozialen und der Sozialdemokratie um 1890, noch auch die Konstituierung des radikalen bürgerlichen Antisemitismus (alles Vorgänge, die aufs engste mit jenen wirtschaftlichen Veränderungen verbunden sind) als „revolutionär" bezeichnen können. Nicht einmal die primär sozialdemokratische Massenagitation um das allgemeine Wahlrecht fällt in jene Kategorie. Erster Weltkrieg und „österreichische
Revolution"
Erst der Weltkrieg von 1914 bis 1918 schuf wieder so etwas wie eine revolutionäre Situation. Das alte landesfürstliche und zentralstaatliche Verwaltungsgefüge verlor durch seine Unfähigkeit, eine ausreichende Ernährung sicherzustellen, mehr an Autorität als jemals zuvor. Seit 1916 traten vereinzelt, dann immer häufiger Streiks und Demonstrationen gegen die Ernährungssituation, teils auch gegen die mangelhafte Entlohnung in den Fabriken auf, die im Jänner 1918 zu einer fast staatsweiten Bewegung anwuchsen. Die Sozialdemokratie, in ihrer Mehrheit bis 1917 für den Krieg, sah sich nun mit der Notwendigkeit konfrontiert, diese Bewegung einesteils für sich nutzbar zu machen und sie andererseits soweit zu kalmieren, daß kein totales Chaos ausbrach - dies letztere erschien den bürgerlichen Doktoren der Parteiführung doch immer als das allergrößte Übel. Aus der Streikbewegung bildete sich in Ansätzen die Rätebewegung, die dann im Herbst 1918 plötzlich so große Bedeutung bekommen sollte.583 Es ist schwierig, diesen Herbst 1918 zu charakterisieren. Vom Autoritätsverlust der Regierung und der Bürokratie war schon die Rede. Die katastrophale Ernährungssituation löste Demonstrationen und Plünderungen aus, an denen sich nun auch schon Teile der Exekutive und der Armee beteiligten (so in Salzburg im September 1918).584 Aber noch 583 Hans Hautmann, Geschichte der Rätebewegung in Österreich, 1918-1920, Linz 1981. 584 Gottfried Köfner, Hunger, Not und Korruption. Der Übergang Österreichs von der Monarchie zur Republik am Beispiel Salzburgs, Salzburg 1980, 97 ff.
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war der Apparat in der Lage, durch weiteren Einsatz von Assistenztruppen die Situation zu stabilisieren, ebenso wie man bis Ende Oktober in Prag die Machtübernahme durch die bereits vollständig ausgebildete politische Infrastruktur der Tschechen verhindern konnte.585 Man wird auch die Ausbildung dieser Infrastruktur nur schwer als „revolutionär" verstehen können, baute sie doch größtenteils auf den Bestandteilen des vorhandenen politischen Systems auf (vor allem hinsichtlich der Parteien) und hatte sie doch durch das Manifest des Kaisers vom 16. Oktober mehr oder weniger ihre Sanktion erhalten, so daß gerade die Deutschen am 21. Oktober als erste einen provisorischen „Nationalrat" einberufen konnten. Die Übernahme der politischen Macht Ende Oktober, Anfang November durch die neuen Kräfte ging in der Regel wenig revolutionär vor sich. Aber: Diese politische Macht, welche die provisorische Nationalversammlung und ihr Vollzugsausschuß in Wien (und nur mehr vom heutigen Österreich soll nun die Rede sein) übernahm, war äußerst beschränkt. Soweit noch die alte Verwaltung funktionierte, wurde sie in den Ländern von veränderten bzw. erweiterten Organen der Länderautonomie übernommen - freilich in den ersten beiden Novemberwochen durchaus im engsten Einvernehmen mit Wien. Die Armee löste sich auf, so daß der neuen Regierung praktisch kein bewaffneter Arm zur Verfügung stand. Man schritt zwar sogleich zur Konstituierung einer „Volkswehr", aber deren militärischer Wert blieb fraglich, und in bestimmten Teilen hatte die Volkswehr durchaus eigene Vorstellungen von der weiteren politischen Zukunft. 586 Definiert man Staatlichkeit als Summe von Gewalt- und Steuermonopol in bestimmten räumlichen Grenzen, dann muß man wohl bis zum Sommer 1919 (bzw. bis unmittelbar nach der Niederschlagung der bayerischen und ungarischen Räteregierung) mit einer bloß unvollkommenen Staatlichkeit rechnen. Von Gewaltmonopol konnte zunächst überhaupt keine Rede sein. Bewaffnen konnte sich jeder aus den Beständen der zurückkehrenden Truppenteile. Die Volkswehr unterstand zwar theoretisch dem Vollzugsausschuß, praktisch in einigen Ländern aber den Landesregierungen, und daneben bestanden noch Bürgerwehren einzelner Gemeinden. Die in Kärnten sich bildende Abwehrfront war ein zusätzlicher, relativ selbständiger bewaffneter Körper. Die Reduktion der Volkswehr und die Betonung der staatlichen Autorität über deren Reste geschah - über Aufforderung 585 Richard G. Plaschka, Cattaro - Prag. Revolte und Revolution, Graz - Köln 1963; Richard G. Plaschka / Horst Haselsteiner / Arnold Suppan, Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918. 2 Bde., Wien 1974. 586 Bauer, Österr. Revolution, 617 ff.
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der alliierten Waffenstillstandskommission seit dem Dezember 1918 ganz simpel dadurch, daß man die Besoldung von Wien aus für immer weniger Leute bereitstellen konnte - Länder und Gemeinden verloren dann bald ihr Interesse an eigener bewaffneter Macht. Weniger klar lag die Sache mit dem Steuermonopol. In den Ländern ging offenbar auch die Herrschaft über die Finanzämter an die neuen autonomen Kräfte über, aber vom Wiener Vollzugsausschuß betonte man die direkte Verantwortlichkeit eines besonders dafür ernannten Landespolitikers gegenüber der Zentrale - man war sich also der Bedeutung der Finanzverwaltung zwar voll bewußt, aber in der Phase wachsender Inflation und noch währender Bürokratieverdrossenheit konnte allerdings nicht viel eingetrieben werden. Wichtiger war die Ablieferung von Lebensmitteln, die nach wie vor häufig auf dem Wege militärischer Requisition erzwungen werden mußte - ein wesentlicher Grund für die nun rasch wachsende Kluft zwischen Wien und den Ländern. Aber auch die Länder waren keineswegs homogene Träger einheitlicher politischer Autonomie. Faktisch erstreckte sich ihre Autorität oft ebensowenig über die Landeshauptstadt hinaus wie jene des Vollzugsausschusses über Wien. Neben den überregionalen Elementen bestimmten bis zum Frühsommer 1919 sehr stark regionale Kräfte das politische Geschehen - die Gemeinden und die Räte. Soldatenräte hatten in der Volkswehr zunächst fast vollständig das Sagen, Arbeiterräte in den Fabriken. Diese Macht der Räte ist nicht nur auf das berühmte sowjetische Vorbild zurückzuführen, das ja viele ehemalige Kriegsgefangene in Rußland aus eigener Anschauung kannten, sondern auch auf die faktischen Verhältnisse: Bei einem weitgehenden Zusammenbruch aller übergeordneten Hierarchien und bei einem Auseinanderfallen der Kommunikations- und Versorgungsverhältnisse mußte sich notgedrungen für jede kleinere Einheit (Gemeinde, Betrieb, militärische Einheit) irgendwer finden, der sich um die wichtigsten Dinge kümmerte. So waren die Räte eine eigentümliche Mischung aus revolutionären Ansätzen und höchst praktischer Notwendigkeit - eine Mischung, die ihre schließliche Zurückdrängung (auf harmlose Betriebsräte und Soldatenvertrauensleute) sicherlich begünstigte. Die parteienstaatliche, parlamentarische Regierungsform hatte dagegen bis zum Sommer 1919 nur so viel Macht, als sie sich durch Verhandlungen mit den Räten, den Ländern und Gemeinden sichern konnte. 587 Seit dem Herbst 1919 und deutlich seit 1920 nahm die Staatlichkeit 587 Bauer, Österr. Revolution, 726 f.
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wieder ihr „gewohntes" Aussehen an. Freilich hatte sich einiges geändert: Der Kaiser, das alte Heer, die alte Hochbürokratie, der alte Adel übten bis auf wenige verschwindende Ausnahmen keinen Einfluß mehr aus. Dieser war vielmehr auf die Parteien übergegangen, auf jene Parteien, die in der alten Monarchie nie so recht zur Kenntnis genommen worden waren und deren Existenz man weithin theoretisch (als Spalter irgendeiner vorgestellten „Einheit des Volkes") ablehnte. In den Ländern hatten die gewählten Landeshauptleute auch die Herrschaft über die ehedem staatliche Verwaltung übernommen. Gegenüber der zentralen Staatlichkeit behaupteten sie ein ziemlich erhöhtes Maß an Autonomie. Es hatte also im Bereich des politischen Systems erhebliche Umwälzungen gegeben - von einem autoritär-konstitutionell-monarchischen zu einem parteienstaatlich-parlamentarischen Regierungssystem. Allerdings wurde dieses System nur von jenen Kräften voll unterstützt, die es, genaugenommen, geschaffen haben, also von den Sozialdemokraten. Nun hat die Sozialdemokratie zwischen 1918 und 1920 zweifellos die Republik mehr oder weniger erfolgreich eingerichtet, größere bürgerliche Freiheiten durchgesetzt, erhöhte soziale Sicherheit und andere Errungenschaften für die Arbeiter erreicht. Sie hat die Ausrufung der Räterepublik ebenso verhindert wie den dauerhaften Aufstieg der Kommunisten. Die Situation von 1918/19 schien für Otto Bauer und die anderen Theoretiker der Partei zwar reif zu sein für die volle Durchführung der bürgerlichen Revolution (also für die erfolgreiche Fortsetzung von 1848), aber nicht für eine sozialistische Revolution: Dazu wären die außenpolitischen Verhältnisse ungeeignet gewesen, außerdem hätten sich nach einer sozialistischen Revolution die agrarischen Teile Österreichs vom industrialisierten Osten abgespaltet. 588 Hat also überhaupt eine Revolution stattgefunden? Ja und nein. Sicher wurden im Bereich des politischen Systems grundsätzliche Umgestaltungen vorgenommen - aber die mittleren und unteren Instanzen der Bürokratie blieben davon unberührt. Sicher hat man das Eigentum an Produktionsmitteln grundsätzlich nicht angetastet - aber die Inflation und das Mietengesetz ließen traditionelle bürgerliche Schichten dennoch verarmen und faktisch enteignet werden, während neue Gruppen von Kriegs- und Inflationsgewinnlern in die Höhe kamen. Obwohl man keine massive Verstaatlichungspolitik trieb, waren die Politik der sozialen Sicherheit, das Sozialisierungsge588 Bauer, Österr. Revolution, 653 f.
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setz und andere Ansätze offenbar für wichtige Teile des alten Kapitals schon Grund genug, sich schleunig aus dem Lande abzusetzen. Wie auch immer man jene Veränderungen beurteilen mag - klar ist ihr Ergebnis: Österreich hatte jetzt eine bürgerliche, parlamentarische Demokratie. Durchgesetzt worden war sie von den Sozialdemokraten, die sich aber 1920 von der Mitverantwortung zurückzogen, das „bürgerliche" Staatswesen den „Bürgern" überlassend. Dabei wurde eine Kleinigkeit vergessen: Mit der Schaffung der Republik hatte das Bürgertum nichts zu tun! Es war weder republikanisch noch parlamentarisch gesinnt, denn seine große Zeit hatte es in der Monarchie gehabt. Und mit der parlamentarischen Demokratie waren eben diesem Bürgertum so viele sozialdemokratische und mehr oder weniger potentiell revolutionäre Zutaten vorgesetzt worden, daß man sich zuletzt doch nicht allzusehr darüber wundern darf, wenn diese Republik dem Bürgertum fremd blieb. Tatsächlich hatten die bürgerlichen Regierungen von 1920 bis 1938 auch genug damit zu tun, den „revolutionären Schutt" (von den Betriebsräten und der Sozialversicherung über Sozialisierungs-, Luftkeuschen- und Schlössergesetz bis zum Wiederbesiedlungsgesetz) teils wegzuräumen, teils durch neue Bepflanzung unsichtbar zu machen. Stellen wir uns nun die Frage, ob eine Fortführung der Revolution in Richtung einer sozialen Revolution (Räterepublik) möglich und sinnvoll gewesen wäre. Otto Bauer selbst verneinte die Frage. Seine Argumentation bewegte sich - wie schon angedeutet - vor allem in zwei Richtungen: Erstens würde sie den Widerstand der Entente hervorrufen, zweitens den Widerstand der Bauern und damit der großen agrarischen Gebiete in Österreich selbst. Diese Argumentation hat etwas für sich, vor allem auch die historische Evidenz, nach der gelungene Revolutionen fast stets auch von den Bauern aktiv oder zumindest passiv mitgetragen worden waren. Eine solche bäuerliche Bewegung war nun nicht in Sicht und ist von der Sozialdemokratie auch niemals ins Auge gefaßt worden. Die Bauern waren bis zum Sommer 1919 neben der Arbeiterschaft (und allenfalls der Volkswehr) die einzige große aktivierbare gesellschaftliche Macht, als das Bürgertum noch völlig gelähmt war. Ein Bündnis mit dieser Macht kam also nicht in Frage im Gegenteil, große Aufmärsche der Bauern sollten zeigen, wo die Grenzen der Sozialdemokratie lagen.589 Die Ausrufung der Räterepu-
589 Ein großer Bauernaufmarsch fand in Wien am Peter-und-Paulstag des Jahres 1919 statt. Vgl. dazu Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich in die Republik, Wien 31971, 485.
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blik in Wien und den Industriegebieten der Steiermark und Niederösterreichs hätte sicher eine Separation der westlichen Länder zur Folge gehabt, denn damals waren die gesellschaftlichen Strukturunterschiede zwischen Westen und Osten erheblich stärker als heute. Ferner darf man zweierlei nicht übersehen: Erstens haben erfolgreiche Revolutionen immer unter vorindustriellen Verhältnissen stattgefunden (das ist auch der Grund, warum wir gerade den „altertümlichen" Sozialbewegungen so unverhältnismäßig großes Augenmerk gewidmet haben). Vollkommene Umwälzungen der politischen und der Gesellschaftsstruktur sind in hochindustrialisierten Gesellschaften bisher nicht gelungen. 1918/19 erwies sich offensichtlich das Bedürfnis nach Sicherung einer gewissen Grundausstattung des Lebens (die offenbar nur unter Beibehaltung des vorhandenen wirtschaftlichen und bürokratischen Apparates möglich war) als stärker denn der Wunsch nach totaler Umgestaltung. 590 Zweitens ist das Rätesystem unter industriellen Verhältnissen nur ausnahmsweise geeignet, eine stabile Bürokratie und Repräsentation zu ersetzen, nur dann nämlich, wenn die überlokale und überregionale Kommunikation und Arbeitsteilung zusammenbricht oder weitgehend ausfällt. Unter „normalen" Voraussetzungen weicht daher die kurzfristige Identität von Herrscher und Beherrschten den in komplizierteren und entwickelteren Sozialsystemen bislang unersetzbaren Vorteilen von Arbeitsteilung, Bürokratie und Repräsentation durch auf Zeit gewählte Mandatare. 591 Die Sozialdemokratie als Partei unternahm daher alles, um die Revolution nicht in Richtung auf eine Räterepublik weiterzutreiben. Man wollte die Dynamik einbremsen, um nicht durch eine unüberlegte Weiterung ein vollkommenes Scheitern, einen völligen Verlust aller jener Errungenschaften heraufzubeschwören, die man 1918/19 erreicht hatte (was ja im Horthy-Ungarn wirklich eintraf). Freilich sollten in die „bürgerliche" Republik, aus der man sich 1920 zurückzog, um den linken starken Parteiflügel nicht zu vergrämen, einige Brückenköpfe für zukünftige revolutionäre Veränderungen eingebaut werden - das „rote Wien" etwa oder die Betriebsräte. Das genügte zwar nicht für eine Weiterentwicklung der Republik zu einer sozialistischen, war aber genug an „rotem Tuch", um den Haß und die Abneigung des Bür590 Vgl. Heinrich August Winkler, Das Dilemma der Weimarer Sozialdemokratie, Merkur 36 (1982), 1173 ff., bes. 1175. 591 Wolfgang Manti, Art. „Rätesystem", in: Alfred Klose I Wolfgang Manti I Valentin Zsifkovits, Hg., Katholisches Soziallexikon. Innsbruck - Graz 21980, 2314 ff. Zum Problemkreis Repräsentation - Identität: Wolfgang Manti, Repräsentation und Identität. Demokratie im Konflikt. Ein Beitrag zur modernen Staatsformenlehre, Wien - New York 1975.
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gertums gegen diese Republik sehr dauerhaft werden zu lassen. Seit 1920 versuchte die Sozialdemokratie aus der Opposition im Staat und aus der Wiener Position heraus, die „bürgerliche" Republik gegen die Demontageversuche ihrer „bürgerlichen" Machthaber zu schützen. D a ß dies nicht so recht gelingen konnte, leuchtet ein. Wenn also eine Räterevolution wirklich nicht möglich war (in diesem Punkte schließen wir uns Bauers Argumentation an) - was hätte also geschehen sollen? Natürlich kann man im nachhinein leicht gescheiter sein und retrospektive Empfehlungen abgeben. Diese könnten ungefähr so lauten, daß sich die Sozialdemokraten auch nach 1920 um eine Regierungsbeteiligung bemühen hätten sollen und daß die Revolution wenigstens in Richtung der Verstaatlichung einiger wichtiger, kurz darauf ans Auslandskapital abgegebener Betriebe (ich erwähnte oben die Flucht des Kapitals aus Österreich!) hätte weitergetrieben werden müssen. 592 Namentlich genannt sei nur die wichtige Österreichisch-Alpine Montangesellschaft, die kurzerhand über den Triestiner Kriegsgewinnler Camillo Castiglione an den deutschen Stinnes-Konzern veräußert wurde und in ausländischer Hand künftig eine schwere Belastung für Österreich darstellen sollte. Die österreichische Revolution von 1918/19, wenn man bei dieser Bezeichnung bleiben will, ging also zu weit - und gleichzeitig nicht weit genug. Sie ging zu weit, als daß sich die traditionellen Kräfte des Bürgertums und des Kapitals in der neuen Republik hätten wohl fühlen können (während sich die Bauern ganz gut zurechtfanden und zunächst keine rückwärtsgewandten Ambitionen zeigten). Sie ging aber nicht weit genug, um durch weitergehende Verstaatlichungen oder ähnliche Maßnahmen tatsächlich auch die materiellen Grundlagen für das neue republikanische Österreich zu schaffen. Das war ein sehr ernst zu nehmendes Problem, das bis zu einem gewissen Grad nach 1945 doch begriffen wurde. Auch die Schöpfer der Republik blieben zu ihrem eigenen Kind zwiespältig eingestellt - die „bürgerliche" Republik mußte für sie immer nur ein Provisorium bleiben. Der 12. November wurde zwar zum Staats-, aber niemals zum Nationalfeiertag eines neuen Österreich, ganz zum Unterschied vom 4. Juli in den U S A oder zum 14. Juli in Frankreich - der Tag einer grundlegenden staatlichen Änderung wurde eben nicht zum Symbol für eine neu empfundene nationale Einheit. Irgendeine dauerhafte neue österreichische Identität ist also aus der 592 Ähnliche Gedanken im Hinblick auf die Weimarer Republik formuliert Winkler, lemma (wie Anm. 590), bes. 1177 f.
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Revolution von 1918/19 nicht erwachsen - im Gegenteil, deren Entstehung wurde durch die Art der Staatsbildung dauerhaft verhindert. Allenfalls denkbar wäre es, daß eine Volksabstimmung über die Staatsform, die zumindest unmittelbar nach Kriegsende mit großer Sicherheit eine Entscheidung für die Republik gebracht hätte, die Basis für einen solchen Minimalkonsens geboten hätte.593 Emigration, Widerstand und Nationsbildung
1938-1945
War der Befund von 1918 bis 1920 also ein negativer, was den Zusammenhang von Revolution und Nationsbildung angeht, so ist das Bild schon weniger eindeutig negativ, wenn man versucht, die Zusammenhänge von Emigration, Widerstand und Nationsbildung 1938 bis 1945 zu beleuchten. Einer der ersten Beobachter von Rang, der den Einfluß der Besetzung Österreichs auf das nationale Selbstbewußtsein erkannte, war Ernst Bloch: „Übereinstimmend wird berichtet, Österreich sei nationaler als je; Preußenhaß e i n t . . . Darum gehört große Kurzsichtigkeit dazu, den Unterschied zwischen freiwilligem Anschluß (an ein demokratisches Deutschland) und Überfalls-Annexion (durch ein faschistisches) zu relativieren ..."
Diese Mahnung galt der Otto-Bawer-Schule.594 In jedem Fall habe die Besetzung „... Österreich als nationale Einheit geschaffen, und wir wollen diesen Nationalismus, auch wenn er ein vorübergehendes Gebilde darstellt, als hitlerfeindliches Instrument begreifen ..." Was die separatistischen Losungen des österreichischen Widerstandes betreffe, so sei es „... für ein annektiertes Land in Ordnung, sich zu seinem Unterdrücker separatistisch zu verhalten." 595
Daß der Kampf gegen den Nationalsozialismus Österreich zu seiner Identität finden ließ, behauptete auch der Dramatiker Ferdinand Bruckner: 593 Diese Ansicht äußerte, anläßlich der freundlichen Durchsicht meines Manuskriptes, Hofrat Univ.-Prof. Dr. Georg Wagner. In der Tat erwägenswert! 594 Helmut Konrad, Hg., Sozialdemokratie und „Anschluß". Historische Wurzeln - Anschluß 1918 und 1938 - Nachwirkungen, Wien 1977; hier insbes. der Beitrag von Helene Maimann, Der März 1938 als Wendepunkt im sozialdemokratischen Anschlußdenken, ebd., 63-70. - In der „Brüsseler Resolution" vom 1.4.1938 hieß es, die Unabhängigkeit Österreichs wiederherstellen zu wollen, sei reaktionär, anzustreben sei vielmehr die „gesamtdeutsche Revolution". - Im Herbst 1938 hat Karl Czernetz, später verdienstvoller außenpolitischer Sprecher der SPÖ, nochmals in zwei Aufsätzen die Existenz einer österreichischen Nation massiv abgelehnt, vgl. Ulrich Weinzierl, Zur nationalen Frage - Literatur und Politik im österreichischen Exil, in: H. Lutz / H. Rumpier, Hg., Österreich und die deutsche Frage, Wien 1982, 322. 595 Hier zitiert nach Weinzierl, Zur nationalen Frage (wie Anm. 594), 334 f.
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„ D a s österreichische Volk kommt auf die Welt. Z u m erstenmal, seit es den N a m e n Österreich gibt, kämpft dieses Volk für keinen Herrscher, keinen Anschluß, keinen Block, sondern um seiner selbst willen." 5 9 6
Wie stand es aber um das Ausmaß dieses Kampfes? „Regelmäßig berichteten österreichische Exil-Zeitschriften über heroische Kämpfe von Partisanen, Sabotageakte und energischen Widerstand von Hunderttausenden alpenländischer Nazigegnern gegen die verhaßten Okkupatoren. Natürlich war das, in diesem Ausmaß, gelinde gesagt, übertrieben, halb optimistische Selbsttäuschung, halb propagandistische Beeinflussung der Alliierten .. ," 597
War es 1938/39 eine gewisse Unzufriedenheit mit niederen Löhnen und einigen Versorgungsmängeln, sicherlich schon durchsetzt mit Anzeichen von Enttäuschung über die Errungenschaften, die der Anschluß den Österreichern gebracht hatte, so mehrten sich ab etwa 1940 die Anzeichen einer antideutschen Einstellung: „Bei dem Loblied auf Österreich, das Ottokar von Horneck vor Rudolf von Habsburg spricht, kam es an der Stelle, wo der Unterschied zwischen dem reichsdeutschen und österreichischen Geistesleben gezeichnet wird, zu ostentativem Beifall. Es heißt an dieser Stelle: ,Allein, was nottut und was Gott gefällt, der klare Blick, der offne, richtge Sinn, da tritt der Österreicher hin vor jeden, denkt sich sein Teil, und läßt die andern reden.'"
So geschehen im Volkstheater zu Wien am 15. Februar 1940.598 Und am 18. April 1941 wurde Theresia Rager aus dem Bezirk Scheibbs, Niederösterreich, verhaftet, die im Dezember 1940 folgendes kleines Gedicht verbreitet hatte: „Wir wollen keinen Krieg, wir wollen keinen Sieg, wir wollen unser freies Österreich U n d freuen uns auf die Hitlerleich'." 5 9 9
Auch wenn man diese und zahllose andere kleine Einzelfakten nicht überbewerten will, so waren doch die Behörden des Dritten Reiches hellhörig geworden. Und obwohl der 12. November, der Tag der Ausrufung der Republik, in Österreich niemals ein über die Sozialdemokratie hinaus akzeptierter Feiertag war, wurde die Gendarmerie im Bezirk Wels 596 597 598 599
Ebenfalls nach Weinzierl, Zur nationalen Frage, 337. Ebd. Zit. nach Kreissler, Österreicher, 211. Kreissler, Österreicher, 214; vgl. auch Franz Danimann, Flüsterwitze und Spottgedichte unterm Hakenkreuz, Wien 1983.
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am 11. November 1943 angewiesen, öffentliche Gebäude, militärische Objekte und größere Betriebe besonders zu bewachen, um allfälligen Demonstrationen, Streu-, Klebe-, Schmier- und Malaktionen am 12. November vorzubeugen.600 Ernst Kaltenbrunner, einer der getreuesten Paladine Hitlers, schrieb nach einer Inspektionsreise durch Salzburg, Ober- und Niederösterreich, es sei die „defaitistische Grundstimmung in Wien" für „gewisse Österreichtendenzen" sehr empfänglich.601 Trotz dieser und ähnlicher Zeugnisse wurde der aktive österreichische Widerstand keineswegs von der breiten Masse der Bevölkerung begünstigt. Es war kein Widerstand, der sich „wie der Fisch im Wasser" in einer breiten Aura von Sympathie bewegen konnte (wie etwa in Frankreich), sondern einer, der wenigstens anfangs doch mit breiten Sympathien für das Regime und auch späterhin niemals mit einem ebenso breiten Bruch rechnen mußte. 602 Fast alle Widerstandsgruppen sind denn auch durch Verrat aufgeflogen, noch lange bevor sie über das Stadium theoretischer Auseinandersetzungen und Ablehnung hinaus irgendwie aktiv werden konnten. 2700 Österreicher bezahlten diesen Widerstand mit dem Leben. 603 Der österreichische Widerstand hatte aber darüber hinaus noch mit seiner enormen ideologischen und parteimäßigen Zersplitterung zu kämpfen. Nicht nur auf der Rechten war offenkundig die Verständigung zwischen katholisch-monarchistischen, eher christlichsozial und eher ständisch orientierten Gruppen nicht sehr einfach, auch auf der Linken waren die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Kommunisten, revolutionären Sozialisten und eher traditionellen Sozialdemokraten groß, unter anderem auch wegen des unterschiedlichen Nationsverständnisses, das in adäquater Ausprägung eigentlich erst bei katholischen Legitimisten der Winter-Schule und einigen Kommunisten vorhanden war.604 Früh haben denn auch die ersteren und die letzteren begonnen, Widerstandsgruppen zu bilden. Sie wurden bald zerschlagen, wie die Roman-Sc/zo/z-Gruppe. Die Kommunisten als relativ gut konspirativ geschulte Gruppierung hatten darüber hinaus mit den Nachwirkungen des Hitler-Stalin-Paktes von 1939 zu kämpfen, der sie für fast zwei Jahre schwerstens irritierte und behinderte. Erst ab 1941 begannen
600 601 602 603 604
Kreissler, Österreicher, 215 f. Kreissler; Österreicher, 217. Radomir V. Luza, The Resistance in Austria, 1938-1945, Minneapolis 1984. Wagner, Österreich 350. Nicht zufällig hebt Kreissler, Österreicher, in seinem Kapitel über den inneren Widerstand zunächst die Monarchisten und Katholiken (227 ff.) und sodann die Kommunisten (233 ff.) hervor.
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sie wieder, unter sicher erschwerten Bedingungen, mit dem Versuch einer neuerlichen Organisationstätigkeit. Von dieser Seite wurden schließlich auch bewaffnete Einheiten aufgestellt, die ab Spätherbst 1944 im Rahmen der slowenischen Partisanen-Armee kämpften; freilich als eigens gekennzeichnete Truppe. Solche bewaffnete Gruppen existierten auf dem heutigen Staatsgebiet auch in der Obersteiermark und, ohne die Selbstbezeichnung als „Partisanen" und rekrutiert aus Deserteuren der Deutschen Wehrmacht, im tirolischen Ötztal.605 Die größtenteils (mit Ausnahme Tirols) kommunistische Ausrichtung dieser Verbände verhinderte bei der zweifellos aus anderen Gründen verständlichen antikommunistischen Tradition Österreichs ihre Einbeziehung in die Bemühungen zur Grundlegung eines neuen Nationalbewußtseins. Erst gegen Kriegsende, nachdem seit 1943 die Überzeugung von der Niederlage Deutschlands sich schon verbreitet hatte, gleichzeitig aber auch der Terrorapparat der Nazis nochmals in aller Härte wirksam wurde, vermochten sich mehrere Widerstandsgruppen in der „O 5" gemeinsam zu organisieren und im Westen, wo man Innsbruck den Alliierten bereits als befreite Stadt übergeben konnte, ziemlich erfolgreich aufzutreten. 606 In Wien wurde eine Aktion der „O 5" zur gewaltlosen Übergabe Wiens an die Rote Armee bekanntlich im letzten Augenblick verraten und ihre Protagonisten (Biedermann, Huth, Raschke) noch von den Nazis hingerichtet. Verschiedene Gruppen beteiligten sich aber aktiv an den letzten Auseinandersetzungen in der Stadt. 607 Sieht man von den erfolgreichen Tirolern ab, versuchten die neu erstandenen Parteien sofort, die oft jungen und politisch unerfahrenen Widerstandskämpfer politisch an den Rand zu drängen (die eine tirolische Ausnahme hieß Karl Gruber und wurde Außenminister). Freilich waren auch jene Politiker durch die tausendfach zitierten gemeinsamen 605 Willibald Ingo Holzer, Die österreichischen Bataillone im Verband der NOVIPOJ. Die Kampfgruppe Avantgarde / Steiermark. Die Partisanengruppe Leoben-Donawitz. Die Kommunistische Partei Österreichs im militanten politischen Widerstand, Wien, phil. Diss. (Ms.) 1971; Otto Molden, Der Ruf des Gewissens. Der österreichische Freiheitskampf 1938-1945, Wien 1963; Luza, Resistance, 198 ff. 606 Die Aktion in Tirol sehr gut zusammengefaßt bei Werner Kunzenmann, Tirol und Österreich, in: W. Jambor Hg., Der Anteil der Bundesländer an der Nationswerdung Österreichs, Wien 1971, 115 ff. Am 3. Mai 1945 rückten die ersten amerikanischen Truppen in Innsbruck ein, und der Bericht der 103. amerikanischen Infanterie-Division sagt: „Die Szenen erinnerten an die Befreiung von Paris und unterschieden sich völlig von der Besetzung deutscher Städte." 607 Ludwig Jedlicka, Dokumente zur Geschichte der Ereignisse in Wien im April 1945, ÖGL 5 (1961), 127 ff. Widerstand und Verfolgung in Wien 1934-1945, hg. v. Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes, Wien 1975.
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Gefängnis- und KZ-Erfahrungen des Siebenjährigen Reiches nunmehr zu einer positiven Einstellung zu Österreich gelangt. Momentan schien es ihnen aber wichtiger, einen breiten Konsens durch eine Reintegration der Nationalsozialisten zu schaffen, als durch eine Betonung des Widerstandsmythos ein absolut antifaschistisch-österreichisches Selbstverständnis des neuen Staates zu fördern, das zunächst vielleicht nur von einer Minderheit getragen worden wäre. Freilich darf nicht übersehen werden, daß mit Leopold Figl ein Mann Bundeskanzler war, der selbst Jahre im KZ verbracht hatte und der antinazistisches Österreichertum mit großer Glaubwürdigkeit verkörperte. Die im ganzen relativ geringfügige Betonung des Widerstandes in der österreichischen Selbstbeschreibung nach 1945 hängt vielleicht auch damit zusammen, daß in jenem zwei im politischen und gesellschaftlichen System bloß Minderheiten darstellende Gruppen, nämlich Kommunisten und Monarchisten, eine unverhältnismäßig große Rolle spielten. Und jene große Schar von Künstlern und Schriftstellern, die in der Emigration für die Unabhängigkeit Österreichs gekämpft hatte, bestand zu einem guten Teil aus Juden! Es wird - um dies zu illustrieren - sehr häufig von einem hohen Ministerialbeamten erzählt, der sich angeblich rühmte, die Rückkehr eines der größten österreichischen Romanciers, Hermann Brochs, verhindert zu haben. Auch die wissenschaftliche Emigration blieb draußen oder hatte zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden, wenn sie zurück wollte, wofür im engeren und daher bekannteren Kreis der Historiker Friedrich Engel-Janosi und Robert A. Kann beispielhaft genannt werden sollen.608 Der mehrfache Aderlaß an Österreichs Wissenschaft 1934,1938 und 1945 hatte deutlich spürbare Folgen für das wissenschaftliche Niveau. So mußten nach 1945 Leute wie Otto Brunner, die sich in der NS-Zeit sicherlich auch nicht mehr hervorgetan hatten als manche andere in Österreich, aber eben unbequem waren, das Land verlassen. All das erleichterte die dominante Grundhaltung der ersten Nachkriegsjahrzehnte, die jüngere Vergangenheit nicht bewußt zu verarbeiten, sondern zu verdrängen. Sowohl in der Emigration - durch die Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe, das ja auch in kommunistisch dominierten Publikationen ganz ä la Hofmannsthal beschworen wurde; durch das Erlebnis der Fremde, in der die Emigranten aufeinander angewiesen waren - als auch in der Heimat war zunehmend mehr Menschen die Besonderheit 608 Friedrich Engel-Janosi, ... aber ein stolzer Bettler. Erinnerungen aus einer verlorenen Generation, Graz - Wien - Köln 1974, 248: „Man ließ uns die Wahl, unter welcher der Donaubrücken wir schlafen wollten ..." Ferner 258 f. (endgültige Rückkehr 1959 und der damit verbundene „Reinfall" einer mangelnden Pensionsregelung).
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Österreichs bewußt geworden. Relativ spät sogar Sozialdemokraten. Das berühmte Diktum Adolf Schärfs, daß man den Österreichern die Liebe zu Deutschland ausgetrieben habe, ist in diesem Buche ja schon zitiert worden. Ebenso die Worte von Lois Weinberger auf das Angebot von Goerdeler und Jakob Kaiser zur Mitarbeit im Widerstand gegen Hitler (Vorbereitung des Juli 1944).609 In das erste Parteiprogramm der ÖVP ging denn auch ein emphatisches Bekenntnis zur österreichischen Nation ein, um freilich später heimlich, still und leise wieder daraus zu verschwinden.610 Widerstand und Nationalbewußtsein (oder auch nur: Bewußtwerden des Andersseins unter den Bedingungen des Anschlusses) hingen also zweifellos zusammen. Dennoch: Die politischen Parteien haben die alten Nationalsozialisten und deren junge Nachkommenschaft immer für zahlenmäßig erheblicher gehalten als die „Widerständler". Peinlich hat die Zweite Republik danach getrachtet, im Hinblick auf soziale Fürsorgeleistungen Opfer des Nationalsozialismus keineswegs besserzustellen als Kriegsopfer.611 Entnazifizierung
Vereinzelt wird der Begriff „Revolution" im Zusammenhang mit der Entnazifizierung nach 1945 verwendet.612 Das ist nun doch sehr fraglich. Von einem Konsens der demokratischen Kräfte getragen waren sicher die Maßnahmen bis 1947. In diese Zeit fielen nicht nur die dramatischsten Personalveränderungen im öffentlichen Dienst, sondern auch die wichtigsten und schwersten Urteile der Volksgerichtshöfe.613 609 Vgl. o. S. 311. 610 Wagner, Österreich 43. 611 Brigitte Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus, Wien 1993. 612 Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, Wien 1981, 332: „Der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus erzwangen in Österreich wirtschaftliche, soziale, politische und geistige Veränderungen, die zwar keine Revolution waren, in ihren Auswirkungen aber einer Revolution gleichkamen, revolutionären Charakter hatten. Die Entnazifizierung war der Abschluß, die gesetzmäßige Berichtigung, Bereinigung und Sanktionierung dieser Veränderungen. Die Entnazifizierung ist daher in ihrer historischen Bedeutung . . . einer Revolution zu vergleichen ..." Eine völlig andere Bedeutung hat „Revolution" dagegen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als verschiedentlich von revolutionären Lösungen des Naziproblems gesprochen wurde: „... daß im Augenblick der Befreiung das österreichische Volk in revolutionärer Erhebung mit den Nazis ,Mode gemacht' hätte: eine volkstümliche, radikale, gründliche Abrechnung und Säuberung und dann Schluß" (Stiefel, ebd., 15). 613 Kürzlich machte Gabriele Holzer, Verfreundete Nachbarn. Österreich - Deutschland. Ein Verhältnis, Wien 1995,102, auf die in Österreich praktisch vergessene Tätigkeit der Volksgerichte aufmerksam, die immerhin 136.000 Verfahren durchführte, bei denen es in mehr
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Das Nationalsozialistengesetz von 1947 war aber in vielen Teilen Diktat der Alliierten und wurde zumindest von den beiden Großparteien nur widerwillig akzeptiert. Mit diesem schematischen Gesetzeswerk, das gegen die Intentionen des Parlaments viel mehr einem weiteren Zusammenschweißen des nationalsozialistischen Lagers dienen mußte als seiner Desintegration (ebenso wie die gemeinsame Internierung von „Minderbelasteten" mit Nazigrößen in Glasenbach), begann eigentlich schon die Phase der Überwindung durch Verdrängung, die ab 1948, als mit ersten (und inhaltlich völlig sinnvollen) Amnestiemaßnahmen doch schon der Wettlauf um die Stimmen der „Ehemaligen" begann, voll einsetzte.614 Staatsvertrag 1955 So haben Anschluß, Krieg und Widerstand insgesamt zwar ältere deutschnationale Identifikationsmuster abgebaut, aber mit Ausnahme von Wien und der schon genannten Gruppen noch kaum ein breites neues Identifikationsgefühl entstehen lassen. Das neue Österreichbewußtsein war sicher oft eher realistisch-resignativ als begeistertemphatisch. Eine stärkere Verbreitung in der Bevölkerung erhielt es zweifellos erst durch die zuletzt erfolgreichen Bemühungen um den österreichischen Staatsvertrag von 1955.615 Nun sind diese Bemühungen sicher alles eher als revolutionär gewesen, aber - und das ist das Wesentliche - sie konnten das breite gemeinsame Gefühl erzeugen, sich von jemandem erfolgreich abgekoppelt zu haben, eine wenn auch meist indirekte, so doch unerfreuliche Herrschaft losgeworden zu sein. Was der Abschied von der deutschen Wehrmacht noch kaum bewerkstelligte, erreichte der Abschied von der Roten Armee geradezu spielend - die Österreicher begannen sich als Nation zu fühlen. Da aber die Erreichung des Staatsvertrages eher diplomatischen Aktionen als Aktivitäten der breiten Massen zu verdanken war, konnte man letztlich auch aus jenem langen Kampf nur ein relativ blasses und jedenfalls ziemlich quietistisches Nationalbewußtsein ableiten. Man wird nicht fehlgehen, daß man im Unterbewußtsein auch dieses feiern wollte, als man jenen Tag zum Nationalfeiertag kreierte, an dem sich Österreich zur immerwährenden Neutralität verpflichtete und man übrigens so nebenbei auch die letzten fremden Soldaten los wurde. als 28.000 Fällen zu einer Anklageerhebung kam. Die Folge waren 13.600 Schuldsprüche, darunter 43 Todesurteile. 614 Stiefel, Entnazifizierung, 101 ff. Über die völlig kontraproduktive Rolle der Internierungslager für ehemalige Nationalsozialisten, ebd., 263 ff. 615 Stourzh, Einheit (wie S. 105, Anm. 64).
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Bewußt oder unbewußt - die Wahl des Nationalfeiertages verweist ganz deutlich auf eine Nationsbildung, die zwar zuletzt offenbar mit Zustimmung eines großen Teiles der Bevölkerung, aber doch ohne deren massives Zutun erfolgte. Entscheidende Fortschritte in Richtung Demokratie, Rechtsstaat, Republik gingen in Österreich immer mit äußeren Niederlagen, Zusammenbrüchen, Dekompositionsprozessen zusammen. In der Regel wurden die ersteren durch die letzteren erzwungen.616 Das kann verschiedenes erklären. Einmal die relativ geringfügige gefühlsmäßige Verankerung jener Werte - es wurde im Gegenteil häufig die demokratische Republik noch zur Schuldtragenden an der eingetretenen Katastrophe (besonders jener von 1918) stilisiert. Aber auch die relativ geringe positive Korrelation von österreichischem Nationalbewußtsein und Bürgertum dürfte mit dieser Genese demokratischer Institutionen und rechtsstaatlicher Einrichtungen zusammenhängen. Nach 1848 war das Bürgertum niemals mehr Träger einer revolutionären, zu mehr Demokratie drängenden Bewegung. Daher entwickelten die typischen Werte der bürgerlich-parlamentarischen Welt Westeuropas nur geringe Integrationskraft im bürgerlichen Bereich.
616 Anton Pelinka I Manfried Welan, Demokratie und Verfassung in Österreich, Wien 1971, 26.
Unsere Länder haben im Laufe der Jahrhunderte eine ansehnliche Reihe ordentlich Regierender und guter Verwalter gesehen, autokratische, konstitutionelle, demokratische - mehr wahrscheinlich als andere Nationen und Staaten; das Verhältnis des Volkes zu seinen eingesetzten oder auch gewählten Herren war mit wenigen Ausnahmen stets ein friedlich vernünftiges, um nicht zu sagen: vertrauensvolles ... Eine intellektuelle Emanzipation des Volkes aus diesem Verhältnis hat es nie gegeben, was man, je nach eigener Position, bedauern kann, oder nicht weiter bedauern muß. Jörg Mauthe, 1980
V. Nation, Symbol und Geschichte 1. D I E IMAGINATION DER NATIONALEN E I N H E I T
Im Einleitungskapitel dieses Buches wurde überlegt, was denn eine „Nation" ausmache. Im Mittelpunkt stand dabei die Annahme, daß Nationen durch die Übereinkunft ihrer Mitglieder konstituiert werden. Diese Übereinkunft bedarf zu ihrer Festigung und Dauerhaftigkeit eines bestimmten Maßes an Gemeinsamkeiten. Nochmals sei betont, daß diese Gemeinsamkeiten keineswegs real sein müssen - „Nation" ist in hohem Maße stets Imagi-Nation (daneben gibt es noch die Nestroysche Resig-Nation, die jener als die edelste aller Nationen bezeichnet hat1). Die Imagination von Gemeinsamkeiten ist also ebenso hilfreich bei der Konstituierung einer Nation wie Realitäten, sie hilft ihr, sich als Einheit bewußt zu werden und bewußt zu bleiben. Materiell können diese Vorstellungen des Gemeinsamen sehr verschieden sein. Die Nation kann die Gemeinsamkeit der Sprache beschwören, die Gemeinsamkeit des Staates, der Religion, des Herrscherhauses. Sie kann genauso auf der Vorstellung beruhen, durch ihre gemeinsam gestaltete oder erlittene Geschichte oder „Kultur" eine überzeitlich gleichbleibende Einheit zu sein. Ein ganzes Bündel von höchst unterschiedlichen Vorstellungen - allein oder in allen möglichen Kombinationen - liefert die nationskonstitutiven Elemente. 1 Johann Nestroy, Das Mädl aus der Vorstadt (1841), 1. Aufzug, 12. Auftritt (Schnoferl: „[...] die edelste Nation unter allen Nationen ist die Resignation.", hier zit. nach Otto Rommel, Hg., Nestroys Werke 1, Volksstücke und Possen, Berlin - Leipzig - Wien - Stuttgart, o. J., 183).
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Nation, Symbol und Geschichte
Damit dieses Bewußtwerden von Einheit - aus Geschichte, Sprache, Staatlichkeit, Religion, Kultur - eine breite Wirksamkeit entfaltet, bedarf es aber der immer wiederholten Einübung und persönlichen Verinnerlichung: das Nationalbewußtsein ist dem Menschen keineswegs angeboren. Jede soziale Gruppe, die sich nicht im täglichen Kontakt stets aufs neue ihrer Existenz versichert, bedarf einer steten symbolischen Vergesellschaftung. Dieser dienen Institutionen, Zeichen und Symbole, dient die Weitergabe als „national" empfundener Verhaltensweisen und die Vermittlung von Wissen über bestimmte als „eigen" bezeichnete Eigenschaften der eigenen Gruppe und über andere (meist widerwärtige) Eigenheiten, an denen man die „anderen", die Fremden, erkennt. Es ist für die Großgruppe Nation dabei sehr angenehm, daß sie für ihre eigene Konstituierung dabei bloß das fortführen muß, was bei der Konstituierung der Kleingruppe (Familie, Schulklasse, Pfarre, Dorf usw.) sowieso schon geschehen ist. Denn stets lernt der Mensch zur Konstituierung und Stabilisierung seiner persönlichen und gruppenmäßigen Identität zwischen Dazugehörigen und Nichtdazugehörigen zu unterscheiden. Nationskonstitutives Geschehen ist also sowohl im individuellen wie im gesellschaftlichen Leben - beide Ebenen sind auch nur theoretisch, nicht in der Praxis zu trennen - ein steter Prozeß der Vermittlung, Einübung und Verinnerlichung von Zugehörigkeitsund Fremdheitsbewußtsein. In diesem Prozeß wird unablässig auf mehr oder weniger deutlich erfahrbare „objektive" Gegebenheiten hingewiesen, die uns bewußt machen sollen, daß wir - beispielsweise Österreicher sind. Solche „objektive" Gegebenheiten können allgemein beobachtbare, mehr oder weniger weit verbreitete Verhaltensweisen (also alles, was man dann als „typisch österreichisch" bezeichnet) sein. Ebenso geeignet wie eine bestimmte Färbung der Sprache sind dafür die kulturellen Objektivationen, die uns umgeben: Städte, Paläste, Kirchen, Denkmäler, Bauernhäuser. Jeder Kuhstall läßt sich national aufladen. Dabei läßt sich theoretisch unterscheiden zwischen a) jenem alltäglichen Set von Verhaltensweisen, die ganz unreflektiert als jeweils „national" empfunden (oder vermittelt) werden - etwa dem oft beschworenen österreichischen Raunzen, der Vorliebe fürs Beamtendasein, der Abneigung gegen korrekte und verbindliche Vereinbarungen und deren Einhaltung, b) den damit korrespondierenden und daraus stilisierten Selbst- und Fremdbildern, den Klischees und Stereotypen, den schwarzen und goldenen Legenden, den Mythen, die eine Gruppe konstituieren,
Die Entstehung der nationalen Symbolwelt
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c) den mehr oder weniger „offiziellen" Symbolen, die „das Österreichische" konstituieren, wie Hymnen, Wappen, Fahnen, Denkmäler, die wiederum auf als Identifikationsspender wichtige Personen verweisen, den Festen und Feiertagen, d) den Abgrenzungs- und Feindbildern, die für die Konstituierung einer Gruppe offensichtlich ganz ebenso unerläßlich sind. Wir sind in den Kapiteln II und III auf diese Bereiche eingegangen und haben versucht, auf die wichtigsten für ein „österreichisches Bewußtsein" (im Sinne von Assmanns „kulturellem Bewußtsein") 2 zentralen Symbole, Stereotypen, Mythen, Klischees, Selbst- und Fremdbilder hinzuweisen. Im Kapitel IV wurden jene von uns als Hauptstränge interpretierten Langzeitprozesse historischer Erfahrung untersucht, die wir für deren Entstehung verantwortlich halten. Vier historische Entwicklungslinien waren entscheidend: die Landesbildung, die habsburgische Staatsbildung, die Entwicklung der sprachlich orientierten nationalen Gemeinschaften und die Geschichte dieses Landes als Geschichte gescheiterter Revolutionen. Dieser historische Hintergrund mag die Vielfalt, aber auch die Widersprüchlichkeit der österreichischen Selbstbilder, der symbolischen Gemeinsamkeiten usw. erklären.
2. D I E ENTSTEHUNG DER NATIONALEN SYMBOLWELT
Wie aber entstehen aus jenen historischen Prozessen die nationalen Symbole, Klischees, Stereotypen, Selbstbilder und Feindbilder? Sind es einfache Petrefakte, versteinerte Zeugen einer selbsttätig ins Heute hereinwirkenden Vergangenheit? Keineswegs. Historische Fakten, Personen, Ereignisse, Kriege, Schlachten, Revolutionen, Personen wirken als nationale Symbole nicht per se, sondern als Folge einer bestimmten Auswahl und Vermittlung. Wir nähern uns hier jenem Komplex, der unter einem schmissigen Schlagwort als „invention of tradition" bekannt wurde.3 Es wurde Tradition „erfunden". Daran ist natürlich sehr viel wahr. Ohne die intensive Tätigkeit der bedeutenden Dichter, Philosophen, Historiker, Sprachwissenschaftler, Ethnographen und Künstler sind die typischen modernen Vorstellungen, einem großen Kollektiv von ausgeprägter Besonderheit anzugehören, nicht denkbar. 2 Assmann, Gedächtnis, 48 ff. 3 Eric J. Hobsbawm / T. Ranger, Hg., The Invention of Tradition, Cambridge 1983; Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation, Frankfurt/M. 21993, passim.
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Nation, Symbol und Geschichte
Diese Feststellung erklärt freilich nicht den Erfolg des Nations-Paradigmas. Es mußte ja eine enorme Überzeugungsarbeit geleistet werden, um Menschen, die bisher mehrheitlich in kleinräumigen Gruppen gelebt hatten und primär „Mödlinger" oder „Perchtoldsdorfer" oder allenfalls „Zillertaler" waren, nicht nur davon zu überzeugen, daß sie „Österreicher" oder „Deutsche" seien (solche zumeist herrschaftlich, regional, staatlich oder sprachlich orientierte Zuordnungen gab es auch schon früher), sondern daß es diese Eigenschaft wäre, die aus dem Menschen etwas ganz Besonderes macht, daß diese nationale Zugehörigkeit das zentrale Kennzeichen für das Individuum sei und daß es sich dabei um etwas überaus Verdienstliches, aber auch Heilsames handle. Wie war das möglich? Zweifellos bot die Lockerung traditioneller Bindungen, die wachsende regionale und soziale Mobilität, einen ersten Angriffspunkt. Wenn sich die überkommenen Bindungen - jene der Familie, der Grundherrschaft, der Nachbarschaft, des Dorfes, der Pfarre - lockerten und für die Betroffenen ihre positive Bedeutung einbüßten, dann bedeutete dies auch eine Erschütterung der überkommenen Vorstellungen von sich selbst und von der Gruppe, in der man lebte. Führte das bis zum Ortswechsel, zum durch ökonomische Not erzwungenen Verlassen der angestammten Heimat, dann wurde die Suche nach einer neuen mentalen Beheimatung noch dringender. Ernest Gellner verlegt diesen Prozeß in ein fiktives „Ruritanien": „Die ruritanischen Bauern mußten in den industriell höher entwickelten Gegenden Arbeit suchen, und einige fanden sie auch - unter den schrecklichen Bedingungen, die in dieser Zeit üblich waren. Als Hinterwäldler mit einer obskuren und selten geschriebenen oder gelehrten Sprache hatten sie es in den Städten, in deren Slums sie lebten, besonders schwer. Gleichzeitig ließen sich einige ruritanische junge Männer, die für die kirchliche Laufbahn bestimmt waren und in den Sprachen des Hofes und der Liturgie erzogen wurden, während ihrer höheren Schulzeit von den neuen liberalen Ideen beeinflussen und wechselten auf die Universität [...], sie wurden nicht Priester, sondern Journalisten, Lehrer und Professoren. Unterstützt wurden sie von einigen ausländischen, nicht ruritanischen Ethnographen, Musikologen und Historikern, die in Ruritanien ihren Forschungen nachgingen. Die anhaltende Mobilität der Arbeitskräfte, die Verbesserung der Grundschulbildung und die Wehrpflicht lieferten dieser ruritanischen Erweckungsbewegung ein wachsendes Publikum."4
Das „Ruritanien" dieser Schilderung könnte Tschechien oder die Slowakei sein, Slowenien, die Ukraine, das rumänische Siedlungsgebiet 4 Gellner, Nationalismus, 93.
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im historischen Ungarn. Immer konfrontierte die beginnende soziale Mobilisierung die Zuzügler in den Großstädten und Industriezonen mit anderssprachigen Mehrheiten, mit einem neuen Bewußtsein für „oben" und „unten" und rief stets auch die intellektuellen Kritiker hervor, die einerseits der alten, entschwundenen Kultur nachtrauerten, zugleich aber für „ihr" Volk neue Zukunftsperspektiven entwickelten. Unter glücklichen Umständen konnte daraus eine siegreiche Nationalbewegung werden. In diesem Prozeß der Neubegründung kollektiver und individueller Identität begannen sich immer mehr Menschen der von den jungen nationalistischen Eliten vorgezeichneten Muster zu bedienen. Dieser Erfolg könnte darauf beruhen, daß die „Patrioten" des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts eine überaus kluge, ja explosive Mischung von „alt" und „neu" verwendeten. „Alt" war einiges an Begrifflichkeit - das „Vaterland", das „Erbe", das es zu erhalten galt (Sprache, Bräuche, Trachten, Volkslieder usw.), der Hinweis auf die ruhmreiche historische Tradition, auf stolze Siege (oder auf stolze Niederlagen) und besondere kulturelle Leistungen, die das eigene Volk immer schon aus der Masse der übrigen herausgehoben haben. So ähnlich hätte aber auch ein antiker Römer, ein frühmittelalterlicher Franke oder ein frühneuzeitlicher Niederländer, Böhme oder Ungar argumentieren können. Der Erfolg der „Patrioten" beruhte jedoch zusätzlich auf ihrer Modernität. Modern war der Appell an die Massen, an das „Volksganze", war der demokratische Impuls der jungen Nationalbewegungen.5 Modern war auch, daß der Aufstieg der Nation ihren Mitgliedern ein hohes Glück verhieß - damit begann die Nation im Denken der Menschen jenen Platz einzunehmen, den - insbesondere die christlichen - Religionsgemeinschaften im Zuge der Aufklärung und des Frühliberalismus gerade einbüßten. 6 Materielle und ideelle Erlösungssehnsucht brauchte nicht mehr auf das Leben nach dem Tode zu warten, sondern suchte das Heil im Aufstieg, in der „Freiheit" und Selbstbestimmung der Nation. In gewisser Weise bietet die moderne Nation die Rückkehr in die Sicherheit und Geborgenheit älterer ethnisch-religiöser Kleingruppen an, deren Heilsangebot in der Antike und im Mittelalter insbesondere vom Christentum, in anderen Regionen der Erde auch vom Islam ersetzt worden war. Es ist kein Zufall, daß diese neue Orientierung von jungen, begeisterungsfähigen Menschen getragen wurde und daß junge, begeisterungsfähige Menschen ihrem Appell am liebsten folgten. 5 Hobsbawm, Nationen, 102 ff. 6 Cellner, Nationalismus, 88; Koppelmann,
Nation, 110 ff.
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Nation, Symbol und Geschichte
Aber auch der gesellschaftlich moderne Appell an die Masse bediente sich in seinen Bildern der Geschichte. Traditionen konnten „erfunden" werden, aber man war dabei an eine gewisse Auswahl gebunden. Die Babenberger, Rudolf von Habsburg, Prinz Eugen, Erzherzog Karl, Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Strauß, Karl Renner und Julius Raab haben schon existiert, bevor sie zu Leitbildern der österreichischen Identität stilisiert wurden. Sie konnten nicht an sich erfunden werden, genausowenig wie Luther, Schiller oder Bismarck als Person „erfunden" werden konnte. Für nationales Bewußtsein bedeutend wurden sie aber nicht per se, sondern weil sie - auf Grund ihrer das Mittelmaß ihrer Zeitgenossen überragenden Fähigkeiten und Leistungen - als Identifikationsobjekte ausgewählt wurden.
3. HISTORISMUS UND NATIONALISMUS
Diese Auswahlprozesse beginnen ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, da Herrschaftsbegründung durch überzeitliche Legitimation brüchig wurde. Noch die großen Deckengemälde des Barock lassen die Regierung der Habsburger, ihre Siege und ihren Weltherrschaftsanspruch überzeitlich, durch die göttliche Vorsehung begründet erscheinen. Zwar gibt es auch schon historische Bezüge, wie etwa die Berufung auf die Frömmigkeit Rudolfs von Habsburg, die in der bekannten Legende vom Graf von Habsburg (so auch der Titel einer Schillerschen Ballade) fortlebte, der einem Priester auf dem Versehgang sein Pferd zur Verfügung stellte. Danach weigerte sich Rudolf, das Tier zurückzunehmen, da er nicht auf einem Pferd reiten wollte, das den Leib Christi getragen hatte. 7 Auch die Stände der einzelnen Länder verwendeten bereits vereinzelt historische Sujets, um ihre Sonderstellung zu begründen, so die Kärntner in der Freskierung des Landhaussaales durch Fromiller - hier werden die längst nicht mehr gebräuchlichen Zeremonien am Fürstenstein dargestellt, um die Eigenart und besondere Stellung Kärntens zu betonen. 8 Aber in anderen Landhäusern, wie in Wien oder in Brünn, dominiert noch ganz die überzeitliche Allegorik. Bleiben wir beim Beispiel der Wiener Herrengasse. Während die nach 7 Eine schöne, relativ frühe Darstellung in Frankfurt, vgl. Ostarrichi - Österreich. 996-1996. Menschen - Mythen - Meilensteine, Katalog der Österr. Länderausstellung Neuhofen St. Pölten, Horn 1996, Kat.-Nr. 10.2.12. 8 Ostarrichi - Österreich. 996-1996. Menschen - Mythen - Meilensteine, Katalog der Österr. Länderausstellung Neuhofen - St. Pölten, Horn 1996, Kat.-Nr. 6.1.05.
Historismus und Nationalismus
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einem Programm des kaiserlichen Historiographen Giovanni Commazzi von Antonio Beduzzi (1710) im großen Landhaussaal (Herrengasse 13) gemalten Fresken eine „Austria" mit der „Vorsehung" zeigen, umgeben von allen vier Kontinenten und den großen Flüssen der Welt, die von „Österreich" beherrscht werden (von Rhein, Donau, Elbe, Save und Po bis hin zum Rio de la Plata), haben die von Leopold Kupelwieser 1848 gemalten Fresken im Marmorsaal des Regierungsgebäudes (Herrengasse 11) - abgesehen von der wiederum im Zentrum befindlichen „Austria", umgeben von der Religion und den Kardinaltugenden - ein rein historisches Programm. Dabei greifen die Darstellungen historisch weit zurück, bis zu Mark Aurel und Odoaker mit dem hl. Severin, Karl dem Großen und den frühen Babenbergern. Die habsburgische Herrschaft wird nicht mehr einfach mit der Vorsehung begründet. Vielmehr entsteht durch die Darstellung bedeutender politischer, militärischer und kultureller Ereignisse (Belehnung des ersten Babenbergers bzw. ersten Habsburgers mit Österreich, Eroberung von Melk durch Markgraf Leopold I., Türkenbelagerung 1683, Gründung von St. Stephan sowie der Wiener Universität) eine enge Verbindung von Herrscherhaus und (nieder-)österreichischer Geschichte, bis herauf zur dramatischen Szene der Schlacht bei Aspern 1809, in der Erzherzog Karl durch seinen persönlichen Einsatz die Wende der Schlacht erzwang. Diese Darstellungsform bezieht - und das ist modern - das „Volk" mit ein, als Empfänger von Gnaden der Herrscher, aber auch als fleißige Handwerker, als Wissenschaftler, Studenten, patriotische Bürger und Soldaten. Man sieht: Wenn die Prozesse der Aufklärung, der Historisierung des gesellschaftlichen Bewußtseins und der tendenziellen Schaffung einer Staatsbürgergesellschaft einmal begonnen haben, kann sich der damit verbundenen Symbolsprache nicht einmal der vormärzliche Absolutismus österreichischer Prägung entziehen.9 Freskenprogramme wie das von Kupelwieser stehen stellvertretend für den Bedeutungsgewinn von Geschichte im Zuge der nationsbildenden Prozesse. Es war nun entscheidend, ob es gelingen würde, die ganze Monarchie in einen Prozeß einzubeziehen, der ein gemeinsames Bewußtsein schaffen würde, ob also in diesen Entwicklungen eine für alle Bewohner der Monarchie verbindliche Symbolwelt entstehen würde. Wir haben schon oben (S. 227 f.) festgestellt, daß dies nicht der Fall war, trotz Hormayrs „Österreichischem Plutarch" und der „Österreichischen 9 Feuchtmüller, Landhaus, 24 f., 38-42, VII f., IX ff.
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Nation, Symbol und Geschichte
National-Encyklopädie" von Franz Gräffer und Johann Jakob Heinrich Czykann (1835-1837). Abgesehen von der immer noch unvollendeten Staatsbildung (Ungarn blieb ja bis 1849 verwaltungsmäßig vom Rest durchaus geschieden), abgesehen auch von der sprachlichen und regionalen, bewußtseinsmäßigen Vielfalt in dieser Monarchie war es gerade und insbesondere der Prozeß der Historisierung des kollektiven Bewußtseins, der die Entstehung eines einheitlichen Nationalbewußtseins verhindern mußte. Denn der Rückgriff auf die Geschichte erfolgte bereits unter den Vorzeichen einer mehr oder weniger starken, vielfach auch vom ständischen Adel geförderten Opposition, unter Verwendung Herderscher und romantischer Sichtweisen. Und dieser Rückgriff mußte notwendig sehr viele habsburgkritische Imaginationen wecken. In der böhmischen Geschichte erwiesen sich bald Hus und der Weiße Berg als zentrale Symbole, welche die Leiden und die Unterdrückung der Tschechen durch die Deutschen - und insbesondere durch die Habsburger versinnbildlichten, in der ungarischen war die ganze frühe Neuzeit nicht mehr nur ein ununterbrochener heldenhafter Kampf gegen die Türken, sondern zugleich auch gegen die Habsburger, die den heroischen Ungarn ihre Religion und womöglich auch Sprache aufzwingen wollten. Ungarische Nationalhelden waren daher neben den großen Türkenhelden wie Nikolaus Zrinyi (t 1566) auch die Zäpolyais, Bocskais, Rakoczis, die den Widerstand gegen Habsburg symbolisierten. Die „invention of tradition" ist damit ein weniger willkürlicher Prozeß, als uns der Begriff nahelegen mag. Man konnte nur schwerlich glatterdings Neues erfinden (auch das wurde versucht, in den böhmischen Handschriftenfälschungen, aber schon Josef Dobrowsky lehnte die Handschriften ab). Es haben die Nationalisten sicherlich die Nationen in gewisser Weise „hervorgebracht".10 Doch zugleich warnt Gellner vor dem „irrtümlichen Schluß", der „Nationalismus sei eine zufällige, künstliche, ideologische Erfindung: so, als wäre er niemals ins Leben getreten, hätten nicht jene verfluchten wichtigtuerischen europäischen Denker dieses ideologische Gebräu zusammengemixt".11 Die Erfinder der Nationen bewegten sich im Kreis des Vorgegebenen genauso wie im Kreis ihrer eigenen Wunschvorstellungen, die ihrerseits wieder sehr stark von der gerade entdeckten „Geschichte" geprägt waren. In der Tat schuf das 19. Jahrhundert über oft große künstlerische und wissenschaftliche Leistungen, die bei den einzelnen Künstlern und Autoren ihrerseits wieder vom Schwung des jungen Nationalbewußt10 Gellner, Nationalismus, 87. 11 Gellner, ebd.
Historismus und Nationalismus
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seins getragen wurden, jenes gigantische Reservoir von Mythen, Bildern und Stereotypen, aus dem die Nationalbewegungen (nicht nur) Mittel- und Osteuropas bis heute gespeist werden. Dieses 19. Jahrhundert hatte zwei Gesichter. Das eine zeigt sich technikbesessen, fortschrittsgläubig und durchdrungen von der Überzeugung, alle Probleme gelöst zu haben oder in nächster Zukunft lösen zu können. Parallel dazu - und das ist das zweite Antlitz des 19. Jahrhunderts - wuchs in allen europäischen Völkern ein mythologischer Überbau, der letztlich die Aufgabe hatte, die Mitglieder dieser Völker davon zu überzeugen, daß sie einem auserwählten Volk angehörten. Ob diese Überzeugungen eine Art notwendiger mentaler Balance gegen den Fortschrittsglauben dargestellt haben, ist dabei durchaus fraglich. Vielmehr existieren enge Berührungen zwischen den modernen nationalen Mythen und dem sogenannten wissenschaftlichen Fortschritt. Denn im selben Ausmaß, in dem unter dem Ansturm von Aufklärung und Liberalismus die alten Religionen und Konfessionen ihre Glaubwürdigkeit und Integrationskraft einbüßten, wurde das neue - quasireligiöse - Angebot des Nationalismus glaubwürdiger. Noch mehr: So wie in der Natur der Ausleseprozeß der Arten in einer steten Evolution vor sich gegangen war (Darwin), so würden auch in der Geschichte nur die edelsten, besten und stärksten Völker übrigbleiben. Diese Übertragung der Evolutionstheorie auf das nationale Bewußtsein mußte dieses stark rassistisch aufladen - da ja die zum Überleben und Durchsetzen notwendige Qualität genetisch bedingt und daher vererbbar schien. Und sie trug massiv zu einer Atmosphäre des ständigen Kampfes (um den „nationalen Besitzstand", um den „Platz an der Sonne", um „Lebensraum") bei, die seit der Jahrhundertmitte zuerst publizistisch und schließlich auch real immer stärker das gesellschaftliche Leben - nicht nur der Habsburgermonarchie - prägte. 12 Die moderne Evolutionstheorie ermöglichte theoretische Begründungen für den ebenso modernen Rassismus und Antisemitismus. „Geschichte" spielt in zweifacher, nicht immer klar zu trennender Weise bei der Entwicklung nationaler Vorstellungen mit. Erstens sind 12 Hobsbawm, Nationen, 128 f.; Otto Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland 17701990, München 1993, 202. In Österreich hat insbesondere Ludwig Gumplowicz versucht, den Sozialdarwinismus auf Völker und „Rassen" zu adaptieren. Seine Habilitationsschrift „Rasse und Staat" (1875) wurde später weiterentwickelt zum „Rassenkampf" (Innsbruck 1883,21909). Zu Gumplowicz vgl. eine Neuausgabe einiger Schriften von Emil Brix, Hg., Ludwig Gumplowiez oder Die Gesellschaft als Natur, Wien - Köln - Graz 1986, ferner Sergij Vilfan, Wirtschaftsgeschichte und Rechtsgeschichte. Der Grazer Beitrag zur Theorie (= Kleine Arbeitsreihe zur Europäischen und Vergleichenden Rechtsgeschichte 17), Graz 1985, 5 ff.
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es reale historische Prozesse, die Staaten bilden, Sprachgebiete schaffen, Kulturlandschaften entstehen lassen. Wir haben uns in diesem Buch primär mit den Prozessen der Staatsbildung beschäftigt. Zweifellos genauso wichtig für unser Thema wäre eine Untersuchung der Entstehung der Geltungsgebiete der modernen Hochsprachen, die wir hier nicht leisten können. 13 In Frankreich hat der Absolutismus, aber noch stärker das revolutionäre und nachrevolutionäre Frankreich das Französische im gesamten Staatsgebiet durchgesetzt. In Deutschland hat Martin Luther die Verständigungsschwierigkeiten nicht nur zwischen den verschiedenen großen Dialektgebieten, sondern auch innerhalb derselben hervorgehoben. 14 Seit dem späten 15. Jahrhundert waren es zunächst der Buchdruck und die sich angleichenden Kanzleisprachen, schließlich die Sprache Luthers, aber auch die Notwendigkeit der Kommunikation in einem politischen Gemeinwesen (dem Hl. Römischen Reich), die zunächst ein hochdeutsches Sprachgebiet schuf, dem sich im 16. Jahrhundert auch die niederdeutschen Gebiete, die ihrerseits von Lübeck aus sprachlich vereinheitlicht wurden, hochsprachlich anschlössen. Dadurch wurde das Niederdeutsche aus einer eigenständigen Sprachlandschaft zu einer Dialektlandschaft. 15 Ob die niederfränkischen Dialekte eine eigene Hochsprache (das Niederländische) werden würden oder nicht, war eine Frage, die ohne die Staatsbildung der Vereinigten Niederlande sicher noch länger offen geblieben wäre. Sosehr es aber zunächst notwendig ist, zur Erkenntnis der nationsbildenden Prozesse die Geschichte von Staatsbildungen bzw. von Ausbildung von Sprachräumen zu erkunden, sosehr ist es (zweitens) notwendig, der Umsetzung von Geschichte in nationalen Mythos nachzuspüren.
13 Vgl. z. B. Peter Wiesinger, Regionale und überregionale Sprachausformung im Deutschen vom 12. bis 15. Jahrhundert unter dem Aspekt der Nationsbildung, in: Joachim Ehlers, Hg., Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter (= Nationes 8), Sigmaringen 1989, 321-344. Dieser Prozeß darf nicht zu früh angesetzt werden: Rudolf von Habsburg und sein Sohn Albrecht haben zwar begonnen, in deutscher Sprache zu Urkunden. Für nord- und mitteldeutsche Empfänger stellten sie aber nach wie vor Urkunden in lateinischer Sprache aus - ihre oberdeutsche Urkunde wäre sonst gar nicht verstanden worden (Wiesinger; ebd., 336). 14 Wiesinger, ebd., 336. 15 Wiesinger, ebd., 339.
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4. D I E INSTITUTIONEN DER MYTHOSBILDUNG
Literatur- und Geschichtswissenschaft und nationales Gedächtnis Wie die „Geschichte" als in gewisser Weise (wenngleich mit Auswahlmöglichkeiten) vorgegebenes Reservoir der kollektiven Erinnerung für nationales Bewußtsein bedeutend wurde, ist nur durch die Analyse der die Tätigkeit der mythos- und symbolprägenden Institutionen zu erklären. Da wir seit dem 19. Jahrhundert in historistischen Zeiten leben, also in Zeiten, die immer bewußter in die Geschichte zurückblikken und ihr einerseits immer mehr Eigenwert, andererseits aber auch immer höheren Wert für die jeweilige Gegenwart zumessen, erhielten die Spezialisten im Umgang mit der Vergangenheit - die Historiker eine besondere Bedeutung. Aber eine genauso wichtige Rolle spielt, neben der Geschichte als Wissenschaft und als Unterrichtsfach, die Ethnographie, die Literatur und die Literaturwissenschaft, der Unterricht über die Literatur und die Sprachwissenschaft der jeweiligen Muttersprache. Unter bestimmten Voraussetzungen konnte ja die Sprache das wichtigste nationale Symbol werden, wie bei den meisten nichtdeutschen „Volksstämmen" der Habsburgermonarchie. Noch heute klingt diese Bedeutung in der bedeutenden Rolle der Slawisten bei der Diskussion um das „richtige" Schreiben und Sprechen etwa bei den Slowenen nach. Man könnte auch vermuten, daß die im Vergleich zu Österreich geradezu unglaublich hohen Auflagenzahlen literarischer, historischer und anderer wissenschaftlicher Werke in tschechischer oder slowenischer Sprache mit dieser enorm hohen symbolischen Bedeutung von Geschichte und Literatur, von Historikern, Dichtern und Literaturwissenschaftlern im Zuge des Nationsbildungsprozesses bei Tschechen und Slowenen zusammenhängen. Umgekehrt gilt: Wo das Phäakenstereotyp zu den nationskonstitutiven Klischees gehört, werden Schriftsteller und Wissenschaftler, Autoren und Verleger stets mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Architektur und bildende Kunst Wir haben schon oben (S. 211 ff.) auf die Wirksamkeit der Habsburger bei der Schaffung einer neuen Sakrallandschaft im Barock hingewiesen. (Das Barock war überhaupt die höfische Kunstrichtung schlechthin, während die Renaissance in Österreich der Stil der Stände war, was nicht nur die von den evangelischen Losensteinern erbaute Schallaburg, sondern auch diverse Landhäuser zeigen.) Diese Wirk-
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samkeit in der Gestaltung der architektonischen Umwelt reichte weiter und tiefer. Wir zitieren dazu vielleicht Robert Musils Beschreibung von Brünn: „Es gab dort viele solche Städte, und alle sahen sie auch ähnlich aus. Am höchsten Punkt thronte ein Gefängnis, am zweithöchsten eine Bischofsresidenz, und ringsherum, gut auf die Stadt verteilt, fanden sich ungefähr noch zehn Klöster und Kasernen..."
Das ist also so ungefähr der architektonische Niederschlag des Absolutismus, doch waren die Städte um 1900/1910 nicht mehr nur davon geprägt: „[...] die Deutschen bekamen, weil Besitz und Bildung in B . . . deutsch waren, mit Staatshilfe immer mehr Besitz und Bildung. Wenn man durch die Straßen in B . . . ging, konnte man das daran erkennen, daß die erhalten gebliebenen schönen baulichen Zeugnisse der Vergangenheit, von denen es einige gab, zum Stolz der wohlhabenden Bürger zwischen vielen Zeugnissen der Neuzeit standen, die sich nicht bloß damit begnügten, gotisch, Renaissance oder barock zu sein, sondern von der Möglichkeit Gebrauch machten, alles zugleich zu haben. Unter den großen Städten Kakaniens war B . . . eine der reichsten und drückte das auch baulich aus, so daß selbst die Umgebung, dort wo sie waldig und romantisch war, die roten Türmchen, schieferblauen Zackendächer und schießschartenähnlichen Mauerkränze wohlhabender Villen abbekam ..
Womit wir - Musil sei Dank! - nicht nur einen hübschen literarischen Beleg für die Fernfolgen des Absolutismus, sondern gleich auch für die stilistischen Begleiterscheinungen bestimmter defensiver Haltungen der österreichischen Deutschen hätten. Man bemerkt ja, fährt man durch einige Gegenden der alten Monarchie, nicht bloß nostalgisch die überall vergleichbaren architektonischen Überreste des alten Staates (seine Bezirkshauptmannschaften, Statthaltereien, Kasernen, Postämter und Bahnhöfe, um einmal auch ein paar nachbarocke Errungenschaften zu erwähnen), sondern auch bestimmte Gewichtungsunterschiede: Während etwa in Wien das Neobarock des Historismus bis zu Wagner und Loos (und auch noch während ihrer Zeit - etwa das Kriegsministerium!) doch im Stadtbild sehr beherrschend wirkt, gibt es in Laibach und Prag relativ viel mehr Jugendstilhäuser. Tatsächlich sind die Prager oder Laibacher Varianten des Jugendstils ebenso wie seine ungarische Spielart, der sogenannte „ungarische Stil", Äußerungen einer bewußten Distanz der aufstrebenden nichtdeutschen Bourgeoisien zu den überlieferten architektonischen Kanones der Monarchie. So hat der berühmte ungarische Architekt Ödön Lechner bei 16 Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, hg. v. Adolf Frisé, Hamburg 1952,1230 f.
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der Begründung für die Stilwahl bei der Planung des Rathauses von Kecskemet hervorgehoben, man hätte den „sogenannten ,Maria-Theresia-Stil'" vermieden, „um [...] nicht jene Detailformen zu verwenden, die am stärksten unsere Abhängigkeit von Wien demonstrieren".17 Feste und Feiern Auch die Rolle des gemeinschaftsstiftenden Festes hat zu Recht die Aufmerksamkeit der Historiker geweckt. Alle nationalen Feste des 19. und 20. Jahrhunderts gehen mittelbar oder unmittelbar auf die zwei großen Vorbilder des späten 18. Jahrhunderts zurück: auf die U S A und das revolutionäre Frankreich.18 Nationale Feste, Feiern und Gedenktage wurden im Prinzip kirchlichen Ritualen nachgebildet, es sind Wortgottesdienste, eine kollektive Liturgie, bei der die „Priester" des Nationalismus - Dichter, Journalisten, Politiker - ihre großen Auftritte hatten, aber auch das „Volk" eingebunden war - zunächst die „Ministranten" - Turner, Sänger, Studenten, Repräsentanten der nationalen Vereine, des Staates oder von beruflichen und regionalen Institutionen - , dann auch das „Volk", das als applaudierender Straßenrand oder begeistertes Publikum in die Liturgie einbezogen war.19 Wir kennen aus der deutschen Nationalbewegung die große Bedeutung des Wartburgfestes (1817), des Hambacher Festes (1832), des Gutenberg-Festes in Mainz (1837), der Schiller-Feier in Stuttgart 1839.20 Von der Bedeu17 Ilona Särmäny-Parsons, Rathausbauten in Ungarn um die Jahrhundertwende, in: Hanns Haas / Hannes Stekl, Hg., Bürgerliche Selbstdarstellung. Städtebau, Architektur, Denkmäler (= Bürgertum in der Habsburgermonarchie IV), Wien - Köln - Weimar 1995, 99-116, hier 106. Zur slowenischen Architektur im selben Band Damjan Prelovsek, Identitätssuche und Nachholbedarf. Zur Ausbildung einer bürgerlichen Architektur in Slowenien, ebd., 117-128; zum gesamten Komplex vgl. auch Äkos Moravänszky, Die Erneuerung der Baukunst. Wege zur Moderne in Mitteleuropa 1900-1940, Salzburg - Wien 1988, z. B. 114 f., der Josef Plecniks Fassadenverkleidung der Universitäts- und Nationalbibliothek Ljubljana (1936-1941) als „etwas skurriles Beispiel" vorführt, „wo das gemeinsame Erscheinen von Stein und Backstein einen Hinweis auf die mediterranen und mitteleuropäischen Wurzeln der slowenischen Kultur gibt". - Moravänszky verweist freilich daneben auch auf die unübersehbaren Parallelentwicklungen der klassischen Moderne in Wien, Budapest, Prag usw. Zur Problematik von Architektur und Nation vgl. ferner (vornehmlich für Deutschland) Harold Hammer-Schenk, Architektur und Nationalbewußtsein, in: Werner Busch / Peter Schmoock, Hg., Kunst. Die Geschichte ihrer Funktionen, Weinheim - Berlin 1987, 490-516. 18 Gedenken - Feiern - Identitäten (= Beiträge zur historischen Sozialkunde 27,1996, Nr. 1), insbes. die Beiträge von Hannes Stekl, Thomas Fröschl, Berthold Unfried und Gustav Spann. 19 Grundsätzlich dazu George L. Mosse, Die Nationalisierung der Massen. Politische Symbolik und Massenbewegungen in Deutschland von den Napoleonischen Kriegen bis zum Dritten Reich, Frankfurt/M. 1976. 20 Dann, Nation, 107 f.
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tung der Schillerfeiern haben wir schon oben (S. 292) gesprochen. Zu den Wiener Schiller-Feiern des Jahres 1859 konstatiert Juliane Mikoletzky: „Für die Formierung und Manifestation eines deutsch-bürgerlichen Selbstbewußtseins in Österreich scheinen sie eine Art katalytischer Funktion ausgeübt zu haben .. ,"21 Später feierten deutschnationale Studenten in Österreich ihre Reichsgründungs- und BismarckKommerse - nationale Manifestation, aber nicht mehr solche eines „kulturdeutschen" und zugleich österreichisch-patriotischen Bürgertums, sondern einer zunehmend irredentistischen deutschradikalen Jugend. 22 Die säkularisierte Liturgie der Masse, in der sich die Nation „selbst kühn und offen zum Gegenstand der Verehrung" machte, 23 fand zweifellos ihren Höhepunkt in den monströsen Ritualen der Reichsparteitage des Nationalsozialismus. Aber - nach gewissen Ansätzen im 19. Jahrhundert - war die Zwischenkriegszeit insgesamt schon eine Zeit der öffentlichen nationalen Feiern gewesen - man denke nur an die großen „gesamtdeutschen" Sängerfeste in Wien, die es sowohl in „bürgerlicher" wie in sozialdemokratischer („proletarischer") Variante gab.24 Doch stand gegen die „deutschen" (und sonstigen) nationalen Feste bis 1916 immer noch der Kaisermythos und seine Hauptfeier, Kaisers Geburtstag. 25 Einen Ersatz dafür bot der republikanische Feiertag vom 12. November wohl nur unzureichend. 26 Die Armee Alle die bisher genannten Faktoren mußten letztlich in eine für die Habsburgermonarchie kritische Richtung weisen. Wir sind es gewohnt, die Geschichte der diversen Nationsbildungen als teleologischen Prozeß darzustellen, der notwendig mit dem Zerfall der Monarchie endete. Daher wird eine zentrale Frage häufig gar nicht gestellt: War es wirk-
21 Dazu vgl. auch Juliane Mikoletzky, Bürgerliche Schillerrezeption im Wandel: Österreichische Schillerfeier 1859-1905, in: Hanns Haas I Hannes Stekl, Hg., Bürgerliche Selbstdarstellung. Städtebau, Architektur, Denkmäler (= Bürgertum in der Habsburgermonarchie IV), Wien - Köln - Weimar 1995,165-183. 22 Winkler, Deutschnationale Bestrebungen, 205, 223, 275 ff. 23 Gellner, Nationalismus, 88. 24 Vgl. Werner Jank, Arbeitermusik zwischen Kunst, Kampf und Geselligkeit. Sozialdemokratische Arbeiter-Musikbewegung in der Ersten Republik, ms. Phil. Diss. Wien 1982. 25 Andrea Gerlinde Blöchl, Der Kaisermythos. Die Erzeugung des Mythos „Kaiser Franz Joseph" - eine Untersuchung auf der Basis von Texten und Bildmaterial aus der Zeit Franz Josephs, ms. DA, Salzburg 1993. 26 Ernst Hanisch, Das Fest in der fragmentierten politischen Kultur: Der österreichische Staatsfeiertag während der Ersten Republik, in: Detlef Lehnert / Klaus Megerle, Hg., Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung, Opladen 1990, 43-60.
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lieh ausgemacht, daß im Kampf um die herrschenden Symbole und Bilder der Doppeladler der Verlierer sein mußte? Die Bemühungen auch des mehr oder weniger übernationalen Zentralstaates um symbolische Präsenz im Bewußtsein der Bevölkerung nehmen wir wahrscheinlich zuwenig wahr. Laurence Cole, der - wie Alan Sked, Charles Ingrao und Manfried Rauchensteiner - auf diesen Mangel hingewiesen hat27, arbeitet zur Zeit an einem Projekt zur Untersuchung der Wirksamkeit des größten Apparates zur Verbreitung habsburgisch-österreichischen Bewußtseins, der Armee. Man darf ja nicht übersehen, daß genau zu dem Zeitpunkt, in dem die modernen nationalen Bewegungen Massencharakter annahmen (Taborbewegung bei Tschechen und Slowenen 1867/68), auch die Monarchie selbst durch das neue Wehrgesetz von 1869 und die allgemeine Wehrpflicht erstmals die Möglichkeit schuf, große Teile wenigstens der männlichen Bevölkerung drei bis vier Jahre lang real und symbolisch zu beeinflussen - wesentlich intensiver, als das durch das bisherige Wehrsystem möglich war. Und im Anschluß an den Wehrdienst in des Kaisers Rock war man über die Reserve (mit möglichen Waffenübungen) und über Veteranenvereine immer noch mit dem militärischen Komplex, und damit auch der einzigen großen, beide Teilstaaten der Monarchie verbindenden Institution verbunden. Es ist durchaus möglich, daß dieses Wehrgesetz die tendenziell monarchiekritische oder monarchiegefährdende Wirkung der diversen Nationalbewegungen wenigstens teilweise ausgeglichen hat. Wahrscheinlich sind dadurch mehr Menschen als je zuvor in einem gewissen Sinne zu „Österreichern" geworden. Wir haben dazu oben (S. 267) eine kleine Passage von Leopold v. Sacher-Masoch zitiert. Der Dienst in der Armee konnte bei den breiten ländlichen Massen eine tiefe, vormoderne Loyalität zum angestammten Herrn, zum Kaiser, zum Ausdruck bringen und noch verstärken. Das war ein wichtiges Gegengewicht gegen die destruierenden Kräfte des Sprachnationalismus. Diese bäuerliche Loyalität mit ihrem letztlich sakralen Untergrund hielt bis zuletzt; sie manifestierte sich in der breiten Kriegsbegeisterung des Jahres 1914. Noch im Oktober 1918 „drängen sich weit über hunderttausend Menschen, ungarische Bauern und wallachische Bauern um Kaiser Karl".2S 27 Laurence Cole, Fremde im heiligen Land. Außenseiter/innenblicke auf Tirol, in: Geschichte und Region / Storia e regione 3, 1994, 262-286, hier 268; Alan Sked, The Decline and Fall of the Habsburg Empire, London 1989; Charles Ingrao, The Habsburg Monarchy 1618-1815, Cambridge 1994; Manfried Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, Graz - Wien - Köln 1993. 28 Heer, Kampf, 323.
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Franz Joseph hat um diese solide Loyalitätsbasis gewußt, freilich die Verminderung dieser Basis durch die Entfaltung der bürgerlichen Bewegungen unterschätzt. Zu einer erheblicheren Exilarmee haben es dennoch nur die Tschechen im Weltkriege gebracht, jene Nation, die auch die Bauern schon mehr oder weniger stark in die bürgerliche Nation integriert hatte (und wo auch die politische Organisation der Bauern stark bürgerliche Züge trug). Die Armee war jene Instanz, in welcher der atavistische bäuerliche Glaube an den Kaiser (an den guten Kaiser, an den guten Zaren) Ziel und Richtung erhielt. Da sich die Armee aus allen Nationalbewegungen streng heraushielt und dadurch im Zeitalter des Nationalismus irgendwie neutral erscheinen mußte (sie wurde ja auch, äußerstenfalls, gegen die nationalistischen Demonstranten aller Seiten eingesetzt), bekam sie zweifellos eine besondere Stellung. Wir müssen mit dieser Bemerkung die Beobachtung verbinden, daß bis ins 20. Jahrhundert die gemeinsame erfolgreiche militärische Betätigung nationsbildend sein konnte - und es häufig noch ist. So wie die „Gentes" der Völkerwanderungszeit das Produkt erfolgreicher kriegerischer Unternehmungen waren, genauso waren die „Länder" des Hochmittelalters Produkt einer militärischen Landnahme; die feudalen ritterlichen Funktionsträger bilden die dem „Stamm" entsprechende Gemeinde der politisch Berechtigten. So wie die erfolgreiche militärische Abwehr der konterrevolutionären Mächte das breite nationale Selbstbewußtsein des revolutionären Frankreich erst schuf, genauso wird das Deutsche Reich von 1871 militärisch fundiert. Der Festtag dieses Reiches ist der „Sedan-Tag", der Tag, an welchem das Andenken an den wichtigsten militärischen Sieg des Deutsch-Französischen Krieges gefeiert wird.29 Militärische Verpflichtung und politische Berechtigung sind im vorfeudalen und feudalen Mittelalter zunächst identisch. Die Stammesversammlung besteht aus den wehrhaften Männern. Die ersten „Landtage" des Spätmittelalters sind Musterungsversammlungen des ritterlichen, ständischen Adels. Erst mit ihrer Wehrhaftigkeit stoßen die Städte dazu. Wer selbst militärischen Schutzes bedarf, wie der Klerus, hat daher auch eine vorerst eher prekäre Stellung im Kreise dieser Berechtigten. Mit der Umlegung dieser direkten kriegerischen Funktion auf die Funktion der Steuerbewilligung als Ersatz für die nicht 29 Juliane Vogel, Militärfeiern in Deutschland und Frankreich als Rituale der Nation (18711914), in: Etienne François / Hannes Siegrist / Jakob Vogel, Hg., Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich, 19. und 20. Jahrhundert (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 110), Göttingen 1995,199-214.
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mehr persönlich geleistete Heerfolge trennten sich politische Berechtigung und militärische Funktion zwar grundsätzlich. Aber das zugrunde liegende Verhaltensmuster, daß nämlich militärische Verpflichtung politische Berechtigung nach sich ziehe, lebt immer wieder auf: in den Bauernkriegen, als die zum Aufgebot gegen die Türken herangezogenen Bauern gewisse Rechte fordern, in der Volksbewaffnung 1848, schließlich auch in der vor Jahren geführten Diskussion um die Herabsetzung des Wahlalters. Was wäre also gewesen, wenn die Habsburgermonarchie in den letzten hundert Jahren ihrer Existenz drei Kriege gewonnen anstatt verloren hätte? Vermutlich hätte dies nicht bloß die außenpolitische Machtstellung, sondern auch die Legitimität des Systems im Innern bedeutend erhöht. Freilich - zur Beruhigung für jene Leser, denen diese Vision unangenehm wäre - scheinen die altertümlichen Führungsschichten der Monarchie gar nicht bereit und in der Lage gewesen zu sein, die ökonomischen und militärischen Voraussetzungen für irgendeinen solchen Erfolg zu schaffen. Wir zweifeln auch nicht, daß ein Sieg Deutschlands im Zweiten Weltkrieg die deutsche Identität der Österreicher, von denen ja die übergroße Mehrheit (soweit wehrpflichtig) in der Deutschen Wehrmacht gedient hat, sicher enorm gefestigt hätte, während die militärische Niederlage genau das bewirkte, was man 1938 kaum für möglich gehalten hätte: nämlich den dringenden Wunsch der Österreicher, keineswegs zu den Deutschen zu gehören. Wir halten ferner dafür, daß die in den Umfragen seit 1956 deutlich erkennbar geringere „deutsche" Identität der Frauen mit deren Fernbleiben vom Militär zu erklären sein könnte. Dagegen konnte die militärische Teilnahme auf der Seite der Alliierten seitens einiger Emigrantengruppen zwar bei den Staatsvertragsverhandlungen positiv im Sinne der in Moskau 1943 geforderten eigenen Mitwirkung der Österreicher an ihrer Befreiung ins Spiel gebracht werden, identitätsbildend (wie die Résistance in Frankreich oder wie der Partisanenkampf in Jugoslawien) wirkte sie kaum.
Die Schule Wie verhält es sich mit der Schule? Selbstverständlich hatte und hat auch das Schulsystem immer die Aufgabe, bei den Schülern für deren Erwachsenenzeit vorsorglich Loyalität aufzubauen - Loyalität (anno damals) zum Herrscherhaus, zum Land, zum Staat. Dazu diente neben der allgemeinen Loyalitäts-Orientierung am Herrscher - im 19. Jahrhundert ein spezielles Unterrichtsfach, die „Vaterlandskunde", nach 1867 „österreichisch-ungarische Vaterlandskunde", betreut von
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Geschichte und Geographie. 30 Die entsprechenden Lehrbücher boten knappe Kompendien der Länderkunde und der historischen Entwicklung der Monarchie, seit 1908 ergänzt durch eine knappe „Bürgerkunde", Hinweise auf das Verfassungs- und Verwaltungssystem. Interessanterweise hat die österreichische (nicht die ungarische!) Schule des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 durchaus auch die Möglichkeit eröffnet, neben der Loyalität zum Herrscherhaus auch die Loyalität zur je eigenen sprachlich definierten Nation bewußt werden zu lassen. Das mußte ja noch gar kein Gegensatz sein. Wenn in einem slowenischen Schulbuch des Jahres 1865 von Anton Janezic zu lesen war, daß „[...] Der slowenische Boden" eine „alleredelste Perle in der Krone der erlauchten Herrscher aus der Dynastie Habsburg" sei, auf dem die „kräftige, gottesfürchtige und gläubige slowenische Nation" lebe, dann ist damit ethnisch-nationales Besonderheitsbewußtsein ebenso angesprochen wie Loyalität zum Herrscherhaus. 31 Dagegen hat die Universität nicht viel Wert auf Staatsloyalität gelegt. Deutschnationale Professoren wie der Germanist Wilhelm Scherer und der Historiker Ottokar Lorenz begeisterten die studentische Jugend im „kleindeutschen", ganz auf das junge Bismarck-Reich orientierten Sinne.32 Der altösterreichische Patriotismus der Hofratsnation war dagegen irgendwie hilflos, er war ja „gewissermaßen primitiv" (Alfred Hoffmann) gewesen und immer nur auf den Herrscher bezogen. Er konnte ja auch gar nicht anders, da schon die Frage, ob überhaupt ein „k. u. k." Patriotismus, nämlich auf das Gesamtreich bezogen, erwünscht sei, in Österreich und in Ungarn unterschiedlich beantwortet worden wäre. Und ein „zisleithanischer" Patriotismus schien ja auch nicht gerade die ideale Alternative zu sein. Die Schule der Ersten Republik hatte primär Gesamtdeutsches anzubieten. Literatur und Geschichte konzentrierten sich auf die Weimarer Klassik und die Reichsgeschichte - sowohl als Geschichte des alten Reiches wie auch des Bismarck-Reiches. Der bedeutende sozialdemokratische Schulreformer Otto Glöckel hielt 1919 in einem Erlaß für die Fächer Deutsch und Geschichte „die Selbstverständlichkeit" fest, „[...] daß wir in Zukunft die Geschichte unserer Heimat wieder mehr als bisher als einen Teil der Geschichte Deutschlands überhaupt 30 Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs 4: Von 1848 bis zum Ende der Monarchie, Wien 1986,157. 31 Sergij Vilfan, Die österreichische Identität aus slowenischer Sicht (unveröff. Manuskript). 32 August Fournier, Erinnerungen, München 1923, 82. Hier auch der hinsichtlich der mangelnden Gegenseitigkeit sehr erhellende Satz Wilhelm Scherers: „Machen wir uns keine Hoffnungen, meine Herren, man will uns draußen nicht."
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darstellen. Die heranwachsende Jugend soll ihre Heimat als ein deutsches Land auch geschichtlich kennen und schätzen, sie soll auch auf Grund der Geschichte ihr Volk und Gebiet als untrennbar verknüpft empfinden mit dem gesamten Deutschtum." 33 Sonstige nationskonstitutive
Institutionen und Prozesse
Ohne im Detail nochmals darauf einzugehen - da dies in dieser Studie ja doch des öfteren getan wurde - , verweisen wir abschließend noch einmal auf die große Rolle von Vereinen und Organisationen aller Art und auf die Rolle von nationalen Konflikten, wie der sog. BadeniKrawalle von 1897, als Katalysatoren und Verstärker für nationales Bewußtsein, das sich gerade dadurch auf immer breitere gesellschaftliche Schichten ausdehnte. Berücksichtigt man dies, so wird man wohl auch besser die prinzipielle Unlösbarkeit der „nationalen Frage" in der späten Habsburgermonarchie verstehen können: Denn wenn auch die Regierungen ab etwa 1900 immer stärker dazu übergingen, gerade die national radikaleren Richtungen in ihre Planungen einzubeziehen, so mußte sich die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit solcher Gruppen schon deshalb in engen Grenzen halten, weil sie ja nur in einem konfrontativen Klima gedeihen konnten und Erfolge erzielten. So haben im Gefolge der Badeni-Krawalle die radikalen deutschnationalen Parteien bei den Reichsratswahlen 1901 recht gut abgeschnitten (Schönerer erzielte sein bestes Ergebnis überhaupt), während sie im ruhigeren Klima von 1906/1907 wieder schlechtere Ergebnisse erzielten.34 Durchaus von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Sport, der den modernen Nationen häufig jene Heroen und heroischen Ereignisse liefert, die bei fortschreitender Zivilisation nicht mehr zum Alltag gehören.35
33 Zitiert nach Herbert Dachs, Schule und Politik. Die politische Erziehung an den österreichischen Schulen 1918 bis 1938, Wien - München 1982, 62. 34 Sutter, Die Deutschen, 273. 35 Vgl. die Beiträge von Pierre Arnaud / André Gounot, Mobilisierung der Körper und republikanische Selbstinszenierung in Frankreich (1879-1889). Ansätze zu einer vergleichenden deutsch-französischen Sportgeschichte; Jean-Michel Faure, Nationalstaaten und Sport und Alfred Wahl, Fußball und Nation in Frankreich und Deutschland, alle in: François I Siegrist / Vogel, Hg., Nation und Emotion, 300 ff., 321 ff. und 342 ff. Für Österreich: Michael John, „Wenn ich einen Deutschen sehe, werde ich zum lebendigen Rasenmäher". Deutsche und Österreicher im Fußballsport. Zur Genese einer Erbfeindschaft, in: Rathkolb I Schmid / Heiß, Hg., Österreich und Deutschlands Größe, 143-153.
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5. INTEGRATION, DESINTEGRATION UND KOLLEKTIVE ERINNERUNG
Zweifellos ist die Entstehung der Republik Österreich 1918/19 (und nur auf diese bezieht sich in räumlicher und gesellschaftlicher Hinsicht die Frage nach der „Nation Österreich") auf einen Desintegrationsvorgang zurückzuführen - auf den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie. Mit dieser Dismembratio wurde im allgemeinen dem Streben der in dieser Monarchie vereinigten, bereits ziemlich vollständig ausgebildeten Sprachnationen mehr oder weniger entsprochen. Die Polen, Tschechen, Slowaken, Rumänen, Südslawen, Italiener der Monarchie konnten - mit welchem Wenn und Aber auch immer - seit 1918 in von ihren Nationen dominierten Staaten wohnen (auch die Ungarn, die aber, ähnlich wie die Österreicher, in diesem Desintegrationsvorgang eine dominierende Stellung eingebüßt hatten!). Dieses Gefühl des „Zuhause im eigenen Heim" hätten eigentlich auch die Bewohner der österreichischen Alpenländer entwickeln können. Aber dem standen zwei wesentliche Hindernisse entgegen: Erstens umfaßte die neue Republik nicht alle Deutschen (wenigstens der westlichen Reichshälfte), konnte also nicht als der Nationalstaat der österreichischen Deutschen angesprochen werden, und zweitens - dies ist wohl das Wesentliche - hatten die deutschen Österreicher gar keinen Wunsch nach einem Ende der Monarchie geäußert. Desintegration ohne ein gewisses Verlangen danach erzeugt offenkundig keine Identität, sondern höchstens ein Vakuum an Identität, in welches als scheinbar logische Fortsetzung des sprachnationalen Bewußtseins die Forderung nach dem Anschluß an Deutschland einströmte. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Desintegration der Habsburgermonarchie auf einer Ebene, nämlich auf der Ebene der regionalen Einheiten, der Länder, politische Vergesellschaftungen verselbständigte, die ihrerseits sehr wohl auf ältere Integrationsprozesse zurückgingen und die auch sehr wohl von einem teils recht ausgeprägten Wissen um eine eigene Landesidentität beseelt waren (und sind). Wir konnten ausführlich darlegen, daß die Länder aus herrschaftlichgesellschaftlichen Konzentrationsvorgängen hervorgingen, in deren Verlauf neue territorialisierte Personenverbände („Stände") entstanden, die das Landesbewußtsein dann in der Tat bis 1848 in erster Linie trugen. Mit den gesellschaftlichen Erweiterungen von 1848 und 1861 wurden die Landtage von adelig-ständischen Einrichtungen zu Foren einer politischen Öffentlichkeit, auf denen sich vor allem ein sozial
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breiteres konservatives gesellschaftliches Bewußtsein ausbilden und tradieren konnte. Die Länder erwiesen sich so für politische Mitbestimmung als erweiterungsfähig (wurden darin freilich 1907 auf Staatsebene überholt, durch das allgemeine Männerwahlrecht für den Reichsrat, während die Landtage und Gemeindevertretungen beim Kurien- und Zensuswahlrecht blieben) und als dauerhaft identitätsbildende Einheiten. Welch hohe gesellschaftliche Dignität ein ausgeprägtes Landesbewußtsein offenbar auch heute genießt, zeigt nicht nur das lebhafte Bemühen jenes Landes, das aus historischen Gründen ein vom Österreichbewußtsein kaum geschiedenes Landesbewußtsein hat - Niederösterreich - , ein solches Bewußtsein über eine neue Landeshauptstadt zu erzeugen oder zumindest zu stärken. Auf der Ebene des Staates führte die Desintegration der Monarchie ja nun auch nicht zur Herstellung eines völlig ahistorischen Gebildes, sondern im wesentlichen zur Freilegung des „stato de Austria" Maximilians /. und der ständischen Bündnisse von Innsbruck 1518 und Bruck an der Mur 1519, des „Hauses Österreich", wie das Alphons Lhotsky und Georg Wagner wiederholt und zu Recht betont haben.36 Aber die Integration des „Hauses Österreich" zu einem „Staat" war auf dieser Ebene zwar vorbereitet (durch einige Länderkongresse, durch die österreichische Hofkanzlei auf der höfisch-bürokratischen Ebene), kam jedoch nicht zur vollen Durchführung, weil die mariatheresianisch-josephinische Staatsbildung Böhmen ja bekanntlich einschloß. Dem „Haus Österreich" entsprach keine kontinuierlich bis 1848 fortexistierende „Landesgemeinde", wie dies bei den Landständen der einzelnen Länder der Fall war. Es konnte daher auch kein diesem Länderkomplex entsprechendes (land-)ständisch fundiertes Identitätsbewußtsein geben. Ehe die Integration der österreichischen Alpen- und Donauländer bis zu einer gewissen Haltbarkeit gediehen war, begann schon der GesamtStaats-Versuch seit Ferdinand /., besonders absolutistisch akzentuiert seit Ferdinand II., erfolgreich erst im 18. und 19. Jahrhundert. Um einen vielleicht etwas vulgären Vergleich zu wählen: Die Habsburger verschlangen schon den zweiten und dritten Knödel (die böhmischen und ungarischen Länder), bevor noch der erste verdaut war. Gesellschaftlich hat die absolutistische Integration bestimmte Trägergruppen benötigt und auch hervorgebracht: den Hofadel, das Offizierskorps der seit der Entmachtung Wallensteins erst wirklich kaiserlichen Armee, die Bürokratie, einen loyalen, staatsbraven Klerus. Aus den jüdischen Hof36 Lhotsky, Historiographie 213; Wagner, Österreich 230.
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faktoren erwuchs nicht bloß ebenfalls ein Teil des Adels (über die Nobilitierungen seit dem 18. Jahrhundert), sondern auch der jüdische Anteil an der Wiener Bourgeoisie der späten Monarchie (und damit auch ein guter Teil bester österreichischer Kultur des 20. Jahrhunderts). Der andere Teil des Wirtschaftsbürgertums bestand aus „privilegierten" einheimischen Unternehmern, besonders aber aus zahlreichen zugewanderten Kaufleuten, Bankiers und Handwerkern, vorab aus verschiedenen Gebieten des Reiches. Das Wiener Großbürgertum, das sich in der Kultur der Ringstraße repräsentierte, trat zwar kulturell, niemals aber im Bereich der politischen Partizipation gleichberechtigt neben die alten Kräfte. Nur in begrenztem Ausmaß kann es als Trägerschicht der Habsburgermonarchie gelten - in kaum einem irgendwie „modernen" Sinne nämlich. Es drängte nicht aktiv nach Teilhabe an der politischen Macht, nach politischen Entscheidungsspielräumen. Die Versuche, die Massen der großen Monarchie zu einer gemeinsamen bewaffneten Erhebung gegen Napoleon national zu solidarisieren, waren schon mit dem Debakel von 1809 gescheitert. Nach den Erfahrungen von 1848 ging gerade von bürgerlicher Seite niemals mehr ein entscheidender Anstoß zur Umgestaltung des Staatswesens in liberal-demokratischer Weise aus. Auch fehlte eine ständisch-parlamentarische Tradition: Aus den Zusammenkünften der rebellierenden Stände des 16. und 17. Jahrhunderts war keine Reichsversammlung, kein Parlament geworden. Die mühsame, aber ehrliche und schließlich erfolgreiche Arbeit des Reichstags von 1848 am Bau einer gemeinsamen Basis wurde von der Regierung mißachtet und ad acta gelegt. Das Wiener Großbürgertum aber wurde ein Teil der „Hofratsnation", ein Teil jenes gesellschaftlichen Komplexes, der die Monarchie in ihrer doch altertümlichen Art weitertrug. Die Ausweitung dieser Hofratsnation gelang nicht. Sie blieb auf einen letztlich schwindenden sozialen Kern beschränkt. Die Versuche des Neoabsolutismus, eine gesamtstaatliche „nationale" Erziehung zu dekretieren, blieben notwendig ergebnislos.37 Fragen wir an dieser Stelle nach möglichen weiteren integrativen Faktoren im Habsburgerreich. Sicher gehört das Recht in den vorfeudalen Stammesgesellschaften zur Identität dieser Gesellschaften. Das Stammesrecht war Ausdruck einer Gemeinschaft, die sich als letztlich göttlich legitimierte Abstammungsgemeinschaft verstand. Trotz der Christianisierung (oder sagen 37 Joseph Alexander Frh. v. Helfen, Über Nationalgeschichte und den gegenwärtigen Stand ihrer Pflege, Prag 1853.
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wir: unter einer gewissen Verchristlichung) blieb der Zusammenhang zwischen Recht, Identität, Gemeinschaft der politisch Berechtigten ein enger. Der Reichstag war zugleich Gerichtsversammlung (die angelsächsische Rechtstradition hat dem Parlament bis heute Gerichtsfunktionen überlassen!). Vielleicht ist dies überhaupt das Wesentliche: Die Rechtsfindung geschah im Rahmen von Gerichtsversammlungen. Die daran Teilnahmeberechtigten (und -verpflichteten) erlebten sich dabei zweifellos als Gemeinschaft besonderer Art. - Analog zur Landesentstehung entwickelte sich ein Landrecht als Recht der zum Lande gehörenden Leute, also der Stände. Bemühungen um Landrechtskodifikationen und -bestätigungen gehören daher genuin zu den Bestrebungen der Stände um Erhaltung ihrer Autonomie während der frühen Neuzeit. Rechtsfindung und Rechtsprechung wurden aber im Absolutismus immer mehr von der jeweiligen Gemeinde der Berechtigten abgezogen. Die Justiz Friedrichs III. gegenüber Andreas Baumkircher3S, die Justiz Ferdinands I. in Wiener Neustadt 1522 und jene Ferdinands II. 1621 sind mit überkommenen landrechtlichen Vorstellungen nicht mehr in Einklang zu bringen. Oder mit Blick auf unser Problem: D e m Recht ist man ab nun unterworfen, man hat aber immer weniger Mitwirkungsmöglichkeit daran. Das Recht wird immer stärker zentral gesteuert und immer weniger von der Peripherie (Provinz). Daran ändern selbstverständlich auch die großen Kodifikationsbemühungen des aufgeklärten Absolutismus nichts. 1753 begann eine Kompilationskommission „die heilsamsten Landesgesetze gegeneinander zu halten, das natürlichste und billichste auszuwählen und solchergestalt die Länderrechte ohne alles Vorurteil für das eine oder andere in Gleichförmigkeit zu bringen .. ,"39 Daraus erwuchs dann das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das bekanntlich zuerst teilweise (1787) und dann zur Gänze (1798) in Westund später auch in Ostgalizien eingeführt wurde. Die Revision dauerte bis 1810. Das mit 1. Januar 1812 in Wirksamkeit getretene Gesetzbuch galt zunächst nur für den theresianisch-josephinischen Staat (also nicht für Ungarn), wurde 1853 auch in Ungarn, Kroatien und Slawonien ein38 Roland Schäffer, Die Baumkircherfehde (1469-1471), in: Rudolf Kropf / Wolfgang Meyer, Red., Andreas Baumkircher und seine Zeit, Eisenstadt 1983, 151-182. 39 Helmut Slapnicka, Österreichs Recht außerhalb Österreichs. Der Untergang des österreichischen Rechtsraumes, Wien 1973, 47. Zum Problem der Kodifikation im Zusammenhang mit der Staatsbildung vgl. ferner Heinrich Strakosch, Privatrechtskodifikation und Staatsbildung in Österreich (1753-1811), Wien 1976, und Gernot Kocher, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation. Die oberste Justizstelle und das allgemeine Privatrecht in Österreich von 1749-1811, Wien - Köln - Graz 1979 (hier bes. 79 ff.).
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geführt, seit 1860 wieder aus Ungarn ausgeschlossen (galt freilich in Kroatien weiter, aber ohne die seit 1860 in Zisleithanien eingetretenen Novellierungen, da ja Kroatien staatsrechtlich zu Ungarn gehörte!). Sicher haben die Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts, ferner die Reformen der Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen nach 1848 nicht bloß zu einem einheitlichen Rechtsgebiet geführt (immer mit Ausnahme Ungarns, das nur im Neoabsolutismus kurzfristig einbezogen war!), sondern auch zu einem anerkannt hohen Maß an Rechtssicherheit für den Staatsbürger. Eine entscheidende integrative Funktion glauben wir aber dieser Tatsache nicht zugestehen zu müssen, denn dieses Recht war ja doch im wesentlichen ein gelehrtes Recht, eine Sache der Juristen, und trotz 1848 und wieder 1868 eingeführter Geschworenengerichte keine Sache des „Volkes". Der einfache Mensch partizipiert am Rechte doch in der Regel als Betroffener, kaum je als Mitwirkender. Allerdings haben die Kodifikationswerke und dann die Gesetzgebung bis 1918 einen Rechtsraum geschaffen, der unterschiedlich lange (und mit Nachwirkungen bis heute) in den Nachfolgestaaten bestehen blieb. Und die Gesetzgebung dieser Nachfolgestaaten baute auch dann, wenn sie Neues schuf, sehr häufig auf jener Basis auf, die im alten Österreich grundgelegt worden war. Seit Friedrich List und dem Deutschen Zollverein (und wieder seit den europäischen Einigungsbemühungen der 1950er Jahre) bemüht man immer wieder die Wirtschaft als integratives Element. Bis ins 18. Jahrhundert hinein blieben die unter habsburgischer Oberhoheit stehenden Länder ökonomisch relativ wenig verbunden. Daran war nicht nur der niedere Stand der wirtschaftlichen Entwicklung schuld, sondern auch die schwierige Kommunikation zwischen den einzelnen Gebieten: Der wichtigste Strom, die Donau, führte von Regensburg über Linz nach Wien (aber nur sehr schwer umgekehrt!) und bis 1699 ziemlich bald in türkisches Gebiet. Kein Kanalnetz stand zur Verfügung, kein nennenswertes konnte geschaffen werden (nur der Wiener Neustädter Kanal erinnert als Denkmal an solche Bemühungen). Blieb der teure und langwierige Landweg: Die erstmals 1730 eingeführte Stellfuhre von Wien nach dem einzigen (damals noch kaum) nennenswerten Hafen, Triest, brauchte dreizehn Tage, um diese Strecke zurückzulegen. Bleiben wir bei Triest, das als wichtigster Einund Ausfuhrhafen symbolisch für die Schwierigkeiten der ökonomischen Integration der Habsburgermonarchie stehen kann. Zahlreiche Zölle hemmten den Verkehr von Böhmen und Österreich nach Triest ebenso wie schlechte Straßen. Und Straßenräuber: Noch 1766 erbeuteten Räuber bei einem Überfall auf die Postkutsche 1500 Taler aus dem
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Vermögen eines bekannten Triestiner Kaufmannes - und das war schon zu einer Zeit, als der Verkehr von und nach Triest ein rasches und kräftiges Wachstum aufwies!40 Dazu kamen also die Zollschranken: 1730 befreite man verschiedene Waren vom Transitzoll zwischen Böhmen und Schlesien einerseits, Triest andererseits. Das sind die Ansatzpunkte für ein einheitliches Zollgebiet, das endlich 1775 geschaffen wurde. Es umfaßte aber wieder nur den böhmisch-österreichischen Bereich, ohne Tirol, Vorlande, Belgien, Mailand, Ungarn.41 Unter Joseph II. wurde die Ausfuhr von Industrieprodukten nach Ungarn erleichtert, die ungarische Ausfuhr nach Österreich blieb aber erschwert. Erst 1850 fiel die Zollgrenze zwischen Ungarn und der westlichen Reichshälfte. Dieses einheitliche Zollgebiet blieb auch nach dem Ausgleich von 1867 erhalten und wurde bis zum Ersten Weltkrieg beibehalten. Wenn man freilich die andauernden und ab 1900 verschärften Streitigkeiten beobachtet, die sich um dieses Zoll- und Handelsbündnis der beiden Staaten drehten, wird man jenem eigentlich integrative Kraft kaum zuerkennen können. Aus den Erfahrungen mit der wirtschaftlichen Integration in Großräumen hat man darüber hinaus inzwischen ja gelernt, daß wirtschaftliche Integration keineswegs gleichmäßige Vorteile verschafft. Vorteile haben die Fortschrittlichen - so ist auch das Abkommen von 1867 kein Wunder: Es verschaffte der fortschrittlicheren Industrie (nämlich der [deutsch-]böhmisch-österreichischen) ebenso den Vorteil eines größeren Marktes wie der fortschrittlicheren Landwirtschaft (nämlich der ungarischen). Die Bauern der österreichischen Alpenländer litten ebenso darunter wie die ungarischen Industriellen - weshalb man seitens der ungarischen Regierungen eine mit dem Geist des Zollbündnisses nur schwer verträgliche, andererseits aber auch verständliche Politik massiver Industrieförderung betrieb 42 40 Ernst Bruckmüller, Triest und Österreich im 18. Jahrhundert, in: Österreichische Osthefte 27, 1985, 300-330. 41 Adolf Beer, Die Zollpolitik und die Schaffung eines einheitlichen Zollgebietes unter Maria Theresia, M I Ö G 14 (1893), 237 ff. Zum Gesamtproblem Herbert Matis, Hg., Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus. Berlin 1981. 42 Ivan T. Berend I György Ränki, Economic Factors in Nationalism: The Example of Hungary at the Beginning of the Twentieth Century, Austrian History Yearbook 3 (1967), Heft 3, 1633 ff. Zur ökonomischen Integration ferner Krisztina M. Fink, Die österreichisch-ungarische Monarchie als Wirtschaftsgemeinschaft: Ein historischer Beitrag zu aktuellen Integrationsproblemen, München 1968; ferner John Komlos, Die Habsburgermonarchie als Zollunion. Die Wirtschaftsentwicklung Österreich-Ungarns im 19. Jahrhun-
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Die wirtschaftliche Großraumbildung hat mit der sprachnationalen Identität nicht entscheidend konkurrieren können. Die Entfaltung der letzteren ging im Gegenteil Hand in Hand mit der Entstehung von wirtschaftlichen Kreislaufsystemen im sprachnationalen Rahmen, wofür die Tschechen das beste Beispiel bieten. Deren relativ hochentwickelte Wirtschaft war noch keineswegs auf den großen Markt der Monarchie angewiesen. Das letztere war freilich bei der Industrie der Sudetendeutschen durchaus der Fall (was einige ihrer politischen Haltungen: Zentralismus verbunden mit Wirtschaftsliberalismus, zumindest mit erklärt). Nein, wirtschaftliche Integration hat wohl nicht entscheidend zur Identitätsbildung beigetragen. Nicht nur, daß die meisten Menschen diese ökonomische Integration passiv, häufig auch leidvoll erfuhren (wie die österreichischen Bauern oder die nun zunehmend von der Großindustrie bedrohten Handwerker und kleinen Gewerbetreibenden), es bleibt die ökonomische Integration auch auf der Ebene des „Habens", des bloß materiellen Teilhabens, nicht des „Seins".43 Die ökonomische Integration war ein Teil der Basis für das sichere Zugehörigkeitsgefühl zum Habsburgerstaat, das besonders die deutschösterreichische Bourgeoisie auszeichnete. Eine irgendwie emphatische Bejahung des Staates ist dadurch freilich auch nicht entstanden. Etwas anders verhält es sich, wenn man die Frage nach der wirtschaftlichen Basis der österreichischen Identität in der Ersten und Zweiten Republik stellt. Sicher hat die wirtschaftliche Notlage der Ersten Republik die Legitimität des Systems (und die Ausbildung einer auf diesen Staat bezogenen Identität) ebenso behindert, wie der wirtschaftliche Aufschwung nach 1945 die Grundlage für die Ausbildung der neuen österreichischen Identität geboten hat. Über die Teilnahme am Arbeitsprozeß kann offenbar auch das Gefühl geweckt werden, aktiv an der Gestaltung nicht bloß des eigenen Lebens, sondern auch an der Entwicklung der Gesamtgesellschaft mitzuwirken. 1945 ersteht Österreich wieder, wie 1918/19, aus einem Dekompositionsprozeß, jenem des Großdeutschen Reiches Adolf Hitlers. Aber diesmal ist es anders, die Zweite Republik wird erstaunlich schnell von ihren Bürgern akzeptiert. Der Zerfall des Hitlerreiches war doch dert, Wien 1983; und David F. Good, Der wirtschaftliche Aufstieg des Habsburgerreiches 1750-1914, Wien - Köln - Graz 1986. Komlos und Good weisen nach, daß von der ökonomischen Integration jedenfalls Ungarn im 19. Jahrhundert eindeutig profitierte (bei Galizien ist das nicht so sicher). Aber das hat den ungarischen Nationalismus niemals daran gehindert, weniger als die völlige Unabhängigkeit zu fordern. 43 Erich Fromm, Haben oder Sein, Stuttgart 1979.
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auch mental ein anderes Erlebnis als der Zerfall der Monarchie. Und dieser Dekompositionsprozeß, der die Österreicher freilich nicht in Unbekanntes stieß, sondern ihnen die Hülle der Ersten Republik ein zweites Mal anbot, hat allem Anschein nach die Nationsbildung der Österreicher zumindest vorbereitet. Die Nation Österreich von heute ist aus Desintegrationsvorgängen wie 1918 und 1945 - ebenso hervorgegangen wie aus Integrationsvorgängen, wobei die vor 1945 liegenden teils - im kollektiven Bewußtsein - kaum mehr abrufbar sind, teils in ihrer Wirkungskraft gering eingestuft werden. Ungebrochen und fortdauernd ist die Identität auf Landesebene, zurückzuverfolgen (mit einem Wechsel der Trägerschichten freilich) bis ins Mittelalter. Sonst aber gebrochen: Die jahrhundertelange obrigkeitliche Integration der Habsburger hat nur ziemlich bescheidene Anteile am modernen österreichischen Selbstbewußtsein hervorgebracht - zumindest in den Lagen, die Umfragen zugänglich sind. Andere, weniger klar zutage tretende „nationale" Eigenheiten, könnten - gestützt auf kontinuierlich wirksame Sozialisationsinstanzen wie Familie, Schule, Heer, Bürokratie, Polizei - wirklich auf die habsburgische Art der Staatsbildung zurückzuführen sein. Auch wenn diese Integrationsvorgänge heute in der dominierenden Kulturszene massiv symbolisch bekämpft werden, so sind sie doch bis heute wirksam - in der enorm hohen Staatsquote, in der enorm niederen Selbständigenquote, in der verbreiteten Attitüde des Schimpfens ohne Konsequenz. Der Desintegration von 1918 folgte der mißglückte Integrationsversuch der Ersten Republik, mißglückt in der Schaffung eines institutionellen Rahmens, in der Schaffung einer identitätsstiftenden Ideologie, mißglückt in der Sicherung einer ökonomischen Basis. Dennoch bot die Erste Republik das Lernmaterial für die Zweite: Es war zumindest klar, daß bei der (in der Geschichte ja nur selten gebotenen) zweiten Chance eines neuen Anfanges sehr vieles anders gemacht werden mußte. Der Desintegration von 1945 folgte daher die Integration in die nationale Gesellschaft der Zweiten Republik. Tatsächlich bietet erst die Geschichte seit 1945 die Möglichkeit, im Rück-Erinnern so etwas wie eine gesellschaftlich-politische, sehr weit reichende gemeinsame Leistung zu sehen. Die große Koalition bot den gegensätzlichen Ideologien Raum für ein neues Einverständnis in der Bejahung der demokratischen Republik. Daß seit 1970 auch das „dritte Lager" immer stärker in dieses politische System integriert wurde, könnte vom Standpunkt der Stabilisierung eines nationalen österreichischen Selbstbewußtseins natürlich nur begrüßt werden. Freilich hat sich diese Gruppierung seit etwa 1986
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zunehmend selbst als eine Art Fundamentalopposition geriert, die eine breitere Integration behindert hat. Das gemeinsame Erleben der Bemühungen um die Erreichung des Staatsvertrages von 1955 bietet neben dem Wiederaufbau die wesentlichste Identitätsbasis.
6. Z U R GENESE EINES REPUBLIKANISCHEN ÖSTERREICHISCHEN NATIONALBEWUSSTSEINS
Wenn wir nationales Bewußtsein als zentralen Bestandteil des kollektiven, genauer des kulturellen Bewußtseins annehmen und wenn wir ferner vermuten, daß dieses Bewußtsein durch kollektive Akte von Erinnerung (und Vergessen) konstituiert wird, so stellt sich nochmals die Frage, auf welche Weise es zu Prozessen des Erinnerns (oder Vergessens) kommt. In demokratisch strukturierten Nationen ist ein „von oben" verordnetes Erinnern nicht mehr in derselben Ausschließlichkeit möglich wie im guten alten Absolutismus oder wie in totalitären Systemen der Moderne. Das Erinnerns- oder Vergessenswerte wird daher weniger durch obrigkeitliche, ministerielle Erlässe festgelegt, sondern ist das Ergebnis jener Diskurse einer Öffentlichkeit von Journalisten, Publizisten aller Art, Schriftstellern, interessierten „Laien", natürlich auch Politikern, Beamten, Wissenschaftlern usw. Es ist daher unzulässig, das moderne Nationalbewußtsein als Ergebnis eines Aktes obrigkeitlicher Konstruktion oder Verordnung hinzustellen - das funktioniert längst nicht mehr (und hat, wie erinnerlich, auch zu Metternichs Zeiten nicht funktioniert). Nein, nationale Selbstbilder entstehen nicht durch eine vorgegebene Auswahl der zu erinnernden Geschichte(n), sondern letztlich auch in Österreich als Ergebnis von Diskursen, mögen sie auch wenig kontinuierlich und noch so wenig rational erscheinen. Wenn modernes Nationalbewußtsein „konstruiert", als „Erfindung" der Hüter des „Nationalen" erscheint, so trifft das zwar zu, aber nicht in dem simplen Sinne, daß beamtete Konstrukteure der Nation eine weitreichende Freiheit in der Auswahl der der kollektiven Erinnerung angebotenen Stücke von Geschichte, Ereignissen und Persönlichkeiten gehabt hätten. Sie sind dabei mehrfach gebunden. Vorerst einmal durch den „main-stream" des jeweiligen Gegenwartsdiskurses. Wollte man heute jungen Leuten „Österreich" mit Hilfe einer besonderen Hervorstreichung der Person des Prinzen Eugen nahebringen, so würde das wohl höchstens ein müdes Lächeln hervorbringen. Und dennoch war
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diese - natürlich historisch höchst bemerkenswerte - Figur in früheren Phasen österreichischer Geschichte mehrfach zur Stützung und Steigerung österreichischer Identität (der Habsburgermonarchie ebenso wie des „Ständestaates") eingesetzt worden. Die „Erfinder" des Nationalen (wenn es sie überhaupt so gibt!) sind ferner in ihrer Auswahl gebunden durch die Notwendigkeit, daß ihr Angebot an irgendwelche bekannten und vertrauten Inhalte entweder aus der persönlichen oder aus der bereits tradierten „anonymen" Erinnerung anknüpfen kann. Es wird Schwierigkeiten mit der Akzeptanz der angebotenen Erinnerungsstücke geben, wenn diese jene Anforderung in keiner Weise erfüllen: So werden „Österreich"-Bilder von 1945 auf Menschen aus einem österreichbewußten Milieu von vor 1938 anders (positiv) gewirkt haben als auf Landsleute aus dem deutschnationalen Milieu. Für diese kann das „Österreichische" noch überwiegend negativ besetzt gewesen sein, da es in ihrem kulturellen Umfeld nur als Feindbild (klerikal, reaktionär, deutschfeindlich) tradiert worden war. Ähnliche Reflexe sind bis heute im sozialdemokratischen Bereich zu beobachten, der zwar heute ein krampfloses Verhältnis zur österreichischen Nation hat, aus dem aber immer wieder empfindliche Reaktionen auf allzu enge Verbindungen von „Österreich" mit „Habsburg", „Katholizismus" oder „Barock" zu vernehmen sind. Man sollte sich also davor hüten, die „Erfindung der kollektiven Tradition" als einen Planungsvorgang auf dem Reißbrett mißzuverstehen. Als 1945 und in den folgenden Jahren das Österreichische an Österreich betont wurde, geschah hier keine „Erfindung" im Sinne einer völlig neuen mythischen Erzählung, sondern man verwendete das aus der persönlichen oder kollektiven Geschichte bekannte Inventar, die gerade durch die hautnah erlebte Realität des „Großdeutschen Reiches" verstärkten kollektiven Vorstellungen von sich selbst, die vorhandene Kulturlandschaft als Produkt einer spezifischen Geschichte, die das „Eigene" ja nun in der Tat sinnfällig vor Augen führen kann. Die moderne österreichische Nation ist - wie alle Umfragen zeigen zwar jung, sie hat aber ihre Wurzeln und ihre Vorgeschichte. Diese Vorgeschichte hat ihre Auswirkungen auch auf Seins- und Verhaltensweisen des späten 20. Jahrhunderts. Wir haben auf mehrere Stränge in der österreichischen Geschichte hingewiesen, die für das kulturelle Bewußtsein bedeutend waren oder sind. Am weitesten historisch zurück reichen jene Prozesse, in denen die österreichischen Länder entstanden sind. Landesbewußtsein ist - wenn auch mit unterschiedlicher Intensität - ein nicht unwesentlicher Inhalt kollektiven und persönlichen Bewußtseins in Österreich. Bedeutend für die Ent-
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wicklung bestimmter Verhaltensweisen war zweifellos auch die habsburgische Form der Staatsbildung, mit ihrer Armee, ihrer Bürokratie, ihrem Katholizismus, mit der starken symbolischen Prägung von Städten und Landschaften. Eng mit dieser Form der Staatsbildung hängt die Geschichte der gescheiterten Revolutionen zusammen, die ja auch ein gewisses Erbe hinterlassen hat. Wir haben schließlich die Entstehung des „modernen", sprachorientierten Nationalbewußtseins diskutiert. Dabei wurde die These unterstrichen, daß in diesem Prozeß zwei deutsche Nationen entstanden: eine „reichsdeutsche" und eine „deutschösterreichische". Das Problem bietet dabei nicht die „reichsdeutsche", sondern die Nation der Deutschösterreicher: denn für diese existierten mehrfältige symbolische Zuordnungen. Staatlich fühlten sie sich in der ganz überwiegenden Mehrheit als gute österreichische Patrioten, kulturell hingegen als „Deutsche", für die die Weimarer Klassik den zentralen kulturellen Fundus bereitstellte. Durch den Zusammenbruch der Monarchie geriet die „österreichische" Identitätsebene in eine schwere Krise - das geht bis hin zur Ablehnung des Namens Österreich in der Phase der Staatsgründung 1918/19. Als Antwort auf die Weigerung der Siegermächte, den Anschlußwunsch der Österreicher zu akzeptieren, versuchte man einen stillen Anschluß in die Wege zu leiten: Rechtsmaterien wurden angeglichen, riesige gemeinsame Feiern (etwa der Sänger, wie 1928 das 10. Deutsche Sängerbundfest in Wien) fanden statt, in den Schulen und auf den Universitäten war „Geschichte" in erster Linie „deutsche Geschichte". 44 Diese deutsche Orientierung auch der demokratischen Phase der Republik fand den Beifall praktisch aller bedeutenden politischen Kräfte, besonders auch jenen der Sozialdemokratie. Aber: diese „deutsche" Orientierung der Ersten Republik ist nicht die ganze Wahrheit. Es gab daneben auch „österreichische" Orientierungen. Wir können hier nicht nur auf die oft zitierten Bücher von Oscar A. H. Schmitz, Ernst Karl Winter und August Maria Knoll verweisen.45 Auch der aus deutsch-liberalem Hause stammende Staatssekretär für Volksernährung, Hans von Loewenfeld-Russ, äußerte 1919 seine Bedenken gegen einen Anschluß und bekräftigte, seine Identität sei die eines „guten Deutschen", aber: „Ich bin ein deutscher Österrei44 Vgl. dazu jetzt die praktische und ausgewogene Zusammenfassung von Hanns Haas, Staats- und Landesbildung in der Ersten Republik, in: Tälos / Dachs / Hanisch / Staudinger, Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933, Wien 1995, 472-487, insbes. 483. 45 Oscar A. H. Schmitz, Der österreichische Mensch, Wien 1924; Ernst Karl Winter / August Maria Knoll / Alfred Missong / Wilhelm Schmid / Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, Die österreichische Aktion, Wien 1927.
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eher", und gleich darauf, noch deutlicher, er bekenne sich „in erster Linie als Österreicher." 46 Nun könnte man annehmen, das sei die nostalgische Selbstdefintion eines Beamten, eines Mitglieds der k.k. Hofratsnation. Doch gab es sicherlich breitere „österreichische" Stimmungen, beispielsweise ausgedrückt in einem Buch mit dem bezeichnenden Titel „Ewiges Österreich", das 1928 erschien und sich zum Ziele setzte, ein österreichisches Selbstbewußtsein in der Republik zu stärken. Dieses Buch will zum zehnten Jahrestag der Republik zeigen, was Österreichs Geistesleben zu bieten hat, „wodurch es im Mosaik Europas und der Welt einmalig ist - nämlich österreichisch". 47 Das ist genau die Sprache der nationalen Selbständigkeit, die immer ihre jeweilige Einmaligkeit in der Welt auszudrücken versucht. Auch die Berichte von damals jungen Leuten, die die Renner-Hymne durchaus mit Begeisterung gesungen haben, zeigen, daß damals neben dem „offiziellen" deutschen auch ein republikbezogenes österreichisches Bewußtsein entstanden ist. „Ich habe mich als Österreicherin gefühlt", erklärte dem Autor die große aus Österreich 1938 nach Prag geflüchtete und später in Großbritannien zu Ansehen gekommene Wirtschaftshistorikerin Alice Teichovä. Wenn Ernst Fischer daher 1945, am 27. April, in der 5. Nummer des „Neuen Österreich", schrieb: „In konservativen Kreisen gab es einen österreichischen Patriotismus - aber ein solcher Patriotismus konnte bei der Masse des arbeitenden Volkes kein Verständnis finden, da er schwarz-gelb gefärbt war [...] Mit einiger Übertreibung könnte man sagen, die Republikaner waren nicht patriotisch und die Patrioten nicht republikanisch, die einen glaubten nicht an Österreich und die anderen verstanden nicht das Gesetz der fortschreitenden Entwicklung ...",
dann ist das zwar nicht unverständlich, erfaßt aber nicht unbedingt alle Varianten des kollektiven Bewußtseins breiterer Bevölkerungsschichten. Fischer fand übrigens am 25. Juli 1945 die seither oft wiederholte Variante: „Die österreichische Tragödie, die am 12. Februar 1934 ihren ersten Höhepunkt erreichte, bestand darin, daß die Demokraten zu wenig österreichische Patrioten und die österreichischen Patrioten zu wenig Demokraten waren."48
46 Hans Loewenfeld-Russ, Im Kampf gegen den Hunger. Aus den Erinnerungen des Staatssekretärs für Volksernährung 1918-1920, hg. Isabella Ackert, Wien 1986, 165. 47 Ewiges Österreich. Ein Spiegel seiner Kultur, Hg. Erwin Rieger, Wien 1928. (Unter den Mitarbeitern befand sich u. a. Felix Braun.) 48 Beide Zitate nach: Georg Wagner, Österreich - Zweite Republik. Zeitgeschichte und Bundesstaatstradition 1, Thaur-Wien 1983, 64 und 66.
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Wir müssen wohl annehmen, daß innerhalb der im 19. Jahrhundert entstandenen deutsch-österreichischen Identität die österreichische Komponente stark geschwächt wurde, aber nicht völlig erloschen ist, und daß es durchaus Ansätze für ein neues, republikanisches, österreichisches Bewußtseins gab. In der Sozialdemokratie scheinen Otto Bauers Anschlußträume nicht überall geteilt worden zu sein, und im katholisch-konservativen Bereich hielt man die deutsch-österreichische Doppelidentität aufrecht, bei größter Skepsis gegen einen möglichen „Anschluß" an Deutschland.49 Auch die Verbindungen des katholischen Cartellverbandes, der in den zwanziger und dreißiger Jahren innerhalb des politischen Katholizismus immer wichtiger wurde, nahmen Teil an dieser österreichischen Entwicklung der Republik. Auch sie empfanden sich als national deutsch, wenngleich als österreichisch-patriotisch. Es dürfte unter den jüngeren Verbindungen und den jüngeren CVern der Ersten Republik so manche Schattierungen dieser Bewußtseinslagen gegeben haben „deutsch" waren sie zunächst alle.50 Stärker österreichische Bestandteile dieses Bewußtseins haben sich in der Altherrenschaft entwickelt, wie ja die eigenständige Altherrenorganisation Österreichs innerhalb des gesamtdeutschen CV - so die These von Gerhard Popp und Robert Rill - die spätere Eigenständigkeit des Gesamtverbandes ab 1933 vorwegnahm, die von dieser Altherrenschaft auch eigentlich vorbereitet und realpolitisch umgesetzt wurde.51 Ab 1933 änderten sich die Rahmenbedingungen, nun wurde das „Vaterländische" mehr betont. Österreich wurde zwar auch jetzt als ein „deutsches" Land gesehen, aber - zum Unterschied zur Zeit zwischen 1919 und 1932 - wurden seine eigenen Leistungen, seine eigene Geschichte nunmehr hervorgehoben und zur Legitimierung des Systems herangezogen.52 Es ist interessant, in einer offiziellen Publikation dieses Wiederauffinden österreichischer Geschichte, Kultur, Tradition zu verfolgen, bei gleichzeitigem Beharren auf den national „deutschen" Charakter dieses neuen, vaterländischen Österreich: 49 Hanns Haas, Staats- und Landesbewußtsein in der Ersten Republik. In: Tälos / Dachs / Hanisch / Staudinger, Hg., Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933, Wien 1995, 472-487. 50 Gerhard Hartmann I Gerhard Schuhes, Die Bewährung. Der CV 1918-1945, in: G. Hartmann, Hg., Der CV in Österreich, Wien 1977, 37-70; Robert Rill, CVund Nationalsozialismus in Österreich, Salzburg 1987, passim. 51 Gerhard Popp, CV in Österreich 1864-1938. Organisation, Binnenstruktur und politische Funktion,Wien - Köln - Graz 1984, insbes. 146 ff.; Rill, CVund Nationalsozialismus, passim. 52 Dachs, Schule, 284 ff.
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„Österreich wird leben und gedeihen, als die Lebensgrundlage seines Volkes und jedes einzelnen; als alpenländisch-donauländische Heimat mit ihrer tausendjährigen Religion und der darin verwurzelten tausendjährigen deutschen Kultur; als der Staat der gesamtdeutschen christlichen Sendung im Donauraum, der Erbe des Ersten Reiches (wie es Großösterreich war): als das Herzstück friedlicher Völkergemeinschaft in Europa; als christlicher Staat, volkstreu und sozial, bei ständischer Selbstverwaltung unter autoritärer Führung."
Dieses Zitat stammt aus einer offiziellen Publikation, „Österreich Grundlegung der vaterländischen Erziehung", herausgegeben 1936.53 Besonders wichtig erschien dabei eine Neuinterpretation des Geschichtsunterrichtes - denn es war ein besonderes Problem schon der späten Monarchie, noch mehr aber der demokratischen Ersten Republik, daß Geschichte immer mehr zu „deutscher" Geschichte, daß der Interpretationsmaßstab für historisches Geschehen das „deutsche Volk" und die „deutsche Kultur" geworden war. Wir wissen, daß diese Neuinterpretation nur beschränkt wirksam war. Die massive Grundlegung deutscher Identität im Zusammenspiel mit dem machtvollen Aufstieg des nationalsozialistischen Deutschland ließ die „deutschen" Interpretationen als die siegreichen, sinnvollen, stimmigen erscheinen. Das Österreichbewußtsein im Dritten Reich genauer zu erforschen wäre ein reizvolle, aber auch mühevolle Aufgabe. Zunächst, im Anschlußtaumel, schien es glatterdings verschwunden zu sein, reduziert auf die Emigration und auf einige ältere Herrschaften zu Hause, die noch aus der Monarchie stammten und ihr nachtrauerten, sowie auf einige unverbesserliche „Vaterländische", die pensioniert wurden, in den Akten der Gestapo auftauchten oder sogar im Gefängnis bzw. im KZ landeten. „Österreich" - das schien ein konservatives, reaktionäres Konzept, das man vergessen sollte. 1938 schien Österreich ein historischer Begriff geworden zu sein. Das haben, resigniert, auch gute österreichische Patrioten eingesehen.54 Dennoch tauchte ein anonymes „österreichisches" Bewußtsein immer wieder auf. Die Akten der Machthaber sprechen von „ÖsterreichTendenzen", die zwar nicht gefährlich schienen, aber doch genau verfolgt wurden. Die Tumulte bei den bekannten Fußballspielen Admira gegen Schalke 04 am 17. November 1940 oder Rapid gegen Schalke 04 53 „Österreich", Grundlegung der vaterländischen Erziehung, Wien - Leipzig 1936, hg. v. d. Vereinigung christlich-deutscher Mittelschullehrer Österreichs. 54 Stourzh, Vom Reich, 28, zitiert einen Satz des Sozialwissenschaftlers Franz Borkenau vom April 1938: „Österreich, soweit eine Vorhersage möglich ist, gehört der Vergangenheit an."
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am 22. Juni 1941 zeigten in ihrer aufgeheizten Stimmung einen Grad an Nichtübereinstimmung zwischen dem offiziellen gemeinsamen Deutschtum und dem tatsächlichen Differenzempfinden, das man gegenüber den neuen Herren (und den „Piefkes" allgemein) fühlte, der es methodisch zulässig erscheinen läßt, hier eine Art von anonymem Österreichbewußtsein am Werk zu sehen, das sich literarisch, politisch und kulturell kaum bis gar nicht äußern konnte.55 Dieses anonyme Österreichbewußtsein reichte bis in die große Schar der nationalsozialistischen Österreicher hinein. Zitat aus einem Stimmungsbericht des SD des Reichsführers SS vom 21. Oktober 1940 (also noch lange vor der Moskauer Deklaration!): „Es ist bemerkenswert, daß sich anscheinend alle Gegnergruppen in einer Parole einig sind und dabei sogar bis in die Parteikreise hinein nicht unerhebliche Zustimmung finden, nämlich in der Vertiefung des Gegensatzes zwischen Ostmärkern und Altreichsdeutschen [...] Der Parteiapparat scheint in dieser Beziehung durchaus nicht einsatzfähig, da die Parteigenossenschaft [...] bis in höchste Stellen hinauf eine Wut gegen alles Altreichsdeutsche in sich tragen."56
Es gibt auch zahlreiche distinktere Äußerungen, wie „Wir sind ja Österreicher; wir hätten die deutschen Gauner nicht gebraucht [...]" (1940) oder, im selben Jahr, den demonstrativen Applaus beim Lob Österreichs bei der Aufführung von „König Ottokars Glück und Ende" im deutschen Volkstheater, der von der Gestapo durch mehrere Wochen genau beobachtet und dokumentiert wurde. Das alles spielte sich, wie gesagt, schon lange vor 1943 ab, konzentriert auf Wien und den Osten Österreichs und liegt sicher deutlich unterhalb der eigentlichen Widerstandslinie. Aber es zeigt eine profunde Nichtübereinstimmung, die im Verlauf des Krieges zunächst durch die Erfolge im Westen etwas abgeschwächt, spätestens seit dem Rußlandfeldzug und Stalingrad aber wieder gestärkt wurde. Methodisch davon zu trennen sind organisatorische Versuche aller Schattierungen, „echte" Widerstandsgruppen zu bilden. Wir wissen, daß die meisten dieser Gruppen aufgeflogen sind, daß es zahlreiche Opfer gab und - dies ist für unser Thema erheblich - daß in der Motivation diese Bemühungen nicht ein „deutscher" Antifaschismus dominiert, sondern ein „österreichischer" Patriotismus. Daß eine Waldviertier Gruppe, die „Freischar Ostmark", von der Anklage 55 Sportliche Organisationen und Ereignisse gehören zweifellos zu den nationsbildenden Faktoren. Vgl. Michael John, „Wenn ich einen Deutschen sehe, werde ich zum lebendigen Rasenmäher". Deutsche und Österreicher im Fußballsport. Zur Genese einer Erbfeindschaft, in: Rathkolb I Schmid / Heiß, Hg., Österreich und Deutschlands Größe, 143-153, hier 148 f. 56 Kreissler, Österreicher, 211.
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als klerikal und legitimistisch beschrieben, als Erkennungsgruß „Öha" wählte, ist eine humorvolle Pointe, hinter der sich allerdings eine komplette Parole verbarg: „Österreicher harret aus."57 Das Wiederauftauchen Österreichs 1945 wird in unserer Zeit häufig sehr kontroversiell diskutiert. Eine bestimmte Richtung unterstellt diesem Wiederauftauchen Schlitzohrigkeit und Gesinnungslosigkeit, kurz: „typisch österreichisches" Schlawinertum. Aber es war in Wirklichkeit eine eigentlich sehr selbstverständliche Rückkehr in das Gebäude der Republik, das aus den verschiedensten Memoiren und Erinnerungen entgegentritt. Leute, die 1938 entlassen worden waren, Patrioten, die aus den Gefängnissen oder von der Front kamen, haben sehr rasch ihre alten Dienststellen aufgesucht, um wieder dort anzuknüpfen, wo man 1938 (nicht 1934!) unterbrochen worden war: Eindrucksvoll zeigte dies eine im Mai 1995 im rechten Seitenflügel der Aula der Wiener Universität ausgestellte Dokumentation über den ersten akademischen Senat, der im Frühjahr 1945 gewählt wurde: Fast alle Amtsträger waren solche, die 1938 von den Nationalsozialisten pensioniert worden waren und sich nun sofort wieder zur Verfügung stellten. Diese Selbstverständlichkeit des Wiederanknüpfens gebietet es, die Verabschiedung vieler Österreicher von ihren „deutschen" Fäden nicht nur unter dem Aspekt der Schlitzohrigkeit zu interpretieren: Die Österreicher, selbst die meisten Nationalsozialisten, waren auch zwischen 1938 und 1945 eben nicht nur „Deutsche" gewesen, es gab immer das Distanzempfinden zu den (Alt-)„Reichsdeutschen" - übrigens waren auch vice versa für viele „reichs"-deutsche Wehrmachtsangehörige, Parteibonzen und Beamte die Österreicher nur „Beutedeutsche". Man darf nicht vergessen, daß sich die deutsche Nation ja schon 1848, 1866, 1870/71 ohne die Deutsch-Österreicher als konsensuale Einheit konstituiert hatte und von diesem die Österreicher ausschließenden Erleben her diese auch gar nicht oder nur unvollständig als „Deutsche" empfinden konnte. Ernst Fischer, der kluge kommunistische Staatssekretär von 1945, hat das sehr richtig gesehen.58 Die Herrschaft über die Intepretation der Geschichte ist ein zentraler Teil der Herrschaft über die nationale Symbolik. So schrieb Wilhelm Böhm 1946: „ D i e V e r g e w a l t i g u n g Ö s t e r r e i c h s i m M ä r z 1938 d u r c h e i n e n P ö b e l a u f s t a n d i m I n n e r e n u n d e i n e n b e w a f f n e t e n Ü b e r f a l l v o n a u ß e n k o n n t e nur g e s c h e h e n , w e i l wir e t w a
57 Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich Bd. 3, 88 ff. 58 Im Neuen Österreich vom 15. Februar 1946, zit. nach Wagner, Österreich - Zweite Republik, 68: Die deutsche Nation „hat sich seit 1866 und 1871 ohne uns konstituiert".
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seit 1918 um das Wichtigste und Wertvollste gekommen waren, um unser österreichisches Geschichtsbild. Man muß selbst die Universität in den Zwanziger- und Dreißigeijahren dieses Jahrhunderts besucht haben, um die eiserne Geschlossenheit würdigen zu können, mit der die sogenannten gesamtdeutsche Geschichtsauffassung' alle Geister und alle Erörterungen beherrschte. Wer andere Gedankengänge hätte vorbringen wollen, wäre nicht einmal auf Ablehnung, nur auf völliges Unverständnis gestoßen [...] Völlig hat aber erst der Zusammenbruch von 1918 der gesamtdeutschen Geschichtsauffassung' zum Siege verholfen. Nach ihrer Theorie ist die Nation der einzig gültige irdische Verband, der Staat nur politischer Ausdruck des nationalen Wesens. Die österreichische Staatlichkeit und Kultur erscheinen daher höchstens als besonders wichtige und eigenartige Spielart des Deutschtums, ihre Selbständigkeit kann aber nur so lange zugelassen werden, als sie im Interesse der deutschen Nation zu liegen scheint [.. ,]."59
Ein anderer wichtiger Theoretiker der christlichen Seite des politischen Spektrums war Ernst Joseph Görlich. Er fand in dieser Phase bereits methodisch und theoretisch bemerkenswerte Worte: „Österreichertum im Sinne der österreichischen Nation kann niemals als biologische, sondern immer nur als historisch-politisch-kulturelle Angelegenheit verstanden werden. [...] Vor hundert Jahren gab es keine belgische Nation. Die amerikanische Nation war erst seit den Tagen Washingtons im Entstehen begriffen und vollendete sich nach dem Sezessionskrieg durch das Einigungswerk von Abraham Lincoln. Die spanisch und portugiesisch sprechenden Nationen Mittel- und Südamerikas sind erst durch ihre Unabhängigkeitskriege gegen das Mutterland zu eigenständigen Nationen geworden. Denn das eine ist festzuhalten: eine Nation wird fast immer aus einem Gegensatz zu einer bisher bestehenden Gemeinschaft heraus [...] Ob eine neue Nation geboren wird, hängt dann davon ab, ob der Wille des Volkes zur Eigenständigkeit und zum unabhängigen Leben stärker ist als andere Verflechtungen. Wir müssen uns ganz klar darüber sein: wer nicht den Willen zum eigenständigen österreichischen Staatsvolk hat, in dessen Herzen schlummert noch immer - auch wenn er sich selbst dessen nicht bewußt ist - ein Rest von Anschlußideologie vergangener Zeiten. Ein Staat, ein Volk, eine Nation kann nur aus einer eigenen Aufgabe heraus existieren, einer Aufgabe, die in ihr selbst begründet ist und die ihr nicht als Mandat von außen her übertragen wurde."60
Das war die Orientierung von ÖVP und KPÖ. Anders bei der SPÖ: Erwin Scharf, damals noch eine der wichtigsten Persönlichkeiten der SPÖ, formulierte am Parteitag 1947 die Abgrenzung gegenüber der ÖVP, und dabei schwingt noch immer die alte Abneigung gegen „Österreich" mit: 59 Wilhelm Böhm, Prolegomena einer österreichischen Geschichtsauffassung, in: Österr. Monatshefte 1,1945/46, Nr. 6, März 1946, 228 ff. 60 Ernst Jos. Görlich, Zum Problem der österreichischen Nation, in: Österr. Monatshefte 1, 1945/46, Nr. 10, 443^45.
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„[...] Es ist die Aufgabe einer sozialistischen Bewegung klarzumachen, daß hinter den Phrasen, die in der Nazizeit ,Volksgemeinschaft', in der Zeit von 1934 bis 1938 ,Österreich' geheißen haben und an deren Stelle heute irgendwelche andere Phrasen wie ,Solidarismus' oder .gemeinsames Zusammenstehen gegen außen' getreten sind, sich die kapitalistischen Klasseninteressen verstecken .. ,"61
Diese marxistische Phraseologie, die in der SPÖ damals und noch langhin üblich war, ist freilich eine Antwort auf Formulierungen von ÖVPSeite, die in der Tat diese Partei als die Österreichpartei offerierten. Nun kämpfte die SPÖ zwar nicht mehr offen gegen ein österreichisches Nationalbewußtsein, sie blieb aber mißtrauisch - hinter „Österreich" könnte sich ja nach wie vor die Reaktion verstecken. Erst ab 1956 hat auch die SPÖ ein positives Verhältnis zur Problematik eines eigenständigen österreichischen Bewußtseins gefunden. Aber die Angst vor allen älteren österreichischen Traditionen war groß: Ich erinnere nochmals an das Verbot der Aufführung eines Kulturfilmes über die Wiener Schatzkammer 1955, in dem die Wiener (SPÖ-)Kulturpolitik eine mögliche Verbreitung monarchistischen Gedankengutes witterte. Obwohl Wiens Fremdenverkehr ganz ausgezeichnet von der Vermarktung dessen, was die Habsburger hinterließen, lebt, sollte die eigene Bevölkerung sich mit diesem Erbe nicht auseinandersetzen dürfen! Ein ähnlicher, ebenfalls nur als Kampf um die nationale Symbolwelt entsprechend interpretierbarer Kampf tobte dann in der sogenannten „Habsburg-Krise". Nach den düsteren Visionen damaliger SP-Spitzenpolitiker hätte die Einreise des Kaisersohnes damals Putsch oder Bürgerkrieg bedeutet. 62 Eine antihabsburgische Koalition aus SPÖ und FPÖ beschloß kurzerhand, die Durchführung des für Otto Habsburg günstigen Verwaltungsgerichtshof-Entscheides zu unterbinden. Da trafen sich - von taktischen Erwägungen abgesehen - die beiden antihabsburgischen Bilderwelten der Sozialisten und der Deutschnationalen. Andererseits: Der Kampf um den Staatsvertrag begründete die politische und staatliche Einheit Österreichs, die Erringung des Staatsvertrages die nationale: Seit 1955 wächst deutlich der Konsens der Österreicher darüber, daß sie eine in jeder Richtung eigenständige Nation seien. Das Staatsvertragsjahr, der „annus mirabilis" 1955 hat nun endlich auch das positiv als gemeinsamer Erfolg zu interpretierende und somit nationsstiftende Ereignis geliefert. Und im Anschluß daran wurde die Neutralität eines der zentralen „nationalen" Symbole der Österreicher. Dieser Konsens (auch wenn die Neutralität kleinweise hinweg61 Kriechbaumer, Parteiprogramme, 182. 62 Über die Habsburg-Krise vgl. Norbert Leser, Salz der Gesellschaft. Wege und Wandel des österreichischen Sozialismus, Wien 1988,124-132.
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bröckelt) dürfte heute im wesentlichen unumstritten sein, sieht man von der äußersten Rechten ab (und vielleicht auch von extremen Linken). Dieser nationale Konsens bedeutet nicht, daß unablässig alle einer Meinung sind oder sein sollen, er bedeutet aber zumindest den Grundkonsens über die Bejahung des gemeinsamen Staates und die gemeinsame, wenngleich selbstverständlich kontroversielle Arbeit der politischen Gestaltung an und in diesem Staat. Trotz dieses Grundkonsens ist nach wie vor eine Auseinandersetzung um die Beherrschung des kulturellen Gedächtnisses im Gange, um eine Besetzung der kollektiven Vorstellungen von und um Österreich. Bevorzugtes Mittel der Auseinandersetzung ist die Polemik gegen traditionelle Österreichsymbole („Habsburg-Recycling"). Freilich können wir annehmen, daß die meisten Österreicher hier gar nicht primär Partei sind und sich weder als das „eine" noch als das „andere" Österreich sehen.63 Sie sehen „ihr" Österreich weder als die halbnazistische „Waldheimat" noch als das antifaschistische „andere Österreich", sondern leben mit einem ganzen Bündel von verschiedenen und oft vielleicht auch widersprüchlichen Bildern (wahrscheinlich samt Sozialpartnerschaft, Neutralität und Insel der Seligen, samt ein bißchen Brücke, ein bißchen Kultur, ein bißchen Kaiser Franz Joseph, Maria Theresia und Bruno Kreisky in Erinnerung), in einem nicht besonders ausgeprägten, eher diffusen Österreich-Selbstbild, einem „kulturellen Gedächtnis" mit sehr unscharfen Konturen. In den letzten Jahren wird die Kontroverse um dieses kulturelle Bewußtsein auf allen Ebenen geführt. Da dem „gnadenlos Guten" der ORF eher offensteht als anderen Anschauungen, wird sich dieses Österreichbild daher wohl auch langfristig durchsetzen, wie der Ende Juli 1995 abgelaufene abstruse Streit um eine mögliche Parade des Bundesheeres zeigte. Die aus diesen Auseinandersetzungen resultierende Zersplitterung der nationalen Symbolik läßt sich auf die nach Sozialisierungstypen, sozialen und weltanschaulichen, ja auch „nationalen" Klassen verschiedenen Erfahrungsstränge vieler Österreicher zurückführen. Kein Wunder, daß daher die nicht so leicht veränderbare Landschaft im Symbolhaushalt der Österreicher eine so große Rolle spielt. Darüber hinaus existiert ein verbindlicher „Kanon" des kulturellen Gedächtnisses in Österreich nicht. Es erschiene daher nicht unvernünftig, eine systematische Diskussion über die Bestandteile eines möglichen österreichischen 63 Stichwort „Anderes Österreich" in: Susanne Breuss / Karin Liebhart / Andreas Pribersky, Inszenierungen. Stichwörter zu Österreich, Wien 1995, 55 ff.
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Kanons zu initiieren. 64 Tatsächlich finden sich insbesondere in der Literatur immer wieder Ansätze für eine solche Kanonbildung, etwa in Konrad Bayers „vaterländischen liste" von etwa 1962.65 Freilich kann ein Kanon des kulturellen Bewußtseins nicht verordnet werden, er kann nur als Produkt eines ständigen Diskurses entstehen, sich verfestigen, sich langsam (oder schneller) wieder verändern. Im übrigen sind die historischen Katastrophen dieses Jahrhunderts nicht so österreichspezifisch, wie wir gerne annehmen. Die Geschichte vom beamteten Großvater, der seinen ersten Eid dem Kaiser, den zweiten der demokratischen Republik, den dritten Schuschnigg, den vierten Hitler und den fünften wieder der demokratischen Republik geleistet hat, hört man so oder anders überall, wenigstens in Mitteleuropa. 66 Und vielleicht ist ein zersplittertes Geschichtsbild, eine andauernde Auseinandersetzung um das „kulturelle Gedächtnis", das die Widersprüchlichkeit der Entwicklungen auch zum Ausdruck bringt, weniger katastrophal als ein ganzheitliches, verordnetes Bild. Wenn das uneinheitliche österreichische Geschichtsbild Sinn für Gegenwartshandeln haben kann, dann dies: Das Wissen um viele, oft gegensätzliche Bestandteile historischer Bilder in den Köpfen der Österreicher - und eigentlich aller Europäer, besonders jener, die das manchmal so genannte „Mitteleuropa" bewohnen - mahnt zu einer gewissen Behutsamkeit, um diese Gegensätzlichkeiten nicht in offene Konfrontationen ausarten zu lassen. Das Wissen um die Sprengkraft nationaler Mythologie mahnt dazu, solche Mythologie als geschichts-bildend zwar ernst zu nehmen, ihr aber immer kritisch zu begegnen. Das Wissen um die Macht der Feindbilder sollte dazu auffordern, sie durch genaue Erforschung der Mythologisierung zu entziehen, sie also aus dem gefährlichen Feld des alltäglichen Verkehrs abzuziehen und durch wissenschaftliche Bearbeitung aus Subjekten zu Objekten des öffentlichen Diskurses zu machen. Das Dilemma der Historiker (wie aller Kulturwissenschaftler) liegt dabei darin, daß sie von Berufs wegen analysieren und destruieren, „dekonstruieren", daß sie aber im Ergebnis jeweils wieder 64 Bruckmüller, Österreichbewußtsein, 183 f., unter Verweis auf Robert Menasse, Das Land ohne Eigenschaften, Essay zur österreichischen Identität, Wien 31992, 123 ff. 65 Literatur über Literatur. Eine österreichische Anthologie, hg. v. Petra Nachbaur u. Sigurd Paul Scheichl, mit einem Vorwort von Wendelin Schmidt-Dengler, Graz - Innsbruck 1995, 42; Zum Thema „Kanon" vgl. ferner Wendelin Schmidt-Dengler, Hg., Die einen raus - die andern rein: Kanon und Literatur. Vorüberlegungen zu einer Literaturgeschichte Österreichs, Berlin 1994. 66 Zum Problem der zahlreichen Brüche im Raum zwischen Deutschland und Rußland vgl. Richard Wagner, Schwejksam - wir Osteuropäer, in: Die Presse vom 29./30. Jänner 1994, ,spectrum' I f.
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- gewollt oder ungewollt - neue Bilder produzieren. Man könnte sich nun darauf zurückziehen, daß die Produzenten der kulturellen Selbstbilder eben prinzipiell anderen Branchen angehören sollten, der KronenZeitung etwa oder dem ORF, während die Wissenschaftler ebenso prinzipiell dazu eben nur kritisch Stellung nehmen dürften. Nach allem, was Historiker in den letzten beiden Jahrhunderten und bis in unsere Gegenwart herein angerichtet haben, wäre ein solcher Maulkorb für jene Spezies durchaus diskutabel. Oder aber man akzeptiert, daß auch aus den wissenschaftlichen Dekonstruktionen wieder Bilder entstehen, deklariert sie dann gleich als solche und stellt sie damit ganz bewußt wieder zur Diskussion und zur Disposition. Die Konfrontation der uneinheitlichen Symbollandschaft der österreichischen Identität mit der Intensität und dem Ausmaß des österreichischen Nationalstolzes ergibt ein verblüffendes Ergebnis: Ein hoch entwickelter Nationalstolz korrespondiert mit einem in sich uneinheitlichen, widerspüchlichen Symbolhaushalt. Das führt uns zu einer abschließenden Frage.
7. SYMBOLHAUSHALT, INTEGRATION UND PARTIZIPATION
Die Österreicher sind also mehrheitlich sehr stolz darauf, Österreicher zu sein (s. o. S. 69 ff.). Sie brauchen dazu ganz offenkundig - sieht man von so wenig distinkten Symbolen wie der Landschaft ab - nicht einmal eine in sich relativ konsistente, widerspruchsfreie mythologische Ausstattung. Egal, ob man sich auf genau beschreibbare „Gemeinsamkeiten" berufen konnte oder nicht, es entstand doch in den letzten vier bis fünf Jahrzehnten ein deutliches und auch emotional durchaus aufgeladenes österreichisches Nationalbewußtsein. Die diversen staatlichen Integrationsvorgänge der österreichischen Geschichte haben verschiedene Schichten des kulturellen Gedächtnisses geprägt, zuweilen auch materiell unterschiedlich und gegensätzlich. Wieso „hält" die österreichische Nation dennoch zusammen? Sicher gibt es die Kraft des Faktischen. Wir „gehören" eben seit meinem Geburtsjahr 1945 zu Österreich, die meisten von uns (zumindest in meiner Generation) in einer ganz unproblematischen Weise. Soweit ein darauf aufbauendes Zugehörigkeitsbewußtsein nicht total erschüttert wird oder durch Ausweisung oder Zwangsemigration obsolet wird, hat es schlicht und einfach die Kraft des Faktischen für sich. 1945 konnte man überdies bei den gerade von Hitler befreiten (oder geheil-
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ten) Österreichern Zustimmung zu Österreich mobilisieren, indem man auf ältere Modi des Dazugehörens verwies. In der Tat gehören ja die österreichischen Länder schon seit dem späten 12. Jahrhundert (Österreich und Steiermark) bzw. dem 14. Jahrhundert in ihrer Hauptmasse „zusammen". Über die gemeinsamen Symbolwelten, die daraus entstanden, haben wir ja in diesem Buch häufig gesprochen. Hier mußte nur reaktiviert, nicht wirklich „erfunden" werden, um Zustimmung für ein neuerliches „Dazugehören" zu erhalten. Dazugehören hat eine aktive und eine passive Komponente. Es ist auch die passive nicht zu verachten, die in Österreich zweifelsohne überwog. Man wird einfach ständig von bestimmten Symbolen umgeben und beeinflußt, von Fahnen, von Wappen, von Autokennzeichen, von einer als heimisch empfundenen Sprache, von gewissen Uniformen, von einem gewissen Amtsschimmel und von einer gewissen Architektur- und Denkmalslandschaft; übrigens haben ja auch die Kriegerdenkmäler nach 1918, das populäre Denkmal schlechthin, in den Uniformen der häufig dargestellten Krieger „Österreich" signalisiert und nicht „Deutschland". Man lebt in einem gewissen kulturellen Kontinuum, das neben seinen internationalen Prägungen auch bis heute sehr starke eigene, als besonders eigentümlich empfundene Bestandteile ausweist. Das geht bis in die Nahrung hinein, die daher auch nicht zu Unrecht eine gewisse Bedeutung in der nationalen Symbolik hat (s. o. S. 70 und 73). Bedeutsamer als die passive Teilhabe an dieser „österreichischen" Welt ist für nationales Bewußtsein aber aktive Anteilnahme, die „Partizipation". Vielleicht sollte dies als zentrale Kategorie der Nationsbildung hervorgehoben werden. Nicht die Herstellung größerer Gesellschaften, größerer Kommunikationsnetze schafft Nationen, sondern erst das aus dem Gefühl einer irgendwie erfolgreichen, irgendwie Sicherheit vermittelnden Teilnahme, Teilhabe, Mitarbeit und Mitentscheidung entstehende Zusammengehörigkeitsgefühl bietet die Basis für ein Nationalbewußtsein. Diese „Teilnahme" konnte historisch von sehr verschiedener Art sein. Häufig handelte es sich um kriegerische Teilnahme. Politische Partizipationswünsche wurden mehrfach enttäuscht und erweiterten sich erst, als die Herrscher nach Niederlagen (1859, 1866) Konzessionen machen mußten. Revolutionäre Teilnahme war in Österreich selten und daher kaum traditionsbildend. Im Falle Österreich wurden offenbar die Geschichte seit 1945, die Wiederaufbauleistung, die Erringung des Staatsvertrages, ein gewisses Ansehen einiger österreichischer Spitzenpolitiker in der Welt zu dieser bewußtseinsbildenden Phase der nationalen Partizipation. Diese Teilhabe ist die sicherste
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Gewähr für die Entstehung einer gemeinsamen Symbolwelt, einer gemeinsamen Imagi-Nation. Auch die reale Teilnahme an irgendwelchen „gemeinsamen" Handlungen, Kriegen, Revolutionen usw. ist langfristig wieder nur über die Abstützung durch das kulturelle Gedächtnis gemeinsamkeitsbildend. Und die symbolische Präsenz älterer Partizipationsformen (etwa in Gestalt älterer Parlamentsgebäude oder Landhäuser) kann für moderne Partizipationsformen durchaus günstig, ja legitimitätsspendend sein. 1984, zur Erstauflage dieses Buches, habe ich an dieser Stelle67 die Vermutung ausgesprochen, daß im Nationalbewußtsein der jungen Leute sich der zunehmende „Wunsch nach politischer Mitentscheidung, Mitbestimmung auf vielen verschiedenen Ebenen [...] verstärken wird und daß der Mythos des Staatsvertrages auf die Dauer vielleicht eine etwas zu schmale Basis für die weitere Entwicklung österreichischer Identität sein wird". Die Annahme lautete, daß die österreichische Nation aus weiterer Demokratisierung und erweiterter politischer Partizipation (die damals berühmte „Einmischung der Bürger in ihre eigenen Angelegenheiten") immer neue Legitimitätsschübe erhalten würde. Die Hainburg-Konfrontation vom Herbst 1984, in der die Au-Besetzer mit rotweißroten Fahnen demonstrierten, schien genau dies zu signalisieren. Inzwischen kam es aber zu einer Trendwende. Die schon seit längerem zu beobachtende Privatisierung der persönlichen Wertwelt ließ Werte wie „Familie" oder „Partnerschaft" noch weiter an Terrain gewinnen, Werte wie Öffentlichkeit, Kirche, Politik oder soziales Engagement aber verlieren. Politische Partizipation scheint heute keineswegs jene hohe symbolische Bedeutung zu haben wie seit den späten sechziger und bis in die frühen achtziger Jahre. Hat eine „österreichische Nation" in der Zukunft eines vereinten Europa überhaupt Sinn? Sozialwissenschaftliche Studien haben gezeigt, daß auch bei altgedienten EU-Mitgliedern nirgends ein Abbau des nationalen Selbstbewußtseins zu beobachten ist. Hingegen haben sich die Distanzbilder verändert. Die „anderen" sind im Blick des nordwestlichen Kerneuropa nicht mehr die unmittelbaren Nachbarn, sondern die Mitglieder außenstehender Nationen.68 Die Österreicher haben daher gar keine Wahl: Wollen sie in der EU nicht als „Deutsche" oder als gar nichts wahrgenommen werden, werden sie jedenfalls als „Österreicher" auftreten müssen. Auch wenn das in manchen Bundes67 Bruckmüller, Nation ('1984), 221. 68 Dieter Fuchs / Jürgen Gerhards / Edeltraud Roller, Wir und die Anderen. Ethnozentrismus in den zwölf Ländern der europäischen Gemeinschaft, in: Kölner Zs. f. Soziologie und Sozialpsychologie 45,1993, 238-253.
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ländern nicht so gesehen wird - es ist eine Illusion zu glauben, das gemeinsame europäische Dach werde in absehbarer Zukunft nur „Regionen" und nicht mehr die traditionellen „Nationen" überdecken. Sicher werden aber in Zukunft mehr Menschen als bisher sich nicht nur als (Tiroler, Vorarlberger, Steirer, Salzburger, Oberösterreicher, Niederösterreicher, Burgenländer, Wiener, Kärntner und) Österreicher verstehen, sondern auch als Europäer, vielleicht auch als Weltbürger. Die Sicherung der österreichischen Identität in einer nichtnationalistischen Weise - als Wunsch an die Zukunft - bedeutet daher, mehrere mögliche Ebenen der Identitätsbildung anzuerkennen. Als Ebenen der Mitentscheidung sind schon die kleinen Einheiten, die Gemeinden nicht unwesentlich (hier hat die Gemeindezusammenlegung schon genug an Identitätsproblemen und Verstörung gebracht). Die Länder sorgen schon für ihre eigene Identität und deren lebhaftes Fortblühen. Aber auch auf der staatlichen und überstaatlichen Ebene wird - mit abnehmender Notwendigkeit zu Naturbewältigung durch Arbeit - die Unzufriedenheit mit undurchschaubaren Machtzentren noch wachsen, ein Gefühl der Frustration, das nicht bloß durch den Rückzug auf die „kleine Welt" zu beantworten ist. Ob zwischen der Ebene der „Weltgesellschaft", der Ebene der Europäischen Union und der großen Konzerne mit ihrem hohen Fremdbestimmungspotential und zwischen der regionalen Ebene des neuen Heimatgefühles die „Nation Österreich" ihre seit 1945/55 stabilisierte, freilich zahlreiche ältere Erfahrungs- und Symbolschichten einbeziehende identitätsbildende Kraft beibehalten wird, dürfte vor allem davon abhängen, wie weit sie eine zentrale symbolische Ebene der Partizipation bleibt (oder wird). Die andauernde Ausschließung großer gesellschaftlicher Teilgruppen oder Altersschichten kann in Österreich vermutlich leichter als anderswo zu Desintegrationserscheinungen führen, da ein großer Vorrat an gemeinsamer partizipatorischer Erinnerung nicht zur Verfügung steht. Werden diese Probleme gesehen und berücksichtigt, dann wird auch in Zukunft „Österreich" neben anderen identitätsstiftenden Begriffen seinen sicheren Platz einnehmen. Dies um so mehr, als ja auch die Europäische Union als Bund von staatlich verfaßten Nationen konzipiert ist. Man sollte dieses österreichische Nationalbewußtsein auch nicht fürchten. Demokratisch grundiertes Nationalgefühl, das stets auf der Hut vor abwertender Ab- und Ausgrenzung ist, müßte ein erstrebenswertes Zukunftsziel sein (wir sind keineswegs soweit). Denn nur wer sich seiner selbst sicher ist, wer weiß, was er „ist", wird auch einen akzeptablen Europa- und Weltbürger abgeben. Gewisse unangenehme Erscheinungen in der Minderheitenfrage etwa sind nicht aus einem
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Übermaß an nationaler österreichischer Identität zu erklären, sondern nur aus einem Defizit eben daran. Ausbau österreichischer Identität kann darum nicht heißen, möglichst oft „Österreich" (mit „drei Ö", wie Alphons Lhotsky einmal meinte) zu sagen. Oft genug wird die mangelnde Entwicklung gewisser „bürgerlicher" demokratischer Tugenden beklagt. Dieser Mangel äußert sich nicht nur in Obrigkeitsergebenheit, Entscheidungsscheu und Parteibüchelwirtschaft, sondern auch in so scheinbar simplen Tatbeständen wie dem, daß man beim Greißler oder Fleischhauer eifrig darauf bedacht ist, irgendwie außer der Reihe schneller dranzukommen - selbst hier sich's zu „richten"; darin liegt eine profunde Ablehnung des (politischen) Gleichheitsgedankens und damit eines wichtigen Fundaments der Demokratie. Wir haben dies auf die gescheiterten Revolutionen und die immer neuen Schübe bürokratischer Staatsbildung zurückgeführt. Solche bürgerliche Tugenden zu entwickeln, erschiene uns als wichtiges Ziel. Wir hoffen, daß dies auch unter nichtrevolutionären Vorzeichen erreicht werden kann. Dann werden jene Tugenden auch der „Nation Österreich" die Gewähr für ihre weitere, dauerhafte Existenz bieten.
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Ak. d. W. Anz. AÖG Bd. BH Bll Lk Nö Diss. Erg. Bd. FRA FS (oder Fs.) Hg. HZ Inst. IFES Jb Lk Nö Kat. Ktn. Mbl. d. Ver. f. Lk Nö MGH MIÖG Mitt. d. Hist. Ver. Stmk. MOÖLA MÖStA Ms., ms. NF Nö. OG Oö. ÖGL ÖZG Phil.-hist. SB Sbg. SS StG Stmk. SWS VSWG Wiss. WU ZS
Akademie der Wissenschaften Anzeiger Archiv für österr. Geschichte Band Bezirkshauptmannschaft Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich Dissertation Ergänzungsband Fontes Rerum Austriacorum Festschrift Herausgeber Historische Zeitschrift Institut Institut für empirische Sozialforschung Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich Katalog Kärnten Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich Monumenta Germaniae Histórica Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Mitteilungen des Historischen Vereins für Steiermark Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs Manuskript, maschinschriftlich Neue Folge Niederösterreich Ortsgemeinde Oberösterreich Österreich in Geschichte und Literatur Österr. Zs. f. Geschichtswissenschaft Philologisch-historisch Sitzungsberichte Salzburg Scriptores Stadtgemeinde Steiermark Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Wissenschaftlich(e) Wirtschaftsuniversität Wien Zeitschrift
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PERSONENVERZEICHNIS
Abraham a Sancta Clara 119 Adalbert, Markgraf 21 Adler, Friedrich 39 Adler, Viktor 101 Agilolfinger (Geschlecht) 164 Albert von Tirol 164 ff. Albrecht I., Rom. König 171, 320 Albrecht II., Rom. König (als Hzg. v. Ö: V.) 200, 210 Albrecht VI., Ehzg. 100, 110, 203, 322 Almond, Gabriel 44 Althan (Geschlecht) 216 Andechs-Meranier (Geschlecht) 164 Andics, Hellmut 125 Andrian-Werburg, Victor Frh.von 228 f., 272, 274, 285 f., 294 Angerer, Rudolf 116 Aquin, Thomas von 306 Ardelt, Rudolf 55 f. Ariost 284 Armbruster, Johann Michael 226 Arndt, Emst Moritz 287 Arneth, Alfred von 108,290 Babenberger (Geschlecht) 96, 98, 16 f., 177 Bach, Alexander 247 Badeni, Kasimir 270, 375 Bahr, Hermann 200, 301 Baltl, Hermann 56 Bardolff, Carl Frh. v. 307 Bauer, Otto 91, 234, 303 f., 308, 344 f., 347 f., 388 Bauernfeld, Eduard von 119 f. Baumkircher, Andreas 379 Bayer, Konrad 395 Beduzzi, Antonio 97, 363 Beethoven, Ludwig van 148
Behr, Hans-Georg 148 Benya, Anton 108 Berger, Herbert 43 Bernhard, Thomas 60, 77, 122 Berthold von Chur 164 Beseler, Georg 290 Biedermann, Karl 351 Bismarck, Otto Fürst von 276, 301, 362, 370, 374 Bloch, Ernst 348 Bluhm, William T. 44 f., 50 f., 62 Bocskai, Stefan 364 Bodin, Jean 328 Böhm, Wilhelm 45,391 Borodajkewicz, Taras 37, 45 Botz, Gerhard 55 f., 59 Bourbon (Geschlecht) 22 Brahms, Johannes 148 Brandis, Jakob Andreas von 180 Brauneder, Wilhelm 55 Braunegger, Eva 105 Braunthal, Julius 132 Brehm, Bruno 190 Bretschneider, Rudolf 77 Breuner (Geschlecht) 216 Broch, Hermann 352 Broesigke, Tassilo 37 Bruckner, Ferdinand 348 Bruegel, Pieter 332 Brunner, Otto 172, 198, 201, 352 Buchberger, Gottfried 109 Bucquoy (Geschlecht) 218 Bunsen, Robert W. 290 f. Bürckel, Josef 311 Busek, Erhard 108 Butschek, Felix 36, 45 Calderón, Pedro de la Barca 284 Calvin, Jean 22 Carnot, Lazare 226 Cäsar, C. Julius 156 Castiglione, Camillo 347
Ceau^escu, Nicolae 10 Chamberlain, Houston Stewart 300 Christalnick, Michael Gotthard 179 Christus 20 Cole, Laurence 371 Collalto (Geschlecht) 218 Collin, Heinrich von 228, 283, 336 Colloredo (Geschlecht) 218 Commazzi, Giovanni 363 Conrads, Heinz 108 Corvinen (Geschlecht) 177 Crnojevic, Arsenije 260 Csokor, Franz Theodor 233 Csäky, Moritz 55 Czernetz, Karl 45, 348 Czernin (Geschlecht) 218 Czykann, Johann Jakob Heinrich 364 Dahlmann, Friedrich Christoph 290 Dampierre, Henri Duval 217 Dante, Alighieri 152, 284 Darwin, Charles 365 Deak, Franz 254 Defregger, Franz von 187 Degen, Josef 335 Denis, Michael 52 Deutsch, Karl W. 24,44, 46 Diem, Peter 194 Dobrovsky, Josef 242, 244, 364 Doderer, Heimito von 224, 231 Dollfuß, Engelbert 39, 80, 104, 111 Domitian, hl. 211 Domvögte von Regensburg (Geschlecht) 162 Dörler, Manfred 185 Drabek, Anna M. 53 Drimmel, Heinrich 37
444 Droysen, Gustav 290 Dürer, Albrecht 103 Dynastie Habsburg 374 Eberhard II., Erzbischof 166 Ebner-Eschenbach, Marie von 283 Eduard der Bekenner 21 Eggenberg (Geschlecht) 218 Eichmann, Adolf 54 Elisabeth von Aragon 172 Emmerich, ung. Kg. 21 Enenkel, Job Hartmann von 179 Engels, Friedrich 338 Eppensteiner (Geschlecht) 162 Erdmann, Karl Dietrich 53, 55 Eytzing, Michael von 325 Falkenberger (Geschlecht) 171 Falkensteiner (Geschlecht) 162 Fellner, Fritz 54 f. Ferdinand I. 99,178, 204 f., 210, 219, 222, 228, 325 f., 377, 379 Ferdinand II. 204, 211, 241, 281, 329, 377, 379 Fian, Antonio 59 Fichte, Johann Gottlieb 284 Ficker, Julius von 291 Figl, Leopold 45, 111, 352 Firnberg, Hertha 108 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 100, 109 Fischer, Ernst 117, 387, 391 Fischhof, Adolf 340 Florian, hl. 211 Franz Ferdinand, Thronfolger 307 Franz II., Rom. Kaiser (als K. v. Ö: I.) 106, 110, 226, 276, 334 f. Franz Joseph, Kaiser 50, 107,109,112, 217, 251, 291, 371, 394 Franz Stephan 214
Register
Freud, Sigmund 107, 115 Friedeil, Egon 268 Friedrich I. (Barbarossa) 163, 222 Friedrich der Schöne 172 Friedrich II., Hzg. 169,181, 209 Friedrich II., Kaiser 180 Friedrich II., Kg. v. Preußen 291 Friedrich III., Erzbischof 166 Friedrich III., Kaiser 90, 100, 174, 203 ff., 210, 222, 228, 278, 322, 379 Fries (Geschlecht) 230 Fromiller, Josef 362 Fuchs, Albert 301 Fugger (Geschlecht) 324 Gagern, Heinrich von 290 Gaj, Ljudevit 259 Gallas (Geschlecht) 218 Geizkofler, Zacharias 221 Geliert, Christian Fürchtegott 284 Gellner, Ernest 24, 59, 364 Gervinus, Georg Gottfried 283, 290 Gindely, Anton 329 Giotto 152 Glöckel, Otto 92, 374 Göbhart, Franz 36 f. Goerdeler, Karl 311,353 Goethe, Johann Wolfgang von 111,282,284,290 Goldschmidt, Hans Eberhard 38 Gomperz, Heinrich 293 Gomperz, Julius 293 Gomperz, Theodor 293 Görlich, Ernst Joseph 117 Görzer Grafen (Geschlecht) 96, 167, 177, 200 Gottsched, Johann Christoph 282 Graf von Tirol 164 Graus, Frantisek 238 Grillparzer, Franz 30, 93, 107, 109, 118, 129, 224, 231, 236, 283, 290 ff.
Grimm, Brüder 289 Grogger, Paula 191 Groer, Hans Hermann Kardinal 94 Gruber, Hans 192 Gruber, Karl 351 Gräffer, Franz 364 Gumplowicz, Ludwig 365 Gutenberg, Johannes 369 Haas, Hanns 55 Habermas, Jürgen 24 Habsburg, Rudolf von 13, 171 f., 349, 362 Habsburg, Otto von 393 Habsburger (Geschlecht) 13, 22, 90, 96, 99, 167, 177 ff., 200, 204 f., 208, 320, 327 f., 331, 333, 367, 377, 383 Hagedorn, Friedrich von 284 Haider, Jörg 38, 40 f. Haller, Max 138 Halm, Friedrich 283 Hamerling, Robert 293 Hanisch, Ernst 55 f. Hanka, Wenzel 244 Hannak, Jacques 45 Hanusch, Ferdinand 101 Harrach (Geschlecht) 218 Haschka, Leopold Lorenz 226 f. Haselsteiner, Horst 53 Hasenauer, Carl 108 f. Haslinger, Josef 59 Hasner, Leopold 284, 287 Häupl, Michael 94 Hauptmann, Ferdinand 53 Haydn, Joseph 102, 107, 109, 226 Hebbel, Friedrich 283, 287 Hebenstreit, Franz 334 Heer, Friedrich 9,43,48, 50 f., 55, 60, 132, 302 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 235,284,292 Heindl, Waltraud 52,284 Heinisch, Reinhard R. 53 Heinrich I., Markgraf 88 Heinrich II. Jasomirgott, Hzg. 98, 109
Personenverzeichnis
Heinrich von Mähren 97 Heinrich II., hl. K. 21 Heiß, Gernot 58 Hellmer, Edmund 109 Henckel-Donnersmark, Edgar Graf 302 Henneberg, Berthold von 278 Herder, Johann Gottfried 28 f., 242, 255, 264, 273, 284, 303, 364 Herzl, Theodor 268 Hess, Moses 268 Hitler, Adolf 10, 37, 43, 48, 115, 297, 310 f., 350, 353, 382, 395 f. Hobsbawm, Eric J. 338 Höbelt, Lothar 55 Hochstätter (Geschlecht) 324 Hoffmann, Alfred 215, 221, 374 Hofkirchen (Geschlecht) 216 Hofmannsthal, Hugo von 117, 129, 291, 302, 352 Hohenzollern (Geschlecht) 22, 133 Holzer, Gabriele 42, 59 Hölzer, Wolfgang 322, 326 Holzmeister, Clemens 109,
111
Hoor, Ernst 45 Hörbiger, Paul 108 Hormayr, Joseph von 227 f., 272, 336, 363 Horneck, Ottokar von 349 Horthy, Miklös v. Nagybänya 346 Hoyos, Gräfin 302 Hrdlicka, Alfred 109 Hubalek, Felix 45 Hundertwasser, Friedensreich 122 Hurdes, Franz 15 Hurdes, Felix 15, 45, 117 Hus, Jan 22, 364 Huth, Alfred 351 Ingrao, Charles 371 Jagellonen (Geschlecht) 177
Jägerstätter, Franz 100 Jahoda, Marie 60 Janezic, Anton 374 Jelusich, Mirko 190 Johann, Erzherzog 186, 189, 228, 336 Johann von Viktring 200 Johannes Nepomuk, hl. 212 Johannes Paul II. 152 Jonas, Franz 50, 125 Josef, hl. 212 Josef, Carl 117 Joseph II. 50, 96, 107, 112, 182 f., 209, 214 f., 217, 224 ff., 229, 234, 240, 253 f., 256, 264, 267, 270, 281, 319, 307, 333, 335, 381 Kaiser, Jakob 311,353 Kaltenbrunner, Ernst 350 Kant, Immanuel 284 Karl, hl. - Borromäus 212 Karl Albert von Bayern 214 Karl der Große 21,363 Karl I., Kaiser 371 Karl II. von Innerösterreich 96,108,111 f., 362 f. Karl IV. 99 Karl V. 132 f., 210, 281, 325 Karl VI. 213 Karolinger (Geschlecht) 164 Katzenstein, Peter J. 46, 51 Kernstock, Ottokar 102 Khlesl, Melchior 211 Kienzl, Wilhelm 102 Kinsky (Geschlecht) 218 Kirchweger, Ernst 37 Klahr, Alfred 309 Klammer, Franz 87 Klebel, Ernst 166 Kleist, Heinrich von 284 Klingenstein, Grete 55 Kloepfer, Hans 190 Klopstock, Friedrich Gottlieb 52 Knoll, August Maria 120 f., 309, 386 Kolb, Ernst 106
445 Kollonitsch (Geschlecht) 216 Kollonitsch, Leopold Graf 109 Kollär, Jan 264 Koloman, hl. 98 f., 169 f., 211 Kolowrat (Geschlecht) 218 Kopitar, Bartholomäus 262 Körner, Theodor 107, 109, 111 Kosing, Alfred 317 Kossuth, Lajos 254 f. Kramerius, Vaclav Matej 242 Krankl, Hans 108 Kraus Elislago, Anton 284 Kraus, Karl 60, 91,129, 308 Kreisky, Bruno 12, 37 f., 71, 108, 117, 394 Kreissler, Felix 47, 52 Krek, Janez Evangelist 263 Kübeck, Karl Friedrich 230 Küchelbecker, Johann Basilius 119 Kudlich, Hans 293 Kundmann, Karl 109 Kunschak, Leopold 39, 45 Kupelwieser, Leopold 363 Kürnberger, Ferdinand 109 La Fontaine, Jean de 284 Ladislaus, Hzg. 21, 203 Lammasch, Heinrich 56 Lanner, Josef 120 Lasser, Joseph Freiherr von 286 f. Lazius, Wolfgang 119 Lechner, Ödön 368 Legge wie, Klaus 42 Leinsdorf, Graf 126 Leitsch, Walter 53 Lengauer, Hubert 52 Leopold, Markgraf, hl. 13, 21, 98, 107, 120, 157, 170, 211 f. Leopold I., Kaiser 212
446 Leopold II. 182 f., 225, 242 f., 260, 334 Leopold V., Hzg. 163 Leopold VI., Hzg. 98, 109, 169, 209 Lepsius, M. R. 32 Leroi-Gourhan, André 95 Leslie (Geschlecht) 218 Lessing, Gottfried Ephraim 282, 284 Leuthner, Karl 92 Lhotsky, Alphons 15, 51, 129, 201, 205, 377, 400 Lincoln, Abraham 392 Linhart, Anton Thomas 262 List, Friedrich 380 Liutpald (= Markgraf Leopold I.) 88 Lobkowitz (Geschlecht) 218 Loewenfeld-Russ, Hans von 386 Loos, Adolf 368 Lorenz, Ottokar 374 Losensteiner 367 Loyola, Ignatius von 300 Ludwig IV., K. 277 Ludwig IX., K. v. Frankreich 21 Ludwig von Ungarn, K. 97 Luther, Martin 22, 291 f., 362, 366 Lutz, Heinrich 52 Luxemburger (Geschlecht) 177 Macchiavelli, Niccolo 328 Magris, Claudio 231 Mahler, Gustav 268 Mannsfeld (Geschlecht) 216 Maria Theresia 13, 80, 90, 107 f., 112, 117, 207, 217, 223, 240 f., 256, 333, 394 Mark Aurel 363 Markov, Walter 335 Marte, Johann 134, 147 Martin, hl. 168 Marx, Karl 293, 306, 338 Masaryk, Tomas G. 271 Matthias, K. 99, 327, 329
Register
Matthias Corvinus 203 Mauthe, Jörg 357 Mautner-Markhof, Theodor 108 Maximilian 13, 90,103, 279 Maximilian I. 15, 99,177 f., 204 f., 219,278,321,324 f., 377 Maximilian II. 210, 329 Megiser, Hieronymus 179 Meinhard II., Graf von Görz 96,165 f. Meister, Richard 56 Meli, Max 191 Menasse, Robert 59 f. Merz, Karl 129 Metternich, Klemens von 228, 272, 337, 384 Meyern, Friedrich 227 Michelangelo 152 Miklas, Wilhelm 102 Mikoletzky, Juliane 370 Missong, Alfred 117, 309 Mock, Alois 108 Molière, Jean Baptiste 284 Moll, Balthasar 110 Mommsen, Theodor 291 Montecuccoli (Geschlecht) 216 f. Montforter (Geschlecht) 180 Morzin (Geschlecht) 218 Mörth, Hermann 36 Moser-Pröll, Annemarie 87, 108 Mozart, Wolfgang A. 102, 112, 107 f., 115, 148, 362 Müller, Albert 59 Müller, Johannes von 227 Murer, Franz 36 Musil, Robert 108, 121,126, 368 Muster, Thomas 87 Napoleon 228, 289, 378 Neisser, Heinrich 38, 75 Nestroy, Johann 60, 107, 357 Neubacher, Hermann 304 Nicolai, Friedrich 118 f., 283 Nitsche, Roland 45 Nye, Joseph S. 46
Obermayr, Johann Georg 284 Odoaker 363 Ofner, Harald 38 Oldenbarneveldt, Johann von 326 Otakar IV. 163 Otakare (steir. Markgrafen) 96, 160, 162 f., 177 Otfried von Weißenburg 89 Ott, Elfriede 108 Otto I., Kaiser 167 Otto III. 15,88 Ottokar II. Premysl 181 Ottonen (Geschlecht) 88 Palacky, Frantisek 184, 244, 246, 248, 287 Paul VI. 125 Paul, Jean 284 Peichl, Gustav 116 Peilsteiner (Geschlecht) 162 Pelinka, Anton 57 Pergen, Johann Graf 335 Perkonig, Josef Friedrich 191 Pernthaler, Peter 155, 198 Peter, Friedrich 38, 108 Pez, Bernhard 214 Pfeifer, Hellfried 37 Philipp von Salzburg 181 Piccolomini, Aneas Silvius 116, 119, 218 Pieringer, Walter 130 f. Pius II. 119 Plasser, Fritz 58, 123 Plener, Ernst von 293 Plecnik, Josef 369 Pollak, Oscar 45 Popp, Gerhard 388 Posthumus, Ladislaus 174 Potocki, Andrzej Graf 267 Pottensteiner (Geschlecht) 171 Preradovic, Paula von 102 Preseren, France 87 Prinz Eugen 108, 110 f., 362, 384 Puchheim, Hans von 325 Pye, Lucian 44
Personenverzeichnis
Qualtinger, Helmut 129, 150 Questenberg (Geschlecht) 218 Raab, Julius 107,109,111, 362 Radetzky, Johann Joseph Wenzel Graf 110 Rager, Theresia 349 Raimund, Ferdinand 107, 129, 231 Raitenau (Geschlecht) 216 Rakoczi, Franz 364 Rasch, Johann 119 Raschke, Rudolf 351 Rathkolb, Oliver 58 Rauchensteiner, Manfried 53, 371 Raupach, Hans 240, 246 Redlich, Josef 286,288,328 Reichmann, Hans 38 Reimann, Viktor 39 Reiterer, Albert F. 57, 66, 79, 87, 114, 132 Rembrandt, Harmensz van Rijn 332 Renan, Ernest 41 Renner, Karl 15, 45, 102, 107,109,111, 310, 362, 387 Reumann, Jakob 101 Riedl, Andreas 334 f. Rieger, Franz Ladislaus von 246 Rill, Robert 388 Ringel, Erwin 129, 131 Robak, Fritz 145 Rokkan, Stein 44 Rosdolsky, Roman 246 Rosegger, Peter 112 Roth, Gerhard 59 f. Roth, Joseph 224, 232 Rothschild (Geschlecht) 109 Rotteck, Karl v. 290 Rousseau, Jean Jaques 284 Rubens, Peter Paul 332 Rudolf I., Kg. 13, 171 f. Rudolf II., K. 106,216,327, 329
Rudolf IV., Hzg. 99,109, 209, 309 Rumpier, Helmut 52, 55 Saar, Ferdinand von 302 Sacher-Masoch, Leopold von 371 Safarik, Pavel J. 264 Salier (Geschlecht) 88 Sallinger, Josef 108 Salm, Graf Niklas 109,112, 216 Saurau, Graf Franz von 226 Scharf, Erwin 15, 392 Schenk, Otto 108 Scherer, Wilhelm 374 Schey, Josef 109 Schierl von Schierendorff, Christian Julius 51 Schiller, Friedrich von 109, 111,119 f., 284, 290, 292, 362, 369 f. Schirach, Baidur von 311 Schmeltzl, Wolfgang 99 Schmid, Georg 58 Schmid, Wilhelm 309 Schmidt-Dengler, Wendelin 190 Schmitz, Oscar A. H. 386 Schneider-Manzell, Toni 109 Schnitzler, Arthur 107, 268 Scholz, Roman 350 Schubart, Christian Friedrich 52 Schubert, Franz 115, 148 Schuschnigg, Kurt von 39, 309, 395 Schuselka, Franz 287, 289 Schwanthaler, Ludwig HO Schwarzenau, Reichart Streun von 179 Schwarzenberg, Karl Feldmarschall 108, 110 Schwarzenberg (Geschlecht) 216 Schwarzenberg, Felix Fürst 288, 339 Schweiger, Günter 115,148 Schärf, Adolf 39, 45,109, 111, 311, 353
447 Schönborn, Christoph 94 Schönerer, Georg von 297, 299 ff., 375 Sedlnitzky, Josef Graf 259 Seeau (Geschlecht) 221 Seemann von Mangern, Wilhelm 207 Seemann, Georg 207 Seipel, Ignaz 107, 111 Seitz, Karl 109, 111 Severin, hl. 363 Seyß-Inquart, Arthur 311 Sickel, Theodor 51 Siebenbürger, Martin 325 f. Sked, Alan 371 Sonnenfels, Joseph von 52, 109, 282 Spanheimer (Geschlecht) 167,171 Spiel, Hilde 149 Springer, Anton von 294 Stadion, Johann Phillip Graf 228, 336 f. Stalin, Jossif Wissarionowitsch 309, 350 Starhemberg, Ernst Rüdiger Graf 109, 216 Staudinger, Anton 53, 55 Steinberger, Josef 189 Stepan, Karl Maria 189 Stephan, hl. 13, 21, 168 Stifter, Adalbert 291 Stolper, Gustav 306 Stourzh, Gerald 54 f., 57, 91, 134 Strassoldo (Geschlecht) 216 Strauß, Johann 92, 107 f., 115, 120, 362 Stresemann, Gustav 304 Strossmayr, Josip Bischof 259 Stuhlpfarrer, Karl 87 Stüber, Fritz 37 Stübing, Bernhard von 163 Stur, Eudevit 264 Sucher, C. Bernd 134 Sulzbacher (Geschlecht) 162 Sumerau, Josef von 226 Suppan, Arnold 53, 151
448 Suttner, Bertha von 107 Sybel, Heinrich von 133, 291 Szechenyi, Istvan 254 f. Taaffe, Eduard Graf 271 Tacitus 95,133 Tasso, Torquato 284 Tegetthoff, Wilhelm von 110 Teichovä, Alice 387 Thatcher, Margaret 83 Theresia von Avila 212 Thum (Geschlecht) 216 Tilgner, Viktor 109 Tilly (Geschlecht) 216 Todesco (Geschlecht) 109 Torberg, Friedrich 36 Trauttmansdorff 216, 218 Treitschke, Heinrich von 133, 291 Tschernembl, Georg Erasmus von 179, 327, 330 Turrini, Peter 59 Ulram, Peter A. 57, 123, 136 Uray, Hilde 109 Valois (Geschlecht) 22, 133, 177
Register
Valvasor, Johann Weikhard 180 Verosta, Stephan 56 Voltaire, François-Maurice 284 Vorlauf, Konrad 326 Waggerl, Karl Heinrich 191 Wagner, Georg 50 f., 106, 290, 368, 377 Waitz, Georg 290 Waldheim, Kurt 134, 138 Wallenstein (Geschlecht) 217 f., 377 Wallnöfer, Eduard 108 Wandruszka, Adam 45, 53 Wangermann, Ernst 52 Washington, George 392 Wehle, Peter 150 Weinberger, Lois 311, 353 Weinheber, Josef 191 Weinmayer 35 Weinzierl, Erika 58 Weinzierl, Ulrich 52 Weifen (Geschlecht) 164 Wenzel, hl. 13, 21, 168 f. Wetzlar von Plankenstern 230 Weyr, Rudolf 109
Wieland, Christoph Martin 284 Wildgans, Anton 120, 129 Wilhelm I. 299 Wilhelm, Hzg. 174 Windisch-Graetz, Alfred Fürst 338 Windisch-Graetz, Karoline 302 Winter, Ernst Karl 309, 386 Wittelsbach (Geschlecht) 133 Wittelsbacher (Geschlecht) 177 Wodianer 109 Wolfdietrich, Erzbischof
112
Wyclif 22 Zeßner-Spitzenberg, Hans Karl 309 Zihal, Julius 231 Zilk, Helmut 94 Zrinyi, Nikolaus 364 Zumbusch, Caspar von
108
Zweig, Stefan 268 Zäpolyai 364 Zöllner, Erich 53, 57
449
VERZEICHNIS DER ORTE, LÄNDER, STAATEN, REGIONEN
Aachen 99,280,325 Adria 128 Afrika 31 Ägypten 16, 318 Algerien 318 Alpenländer 96, 377 Aquileja 167,209 Arad 233 Aragon 10 Asien 31 Augsburg 164,209,279 Austerlitz/Slavkov u Brna 10 Australien 138 Babel 88 Bad Ischl 93 f., 190 Balkan 150 Baltikum 331 Bamberg 162, 167 Banat 261 Barcelona 325 Bayern 138,160, 164 ff., 280 f., 284 Beheimlant (Böhmen) 156 Belgien 130, 183, 225, 239, 334, 381 Belgrad / Beograd 260 Berchtesgaden 48 Berlin 55, 282 f., 312 Bochum 123 Böhmen 25 f., 168 f., 184, 212, 237, 240 f., 244 ff., 249, 268, 271, 278, 296, 298, 329, 331, 334, 337, 380 f. Böhmische Länder 241, 377 Bosnien 270 Bosnien-Herzegowina 259 Brabant 334 Bratislava / Preßburg / Pozsony 153, 265 Bregenz 204 Breisgau 226 Brennerstraße 164 Brest-Litowsk 127 Brixen 164 f., 167, 209
Bruck an der Mur 321, 325, 377 Brünn/Brno 362, 368 Brüssel 325 Budapest 105, 266 Bukarest 266 Bukowina 268 Bundesrepublik Deutschland 53 f., 75 f., 78, 81,130,146, 313 f., 317 Burgenland 61, 67,137,145, 190, 194 f. Burgund 204 Calais 25 Chequers 83 Chiemsee (Bistum) 164 China 318 Chreine (Krain) 89 Chur 164 f., 209 Cilli / Celje 297 Colonia Claudia Agrippinensis (Köln) 95 ¿ S F R 84 CSSR 138 d'Aquitanie 25 Dalmatien 256 f., 260 Deutsche Demokratische Republik 32, 53 f., 313, 317 Deutscher Bund 239, 276, 287 f. Deutsches Reich 291, 299, 303, 305, 308, 372 Deutschland 10, 12, 23, 28 f., 32, 46,49, 54, 58, 61, 67, 75, 78, 80, 84,102,115, 132, 136 ff., 143, 145 ff., 153,190, 264, 274, 282291, 293, 303 ff., 307, 310 f., 317, 351, 366, 373 f., 376, 388, 397 Deutschösterreich 100, 286, 306 Donau 89, 92,110, 223, 363, 380 Donauländer 203, 377 Donaumonarchie 272, 305 Donauraum 305,389
Drittes Reich 276 Dänemark 131, 278 Eisacktal 164 Eisenerz 148 Elbe 110,331,363 England 23, 25 f., 208, 239, 323 Enns 90 Ennstal 162 Ensisheim (Elsaß, Frankreich) 219 Erbländer 281 Erste Republik 92, 111 Erzherzogtum Österreich 220 Etschtal (Vintschgau) 164 Europa 28, 32,60, 72, 82 ff., 105, 126 f., 159, 198, 234, 239, 242, 273, 398 Europäische Union 76, 85, 101, 124, 315, 399 Felber Tauern(Ktn.) 166 Feldkirchen 140 Finnland 130 f. Fiume/Rijeka 223 Flandern 334 Frankfurt 246,280,283, 285 ff. Frankreich 10,23,25,27, 99,130,138,168, 183, 206, 208, 225, 239, 272, 279 f., 282, 289, 291, 313, 318, 323, 347, 366, 369, 372 f. Freising (Bayern) 15, 88, 164, 167 Freistaat Krakau 251 Friaul 162,204,257 Friesach (Ktn.) 166 Galizien 225, 239 f., 251 ff., 267 f., 295 f., 338 Garsten ( O ö . ) 96, 162 Gascongne 25 Georgenberg (OÖ.) 163, 179 Gleink 96 Gmünd (Ktn.) 166
450 Görz/Gorizia 90, 166, 204, 219, 256 f., 263 Göttingen 283 Göttweig (Stift, NÖ.) 161, 213-214 Graz 37, 97, 106, 160, 163, 258, 262, 298 - Joanneum 106 - Uhrturm 197 Griechenland 82, 85, 138 Großbritannien 138, 313 Großdeutsches Reich 382, 385 Großglockner 94 Großglockner-Hochalpenstraße 93 f. Gurk (Ktn.) 112, 167, 209 Habsburgermonarchie 90, 101, 149, 248, 276, 296, 365, 367, 370, 373, 375 f., 378, 380, 385 Habsburgerreich 203, 296, 378 Habsburgerstaat 382 Habsburgische Erblande 25 Hainburg (NÖ.) 398 Halbthurn (Bgld.) 225 Hambach (RheinlandPfalz, BRD) 369 Hamburg 282 f., 285 Hartberg (Stmk.) 162 Haus Österreich (Staatsbez.) 201,203,377 Heidelberg 283 Heiligenkreuz (Stift, NÖ.) 161 Heiliges Römisches Reich 217, 239 f., 276 f., 282, 366 Hengistburg (Stmk.) 162 Hennegau (Belgien) 334 Herzegowina 270 Hohenems (Vlbg.) 185 Hohenstaufen 96 Illyrische Provinzen 262 Innerberg (= Eisenerz) 148 Innerösterreich 90, 179, 220, 258, 329 Innsbruck 97, 99, 101, 205, 219, 351, 377
Register
Inntal 164 Irland 82,85 Israel 18 Istrien 209, 212, 219, 256 f., 259, 263 Italien 10, 75, 82, 130, 136 ff., 145, 152, 257 f., 281, 313, 317 Jena (Sachsen) 264, 283 Judenburg (Stmk.) 160 Jugoslawien 136, 138, 151, 373 Kahlenberg 93 Kaisertum Österreich 90, 106 Kanada 138 Kaprun 94 Karantanien 128, 165 f., 261 Karantanische Mark 162 Karlowitz / Sremski Karlovci 260 Kamburg (Ktn.) 95, 169 f. Kärnten 40,63,67,87,90, 129,137,140, 142, 151, 162,166 f., 169 ff., 175 f., 187, 192 ff., 197, 200, 211, 219 f., 223 f., 262 f., 281, 322, 324, 362 Karolingisches Ostland 89 Karpaten 93 Karst 204 Katschberg 166 Kecskemet (Ungarn) 369 Kitzbühel 204 Klagenfurt 97,127,167,175, 262 Klosterneuburg 96, 98, 106 f., 120,161, 213 - Stift 107 Köln 98,289 Königgrätz/Hrade Krälove 111 Königreich Polen 251 Konstantinopel 23 Konstanz 209, 278 Krain 88, 90, 151, 200, 219 f., 223, 263, 322, 325 Krakau 127,233,252 Krems 160 Kremsbrücke (Ktn.) 281
Kremsier / Kromënz (Mähren) 247, 338 f. Kroatien 258 f., 270, 379 f. Kuba 318 Kufstein 204 Küstenland 263 Laibach/Ljubljana 210, 262, 368 Lambach (Stift, OÖ.) 162 Länder der böhmischen Krone 327 Länder ob und unter der Enns 321 Languedoc 25 Languedoil 25 Lavant (Bistum) 209, 263 Lavanttal 166 f. Leibnitz 166 Leitha 91 Leitmeritz/Litomënce 299 Lemberg/Ilwów, Lviv 252 Lenin-Mausoleum (Moskau) 20 Liechtenstein 136 f. Linz 97, 162, 175, 211, 380 Lombardei 256 Lombardo-venezianisches Königreich 239,257 London 119, 149, 239, 280 Lübeck 366 Lungau (Szbg.) 166 Luxemburg 131 Maastricht (Niederlande) 325 Madrid 239,280 Magdalensberg 95 Magenta 111 Mähren 97,239,247,298 Mailand 225, 239, 256 f., 381 Mailberg (NÖ.) 174 Main 281 Mainz 169,278,369 Marburg / Maribor 162, 263 Maria Saal 95, 170 Mariastein (Tirol) 106 Mariazell 97,211 Martinswand 13 Matterhorn 92
Verzeichnis der Orte, Länder, Staaten, Regionen
Mattsee (Stift) 209 Mauthausen 101 Melk (Stift) 96, 98, 161, 169, 191, 210, 213 f., 225, 363 Memel/Kleipeda (Litauen) 282 Mittelamerika 392 Mitteleuropa 52, 67, 365, 395 Mitterburg (Pazin / Pisino)
212 Montani (Burg, Südtirol) 164 Morgarten 320 Moskau 20,373,390 Murtal 162 Mürztal 162 Mürzzuschlag (Stmk.) 190 Näfels (Schweiz) 320 Naher Osten 305 Neuhofen an der Ybbs / Niuuanhova 15, 88 Neumarkter Sattel 163 Neusatz /Novi Sad 260 New York 20 Niedere Tauern 163 Niederlande 23, 25 f., 50, 130,132,280, 319,328,332 Niederösterreich 61, 67, 90 f., 101, 103, 107, 137, 155, 157, 174, 182, 186, 190 ff., 197, 219 ff., 223 f., 322, 329, 335, 346, 349 f., 377 Niederösterreichische Lande 223,329 Nordfrankreich 332 Noricum 51, 168 Normandie 25 Nürnberg 106 Oberdeutschland 281 Obere vordere österreichische Lande 90 Obersteiermark 322, 351 Oberösterreich 63, 67, 83, 90 f., 103, 137, 155, 157, 180 f., 186 f., 190-195, 219, 223, 322, 329, 350 Oder 331 Ostarrichi 15, 88 f.
Osten Österreichs 390 Österreich 10, 12 ff., 34 f., 41 f., 46, 48 f., 51 ff., 5763, 66 ff., 72-79, 81, 84, 87-93, 95 f., 98, 101 f., 105 f., 108,110,113,115 ff., 120 f., 124 ff., 129-133, 135 f., 142-147, 151, 153, 155,157,160,166 f., 171 f., 181, 188, 191 ff., 198, 200, 204 f., 212, 221 f., 229, 234, 239 f., 249, 256 f., 270 f., 273, 275 f., 280, 282-295, 298, 303, 305 f., 308 ff., 314 f., 317, 319 f., 329, 336, 342, 344 f., 347 ff., 351 ff., 355, 363, 367, 370, 374 f., 380 ff., 384, 388 f., 391, 394, 396, 399 f. Österreich ob und unter der Enns 90 Österreich unter der Enns (NÖ.) 211 Österreichisch-ungarische Monarchie 376 Österreichische Alpenländer 376, 381 Österreichische Länder 334 österreichischer Kaiserstaat 91 Osterrich 155 f. Osteuropa 10, 242 f., 365 Ostgalizien 379 Ostmark 300, 390 Ostmitteleuropa 10, 242 f., 273, 331 Ostsee 128 Ötscher 94 Ötztal 351 Pannonien 89 Paris 20, 25, 27, 99,119, 239, 280 - Are de triomphe 20 - Louvre 99 - Notre Dame 27 - S. Denis 27, 99 - St. Germain 91, 303 - Ste. Chapelle 99 Passau 209 Pasterze 94
451
Pedena/Piben 209 Perchauer Sattel 163 Pest (Budapest) 260 Pettau / Ptuj 166 Picardie 25 Piémont 26 Piesting 162 Po 110,363 Polen 10, 143, 169, 251 (Kongreßpolen) 253, 269, 278 f., 331 Polnisches Piémont 253 Pontafel (Pontebba bei Tarvis) 281 Portugal 82 Prag 99, 127, 169, 212, 242, 247, 250, 284, 342, 368 - Altstädter Ring 212 - Hradschin 99 - Weißer Berg 330, 364 Preußen 50, 146, 237, 274, 280 f., 287, 289, 291 Präbichl 148 Pustertal 164 Pyhrnpaß 163 Raabs 162 Radstädter Tauern 166 Radstädter Tauernpaß 163 Raffelstetten (OÖ.) 89, 160 Rattenberg (Tirol) 204 Regensburg 98,164, 279 f., 283, 380 Regnum Noricum 56 Reims 99 Rein 162 Republik Österreich 100, 303, 376 Rhein 91, 118, 281, 363 Rheinlande 283 Ried im Innkreis 140 Rio de la Plata 363 Rom 49, 133 Römisches Reich 20, 280 f. Roncaglia (Italien) 222 Rosenau (NÖ.) 301 Rumänien 10 Rußland 274, 291, 323, 343 Sachsen 118, 280 Salzburg, Bistum 112, 164 ff., 170, 203, 209
452
Register
Salzburg, Land 63, 67 f., Steier 157,200 96, 104, 137,163, 165 f., Steiermark 63, 67, 90, 96, 175, 186,194 f., 213, 304, 151, 160, 162 f., 166, 170, 322, 324, 350 172, 181, 186 f., 191 f., Salzburg, Stadt 97, 165 194 f., 200, 219 f., 227, Save 363 263, 320, 322, 324, 346, Schallaburg 11,367 397 Scheibs (Bezirk) 349 Stein (NÖ.) 160 Schlesien 239, 247, 298, 381 Steinbrunn (Stinkenbrunn, Schleswig- Holstein 237 Bgld.) 145 Schloß Tirol 96 Steyr (OÖ.) 96,162 Schoberpaß 163 Stockerau 169 Schweiz, Schweizer Stuttgart 369 Eidgenossenschaft 46, Südamerika 392 50, 76 f., 82,130 f., 136 ff., Südkärnten 151 153, 180, 271, 277, 313 f., Südtirol 129, 138 319 f., 328 Südungarn 260 f. Seckau (Stmk.) 96, 162, Südösterreich 114 209 Tabor 249 Sedan 299 Seitz/Zice (Slowenien) 96, Tauern 166 Temeser Banat 261 162 Tirol 61, 63, 67, 96 f., 106, Semmering 162 f. 114, 137, 163 ff., 172, 175, Sempach (Schweiz) 320 180, 186, 192, 194 f., 200, Serbien 260 225, 256, 304, 321 f., 336, Serbische Wojwodschaft 381 261 Traunkirchen 162 Siebenbürgen 10, 266 Trautenau / Trutnov Sizilien 26 (Tschechische Rep.) 302 Skandinavien 23 Trentino 257 f., 287 Skandinavische Länder Trient 164 f., 209, 233, 257 138 Triest 90, 209, 223, 256 ff., Skofja Loka/Bischoflack 263, 380 f. 88 Triglav (Slowenien) 87, 94 Slawonien 260,379 Tschechien 136 f. Slowakei 136 f., 247 Slowenien 87 f., 136 f., 151 f. Tschechische Republik 10, 106 Solferino 110 f. Tschechoslowakei 130 f., Spanien 75, 82, 132, 178, 136, 149, 303 239, 325, 332 Tulln 160 Spanisches Reich 26 Tüffer / Lasko (Slowenien) Spital am Semmering 162 (Stmk.) 162 Türkei 138,318 Spittal/Drau (Ktn.) 140 St. Andrä im Lavanttal 263 UdSSR 131 St. Florian 213 Ufernoricum 157 St. Lambrecht 162 Ungarische Länder 377 St. Peter in der Au (NÖ.) Ungarische Reichshälfte 207 270 St. Pölten 193, 197 Ungarn 25 f., 84, 97, 105, St. Veit/Glan 140,167 130 f., 136 ff., 143, 153, Stalingrad 390 168 f., 183, 203, 212, 225,
229, 239 ff., 251-256, 258 f., 261, 265, 268 ff., 278 f., 296, 329, 332, 334, 346, 361, 364, 374, 379 ff. Untersteiermark 322 USA 10, 23, 84,138, 313 f., 347, 369 Venedig 257 Venetien 239,256 Vereinigte Niederlande 366 Versailles 301 Vietnam 318 Villach 167 Vojvodina 260-261 Vorarlberg 61, 63, 67 f., 137, 140,180, 184, 186, 192, 194 f., 198 Vorau (Stift, Stmk.) 96,162 Vorderberg 148 Vorderösterreich 336 Vorlande 203, 219, 321, 381 Waldviertel 155,390 Warschau, Herzogtum 251 Wartburg (Thüringen) 369 Wechsel 162 f. Weichsel 110,331 Weimar 283,374 Weingarten 164 Weinviertel 182 Wels 162,349 Westdeutschland 47, 332 Westeuropa 355 Westgalizien 379 Westösterreich 114 Wien 10 f., 61, 63, 67 f., 93, 97-101, 106, 119, 121, 137, 139 f., 148,160, 169 f., 190 f., 194 ff., 200, 210, 212 f., 218 f., 226 ff., 240, 252 f., 258, 260, 262, 270, 280, 283, 286, 289, 296, 298, 311 f., 324, 335 f., 343, 346, 351, 362, 369 f., 380, 390 -
Aisergrund 140 Am Hof 98, 211 Aspern 363 Austria-Brunnen 110 Äußeres Burgtor 101 Belvedere 101
Verzeichnis der Orte, Länder, Staaten, Regionen
Bistum 99 Brigittenau 140 Burggarten 109 f. Burgtheater 109, 122 Favoriten 140 Freyung 110 Graben 212 Großer Musikvereinssaal 93, 121 Heldenplatz 36, 108, 237 Hernais 140 Herrengasse 362 Hofburg 99 f., 219, 280 Hofburg, Reichskanzleitrakt 280 Hofmuseen 100 Höhenstraße 93 Josefstadt 140 Josephsplatz 110 Kaiserforum 20, 100, 108 Karlskirche 100 Kunsthistorisches Museum 108 Landesgericht 101
- Landhaussaal (Herrengasse 13) 363 - Leopoldsberg 93 - Leopoldstadt 140 - Lichtental 231 - Margareten 140 - Mariahilf 140 - Mariahilfer Kirche 109 - Minoritenplatz 111 - Morzinplatz 101 - Naturhistorisches Museum 108 - Neubau 140 - Niederösterreichisches Landhaus 110 - Ottakring 140 - Parlament 100, 111 - Pestsäule am Graben 110 - Rathaus 36, 109, 326 - Rathauspark 109, 111 - Regierungsgebäude (Herrengasse 11) 363 - Ringstraße 100, 111, 378 - Rudolfsheim-Fünfhaus 140
453
- Schatzkammer 106 f., 393 - Schottenstift 98, 161 - Schweizer Garten 101 - St. Stephan (Stephansdom) 94, 98 f., 101, 209, 363 - Universität 99, 363, 391 - Volksgarten 109 - Votivkirche 100 - Wieden 140 Wiener Becken 56 Wiener Neustadt 205, 210, 325, 379 Wienfluß 223 Windisch-Matrei (Osttirol) 166 Windische Mark 325 Worms 325 Würzburg 162 Ybbs an der Donau 207 Zisleithanien 225, 265, 269 Zisleithanische Länder 90 Zisleithanische Reichshälfte 91 Zwettl (NÖ.) 301
454
SACHVERZEICHNIS Abgrenzung 19, 135 Ablehnung 139 Ablehnungsbilder 141 Absolutismus 179,184, 200 f., 204 ff., 213, 219, 221, 255, 272, 324, 328, 363, 366, 368, 384 Abstammung 128 Abstammungsgemeinschaft 6 6 , 3 0 3 Abstammungsmythos 117, 129, 168 Abstammungsphantasien 127 Abstammungssage 238 Adel (Adelige) 163 ff., 168, 170, 175 ff., 180, 184 f., 201 f., 206 f., 211, 217 f., 225 f., 230, 239, 252, 256, 258, 262, 264, 278, 302, 320, 323, 326, 330, 333, 344, 364, 378 Adel, protestantischer 327 Adel, ritterlich-ständischer 242, 372 Adel, tschechischer 241 Adel, österreichischer 230, 232, 236, 269, 331, 332 Adelsaufstände 319 Adelsfronde 330 Adelshaus 99 Adelsnation 253 Adelsrepublik 331 Agitation, nationale 271 Agrarbereich 158, 248, 305, 315, 331 Agrarbevölkerung 264 Agrardepression 330 Agrarkrise 188 Alane 41 Alemannen 127 Alpenbewohner, romantisierte 129 Alpenbund 228 Alter des Nationalbewußtseins 64 Amerikaner 137
Amtssprache 253 f., 262 Amtsträger 173, 220, 391 Anerkennung durch das Ausland 87 Angestellte 78 Angloys 25 Anonymität 75 Anschluß 44, 56, 84, 190, 193, 258, 276, 303-308, 310 f., 349, 353 f., 388 Anti-Ausländer-Volksbegehren 140 Antisemitismus 115,142 f., 268, 341, 365 Araber 82 Arbeiter (Arbeiterschaft) 63, 73, 246, 266, 297, 303 f., 306, 345 Arbeiterbevölkerung 310 Arbeiterbewegung 310, 314 Arbeitsunfälle 131 Aristokraten 232, 266 Armee 76,217,233,240, 269, 295, 303, 341, 351, 354, 370 ff., 377, 386 Asiaten 82 Aufführung klassischer Musik 115 Aufklärung 26, 264, 266, 268, 292, 361, 365 Auseinandersetzungen 60 Ausgleich 254 Ausländer 139 f. Ausländerangst 139 Ausschlußlandtag 328, 331, 333 Ausstellungen 112 f. Austria 97, 110 Austromasochismus 42 Autonomie 173, 179, 202, 222, 242, 250, 254, 257, 260, 277, 314, 342, 379 Autostereotypen 114 Autostereotyp, österreichischer 121 Außenpolitik 83 Außensteuerung 49
Babenberger 156, 160 f., 163,170 f., 177,181, 209, 362 f. Barbaren 20 Bauern 63, 76, 177, 183, 186, 188, 201, 203, 223, 226, 244, 246, 249, 252, 256, 263, 272, 319 f., 322, 331, 334 f., 337, 345 ff., 372 f., 381 f. Bauern, ruthenische 267 Bauern, tschechische 241, 246 Bauern, ungarische 261, 371 Bauernaufstand 251, 323, 337 Bauernnation 264 Bauernorganisationen, christlich-soziale 297 Bawari 89 Bayern (Baiern) 96, 127, 157,165 ff., 177, 211, 280 f., 291, 333 Beamte 78, 206, 220 ff., 224, 230, 235 f., 244, 250, 252 f., 258, 262, 284 f., 294, 296, 335, 340, 384, 387, 391 Bedeutungswandel 24 Begräbnisstätten 95 Behörden 76 Berge 94 Berufsschichtung 62 Beschäftigungspolitik 41 Bestialität 30 Betriebsräte 343, 346 Bettelorden 209 Beurteilung des Nationalsozialismus 81 Bevormundung 75 Bevölkerungswachstum 159 B ewußtseinslagen, nationale 62 Bezirksbehörden 295 Bezirksgerichte 229 Bezirkshauptmannschaften 182,229
Sachverzeichnis
Bild von den Deutschen 145 Bildende Kunst 71 Bildungsbürgertum 67, 184, 249, 263, 284 f., 294 Bildungsnation, deutsche 297 Bildungswesen 249, 252 Bindenschild 103 Böhmen 116 Böhmische Krone 150 Böhmischer Löwe 150 Bollwerk des christlichen Abendlandes 132 Bollwerk gegen Osten 126 Bourgeoisie 378, 382 Brücke zwischen Ost und West 126 Bundesheer 63, 308, 395 Bundeshymne 102 Bundesländer 137, 140 Bundesländerbewußtsein 66 Bundespräsident 50 Bündnisse 377 Burg 160, 164, 197 Burgenländer 63, 68, 73, 194 ff. Burgunder 41 Bürger 183,206,221,244, 252, 256, 269, 322 f., 363, 382 Bürgerbewußtsein 42 Bürgerinitiativen 76 Bürgerliche Bildungsreligion 28 Bürgerliche Gesellschaft 29 Bürgernähe 334 Bürgerrechte 27 Bürgerschaft 211 Bürgertum 111,198 f., 206, 226, 244 f., 248, 256 f., 262 ff., 302, 326, 335, 338, 340, 345 ff., 355, 370 Bürgertum, deutsches 300 Bürgertum, liberales 190 Bürgerwehr 342 Bürokratie 22, 52, 75, 178, 180, 182, 205, 219 f., 222 f., 225 f., 229, 231, 234 f., 240, 250, 267, 278,
280, 284, 294, 317, 341, 344, 346, 377, 383, 386, 400 Bürokratieverdrossenheit 343 Chauvinisten 35 Christentum 20 Christianisierung 168 f., 378 Christlichsoziale 186, 189 f., 215, 263, 303, 341, 350 Codex Austriacus 223 Darstellende Kunst 71 Demokratie 74, 180, 232, 236, 246, 355, 400 Demokratie, bürgerliche 199, 345 Demokratie, liberale 313 Demokratie, parlamentarische 345 Demokratie, urtümliche 243 Demokratische Partizipation 76 Demokratisches System 73 Demokratisierung 398 Demonstration 201, 302, 304, 341, 350, 372 Denkmäler 95, 108 ff. Desintegration 281 Deutsch 144 Deutsche, österreichische 292, 316, 368, 386 Deutsch-Österreicher 68, 91, 111, 116, 136 Deutsche 61, 66, 68, 111, 126, 136 ff., 141, 146 f., 153, 233, 237 f., 247, 250, 253 f., 264, 270, 275 f., 286 f., 289, 296, 298, 302 ff., 307 f., 310, 317, 338, 353, 360, 364, 366, 375, 388, 390 f., 399 Deutsche Frage 46 Deutsche Geschichte 52, 54 Deutsche Nationsbildung 146 Deutsche Ostkolonisation 128
455
Deutscher Michel 116 Deutscher Orden 21 Deutscher Sprach- und Kulturkreis 62 Deutsches Kulturwerk europäischen Geistes 37 Deutschnationale 41, 67 f., 117, 133, 189, 287, 289, 297, 301, 303, 312, 394 Deutschradikale 117 Deutschtum 38 Dezennalrezesse 207 Differenzbewußtsein 238 Differenzbilder 59 Distanzbild 82 Domus Austriae 15 Donau 223,332,380 Donauhandel 324 Donauländer 203 Donaumonarchie 272, 305 Doppeladler 103 f. Dreibund 152 Dreigeteiltes Deutschland 54 E G 83 Eidgenossenschaft 277 Eigenstaatlichkeit Österreichs 38 Eigenständigkeitsbewußtsein 59 Einheitsstaat 204, 217, 241, 287, 303 Emigration 48 Entnazifizierung 353 Entwicklungshilfe 84 Entösterreicherung 92 Erbfeindschaft 152 Erbländer (Erblande) 178, 204, 258 Erdmann-Kontroverse 57 Ereignisse, historische 111 Erinnerung, historische 19, 112 Erinnerungsfiguren 17 Erlösungsphantasien 30 Erwachen der Nationen 33 Erzeugung von Skiern 115 Erzherzogshut 106
456 Erziehungswesen, gesamtstaatliches 240 Esten 31 Ethnisches Bewußtsein 16 Ethnogenesen 21 Ethnos 20,155, 157,167 f., 171, 238 Ethnozentrismus 82, 139, 149 EU-Haltung 83 Europabejahung 83 Europabewußtsein 82 Europäer 67 Exil 48,52 Facharbeiter 78 Fahnen 102 Faschismus 307, 309 Feiern 16 Feiertage 9, 105 Feindbilder 24 Feindseligkeit 141 Feste, nationale 13, 15 Festungen des Bolschewismus 101 Feudalgesellschaft 173, 201, 239 Feudalherren 160, 163, 167, 170, 171 Finanzverwaltung 174, 216 Flüsse 94 Föderalismus 312 FPÖ 38 f., 62, 64 f., 67, 74, 78,139,149, 299, 316, 394 Franken(reich) 167 f., 237 Freiberufler 73 Freiheit 75 Freiheitliche 40 Freiherren 173, 200, 230 Freimaurer 334 Freimaurerhymnus 102 Fremdbilder 72, 114 Fremde 82 Fremdenverkehrsland 72 Front 190,309,321,342, 391 Frühkapitalismus 324 Führungsschichten 50 Fürst(en) 163, 166, 172, 178, 202, 205, 207 ff., 239, 260 f., 279, 327 f. GAL 65
Register
Gedenken 11 Gedenktage 10 Gegenreformation 44, 208 f., 211 f. Geistesleben 290 Geistlichkeit (Geistliche) 159, 170, 221, 244, 261 f., 264, 266, 278, 334, 340 Geld 206,216 Gemeinde(n) 173, 198, 244, 343, 399 Gemeindeautonomie 250 Gemeindebauten 101 Gemeindevertretung 377 Gemeinsame Sprache 70, 148 Gemeinsamkeitsstiftung 13 Generallandtag 331, 333 Generalstände 333 Generalstände, französische 25 Genossenschaften 250, 263, 266 Gerechtigkeit 75 Gerichte 76, 173, 180, 278, 380 Gerichtsbarkeit 165 Gerichtsherr 180 Gerichtshoheit 172 Gerichtssprengel 181 Gerichtssystem 229 Gerichtstage 180 Gerichtsverfahren 204 Gerichtsversammlung 181, 379 Germanen 133 Gesamtstaat 193, 329, 340 Geschichte 16, 18, 155, 205, 214, 241, 272, 274, 281, 290, 306, 319, 332, 357 f., 362 ff., 366 f., 374 f., 383, 385 f., 389, 392, 395 ff. Geschichtsauffassung, offizielle österreichische 81 Geschichtsbewußtsein 16, 80 f. Geschichtsdeutung 243 Geschichtsforschung 51 Geschichtsschreibung 179, 214, 309
Geschichtswissenschaft 317 Gesellschaft 101 Gesellschaft, höfische 207 Gesellschaft, nationale 199, 218 Gesellschaftlicher Träger 33 Gesetz(e) 223,335,345 Gesetzbuch, Allgemeines Bürgerliches 379 Gesetzgebung 268, 380 Gesetzgebungsmonopol 22 Gewalt 208,277 Gewaltmonopol 22, 202 f., 342 Gewerbeschulwesen 245 Glaube an Deutschland 132 Glaube an Österreich 132 Gleichheit 334,400 Gleichmacherei 75 Götter 21 Grafschaft) 200,212,230 Großsprachgebiete 23 Grundherren(schaft) 178, 180, 208, 267, 323, 330 ff., 338 Grundkonsens 39 Gruppe der politisch Berechtigten 25 Gruppenidentität 59 Gruppensymbole 19 Grün-Bewegungen 76 Grün-Sympathisanten 68 Grüne 74, 78, 139 Habsburger 13, 22, 90, 96, 99, 155, 157, 167, 174, 176 ff., 183, 200 f., 203 ff., 207-211, 213-217, 222, 225, 228 f., 231, 251, 253, 257, 274, 276, 280 f., 319, 320, 325, 327 f., 331, 333 f., 336, 338, 349, 362, 367, 374, 377, 380, 383, 393 Habsburgermonarchie 90, 101, 149, 224, 234, 239, 246, 248, 253, 261, 267, 269, 290, 296, 365, 367, 370, 373, 375 f., 378, 385
Sachverzeichnis
Habsburgerreich 203, 218, 226, 230, 250, 252, 272, 274, 294, 296, 378 Habsburgerstaat 227, 229, 382 Haftungszusammenhang 54 Hauptstädte 95 Haus Österreich 49, 97, 103, 106, 110, 201, 203, 281, 377 Heer 173, 216 ff., 226, 344, 373, 383 Heil 49 Heil des Hauses 50 Heilige 13 Heilige Orte 27, 95 Heiliger König 21 Heiliger Spitzenahn 21 Heiligkeit der Texte 23 Heilserwartung 30 Heilsgeschichte 26, 30 Heimat 33, 57 Heldenplatz 122 Heroen 21 Herrenstand(-stellung) 158, 171, 173, 200 Herrschaft 157 f., 160, 164 f., 167 f., 178, 180, 200 f., 204 ff., 210, 214, 222, 239, 247, 256, 258, 277, 302, 319, 322, 343, 354, 363, 389, 392 Herrschaftsbereich, Habsburger 161, 174, 209, 214 f., 240, 272, 296, 321 Herrschaftsbereich, innerösterreichischer 329 Herrschaftsgebiet 201, 216, 222, 225 f., 232, 320 Herrschaftskonzentration 202 Herrschaftsrechte 162 f., 173 Herrscher 13 Herrscher(haus) 215, 232, 254, 320, 337, 346, 357, 373, 398 Herzog 161, 163, 165, 170, 173, 181, 200 f.
Heterostereotypen 115, 147 Historisierung des Lebens 111 Hochadel 229 Hochschulabsolventen 73 Hochschule für Welthandel 37 Hof 178, 205 ff., 219, 229 ff., 235, 240, 278 Hofadel 229, 240, 250, 377 Hofgericht 280 Hofkammer 221 Hofkanzlei 218,224,280, 284 Hofkriegsrat 217, 258 Hofratsnation 200, 215, 222, 224 f., 229, 268, 319, 333 Hoftage 277 Holocaust 143 Humanität 29 f. Hymnen 28, 102 Identifikation 22, 113, 186 f., 190 f., 194-197, 213 f., 258, 274, 291 f., 294, 316, 336, 359 Identifikation, deutsche 297 f., 306, 316, 373 Identifikation, nationale 168, 228 Identifikation, regionale 186 Identifikation, sprachnationale 61, 184, 255, 297 Identifikationssymbol 87 Identität 16, 18 f., 45, 88, 113, 199, 224, 238, 269, 340, 346, 358, 361, 376, 378 f., 384, 386 Identität, deutsche 303, 388 Identität, ethnische 169 f., 260 Identität, landesbezogene 192 f. Identität, kulturelle 95 Identität, nationale 66, 298, 315, 318 Identität, österreichische 49, 57, 59, 63, 66, 148,
457 196, 303, 307, 347 f., 362, 385, 388, 396, 399 f. Identität, regionale 193 Identität, sprachnationale 382 Identität, staatliche 261 Identitätsbewußtsein 377 Identitätsbildung 199, 382, 399 Identitätsbildung, österreichische 54 Identitätsproblem 53, 237, 275 f., 399 Identitätsstifter 13, 111 Ideologie 167, 186, 188, 239, 244, 271, 273, 308 f., 312, 383 Ideologische Mißgeburt 40 Industrie 187, 245, 248 f., 305, 314 f., 341, 344, 361, 381 f. Industrie 72 Industriegebiete 346 Innere Sicherheit 72 Insel der Seligen 71, 123, 125 Institutionen, gesellschaftliche 33 Inszenierungen 59 Integration 22, 46, 160, 163, 230, 239, 246, 253, 269, 279 f., 282, 284, 291, 297, 309, 320, 339, 376, 377, 381 f., 384, 396 Integration, literarische 285 Integration, nationale 45, 249, 259 f., 267, 274, 383 Integration, politische 46 Integration, sprachnationale 274 Integration, staatliche 271, 280 Integration, ökonomische 380, 382 Integrationsbewegung 206 Integrationskraft 355, 365 Integrationsprozeß 161, 170 ff., 280, 282 Integrationsvorgänge 160, 383, 397
458 Interpretation der Geschichte 15 Invasionen 49 Italiener 133, 137 f., 150, 164, 206, 217, 230, 256 ff., 274, 287, 297, 313, 317, 337 f., 376 Jakobiner(bewegung) 334, 336 Jesuiten 133, 211 Josephinismus 214 f., 222 f., 241, 248, 334 Jubiläen 9, 13,15, 111 Juden(tum) 141 ff., 190, 230, 236, 267 ff., 352 Jugendlichkeit 43 Jugoslawen 137, 151 Kaffeehaus 115 Kaiser 167, 177, 203, 208, 215 ff., 224 ff., 232, 267, 277-281, 287, 291 f., 300 f., 324, 334, 338, 342, 344, 370 ff., 394 f. Kaiserhaus 211 ff. Kaiserkrone 213, 240, 332 Kaisertum 210, 268, 301 Kaiserwahl 214 Kaiserwürde 214 Kammergericht 279, 281 Kammergut 209 Kammerknechtschaft 268 Kanon 18 Kanonisierung 18, 21 Kapital 249,305,347 Karantaner 96, 165 f. Karikatur 116, 151 Kärnten 166 f., 169 ff., 175, 187, 192, 194 f., 200, 211, 220, 224, 322, 362 Kärntner 63, 68 Karolinger 160, 164, 166 Katholiken 23, 132, 208, 257 f., 264, 307, 310, 333 Katholizismus 50, 211, 215, 299, 385 f., 388 Kirche 76, 95, 164, 167, 169, 173, 208, 210, 213, 215, 226, 232, 266, 278, 297, 301, 306 f., 369, 399 Kirche, katholische 42, 132
Register
Kirchengut 161, 209 Klassische Musik 71 Kleinststaaten 31 Klerus 211, 215 f., 262, 372, 377 Klima 94 Klischees 146 Klischees, negative 118 Klischees, österreichische 145 Koalition 394 Koalition, große 383 Kollektives Gedächtnis 17 Kollektives Vergessen 42 König 27, 29, 158 f., 167, 206, 218, 240, 251, 278, 324 Königreich 164,239,251, 253, 257 f. Königshaus 238 Königsschenkungen 165 Kommunikation 24, 46, 276, 323, 343, 346, 380, 398 Kommunisten 309, 344, 351 f. Konfliktfreiheit 87 Konnubium 302, 315 Konservative 117, 215 Konservativismus 185 ff., 232 Konsolidierung 260, 328 Kontinuitäten 51 Konzils-Nationen 25 Körperschaften 257 KPÖ 35 f., 62, 64, 393 Kreisamt 224 Kreiseinteilung 278 Kriegsverbrecher 143 Kroaten 31,139,141,144 f. Kroatisch 144 Krone, böhmische Krone des Heiligen Römischen Reiches 106 Kronen 105 f. Kult 13 Kultur 58, 71,155,168,186, 189, 197, 232, 235, 244, 256 f., 260, 266, 291, 293, 306, 313 f., 352, 357 f., 361, 366, 383 ff., 388 f., 393-397
Kultur, politische 313 Kultur, österreichische 197, 236, 311, 378 Kultur, deutsche 146 Kulturelle Eigenheiten 73 Kulturelles Gedächtnis 17 ff. Kulturen 16 Kulturland Österreich 120 ff. Kulturnation 32, 292, 312, 315 Kulturnation, deutsche 45, 67 Kulturpolitik 190,254 Kulturraum 314 Kulturwissenschaften 28 Kultzentrum 95 Kunst 71 Kunstschätze, historische 87 Kurienwahlrechte 295 Land (Länder) 22, 96,155, 158, 160, 162 f., 165 ff., 170 ff., 174,177-182,186, 188 ff., 193,196, 198 f., 201, 205, 211, 218-223, 225, 246, 250, 253, 277, 311, 314, 321 f., 328, 343 ff., 362, 372 f., 379, 399 Land (Länder), habsburgische 183, 212 Land (Länder), österreichische 196, 204, 211, 241, 323, 326, 334 Landbund 307 Landesadel 163, 207 Landesausschuß 188, 220 Landesbewußtsein 67, 69, 155, 163, 170, 173, 176 f., 180 ff., 184-188, 191, 193, 195 f., 199, 143, 244, 247, 303, 312, 319, 376 f., 385 Landesbildung 159, 163, 165 ff., 170 ff., 202, 209, 238, 320, 359 Landesbistum 209 Landesbürgerschaft 184, 185 Landesfreiheit 179, 200 Landesfürst 171, 173 ff.,
Sachverzeichnis
182, 208 ff., 219 f., 240, 326, 331, 333, 337 Landesgemeinde 157 f., 171,176 f., 201, 238, 377 Landeshauptmann 192, 223, 344 Landesheilige 21, 99, 168, 170 Landesherr 208 Landeskirche 209 Landesklöster 210 Landesname 88 Landesnot 203 Landesordnung 166 Landespatrioten 68 Landespatriotismus 67, 189,194 Landesprivilegien 324 Landessitte 158, 238 Landessprache 242 Landessymbol 94 Landesverband 171, 172 Landesverfassung 185 Landesverfassungsgesetzgebung 198 Landfrieden 171 f., 278 Landhaus 97, 100, 174 f. Landherren 171 f., 200 Landrecht 157,158 Landrichter 181 Landschaft 94,163,181, 196, 198, 386 Landschaftliche Schönheit 70,87 Landschaftsensemble 94 Landstände 25, 97, 166, 171 f., 202 Landtag 172, 175, 185, 188, 193, 220 f., 255, 257, 259, 262, 266, 325, 334, 376 f. Landwirte 78 Landwirtschaft 187, 242, 249, 264, 330, 381 Länderautonomie 250, 342 Ländergruppen 219 Legitimation 178, 182, 210, 229, 322, 362 Legitimität 189, 209, 211, 311, 373, 382 Leibeigenschaft 251 Lernprozeß 48
Letten 31 Liberale 133, 184, 258, 270, 313 Liberales Forum 74, 78, 139 Liberalismus 186,190, 300, 361, 365 Liechtensteiner 136 Litauer 21 Literatur 71, 190 f., 272, 282, 313 f., 334, 367, 374, 395 Literatur, tschechische 243, 245 Literatur, österreichische 48, 283, 285 Lokalpatriotismus 67 f., 194 Loyalitätsreserven 50 Macht 164,167,178,201, 206 f., 210, 229, 250, 267, 270, 277, 303, 307, 311, 318, 325, 332, 343, 345, 378, 396 Machtblöcke 126 Magyaren 144, 255, 265, 273 f. Magyarisch 144 Männerwahlrecht 271,377 Marineflagge 103 Mark 171 Markgraf 170 Markt 261 Maturanten 73 Medien 76 Medizin 71 Menschenrechte 27 Menschheit 26 Menschheitsgeschichte 26, 28,30 Militärgrenze 260 Milizsystem 176 f., 211, 226 Minderheiten 191, 244, 255, 263, 268, 297, 352, 400 Minderheitenfeindlichkeit 139 Ministerialen, Ministeriali tät 165, 171, 173, 219, 221, 352
459 Mitgliedschaft in der EG 84 Mitteleuropäer 67 Moderne Nation 23 Moderne technische Entwicklung 72 Modernisierung 43 Modernisierungsschritte 46 Modernisierungstheoretiker 44,46 Monarchie 63, 188, 212, 224 f., 229 f., 232 f., 235, 237, 239, 241, 245, 250, 256 f., 260, 262, 265 f., 268 f., 271, 274, 293-299, 303, 306, 308, 312 f., 336 f., 339 f., 344 f., 363 f., 368, 370 f., 374, 376 ff., 382 f., 386, 389 Münzerhausgenossenschaft 326 Museum der deutschen Geschichte 55 Musiker und Dichter 70 Mythen 27 mythische Erzählungen 16 mythische Gründungsheroen 21 Mythos 16 ff. Mythos, österreichischer 14 Nachbarländer 136 Nachbarn 139, 141, 145 Namen 88 Nation 13,20,24,27,2933, 63, 68, 87, 193, 227, 233, 237, 239, 244, 248, 251, 253 f., 256, 260, 263, 266 ff., 273, 275 f., 278 f., 289, 291, 293, 298, 301, 318, 337, 357-361, 374, 376, 384, 394, 398, 400 Nation = Konsensualgemeinschaft 66 Nation = Staat 66 Nation, belgische 183 Nation, bürgerliche 184, 372 Nation, deutsche 32 f., 38, 270, 279, 283 f., 288, 303, 306, 314, 317, 386
460 Nation, habsburgischösterreichische 226, 232 Nation, moderne 319, 375 Nation, nichtdeutsche 296 Nation, niederländische 25 Nation, österreichische 15, 35, 38-41, 50, 53, 228, 230, 236, 309, 316, 336, 339, 340, 353 f., 375, 383, 399 Nation, polnische 252 Nation, tschechische 246, 270 Nation, ungarische 255, 264, 274 Nationalbewegung 271, 289, 361, 365, 369, 371 f. Nationalbewegung, kroatische 258 Nationalbewegung, serbische 261 Nationalbewegung, slowenische 151 Nationalbewußtsein 36, 58, 61 f., 65, 67, 69, 128 Nationalbewußtsein, deutsches 245,278,282, 288, 295, 297 Nationalbewußtsein, kulturelles 312 Nationalbewußtsein, österreichisches 36, 43, 57, 65 f., 224, 226, 246, 257, 272, 292 f., 351, 353, 355, 384, 393, 397, 400 Nationalbewußtsein, partizipatorisches 340 Nationalbewußtsein, quietistisches 354 Nationalbewußtsein, sowjetisches 318 Nationalbewußtsein, tschechisches 244 Nationalcharaktere 83 Nationale Programmatik 35 Nationalfeiertag 45, 102, 104 f., 318, 347, 354 f. Nationalfeiertagsgesetz 124 Nationalgefühl 229,282, 400
Register
Nationalgeist 228 Nationalgeschichte 261 Nationalhymne 226, 318 Nationalidee 227 Nationalismus 24, 184, 193, 239, 247, 253 f., 271, 288, 292, 294, 296 ff., 362, 364 f., 369, 372 Nationalismus, deutscher 151 Nationalismus, sprachbezogener 215 Nationalisten 59 Nationalität 30 Nationalitätenfrage 270 Nationalpatriotismus 67 Nationalrat 38, 342 Nationalsozialismus 40, 80 f., 133, 190, 304, 348, 353 f., 370 Nationalsozialisten 11, 133, 190, 307, 310, 352, 391 Nationalstaat(en) 257, 268, 280, 303, 376 Nationalstolz 69 f., 227, 396 Nationalversammlung 27 Nationalversammlung, Frankfurter 287 Nationalversammlung, französische 333, 339 Nationalversammlung, provisorische 342 Nationen 13, 20, 25 f., 49, 53, 59 Nationsbegriff der Sprachgemeinschaft 50 Nationsbildung 41 ff., 155, 237, 243 f., 246, 248, 256, 258 f., 261 ff., 265 f., 269, 272 ff., 276, 286, 288 f., 291 f., 294, 317 ff., 336 f., 348, 355, 367, 370, 383, 398 Nationsdiskussion 32 Nationswerdung 298, 337 Navarroys 25 Neonazibewegungen 134 Neoabsolutismus 51, 246, 261 f., 265, 294 f., 340, 378, 380 Neonazismus 115
Neue Medien 23 Neujahrskonzert 87 Neustammbildung 167 ff. Neutrale Friedenszone 126 Neutralität 12, 70, 84,105, 124 Neutralitätsgesetz 124 Neutralitätsmythos 123 f., 126 Niederländische Generalstaaten 25 Niederösterreich(er) 63, 68,149,155,157,174,176, 179,182 f., 185 f., 191 ff., 197, 220 f., 224, 321 f., 334, 346, 350, 377 Niederösterreichisches Landhaus 100 Noriker 95 NSDAP 39 NS-Vergangenheit 59 NS-Zeit 54 Oberösterreicher 63, 68, 155, 157, 177, 179 ff., 183, 186 f., 189, 191 f., 194 f., 223, 321 ff., 350 Obrigkeitsergebenheit 175, 400 Obrigkeitsstaat 295, 384 Offiziere 202,217,230, 233, 236 Opferbilanz 57 Opferrolle 41 Opposition 183, 211, 294, 325 ff., 347, 364, 384 Oriens 89 Orientales 89 Origo gentis 124 Österreich als Brücke 125 Österreichbekenntnis 35 Österreichbewußtsein 35, 42, 58, 60, 65 ÖsterreichBeschimpfungen 43 Österreichbild 127, 134 Österreichbild der Deutschen 145 Österreich-Patriotismus 41 Österreich - Rollenverständnis 126
Sachverzeichnis
Österreich-Stereotypen 116 Österreicher 43, 45, 61, 67 ff., 73, 75 f., 80 ff., 87, 89, 91, 114 ff., 124, 126 f., 134,136,139 f., 142,146 f., 149,152 f., 157,166,171 f., 191 f., 196, 200, 203, 205, 215, 220, 222, 227, 229, 232, 234, 235, 239 f., 251, 256, 270 f., 275 f., 281 f., 284-294, 296, 299-303, 305 f., 309, 311, 314 ff., 319 f., 325 f., 330, 333, 342, 345, 347 ff., 351355, 359 f., 367, 370, 373 f., 377, 380, 383, 385, 387, 389-400 Österreichertum 132 Österreichische Deutsche 66 österreichische Kaiserkrone 106 Österreichkritiker 42 Österreichische Länderausstellung 113 Österreichischer Nationalfeiertag 38 Ost-West-B rückenlage 126 Ottonisch-salisches Reichskirchensystem
88 ÖVP 35 ff., 45, 62, 64 f., 74, 78 Parlament 74, 76, 235, 257, 271, 339, 354, 378, 379, 398 Parlament, englisches 25 Parlament, Frankfurter 246, 285, 337 Parlament, modernes 332 Parlamentarier 246 Parlamentarismus 333 Parlamentsverständnis 76 Parteien 76, 247, 250, 254, 298, 311 f., 326, 341, 344, 346, 351, 353 f., 375, 391, 393 f. Parteipräferenz 62, 65 Partikularismus 312 Partizipation 46, 198 f., 396, 398
Patriotismus 50, 184, 194, 266, 283, 293, 336, 361, 374, 387, 390 Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft für Sozialforschung 64 Pays 22 Penetration 46 Personen 107 Pflichtschulabsolventen 73 Phäakenstereotyp 117, 119, 134, 147 Piefke 145, 147 Polen 116, 141, 149 Politikverdrossenheit 80 Politische Effektivität 79 Politische Ordnung 77 Politische Unzufriedenheit 78 Politische Zufriedenheit 78 Politischer und sozialer Friede 70 Polizei 76 Polizeisystem 211, 222, 247, 255, 334 Polonisierung 252 Populus Christianus 21 Populäre Musik 71 Preußen 145 Preußen-ÖsterreicherStereotypisierung 117 Prinzip Nation 31 Profane Zentralbauten 101 Protestanten (Protestantismus) 133, 179, 264, 307, 329, 333 Provinz 45 Prozesse, historische 111 Rat (Räte) 206, 322, 326, 343 Rätebewegung 341 Rätesystem 346 Raunzen 77 Rebellion 329 Recht 159,200,271,303, 324, 379 Rechtsfindung 379 Rechtspflege 269
461 Rechtssicherheit 380 Rechtssprechung 379 Rechtsstaat 355 Rechtssystem 306 Rechtstradition 379 Reformation 22 f., 208, 289, 326 f., 331 Reformbestrebungen 210 Reformbewegung 183, 334 Reformen 208, 210 f., 214, 225, 248, 251, 254, 256, 272, 278 Regierung 76, 165, 185, 205 f., 223, 226 ff., 236, 244, 257, 265, 270 f., 284, 298, 301, 307 ff., 321, 324 f., 334-339, 341 ff., 347, 362, 375, 378, 381 Regierungspolitik 70 Regime 335, 350 Regiment 217, 257, 325 Reich 159, 164, 176, 190, 209, 212, 224 ff., 229, 232, 237, 240, 276-282, 284, 286, 290, 296, 301, 311, 352, 378 Reich, Deutsches 289, 292, 299, 303, 308 f., 311, 372, 391 Reich, Drittes Großdeutsches 276, 305, 349, 382, 385, 389 Reich, Heiliges Römisches 239 f., 276, 280, 282 Reichsadel 218,230,280 Reichsdisposition 56 Reichsfürsten 165, 204, 209, 280, 331 Reichsheilige 21 Reichsheiligtum 100 Reichshofrat 280 Reichskanzlei 219,280 Reichskirchensystem 164, 165, 167 Reichspatriotismus 276, 282 Reichsrat 257,271,375, 377 Reichssteuer 279 Reichsstände 25, 277, 279, 281, 329
462 Reichstag 204,247,277, 279,281, 329, 338 ff., 370, 378 Reichsversammlung 378 Rekonstruktion 117 Religion 168, 176, 208 f., 211, 213 ff., 267, 278, 301, 329, 357 f., 363 ff. Religionseinheit 208 Religionsfreiheit 331 Religionsgemeinschaft 268, 361 Repräsentation 208, 214, 219, 319, 346, 369 Republik 13, 91, 189, 306, 312, 344, 348 f., 387 f., 390 Republik, bürgerliche 345 ff. Republik, demokratische 386, 395 Republik-Denkmal 111 Republik, deutsche 313 f., 316 Republik, Erste 14, 58, 63, 212, 303, 374, 382 f., 386, 388 f. Republik, Zweite 45, 58, 66, 353, 382 f. Republik Österreich 303, 355, 375 f. Republikanische Liturgie 13 Revolution 27,229,286, 318 ff., 329 f., 336 ff., 345 f., 348, 353, 398 Revolution, bürgerliche 323, 344 Revolution der Kommunikation 23 Revolution, französische 27, 183, 225, 334, 369 Revolution, gesamtdeutsche 308 Revolution, gescheiterte 317, 359, 386 Revolution, moderne 334 Revolution, österreichische 341 Revolution, proletarische 323 Revolution, ständischparlamentarische 323
Register
Revolution, ungarische 265 Rheinfranken 116 Ritter 173, 175, 320, 331 Rituale 13, 16 Ritus 18 Rolle Österreichs in der Welt 72 Romantik 28 Rot-Weiß-Rot 102 f. Rumänen 141 Russen 137,149 Sachsen 116 Sakrale Zentralität 100 Sakralisierte Zentralbauten 101 Säkularisierung 26 Salzburger 63, 68, 163, 165 f., 170, 175, 181,186, 194 f., 209, 304, 322, 341, 350 Schriftsprache 255, 264 Schriftsprache, magyarische 255 Schulvereine 298 Schwab 117 Schwaben 153 Schwarze Legende 132 ff. Schwarzenberg-Denkmal 110
Schweizer 70, 77, 136 f., 153, 227, 271, 277, 313, 316, 319 f., 328 Selbstbestimmungsrecht 257 Selbstbewußtsein 156,158, 163, 267, 296, 303 Selbstbewußtsein, österreichisches 168, 387 Selbstbilder, österreichische 72, 114 f. Selbstmordrate 130 f. Selbstsicherheit, österreichische 83 Selbstverständnis 168, 225 f. Selbstverwaltung 265, 271 Selbständige 63, 73 Selbständigkeit, kulturelle 258 Selbständigkeit, staatsrechtliche 184, 258
Separation 346 Serben 139,141, 151 Serbokroatisch 144 Sicherheit 344,348,398 Skandale 72 Slawen 129 Slawenkapitel 29 Slowaken 31,136,149, 246, 255, 264 f., 273, 360, 376 Slowenen 31, 87, 139, 141, 144,149,151 f., 261,263 f., 287, 292, 297, 367, 371 Slowenisch 144 Souveränität 26 Sozialdemokraten 91, 311, 345, 388 Sozialdemokratie 39, 189, 303 f., 307, 341, 344, 346 f., 349 f., 370 Soziale Sicherheit 72, 75 Sozialforschung 131 Sozialisten 133, 257, 350, 394 Sozialpartnerschaft 72, 74, 87, 313, 394 Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft 114 Spanier 133 SPÖ 35 f., 38 f., 45, 62, 64 f., 74, 78, 117, 124, 393 f. Sport 71 Sportliche Erfolge 87 Sprache 46,157, 184, 224, 226, 237 f., 241 ff., 245, 251, 253 ff., 259, 262, 264, 272 f., 282, 290, 295 f., 312, 314, 357 f., 361, 364, 366 f., 397 Sprachenverordnung 296 Sprachgebiete 288, 366 Sprachgemeinschaft 303 Sprachgruppe 237, 239, 256, 263, 292, 295 f., 339 f. Sprachimperialismus 147 Sprachminderheiten 143 Sprachnation 66, 143, 215, 229, 272 f., 285, 294, 314, 339, 376 Sprachnationalismus 183,
Sachverzeichnis
237, 253, 259, 265, 276, 316, 319, 371 Sprachpflege 254, 274 Sprachraum 302 Sprachslowenen 142, 145 Sprachwissenschaften 28 Staat 26, 53, 202 f., 206, 213, 215, 218, 223, 225 f., 229, 234 f., 239 f., 252, 255, 265, 271, 274, 277, 298, 306, 310, 328, 336, 340, 347, 352, 357, 366, 368 f., 373, 376 f., 382 Staatlichkeit 168, 192, 216, 225, 237, 246, 273, 280, 292, 319, 321, 342, 343 f., 358 Staatsbild 75 Staatsbildung 22, 31, 202, 205, 208, 213, 224, 229, 235, 236, 239, 241, 280 f, 318 ff., 332 f., 348, 359, 364, 366, 377, 383, 386, 400 Staatsbildung der Habsburger 44, 51 Staatsbürger 22, 30, 255, 363, 380 Staatsbürgernation 32 Staatsgebiet 351, 366 Staatsgedanken 191 Staatsgewalt 294, 328 Staatsgrundgesetz 269 Staatsrecht 157, 184, 226, 246, 250, 258 Staatsname 88 Staatsnation 66 Staatspatriotismus 67 f. Staatspolitik 71 Staatssprache 239, 295 Staatssymbolik 14 Staatsuntertanen 22 Staatsvertrag 12, 354, 373, 394, 398 Staatsvertrag von Wien 11 Staatswerdung 216, 224 f., 330 Staatswesen 205 f., 225, 269 f., 294 f., 339, 345, 378 Stadt (Städte) 94, 160 ff., 171 f., 180, 190, 193, 221,
260, 279, 323 f., 330, 351, 368 Stadt der Volkserhebung 37 Stadtbürgertum 323, 326 Stamm 156 ff., 166 ff., 177, 195, 237, 372 Stammesgemeinschaften 96 Stammesheilige 21 Stammgesellschaft 378 Stammherzogtum 166 f., 169, 172 Stand (Stände) 172-180, 182, 184 f., 198, 202 f., 205 ff., 220, 239, 243 f., 278, 318, 320 f., 327-331, 333, 362, 367, 378 f. Ständeaufstände 319 Ständebund 179, 328 Ständekämpfe 320 Ständemacht 334 Ständemitglieder 179, 182 Ständerevolte 183, 324 Ständestaat 189, 191, 330, 385 Starker Mann 74 Stato de Austria 51 Staufer 159, 277 Steiermark 157, 160, 162 f., 171 f., 175, 177, 181, 183, 186 f., 189, 191 f., 194, 195, 200, 220, 320, 322, 325, 346 Steirer 63, 68, 73, 116 Stellung der österr. Wirtschaft auf dem Weltmarkt 72 Stellung zum politischen System 74 Stephanskrone 105 Stereotyp 114, 134 Steuer 174, 176, 207, 216, 220, 224, 330, 372 Steuerbelastung 75 Steuermonopol 22, 202, 342 f. Stolz 70 f., 73 Studenten 206, 244, 262, 264, 291, 297, 300 f., 338, 363, 369 f.
463
Studentenverbindung 297, 299 Sudetendeutsche 303, 382 Südslawen 150 f. Sündenbock-Schema 140 Symbole 19, 88, 94, 105 f., 196 ff., 228, 247, 289 ff., 299, 357 ff., 363 f., 367, 371, 393 f., 397, 400 Symbole, nationale 87 Symbolfiguren 107 Symbolhaushalt 87 Symbolik 101 Symbolische Verdichtung 33 Sympathie 135, 138 Sympathie für Nationen 138 Tabus 131 Tag der Fahne 104 Teil der deutschen Nation 59 Tempel 20 Theater 121 f. Tiroler 63, 68 f., 73,163 ff., 172, 175, 180, 183, 186 f., 189, 192, 194 f., 200, 225, 227, 256, 304, 316, 322, 336 Todesursachen 130 Toleranz 117 Tracht 156 f., 186 ff., 190, 193, 238 Tradition 15, 167, 173, 176, 180,182 f., 186,189, 211 f., 220, 222, 231, 243, 261, 268, 315, 333, 340, 351, 359, 361 Transfer des Sakralen 22, 30 Träger eines großen kulturellen Erbes 126 Tschechen 136 f., 139, 149 f., 237 f., 241, 244, 246, 250, 254 f., 260, 263, 268, 274, 287, 292, 296, 337, 342, 360, 367, 371 f., 382 Tschechenbild 149 Tschechenstereotyp 150 Tschechisch 144, 184 Tschuschen 150
464 Turnerbund 36 Turnvereine 298 Typisch österreichische Art zu leben 73 Türken 82, 141, 177, 213, 260, 318, 321 f., 324, 327, 364, 373, 380 Türkeneinfälle 176, 203 Türkengefahr 328 Türkenhilfe 332 Türkenkrieg 179, 216, 240 Türkisch 144 Überpriviligierung 341 Ubiern 95 Ukrainer 337 Umgangssprache 144 Umweltprobleme 72 Unfalltote 130 Ungarn 77, 136 ff., 152 Universität(en) 206, 210, 243, 252, 257, 374, 386, 391 Universitäts-Nationen 24 Unmenschlichkeiten 30 UNO 124 Unqualifizierte Arbeiter 78 Unternehmer 63,206,230, 290, 292, 305, 334, 378 Unterrichtssprache 262 Untertanen 75, 207, 216, 218 f., 223, 228, 269, 319, 323, 328 Urgermanen 117 VdU 35 Verbot der NSDAP 39 Verdrängen 43 Vereine 245 f., 250, 258 Vereinigung, nationale 248 Vereinigung, ständische 202 Vereinsgründung 183 Vereinswesen 244, 269, 298 Verfassung 75, 247, 292, 295, 339, 374 Verfassungsentwicklung 313 Verfassungsgesetz 39
Register
Verfassungspatriotismus 75 Verfassungsrechtslehre 198 Verfassungsversuche 266 Verfolgung 11 Vergesellschaftung 358, 376 Vergessen 41, 43 Verstaatlichung 217, 347 Verstaatlichungspolitik 344 Vertrauen in Institutionen 76 Verwaltung 174, 180, 219, 221, 241, 243, 267, 269, 295, 312, 380 Verwaltung, staatliche 312,344 Verwaltung, ständische 175, 220 Verwaltungsapparat 188 Verwaltungseinheit 182 Verwaltungsgefüge 341 Verwaltungssystem 229, 374 Verwaltungszentren 207 Verwandtschaft 135 ff. Vogt, Vogtrechte 209 Volk (Völker) 26, 28 f., 53, 56, 229, 233, 238, 242 f., 255, 264 f., 269, 271, 288, 299, 301, 309 f., 344, 365, 369, 375, 380, 387, 389 Völkerwanderung 372 Volk Gottes 20 Volksabstimmung 193, 304, 308, 310, 348 Volksbewaffnung 28, 203, 226 ff., 336, 373 Volksbund 304 Volksgerichtshöfe 353 Volksgruppen 143, 266 Volkskultur 28 Volkssprachen 23 Volksstamm 268, 367 Volkstum 92 Volksversammlung 247 Volkswehr 342,343 Vorarlberger 63, 68, 73,
180, 182, 184, 186, 189, 192, 194 f., 198 Vorhut des christl. Abendlandes 126 Vorlande 203 Vormärz 187,243,245, 248, 259, 262, 284, 289, 294, 300 Waffen-SS 41 Wahlalter 373 Wahlen 192, 246 f., 287 Wahlrecht 271 Wahlrechtsreform 339 Waldheim-Kontroverse 57 Wallfahrtsorte 97 Wappen 102 f., 198, 359 Wehrmacht 351,354,373, 391 Wehrpflicht 168,227,371, 373 Weltbürgerlichkeit 67 Weltgeschichte 20 Weltkrieg 274,315,372 Weltkrieg, Erster 233, 250, 256, 261, 274, 298, 341, 381 Weltkrieg, Zweiter 192, 373 Wertesystem 79 Widerstand 39,48,202, 216, 225, 257, 327, 329, 332, 345, 348, 352 ff., 364, 390 Widerstand, Bauern 183 Widerstand, österreichischer 56, 310, 350 Widerstandsgeist 179 Widerstandsgruppen 194, 350 f. Widerstandsideologie 176, 326 Widerstandswillen 228 Wiederaufbau 210, 336 Wiedererrichtung der Republik Österreich 54 Wien als Kongreßstadt 72 Wiener 63, 68, 73,149,169, 186, 191, 194, 197, 200, 209 f., 212,218,223,226 f., 240, 242, 244, 253, 25 ff., 262, 282 f , 286, 289,
Sachverzeichnis
296 f., 301, 311 f., 380, 393 Windisch 144 Wir-Bewußtsein 16 Wir-Gruppe 33 Wirtschaft 159, 166, 221, 245, 256 f., 288, 303, 311, 340, 382 Wirtschaft und Politik 72 Wirtschaftsbürgertum 240, 263 f., 271, 292, 294, 304, 378 Wirtschaftsgebiet 337
Wirtschaftskrise 338 Wirtschaftslenkung 75 Wirtschaftsliberalismus 382 Wirtschaftstreibende 230 Wisigote 41 Wissen 82 Wissenschaften 28, 71 Wohlfahrt, materielle 73 Zeichen 20, 88 Zeitungslektüre 74 Zensuswahlrecht 295, 377
465 Zentralbürokratie 205, 219, 241 Zentrale Orte 97 Zentralgewalt 188 Zentralisierung 242 Zentralismus 183, 185, 242, 250, 270 Zentralität 95 Zentralregierung 223 Zentralsprache 241 Zentralstaat 155, 371 Zentralverwaltung 222 Zentrum 127
Studien zu Politik und Verwaltung Herausgegeben von Christian Brünner, Wolfgang Mantl, Manfried Welan
1 Korruption und Kontrolle. Hg. v. Christian Brünner. 1981. 726 S. mit 8 Tab. i. Text. Brosch. ISBN 3-205-08457-8 2 Unbehagen im Parteienstaat. Jugend und Politik in Österreich. Von Fritz Plasser und Peter A. Ulram. 1982. 208 S„ Tab. u. Graph, i. Text. Brosch. ISBN 3-205-08458-6 (vergriffen) 3 Landesverfassungsreform. Hg. v. Reinhard Rack. 1982. 255 S. Brosch. ISBN 3-205-08459-4 (vergriffen) 4 Nation Österreich. Kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse. Von Ernst Bruckmüller. 2. erweiterte Aufl. 1996. Ca. 400 S., zahlr. Graph, i. Text. Brosch. ISBN 3-205-98000-X 5 Krise des Fortschritts. Hg. v. Grete Klingenstein. 1984. 172 S., Graph, i. Text. Brosch. ISBN 3-205-08461-6 (vergriffen) 6 Parteiengesellschaft im Umbruch. Partizipationsprobleme v. Großparteien. Von Anton Kofier. 1985. 132 S„ 58 Tab. Brosch. ISBN 3-205-08463-2 (vergriffen) 7 Grundrechtsreform. Hg. v. Reinhard Rack. 1985. 302 S. Brosch. ISBN 3-205-08462-4 (vergriffen) 8 Aufgabenplanung. Ansätze für rationale Verwaltungsreform. Von Helmut Schattovits. 1988. 220 S. Brosch. ISBN 3-205-08464-0 (vergriffen) 9 Demokratierituale. Zur politischen Kultur der Informationsgesellschaft. Hg. v. Fritz Plasser, Peter A. Ulram u. Manfried Welan. 1985. 291 S., 91 Tab. i. Text. Brosch. ISBN 3-205-08467-5 10 Politik in Österreich. Die Zweite Republik: Bestand und Wandel. Hg. v. Wolfgang Mantl. 1992. XV, 1084 S. Geb. ISBN 3-205-05379-6 11 Flexible Arbeitszeiten. Eine fixe Idee. Von Rudolf Bretschneider, Rupert Dollinger, Joachim Lamel u. Peter A. Ulram. 1985. 133 S., 33 Tab. i. Text. Brosch. ISBN 3-205-08469-1 (vergriffen) 12 Verfassungspolitik. Dokumentation Steiermark. Von Christian Brünner, Wolfgang Mantl, Dietmar Pauger und Reinhard Rack. 1985. 294 S. Brosch. ISBN 3-205-08465-9 (vergriffen) 13 Krisen. Eine soziologische Untersuchung. Von Manfred Prisching. 1986. 730 S„ zahlr. Tab. u. Graph, i. Text. Brosch. ISBN 3-205-08468-3 14 Schweiz-Österreich. Ähnlichkeiten und Kontraste. Hg. v. Friedrich Koja u. Gerald Stourzh. 1986. 279 S. Brosch. ISBN 3-205-08902-2 (vergriffen) 15 Was die Kanzler sagten. Regierungserklärungen der Zweiten Republik 1945-1987. Von Maximilian Gottschlich, Oswald Panagl u. Manfried Welan. 1989. VI, 325 S. Brosch. ISBN 3-205-08900-6 (vergriffen) 16 Technikskepsis und neue Parteien. Politische Folgen eines „alternativen" Technikbildes. Von Erich Reiter. 1987. 167 S. Brosch. ISBN 3-205-08904-9 (vergr.) 17 Demokratie und Wirtschaft. Hg. v. Joseph Marko u. Armin Stolz. 1987. 367 S. Brosch. ISBN 3-205-08905-7 (vergriffen) 18 Society, Politics and Constitutions. Western and East European Views. Von Antal Adam u. Hans G. Heinrich. 1987. 212 S. Brosch. ISBN 3-205-08907-3 (vergriffen)
Studien zu Politik und Verwaltung Herausgegeben von Christian Brünner, Wolfgang Mantl, Manfried Welan
19 USA: Verfassung und Politik. Von Francis H. Heller. 1987. 120 S. Brosch. ISBN 3-205-08906-5 (vergriffen) 20 Umweltschutzrecht. Von Bernhard Raschauer. 2. Aufl. 1988. 304 S. Brosch. ISBN 3-205-05143-2 (vergriffen) 21 Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit. Studien zum Zeitgefühl und Geschichtsbewußtsein des Jahrhunderts nach Augustus. Von Karl Dietrich Bracher. 1987. 348 S. Brosch. ISBN 3-205-08909-X (vergriffen) 22 Das österreichische Parteiensystem. Hg. v. Anton Pelinka u. Fritz Plasser. 1988. 800 S. Brosch. ISBN 3-205-08910-3 23 Parteien unter Streß. Zur Dynamik der Parteiensysteme in Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten. Von Fritz Plasser. 1987. 344 S. Brosch. ISBN 3-205-08911-1 24 Ideologie und Aufklärung. Weltanschauungstheorie und Politik. Von Kurt Salamun. 1988. 142 S. Brosch. ISBN 3-205-05126-2 25 Die neue Architektur Europas. Reflexionen in einer bedrohten Welt. Hg. v. Wolfgang Mantl. 1991. 332 S. Ln. m. SU. ISBN 3-205-05412-1 26 Die große Krise in einem kleinen Land. Österreichische Finanz- und Wirtschaftspolitik 1929-1938. Von Dieter Stiefel. 1989. X, 428 S. Brosch. ISBN 3-205-05132-7 27 Das Recht der Massenmedien. Ein Lehr- und Handbuch für Studium und Praxis. Von Walter Berka. 1989. II, 356 S. Brosch. ISBN 3-205-05194-7 (vergriffen) 28 Staat und Wirtschaft. Am Beispiel der österreichischen Forstgesetzgebung von 1950-1987. Von Werner Pleschberger. 1989. 579 S. Brosch. ISBN 3-205-05204-8 (vergriffen) 29 Wege zur Grundrechtsdemokratie. Studien zur Begriffs- und Institutionengeschichte des liberalen Verfassungsstaates. Von Gerald Stourzh. 1989. XXII, 427 S. Brosch. ISBN 3-205-05218-8 30 Geist und Wissenschaft im politischen Aufbruch Mitteleuropas. Hg. v. Meinrad Peterlik und Werner Waldhäusl. 1991. 268 S. Brosch. ISBN 3-205-05464-4 31 Finanzkraft und Finanzbedarf von Gebietskörperschaften. Analysen und Vorschläge zum Gemeindefinanzausgleich in Österreich. Hg. v. Christian Smekal u. Engelbert Theurl. 1990. 307 S. Brosch. ISBN 3-205-05237-4 (vergriffen) 32 Regionale Ungleichheit. Von Michael Steiner. 1990. 258 S. Brosch. ISBN 3-205-05281-1 33 Bürokratische Anarchie. Der Niedergang des polnischen „Realsozialismus". Von August Pradetto. 1992. 156 S. Brosch. ISBN 3-205-05421-0 34 Vor der Wende. Krise, Gesellschaft und politische Reformen im Ungarn der achtziger Jahre. Hg. v. Sändor Kurtän. Aus d. Ungar, v. Alexander Klemm. 1993. 272 S. Brosch. ISBN 3-205-05381-8 35 Hegemonie und Erosion. Politische Kultur und politischer Wandel in Österreich. Von Peter A. Ulram. 1990. 366 S. Brosch. ISBN 3-205-05346-X (vergriffen)
Studien zu Politik und Verwaltung Herausgegeben von Christian Brünner, Wolfgang Mantl, Manfried Welan
36 Gehorsame Rebellen. Bürokratie und Beamte in Österreich 1780-1848. Von Waltraud Heindl. 1991. 388 S„ 12 SW-Abb. Geb.m.SU. ISBN 3-205-05370-2 37 Kultur und Politik - Politik und Kunst. Von Manfred Wagner. 1991. 367 S. Brosch. ISBN 3-205-05396-6 38 Revolution und Völkerrecht. Völkerrechtsdogmatische Grundlegung der Voraussetzungen und des Inhalts eines Wahlrechts in bezug auf vorrevolutionäre völkerrechtliche Rechte und Pflichten. Von Michael Geistlinger. 1991. 554 S. Brosch. ISBN 3-205-05414-8 39 Slowenien - Kroatien - Serbien. Die neuen Verfassungen. Hg. v. Joseph Marko und Tomislav Boric. 2. Aufl., 1994. 467 S. Brosch. ISBN 3-205-98283-5 40 Der Bundespräsident. Kein Kaiser in der Republik. Von Manfried Welan. 1992. 119 S. Brosch. ISBN 3-205-05529-2 41 Wege zur besseren Finanzkontrolle. Von Herbert Kraus und Walter Schwab. 1992. 167 S. Brosch. ISBN 3-205-05530-6 42 Bruchlinie Eiserner Vorhang. Regionalentwicklung im österreichischungarischen Grenzraum. Von Martin Seger u. Pal Beluszky. 1993. XII, 304 S., 16 S. Farbabb. Geb. ISBN 3-205-98048-4 43 Regierungsdiktatur oder Ständeparlament. Gesetzgebung im autoritären Österreich. Von Helmut Wohnout. 1993. 473 S. Brosch. ISBN 3-205-05547-0 44 Die österreichische Handelspolitik der Nachkriegszeit 1918 bis 1923. Die Handelsvertragsbeziehungen zu den Nachfolgestaaten. Von Jürgen Nautz. 1994. 601 S. Brosch. ISBN 3-205-98118-9 45 Regimewechsel. Demokratisierung u. politische Kultur in Ost-Mitteleuropa. Hg. v. Peter Gerlich, Fritz Plasser u. Peter A. Ulram. 1992. 483 S., zahlr. Tab. u. Graph. Brosch. ISBN 3-205-98014-X 46 Die Wiener Jahrhundertwende. Hg. v. Jürgen Nautz und Richard Vahrenkamp. 2. Aufl. 1996. 968 S., 32 S. SW-Abb. Geb. ISBN 3-205-98536-2 47 Ausweg EG? Innenpolitische Motive einer außenpolitischen Umorientierung. Von Anton Pelinka, Christian Schaller und Paul Luif. 1994. 309 S. Brosch. ISBN 3-205-98051-4 48 Die kleine Koalition in Österreich: SPÖ - FPÖ (1983-1986). Von Anton Pelinka. 1993. 129 S. Brosch. ISBN 3-205-98052-2 (vergriffen) 49 Management vernetzter Umweltforschung. Wissenschaftspolitisches Lehrstück Waldsterben. Von Max Krott. 1994. 325 S. Brosch. ISBN 3-205-98129-4 50 Zeitenbruch. Die geforderte Demokratie. Von Wolfgang Mantl. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98459-5 51 Autonomie und Integration. Rechtsinstitute des Nationalitätenrechts im funktionalen Vergleich. Von Joseph Marko. 1995. XIV, 550 S. + LXVIII. Brosch. ISBN 3-205-98274-6 52 Grundzüge fremder Privatrechtssysteme. Ein Studienbuch. Von Willibald Posch. 1995. XXVIII, 205 S. Brosch. ISBN 3-205-98387-4
Studien zu Politik und Verwaltung Herausgegeben von Christian Brünner, Wolfgang Mantl, Manfried Welan
53 Identität und Nachbarschaft. Die Vielfalt der Alpen-Adria-Länder. Hg. v. Manfred Prisching. 1994. 424 S. Brosch. ISBN 3-205-98307-6 54 Parlamentarische Kontrolle. Das Iriterpellations-, Resolutions- u. Untersuchungsrecht. Eine rechtsdogmatische Darstellung mit historischem Abriß u. empirischer Analyse. Von Andreas Nödl. 1995. 192 S. Brosch. ISBN 3-205-98161-8 55 Kurze Geschichte der Zweiten Republik. Von Alfred Ableitinger. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98460-9 56 Staat und Gesundheitswesen. Analysen historischer Fallbeispiele aus der Sicht der Neuen Institutionellen Ökonomik. Von Engelbert Theurl. 1996. 302 S. Brosch. ISBN 3-205-98461-7 57 Eliten in Österreich. Von der Monarchie bis zur Zweiten Republik. Von Gernot Stimmer. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98587-7 58 Frankreich-Österreich. Wechselseitige Wahrnehmung und wechselseitiger Einfluß seit 1918. Hg. v. Friedrich Koja u. Otto Pfersmann. 1994. 307 S., 19 SWAbb. Brosch. ISBN 3-205-98295-9 59 Die Funktion der Verfassung. Von Gerhart Wielinger. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98463-3 60 Avantgarde der Auflehnung. Modellfälle militärischen Widerstands im 19. und 20. Jahrhundert. Von Richard G. Plaschka. Ca. 900 S., ca. 48 SW-Abb. Geb. ISBN 3-205-98390-4 61 Geschichte der Grundrechte in Österreich. Von Wilhelm Brauneder. In Vorbereitung. ISBN 3-205-05371-0 62 Um Einheit und Freiheit. Die Geschichte des österreichischen Staatsvertrages 1945-1955. Von Gerald Stourzh. 1996. Ca. 400 S., 18 SW-Abb. Brosch. ISBN 3-205-98383-1 63 Österreich unter alliierter Besatzung. Von Alfred Ableitinger, Siegfried Beer und Eduard G. Staudinger. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98588-5 64 Evaluation im öffentlichen Sektor. Von Evert Vedung. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98448-X 65 Liberalismus. Hg. v. Emil Brix u. Wolfgang Mantl. In Vorbereitung. ISBN 3-205-98447-1 66 Die österreichische Staatsidee. Von Karin Liebhart u. Manfried Welan. 1996. Ca. 200 S. Brosch. ISBN 3-205-98573-7
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bohlau Wienneu Robert Winter Das Akademische Gymnasium in Wien Vergangenheit und Gegenwart 1996. 415 S. mit zahlr. SW-Abb. Geb. ISBN 3-205-98485-4 Eine lebendige Geschichte jener Schule, die als Ausbildungsstätte für Nobelpreisträger und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bekannt wurde. In ihrer Entstehung auf die Zeit Kaiser Ferdinand I zurückgehend, erhielt das Akademische Gymnasium 1866 durch den Architekten Friedrich von Schmidt seinen charakterischen Bau am Beethovenplatz. Neben informativen Details wird auch die gesellschaftlichkulturelle Herkunft der Schüler dargestellt. Eine fast viereinhalb Jahrhunderte alte österreichische Lehranstalt im Wechsel der Geschichte.
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Eugen Guglia/Rudolf Taschner/Heinz Kröll Das Theresianum in Wien Vergangenheit und G e g e n w a r t 1996. 212 S. mit 25 SW- und 48 Farbabb. Geb. ISBN 3-205-98510-9 Seit 250 Jahren beherbergt die ehemalige Favorita auf der Wieden eine der berühmtesten und maßgebendsten Schulen Österreichs: die Theresianische Akademie. Aus diesem Anlaß ediert das Kuratorium der Akademie die 1911 von E. Guglia verfaßte Schulchronik in einer bearbeiteten und bis zur Gegenwart ergänzten Neuausgabe Erhältlich in Ihrer Buchhandlung
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bohlauWienneu Jean Berenger Die Geschichte des Habsburgerreiches 1273-1918 Aus dem Französischen von Marie Therese Pitner. 1995. 886 S. mit 20 S. SW-Abb. Geb. ISBN 3-205-98153-7 Karl Lechner Die Babenberger 6. Auflage 1996. 478 S. Geb. ISBN 3-205-98569-9 Margret Friedrich / Peter Urbanitsch (Hg.) Von Bürgern und ihren Frauen (Bürgertum in der Habsburgermonarchie, Bd. 5) 1996. 256 S. mit 16 S. SW-Abb. Geb. ISBN 3-205-98526-5 Hanna Krajewska (Hg.) Polen - Österreich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert Ein Dokurnentenführer 1996. 201 S. mit 16 S. SW-Abb. Brost Ii ISBN 3-205-98574-5 Waltraud Bayer Die Moskauer Medici Der russische Bürger als Mäzen 1850-1917 1996. Ca. 260 S. m. 15 SW-Abb. u. 4 Farbabb. Brosch. ISBN 3-205-98557-5 Erhältlich in Ihrer Buchhandlung !